Tagesspiegel Sonderseite zum KulturInvest Kongress

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Am 30. und 31. Oktober öffnet der Tages- spiegel zum sechsten Mal sein Verlags- haus am Askanischen Platz für den Kul- turinvest-Kongress, den größten europäi- schen Branchentreff für Kulturanbieter und Kulturinvestoren. In 36 Foren treten über 146 namhafte Referenten in den zehn Themenfeldern Kulturpolitik, Kul- turmanagement, Kulturtourismus, Kul- turmarketing, Kulturfinanzierung, Kul- tursponsoring, Kulturimmobilien, Kultur- personal, Online und Social Media Marke- ting sowie Dirigieren & Führen auf. Einen besonderen Schwerpunkt bildet dabei die Gastland-Partnerschaft mit Frankreich, die durch das Engagement der französischen Botschaft und des Insti- tut français Deutschland besonders unter- stützt wird. Zahlreiche französische Refe- renten und Beiträge aus Italien, Großbri- tannien, Tschechien und Polen berei- chern den europäischen Wissenstransfer an beiden Kongresstagen. 70 Prozent der Vorträge werden in deutscher Sprache ge- halten, alle europäischen ins Englische übersetzt. Am Abend des 30. Oktober werden im Rahmen der Gala „Night of Cultural Brands“ in der Staatsoper im Schillerthea- ter die Europäischen Kulturmarken- Awards verliehen. 21 Wettbewerbsbei- träge wurden nominiert, darunter Pro- jekte aus Tschechien, Deutschland, Öster- reich, Frankreich, der Schweiz, den Nie- derlanden und Liechtenstein. Die hier erstmals in allen Kategorien verliehene Preisskulptur Aurica steht für die Exzel- lenz, Attraktivität und Offenheit des euro- päischen Kulturmarktes und versinnbild- licht die Vermittlungsarbeit der europäi- schen Kulturanbieter und das herausra- gende Engagement europäischer Kultur- investoren. Tsp Kulturinvest-Kongress 2014 Donnerstag, 30. Oktober und Freitag, 31. Oktober Verlag Der Tagesspiegel, Askanischer Platz 3, 10963 Berlin, (S-Bahnhof Anhalter Bahnhof, S1, S2 und S25) Tickets Zweitages-Ticket: 650,- Euro zzgl. MwSt. Eintages-Ticket: 340,- Euro zzgl. MwSt. (inklusive Verpflegung) Galakarten: 79,- Euro zzgl. MwSt. Programm, Anmeldung und weitere Informationen bei der Cau- sales Gesellschaft für Kulturmarketing und Kultursponsoring, Telefon 030/ 53 214 391, [email protected] oder im Internet: www.kulturinvest.de Tsp W er am 30. Oktober tatsächlich auf der großen Opernbühne im Schillertheater stehen wird, um den Kulturmarken-Award in der Kate- gorie „Europäischer Kulturmanager des Jahres“ in Empfang zu nehmen, ist noch völlig offen. Mehr als 20 Bewerbungen waren eingegangen – auf durchaus recht heterogenem Niveau, wie man hört –, und nur einer kann die undotierte Ehre davontragen. Klar ist aber schon jetzt: Es wird ein Gigant sein. Denn die drei Nominierten haben in ihren Biografien vor allem eines gemeinsam: den großen Horizont, der weit über das eigentliche Berufsbild hi- naus reicht. Beworben haben sie sich na- türlich nicht selbst, sondern sie wurden vorgeschlagen. *** Z war ist es nicht das Verdienst von Hedy Graber, dass sich der Schwei- zer Lebensmittelhändler Migros schon in den Fünfzigerjahren selbst ver- pflichtet hat, jährlich ungefähr ein halbes Prozent seines Jahresumsatzes in gemein- nützige Projekte zu reinvestieren. Bei ei- nem Umsatzvolumen