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T6 Elektrodynamik in Materie T6.1 Die ph¨ anomenologischen Maxwell Gleichungen Wir wollen hier den Einfluss von Materie auf makroskopische elektromagnetische Ph¨ anome- ne beschreiben. Wir betrachten zun¨ achst ein einfaches Beispiel. Ein Plattenkondensator sei mit Ladung Q aufgeladen. Zwischen den Platten sei Vakuum. (Luft w¨ urde kaum einen Unterschied machen). + - + + + - - - Vakuum + - + + + - - - Dielektrikum Wir wissen: Die Spannung ist U 0 = Q C 0 . Jetzt schieben wir einen Isolator zwischen die Platten. Das elektrische Feld verschiebt die atomaren Ladungen ein wenig und erzeugt so Dipole. Diese erzeugen ein Feld E 1 , das zu E 0 entgegengesetzt ist. Das Feld zwischen den Platten E 0 + E 1 ist also kleiner als E 0 , die Spannung nimmt ab, und da Q gleich bleibt, nimmt die Kapazit¨ at zu: U = Q C , C>C 0 . Wir wollen dieses Beispiel jetzt etwas genauer betrachten. Die Maxwellgleichungen gelten nat¨ urlich auch in Materie, die ja nur eine bestimmte Ladungs- und Stromverteilung vorgibt. Wenn wir jetzt die wirklichen mikroskopischen Felder mit e, b bezeichnen, so gilt also div e = ρ q ǫ 0 , div b =0 rot e = ∂t b, rot b = μ 0 j + 1 c 2 ∂t e (T6.1) ρ q und j sind die wirklichen, mikroskopischen Ladungs- und Stromdichten. Diese variieren auf mikroskopischer Skala a 10 10 m. Deshalb variiert auch e auf der Skala a. a A In der makroskopischen Physik interessiert uns aber diese mikroskopische Variation nicht. Jede makroskopische Messung mittelt ¨ uber diese mikroskopischen Fluktuationen, denn die T6 - 1

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T6 Elektrodynamik in Materie

T6.1 Die phanomenologischen Maxwell Gleichungen

Wir wollen hier den Einfluss von Materie auf makroskopische elektromagnetische Phanome-ne beschreiben. Wir betrachten zunachst ein einfaches Beispiel.

Ein Plattenkondensator sei mit Ladung Q aufgeladen. Zwischen den Platten sei Vakuum.(Luft wurde kaum einen Unterschied machen).

+ -

+

+

+

-

-

-Vakuum

+ -

+

+

+

-

-

-Dielektrikum

Wir wissen: Die Spannung ist U0 = QC0

. Jetzt schieben wir einen Isolator zwischen diePlatten. Das elektrische Feld verschiebt die atomaren Ladungen ein wenig und erzeugt soDipole. Diese erzeugen ein Feld ~E1, das zu ~E0 entgegengesetzt ist. Das Feld zwischen denPlatten ~E0 + ~E1 ist also kleiner als ~E0, die Spannung nimmt ab, und da Q gleich bleibt,nimmt die Kapazitat zu: U = Q

C , C > C0.

Wir wollen dieses Beispiel jetzt etwas genauer betrachten. Die Maxwellgleichungen geltennaturlich auch in Materie, die ja nur eine bestimmte Ladungs- und Stromverteilung vorgibt.Wenn wir jetzt die wirklichen mikroskopischen Felder mit ~e, ~b bezeichnen, so gilt also

div ~e =ρq

ǫ0, div ~b = 0

rot ~e = − ∂

∂t~b , rot ~b = µ0

~j +1

c2

∂t~e

(T6.1)

ρq und ~j sind die wirklichen, mikroskopischen Ladungs- und Stromdichten. Diese variierenauf mikroskopischer Skala a ∼ 10−10 m. Deshalb variiert auch ~e auf der Skala a.

a

A

In der makroskopischen Physik interessiert uns aber diese mikroskopische Variation nicht.Jede makroskopische Messung mittelt uber diese mikroskopischen Fluktuationen, denn die

T6 - 1

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Ausdehnung des Messgerats ist viel großer als a. Wir mussen also gemittelte ’makroskopischeFelder’ definieren. Wir definieren eine Gewichtsfunktion f(~r) mit folgenden Eigenschaften:

f(~r) ≥ 0 , f(~r) = 0 fur |~r | > A

10−10m ∼ a ≪ A ≪ 10−3m

a |∇ f(~r) | ≪ 1 ,

d3r f(~r) = 1 .

(T6.2)

Die gemittelten makroskopischen Felder sind

~E(~r, t) =

d3r ′ f(~r − ~r ′)~e(~r ′, t)

~B(~r, t) =

d3r ′ f(~r − ~r ′)~b(~r ′, t) .

(T6.3)

Diese Mittelung1 beseitigt die mikroskopischen Fluktuationen.

In der obigen Abbildung wurde als ’mikroskopische’ Funktion e(x) = 1.5−0.3 x+sin x+ 1

3sin (15 π x)+

1

5cos (16 π x) + cos2 (13 π x) gewahlt. Die Gewichtsfunktion ist f(x) = 15

16(1 − x2)2, |x | ≤ A = 1. Die

Mittelung beseitigt im wesentlichen die rasch oszillierenden Terme ∼ sin(15 π x), cos (16 π x), und ersetzt

cos2(13 π x) durch den Mittelwert 1

2.

Jetzt mitteln wir die Maxwell Gleichungen, z.B.

div ~b = 0

0 =

d3r ′ f(~r − ~r ′)3∑

α=1

∂ r ′α

bα(~r ′, t) .

Nun gilt

d3r ′ f(~r − ~r ′)∂

∂ r ′α

bα(~r ′, t)

= −∫

d3r ′ ∂

∂r ′α

f(~r − ~r ′) bα(~r ′, t) (Die Randterme verschwinden wegen f = 0 fur |~r | > A)

=

d3r ′ ∂

∂rαf(~r − ~r ′) bα(~r ′, t)

Es folgt

0 =

d3r ′f(~r − ~r ′) ∇r ′ ·~b(~r ′, t) = ∇r ·∫

d3r ′f(~r − ~r ′) ~b(~r ′, t) .

oder

div ~B = 0 .

1Das gemittelte Feld ~E ist das Feld ~E0 + ~E1 in der oben durchgefuhrten einfachen Betrachtung desPlattenkondensators.

T6 - 2

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Genauso geht es fur alle anderen Terme, die ~e oder ~b enthalten. Definieren wir noch diegemittelten Ladungs- und Stromdichten:

ρq(~r, t) =

d3r ′ f(~r − ~r ′) ρq(~r′, t)

~j(~r, t) =

d3r ′ f(~r − ~r ′) ~j(~r ′, t) .

(T6.4)

So erhalten die gemittelten Maxwell Gleichungen die Form

div ~E =ρq

ǫ0, div ~B = 0

rot ~E = − ∂

∂t~B , rot ~B = µ0

~j +1

c2

∂t~E .

(T6.5)

Um einen Ausdruck fur ρq zu gewinnen, teilen wir die mikroskopische Ladungsdichte auf:

ρq = ρ(int)q + ρ(ext)

q .

ρ(ext)q sind die uns explizit bekannten, von außen eingebrachten Ladungen. Die Mittelung

verschmiert diese Ladungen uber ein Volumen mit Durchmesser ∼ A, aber da A klein gegen

die makroskopischen Abstande ist, konnen wir auch nach der Mittelung ρ(ext)q ≈ ρ

(ext)q als

die explizit eingebrachte außere Ladungsdichte betrachten.

