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Systematische Berücksichtigung von Menschenrechten in Investitionsschiedsverfahren Julian Scheu Nomos Studien zum Internationalen Investitionsrecht 23

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Systematische Berücksichtigung von Menschenrechten in Investitionsschiedsverfahren

Julian Scheu

Nomos

Studien zum Internationalen Investitionsrecht 23

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Studien zum Internationalen Investitionsrecht

herausgegeben vonProf. Dr. Marc Bungenberg, LL.M., Universität des SaarlandesProf. Dr. Stephan Hobe, LL.M., Universität zu KölnProf. Dr. August Reinisch, LL.M., Universität WienProf. Dr. Andreas R. Ziegler, LL.M., Universität Lausanne

In Kooperation mit demInternational Investment Law Centre Cologne (IILCC)Prof. Dr. Stephan Hobe, LL.M.Prof. Dr. Bernhard Kempen Prof. Dr. Heinz-Peter Mansel Prof. Dr. Burkhard Schöbener

Band 23zugleich Band 11 der Schriftenreihe des International Investment Law Centre Cologne (IILCC)

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Julian Scheu

Systematische Berücksichtigung von Menschenrechten in Investitionsschiedsverfahren

Nomos

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Zugl.: Köln, Univ., Diss., 2016

ISBN 978-3-8487-3952-3 (Nomos Verlag, Baden-Baden, Print)ISBN 978-3-8452-8276-3 (Nomos Verlag, Baden-Baden, ePDF)

ISBN 978-3-03751-904-2 (Dike Verlag, Zürich/St. Gallen)

ISBN 978-3-7089-1611-8 (facultas Verlag, Wien)

1. Auflage 2017© Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2017. Gedruckt in Deutschland. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsfonds Wissenschaft der VG WORT.

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Vorwort

Die vorliegende Untersuchung wurde von der RechtswissenschaftlichenFakultät der Universität zu Köln im Dezember 2016 als Dissertation ange-nommen. Bei der Entstehung dieser Arbeit haben mich viele Menschenbegleitet, denen ich an dieser Stelle aufrichtig danken möchte:

Mein verehrter Doktorvater Prof. Dr. Burkard Schöbener hat mich stetsmit weitsichtigem Rat, konstruktiver Kritik und uneingeschränkter Unter-stützung über das gesamte Promotionsvorhaben hinweg betreut.Prof. Dr. Stefan Hobe danke ich für die rasche Erstellung des Zweitgut-achtens. Prof. Dr. Jörn Griebel hat mich nicht nur bei der Vorbereitungmeines Forschungsaufenthalts unterstützt, sondern durch die gemeinsammit Dr. Christoph Hölken organisierten Aktivitäten des International In-vestment Law Centre Cologne (IILCC) viele bereichernde Gelegenheitenzum Gedankenaustausch ermöglicht. Besonderer Dank gilt auch dem Wis-senschaftsfonds der VG Wort für die großzügige Übernahme der Druck-kosten sowie den Herausgebern der Schriften zum Internationalen Investi-tionsrecht für die Aufnahme meiner Arbeit in die Schriftenreihe.

Durch die promotionsbegleitende Tätigkeit als wissenschaftlicher Mit-arbeiter bei der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS)konnte ich mein Verständnis für das internationale Schiedsverfahrensrechtstetig vertiefen. Die Zeit mit dem gesamten Team der DIS unter der Lei-tung von Jens Bredow und Dr. Francesca Mazza war für mich eine großepersönliche wie fachliche Bereicherung. Gleiches gilt für die anschließen-de Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Christian J. Tams, die meinen Blick fürdas internationale Investitionsrecht aus wissenschaftlicher wie anwaltli-cher Perspektive geschärft hat.

Am British Institute of International and Comparative Law (BIICL)wurde ich als Visiting Fellow sehr herzlich empfangen. Neben den zahlrei-chen Veranstaltungen am BIICL haben insbesondere die anregenden Dis-kussionen mit Dr. Martins Paparinskis, Murilo Lubambo de Melo undDr. Philipp Stompfe zum Erfolg meines Aufenthalts entscheidend beige-tragen. Die großzügige Unterstützung der Deutsch-Französischen Hoch-schule (DFH) sowie des Deutsch-Französischen Jugendwerks (DFJW) hates mir zudem ermöglicht, meine Forschungen an der Université Paris 1

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(Panthéon-Sorbonne) im Rahmen des Deutsch-Französischen Doktoran-denkollegs fortzusetzen.

Mein besonderer Dank gilt schließlich Klaas Hendrik Eller undDr. Christian Zielonka, die mich durch wertvolle Anmerkungen und Denk-anstöße bei der Endkorrektur des Manuskripts mit viel Engagement unter-stützt haben.

Julian Scheu Juni 2017, Köln

Vorwort

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Abkürzungsverzeichnis

ACMV Afrikanische Charta der Menschenrechte und der Rechte derVölker (1981)

AEMR Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Na-tionen (1948)

AMRK Amerikanische Menschenrechtskonvention (1969)ASEAN Association of Southeast Asian NationsBIT Bilateral Investment TreatyCESCR UN Committee on Economic, Social and Cultural RightsCETA Comprehensive Economic and Trade AgreementECT / Energie-Charta Energy Charter Treaty (1994)EGMR Europäischer Gerichtshof für MenschenrechteEMRK Europäische Menschenrechtskonvention (1950)EuGH Gerichtshofs der Europäischen UnionEU-GRCh Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2000)EUV Vertrag über die Europäische UnionFDI Foreign Direct InvestmentFET Fair and Equitable TreatmentFPS Full Protection and SecurityGATT/WTO General Agreement on Tariffs and Trade (1947/1994)IAMG Interameikanische Gerichtshof für MenschenrechteICC International Chamber of CommerceICSID International Centre for Settlement of Investment DisputesIGH Internationaler GerichtshofILC International Law CommissionIUSTC Iran-US-Claims TribunalLCIA London Court of International ArbitrationNAFTA North American Free Trade Agreement (1994)NYC 1958 New Yorker Übereinkommen über die Vollstreckung und Aner-

kennung ausländischer Schiedssprüche (1958)OECD Organisation for Economic Co-operation and DevelopmentOIC investment agree-ment

Agreement on Promotion, Protection and Guarantee of Invest-ments among Member States of the Organisation of the IslamicConference (1981)

PCA Permanent Court of ArbitrationPTIA Preferential Trade and Investment AgreementSCC Stockholm Chamber of CommerceSRÜ Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (1982)StIGH Ständiger Internationaler GerichtshofTTIP Transatlantic Trade and Investment PartnershipUN United NationsUN Charta Charta der Vereinten Nationen (1945)

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UN CRC UN Committee on the Rights of the ChildUN HRC UN Human Rights CommitteeUNCITRAL United Nations Commission on International Trade LawUNCTAD United Nations Conference on Trade and DevelopmentUNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organiza-

tionUNHCR United Nations High Commissioner for RefugeesUN Sozialpakt Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle

