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Suhrkamp Verlag Leseprobe Dennett, Daniel C. Den Bann brechen Religion als natürliches Phänomen Aus dem Amerikanischen von Frank Born © Suhrkamp Verlag suhrkamp taschenbuch wissenschaft 2189 978-3-518-29789-6

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Suhrkamp VerlagLeseprobe

Dennett, Daniel C.Den Bann brechen

Religion als natürliches PhänomenAus dem Amerikanischen von Frank Born

© Suhrkamp Verlagsuhrkamp taschenbuch wissenschaft 2189

978-3-518-29789-6

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Religion ist, wie jedes andere menschliche oder nichtmenschliche Phä-nomen, den Naturgesetzen unterworfen und somit auch naturwissen-schaftlich erforschbar. So lautet Daniel Dennetts provokante These. In seiner Untersuchung konzentriert er sich vor allem auf die Gründe und Bedingungen für die Entstehung der Religion, ihre verschiede-nen Erscheinungsformen und Ausprägungen sowie auf die Mannig-faltigkeit ihrer Inhalte. Warum hat die menschliche Evolution ein so kostspieliges Phänomen hervorgebracht und am Leben gehalten? Wem nützt die Religion? Ist Religiosität genetisch bedingt, oder sind es eher religiöse »Meme«, die sich erfolgreicher vermehrt haben als ihre Kon-kurrenten? Dennett möchte den Bann brechen, der für heilig gehal-tene Phänomene häufig umgibt, und prüfen, ob die Religion einer wissenschaftlichen Analyse standhält. Nur dann kann sie ihm zufolge ihre Legitimität behaupten.

Daniel C. Dennett ist Austin B. Fletcher Professor für Philosophie und Direktor des Center for Cognitive Studies an der Tufts University. Im Suhrkamp Verlag sind erschienen: Süße Träume. Die Erforschung des Bewußtseins und der Schlaf der Philosophie (2007) und Neurowis-senschaft und Philosophie. Gehirn, Geist und Sprache (2010, zus. mit Maxwell Bennett, Peter Hacker und John R. Searle).

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Daniel C. DennettDen Bann brechen

Religion als natürliches Phänomen

Aus dem Amerikanischen von Frank Born

Suhrkamp

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Titel der Originalausgabe:Breaking the Spell. Religion as a Natural Phenomenon

Erstmals veröffentlicht in englischer Spache 2006Copyright © Daniel C. Dennett, 2006

Die deutsche Erstausgabe wurde gefördert durch dieUdo Keller Stiftung Forum Humanum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

suhrkamp taschenbuch wissenschaft 2189Erste Auflage 2016

© der deutschen Ausgabe Verlag der Weltreligionen im Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig 2008

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen,

auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form

(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages

reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlag nach Entwürfen von Willy Fleckhaus und Rolf StaudtDruck: Druckhaus Nomos, Sinzheim

Printed in Germany

ISBN 978-3-518-29789-6

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DEN BANN BRECHEN

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F�r Susan

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INHALT

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11Teil 1: Pandoras B�chse wird geçffnet . . . . . . . . . . . . . . . . 15

1 Welchen Bann brechen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 Einige Fragen zur Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 Warum Gutes geschieht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

Teil 2: Die Evolution der Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1294 Die Wurzeln der Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1315 Religion, die Anf�nge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1526 Die Evolution der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1957 Die Erfindung des Teamgeists . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2208 Der Glaube an den Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248

Teil 3: Religion heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3059 Versuch eines Einkaufsf�hrers f�r Religionen . . . 307

10 Moral und Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34211 Was sollen wir jetzt tun? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523

Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529

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VORWORT

Lassen Sie mich mit einer offenkundigen Tatsache beginnen:Ich bin ein amerikanischer Autor, und dieses Buch richtet sichin erster Linie an amerikanische Leser. Ich habe vielen LeutenEntw�rfe zu diesem Buch vorgelegt, und die meisten meinernichtamerikanischen Leser fanden diese Tatsache nicht nuroffenkundig, sondern auch irritierend – bisweilen sogar unan-genehm.