ρ(int)q ist die interne Ladungsdichte der Materie, die auf der Skala a variiert. Um zu sehen,

was die Mittelung ergibt, wollen wir ein schematisches Beispiel betrachten.

Wir betrachten ein einzelnes ’Molekul’, bestehend ausLadungen ± q im Abstand a -, also einen Dipol.

Mikroskopische Ladungsdichte

ρ(Mol)q (~r ′) = q

(

δ(~r ′ − a

2~e)− δ(~r ′ +

a

2~e))

.

Mittelung ergibt

d3r ′f(~r − ~r ′) ρ(Mol)q (~r ′) = q

(

f(~r − a

2~e)− f

(~r +

a

2~e))

= q(

f(~r) − a

2~e · ∇r f(~r) − f(~r) − a

2~e · ∇r f(~r) + O(a3)

)

, (Taylorentwicklung),

= − q a~e · ∇r f(~r) + O (a3)

q a~e = ~d: Dipolmoment des Molekuls.

T6 - 3

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Da ~d von ~r unabhangig ist, konnen wir weiter schreiben

− ~d · ∇r f(~r) = −∇r ·(

f(~r) ~d)

.

Dies ist der fuhrende Beitrag unseres Molekuls zur gemittelten Ladungsdichte. Unser Molekulwar am Ort ~r = 0 lokalisiert. Um dies deutlich zu machen, schreiben wir das Ergebnis als

−∇r ·∫

d3r ′ f(~r − ~r ′) ~d δ(~r ′) .

Ein Dielektrikum besteht aus vielen molekularen Dipolen. Molekul Nummer j befinde sicham Ort ~rj und habe die Dipolstarke ~dj . Sein Beitrag zur gemittelten Ladungsdichte ist also

−∇r

d3r ′ f(~r − ~r ′) ~dj δ(~r ′ − ~rj) .

Falls das von außen angelegte Feld zeitabhangig ist, wird auch die durch dieses erzeugte Di-polstarke zeitabangig sein: ~dj = ~dj(t). Wir definieren nun die Polarisation des Dielektrikumsals

~P (~r, t) =

d3r ′ f(~r − ~r ′)∑

j

~dj δ(~r ′ − ~rj) . (T6.6)

Sie ist also die gemittelte lokale Dipolstarke. Damit erhalten wir fur die gemittelte Ladungs-dichte

ρq(~r, t) = − div ~P (~r, t) + ρ(ext)q (~r, t) . (T6.7)

Eine analoge - allerdings kompliziertere - Betrachtung liefert

~j(~r, t) = rot ~M(~r, t) +∂

∂t~P (~r, t) +~j(ext)(~r, t) . (T6.8)

~M(~r, t) ist die ’Magnetisierung’. Im Rahmen der klassischen Physik beschreibt sie den ge-mittelten Effekt von in den Molekulen fließenden ’Ringstromen’. Wirklich zu verstehen istsie erst in der Quantenmechanik, denn solche ’Ringstrome’ gibt es eigentlich nicht. Der Term∂∂t

~P beschreibt die Strome, die zur Anderung des Dipolmoments fuhren. Er sorgt dafur, dassdie Kontinuitatsgleichung erfullt ist.

Betrachten wir nun die Gleichung

div ~E =ρq

ǫ0=

1

ǫ0

(

− div ~P + ρ(ext)q

)

,

so sehen wir, dass wir div ~E und 1ǫ0

div ~P zusammen fassen konnen. Dies definiert ein neues

Feld ~D, das als ’dielektrische Verschiebung’ bezeichnet wird.

~D = ~E +1

ǫ0

~P . (T6.9)

Ebenso definiert man~H = ~B − µ0

~M . (T6.10)

T6 - 4

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~H wird allgemein als ’Magnetfeld’ bezeichnet, ~B heißt ’magnetische Induktion’. Mit (T6.8)-

(T6.10) erhalt man aus rot ~B = µ0~j + 1

c2∂∂t

~E

rot ~H = µ0~j(ext) + µ0

∂t~P +

1

c2

∂t︸ ︷︷ ︸

1c2

∂∂t

~D

~E .

Damit erhalten die makroskopischen Maxwell Gleichungen die Form

div ~D =1

ǫ0ρ(ext)

q , div ~B = 0

rot ~E = − ∂

∂t~B , rot ~H = µ0

~j(ext) +1

c2

∂t~D .

(T6.11)

Dies sind die Gleichungen, die die gemittelten Felder erfullen.

Um mit diesen Gleichungen etwas anzufangen, mussen wir noch den Zusammenhang zwi-schen ~D (bzw. ~P ) und ~E und zwischen ~H (bzw. ~M ) und ~B kennen. Dieser hangt vomMaterial ab. Es gibt Substanzen, fur die auch ohne außeres ~B-Feld die Magnetisierung vonNull verschieden ist:

~B = 0 , ~M = ~M0 6= 0 .

Dies sind Ferromagneten - die bekannten Permanentmagneten. Ebenso gibt es Ferroelektrika:

~E = 0 , ~P = ~P0 6= 0 .

Solche Substanzen wollen wir hier nicht betrachten. Wir beschranken uns auf ~M0 = 0 , ~P0 =0. Dann wird die Polarisation nur durch das außere ~E-Feld erzeugt, das die Ladungen in denMolekulen verschiebt. In einfachster Naherung schreiben wir

~P (~r, t) = χe~E(~r, t) . (T6.12)

Die Konstante χe ist die elektrische Suszeptibilitat, und (T6.12) ist der erste Term einerTaylorentwicklung nach ~E. Hohere Terme braucht man im allgemeinen nicht zu betrachten -außer man hat es mit extremen ~E-Feldern zu tun wie sie bei hochst intensiven Lasern auftre-ten. (Solche Effekte der ’nichtlinearen Optik’ sind heute ein sehr aktuelles Forschungsgebiet).Damit erhalten wir aus Gleichungen (T6.9), (T6.12)

~D(~r, t) = ǫ ~E(~r, t) . (T6.13)

ǫ = 1 − χe

ǫ0(T6.14)

ist die Dialektrizitatskonstante des Materials. Ebenso schreiben wir

~H(~r, t) =1

µ~B(~r, t) , (T6.15)

T6 - 5

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mit der Permeabilitat µ. Empirisch stellt sich heraus, dass Gl.(T6.13) die meisten Substanzensehr gut beschreibt. Allerdings muss man sie fur Kristalle je nach Struktur etwas verallge-meinern. Die Polarisierbarkeit kann von der Richtung im Kristall abhangen. Dies wird durchden Dialektrizitatstensor ǫαβ beschrieben, und (T6.13) erhalt die Term

Dα(~r, t) =

3∑

β=1

ǫαβ Eβ(~r, t) , α = 1, 2, 3 .

Dies ist die Ursache des Phanomens der ’Doppelbrechung’. Wir werden uns hier auf isotropeSubstanzen beschranken, in denen Gl. (T6.13) gilt.