Rechte (1966)UN Zivilpakt Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte

(1976)WTO World Trade OrganizationWVK Wiener Vertragsrechtskonvention (1969)

Abkürzungsverzeichnis

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung 17

Akteure und Interessenlagen im Umfeld von Investitions-und Menschenrechtsschutz

Teil 1 –23

Akteure im Umfeld von Investitions- undMenschenrechtsschutz

I.25

Gastgeberstaaten1) 25Traditionelles Rollenverständnis im internationalenInvestitionsschutz

a)26

Paradigmenwandel im internationalenInvestitionsschutz

b)26

Erwartungen der Gastgeberstaaten an dieInvestitionsschiedsgerichtsbarkeit

c)29

Ausländische Investoren2) 30Eigeninteresse des Investors am Menschenrechtsschutza) 30Investor als Gefahr für die Menschenrechtssituation imGastgeberstaat

b)32

Investor als zwiespältiger Akteurc) 33Zivilgesellschaft3) 34

Aktionsradius der Zivilgesellschafta) 35Forderungen der Zivilgesellschaft an dieInvestitionsschiedsgerichtsbarkeit

b)36

Zwischenergebnis4) 37Interessenlagen im Umfeld von Investitions- undMenschenrechtsschutz

II.37

Symbiotische Ergänzung von Investitions- undMenschenrechtsschutz

1)38

Gleichlauf von Investitions- und Menschenrechtsschutz2) 41Konflikt zwischen Investitions- und Menschenrechtsschutz3) 47Missbrauch des Investitionsschutzes zulasten desMenschenrechtsschutzes

4)51

Komplizenschaft zwischen Gastgeberstaat undausländischem Investor

5)57

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Zwischenergebnis6) 61

Mandat des Schiedsgerichts als Maßgabe für dieBerücksichtigung von Menschenrechten

Teil 2 –63

Suche nach einer Methode zur Berücksichtigung vonMenschenrechten

I.64

Methodische Schwächen der Schiedspraxis im Umgang mitMenschenrechten

1)65

Rechtsmethodisch fragwürdige Konkretisierung desInvestitionsschutzes durch Menschenrechte

a)66

Unzureichende Anerkennung menschenrechtlicherVerpflichtungen des Gastgeberstaats

b)67

Unvorhersehbarkeit desEntscheidungsfindungsprozesses

c)69

Notwendigkeit einer Methode zur Berücksichtigung vonMenschenrechten

2)70

Bedenken gegenüber der Berücksichtigung vonMenschenrechten durch Schiedsgerichte

3)72

Keine isolierte Anwendung investitionsrechtlicherNormen

a)72

Kein unzulässiger Eingriff in Rechtssphäre desMenschenrechtsschutzes

b)76

Analogien als Heilmittel für konzeptuelle Schwächen desInvestitionsrechts

4)79

Mandat des Schiedsgerichts als konzeptuellerAusgangspunkt

5)83

Bedeutung von BITs und Menschenrechtsabkommen6) 84Mandatserteilung des Schiedsgerichts im internationalenInvestitionsrecht

II.87

Auftrag der Streitparteien1) 91Mandatserteilung durch die Schiedsvereinbarungzwischen Staat und Investor

a)91

Angebot und Annahme bezüglich derDurchführung eines Schiedsverfahrens

(1)92

Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung(2) 93Mandatserteilung durch Benennung des Schiedsrichtersb) 95

Grundsatz der freien Wahl des Schiedsrichters(1) 95Einschränkungen bei der Schiedsrichterwahl(2) 96

Inhaltsverzeichnis

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Zwischenergebnisc) 97Auftrag der Vertragsstaaten2) 98

Mandatserteilung durch Ratifikation einer Investor-Staat-Schiedsklausel

a)99

Motivation der Vertragsstaaten zur Mandatserteilungb) 101Entpolitisierung von Investitionsstreitigkeiten(1) 102Stärkung der Glaubwürdigkeit desGarantieversprechens

(2)104

Zwischenergebnisc) 105Auftrag der internationalen Gemeinschaft3) 106

Materiell-rechtliche und prozessualeMultilateralisierung

a)108

Vollstreckungsrechtliche Multilateralisierungb) 110Soziologische Multilateralisierungc) 111Bewertungd) 113Zwischenergebnise) 115

Zwischenergebnis4) 115Unterscheidung von Streitmandat und VertragsmandatIII. 115

Bewusstsein für die Dualität des schiedsrichterlichenMandats

1)116

Charakterisierung von Streitmandat und Vertragsmandat2) 119Unterscheidung in tatsächlicher Hinsichta) 120Unterscheidung in persönlicher Hinsichtb) 120Unterscheidung in zeitlicher Hinsichtc) 121Verhältnis der Prinzipale zum Schiedsgerichtd) 122Verhältnis der Prinzipale zueinandere) 123

Zwischenergebnis3) 125Bedeutung des Vertragsmandats für die Auslegung vonInvestitionsschutzabkommen

IV.126

Auslegung von Investitionsschutzabkommen im Lichte desVertragsmandats

1)128

Auslegungsgrundsätze der Art. 31 und 32 WVK alsLeitlinie

a)128

Kohärente Auslegungb) 130Dynamische Auslegungc) 133Objektivierte Auslegung nach Sinn und Zweckd) 135

Inhaltsverzeichnis

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Investitionsschutz als Instrument staatlicher Wirtschafts-und Entwicklungspolitik

2)137

Investitionsschutz als Selbstzwecka) 139Anziehung ausländischer Investitionen als Mittel zurZweckerreichung

b)141

Wirtschaftliche und soziale Entwicklung als Ziel desInvestitionsschutzes

c)143

Zwischenergebnis3) 149

Berücksichtigung von Menschenrechtsabkommen imInvestitionsschiedsverfahren

Teil 3 –151

Vertrauensbildung durch das SchiedsgerichtI. 151Vertrauensbildung als Ausdruck des Gleichlaufs vonInvestitions- und Menschenrechtsschutz

1)152

Stellung ausländischer Investoren im System desinternationalen Menschenrechtsschutzes

2)154

Für die Vertrauensbildung zu berücksichtigendeMenschenrechtsabkommen

3)160

Beidseitig ratifizierte Abkommena) 161Zwischen den Vertragsparteien anwendbarereinschlägiger Völkerrechtssatz

(1)162

Maßgeblicher Zeitpunkt für beidseitig ratifizierteMenschenrechtsabkommen

(2)162

Inzidentprüfung und Auslegungmenschenrechtlicher Normen

(3)164

Reichweite des Art. 31 (3) (c) WVK(4) 165Zwischenergebnis(5) 167

Nur vom Gastgeberstaat ratifizierte Abkommenb) 167Ratifikation von Menschenrechtsabkommen alseinseitige Selbstverpflichtung des Gastgeberstaats

(1)168

Legitime Erwartungen in die Einhaltung einereinseitigen Selbstverpflichtung

(2)170

Maßgeblicher Zeitpunkt für vom Gastgeberstaatratifizierte Menschenrechtsabkommen

(3)172

Nur vom Heimatstaat ratifizierte Abkommenc) 173Von keinem der Vertragsstaaten ratifizierte Abkommend) 174