H�tte ich dem Buch nicht einen weniger provinziellen An-strich geben kçnnen? Sollte ich als Philosoph nicht mit allenMitteln versuchen, ein mçglichst universelles Publikum zu er-reichen? Nein. Nicht in diesem Fall, und meine nichtamerika-nischen Leser mçgen bedenken, was sie aus dem vorliegendenBuch �ber die Lage in Amerika lernen kçnnen. Wichtiger alsdie Reaktion meiner nichtamerikanischen Leser war f�r michdie Tatsache, daß nur wenige meiner amerikanischen Leserdiese Einseitigkeit �berhaupt bemerkten – oder sich, wennsie es denn taten, nicht daran stçrten. Dar�ber muß man sichGedanken machen. Es wird – sowohl innerhalb wie außerhalbdes Landes – h�ufig bemerkt, daß sich Amerika in seiner Hal-tung zur Religion von anderen Erste-Welt-L�ndern deutlichunterscheidet, und ein Ziel dieses Buches ist es, die Tiefen die-ses Unterschieds auszuloten. Ich beschloß, daß ich diese Be-sonderheiten zum Ausdruck bringen mußte, wenn ich daraufhoffen wollte, das Publikum zu erreichen, das mir vorschweb-te: die neugierigen und gewissenhaften B�rger meines Hei-matlandes – und zwar so viele wie mçglich, nicht nur dieAkademiker (ich sah keinen Sinn darin, offene T�ren einzu-rennen). Dies ist ein Experiment, eine Abweichung von denZielen, die ich in fr�heren B�chern verfolgt habe, und wendiese Abweichung verwirrt oder entt�uscht, der weiß jetzt,daß ich meine Gr�nde hatte, gute oder schlechte. Es kann na-

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t�rlich sein, daß ich mein Ziel verfehlt habe. Wir werden se-hen.

Ich habe den Schwerpunkt bewußt auf Amerika gelegt; daßich mich dagegen bei der Betrachtung der zeitgençssischenReligionen zun�chst auf das Christentum und dann auf denIslam und das Judentum konzentriere, ist nicht beabsichtigt,aber unvermeidlich: Ichweiß einfach zuwenig �ber andere Re-ligionen, als daß ich mir zutrauen w�rde, dar�ber zu schrei-ben. Vielleicht h�tte ich mich noch ein paar Jahre ihrer Erfor-schung widmen sollen, bevor ich so ein Buch schreibe, aberweil aktuelle Ereignisse mir immer wieder die Dringlichkeitder Botschaft bewußt machten, mußte ich mich mit dem zu-friedengeben, was ich bisher an Einsichten gewinnen konnte.

Eine der Abweichungen von meinen stilistischen Praktikenist, daß ich diesmal ausnahmsweise Anmerkungen als Endno-ten anstatt Fußnoten verwende. Normalerweise beklage ichdiese Praxis, weil sie den wissenschaftlich interessierten Leserdazu zwingt, ein zus�tzliches Lesezeichen im Einsatz zu ha-ben und st�ndig vor- und zur�ckzubl�ttern; in diesem Fall je-doch entschied ich, der Leserfreundlichkeit und Fl�ssigkeitdes Textes f�r ein breiteres Publikum den Vorzug vor der aka-demischen Bequemlichkeit zu geben. Das hat dazu gef�hrt,daß ich viel mehr Material als �blich in die Anmerkungen ge-packt habe, die dadurch recht lang geworden sind, so daß die-jenigen, die an zus�tzlichen Argumenten interessiert sind, f�rdie Unannehmlichkeiten entsch�digt werden. Aus dem glei-chen Grund habe ich vier Blçcke, die sich haupts�chlich anden akademischen Leser richten, aus dem Text herausgenom-men und als Anh�nge ans Ende gestellt. An den Stellen imText, an denen sie ansonsten als Kapitel oder Unterkapitel ge-standen h�tten, wird auf diese Anh�nge verwiesen.