Gleichung (T6.15) ist weniger nutzlich. Es stellt sich heraus, dass fur unmagnetische Mate-rialen µ sehr nah bei µ = 1 ist, so dass die Unterscheidung zwischen ~B und ~H eigentlichuberflussig ist, wenn man nicht penibel nach speziellen Effekten sucht. Hingegen bricht furmagnetische Materialen (z.B. Eisen) die lineare Naherung (T6.15) schon fur sehr kleine ~B-Felder zusammen und man muss die volle nichtlineare Funktion ~M = ~M ( ~B) diskutieren.

Mit all diesen Komplikationen konnen wir uns hier nicht befassen. Wir werden im Weite-ren die Gleichungen (T6.11), (T6.13), (T6.15) zu Grunde legen, die viele Dielektrika (Glas,Kunststoffe) sehr gut beschreiben.

T6.2 Wellen in Dielektrika

Wir betrachten hier die homogenen makroskopischen Maxwell Gleichungen:

ρ(ext)q = 0 ,~j(ext) = 0 .

Eliminieren wir ~D und ~H in linearer Naherung (T6.13), (T6.15), so erhalten wir aus (T6.11)

div ~E = 0 , div ~B = 0

rot ~E = − ∂

∂t~B , rot ~B =

µ ǫ

c2

∂t~E .

(T6.16)

Dies sind aber die selben Gleichungen wie im Vakuum. Nur die Phasengeschwindigkeit c istdurch c/

√µ ǫ ersetzt. Man definiert den Brechungsindex

n =√

µ ǫ . (T6.17)

Dass n wirklich der Brechungsindex ist, werden wir in § 6.3 sehen.

Wir halten fest:

Im (isotropen) Dielektrikum haben elektromagnetische Wellen denselben Charakter wie im

T6 - 6

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Vakuum. Es sind transversal polarisierte Wellen. Nur die Phasengeschwindigkeit ist geandert:

c(n) =c

n. (T6.18)

Dies bedeutet auch, dass die Dispersionsrelation der ebenen Wellen abgeandert ist:

ω =c√µ ǫ

|~k | =c

n|~k | , (T6.19)

oder, mit |~k | = 2π/λ

ω =2π c

n λ. (T6.20)

Es ist klar, dass wir hier die Materie auf rein phanomenologischem Niveau behandeln. Ver-gleicht man mit dem Experiment, so sieht man, dass man die Beschreibung modifizierenmuss. Die Dielektrizitatskonstante ǫ - und damit der Brechungsindex - hangt im Allgemeinenvon der Wellenlange λ ab. Dies fuhrt auf das Phanomen der Dispersion: Wellen verschie-dener Wellenlange, d.h. mit verschiedenen |~k |, werden unterschiedlich stark gebrochen. Die’Dielektrizitatskonstante’ wird also zu einer Funktion ǫ = ǫ(k), und damit wird die Frequenzeine nichtlineare Funktion von k = |~k |

ω(k) =c k

µ ǫ (k). (T6.21)

Die Ursache dieser Komplikation ist leicht zu verstehen. Die Dielektrizitatskonstante bechreibt den gemittel-

ten Effekt der molekularen oder atomaren Dipole, die durch das außere Feld ~E erzeugt werden. Oszilliert das

Feld mit Frequenz ω, so werden auch die Dipole mit Frequenz ω oszillieren. Die Amplitude dieser Schwin-

gungen und damit das Dipolmoment wird von ω abhangen: Wenn wir dicht bei einer Eigenfrequenz des

mikroskopischen Systems sind, wird sie besonders groß, wie wir im ersten Semester gelernt haben.

Wir wollen die Konsequenzen fur die Ausbreitung eines Wellenpakets an einem einfachenBeispiel illustrieren. ~E = ~E(x, t) habe die Form

~E(x, t) =~e2√2π

E0

+∞∫

−∞

d k e− (k−k0)2/2Γk ei(k x−ω(k)t) . (T6.22)

Dies ist ein Gauß-Paket der Breite 2 Γk im k-Raum. Das Maximum liegt bei k0. Im Bereich,in dem e−(k−k0)2/2Γ wesentlich von Null verschieden ist, moge ω(|~k |) nur wenig variieren, sodass wir um k0 entwickeln durfen

ω(k) = ω(k0) + (k − k0)dω(k0)

d k0+ O (k − k0)

2 . (T6.23)

2Bemerkung: Diese Definition von Γk unterscheidet sich von der in §4.3, Beispiel B4.1 verwendeten voneinem Faktor 2. Der Grund ist, dass wir dort ~E2 betrachtet haben, hier aber ~E selbst diskutieren.

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Einsetzen in (T6.22) ergibt

~E(x, t) = ~e2

~E0√2π

+∞∫

−∞

d k exp

[

− (k − k0)2

2Γk+ i k x − i t

(

ω(k0) + (k − k0)dω(k0)

d k0

)]

= ~e2E0√2π

ei (k0 x−ω(k0)t)

·+∞∫

−∞

d k ′ exp

[

− k ′2

2Γk+ i k ′

(

x − dω(k0)

d k0t

)]

.

(Substitution k − k0 = k ′).

Mit der Notation

Γx =1

Γk. (T6.24)

ergibt das Integral3

√2π

Γxexp

(

x − dω(k0)d k0

)2

2Γx

.

Damit folgt fur das physikalische Feld ~E(phys) = Re ~E

~E (phys)(x, t) = ~e2 E0 cos (k0x − ω(k0)t) ·1√Γx

e− 1

2 Γx

x− d ω(k0)d k0

t”2

(T6.25)

Dies ist eine oszillierende Funktion, deren Amplitude mit einer Gauß-Funktion der BreiteΓx moduliert ist. Die Flachen konstanter Phase k0 x − ω(k0)t = const bewegen sich mit derPhasengeschwindigkeit

cph =ω(k0)

k0=

c√

µ ǫ(k0)=

c

n(k0). (T6.26)

Das Maximum der Amplitude liegt bei

x =dω(k0)

d k0t ,

es bewegt sich also mit der Gruppengeschwindigkeit

cgr =dω(k0)

d k0. (T6.27)

Geht man in der Taylorentwicklung (T6.23) zu hoheren Ordnungen, so sieht man, dass sichauch die Form des Wellenpaketes mit der Zeit andert.

Phasengeschwindigkeit und Gruppengeschwindigkeit stimmen nur uberein, wenn der Bre-chungsindex von der Wellenlange λ = 2π/k unabhangig ist:

n(k) = n0 = const .

3So ein Integral tauchte auch schon in Beispiel B4.1 auf.

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Dann gilt ω = cn0

k und es folgt

cgr =dω

dk=

c

n0= cph . (T6.28)

Im Allgemeinen giltcgr 6= cph . (T6.29)

und fur die Physik ist die Gruppengeschwindigkeit die wichtigere Große. Fur ein allgemeinesWellenpaket, dessen Schwerpunkt im Fourierraum bei ~ks liegt, ist sie durch

~cgr = ∇k ω (|~k |)∣∣~k=~ks

(T6.30)

definiert. Sie gibt an, wie sich der Bereich verschiebt, in dem die Amplitude ~E des Wellenpa-kets wesentlich von Null verschieden ist. Da fur die Energiedichte w gilt w ∼ ~E2, ist ~cgr dieGeschwindigkeit mit der die Energie wandert. Es ist auch die Geschwindigkeit, mit der wirInformation ubertragen konnen. Wir erhalten die in einem Wellenpaket irgendwie kodierteInformation (Radio, Fernsehen) erst, wenn das Wellenpaket bei uns angekommen ist.