Inhaltsverzeichnis

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Konkretisierung des Investitionsschutzes durchMenschenrechte

4)176

Konkretisierung von Zuständigkeits- undZulässigkeitsvoraussetzungen durch Menschenrechte

a)176

Konkretisierung der indirekten Enteignung durchMenschenrechte

b)178

Konkretisierung von fair and equitable treatment durchMenschenrechte

c)181

Bestimmung legitimer Erwartungen durchMenschenrechte

(1)183

Rechtsstaatlichkeit von Gerichts- undVerwaltungsverfahren

(2)184

Verurteilung in Abwesenheit undVerteidigungsrechte des Angeklagten

aa)185

Rechtswegerschöpfungbb) 186Übermäßig lange Verfahrensdauercc) 187Staatliche Immunitätdd) 188Intransparenz von Verwaltungsverfahrenee) 189Bewertungff) 191

Zwischenergebnis(3) 192Konkretisierung von full protection and security durchMenschenrechte

d)192

Reichweite von full protection and security(1) 194Verschuldensmaßstab von full protection andsecurity

(2)195

Zwischenergebnis(3) 198Konkretisierung des Diskriminierungsverbots durchMenschenrechte

e)199

Definition der Vergleichsgruppe(1) 200Anforderungen an eine legitime Differenzierung(2) 202Zwischenergebnis(3) 204

Konkretisierung der Schadensberechnung durchMenschenrechte

f)204

Konkretisierung der Schadensberechnung beirechtswidriger Enteignung

(1)205

Anerkennung immaterieller Schäden(2) 208Orientierung an Menschenrechten beiKostenentscheidungen

g)213

Bewertungh) 215

Inhaltsverzeichnis

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Zwischenergebnisi) 216Interessenausgleich durch das SchiedsgerichtII. 217

Interessenausgleich als Antwort auf den Konflikt vonInvestitions- und Menschenrechtsschutz

1)218

Kein absoluter Schutz ausländischer Investitionena) 219Kein absoluter Vorrang menschenrechtlicherVerpflichtungen

b)221

Interessenausgleich als systemimmanter Bestandteil desInvestitionsschutzes

c)223

Für den Interessenausgleich zu berücksichtigendeMenschenrechtsabkommen

2)225

Beidseitig ratifizierte Abkommena) 227Nur vom Gastgeberstaat ratifizierte Abkommenb) 228Nur vom Heimatstaat ratifizierte Abkommenc) 231Von keinem der Vertragsstaaten ratifizierte Abkommend) 232

Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zurInteressenabwägung

3)233

Grundstruktur der Verhältnismäßigkeitsprüfunga) 234Herkunft, Bedeutung und internationaleVerbreitung

(1)234

Methodischer Aufbau(2) 239Geeignetheit (suitability-test)aa) 239

Verfolgung eines legitimen öffentlichenZwecks

i)240

Eignung zur Förderung des legitimenöffentlichen Zwecks

ii)240

Erforderlichkeit (necessity / least-restrictive-measure-test)

bb)241

Angemessenheit (proportionality stricto sensu)cc) 242Eignung des Verhältnismäßigkeitsprinzips für dasinternationale Investitionsrecht

b)243

Überwindung methodischer Defizite durch dasVerhältnismäßigkeitsprinzip

(1)244

Sole effect-Test und indirekte Enteignungaa) 244Reasonableness-Doktrin und FETbb) 246Zwischenergebniscc) 248

Einräumung staatlicher Beurteilungsspielräume(2) 249Verwendung der dreigliedrigen Grundstruktur(3) 252

Inhaltsverzeichnis

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Zwischenergebnis(4) 255Verhältnismäßigkeitsprüfung im Lichtemenschenrechtlicher Verpflichtungen

c)256

Zwischenergebnisd) 259Menschenrechtliche Auslegung investitionsrechtlicherSchutzstandards

4)260

Schutz vor indirekter Enteignunga) 260Fair and Equitable Treatment (FET)b) 264Full Protection and Security (FPS)c) 267Diskriminierungsverbotd) 269

Menschenrechtliche Verpflichtung als Merkmallegitimer Differenzierung

(1)270

Verhältnismäßigkeit(2) 272Rechtfertigung durch Menschenrechte5) 273

Rechtfertigung durch völkergewohnheitsrechtlichenNotstand (necessity)

a)274

Rechtfertigung durch völkervertragsrechtlicheAusnahmeregelungen

b)278

Eigenständige Bedeutung vertraglicherAusnahmeregelungen

(1)278

Abkommenspraxis zum Wortlaut vertraglicherAusnahmeregelungen

aa)279

Ausnahmeregelungen in der schiedsrechtlichenPraxis

bb)281

Auslegung von security interestsi) 283Auslegung von necessaryii) 283

Menschenrechtliche Auslegung vonAusnahmeregelungen

(2)285

Schadensersatzkürzung aufgrund von Menschenrechten6) 287Zwischenergebnis7) 290

Sanktion durch das SchiedsgerichtIII. 291Sanktion als Antwort auf den Missbrauch desInvestitionsschutzes zulasten des Menschenrechtsschutzes

1)292

Für die Sanktion zu berücksichtigendeMenschenrechtsabkommen

2)295

Inhaltsverzeichnis

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Klageabweisung3) 297Unzuständigkeita) 298

Vorliegen einer schützenswerten Investition(ratione materiae)

(1)299

Beitrag zur volkswirtschaftlichen Entwicklungaa) 300Entwicklungsbeitrag als eigenständigesTatbestandsmerkmal

i)300

Entwicklungsbeitrag als eines vonmehreren Indizien

ii)301

Entwicklungsbeitrag als Folge desVorliegens einer Investition

iii)302

Zwischenergebnisiv) 303Innerstaatliche Legalitätsanforderungbb) 303

Redlichkeit des Investors (ratione voluntatis)(2) 305Unzulässigkeitb) 307Fahrlässigkeit und Komplizenschaftc) 310Zwischenergebnisd) 312

Materiell-rechtliche Verwirkung4) 312Schadensberechnung und Kostenentscheidung5) 313Angemessenheit der Sanktion6) 315

Zuständigkeit oder Begründetheita) 316Zuständigkeit oder Zulässigkeitb) 317Total- oder Teilsanktionc) 318

Zwischenergebnis7) 319Zusammenspiel von Vertrauensbildung und SanktionIV. 320

Zusammenfassung und AusblickTeil 4 – 323

ZusammenfassungI. 323Verhältnis von Investitions- und Menschenrechtsschutz1) 325Mandat des Schiedsgerichts im Investitionsrecht2) 325Funktionen des Schiedsgerichts bei der Berücksichtigungvon Menschenrechten