*

Der Tufts University habe ich es wieder einmal zu verdanken,daß ich Tom Sawyer beim T�nchen des Zauns spielen durfte:Eine bemerkenswert tapfere und gewissenhafte Gruppe vonStudenten setzte ihre eigenen, oft tief empfundenen religiç-

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sen �berzeugungen aufs Spiel, las einen fr�hen Entwurf imRahmen eines Seminars im Herbst 2004, korrigierte viele Feh-ler und f�hrte mich wohlwollend und mit großer Toleranz ge-gen�ber meinen Taktlosigkeiten und anderen Entgleisungenin ihre religiçsen Welten ein. Wenn es mir wirklich gelingensollte, mein Zielpublikum zu erreichen, so ist dies zu großenTeilen ihrem Feedback zu verdanken. Ich bedanke michbei Priscilla Alvarez, Jacquelyn Ardam, Mauricio Artinano,Gajanthan Balakaneshan, Alexandra Barker, Lawrence Blue-stone, Sara Brauner, Benjamin Brooks, Sean Chisholm, ErikaClampitt, Sarah Dalglish, Kathleen Daniel, Noah Dock, Han-nah Ehrlich, Jed Forman, Aaron Goldberg, Gena Gorlin, Jo-seph Gulezian, Christopher Healey, Eitan Hersh, Joe Keating,Matthew Kibbee, Tucker Lentz, Chris Lintz, Stephen Martin,Juliana McCanney, Akiko Noro, David Polk, Sameer Puri,Marc Raifman, Lucas Recchione, Edward Rossel, Ariel Ru-dolph, Mami Sakamaki, Bryan Salvatore, Kyle Thompson-Westra und Graedon Zorzi.

Ebenso bedanke ich mich bei meinem frçhlichen Team imCenter for Cognitive Studies, den Lehr- und Forschungsassi-stenten und -assistentinnen sowie den wissenschaftlichen Mit-arbeitern und Mitarbeiterinnen. Sie kommentierten Essaysvon Studierenden, berieten Studierende, die sich �ber das Pro-jekt aufregten, und berieten auch mich, sie halfen mir bei derErstellung, Verbesserung, Vervielf�ltigung und �bersetzungvon Fragebçgen, pflegten Daten ein, werteten sie aus, erfaß-ten Hunderte von B�chern und Artikeln aus Bibliothekenund Websites, waren f�reinander da und halfen mir, nichtden Faden zu verlieren: Avery Archer, Felipe de Brigard,Adam Degen Brown, Richard Griffin und Teresa Salvato.Danke auch an Chris Westbury, Diana Raffman, John Ro-berts, John Symons und Bill Ramsey, daß sie sich an ihren Uni-versit�ten an unserem Umfrageprojekt beteiligt haben, das im-mer noch im Gang ist, sowie an John Kihlstrom, Karel dePauw undMarcel Kinsbourne f�r ihre wertvollen Lekt�rehin-weise.