Zum Abschluss betrachten wir noch die Energiedichte einer Welle im Dielektrikum. Das istsehr einfach. Wir setzen in den Maxwellgleichungen (T6.16) c2 = 1

ǫ0 µ0:

div ~E = 0 , div ~B = 0 ,

rot ~E = − ∂∂t

~B , rot ~B = ǫ0 ǫ µ0 µ∂

∂t~E ,

und wir vergleichen mit den Maxwellgleichungen im Vakuum (T4.7):

div ~E = 0 , div ~B = 0 ,

rot ~E = − ∂∂t

~B , rot ~B = ǫ0 µ0∂

∂t~E ,

Offensichtlich mussen wir in den Ergebnissen aus §T4.6, die im Vakuum gelten, nur ǫ0

durch ǫ0 ǫ und µ0 durch µ0 µ ersetzen. Aus (T4.73) erhalten wir fur die Energiedichte imDielektrikum

w(~r, t) =ǫ0 ǫ

2~E2(~r, t) +

1

2µ0 µ~B2(~r, t) . (T6.31)

(T4.74) ergibt fur die Energiestromdichte

~σ(~r, t) =1

µ0 µ~E(~r, t) × ~B(~r, t) . (T6.32)

Nach wie vor gilt die Kontinuitatsgleichung

∂tw(~r, t) + div~σ(~r, t) = 0 . (T6.33)

T6 - 9

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Die gemittelte Energiedichte w und die gemittelte Energiestromdichte einer ebenen Welleergeben sich aus (T4.77), (T4.78):

w =1

2ǫ0 ǫE2

0

~σ =1√

ǫ0 ǫ µ0 µw

~k

| ~k |=

c

nw

~k

|~k |.

(T6.34)

T6.3 Randbedingungen an den Oberflachen von Dielektrika, Reflektion,

Brechung

Wenn Licht auf eine Glasflache trifft, so wird es teilweise reflektiert, und der in das Glaseindringende Teil wird gebrochen. Im ersten Semester haben wir Reflektionsgesetz und Bre-chungsgesetz schon aus Newton’s Korpuskel-Modell des Lichtes hergeleitet. Wesentlich wardabei die Erhaltung der Energie und der Impulskomponente parallel zur Oberflache. Al-lerdings war nicht zu verstehen, wieso ein und derselbe Lichtstrahl sowohl reflektiert alsauch gebrochen wird. Jetzt wollen wir diese Phanomene im Rahmen der Elektrodynamikbehandeln. Hierzu mussen wir zunachst uberlegen, welche Bedingungen die Felder an derGrenzflache erfullen, die zwei Dielektrika trennt. Da wir am Ende der Betrachtung zu dif-ferenziell kleinen Flachenstucken ubergehen werden, konnen wir die Grenzflache als ebenbetrachten, und so orientieren, dass die Flachenormale in Richtung ~e1 zeigt.

Wir betrachten einen kleinen Quader der vonder Grenzflache geschnitten wird.4 Die Flacheδ ~f1 = − δ F ~e1 liegt im Dielektrikum 1,

Normalenvektor −~e1, δ ~F2 = δ f ~e1 liegt imDielektrikum 2, Normalenvektor +~e1. DieDicke in ~e1-Dichtung ist a. Wir integrierendie Maxwell Gleichung div ~B = 0 uber diesenQuader und verwenden den Gauß’schen Satz

0 =

Ω

d3r div ~B =

F

~df · ~B .

Wir konnen a beliebig klein wahlen. Daher fallt der Beitrag der Flachen der Breite a wegund wir erhalten ∫

δ f2

df ~e1 · ~B −∫

δ f1

df ~e1 · ~B = 0 .

Da wir δ f beliebig klein machen konnen, durfen wir ~B uber die Flachen als konstant an-nehmen. In Medium 1 sei ~B = ~B(1), in Medium 2 sei ~B = ~B(2). Es folgt

δ f(

~e1 · ~B(1) − ~e1 · ~B(2))

= 0

4Die Diskussion folgt genau den Schritten der Bestimmung der Oberflachenladung in §T2.3.

T6 - 10

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oder~e1 · ~B(1) = ~e1 · ~B(2) . (T6.35)

Die Normalkomponente von ~B ist auf der Grenzflache stetig.

Wir wenden dasselbe Argument auf die Gleichung div ~D = 1ǫ0

ρ(ext)q an und finden

δ f(

~e1 · ~D(1) − ~e1 · ~D(2))

=1

ǫ0lima→0

Ω

d3r ρ(ext)q (~r, t) .

Rechts steht jetzt die auf der Oberflache sitzende Ladung. Fur δ f → 0 erhalten wir

~e1 · ~D(1)(~r, t) − ~e2 · ~D(2)(~r, t) =1

ǫ0σ(~r, t) , (T6.36)

wobei σ(~r, t) die (Flachen-)Dichte der Oberflachenladungen ist.

Falls die Flachenladungsdichte von Null verschieden ist, ist die Normalkomponente von ~Dauf der Grenzflache unstetig.

Eine Flachenladungsdichte kann nur bei leitfahigen Dielektrika auftreten. In Isolatoren kannkeine Ladung zur Oberflache transportiert werden, σ ist Null und ~e1 · ~D ist stetig.

Weitere Randbedingungen folgen aus den Maxwell Gleichungen, die die Rotation enthalten.

Wir betrachten jetzt ein kleines Rechteck, das von derGrenzflache geteilt wird. Die Kanten der Lange b sindparallel zu ~e1. Die Kanten ~s1, ~s2 sind parallel zur Grenz-flache:

~s1 = − δ ℓ~e, ~s2 = δ ℓ~e, ~e · ~e1 = 0 .

Wir integrieren die Gleichung rot ~E = − ∂∂t

~B uber die Flache des Rechtecks und verwendenden Stokes’schen Satz

F

~df · rot ~E =

C

d~r · ~E =

F

~df · ∂

∂t~B .

∂ ~B∂t ist sicher endlich. Deshalb verschwindet fur b → 0 die rechte Seite, ebenso wie der Beitrag

der entsprechenden Kanten zum Kurvenintegral. Machen wir nun noch δ ℓ so klein, dass wirdie Variation von ~E auf den Kanten ~s1, ~s2 vernachlassigken konnen, so folgt

δ ℓ(

~e · ~E(2) − ~e · ~E(1))

= 0 ,

also~e · ~E(2) = ~e · ~E(1) .

T6 - 11

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Da ~e ein beliebiger Einheitsvektor parallel zur Oberflache ist, folgt:

Die Parallelkomponente von ~E ist auf der Grenzflache stetig.

~E(1)|| = ~E

(2)|| . (T6.37)

Fuhren wir dasselbe Argument fur die rot ~H-Gleichung durch, so erhalten wir zunachst

δ ℓ(

~e · ~H(2) − ~e · ~H(2))

= µ0 limb→0

F

~df ·~j . (T6.38)

F schneidet die Oberflache, und die Richtung von ~df d ist senkrecht zu ~e. Rechts steht alsodie Komponente senkrecht zu ~e eines Stromes, der in der Oberflache fließt. In Isolatoren ist~j ≡ 0, und wir erhalten:

Auf der Grenzflache zwischen zwei Isolatoren ist die Parallelkomponente von ~H stetig.