3)326

Berücksichtigungsfähigkeit vonMenschenrechtsabkommen

4)327

Methode zur systematischen Berücksichtigung vonMenschenrechten

5)328

AusblickII. 329

Inhaltsverzeichnis

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Literaturverzeichnis 333

Anhang – Übersichten zur systematischen Berücksichtigung vonMenschenrechten im Investitionsschiedsverfahren 361

Inhaltsverzeichnis

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Einleitung

Am 25. November 1959 unterzeichneten Deutschland und Pakistan denVertrag zur Förderung und zum Schutz von Kapitalanlagen1. Ausweislichder Präambel des Abkommens geschah dies in der Erkenntnis, dass einezwischen beiden Staaten erzielte Verständigung geeignet ist, die Anlagevon Kapital zu fordern, das private Unternehmertum in Industrie und Fi-nanz zu ermutigen und den Wohlstand beider Staaten zu mehren. Das Ab-kommen sah vor, dass privaten Investoren des einen Vertragsstaats im Ho-heitsgebiet des anderen Vertragsstaats gewisse Rechte garantiert werden.Hierzu zählt die Verpflichtung des Gastgeberstaats, ausländische Investo-ren nicht diskriminierend [zu] behandeln, für Schutz und Sicherheit zu sor-gen und Investoren nur zum allgemeinen Wohl und nur gegen eine Ent-schädigung zu enteignen. Dabei müssen die Rechtmäßigkeit der Enteig-nung und die Höhe der Entschädigung in einem ordentlichen Rechtsver-fahren nachgeprüft werden können. Streitigkeiten zwischen Staaten undausländischen Investoren mussten somit im innerstaatlichen Rechtswegentschieden werden. Entwickelte sich aus einer solchen Streitigkeit eineMeinungsverschiedenheit über die Auslegung oder die Anwendung desAbkommens zwischen den Vertragsstaaten, konnte auf zwischenstaatlicherEbene der Internationale Gerichtshof oder ein Schiedsgericht angerufenwerden2. Die Unterzeichnung dieses ersten bilateralen Investitionsschutz-abkommens (bilateral investment treaty, BIT) kann als entscheidendeEtappe auf dem Weg hin zum modernen internationalen Investitionsrechtgewertet werden3.

Die Idee, private Auslandsinvestitionen unter einen besonderen völker-rechtlichen Schutz zu stellen, wurde sodann von der internationalen Ab-kommenspraxis aufgegriffen und gehört mittlerweile zum festen Bestand-

1 Vgl. Vertrag zur Förderung und zum Schutz von Kapitalanlagen v. 25.11.1959,BGBl. 1961 II, 794.

2 Vgl. Art. 11 (2) Deutschland-Pakistan BIT v. 25.11.1959, BGBl. 1961 II, 797.3 Griebel, Internationales Investitionsrecht (2008), 244. Siehe zur historischen Ent-

wicklung des Investitionsrechts: Miles, The Origins of International InvestmentLaw (2015); Vandevelde, A Brief History of International Investment Agreements,U.C.-Davis Journal of International Law & Policy 2005, 157-194; Kläger, Die Ent-wicklung des allgemeinen völkerrechtlichen Fremdenrechts (2011), 16-21.

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teil der Entwicklungs- und Außenwirtschaftspolitik vieler Staaten. Insbe-sondere zur Entlastung der diplomatischen Beziehungen begannen dieStaaten bereits Ende der 1960er Jahre, ausländischen Investoren ein eigen-ständiges Klagerecht gegen den Gastgeberstaat im Streitfall einzuräumen4.Um diesem neuartigen Investor-Staat-Schiedsverfahren einen völkerver-traglich institutionalisierten Rahmen zu geben, wurde im Jahr 1965 dasvon der Weltbank initiierte Übereinkommen zur Beilegung von Investiti-onsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten(ICSID-Konvention) abgeschlossen, dem heute 159 Staaten angehören5.Zudem existieren heute weltweit ca. 3000 bilaterale und multilaterale In-vestitionsschutzabkommen, von denen seit Ende der 1980er Jahre diemeisten eine Investor-Staat-Schiedsklausel beinhalten.

Den anfangs nur selten durchgeführten Investitionsschiedsverfahrenwurde von Politik und Öffentlichkeit zunächst nur wenig Beachtung bei-gemessen, da es sich mehr um eine wirtschaftsrechtliche Spezialmateriemit begrenztem Anwendungsbereich, als um eine Angelegenheit mit di-rektem Bezug zu öffentlichen Interessen zu handeln schien. Lange Zeitgab es, zumindest aus der Sicht der kapitalexportierenden Staaten, keinenAnlass, den völkerrechtlichen Schutz ihrer Investoren im Ausland kritischzu hinterfragen. Mit zunehmender Verbreitung der Investitionsschutzab-kommen häuften sich jedoch auch die von Investoren eingereichten Kla-gen6. Schiedsgerichte hatten sich nun vermehrt mit der Vereinbarkeit vonInvestorenrechten und menschenrechtlichen Erwägungen auseinanderzu-setzen, die sich unter anderem auf den Lebens- und Gesundheitsschutz7,den Kulturgüterschutz8, den Kampf gegen Rassendiskriminierung9, Ver-

4 Siehe erstmals hierzu Art. 11 Indonesien-Niederlande BIT v. 7.7.1968.5 Convention on the Settlement of Investment Disputes between States and Nationals

of Other States v. 1965 (Ratifikationsstand v. 15.9.2015).6 Im Jahr 1980 waren 9 und im Jahr 2000 insgesamt 81 Investitionsschiedsverfahren

am International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID) registriert.Bis zum 30.6.2015 stieg diese Gesamtanzahl auf 525 registrierte Verfahren. SieheICSID, The ICSID Caseload – Statistics, Issue 2015-2, 7.

7 Siemens v. Argentinien, ICSID ARB/02/8, Rn. 75-79; Suez et al. v. Argentinien,ICSID ARB/03/1; Philip Morris et al. v. Uruguay, ICSID ARB/10/7.

8 Glamis Gold v. USA, UNCITRAL.9 Piero Foresti et al. v. Südafrika, ICSID ARB/07/1.

Einleitung

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braucherrechte10, die Demonstrationsfreiheit11, Landnutzungsrechte12, denSchutz natürlicher Lebensgrundlagen13 sowie das Recht auf Entwick-lung14 bezogen. Dass sich die Beilegung von Investitionsstreitigkeitenauch nachhaltig auf Sozialsysteme, Umweltbelange oder die öffentlicheInfrastruktur auswirken kann, war spätestens nach der argentinischenStaatskrise von 2001 für viele Beobachter Gewissheit15. Ungeachtet des-sen hat die auf Schiedsgerichte übertragene Verantwortung, die mit derEntscheidungskompetenz über politisch brisante Streitigkeiten einhergeht,in der deutschen und europäischen Politik jenseits von Fachkreisen zu-nächst nur wenig Beachtung erfahren.

