Tagesspiegel Sonderseite 2 zum KulturInvest Kongress

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Oliver Scheytt, seit 18 Jahren sind Sie Präsi- dent der Kulturpolitischen Gesellschaft und waren Geschäftsführer des Kultur- hauptstadtjahres „Ruhr 2010“. Neben der öffentlichen Kulturfinanzierung, die in Deutschland bei rund 8,5 Milliarden Euro pro Jahr liegt, gehen immer mehr Kulturan- bieter Partnerschaften mit Wirtschaftsun- ternehmen ein. Wie müssen die Rahmenbe- dingungen aussehen, um die unternehmeri- sche Kulturförderung zu stimulieren? Glücklicherweise hat sich im Umgang zwi- schen Kulturinstitutionen und Wirt- schaftsunternehmen „Entspannung“ und „Professionalität“ eingestellt. Mittler- weile ist allen Beteiligten klar, dass es beim Kultursponsoring um ein „Geschäft“ geht, das der „Ökonomie der Aufmerksam- keit“ folgt und den Imagetransfer zum Ge- genstand hat. Kultureinrichtungen sind in der Lage Bühnen zu bauen, von denen an- dere nur träumen können. Das macht sie attraktiv für derartige Geschäfte und des- sen sollten sie sich auch bewusst sein. Wie bei guten Partnerschaften üblich, sollten sich die Beteiligten gut verständigen kön- nen. Daher sollte insgesamt ein „sponso- renfreundliches Klima“ geschaffen wer- den, in dem die Kultureinrichtung auch das Recht (und manchmal sogar die Pflicht) hat, „Nein“ zu einem unpassen- den Angebot zu sagen. Politik darf ihrer- seits die Zusage von Sponsorenmitteln nicht zum Anlass nehmen, sich aus der Verantwortung zu verabschieden. Viele Kulturanbieter sind durch die Öffent- liche Hand „fehlbetragsfinanziert“ und müssen die mühevoll erwirtschafteten Be- träge oft abgeben. Wäre es nicht zeitgemäß, aus der „Fehlbetragsfinanzierung“ eine „Festbetragsfinanzierung“ zu machen? Dies ist eine Forderung, die seit Jahrzehn- ten gestellt wird. Manchmal frage ich mich, ob ich noch erleben werde, dass das Zuwendungsrecht an diesem Punkt geändert wird. Gerade für die privaten Kulturinitiativen, die hier betroffen sind, wäre das eine konstitutive Hilfe. Sind marktorientierte Begriffe wie Kultur- marke, Kulturanbieter und Kulturinvestor Belege für die Existenz eines Kulturmark- tes zwischen Kultur und Wirtschaft, in dem Marktmechanismen wie Angebot und Nachfrage wirken? Wie wird sich dieser Kulturmarkt bis 2025 entwickeln? Kunst und Kultur haben immer schon ei- nen Doppelcharakter gehabt, auch zu Zei- ten von Shakespeare, Bach oder van Gogh. Einerseits handelt es sich um ein „öffentliches Gut“ andererseits um ein „kommerzielles Produkt“. Wir sollten in- des unbedingt acht darauf geben, dass in dem sich verbreitenden „mentalen Kapi- talismus“ Kunst und Kultur nicht immer mehr zur reinen Ware verkommen. Die digitale Kommunikation wird zuneh- mend von wenigen Monopolisten be- herrscht, die ihren Profit damit machen, dass kreative Leistungen, vor allem Bil- der, Filme und Musik, als „Digitalisat“ ubiquitär verfügbar sind, aber vorrangig über die Kanäle verbreitet werden, die von diesen beherrschenden Internet-Fir- men angeboten werden. Es kann dabei nicht um Protektionismus gehen, im Übri- gen ist der Zug der globalen Regulierung angesichts der digitalen Freiheiten längst abgefahren. Vielmehr sollten wir sensi- bel dafür sein, dass unsere kulturelle Iden- tität und das kreative Potenzial gestärkt werden und wir diese nicht dem „Freihan- del“ überlassen. Umso wichtiger ist da- her die Förderung der „analogen“, unmit- telbar erlebbaren Kunst und Kultur auch als Gegengewicht zu den virtuellen Wel- ten. Wenn Kulturmarken darauf setzen, können sie dauerhaft Stärke entwickeln. — Die Fragen stellte Hans-Conrad Walter. Oliver Scheytt, gebo- ren 1958 in Köln, ist studierter Jurist. Als langjähriger Kultur- dezernent der Stadt Essen beförderte er den Strukturwandel. Sein Motto: „Fördern, was es schwer hat.