Ist mindestens einer der Korper leitend, so ist ~H|| unstetig. Dies ist aber nur eine grobeNaherung, anwendbar fur Substanzen mit sehr guter Leitfahigkeit. Damit im Limes b → 0ein endlicher Betrag des Integrals

F~df ·~j ubrig bleibt, muss die Stromdichte unendlich wer-

den. Bei endlicher Leitfahigkeit ist dies nicht moglich. Die Oberflachenstrome fließen immerin einer Schicht endlicher Dicke und ~H|| ist stetig. Wir werden dies in §T6.4 noch genauer

betrachten. Ubrigens spricht dieser Einwand nicht gegen die Existenz einer Oberflachenla-dung. Wir konnen Elektronen in einer auf makroskopischer Skala beliebig dunnen Schichtanhaufen.

Jetzt konnen wir uns Reflektion und Brechung zuwenden. Wir betrachten folgende Situation.

Der linke Halbraum (x < 0) sei mit Dielektrikum 1 gefullt, der rechte (x > 0) mit Dielek-trikum 2. Von links falle eine ebene Welle, Wellenvektor ~kI ein. ~kI und der Normalenvektor~e1 auf der Grenzflache x = 0 spannen die Einfallsebene auf, die wir mit der ~e3 − ~e1 Ebene(y = 0) identifizieren.

Es wird eine reflektierte Welle, Wellenvektor ~kR und eine transmittierte Welle, Wellenvektor~kT entstehen. Der Winkel zwischen −~e1 und ~kI sei ϑ1, der zwischen ~kT und ~e1 sei ϑ2, derzwischen −~e1 und ~kR sei ϑR.

T6 - 12

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Das (komplexe) ~E-Feld einer ebenen Welle im Dielektrikum mit Brechungsindex n =√

ǫµhat die Form

~E(~r, t) = ~E0 exp(

i(

~k · ~r − ωt))

,

mitω =

c

nk , k = |~k | .

Das zugehorige ~B-Feld ist

~B(~r, t) = ~B0 exp(

i(

~k · ~r − ωt))

,

mit~B0 =

1

ω~k × ~E0 . (T6.39)

Die Frequenzen aller drei Teilwellen unseres Problems mussen gleich sein; sonst konnen dieRandbedingungen - etwa ~e1 · ~B(1) = ~e1 · ~B(2) - nicht fur alle Zeiten erfullt sein. Die Wellenhaben also die Form

einlaufend:~EI = ~E

(I)0 exp

(

i(

~kI · ~r − ωt))

, kI =n1 ω

c(T6.40)

reflektiert:~ER = ~E

(R)0 exp

(

i(

~kR · ~r − ωt))

, kR =n1 ω

c(T6.41)

transmittiert:~ET = ~E

(T )0 exp

(

i(

~kT · ~r − ωt))

, kT =n2 ω

c. (T6.42)

Die zugehorigen ~B-Felder folgen aus dem Obigen.

Wir nehmen weiter an, dass beide Dielektrika Isolatoren sind, so dass weder Oberflachenla-dungen noch Oberflachenstrome auftreten.

Die Bestimmung von ~kR und ~kT ist sehr einfach. Wir werten zunachst die Randbedingung(T6.35) aus: Die Normalkomponente von ~B ist stetig

~e1 ·(

~BI(~r, t) + ~BR(~r, t))

= ~e1 · ~BT (~r, t) ,

oder~e1 ·

(

~B(I)0 ei~kI ·~rF + ~B

(R)0 ei~kR·~rF

)

= ~e1 · ~B(T )0 ei~kT ·~rF . (T6.43)

Hier ist ~rF = y ~e2 + z ~e3 ein beliebiger Vektor in der Grenzflache. Damit diese Gleichungerfullt werden kann, mussen alle Exponenten die gleiche ~rF -Abhangigkeit aufweisen. Alsomussen die zur Trennflache parallelen Komponenten aller ~k-Vektoren gleich sein.

~kI = ~k|| + ~kI,1 ~e1

~kR = ~k|| + ~kR,1 ~e1

~kT = ~k|| + ~kT,1 ~e1 .

(T6.44)

Alle ~k-Vektoren liegen in der Einfallsebene.

T6 - 13

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Außerdem gilt

~k2I =

n21 ω2

c2= ~k2

R .

Mit (T6.44) folgtk2

R,1 = k2I,1 .

Da die Welle reflektiert wird, ist nur die Losung

kR,1 = −kI,1 (T6.45)

moglich. Es folgt sofort das Reflektionsgesetz

ϑR = ϑ1 . (T6.46)

Weiter gilt

~k2|| = ~k2

I sin2 ϑ1 =n2

1 ω2

c2sin2 ϑ1 ,

aber auch

~k2|| = ~k2

I sin2 ϑ2 =n2

2 ω2

c2sin2 ϑ2 .

Es folgt das Brechungsgesetzsin ϑ1

sin ϑ2=

n2

n1. (T6.47)

Wenn Sie diese Rechnung mit der Argumentation im Korpuskelmodel vergleichen, so stellenSie fest, dass beide Herleitungen sehr ahnlich sind. Was damals der Impuls war, ist jetzt derVektor ~k, und statt der Energieerhaltung verwenden wir die Erhaltung der Frequenz ω.

Aber die Wellentheorie beschreibt sogar bei der einfachen Reflektion Effekte, die es nach derKorpuskelvorstellung gar nicht geben darf. Wir wissen, dass fur n1 > n2 das Phanomen derTotalreflektion auftritt: Gl. (T6.47) kann geschrieben werden als

sin ϑ2 =n1

n2sin ϑ1 .

Da sin ϑ2 ≤ 1, kann diese Gleichung fur sin ϑ1 > n2n1

nicht erfullt werden und es gibt keinetransmittierte Welle. In der Korpuskelvorstellung bedeutet dies, dass die Lichtteilchen aufeine Potentialbarriere stoßen, die zu hoch ist als dass sie sie uberwinden konnten. Die Dickeder Barriere ist hierbei vollig belanglos.

Betrachten wir nun diese Situation in der Wellenbeschreibung. Wir wissen

~k2T = ~k2

|| + k2T,1 =

n22 ω2

c2.

Andererseits gilt

~k2|| =

n21 ω2

c2sin2 ϑ1 =

n22 ω2

c2

( n1

n2sin ϑ1

︸ ︷︷ ︸

>1

)2> k2

T .

T6 - 14

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Dies erzwingt

k2T,1 =

n22 ω2

c2

[

1 −(

n1

n2sin ϑ1

)2]

< 0 .

Also ist kT,1 imaginar.

kT,1 =i

δ

δ−1 =n2 ω

c

√(

n1

n2sin ϑ1

)2

− 1 > 0 .

Damit hat die Ortsabhangigkeit der transmittierten Welle die Form

ET ∼ ei·~k||·~r−x/δ ∼ BT .

Auch bei Totalreflektion dringt die Welle in das reflektierende Medium ein, wird allerdingsin dem Medium exponentiell gedampft.

Stellen wir uns jetzt vor, dass das Medium 2 nur auseiner Schicht der Dicke D . δ besteht, so wird auchauf der der einfallenden Welle abgewandten Seiteder Schicht noch ein nicht zu vernachlassigendesWellenfeld existieren, das sich weiter ausbreitet. DieWelle kann also eine Barriere durchdringen. Diesist ein reiner Welleneffekt, den man auch durchausexperimentell nachweisen und nutzen kann. In derQuantenphysik wird Ihnen dies als ’Tunneleffekt’wieder begegnen.