In Deutschland hat sich dies spätestens seit der 2012 eingereichten Kla-ge des Energiekonzerns Vattenfall grundlegend geändert16. Das Unterneh-men fordert mit Verweis auf den multilateralen Energiecharta-Vertrag (En-ergy Charter Treaty, ECT) einen Ersatz für Schäden in Höhe von ca. 4Mrd. Euro, die dem schwedischen Betreiber von Atomkraftwerken durchden 2011 beschlossenen Atomausstieg entstanden sein sollen. Spätestenszu diesem Zeitpunkt wurde der deutschen Öffentlichkeit bewusst, welchepraktischen Konsequenzen der Abschluss eines internationalen Investiti-onsschutzabkommens nach sich ziehen kann. Innerhalb kürzester Zeit ge-riet der komplexe Streitbeilegungsmechanismus für Investitionsstreitigkei-ten, der über Jahrzehnte fast ausschließlich in Ministerien, Wissenschaftund Schiedspraxis untersucht und weiterentwickelt worden war, in den Fo-kus einer breiten Öffentlichkeit. Die 2013 aufgenommenen Verhandlungenüber ein transatlantisches Freihandelsabkommen zwischen der Europä-ischen Union und den USA (Transatlantic Trade and Investment Part-nership, TTIP) gaben der Frage nach dem Sinn und Zweck des Investiti-

10 Azurix v. Argentinien, ICSID ARB/01/12, Rn. 254.11 Noble Ventures v. Rumänien, ICSID ARB/01/1.12 Von Pezold et al. v. Zimbabwe, ICSID ARB/10/15.13 Pac Rim v. El Salvador, ICSID ARB/09/12.14 Malaysian Historical Salvors et al. v. Malaysia, ICSID ARB/05/10; Phoenix Ac-

tion v. Tschechien, ICSID ARB/06/5; Alpha Projektholding v. Ukraine, ICSIDARB/07/16.

15 Vgl. Alvarez/Khamsi, The Argentine Crisis and Foreign Investors (2009), 381 etseq.

16 Vattenfall v. Deutschland, ICSID ARB/12/12.

Einleitung

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onsschutzes zudem eine aktuelle politische Dimension17. Die von Kriti-kern der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit vertretene These, Schiedsge-richte würden eine Gefahr für Gemeinwohlbelange und Menschenrechtedarstellen, gewann durch die Klagen des Tabakkonzerns Philip Morris ge-gen in Australien und Uruguay erlassene Raucherschutzgesetze an Glaub-würdigkeit und verlieh der Debatte um die Schiedsgerichtsbarkeit zusätzli-che Brisanz18.

Im Lichte des Umstandes, dass Deutschland nicht nur das erste, sondernweltweit auch die meisten internationalen Investitionsschutzabkommenabgeschlossen hat19, ist die gegenwärtige öffentliche Diskussion nach über50 Jahren ständiger Abkommenspraxis in jeder Hinsicht bemerkens- undzugleich wünschenswert. In der von kritischen Stimmen dominierten De-batte wird der Schiedsgerichtsbarkeit nachgesagt, Belange des Allgemein-wohls wie den Umwelt- und Menschenrechtsschutz nicht hinreichend zuberücksichtigen und damit eine Streitbeilegung zulasten Dritter herbeizu-führen. Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit von Investor-Staat-Schiedsver-fahren knüpfen insbesondere an dem Umstand an, wonach investitions-rechtliche Schutzstandards wie fair and equitable treatment oftmals sehrunbestimmt sind und dem ad hoc eingerichteten Schiedsgericht dadurcheinen sehr weiten Ermessensspielraum eröffnen, der zur Unvorhersehbar-keit von Entscheidungen führe. Weite Teile der Öffentlichkeit stellen folg-lich die Legitimität schiedsrichterlicher Streitbeilegung grundlegend inFrage. Der Vorwurf der unzureichenden Berücksichtigung von Menschen-rechten ist für die Bewertung schiedsrichterlicher Legitimität im Investiti-onsrecht daher von herausragender Bedeutung.

17 So hat die Bevölkerung durch zahlreiche Großdemonstrationen ihren Unmut überden geplanten Abschluss des TTIP-Abkommens zum Ausdruck gebracht. Siehe et-wa Frankfurter Allegmeine Zeitung v. 10.10.2015, http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ttip-und-freihandel/grosskundgebung-in-berlin-150-000-demonstranten-protestieren-gegen-ttip-13848419.html (zuletzt abgerufen am 28.6.2017).

18 Philip Morris v. Australien, PCA No. 2012-12; Philip Morris v. Uruguay, ICSIDARB/10/7. Die Klage gegen Australien wurde mit Schiedsspruch zur Zuständig-keit und Zulässigkeit vom 17.12.2015 abgewiesen, sodass sich das Schiedsgerichtzur Frage der Vereinbarkeit des australisischen Nichtrauscherschutzgesetztes mitinvestitionsrechtlichen Schutzstandards nicht zu äußern hatte.

19 Deutschland hat 135 Investitionsschutzabkommen unterzeichnet, von denen aktu-ell 131 in Kraft sind. Vgl. UNCTAD Investment Policy Hub, http://investmentpolicyhub.unctad.org/IIA/IiasByCountry#iiaInnerMenu (zuletzt abgerufen am28.6.2017).

Einleitung

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Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Entwicklung einer Methodezur systematischen Berücksichtigung von Menschenrechten in Investiti-onsschiedsverfahren. Diese soll aus der Analyse des Verhältnisses von In-vestitions- und Menschenrechtsschutz entwickelt werden. Zu diesemZweck wird die Fähigkeit der Schiedspraxis, diesem Verhältnis hinrei-chend Rechnung zu tragen, untersucht. Darüber hinaus stellt sich die Fra-ge, ob und in welchem Umfang die Schiedsgerichtsbarkeit zur Berück-sichtigung von Menschenrechten verpflichtet ist und wie einer solchenVerpflichtung praktisch Genüge getan werden könnte. Die im Zuge derUntersuchung vorgestellten methodischen Ansätze sollen dazu beitragen,dass Schiedsrichter den menschenrechtlichen Bezügen einer Investitions-streitigkeit auf nachvollziehbare und konzeptuell begründbare Weise be-gegnen.

Ausgangspunkt der Untersuchung sind die Interessen der im Systemdes internationalen Investitionsschutzes beteiligten Akteure und ihr jewei-liges Verhältnis zur Einhaltung von Menschenrechten (Teil 1). Was sinddie Interessen der beteiligten Akteure im Bezug auf den Menschenrechts-schutz im Gastgeberstaat? Gibt es synergetische Interessenlagen oder be-einträchtigten sich Investoren, Gastgeberstaaten und Zivilgesellschaft ge-genseitig? Diese Überlegungen sollen zur Beantwortung der Frage beitra-gen, ob es sich bei Investitions- und Menschenrechtsschutz um zwei ge-trennt voneinander zu betrachtende Rechtsregime handelt oder ob das Re-gime des Investitionsschutzes systemimmanente Bezüge zu menschen-rechtlichen Fragestellungen aufweist. Außerdem wird zu untersuchen sein,ob sich anhand der Interessenlagen der Akteure bestimmte Grundkonstel-lationen ableiten lassen, anhand derer sich das Verhältnis von Investitions-und Menschenrechtsschutz systematisch beschreiben und umfassend ana-lysieren lässt. Welche Interessenlagen im Umfeld von Investitions- undMenschenrechtsschutz sind denkbar und in welcher Form hat sich einSchiedsgericht hiermit auseinanderzusetzen?