“ Ein jeder freut sich über ein reiches kultu- relles Angebot. Ob Ausstellung, Oper oder Konzert, Kultur inspiriert die Men- schen weltweit und ist unersetzlich. Die Frage ist nur, wer den Spaß finanziert. Ne- ben staatlicher Förderung spielen wirt- schaftliche Unternehmen eine immer wichtigere Rolle. Thomas Girst ist Leiter der Kulturkommunikation bei der BMW Group. Seit 40 Jahren betreibt der Auto- mobilhersteller weltweit Kunst- und Kul- turförderung und wird darum mit 3000 Förderanfragen pro Jahr überschüttet. Wie trifft man da eine Wahl? Thomas Girst macht deutlich, dass eine Strategie das Wichtigste ist: Zuerst muss das Unter- nehmen sich darüber im Klaren sein, was es fördern will. Grundsätzlich werden bei BMW keine Einzelkünstler oder Einzelprojekte wie Ausstellungen unterstützt, sondern nur Formate. So zum Beispiel das „Oper für alle“-Event in München. Seit 1997 begeis- tert die kostenlose Aufführung unter freiem Himmel jährlich 20 000 Besu- cher. Seit 2007 gibt es das Format als „Staatsoper für alle“ auch in Berlin, in London als „BMW LSO Open Air Clas- sics“ seit 2012. In beiden Fällen ging BMW auf die Staatsoper beziehungsweise das London Symphony Orchestra zu. Für Thomas Girst geht es bei diesen Konzerten um zwei Dinge. Einerseits soll „die Hemmschwelle vor der Hochkultur genommen werden“. Andererseits will BMW „als erfolgreiches Unternehmen et- was an die Gesellschaft zurückgeben“. Was aber ist der Nutzen für BMW? In Deutschland wird Sponsoring oft kritisch gesehen, weil viele eine Einschränkung der Freiheit der Kunst befürchten. In ang- loamerikanischen Ländern sei dies ganz anders, man sei sogar „stolz auf solche Art von Partnerschaften“, sagt Girst. Es wird klar, dass es bei Kulturförderung um Wech- selseitigkeit geht. Die Partnerschaft mit re- nommierten Kulturinstitutionen führt zu einem positiven Imagetransfer für BMW. Girst glaubt aber, dass dieser auch anders- herum funktioniert. Eine Förderung von BMW kann dazu führen, dass sich andere Unternehmen anschließen, wie jüngst bei der Kochi-Muziris-Biennale in Indien. Der Förderer darf dem Geförderten dabei nicht die Show stehlen: „Bei kulturellem Engagement sollte sich niemals etwas zwischen den Betrachter und das Bild stellen. Natürlich wollen wir wahrgenom- men werden, aber hier greift einer unse- rer Leitsätze: Die Subtilität des Auftritts zeugt von der Souveränität des fördern- den Unternehmens." Über konkrete Fördersummen schwei- gen sich Sponsoren gerne aus. Auch Girst bleibt da zurückhaltend. Er betont, die In- halte seien entscheidend, nicht die Summe. Er verrät dann aber doch, dass es sich um einen Wert im unteren zweistelli- gen Millionenbereich handelt. Genug, um viele weitere innovative Kulturprojekte ins Leben zu rufen. Pauline Pieper Seit unvordenklichen Zeiten streitet das politische Frankreich über die Dezentrali- sierung. Seit der Jahrhundertwende 2000 gibt es zumindest Schritte in diese Rich- tung. Paris, die Kapitale eines durch und durch zentralisierten Staates, muss in je- dem Fall abgeben, und das fällt der classe politique stets und überall schwer. Erstaunlicherweise funktioniert es aber im Bereich der Museen. Selbstbe- wusste Provinzhauptstädte wie Lille im Norden und Toulouse im Südwesten keh- ren längst ihre eigenen Schätze hervor, renovieren ihre Stadtmuseen und konkur- rieren um große Ausstellungen. Doch auch Paris gibt ab. Und zwar ausgerech- net bei zwei der besucherstärksten Ein- richtungen, dem Louvre und seinem zeit- genössischen Gegenstück, dem Centre Pompidou. Und schließlich ist sogar ein komplettes Museum aus Paris abgewan- dert und hat einen neuen, attraktiven Standort bezogen. Den Anfang machte das Centre Pompi- dou, die große „Kulturmaschine“ im Zen- trum von Paris. Allmählich reifte der Ge- danke eines Ablegers in der Provinz. Den Zuschlag erhielt die Stadt Metz und mit ihr die Region Elsass-Lothringen, die denn auch für die 70 Millionen Euro Bau- kosten der Dependance aufkam, ebenso wie für 10 Millionen Euro jährlichem Be- triebshaushalt. Den Architekturwettbe- werb gewann der Japaner Shigeru Ban, der seit seinem legendären Japan-Pavil- lon bei der Expo Hannover 2000, gefer- tigt aus Papprollen, als einer der Vorrei- ter einer eher mobilen, temporären Archi- tektur gilt, passend zur Flüchtigkeit des Internet-Zeitalters. In Metz entwarf