Newton

Maxwell

Totalreflektion an einer dunnen Barriere..

Bei streifendem Einfall |ϑ1 → π2 | erhalten wir

δ =c

ω

1

n2

((n1

n2

)2

− 1

)− 12

.

Setzen wir n2 = 1 (Vakuum), ωc = 2π

λvak, so folgt

δ =λvak

(n2

1 − 1)−2

.

Fur eine Luftschicht zwischen zwei Glasschichten (n1 ≈ 1.5) folgt δ ≈ λvak7 , also fur Licht

(λvak ≈ 400 10−9 m) : δ ≈ 4710−7 m. Einen Luftspalt dieser Breite kann Licht also ’durch-

tunneln’. Ist n1 kleiner, so ist δ großer.

T6 - 15

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Anders als im Korpuskelmodell konnen wir in der Elektrodynamik die Feldamplituden unddamit die Intensitat der reflektierten und transmittierten Wellen bestimmen. Z.B. haben wirGl. (T6.43) noch gar nicht voll ausgenutzt. Mit Gl. (T6.44) konnen wir die Exponentialfunk-tionen heraus kurzen und erhalten

~e1 ·(

~B(I)0 + B

(R)0

)

= ~e1 · ~B(T )0 . (T6.48)

Auch aus den anderen Randbedingungen fallen die Exponentialfunktionen heraus, da sie jaimmer auf der Trennflache x = 0 gelten. Wir erhalten folgende Gleichungen

Stetigkeit von ~e1 · ~D = ǫ ~e1 · ~E

ǫ1~e1

(

~E(I)0 + ~E

(R)0

)

= ǫ2~e1 · ~E(T )0 . (T6.49)

Stetigkeit von ~E||

~E(I)0,|| +

~E(k)0,|| = ~E

(T )0,|| . (T6.50)

Stetigkeit von ~H|| = 1µ

~B||.

1

µ1

(

~B(I)0,|| +

~B(P )0,||

)

=1

µ2~B

(I)0,|| . (T6.51)

Zusammen mit der Beziehung zwischen ~B0 und ~E0 (T6.39), bilden (T6.48)–(T6.51) einlineares Gleichungssystem zur Berechnung der reflektierten und der transmittierten Wellebei gegebener einlaufender Welle.

Die Losung dieses Gleichungssystems ist nicht schwer, aber langlich. Das Ergebnis sind dieFresnel’schen Formeln. Wir spalten alle ~E-Vektoren auf gemaß

~E = ~E(S) + ~E(P ) . (T6.52)

~E(S) steht senkrecht auf der Einfallsebene, ~E(P ) liegt in der Einfallsebene.

Fresnel’sche Formeln

E(R,S)0

E(I,S)0

=

n1µ1

cos ϑ1 − n2µ2

cos ϑ2

n1µ1

cos ϑ1 + n2µ2

cos ϑ2(T6.53)

E(R,P )0

E(I,P )0

=

n2µ2

cos ϑ1 − n1µ1

cos ϑ2

n2µ2

cos ϑ1 + n1µ1

cos ϑ2(T6.54)

E(T,S)0

E(I,S)0

= 1 +E

(R,S)0

E(I,S)0

=2 n1

µ1cos ϑ1

n1µ1

cos ϑ1 + n2µ2

cos ϑ2(T6.55)

E(T,P )0

E(I,P )0

=2 n1

µ1cos ϑ2

n2µ2

cos ϑ1 + n1µ1

cos ϑ2. (T6.56)

Damit haben wir Reflektion und Brechung fur Isolatoren vollstandig beschrieben.

T6 - 16

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Diese Gleichungen braucht man sich nicht zu merken, aber eine Konsequenz sollte man sichklar machen. Auch wenn der einfallende Strahl unpolarisiert ist, z.B. aus vielen Wellen be-steht, deren Polarisationsrichtungen in der Ebene senkrecht zu ~kI gleich verteilt sind, so istim Allgemeinen sowohl die reflektierte als auch die durchgehende Welle teilweise polarisiert.Die Polarisationsrichtungen sind nicht mehr gleich verteilt. So hat Molus 1808 zufallig diePolarisation des Lichts entdeckt, indem er das Spiegelbild der Sonne in einem Fenster durcheinen Kalkspatkristall betrachtete, der als Polarisationsfilter wirkt. Fur einen speziellen Ein-fallswinkel ist der reflektierte Strahl sogar vollstandig senkrecht zur Einfallsebene polarisiert.Dies wollen wir jetzt noch diskutieren.

Wir suchen einen Einfallswinkel ϑ1, den ’Brewsterwinkel’, so dass E(R,P )0 = 0 ist. Setzen wir,

wie fur unmagnetische Materialien angemessen, µ1 = µ2 = 1, so erhalten wir aus (T6.54)die Bedingung

cos ϑ1 =n1

n2cos ϑ2 ,

oder

1 − sin2 ϑ1 =n2

1

n22

− n21

n22

sin2 ϑ2

Brechungsgesetz:

sin2 ϑ2 =n2

1

n22

sin2 ϑ1 .

Also erhalten wir

(n4

1

n42

− 1

)

sin2 ϑ1 =n2

1

n22

− 1 ,

oder

sin2 ϑ1 =1

n21

n22

+ 1=

n22

n21 + n2

2

< 1 . (T6.57)

Also gibt es einen solchen Winkel.

Der Brechungsindex von Luft ist n1 ≈ 1, der von normalem Glas ist n2 ≈ 1.5. Dies ergibtsin ϑ1 ≈ .83, oder ϑ1 ≈ .98 ≈ 560. Fur diesen Einfallswinkel ist also das an der GrenzflacheLuft-Glas reflektierte Licht vollstandig senkrecht zur Einfallsebene polarisiert. Der Brewster-Winkel hat noch eine andere Besonderheit. Bei diesem Einfallswinkel stehen der reflektierteund der durchgehende Strahl senkrecht aufeinander.

Wir wollen uns noch mit der Intensitat der reflektierten bzw. transmittierten Welle befassen.Ein Maß fur die Intensitat ist die zeitgemittelte Energiestromdichte. Fur eine ebene Wellegilt nach Gl. (T6.34)

~σ =c

2nǫ0 ǫ ~E2

0

~k

|~k|.

Das Verhaltnis der Intensitat der reflektierten Welle zur Intensitat der einlaufenden Welledefiniert den Reflektionskoeffizienten R. Genauer gesagt, wir mussen den auf die Trennflache,

T6 - 17

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Normalenrichtung ~nF , einfallenden Strom ~σI · ~nF mit dem reflektierten Strom ~σR · ~nF ver-

gleichen. Da nach Konstruktion die Feldkomponenten E(S)0 und E

(P )0 senkrecht aufeinander

stehen, folgt

R =

(

E(R,S)0

)2+(

E(R,P )0

)2

(

E(I,S)0

)2+(

E(I,P )0

)2 . (T6.58)

Der Faktor c2 n ǫ0 ǫ fallt heraus, da beide Wellen im gleichen Medium laufen. Das gleiche gilt

wegen Einfallswinkel = Reflektionswinkel fur die Skalarprodukte~k

|~k| · ~nF . Der Transmissi-

onskoeffizient T ist entsprechend das Verhaltnis

T =∣∣∣~σT · ~nF~σI · ~nF

∣∣∣ . (T6.59)

Ein Blick auf die Fresnel’schen Formeln zeigt, dass R und T recht kompliziert vom Einfalls-winkel abhangen werden. Immer aber muss gelten

R + T = 1 . (T6.60)

Dies ist Energieerhaltung: Der einlaufende Energiestrom teilt sich in den reflektierten undden transmittierten Strom auf.