von nahezu 27 Mil- liarden Franken kommt da leicht ein drei- stelliger Millionenbetrag zusammen, 2013 waren es mehr als 120 Millionen Schweizer Franken, von denen ungefähr ein Drittel für Kultur und Soziales aufge- wendet wurde. Auch wenn diese Selbst- verpflichtung Unternehmensgründer Gottlieb Duttweiler dereinst in den Statu- ten verankerte – selbstverständlich fortge- schrieben wurden bei Weitem nicht alle seiner vielfältigen Ideale, die ganz auf die demokratische und soziale Teilhabe mög- lichst aller Schweizer zielten. So ist es also vor allem Kulturchefin Hedy Graber, die mit Geschick und gu- tem Netzwerk den ursprünglichen Leitbil- dern ein Gesicht gibt und dafür eine ganze Direktion innerhalb eines in der Schweiz ziemlich mächtigen Konzerns führt. Ihre Abteilung, die etwa den Direk- tionen Einkauf oder Vertrieb völlig gleich- berechtigt ist, wurde als festes Unterneh- mensziel definiert. Selbstverständlich er- gibt sich aus dem Engagement auch ein PR-Effekt, aber das Ideal, freiwillig auf Gewinn zu verzichten, dürfte wohl in der Unternehmenskultur einmalig auf der Welt sein. Hedy Graber gehört dabei zu den Men- schen, deren Projektliste sich auf meh- rere Seiten verteilt, deren joviale Natur in jeder Faser zielgerichtet wirkt, die eigent- lich mit jedem vernetzt ist, den man braucht, wenn man anspruchsvolle Pläne durchsetzen will. Und die Bandbreite ist extrem groß: Die von Graber zum Teil nicht nur unterstützten, sondern sogar initiierten Projekte reichen vom Architek- turwettbewerb über die Filmförderung bis hin zum Jugendprogramm „Mit den Eltern zur Klassik“. Um Kräfte zu bündeln, kooperiert die 53-Jährige gern mit anderen Förderinstitu- tionen und übernahm der Einfachheit hal- ber gleich die Leitung des Vereins „Forum Kultur und Ökonomie“, in dem sich alle wichtigen öffentlichen und privaten Kul- turfinanzierer der Schweiz zusammenge- schlossen haben. Sie greift der freien Kunstszene mit Förderkrediten ebenso un- ter die Arme, wie sie das verfallene Löwen- bräu-Areal in Zürich für die Kunst sa- nierte und wieder zugänglich machte. So- wohl Publikum als auch Künstler kom- men seitdem aus ganz Europa in die Schweiz – ein wichtiges Kriterium für die Jury, den europäischen Gedanken des ge- ehrten Kulturmanagers hervorzuheben. *** E in glänzender Netzwerker, viel- leicht sogar ein Hansdampf in allen Gassen ist auch Berlins ehemaliger Kulturstaatssekretär André Schmitz, der mehrere Dutzend Ämter in Stiftungskura- torien, Kulturfonds und Fördervereinen innehat. Wenngleich er im Februar we- gen Steuerhinterziehung aus der Kultur- verwaltung ausscheiden musste, wurde das Verfahren gegen eine geringe Geld- buße doch eingestellt, so dass seiner No- minierung nichts im Wege stand. Das kul- turelle Berlin, so heißt es in der Begrün- dung der Jury, wäre ohne ihn wohl nicht das Berlin, das es heute ist: Immerhin ver- fügte er über einen weltweit wohl einma- lig hohen Kulturetat von fast 430 Millio- nen Euro. 2006, als Schmitz sein Amt im notorisch klammen Berlin antrat, hatte er noch bei 343 Millionen Euro gelegen. Der Kulturstaatssekretär holte promi- nente und mittlerweile sehr erfolgreiche Intendanten wie Berndt Schmidt (Fried- richstadtpalast) oder Barrie Kosky (Komi- sche Oper) in