er gemeinsam mit sei- nen französischen Kontaktarchitekten Jean de Gastines und Philip Gumuchdjian eine Art Zeitstruktur, ein weißes Teflon- dach in 37 Meter Höhe, auf vier sich wie Bäume verzweigenden Holzstützen ru- hend. Darunter der eigentliche Museums- bau, der rückwärtig von einem massiven Verwaltungstrakt gegen die Stadtbrache abgeschirmt wird, auf der, jenseits des wilhelminischen Hauptbahnhofs, allmäh- lich ein neuer Stadtteil heranwächst. Vor allem die hervorragenden Sonderausstel- lungen machen bislang den Ruf des Cen- tre Pompidou Metz aus. Ähnlich verhält es sich im nordfranzösi- schen Kohlenrevier von Lens unweit der strahlenden „Lille Métropole“. Lens ist seit Jahrzehnten im Abstieg. Und doch er- hielt gerade diese arg gebeutelte Indus- triestadt den Zuschlag für den Louvre-Ab- leger, der seit der Eröffnung Ende 2012 als „Louvre Lens“ leicht von den Lippen geht. Auch hier gingen japanische Archi- tekten siegreich aus dem Wettbewerb her- vor: das Büro Sanaa (Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa), das unter anderem für das New Museum in New York verant- wortlich zeichnet. Sanaa ließ für rund 150 Millionen Euro aus Töpfen der Re- gion, der Kommune und notabene der EU einen flachen Riegel über den ausge- kohlten und wenig tragfähigen Boden hin- strecken, der einen Sammlungs- und ei- nen Ausstellungsteil beiderseits des Foy- ers umfasst. Der Louvre gab – bislang zu- mindest – hochkarätige Werke für jeweils ein Jahr in den Norden, und so verwun- dert nicht, dass die Prognose von immer- hin 700 000 Jahresbesuchern sofort um die Hälfte übertroffen wurde und wird. Mit dem Musée des Civilisations de l’Europe et de la Méditerranée (Mucem) schließlich erhielt Marseille zu seinem Kulturhauptstadtjahr 2013 ein gänzlich eigenständiges Museum, das erste Natio- nalmuseum außerhalb von Paris. 190 Mil- lionen Euro kostete der Würfelbau des französischen Architekten Rudy Ricciotti am Hafen, der die Sammlung des 1937 gegründeten Museums für Volkskunde in Paris komplett aufnimmt. Das Pariser Stammhaus war gewissermaßen aus der Zeit gefallen und gegenüber den zugkräf- tigen Häusern, etwa dem Musée du Quai Branly, hoffnungslos ins Hintertreffen ge- raten. In Marseille, diesem Schmelztiegel der Völker und Kulturen, ist die Samm- lung dank kluger Themenausstellungen zu neuer Wirkung gelangt – und hat der Stadt Marseille mit dem völlig neu ge- schaffenen Areal an der Spitze des alten Hafens ein neues Ziel, einen neuen urba- nen Akzent beschert. Drei Beispiele für gelungene Dezentra- lisierung, die zudem das hartnäckige Vor- urteil glänzend widerlegen, in der Pro- vinz könne man mit Kultur keinen Hund hinter dem Ofen hervorlocken. Das Ge- genteil trifft zu. Das Potenzial der franzö- sischen Provinz mit all ihrer Vielfalt ist bei Weitem nicht ausgereizt. Foto: Vincent Schlenner Lob des Live-Erlebnisses Interview mit dem Kulturvordenker Oliver Scheytt Potenzial in der Provinz Pariser Museen bilden Ableger in anderen Städten – und verzeichnen enormes Besucherinteresse Glanzstück der Region. Das Centre Pompidou in Metz ist ein Beispiel für erfolgreiche Regionalisierung in Frankreich. Foto: Rolf Brockschmidt Platzkonzert. 42 000 Besucher erlebten am 1. Juni 2014 bei bestem Wetter das „Staatsoper für alle“-Event auf dem Bebelplatz. Foto: BMW Group Begegnungen auf Augenhöhe Warum fördert der Autohersteller BMW kulturelle Aktivitäten? KULTURINVEST-KONGRESS Wirtschaft und Kultur treffen sich im Tagesspiegelhaus am 30. und 31. Oktober 2014 28 DER TAGESSPIEGEL NR. 22 191 / SONNABEND, 11. OKTOBER 2014 SONDERTHEMA Von Bernhard Schulz Sparkassen. Gut für Deutschland. Sparkassen-Finanzgruppe Sparkassen fördern Kunst und Kultur in allen Regionen Deutschlands. Kunst und Kultur setzen schöpferische Kräfte frei, öffnen Geist und Sinne für Überliefertes und Ungewöhnliches. Mit jährlichen Zuwendungen von www.gut-fuer-deutschland.de Wann ist ein Geldinstitut gut für Deutschland? Wenn sein Engagement für die Kultur so vielfältig ist, wie das Land selbst. Wir unterstützen den KulturInvest Kongress 2014