Wir wollen den Spezialfall senkrechten Einfalls betrachten: ϑ1 → 0, ϑ2 → 0. Wir setzenwieder µ2 = µ1 = 1. Aus (T6.53), (T6.54) folgt

E(R,P )0

E(I,P )0

=n2 − n1

n2 + n1.

E(R,S)0

E(I,S)0

=n1 − n2

n1 + n2.

Setzen wir dies in (T6.58) ein, so folgt

R =

(n2 − n1

n2 + n1

)2

. (T6.61)

Um so großer der Unterschied zwischen den Brechungsindizes ist, um so starker reflektiertdie Grenzflache. R hangt nicht davon ab, ob die einfallende Welle aus dem optisch dunnerenoder aus dem optisch dichteren Medium kommt. Fur eine Fensterscheibe (n2 ≈ 1.5, n1 ≈ 1)erhalt man R = 1

25 = 0.04. Damit wird T fur eine Grenzflache T = 0.96, und fur die Scheibe0.962 ≈ 0.92. Sie lasst (bei senkrechtem Einfall) also ungefahr 92 % des Lichts durch.5

5Beachten Sie, dass n2 =p

ǫ(k)µ von der Wellenlange abhangt. n2 ≈ 1.5 gilt fur normales Tageslicht.

T6 - 18

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T6.4 Metallische Oberflachen

An den Oberflachen leitfahiger Korper konnen Oberflachenladungen und Oberflachenstromeauftreten. Um dies genauer zu studieren, betrachten wir ein Metall, das von Außen mit einerelektromagnetischen Welle bestrahlt wird. Wir nehmen zunachst an, dass die Leitfahigkeit σdes Metalls unendlich ist. Dann kann das elektrische Feld nicht eindringen. Es wurde einenunendlichen Strom erzeugen. Statt dessen verschiebt es momentan die Ladungen so, dass imInneren gilt

~E = 0 .

Ebenso wenig kann ein oszillierendes ~B-Feld eindringen. Es wurde sofort Strome anwerfen,die es nach der Lenz’schen Regel kompensieren. Also gilt im Inneren auch

~B = 0 .

Damit folgt aus den Randbedingungen (T6.37) und (T6.35): Auf der Oberflache eines idea-len Leiters verschwinden die Tangentialkonponente von ~E und die Normalkomponente eineszeitlich variierenden Feldes ~B.

Hier sollten wir stutzen. Wir wissen, dass ein zeitunabhangiges Magnetfeld ohne weiteresdurch ein (unmagnetisches) Metall hindurchgeht. Wieso soll dann ein auch nur langsam os-zillierendes Feld vollstandig abgeschirmt werden? Um dies genauer zu verstehen wollen wirdas Problem in sehr einfacher Geometrie, aber ohne die Idealisierung σ = ∞, behandeln.

Im Halbraum x < 0 sei Vakuum (ǫ = 1 = µ), der Halbraum x > 0 sei mit einer leitfahi-gen Substanz (ǫ > 1, µ = 1, σ > 0) gefullt. Aus dem Vakuum falle eine ebene Welle in~e1-Richtung ein.

~E(I)(x, t) = ~e2 E(I)0 ei (kx+ωt) ,

~B(I)(x, t) = ~e3E

(I)0

cei (kx+ωt) ,

x < 0

(T6.62)

ω = c k

Im Metall erzeugt ~E einen Strom gemaß

~j = σ ~E . (T6.63)

Damit lauten die Maxwell Gleichungen im Metall (x > 0) in allgemeiner Form (µ = 1)

div ~E = 1ǫ0 ǫ ρ

(ext)q , div ~B = 0

rot ~E = ∂∂t

~B , rot ~B =

(

µ0 σ +ǫ

c2

∂t

)

~E .

Fur unsere Geometrie vereinfachen sie sich aber erheblich. Auch im Metall wird ~E die Rich-tung ~e2 haben und nur von x und t abhangen. Die Frequenz kann sich nicht andern. Ent-sprechendes gilt fur ~B. Also machen wir den Ansatz

~E(T )(x, t) = ~e2 E(T )(x) e−i ωt

~B(T )(x, t) = ~e3 B(T )(x) e−i ωtx > 0

(T6.64)

T6 - 19

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Es folgt

div ~E(T ) =∂

∂y

(

E(T )(x) e−i ωt)

= 0 .

Also muss ρ(ext)q = 0 gelten. Was bedeutet das? Mit unserem Ansatz gilt ~j = ~e2 j(x), also

div ~j = 0. Die Elektronen werden nur in ~e2-Richtung hin- und hergeschoben, ohne das lokal

eine Netto-Ladung ρ(ext)q erzeugt wird. Influenzladungen treten nicht auf, da ~E parallel zur

Oberflache ist.

+ -

+ -

+ -+ -

+ -

+ -

+ -+ - E

lekt

rone

n,be

weg

lich

Ione

nrum

pfe,

orts

fest

..

Mit unserem Ansatz sind damit die Gleichungen div ~E = 0, div ~B = 0 erfullt. Aus rot ~E =− ∂

∂t~B ergibt sich

∇×(

~e2 E(T )(x))

=

(

~e1∂

∂x

)

×(

~e2 E(T )(x))

= i ω ~e3 B(T )(x) ,

also

∂xE(T )(x) = i ω B(T )(x) . (T6.65)

Die letzte Gleichung ergibt

(

~e1∂

∂x

)

×(

~e3 B(T )(x))

︸ ︷︷ ︸

−~e2∂

∂xB(T )(x)

=(

µ0 σ − i ωǫ

c2

)

~e2 E(T )(x) .

Wir schreiben das als

∂xB(T )(x) = i

ω

c2ǫ(ω)E(T )(x) , (T6.66)

mit

ǫ(ω) = ǫ + iµ0 c2 σ

ω= ǫ + i

σ

ǫ0 ω. (T6.67)

ǫ(ω) ist die komplexe Dielektrizitatskonstante des Metalls. Ihr Realteil ist die ubliche reelleDielektrizitatskonstante ǫ, ihr Imaginarteil beschreibt die endliche Leitfahigkeit.

T6 - 20

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Die Gleichungen (T6.65), (T6.66) sind leicht zu losen. Wir differenzieren (T6.66) nach x,verwenden (T6.65), und erhalten eine Gleichung fur B(T ).

∂2

∂x2B(T )(x) = i

ω

c2ǫ(ω)

∂xE(T )(x) = − ω2

c2ǫ(ω)B(T )(x) . (T6.68)

Die allgemeine Losung ist

B(T )(x) = a ei ω

c

√ǫ (ω)x + b e−i ω

c

√ǫ (ω)x .

Nun gilt Re ω(ǫ) = ǫ > 0, Im ǫ(ω) = σǫ0 ω > 0, d.h. ǫ(ω) liegt im ersten Quadranten der

komplexen Ebene. Damit liegt auch√

ǫ (ω) im ersten Quadranten, also Im√

ǫ (ω) > 0.