Mein besonderer Dank gilt Meera Nanda, deren eigene,

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mutige Kampagne f�r ein wissenschaftliches Verst�ndnis vonReligion in ihrem Heimatland Indien eine der Inspirations-quellen f�r dieses Buch und auch f�r dessen Titel war. Ich ver-weise auf ihr Buch Breaking the Spell of Dharma (2002) sowie dasj�ngere Werk Prophets Facing Backwards (2003). Einige der imersten Abschnitt erw�hnten Leser haben es vorgezogen, an-onym zu bleiben. Ich danke ihnen wie auch Ron Barnette,Akeel Bilgrami, Pascal Boyer, Joanna Bryson, Tom Clark,Bo Dahlbom, Richard Denton, Robert Goldstein, Nick Hum-phrey, Justin Junge, Matt Konig, Will Lowe, Ian Lustick, Su-zanne Massey, Rob McCall, Paul Oppenheim, Seymour Pa-pert, Amber Ross, Don Ross, Paul Seabright, Paul Slovak,Dan Sperber und Sue Stafford. Terry Zaroff hat mir wiedereinmal große Dienste als Lektor erwiesen, indem er nichtnur stilistische Ausrutscher, sondern auch schwerwiegendeFehler entdeckte. Richard Dawkins und Peter Suber liefertenbesonders wertvolle Vorschl�ge im Verlauf unserer Gespr�-che, ebenso wie mein Agent John Brockman und seine FrauKatinka Matson, doch lassen Sie mich auch den vielen an die-ser Stelle nicht genannten Menschen danken, die sich im Laufder letzten zwei Jahre f�r dieses Projekt interessiert haben unddenen ich viele willkommene Vorschl�ge, Hinweise sowie mo-ralische Unterst�tzung verdanke. Schließlich muß ich einmalmehr meiner Frau Susan danken, die es schafft, daß jedes mei-ner B�cher ein Duett – und kein Solo – wird, und zwar aufeine Weise, die ich nie vorausberechnen kçnnte.

Daniel Dennett

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TEIL 1 :PANDORAS B�CHSE WIRD GE�FFNET

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1WELCHEN BANN BRECHEN ?

1.1 wie i st d ie lage ?

Und er redete zu ihnen mancherlei durch Gleich-nisse und sprach: Siehe, es ging ein S�mann aus zus�en. Und indem er s�te, fiel etliches an den Weg;da kamen die Vçgel und fraßen’s auf.(Matth�us 13,3f.)

Wenn das »�berleben des Geeignetsten« als Slo-gan irgendeine Berechtigung besitzt, dann istdie Bibel offenbar ein guter Kandidat f�r die Ka-tegorie »geeignetster Text«.(Hugh Pyper, The Selfish Text. The Bible andMemetics)

Wir beobachten eine Ameise auf einer Wiese, wie sie emsig aneinem Grashalm hochklettert, immer hçher, bis sie schließlichhinunterf�llt; immer wieder beginnt sie von vorn und ver-sucht wie Sisyphos, der seinen Felsblock den Berg hinaufrollt,die Spitze zu erreichen. Warum macht die Ameise das? Wel-chen Nutzen sieht sie in dieser anstrengenden und absonder-lichen T�tigkeit? Das ist, wie sich zeigt, die falsche Frage. DerAmeise erw�chst keinerlei biologischer Nutzen. Sie versuchtnicht etwa, sich einen besseren Blick �ber ihre Umgebungzu verschaffen, nach Futter zu suchen oder sich einem poten-tiellen Sexualpartner zu zeigen. Ihr Gehirn wurde von einemkleinen Parasiten beschlagnahmt, dem Kleinen Leberegel (Di-crocoelium dendriticum), der in den Magen eines Schafs odereiner Kuh gelangen muß, um seinen Reproduktionszyklus zuvollenden. Dieser kleine Hirnwurm treibt die Ameise in einePosition, die seinem Nachwuchs n�tzt, nicht dem der Ameise.

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Das ist kein vereinzeltes Ph�nomen. �hnlich manipulative Pa-rasiten befallen Fische, M�use und andere Arten. Diese Tritt-brettfahrer zwingen ihre Wirte zu unwahrscheinlichen – ja so-gar suizidalen – Verhaltensweisen, die ausschließlich demGast nutzen, nicht dem Wirt.1