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Tagesspiegel Seite 2 Sonderthema Kulturinvest Kongress 2014 am 30. und 31. Oktober 2014

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Oliver Scheytt, seit 18 Jahren sind Sie Präsi-dent der Kulturpolitischen Gesellschaftund waren Geschäftsführer des Kultur-hauptstadtjahres „Ruhr 2010“. Neben deröffentlichen Kulturfinanzierung, die inDeutschland bei rund 8,5 Milliarden Europro Jahr liegt, gehen immer mehr Kulturan-bieter Partnerschaften mit Wirtschaftsun-ternehmen ein. Wie müssen die Rahmenbe-dingungen aussehen, um die unternehmeri-sche Kulturförderung zu stimulieren?GlücklicherweisehatsichimUmgangzwi-schen Kulturinstitutionen und Wirt-schaftsunternehmen „Entspannung“ und„Professionalität“ eingestellt. Mittler-weile ist allen Beteiligten klar, dass esbeimKultursponsoringumein„Geschäft“geht,dasder„ÖkonomiederAufmerksam-keit“ folgt undden Imagetransfer zumGe-genstand hat. Kultureinrichtungen sind inder Lage Bühnen zu bauen, von denen an-dere nur träumen können. Das macht sieattraktiv für derartige Geschäfte und des-sensolltensiesichauchbewusstsein.Wiebei guten Partnerschaften üblich, solltensich die Beteiligten gut verständigen kön-nen. Daher sollte insgesamt ein „sponso-renfreundliches Klima“ geschaffen wer-den, in dem die Kultureinrichtung auchdas Recht (und manchmal sogar diePflicht) hat, „Nein“ zu einem unpassen-den Angebot zu sagen. Politik darf ihrer-seits die Zusage von Sponsorenmittelnnicht zum Anlass nehmen, sich aus derVerantwortung zu verabschieden.