Damit fallt ei ω

c

√ǫ (ω)x mit wachsendem x exponentiell, wahrend e− i ω

c

√ǫ (ω)x

exponentiellwachst. Die physikalisch sinnvolle Randbedingung ist

limx→∞

B(T )(x) = 0 .

Wir erhalten also

B(T )(x) = a ei ω

c

√ǫ(|ω)x . (T6.69)

E(T )(x) folgt aus Gl. (T6.66):

E(T )(x) = −ic2

ω

1

ǫ (ω)

∂xB(T )(x) (T6.70)

=c

ǫ (ω)a ei ω

c

√ǫ (ω)x .

Damit haben wir das Verhalten der Felder im Metall.

B(T )(x) ∼ ei k(T )x−x/δ ∼ E(T )(x) , (T6.71)

mit

k(T ) =ω

cRe

ǫ (ω),1

δ=

ω

cIm√

ǫ (ω) . (T6.72)

Dies sind gedampfte Wellen. δ ist die Eindringtiefe.

Zur vollstandigen Losung des Problems mussen wir noch die Amplitude a aus den Randbe-dingungen an der Oberflache bestimmen. Im Halbraum x < 0 gibt es außer der einfallendenWelle (T6.62) noch die reflektierte Welle

~E(R)(x, t) = ~e2 E(R)0 e−i(kx+ωt)

~B(R)(x, t) =1

c(−~e1) × ~e2 E

(R)0 e−i(kx+ωt)

= − ~e3E

(R)0

ce−i(kx+ωt)

(T6.73)

T6 - 21

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Auf der Grenzflache x = 0 ist ~e2 · ~E stetig. Also gilt

E(I)0 + E

(R)0 = a

c√

ǫ (ω). (T6.74)

Da σ endlich ist, gibt es keine Oberflachenstrome. Also ist auch die Komponente von ~H =1µ

~B parallel zur Oberflache stetig, und wegen µ = 1 folgt, dass ~e3 · ~B stetig ist.

E(I)0

c− E

(R)0

c= a . (T6.75)

Es folgt sofort

2E(I)0 = a c

(

1 +1

ǫ (ω)

)

,

oder

a =2

c

ǫ (ω)

1 +√

ǫ (ω)E

(I)0 (T6.76)

E(R)0 = − E

(I)0 +

2

1 +√

ǫ (ω)E

(I)0 . (T6.77)

Wir diskutieren jetzt dieses Ergebnis unter der Annahme

σ

ǫ ǫ0 ω≫ 1 .

Fur Kupfer und andere gut leitende Metalle ist σǫ ǫ0

von der Großenordnung 1017 Herz. Also

gilt diese Annahme bis zu sehr hohen Frequenzen, (Licht ∼ 1015 Herz).6 Damit konnen wirunsere Ergebnisse vereinfachen

ǫ (ω) =√

i

√σ

ǫ0 ω

1 − iǫ ǫ0 ω

σ

≈√

i

√σ

ǫ0 ω

=1√2

(1 + i)

√σ

ǫ0 ω. (T6.78)

Aus (T6.73) folgt

1

δ=

1√2

ω

c

√σ

ǫ0 ω=

1√2 c

√σω

ǫ0= kT .

6Lichtwellenlange ∼ 400 10−9 m. Fur wesentlich hohere Frequenzen, Wellenlangen ∼ 10−9 m bricht diemakroskopische Theorie zusammen, da die Wellenlange in die Großenordnung der atomaren Abstande kommt.

T6 - 22

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(T6.77) ergibt

a =2

c

(

1 +1

ǫ (ω)

)−1

E(I)0 ≈ 2

cE

(I)0 .

Weiter folgt

E(R)0 ≈ −E

(I)0 +

2√

ǫ (ω)E

(I)0

E(T )(x) ≈ 2E(I)0

ǫ (ω)ei x/δ−x/δ

B(T )(x) ≈ 2

cE

(I)0 ei x/δ−x/δ .

(T6.79)

Betrachten wir zunachst den Fall eines idealen Leiters: σ → ∞. Fur ω 6= 0 gilt dann

limσ→∞

δ = limσ→∞

√2 c

√σωǫ0

= 0

limσ→∞

(√

ǫ (ω))

= ∞ .

Also dringen die Felder nicht in das Metall ein:

limσ→∞

E(T )(x) = 0 = limσ→∞

B(T )(x) .

Dies bestatigt unsere Uberlegungen zu den idealisierten Randbedingungen vom Beginn diesesAbschnitts. Weiter folgt

E(R)0 = −E

(I)0 .

Die Grenzflache ist ein idealer Spiegel, Reflektionskoeffizient R = 1.Wie andern sich diese Ergebnisse im realen Fall σ < ∞? Jetzt hangt das Verhalten sehrstark von der Frequenz ab. Betrachten wir zunachst den Limes ω → 0. Dann gilt

1

δ→ 0 , | ǫ (ω) | → ∞ .

Mit (T6.79) ergibt dies

E(R)0 + E

(I)0 = 0

E(T )(x) = 0

B(T )(x) =2

cEI

0 = const .

Auf der Oberflache und im Leiter verschwindet das elektrische Feld und das Magnetfeld gehtglatt durch. Wir haben das Verhalten der Felder gemaß Elektrostatik und Magnetostatikwiedergefunden.

T6 - 23

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Jetzt betrachten wir einen Zwischenbereich von Frequenzen, fur den gilt

∣∣√

ǫ (ω)∣∣ ≈

√σ

ǫ0 ω≫ 1 , endlich,

δ =1√2

ω

c

√σ

ǫ0 ωsehr viel kleiner als makroskopische Abmessungen .

Dann dringen die Felder in das Metall ein und werden dort exponentiell gedampft. DieAmplitude von E(T )(x) ist sehr viel kleiner als die von cB(T )(x).

1 2 3 4

0

0.5

1

1.5

2

Bild = Platzhalter

In diesem Fall konnen wir wieder naherungsweise einfache Randbedingungen annehmen: DaE(T ) praktisch verschwindet, konnen wir die Tangentialkomponente von ~E auf der Oberflachegleich Null setzen. Da die Strom fuhrende Schicht ∼ δ sehr dunn ist, konnen wir sagen,dass die Tangentialkomponente von ~H = ~B springt, um einen Betrag, der durch einenOberflachenstrom gegeben ist.

Schließlich sehen wir auch, dass die reflektierte Welle eine etwas kleinere Amplitude hat alsdie einfallende Welle. Der Reflektionskoeffizient ist

R =

(

Re E(R)0

)2

(EI

0

)2 ≈(

1 − Re2

ǫ (ω)

)2

≈ 1 − 4√

2

√ǫ0 ω

σ,

(E(I)0 ǫ R angenommen). Also hangt der Reflektionskoeffizient eines Metalls direkt mit seiner

Leitfahigkeit zusammen. Weil Silber eine hohe Leitfahigkeit hat, versilbert man Spiegel.Die Differenz zwischen der einfallenden Intensitat und der reflektierten Intensitat wird imMetall absorbiert, d.h. durch den Ohm’schen Widerstand der in der Oberflachenschicht∼ δ fließenden Strome in Warme verwandelt. Zum Schluss sei noch erwahnt, dass der hierdiskutierte Effekt den Namen ’Skin Effekt’ tragt: Die Strome fließen in einer dunnen ’Haut’des Metalls. δ ist die ’Skin-Dicke’.

T6 - 24