Gibt es irgend etwas Vergleichbares auch beim Menschen?Ja, das gibt es tats�chlich. Wir treffen h�ufig auf Menschen, dieihre persçnlichen Interessen, ihre Gesundheit, ihre Chance,Kinder zu haben, zur�ckstellen und ihr ganzes Leben einerIdee widmen, die sich in ihremGehirn eingenistet hat. Das ara-bische Wort Islam bedeutet »Unterwerfung«, und jeder guteMoslem bezeugt dies, betet f�nfmal am Tag, gibt Almosen, fa-stet w�hrend des Ramadan und ist bestrebt, die Pilgerreise,den sogenannten Haddsch, nach Mekka zu unternehmen,und alles wegen der Idee Allahs und seines Boten Moham-med. Christen und Juden tun nat�rlich �hnliches, sie widmenihr Leben der Verbreitung des Wortes, bringen gewaltige Op-fer, ertragen tapfer ihr Leid und setzen ihr Leben f�r eine Ideeaufs Spiel. Das gleiche gilt f�r Sikhs, f�r Hindus und f�r Bud-dhisten. Und vergessen wir nicht die Tausende von weltlichenHumanisten, die ihr Leben f�r die Demokratie, die Gerechtig-keit oder die schlichte Wahrheit gelassen haben. Es gibt vieleIdeen, f�r die man sterben kann.

Unsere F�higkeit, unser Leben einer Sache zu widmen, diewir f�r wichtiger halten als unser persçnliches Wohl – oder alsunseren eigenen biologischen Imperativ, Nachkommen zu ha-ben –, ist eines der Dinge, die uns vom Rest der Tierwelt ab-gesetzt hat. Eine B�renmutter wird eine Futterstelle tapferverteidigen und ihr Junges, ja sogar ihre leere Hçhle verbissenbesch�tzen, hingegen sind wahrscheinlich mehr Menschenbei dem k�hnen Versuch gestorben, heilige Orte und Textezu besch�tzen, als bei dem Versuch, Nahrungsvorr�te, ihre ei-genen Kinder oder ihr eigenes Zuhause zu besch�tzen. Wieandere Tiere auch haben wir das angeborene Verlangen, unszu vermehren und so ziemlich alles daf�r zu tun, dieses Zielauch zu erreichen; aber wir haben auch Glaubens�berzeugun-gen und die F�higkeit, �ber unsere genetischen Imperative

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hinauszugehen. Das ist es, was uns von anderen Tieren unter-scheidet, aber das ist eine biologische Tatsache, etwas, das f�rdie Naturwissenschaften erkennbar ist und durch sie erkl�rtwerden muß. Wie kam es, daß nur eine einzige Spezies, Homosapiens, diese außergewçhnlichen Perspektiven auf das eigeneLeben entwickelt hat?

Kaum jemand w�rde sagen, das Wichtigste im Leben sei es,mehr Enkelkinder als seine Rivalen zu haben, aber genau dasist das standardm�ßige Summum Bonum (»hçchstes Gut«) jedeswilden Tieres. Sie wissen es nicht besser. Das kçnnen sie auchnicht. Sie sind nur Tiere. Es gibt allerdings, wie es scheint, eineinteressante Ausnahme: denHund. Legt »der beste Freund desMenschen« nicht eine Ergebenheit an den Tag, die es mit dereines menschlichen Freundes aufnehmen kann? W�rde einHund, wenn nçtig, nicht sogar sterben, um sein Herrchen zubesch�tzen? Ja, und es ist kein Zufall, daß dieser bewunderns-werte Zug bei einer domestizierten Tierart zu finden ist. DieHunde von heute sind die Nachkommen der Hunde, die un-sere Vorfahren in der Vergangenheit am meisten liebten undbewunderten; ohne sich eigentlich darum zu bem�hen, schaff-ten sie es, ihnen Treue anzuz�chten, und brachten die bestenSeiten (aus ihrer wie aus unserer Sicht) in unseren tierischenGef�hrten zum Vorschein.2 Haben wir diese Ergebenheit ge-gen�ber einem Herrn unbewußt unserer eigenen Ergebenheitgegen�ber Gott nachempfunden? Haben wir Hunde nach un-serem eigenen Bild geformt? Mag sein, aber woher stammtdann unsere Ergebenheit gegen�ber Gott?