Viele Kulturanbieter sind durch die Öffent-liche Hand „fehlbetragsfinanziert“ undmüssen die mühevoll erwirtschafteten Be-trägeoftabgeben.Wäreesnichtzeitgemäß,aus der „Fehlbetragsfinanzierung“ eine„Festbetragsfinanzierung“ zu machen?Dies ist eine Forderung, die seit Jahrzehn-ten gestellt wird. Manchmal frage ichmich, ob ich noch erleben werde, dassdas Zuwendungsrecht an diesem Punktgeändert wird. Gerade für die privatenKulturinitiativen, die hier betroffen sind,wäre das eine konstitutive Hilfe.

Sind marktorientierte Begriffe wie Kultur-marke, Kulturanbieter und Kulturinvestor

Belege für die Existenz eines Kulturmark-tes zwischen Kultur und Wirtschaft, indem Marktmechanismen wie Angebot undNachfrage wirken? Wie wird sich dieserKulturmarkt bis 2025 entwickeln?

Kunst und Kultur haben immer schon ei-nen Doppelcharakter gehabt, auch zu Zei-ten von Shakespeare, Bach oder vanGogh. Einerseits handelt es sich um ein„öffentliches Gut“ andererseits um ein„kommerzielles Produkt“. Wir sollten in-des unbedingt acht darauf geben, dass indem sich verbreitenden „mentalen Kapi-talismus“ Kunst und Kultur nicht immermehr zur reinen Ware verkommen. Diedigitale Kommunikation wird zuneh-

mend von wenigen Monopolisten be-herrscht, die ihren Profit damit machen,dass kreative Leistungen, vor allem Bil-der, Filme und Musik, als „Digitalisat“ubiquitär verfügbar sind, aber vorrangigüber die Kanäle verbreitet werden, dievon diesen beherrschenden Internet-Fir-men angeboten werden. Es kann dabeinicht um Protektionismus gehen, im Übri-gen ist der Zug der globalen Regulierungangesichts der digitalen Freiheiten längstabgefahren. Vielmehr sollten wir sensi-bel dafür sein, dass unsere kulturelle Iden-tität und das kreative Potenzial gestärktwerden und wir diese nicht dem „Freihan-del“ überlassen. Umso wichtiger ist da-her die Förderung der „analogen“, unmit-telbar erlebbaren Kunst und Kultur auchals Gegengewicht zu den virtuellen Wel-ten. Wenn Kulturmarken darauf setzen,können sie dauerhaft Stärke entwickeln.

— Die Fragen stellte Hans-Conrad Walter.

Oliver Scheytt, gebo-ren 1958 in Köln, iststudierter Jurist. Alslangjähriger Kultur-dezernent der StadtEssen beförderte erden Strukturwandel.Sein Motto: „Fördern,was es schwer hat.“

Ein jeder freut sich über ein reiches kultu-relles Angebot. Ob Ausstellung, Operoder Konzert, Kultur inspiriert die Men-schen weltweit und ist unersetzlich. DieFrage ist nur, wer den Spaß finanziert. Ne-ben staatlicher Förderung spielen wirt-schaftliche Unternehmen eine immerwichtigere Rolle. Thomas Girst ist Leiterder Kulturkommunikation bei der BMWGroup. Seit 40 Jahren betreibt der Auto-mobilhersteller weltweit Kunst- und Kul-turförderung und wird darum mit 3000Förderanfragen pro Jahr überschüttet.Wie trifft man da eine Wahl? ThomasGirst macht deutlich, dass eine Strategiedas Wichtigste ist: Zuerst muss das Unter-nehmen sich darüber im Klaren sein, wases fördern will.

Grundsätzlich werden bei BMW keineEinzelkünstler oder Einzelprojekte wieAusstellungen unterstützt, sondern nurFormate. So zum Beispiel das „Oper füralle“-Event in München. Seit 1997 begeis-tert die kostenlose Aufführung unterfreiem Himmel jährlich 20 000 Besu-cher. Seit 2007 gibt es das Format als„Staatsoper für alle“ auch in Berlin, inLondon als „BMW LSO Open Air Clas-sics“ seit 2012. In beiden Fällen gingBMWaufdieStaatsoperbeziehungsweisedas London Symphony Orchestra zu.