die Bundeshauptstadt. Ei- nen bundesweit beachteten Akzent des in- terkulturellen Austausches setzte André Schmitz zudem durch die Berufung von Shermin Langhoff als erste Intendantin mit Migrationshintergrund an einem deutschen Stadttheater, nämlich dem Ma- xim Gorki Theater. Schmitz half, den Friedrichstadtpalast vor der Insolvenz zu retten und akqui- rierte dank seiner guten Kontakte zusätz- lich mehrere Millionen privater Gelder für die Kultur. Als eigentlich zweiter Mann hinter Klaus Wowereit, der der- einst den Posten des Kultursenators gestri- chen und in seinen eigenen Zuständig- keitsbereich geholt hatte, war es André Schmitz, der weit über ein politikerhaftes Verwalten hinaus die Fäden spann und dies auch nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Kulturpolitik weiter betreibt. Natürlich konnte eine so prominente Fi- gur nie ganz unumstritten bleiben – die Verdienste des 57-Jährigen sind es aber wohl doch. D ie schillerndste und unter den drei Nominierten wohl wirklich inter- nationale Figur indes dürfte Gerd Harry Lybke sein, genannt Judy, der von Leipzig aus einer der umtriebigsten und wohl auch umsatzstärksten Galeristen wurde. Dass die Neue Leipziger Schule unter ihrem großen Stern Neo Rauch in- ternational bekannt wurde, ist auch Lybke zu verdanken, der den „Maler, der aus der Kälte kam“, wie ihn die New York Times beschrieb und damit zum Star in den USA machte, seit vielen Jahren ver- tritt. Lybke, der in Leipzig und Berlin seine Galerie „Eigen + Art“ betreibt, versteckt sich nicht mit seinen guten Umsätzen, auch weil er es sich leisten kann, seine Verdienste sprechen zu lassen. Seine Be- wunderer bescheinigen ihm trotz aller in- ternationalen Erfolge bis heute, ein „ehrli- cher Galerist“ geblieben zu sein – will hei- ßen: ohne Allüren, ohne falsche Beschei- denheit, aber geradeheraus. Vor allem die Treue und freundschaftliche Verbun- denheit zu seinen Künstlern, deren Ent- wicklung er über Jahrzehnte hinweg be- gleitet, heben den im Jahr des Mauerbaus in Leipzig Geborenen wohltuend von vie- len Berufskollegen ab. Allzu oft geraten Künstler mit ihren vor allem profitorien- tierten Galeristen aneinander, weil beide Seiten unterschiedliche Vorstellungen und Ziele haben. Dabei kommt Gerd Harry Lybke, der bis heute gänzlich ohne Arroganz aus- kommt, auch seine Sozialisation zugute: Es dürfte wohl kaum einen Galeristen ge- ben, der als Maschinenmonteur seine ers- ten Brötchen verdiente und Weltraum- fahrt in Moskau studieren wollte. Weil er während seiner Armeezeit „Macht Liebe, nicht Krieg“ an die Kasernenmauer schrieb, wurde er mit Studien- und Be- rufsverbot belegt – der eigentliche Motor seiner Kunstförderung. Denn seit der damals 22-Jährige in der berühmten Grafikhochschule in Leipzig Aktmodell saß, stellte er die Bilder seiner Malerfreunde in seiner Privatwohnung aus. Die erste komplette Ausstellung, kri- tisch beäugt von den sogenannten Sicher- heitsorganen, markierte die Geburts- stunde seines heutigen Berufes, zu des- sen Erfolg auch ziemlich viel Glück ge- hörte. In der Wiedervereinigungseuphorie war es Lybke gelungen, eine Bürgschaft Arend Oetkers für die Teilnahme an der Frankfurter Kunstmesse einzuwerben. Neugierig auf die ostdeutschen