Der Vergleich, mit dem ich begonnen habe, zwischen einemWurmparasiten, der ein Ameisengehirn bef�llt, und einer Idee,die ein menschliches Gehirn bef�llt, erscheint vermutlichebensoweit hergeholt wie unerhçrt. Im Unterschied zu W�r-mern sind Ideen nicht lebendig, und sie befallen keine Gehirne;sie werden vom Geist erzeugt. Beides ist richtig, aber diese Ein-w�nde sind nicht so schlagend, wie es vielleicht zun�chstscheinen mag. Ideen sind nicht lebendig; sie kçnnen nicht se-hen, wohin sie gehen, und selbst wenn sie es kçnnten, habensie keineGlieder, mit denen sie das Gehirn ihresWirts steuern

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kçnnten. Stimmt, aber ein Kleiner Leberegel ist auch nicht ge-rade ein Raketenwissenschaftler; genaugenommen ist er nichtintelligenter als eine Mohrr�be; er hat nicht einmal ein Ge-hirn. Er hat bloß das Gl�ck, mit Eigenschaften ausgestattetzu sein, die jene n�tzliche Wirkung auf Ameisengehirne ha-ben, wann immer er mit ihnen in Kontakt kommt. (Diese Ei-genschaften gleichen den Augenflecken auf Schmetterlings-fl�geln, die manchmal daf�r sorgen, daß ein gefr�ßiger Vogelmeint, ein großes Tier schaue ihn an. Die Vçgel werden ver-scheucht, und die Schmetterlinge sind die Nutznießer, abersie sind nicht kl�ger als zuvor.) Eine tr�ge Idee kçnnte, wennsie genau die richtige Form h�tte, einen nutzbringenden Ef-fekt auf ein Gehirn aus�ben, ohne etwas davonwissen zu m�s-sen. Und wenn es so w�re, kçnnte sie aufgrund dieser Formprosperieren.

Der Vergleich zwischen dem Wort Gottes und dem Klei-nen Leberegel ist verstçrend, die Idee, eine Idee mit einemLebewesen zu vergleichen, ist dagegen nichts Neues. Ich be-sitze ein Notenblatt, das in der Mitte des 16. Jahrhundertsauf Pergament geschrieben wurde und das ich vor einem hal-ben Jahrhundert an einem B�cherstand in Paris fand. Der (la-teinische) Text gibt die Moral des Gleichnisses vom S�mann(Matth�us 13) wieder: »Semen est verbum Dei; sator autemChristus.« (»Das Samenkorn ist das Wort Gottes; der S�mannist Christus.«) In manchen Menschen schlagen die Samenkçr-ner Wurzeln, wie es scheint, und sorgen daf�r, daß diese Men-schen die Saat weithin verbreiten (im Gegenzug wird diesenMenschen dann ewiges Leben zuteil – »eum qui audit manebitin eternum«).Wie erzeugt der Geist Ideen? Er tut dies vielleicht durch

wundersame Eingebungen, es kçnnte aber auch auf nat�r-licherem Wege geschehen, denn Ideen werden von Geist zuGeist verbreitet, �berstehen �bersetzungen zwischen ver-schiedenen Sprachen, heften sich an Lieder, Symbole, Statuenund Rituale, versammeln sich in unwahrscheinlichen Kombi-nationen in den Kçpfen einzelner Menschen, wo sie wiederneue »Kreationen« hervorbringen, die eine Familien�hnlich-

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keit zur Ursprungsidee aufweisen, aber auch neue Merkmaleund neue Kr�fte hinzuf�gen, w�hrend sie sich entwickeln.Und vielleicht haben ja einige der »wilden« Ideen, die als ersteunseren Geist befallen haben, Nachkommen hervorgebracht,die durch unseren Versuch, sie zu beherrschen oder zumin-dest zu lenken und im Zaum zu halten, domestiziert und ge-z�hmt wurden. Was sind die Vorfahren der domestiziertenIdeen, die heute kursieren? Woraus sind sie entstanden undwarum? Und wie hat, nachdem sich unsere Vorfahren einmalzum Ziel gesetzt hatten, diese Ideen zu verbreiten, sie nichtnur zu haben, sondern zu hegen, dieser Glaube an den Glaubendie sich ausbreitenden Ideen ver�ndert?