Hieran anknüpfend soll die Verpflichtung der Schiedspraxis zur Be-rücksichsichtigung von Menschenrechten aufgrund des schiedsrichterli-chen Mandats untersucht werden (Teil 2). Da der Wortlaut vieler Abkom-men keine oder nur in geringem Maße Orientierung vermittelt, stellt dieBerücksichtigung von Menschenrechten oftmals eine methodische He-rausforderung für Schiedsgerichte dar. Aus dem Mangel genauer Vorgabender Vertragsparteien im Abkommenstext folgt, dass der Ausübung desschiedsrichterlichen Ermessensspielraums eine zentrale Rolle bei der Be-rücksichtigung von Menschenrechten zukommt. Dies gilt etwa im Rahmen

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der Kompetenz-Kompetenz, der Auslegung materiellen Rechts sowie derBemessung von Rechtsfolgen. Um sich nicht dem Vorwurf einer willkürli-chen Entscheidungspraxis auszusetzen, muss sich die Ausübung desschiedsrichterlichen Ermessensspielraums an den Interessen und Rechts-gütern der für die Konstitutierung des Schiedsgerichts maßgeblichen Ak-teure ausrichten, da diese die Grundlage der schiedsrichterlichen Legitimi-tät darstellen. Die Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Menschen-rechten sind damit deutlich mit dem Auftrag des Schiedsgerichts im Inves-titionsrecht verknüpft. Vor diesem Hintergrund wird das Mandat desSchiedsgerichts im internationalen Investitionsrecht anhand der in Politik-und Sozialwissenschaft zur Analyse institutioneller Strukturen regelmäßigangewandten Delegationstheorie untersucht. Wie und aus welcher Motiva-tion heraus werden investitionsrechtliche Schiedsgerichte ins Leben geru-fen? Worin genau besteht ihre Aufgabe und wie weit ist der einemSchiedsgericht zugestandene Ermessens- und Beurteilungsspielraum? ImZuge der Untersuchung des schiedsrichterlichen Mandats werden die Be-ziehungen des Schiedsgerichts zu drei potentiellen Auftraggebern näherbeleuchtet. In Betracht kommen die Parteien des Schiedsverfahrens, dieVertragsparteien des Investitionsschutzabkommens sowie die internationa-le Gemeinschaft.

Aus dem Wesen und der Reichweite des schiedsrichterlichen Auftragssollen anschließend Grundsätze für den Umgang mit menschenrechtlichenFragestellungen im Investitionsschiedsverfahren herausgearbeitet werden(Teil 3). Die praktische Umsetzung dieser Grundsätze soll es Schiedsge-richten ermöglichen, Menschenrechte im Investitionsschiedsverfahrentrotz der geringen normativen Aussagekraft der oftmals generalklauselar-tig formulierten Investitionsschutzstandards systematisch zu berücksichti-gen. Die aus dem schiedsrichterlichen Mandat abgeleitete Methode sollein theoretisches Fundament sowie praktische Handlungsempfehlungenliefern, die bei heutigem Stand von Völkerrecht und Investitionsschiedsge-richtsbarkeit umgehend im Rahmen der Zuständigkeit oder Zulässigkeit,der Auslegung materiellen Rechts und der Bemessung von Rechtsfolgenumgesetzt werden können. Die konsequente Anwendung dieser Methodeverspricht nicht nur die Rechtssicherheit für Investoren und Gastgeber-staaten zu steigern, sondern würde zudem zur effektiven Durchsetzungvon Menschenrechten im Kontext von ausländischen Direktinvestitionenbeitragen und damit die Legitimität und das Vertrauen in die Streitbeile-gung durch Schiedsgerichte stärken.

Einleitung

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Akteure und Interessenlagen im Umfeld vonInvestitions- und Menschenrechtsschutz

Investitionsschiedsgerichte waren bislang bereits mehrfach mit menschen-rechtlichen Bezügen in unterschiedlichen Konstellationen konfrontiert20.Folglich ist die Existenz einer tatsächlichen wie rechtlichen Wechselwir-kung von Investitions- und Menschenrechtsschutz zwar weitgehend aner-kannt, jedoch ist deren Reichweite und Auswirkung auf das System desinternationalen Investitionsschutzes bislang nur unzureichend geklärt21.Ebenso unklar scheint, ob menschenrechtlichen Bezügen eine über denEinzelfall hinausgehende Bedeutung für den Investitionsschutz zukommtoder ob es sich hierbei lediglich um ein eher zufällig auftretendes Phäno-men handelt22. Hierfür könnte zunächst sprechen, dass Schiedsgerichtezwar Investitionsschutz vermitteln und zur Beilegung von Investitions-streitigkeiten beitragen sollen, jedoch nicht zur Durchsetzung menschen-rechtlicher Belange berufen sind. Letztere mögen daher im Rahmen einesInvestitionsschiedsverfahrens als systemfremd erscheinen, die allenfallsausnahmsweise vom Schiedsgericht berücksichtigt werden sollten. DieHypothese, die menschenrechtliche Erwägungen im Rahmen eines Inves-

Teil 1 –

20 Vgl. u.a Patrick Mitchell v. Kongo, ICSID ARB/99/7; Loewen v. USA, ICSIDARB/98/3; Tokios Tokeles v. Ukraine, ICSID ARB/02/18; Funnekotter et al. v.Zimbabwe, ICSID ARB/05/6; Roussalis v. Rumänien, ICSID ARB/06/1; Piero Fo-resti et al. v. Südafrika, ICSID ARB(AF)/07/1; Glamis Gold v. USA, UNCITRAL.

21 Vgl. Cotula, Human Rights and Investor Obligations in Investor-State Arbitration,Journal of World Investment and Trade 2016, 157; Booth, Is there a Place for Hu-man Rights Considerations in International Arbitration?, ICSID Review 2010, 90;Schreuer/Reiner, Human Rights and International Investment Arbitration (2009),82-96; de Brabandere, Human Rights Considerations in International InvestmentArbitration (2012), 183-216; Radi, The 'Human Nature' of International Invest-ment Law, Transnational Dispute Management 2013, Issue 1; Blake, Moral Dam-ages in Investment Arbitration: A Role for Human Rights?, Journal of Internation-al Dispute Settlement 2012, 389.

22 Vgl. Simma, Foreign Investment Arbitration: A Place for Human Rights?, Interna-tional and Comparative Law Quarterly 2011, 578 et seq.; Choudhury, ExceptionProvisions as a Gateway to Incorporating Human Rights Issues into InternationalInvestment Agreements, Columbia Journal of Transnational Law 2011, 683.