Für Thomas Girst geht es bei diesenKonzerten um zwei Dinge. Einerseits soll„die Hemmschwelle vor der Hochkulturgenommen werden“. Andererseits willBMW „als erfolgreiches Unternehmen et-was an die Gesellschaft zurückgeben“.

Was aber ist der Nutzen für BMW? InDeutschland wird Sponsoring oft kritischgesehen, weil viele eine Einschränkungder Freiheit der Kunst befürchten. In ang-loamerikanischen Ländern sei dies ganzanders,man sei sogar „stolzauf solche Artvon Partnerschaften“, sagt Girst. Es wirdklar,dassesbeiKulturförderungumWech-selseitigkeitgeht.DiePartnerschaftmitre-nommierten Kulturinstitutionen führt zueinem positiven Imagetransfer für BMW.Girstglaubt aber,dassdieserauch anders-herum funktioniert. Eine Förderung vonBMW kann dazu führen, dass sich andereUnternehmen anschließen, wie jüngstbeider Kochi-Muziris-Biennale in Indien.Der Förderer darf dem Geförderten dabei

nicht die Show stehlen: „Bei kulturellemEngagement sollte sich niemals etwaszwischen den Betrachter und das Bildstellen. Natürlich wollen wir wahrgenom-men werden, aber hier greift einer unse-rer Leitsätze: Die Subtilität des Auftrittszeugt von der Souveränität des fördern-den Unternehmens."

Über konkrete Fördersummen schwei-gen sich Sponsoren gerne aus. Auch Girstbleibt da zurückhaltend. Er betont, die In-halte seien entscheidend, nicht dieSumme. Er verrät dann aber doch, dass essich um einen Wert im unteren zweistelli-genMillionenbereich handelt.Genug, umviele weitere innovative Kulturprojekteins Leben zu rufen. Pauline Pieper

Seit unvordenklichen Zeiten streitet daspolitische Frankreich über die Dezentrali-sierung. Seit der Jahrhundertwende 2000gibt es zumindest Schritte in diese Rich-tung. Paris, die Kapitale eines durch unddurch zentralisierten Staates, muss in je-dem Fall abgeben, und das fällt der classepolitique stets und überall schwer.

Erstaunlicherweise funktioniert esaber im Bereich der Museen. Selbstbe-wusste Provinzhauptstädte wie Lille imNorden und Toulouse im Südwesten keh-ren längst ihre eigenen Schätze hervor,renovieren ihre Stadtmuseen und konkur-rieren um große Ausstellungen. Dochauch Paris gibt ab. Und zwar ausgerech-net bei zwei der besucherstärksten Ein-richtungen, dem Louvre und seinem zeit-genössischen Gegenstück, dem CentrePompidou. Und schließlich ist sogar einkomplettes Museum aus Paris abgewan-dert und hat einen neuen, attraktivenStandort bezogen.

Den Anfang machte das Centre Pompi-dou, die große „Kulturmaschine“ im Zen-trum von Paris. Allmählich reifte der Ge-danke eines Ablegers in der Provinz. DenZuschlag erhielt die Stadt Metz und mitihr die Region Elsass-Lothringen, diedenn auch für die 70 Millionen Euro Bau-kosten der Dependance aufkam, ebensowie für 10 Millionen Euro jährlichem Be-triebshaushalt. Den Architekturwettbe-werb gewann der Japaner Shigeru Ban,der seit seinem legendären Japan-Pavil-lon bei der Expo Hannover 2000, gefer-tigt aus Papprollen, als einer der Vorrei-ter einer eher mobilen, temporären Archi-tektur gilt, passend zur Flüchtigkeit desInternet-Zeitalters.

