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TERRY BROOKS Shannara VIII

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TERRY BROOKS

Shannara VIII

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BuchEine bunte Schar von Abenteurern bricht mit dem Luftschiff »Jerle Shannara« zueiner Reise auf, um die verschollenen Edelsteine von Shannara zu suchen. IhrAnführer ist Walker Boh, der letzte Druide. Als die Gruppe unbekannte Gewässerüberquert hat und ein geheimnisvolles Land jenseits der Meere erreicht, entern dieIlsa-Hexe und ihre reptilienhaften Verbündeten das Luftschiff. Walker und seineFreunde fliehen, und der Druide findet sich schließlich in Katakomben vonCastledown wieder. Er spürt, dass dort nicht nur die Elfensteine verborgen sind, sondern auch Antrax, eine künstliche Intelligenz aus der Zeit vor der Apokalypse, als

die Wissenschaften noch weit verbreitet und alle Völker vereint waren ...

AutorTerry Brooks wurde 1944 in Illinois geboren. Nach seinen Abstechern in die DarkFantasy und in das Star-Wars-Universum mit der Romanfassung von »Episode I.Die dunkle Bedrohung« kehrte er zu seinen Wurzeln und zu seiner ersten großenLiebe zurück: in die Welt der Shannara-Saga. Terry Brooks lebt in Seattle und auf

Hawaii und schreibt an den neuen Folgen seines weltberühmten Fantasy-Epos.

Von Terry Brooks bereits erschienen:

Die Shannara-Saga:

1. Abschnitt: Das Schwert von Shannara (23828), Der Sohn von Shannara (23829),Der Erbe von Shannara (23830) • Die Elfensteine von Shannara (23831), DerDruide von Shannara (23832), Die Dämonen von Shannara (23833) • DasZauberlied von Shannara (23893), Der König von Shannara (23894), Die Erlösung

von Shannara (23895)

2. Abschnitt: Die Kinder von Shannara (24535), Das Mädchen von Shannara(24536), Der Zauber von Shannara (24537) • Die Schatten von Shannara (11584)• Die Elfenkönigin von Shannara (24571), Die Verfolgten von Shannara (24572) •

Die Reiter von Shannara (24588), Die Talismane von Shannara (24590)

Die Vorgeschichte: Der Ausgestoßene von Shannara (24717)

3. Abschnitt: Die Hexe von Shannara (24966) • Die Labyrinthe von Shannara (24178) • Die Offenbarung von Shannara (24179)

4. Abschnitt: Die Magier von Shannara: 1. Das verbannte Volk (24180) • 2. DerBaum der Talismane (24340) • 3. Die Verschwörung der Druiden (24389)

Außerdem von Terry Brooks lieferbar:

Star Wars, Episode I, Die dunkle Bedrohung. Roman zum Film von George Lucas (35243)

Weitere Bände sind in Vorbereitung.

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Terry Brooks

Shannara VIIIDie Labyrinthe von Shannara

Die Offenbarung von Shannara

Zwei Romane in einem Band

Ins Deutsche übertragenvon Andreas Helweg

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Umwelthinweis:Alle bedruckten Materialien dieses Taschenbuches

sind chlorfrei und umweltschonend.

1. AuflageTaschenbuchausgabe April 2006 by Blanvalet,

einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München.

Copyright © »Antrax. The Voyage of the Jerle Shannara II«by Terry Brooks 2001

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe von »Antrax« 2002 byVerlagsgruppe Random House GmbH

Copyright © »Morgawr. The Voyage of the Jerle Shannara III«by Terry Brooks 2002

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe von »Morgawr« 2003 byVerlagsgruppe Random House GmbH

These translations were published by arrangement withThe Ballantine Publishing Group, a division of Random House, Inc.

Umschlaggestaltung: Design Team MünchenUmschlagillustration: Agt. Schlück/Krasny

V.B. · Herstellung: HNDruck und Einband: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in GermanyISBN-10: 3-442-24381-5

ISBN-13: 978-3-442-24381-5

www.blanvalet-verlag.de

Die amerikanische Originalausgabe von »Die Labyrinthe von Shannara«erschien 2001 unter dem Titel »Antrax. The Voyage of the Jerle Shannara II«

bei Del Rey/The Ballantine Publishing Group, New York.