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titionsschiedsverfahren als systemfremd einordnet23, mag auf dem Ein-druck einer unsachgemäßen Vermischung von für unterschiedliche Akteu-re bestimmte Rechtsnormen sowie der rechtlich schwer greifbaren Wech-selwirkung von Menschen- und Investitionsrecht zurückzuführen sein24.

Der Stellenwert menschenrechtlicher Bezüge im System des Investiti-onsschutzes wird jedoch konkret sichtbar, wenn man sich die beteiligtenAkteure sowie die zwischen diesen vorliegenden Interessenlagen vor Au-gen führt. Um eine Charakterisierung des Verhältnisses von Investitions-und Menschenrechtsschutz vorzunehmen, werden daher in einem erstenSchritt die im Umfeld von Investitions- und Menschenrechtsschutz tätigenAkteure näher betrachtet und anhand ihrer Interessen zueinander ins Ver-hältnis gesetzt.

Das Verhältnis von internationalem Investitionsrecht zu den Menschen-rechten wird oftmals als spannungsreich und konfliktträchtig charakteri-siert, indem auf die Gefahren für die Menschenrechtssituation im Gastge-berstaat hingewiesen wird, die vom Verhalten ausländischer Investorenausgehen können25. Dabei konzentriert sich die Betrachtung der Auswir-kungen ausländischer Investitionen auf die Menschenrechte meist auf eineAnalyse der investitionsschiedsrechtlichen Praxis. Zwar ist die Analyseder investitionsrechtlichen Schiedspraxis ein unverzichtbarer Bestandteileiner umfassenden Untersuchung, jedoch zeichnet diese bei isolierter Be-trachtung ein lediglich unvollständiges Bild des Verhältnisses von Investi-tions- und Menschenrechtsschutz. Dies ist dem Umstand geschuldet, dasssich Schiedsgerichte kraft Natur der Sache nur mit einem vergleichbarkleinen Teil der Gesamtheit an getätigten Auslandsinvestitionen befassen.

23 Vgl. hierzu etwa die auf eine entsprechende Konzeption hindeutenden Beispieleaus der Schiedspraxis bei Cotula, Human Rights and Investor Obligations in In-vestor-State Arbitration, Journal of World Investment and Trade 2016, 155.

24 Siehe allgemein zur im Rahmen der sogenannten Fragmentierungsdebatte kontro-vers diskutierten Frage, ob es sich bei völkerrechtlichen Spezialnormen um einenintegralen Bestandteil einer einheitlichen Rechtsordnung oder um koordinations-bedürftige Teilrechtsordnungen handelt: International Law Commission (ILC),Fragmentation of International Law, UN Doc. A/CN.4/L.682 (2006); sowie mitBezug zum Investitionsrecht: Dupuy, Unification Rather than Fragmentation of In-ternational Law? The Case of International Investment Law and Human RightsLaw (2009), 45-62.

25 Burkard, Zum Spannungsverhältnis von Investitions- und Menschenrechtsschutz(2013); Amnesty International, Human Rights, Trade and Investment matters(2006); Toral/Schultz, The State, a Perpetual Respondent in Investment Arbitra-tion? (2010), 577–602.

Teil 1 – Akteure und Interessenlagen

24

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Der Beurteilung durch Schiedsgerichte sehen sich schließlich nur solcheInvestitionen ausgesetzt, die in eine nicht anders lösbare Streitigkeit ge-mündet sind und damit als weitgehend gescheitert bezeichnet werden kön-nen. Daher sollen die Interessen der beteiligten Akteure unabhängig vomSchiedsverfahren auf menschenrechtliche Bezüge untersucht werden, dadiese für jede Analyse und Weiterentwicklung des Investitionsrechts vonherausragender Bedeutung sind26. Nationale Regierungen, ausländischeInvestoren sowie die Zivilbevölkerung der Gastgeberstaaten sind durchdas System des internationalen Investitionsschutzes, einem weltumspan-nenden Netz aus zahlreichen bi- und multilateralen völkerrechtlichen Ver-trägen, in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht miteinander verbunden27.Folglich müssen die im internationalen Investitionsrecht auftretenden Be-züge zu den Menschenrechten anhand der Akteure und ihrer Interessenuntersucht und in einen Gesamtkontext eingeordnet werden. Als Grundla-ge einer solchen interessenbasierten Herangehensweise sollen zunächst dieRollen der Akteure im wirtschaftspolitischen Umfeld von Auslandsinves-titionen näher betrachtet werden, um hieraus die in Frage stehenden Inter-essenlagen zu identifizieren.

Akteure im Umfeld von Investitions- und Menschenrechtsschutz

Gastgeberstaaten

Das internationale Investitionsrecht, dessen Entstehung zunächst vom ein-seitigen Verhältnis von Industrienationen und Entwicklungsländern ge-prägt war, sieht sich aufgrund der weltwirtschaftlichen Umwälzungen zuBeginn des 21. Jahrhunderts mit neuen Ausgangsbedingungen konfron-tiert, die aus Sicht der Gastgeberstaaten von der Schiedsgerichtsbarkeitwahrgenommen und bei der Weiterentwicklung des Investitionsrechts be-rücksichtigt werden sollten.

I.

1)

26 Schreuer, The Future of International Investment Law (2015), Rn. 6; Frank, Con-sidering Recalibration of International Investment Agreements: Empirical Insights(2011), 92 et seq.

27 Vgl. Echandi, What Do Developing Countries Expect from the International In-vestment Regime (2011), 3.

I. Akteure im Umfeld von Investitions- und Menschenrechtsschutz

25

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Traditionelles Rollenverständnis im internationalen Investitionsschutz

Die traditionelle Sichtweise auf das System des internationalen Investiti-onsschutzes geht typischerweise von einer bipolaren Interessenlage aus,bei der sich die in den Industrienationen beheimateten Investoren und dieauf ausländisches Kapital angewiesenen Schwellen- und Entwicklungslän-der gegenüberstehen. Dieser Logik zu folge haben die traditionell kapital-exportierenden Industrienationen beim Abschluss von Investitionsschutz-abkommen ein starkes Bedürfnis nach einem effizienten Schutz ihrer In-vestoren im Ausland, wohingegen Entwicklungs- und Schwellenländer le-diglich daran interessiert sind, das in den Industrienationen beheimateteKapital zur eigenen wirtschaftlichen Entwicklung anzuziehen28. In der Tatnutzen Entwicklungsländer den Abschluss von Investitionsschutzabkom-men mit Partnerstaaten und ausländischen Investoren als Instrument derVertrauensbildung, um so die Nutzung von Rohstoffen, den Ausbau der ei-genen Infrastruktur sowie den Transfer von neuen Technologien und Fach-wissen zu fördern29. Der Investitionsschutz wird dabei als notwendigesÜbel in Kauf genommen. Die Gegenseitigkeit der eingeräumten Garantienspielt nach diesem Verständnis für Industrienationen keine praktische Be-deutung, da es sich aufgrund des weltwirtschaftlichen Nord-Süd Gefällesum eine faktische Einbahnstraße handelt30.