Die großen religiçsen Ideen haben uns Menschen �ber Tau-sende von Jahren gefangengehalten; das ist l�nger, als es histo-rische Aufzeichnungen gibt, und doch nur ein kurzer Augen-blick in bezug auf die biologische Zeit. Wenn wir das Wesender Religion als nat�rliches Ph�nomen verstehenwollen, dannm�ssen wir uns nicht nur damit besch�ftigen, was sie heute ist,sondern auch, was sie war. Eine Darstellung der Urspr�ngeder Religion in den folgenden sieben Kapiteln wird uns zueiner neuen Perspektive verhelfen, von der aus wir dann inden letzten drei Kapiteln betrachten kçnnen, was Religionheute ist, warum sie so vielen Menschen so viel bedeutetund wo diese in ihrem Selbstverst�ndnis als religiçse Men-schen mçglicherweise richtig oder falsch liegen. Danach wer-den wir besser erkennen kçnnen, welchen Weg die Religion inder nahen Zukunft – unserer Zukunft – nehmen wird. Ichkann mir keinen wichtigeren Untersuchungsgegenstand vor-stellen.

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1.2 e ine arbe it sdef in it ion der rel ig ion

Philosophen �berdehnen die Bedeutung vonWor-ten, bis diese kaum etwas von ihrem urspr�ng-lichen Sinn �brigbehalten, sie heißen irgendeineverschwommene Abstraktion, die sie sich geschaf-fen haben, »Gott« und sind nun auch Deisten,Gottesgl�ubige vor aller Welt, kçnnen sich selbstr�hmen, einen hçheren, reineren Gottesbegrifferkannt zu haben, obwohl ihr Gott nur mehrein wesenloser Schatten ist und nicht mehr diemachtvolle Persçnlichkeit der religiçsen Lehre.(Sigmund Freud, Die Zukunft einer Illusion)

Wie definiere ich Religion? Es kommt eigentlich gar nicht sosehr darauf an, wie ich sie definiere, denn ich habe vor, die an-grenzenden und (wahrscheinlich) nichtreligiçsen Ph�nomenezu untersuchen und zu diskutieren – Spiritualit�t, Engage-ment f�r weltliche Organisationen, fanatische Hingabe an eth-nische Gruppen (oder Sportvereine), Aberglaube . . . Es istalso egal, wo ich hier »die Grenze ziehe« – ich werde sie ohne-hin �berschreiten. Wie Sie sehen werden, ist das, was wir nor-malerweise unter einer Religion verstehen, eigentlich auseiner Vielzahl sehr unterschiedlicher Ph�nomene zusammen-gesetzt und hat unterschiedliche Entstehensbedingungen undImplikationen. Wir haben es mit einem losen Verbund vonPh�nomenen zu tun, nicht mit einer »nat�rlichen Art« wiebei einem chemischen Element oder einer Spezies.Worin besteht das Wesen der Religion? Die Frage sollte uns

mißtrauisch machen. Selbst wenn eine tiefe und wichtige Ver-wandtschaft zwischen vielen oder sogar den meisten Weltreli-gionen besteht, so gibt es doch mit Sicherheit auch Varianten,denen zwar einige typische Eigenschaften gemeinsam sind,denen aber auch das eine oder andere »wesentliche« Merkmalfehlt. Mit dem zunehmenden Fortschritt der Evolutionsbiolo-gie im letzten Jahrhundert haben wir mehr und mehr zu ver-stehen gelernt, daß es gute Gr�nde daf�r gibt, Lebewesen so

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