In Metz entwarf er gemeinsam mit sei-nen französischen KontaktarchitektenJean de Gastines und Philip Gumuchdjianeine Art Zeitstruktur, ein weißes Teflon-dach in 37 Meter Höhe, auf vier sich wieBäume verzweigenden Holzstützen ru-hend. Darunter der eigentliche Museums-bau, der rückwärtig von einem massivenVerwaltungstrakt gegen die Stadtbrache

abgeschirmt wird, auf der, jenseits deswilhelminischen Hauptbahnhofs, allmäh-lich ein neuer Stadtteil heranwächst. Vorallem die hervorragenden Sonderausstel-lungen machen bislang den Ruf des Cen-tre Pompidou Metz aus.

Ähnlich verhält es sich im nordfranzösi-schen Kohlenrevier von Lens unweit derstrahlenden „Lille Métropole“. Lens istseit Jahrzehnten im Abstieg. Und doch er-hielt gerade diese arg gebeutelte Indus-triestadt den Zuschlag für den Louvre-Ab-leger, der seit der Eröffnung Ende 2012als „Louvre Lens“ leicht von den Lippengeht. Auch hier gingen japanische Archi-tekten siegreich aus dem Wettbewerb her-vor: das Büro Sanaa (Kazuyo Sejima undRyue Nishizawa), das unter anderem fürdas New Museum in New York verant-wortlich zeichnet. Sanaa ließ für rund150 Millionen Euro aus Töpfen der Re-

gion, der Kommune und notabene derEU einen flachen Riegel über den ausge-kohlten und wenig tragfähigen Boden hin-strecken, der einen Sammlungs- und ei-nen Ausstellungsteil beiderseits des Foy-ers umfasst. Der Louvre gab – bislang zu-mindest – hochkarätige Werke für jeweilsein Jahr in den Norden, und so verwun-dert nicht, dass die Prognose von immer-hin 700 000 Jahresbesuchern sofort umdie Hälfte übertroffen wurde und wird.

Mit dem Musée des Civilisations del’Europe et de la Méditerranée (Mucem)schließlich erhielt Marseille zu seinemKulturhauptstadtjahr 2013 ein gänzlicheigenständiges Museum, das erste Natio-nalmuseum außerhalb von Paris. 190 Mil-lionen Euro kostete der Würfelbau desfranzösischen Architekten Rudy Ricciottiam Hafen, der die Sammlung des 1937gegründeten Museums für Volkskunde in

Paris komplett aufnimmt. Das PariserStammhaus war gewissermaßen aus derZeit gefallen und gegenüber den zugkräf-tigen Häusern, etwa dem Musée du QuaiBranly, hoffnungslos ins Hintertreffen ge-raten. In Marseille, diesem Schmelztiegelder Völker und Kulturen, ist die Samm-lung dank kluger Themenausstellungenzu neuer Wirkung gelangt – und hat derStadt Marseille mit dem völlig neu ge-schaffenen Areal an der Spitze des altenHafens ein neues Ziel, einen neuen urba-nen Akzent beschert.

Drei Beispiele für gelungene Dezentra-lisierung, die zudem das hartnäckige Vor-urteil glänzend widerlegen, in der Pro-vinz könne man mit Kultur keinen Hundhinter dem Ofen hervorlocken. Das Ge-genteil trifft zu. Das Potenzial der franzö-sischen Provinz mit all ihrer Vielfalt istbei Weitem nicht ausgereizt.

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Lob des Live-ErlebnissesInterview mit dem Kulturvordenker Oliver Scheytt

Potenzial in der ProvinzPariser Museen bilden Ableger in anderen Städten – und verzeichnen enormes Besucherinteresse

Glanzstück der Region. Das Centre Pompidou in Metz ist ein Beispiel für erfolgreiche Regionalisierung in Frankreich. Foto: Rolf Brockschmidt

Platzkonzert.42000 Besuchererlebten am1. Juni 2014 beibestem Wetterdas „Staatsoperfür alle“-Event aufdem Bebelplatz. Foto: BMW Group

Begegnungen auf AugenhöheWarum fördert der Autohersteller BMW kulturelle Aktivitäten?

KULTURINVEST-KONGRESS Wirtschaft und Kultur treffen sich im Tagesspiegelhaus am 30. und 31. Oktober 2014

28 DER TAGESSPIEGEL NR. 22 191 / SONNABEND, 11. OKTOBER 2014SONDERTHEMA

Von Bernhard Schulz

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