Vereinfacht gesprochen dient das Instrument des Investitionsschutzesnach traditionellem Verständnis dazu, aus den Industrienationen stammen-de Investoren vor missbräuchlicher Behandlung durch Regierungen derEntwicklungsländer zu schützen31.

Paradigmenwandel im internationalen Investitionsschutz

Diese traditionelle Sichtweise auf den internationalen Investitionsschutzspiegelt die Realität im Zeitalter einer globalisierten und multipolaren

a)

b)

28 Cutler, Human Rights Promotion through Transnational Investment Regimes(2013), 23.

29 Al Faruque, Relationship between Investment Contracts and Human Rights: A De-veloping Countries’ Perspective (2014), 220.

30 Pauwelyn, Rational Design or Accidental Evolution? The Emergence of Interna-tional Investment Law (2014), 27.

31 Echandi, What Do Developing Countries Expect from the International InvestmentRegime? (2011), 5.

Teil 1 – Akteure und Interessenlagen

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Weltwirtschaft jedoch nur noch teilweise wider. Die Abhängigkeit derSchwellen- und Entwicklungsländer vom Kapital der Industrienationenstellt heute nur noch eine vereinfachte und daher unvollständige Erklärungder Interessenlage im System des internationalen Investitionsschutzesdar32. Aufgrund der starken Zunahme von grenzüberschreitenden Investi-tionen zwischen Entwicklungsländern im sog. Süd-Süd-Verhältnis lassensich die durch ausländische Investitionen bedingten Kapitalflüsse heutenicht mehr ausschließlich anhand eines Nord-Süd-Gefälles abbilden33.Diese Zunahme von grenzüberschreitenden Investitionen zwischenSchwellen- und Entwicklungsländern bedeutet auch, dass internationaloperierende Investoren heute nicht mehr ausschließlich aus den Industrie-nationen stammen. Damit einher geht ein steigendes Eigeninteresse derEntwicklungs- und Schwellenländer am Schutz ihrer international tätigenInvestoren34. Die fortschreitende Aufweichung der Unterteilung in Kapitalimportierende und exportierende Volkswirtschaften zieht es notwendiger-weise nach sich, dass alle Länder ein gewisses Eigeninteresse an einem ef-fektiven Investitionsschutz haben und diesen nicht nur als notwendigesÜbel zur Anziehung von Fremdkapital ansehen35. Gleichzeitig finden sichnun sowohl Industrie- wie auch Schwellen- und Entwicklungsländer in derRolle des Gastgeberstaats wieder36. Erfahrungen in der Rolle des Gastge-berstaats prägen dabei maßgeblich die Einstellung einer Nation zu denChancen und Gefahren des internationalen Investitionsschutzes. Geradetraditionell Kapital exportierende Länder erfahren in diesem Zusammen-hang, welche unangenehmen Nebenfolgen der Schutz ausländischer Inves-toren in Form von erheblichen Schadensersatzforderungen nach sich zie-

32 Echandi, What Do Developing Countries Expect from the International InvestmentRegime? (2011), 3-21.

33 UNCTAD, World Investment Report 2006: FDI from developing and TransitionEconomies: implications for Development (2006), xxiv; Poulsen, The Politics ofSouth-South Bilateral Investement Treaties (2011), 186 et seq.

34 Braun, Globalization: The Driving Force in International Investment Law (2010),500; Roberts, Power and Persuasion in Investment Treaty Interpretation, AmericanJournal of International Law 2010, 196.

35 Echandi, What Do Developing Countries Expect from the International InvestmentRegime? (2011), 6-7; Schill, Investitionsschutzrecht als Entwicklungsvölkerrecht,Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 2012, 268, 282.

36 Roberts, Power and Persuasion in Investment Treaty Interpretation, AmericanJournal of International Law 2010, 196.

I. Akteure im Umfeld von Investitions- und Menschenrechtsschutz

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hen kann37. Die rein auf den Schutz von Investoren gerichtete Perspektivenationaler Regierungen verschiebt sich daher hin zu einer mehr auf regula-torische Freiheiten zum Schutz des öffentlichen Interesses fokussiertenpolitischen Agenda38.

Diese Erfahrung der Industrienationen wird flankiert von der entwick-lungspolitischen Erkenntnis zahlreicher Schwellen- und Entwicklungslän-der, dass die bloße Existenz von ausländischem Kapital keinesfallszwangsläufig zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung der eige-nen Volkswirtschaft führt39. Das Einhergehen von zunehmenden ausländi-schen Investitionen und nachhaltiger wirtschaftlicher Entwicklung ist keinAutomatismus, denn wirtschaftliche und soziale Entwicklung beruht nichtallein auf ausländischen Investitionen. Allerdings können ausländische In-vestitionen durchaus positive Rahmenbedingungen für eine solche Ent-wicklung schaffen, welche allerdings erst durch die Vornahme von politi-schen Begleitmaßnahmen zu einer nachhaltigen Entwicklung zum Wohleder gesamten Volkswirtschaft des Gastgeberstaats führen kann40. Regie-rungen müssen die durch ausländische Investitionen stimulierten positivenRahmenbedingungen mit politischen Reformprojekten begleiten, um aus-ländische Investitionen nicht nur anzuziehen, sondern von diesen auchnachhaltig zu profitieren41. Mit steigender Industrialisierung einer Regionmuss beispielsweise ein verstärkter Umweltschutz einhergehen, damit dieBevölkerung vom wirtschaftlichen Aufschwung profitieren kann, ohne aufnatürliche Lebensgrundlagen, wie eine akzeptable Wasser- und Luftquali-

37 Vgl. u.a. Vattenfall et al. v. Deutschland, ICSID ARB/12/12; Mercer Internationalv. Kanada, ICSID ARB(AF)/12/3; Erbil Serter v. Frankreich, ICSID ARB/13/22;Ping An Life Insurance v. Belgien, ICSID ARB/12/29; Apotex v. USA, ICSIDARB(AF)/12/1; Philip Morris Asia v. Australien, PCA No. 2012-12. Siehe auchVan Duzer, Sustainable Development Provisions in International Trade Treaties:What Lessons for International Investment Agreements? (2016), 173 et seq.

38 Vgl. für Deutschland: Beschluss des Bundesrates, Drucksache 295/14 (11.07.14),Nr. 9.

39 Mencinger, Does Foreign Direct Investment Always Enhance Economic Growth?,Kyklos International Review for Social Sciences 2003, 507; Nunnenkamp, ToWhat Extent Can Foreign Direct Investment Help Achieve International Develop-ment Goals?, World Economy 2004, 657-677.

40 Bishop/Crawford/Reisman, Investment Disputes: Cases, Materials and Commen-tary (2014), 8; Echandi, What Do Developing Countries Expect from the Interna-tional Investment Regime? (2011), 18.

41 de Soysa/Neumayer, Assessing the Effects of Economic Openness on SustainableDevelopment, International Organization 2005, 761.

Teil 1 – Akteure und Interessenlagen

28