Newco- mer, stürzte sich das Publikum auf die Werke, bis sie alle verkauft waren. Die Anekdote, dass die Künstler auch auf Ver- packungsmaterial weitermalten und Lybke diese Papierfetzen wiederum ver- kaufte, ist angeblich verbürgt. Aber selbst wenn sie nicht stimmen sollte: 25 Jahre nach der Revolution, die maßgeblich von Leipzig ausging, partizi- piert Gerd Harry Lybke auch heute noch von dem Aufbruchsgedanken, von der Überzeugung, dass man es schaffen kann. Dass aus Ruinen spannende Sze- nen werden können, bewies er zum Bei- spiel im Leipziger Stadtteil Plagwitz, des- sen einstige Industriebrache sich dank seiner Galerieansiedlung zu einem pros- perierenden Kunststandort entwickelte, der regelmäßig von internationalen Sammlern und Künstlern gleichermaßen heimgesucht wird. Im heutigen Markt, dem er weniger nachrennt, statt ihn vielmehr zu dominie- ren, pflegt Lybke das Querdenkertum, sucht Architekten in galerieähnlichen Niederlassungen zu vertreten oder för- dert besonders Künstlerinnen, deren Preisniveau unter dem ihrer männlichen Kollegen liegt. Nach 120 Messen und 360 Ausstellungen ist Lybke ein gut ver- netzter, leidenschaftlicher, aber erdver- bundener Typ geblieben. Er machte im Westen Karriere und vergaß seine Wur- zeln nicht. Ein Erfolgsrezept, das sich be- währt. D SERVICE Anmeldung Weite Horizonte Für den Kulturmarken-Award sind drei Giganten des Kulturmanagements nominiert 166,6 Millionen Euro beträgt im Schnitt das Kultursponsoringpotenzial in Eu- ropa. Das ergab eine Studie von Causales – Gesellschaft für Kulturmarketing und Kultursponsoring im Februar 2014. Un- tersucht wurden zwölf EU-Staaten und die Schweiz. In Deutschland investiert die Wirtschaft 350 Millionen Euro, was einem Pro-Kopf-Wert von 4,27 Euro ent- spricht. Der ist nur noch in Finnland und Spanien niedriger. In Belgien beträgt die Pro-Kopf-Investition 7,99 Euro, in Frank- reich 7,52 Euro und in Österreich 5,90 Euro. Dabei geht es nicht nur um gesell- schaftliche Verantwortung, sondern auch um gezielte Imagepflege. Tsp Mit Leib und Seele für die Kultur engagieren sich André Schmitz (links), ehemals Berliner Kulturstaatssekretär, Hedy Graber, Leiterin der Direktion Kultur und Soziales beim Migros-Genossenschafts-Bund in der Schweiz und der Galerist Gerd Harry Lybke (Eigen + Art). Einer von ihnen wird am 30. Oktober als „Kulturmanager des Jahres“ während der „Night of Cultural Brands“ ausgezeichnet. Fotos: imago, Suzanne Schwiertz, Herlinde Koelbl Frankreich als Gastland Kulturinvest-Kongress 2014 beim Tagesspiegel KULTURINVEST-KONGRESS Wirtschaft und Kultur treffen sich im Tagesspiegelhaus am 30. und 31. Oktober 2014 Deutsche Unternehmen im Mittelfeld Von Christian Schmidt Hedy Graber ist Kulturchefin beim bedeutenden Schweizer Lebensmittelhändler Migros André Schmitz war von 2006 bis 2014 in Wowereits Senat Kulturstaatssekretär Gerd Harry Lybke brachte als Galerist den Maler Neo Rauch international groß heraus SONNABEND, 11. OKTOBER 2014 / NR. 22 191 DER TAGESSPIEGEL 27 SONDERTHEMA Im Westen Kunst- sammlung NRW viel Neues K20 K21 F3 Düsseldorf www.kunstsammlung.de #32 Online-Magazin der Kunstsammlung www.number32.de www.facebook.com/kunstsammlung www.youtube.com/kunstsammlungNRW www.twitter.com/K_SammlungNRW

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Tagesspiegel Seite 1 Sonderthema Kulturinvest Kongress 2014 am 30. und 31. Oktober 2014

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Am 30. und 31. Oktober öffnet der Tages-spiegel zum sechsten Mal sein Verlags-haus am Askanischen Platz für den Kul-turinvest-Kongress, den größten europäi-schen Branchentreff für Kulturanbieterund Kulturinvestoren. In 36 Foren tretenüber 146 namhafte Referenten in denzehn Themenfeldern Kulturpolitik, Kul-turmanagement, Kulturtourismus, Kul-turmarketing, Kulturfinanzierung, Kul-tursponsoring, Kulturimmobilien, Kultur-personal, Online und Social Media Marke-ting sowie Dirigieren & Führen auf.

Einen besonderen Schwerpunkt bildetdabei die Gastland-Partnerschaft mitFrankreich, die durch das Engagementder französischen Botschaft und des Insti-tut français Deutschland besonders unter-stützt wird. Zahlreiche französische Refe-renten und Beiträge aus Italien, Großbri-tannien, Tschechien und Polen berei-chern den europäischen Wissenstransferan beiden Kongresstagen. 70 Prozent derVorträge werden in deutscher Sprache ge-halten, alle europäischen ins Englischeübersetzt.

Am Abend des 30. Oktober werden imRahmen der Gala „Night of CulturalBrands“ in der Staatsoper im Schillerthea-ter die Europäischen Kulturmarken-Awards verliehen. 21 Wettbewerbsbei-träge wurden nominiert, darunter Pro-jekte aus Tschechien, Deutschland, Öster-reich, Frankreich, der Schweiz, den Nie-derlanden und Liechtenstein. Die hiererstmals in allen Kategorien verliehenePreisskulptur Aurica steht für die Exzel-lenz, Attraktivität und Offenheit des euro-päischen Kulturmarktes und versinnbild-licht die Vermittlungsarbeit der europäi-schen Kulturanbieter und das herausra-gende Engagement europäischer Kultur-investoren. Tsp

Kulturinvest-Kongress 2014Donnerstag, 30. Oktober undFreitag, 31. OktoberVerlag Der Tagesspiegel,Askanischer Platz 3, 10963 Berlin,(S-Bahnhof Anhalter Bahnhof, S1, S2und S25)

Tickets Zweitages-Ticket: 650,- Eurozzgl. MwSt. Eintages-Ticket: 340,- Eurozzgl. MwSt. (inklusive Verpflegung)Galakarten: 79,- Euro zzgl. MwSt.

Programm, Anmeldungund weitere Informationen bei der Cau-sales Gesellschaft für Kulturmarketingund Kultursponsoring, Telefon 030/53 214 391, [email protected] im Internet:www.kulturinvest.de Tsp

W er am 30. Oktober tatsächlichauf der großen Opernbühne imSchillertheater stehen wird,

um den Kulturmarken-Award in der Kate-gorie „Europäischer Kulturmanager desJahres“ in Empfang zu nehmen, ist nochvöllig offen. Mehr als 20 Bewerbungenwaren eingegangen – auf durchaus rechtheterogenem Niveau, wie man hört –,und nur einer kann die undotierte Ehredavontragen.

Klar ist aber schon jetzt: Es wird einGigant sein. Denn die drei Nominiertenhaben in ihren Biografien vor allem einesgemeinsam: den großen Horizont, derweit über das eigentliche Berufsbild hi-naus reicht. Beworben haben sie sich na-türlich nicht selbst, sondern sie wurdenvorgeschlagen.

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Zwar ist es nicht das Verdienst vonHedy Graber, dass sich der Schwei-zer Lebensmittelhändler Migros

schon in den Fünfzigerjahren selbst ver-pflichtet hat, jährlich ungefähr ein halbesProzent seines Jahresumsatzes in gemein-nützige Projekte zu reinvestieren. Bei ei-nem Umsatzvolumen von nahezu 27 Mil-liarden Franken kommt da leicht ein drei-stelliger Millionenbetrag zusammen,2013 waren es mehr als 120 Millionen

Schweizer Franken, von denen ungefährein Drittel für Kultur und Soziales aufge-wendet wurde. Auch wenn diese Selbst-verpflichtung UnternehmensgründerGottlieb Duttweiler dereinst in den Statu-ten verankerte – selbstverständlich fortge-schrieben wurden bei Weitem nicht alleseiner vielfältigen Ideale, die ganz auf diedemokratische und soziale Teilhabe mög-lichst aller Schweizer zielten.

So ist es also vor allem KulturchefinHedy Graber, die mit Geschick und gu-tem Netzwerk den ursprünglichen Leitbil-dern ein Gesicht gibt und dafür eineganze Direktion innerhalb eines in derSchweiz ziemlich mächtigen Konzernsführt. Ihre Abteilung, die etwa den Direk-tionen Einkauf oder Vertrieb völlig gleich-berechtigt ist, wurde als festes Unterneh-mensziel definiert. Selbstverständlich er-gibt sich aus dem Engagement auch einPR-Effekt, aber das Ideal, freiwillig aufGewinn zu verzichten, dürfte wohl in derUnternehmenskultur einmalig auf derWelt sein.

Hedy Graber gehört dabei zu den Men-schen, deren Projektliste sich auf meh-rere Seiten verteilt, deren joviale Natur injeder Faser zielgerichtet wirkt, die eigent-lich mit jedem vernetzt ist, den manbraucht, wenn man anspruchsvolle Plänedurchsetzen will. Und die Bandbreite istextrem groß: Die von Graber zum Teilnicht nur unterstützten, sondern sogarinitiierten Projekte reichen vom Architek-turwettbewerb über die Filmförderungbis hin zum Jugendprogramm „Mit denEltern zur Klassik“.

Um Kräfte zu bündeln, kooperiert die53-JährigegernmitanderenFörderinstitu-tionenund übernahm der Einfachheit hal-ber gleich die Leitung des Vereins „ForumKultur und Ökonomie“, in dem sich allewichtigen öffentlichen und privaten Kul-turfinanzierer der Schweiz zusammenge-schlossen haben. Sie greift der freienKunstszenemitFörderkreditenebensoun-terdieArme,wiesiedasverfalleneLöwen-bräu-Areal in Zürich für die Kunst sa-nierte und wieder zugänglich machte. So-wohl Publikum als auch Künstler kom-men seitdem aus ganz Europa in dieSchweiz – ein wichtiges Kriterium für dieJury, den europäischen Gedanken des ge-ehrten Kulturmanagers hervorzuheben.

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E in glänzender Netzwerker, viel-leicht sogar ein Hansdampf in allenGassen ist auch Berlins ehemaliger

Kulturstaatssekretär André Schmitz, dermehrere Dutzend Ämter in Stiftungskura-

torien, Kulturfonds und Fördervereineninnehat. Wenngleich er im Februar we-gen Steuerhinterziehung aus der Kultur-verwaltung ausscheiden musste, wurdedas Verfahren gegen eine geringe Geld-buße doch eingestellt, so dass seiner No-minierung nichts im Wege stand. Das kul-turelle Berlin, so heißt es in der Begrün-dung der Jury, wäre ohne ihn wohl nichtdas Berlin, das es heute ist: Immerhin ver-fügte er über einen weltweit wohl einma-lig hohen Kulturetat von fast 430 Millio-nen Euro. 2006, als Schmitz sein Amt imnotorisch klammen Berlin antrat, hatte ernoch bei 343 Millionen Euro gelegen.

Der Kulturstaatssekretär holte promi-

nente und mittlerweile sehr erfolgreicheIntendanten wie Berndt Schmidt (Fried-richstadtpalast) oder Barrie Kosky (Komi-sche Oper) in die Bundeshauptstadt. Ei-nen bundesweit beachteten Akzent des in-terkulturellen Austausches setzte AndréSchmitz zudem durch die Berufung vonShermin Langhoff als erste Intendantinmit Migrationshintergrund an einemdeutschen Stadttheater, nämlich dem Ma-xim Gorki Theater.

Schmitz half, den Friedrichstadtpalastvor der Insolvenz zu retten und akqui-rierte dank seiner guten Kontakte zusätz-lich mehrere Millionen privater Gelderfür die Kultur. Als eigentlich zweiterMann hinter Klaus Wowereit, der der-einstdenPostendesKultursenatorsgestri-chen und in seinen eigenen Zuständig-keitsbereich geholt hatte, war es AndréSchmitz, der weit über ein politikerhaftesVerwalten hinaus die Fäden spann unddies auch nach seinem Ausscheiden ausder aktiven Kulturpolitik weiter betreibt.Natürlich konnte eine so prominente Fi-gur nie ganz unumstritten bleiben – dieVerdienste des 57-Jährigen sind es aberwohl doch.

D ie schillerndste und unter den dreiNominierten wohl wirklich inter-nationale Figur indes dürfte Gerd

Harry Lybke sein, genannt Judy, der vonLeipzig aus einer der umtriebigsten undwohl auch umsatzstärksten Galeristenwurde. Dass die Neue Leipziger Schuleunter ihrem großen Stern Neo Rauch in-ternational bekannt wurde, ist auchLybke zu verdanken, der den „Maler, deraus der Kälte kam“, wie ihn die New YorkTimes beschrieb und damit zum Star inden USA machte, seit vielen Jahren ver-tritt.

Lybke, der in Leipzig und Berlin seineGalerie „Eigen + Art“ betreibt, verstecktsich nicht mit seinen guten Umsätzen,auch weil er es sich leisten kann, seineVerdienste sprechen zu lassen. Seine Be-wunderer bescheinigen ihm trotz aller in-ternationalen Erfolge bis heute, ein „ehrli-cher Galerist“ geblieben zu sein – will hei-ßen: ohne Allüren, ohne falsche Beschei-denheit, aber geradeheraus. Vor allemdie Treue und freundschaftliche Verbun-denheit zu seinen Künstlern, deren Ent-wicklung er über Jahrzehnte hinweg be-gleitet, heben den im Jahr des Mauerbausin Leipzig Geborenen wohltuend von vie-len Berufskollegen ab. Allzu oft geratenKünstler mit ihren vor allem profitorien-tierten Galeristen aneinander, weil beideSeiten unterschiedliche Vorstellungenund Ziele haben.

Dabei kommt Gerd Harry Lybke, derbis heute gänzlich ohne Arroganz aus-kommt, auch seine Sozialisation zugute:Es dürfte wohl kaum einen Galeristen ge-ben, der als Maschinenmonteur seine ers-ten Brötchen verdiente und Weltraum-fahrt in Moskau studieren wollte. Weil erwährend seiner Armeezeit „Macht Liebe,nicht Krieg“ an die Kasernenmauerschrieb, wurde er mit Studien- und Be-rufsverbot belegt – der eigentliche Motorseiner Kunstförderung.

Denn seit der damals 22-Jährige in derberühmten Grafikhochschule in LeipzigAktmodell saß, stellte er die Bilder seinerMalerfreunde in seiner Privatwohnungaus. Die erste komplette Ausstellung, kri-tisch beäugt von den sogenannten Sicher-

heitsorganen, markierte die Geburts-stunde seines heutigen Berufes, zu des-sen Erfolg auch ziemlich viel Glück ge-hörte.

In der Wiedervereinigungseuphoriewar es Lybke gelungen, eine BürgschaftArend Oetkers für die Teilnahme an derFrankfurter Kunstmesse einzuwerben.Neugierig auf die ostdeutschen Newco-mer, stürzte sich das Publikum auf dieWerke, bis sie alle verkauft waren. DieAnekdote, dass die Künstler auch auf Ver-packungsmaterial weitermalten undLybke diese Papierfetzen wiederum ver-kaufte, ist angeblich verbürgt.

Aber selbst wenn sie nicht stimmensollte: 25 Jahre nach der Revolution, diemaßgeblich von Leipzig ausging, partizi-piert Gerd Harry Lybke auch heute nochvon dem Aufbruchsgedanken, von derÜberzeugung, dass man es schaffenkann. Dass aus Ruinen spannende Sze-nen werden können, bewies er zum Bei-spiel im Leipziger Stadtteil Plagwitz, des-sen einstige Industriebrache sich dank

seiner Galerieansiedlung zu einem pros-perierenden Kunststandort entwickelte,der regelmäßig von internationalenSammlern und Künstlern gleichermaßenheimgesucht wird.

Im heutigen Markt, dem er wenigernachrennt, statt ihn vielmehr zu dominie-ren, pflegt Lybke das Querdenkertum,sucht Architekten in galerieähnlichenNiederlassungen zu vertreten oder för-dert besonders Künstlerinnen, derenPreisniveau unter dem ihrer männlichenKollegen liegt. Nach 120 Messen und360 Ausstellungen ist Lybke ein gut ver-netzter, leidenschaftlicher, aber erdver-bundener Typ geblieben. Er machte imWesten Karriere und vergaß seine Wur-zeln nicht. Ein Erfolgsrezept, das sich be-währt.

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Weite HorizonteFür den Kulturmarken-Award sind drei Giganten des Kulturmanagements nominiert

166,6 Millionen Euro beträgt im Schnittdas Kultursponsoringpotenzial in Eu-ropa. Das ergab eine Studie von Causales– Gesellschaft für Kulturmarketing undKultursponsoring im Februar 2014. Un-tersucht wurden zwölf EU-Staaten unddie Schweiz. In Deutschland investiertdie Wirtschaft 350 Millionen Euro, waseinem Pro-Kopf-Wert von 4,27 Euro ent-spricht. Der ist nur noch in Finnland undSpanien niedriger. In Belgien beträgt diePro-Kopf-Investition 7,99 Euro, in Frank-reich 7,52 Euro und in Österreich 5,90Euro. Dabei geht es nicht nur um gesell-schaftliche Verantwortung, sondernauch um gezielte Imagepflege. Tsp

Mit Leib und Seele für die Kultur engagieren sich André Schmitz (links), ehemals Berliner Kulturstaatssekretär, Hedy Graber, Leiterin der Direktion Kultur und Soziales beim Migros-Genossenschafts-Bund in der Schweizund der Galerist Gerd Harry Lybke (Eigen + Art). Einer von ihnen wird am 30. Oktober als „Kulturmanager des Jahres“ während der „Night of Cultural Brands“ ausgezeichnet. Fotos: imago, Suzanne Schwiertz, Herlinde Koelbl

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Hedy Graber ist Kulturchefinbeim bedeutenden SchweizerLebensmittelhändler Migros

André Schmitz war von 2006bis 2014 in Wowereits SenatKulturstaatssekretär

Gerd Harry Lybke brachte alsGalerist den Maler Neo Rauchinternational groß heraus

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