Die amerikanische Originalausgabe von »Die Offenbarung von Shannara«erschien 2002 unter dem Titel »Morgawr. The Voyage of the Jerle Shannara III«

bei Del Rey/The Ballantine Publishing Group, New York.

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Die Labyrinthe vonShannara

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FÜR JOHN SAUL UND MIKE SACK

Für fünfzehn Jahresarkastischer Einsichten, böser Scherze

und unschätzbarer Ratschläge

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Eins

m letzten Tag ihrer Kindheit zählte Grianne Ohms-ford sechs Jahre. Für ihr Alter war sie klein, daher

mangelte es ihr an übermäßiger Körperkraft oder außergewöhnli-cher Lebenserfahrung, und so war sie auch nicht sehr gut daraufvorbereitet, aus heiterem Himmel ins Erwachsenenleben einzutre-ten. Ihr ganzes bisheriges Leben hatte sie am östlichen Rand derEbene von Rabb verbracht, als ein behütetes Kind von zweien in ei-nem liebevollen Heim. Araden und Biornlief Ohmsford hießen ihreEltern, der Vater ein Schriftgelehrter und Lehrer, die Mutter eineHausfrau. In ihrem Haus gingen die Leute wie in einer Schenke einund aus, Schüler ihres Vaters, Klienten, die sich seiner Fähigkeitenbedienten, Reisende aus allen Vier Ländern. Sie selbst hatte nochkeine fernen Länder besucht, als ihr die kleine Welt, die ihr bis da-hin gehört hatte, unvermittelt geraubt wurde.

Obwohl ihre Erscheinung unauffällig war und nichts an ihr er-warten ließ, dass sie eine derartige traumatische Veränderung ihresLebens überwinden könnte, besaß sie in Wirklichkeit überraschen-de Fähigkeiten und außergewöhnliche Stärke. Zum Teil konnte manes allerdings an den enorm blauen Augen erkennen, deren Blicke dasGegenüber durchbohrten und bis in die Seele drangen. Fremde, dieden Fehler begingen, in diese Augen zu schauen, ertappten sichrecht bald dabei, wie sie den Blick wieder abwandten. Mit diesenMännern und Frauen sprach sie weder, noch nahm sie von diesenBegegnungen etwas mit, und trotzdem überkam die Fremden dasGefühl, sie hätten einen Teil von sich aufgegeben. Manchmal lief siein Haus und Garten herum, das lange dunkle Haar fiel ihr lockerüber die Schultern, und sie wirkte wie ein Streuner, der nicht weiß,was er tun oder wohin er gehen soll. Dann wieder saß sie allein in ei-

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ner Ecke, derweil die Erwachsenen sich unterhielten, beanspruchteeigenen Raum für sich selbst und sorgte für dessen Ungestörtheit.

Zudem war sie hart, ein stures und widerspenstiges Kind, das,hatte es sich etwas in den Kopf gesetzt, sich nicht mehr davon ab-bringen ließ. Eine Zeit lang konnten ihre Eltern mit Hilfe der übli-chen Strafen und Belohnungen darauf einwirken, schließlich jedochstellten sie fest, dass sie keinen Einfluss auf das Mädchen hatten.Grianne schien ihre eigene Identität zu finden, indem sie zu ver-schiedenen Sachverhalten Stellung bezog, sich auf Herausforderun-gen einließ und die Folgen akzeptierte, wie auch immer sie aussahen.Häufig bestanden sie aus einer strengen Zurechtweisung und derVerbannung in ihr Zimmer, oder es handelte sich einfach nur umeine Versagung dessen, von dem andere glaubten, es würde ihr gefal-len. Nichtsdestotrotz schien sie solche Konsequenzen nicht zuscheuen und war zu begabt, um sich von der Verweigerung ihrerWünsche erschüttern zu lassen.

Im Mittelpunkt all dessen stand jedoch ein Erbe, wie es in dieserArt schon seit Generationen nicht mehr in Erscheinung getreten war.Sie wusste bereits früh, dass sie sich von ihren Eltern, ihren Freun-den und sonstigen Bekannten unterschied. Alles deutete auf die be-rühmtesten Vorfahren ihrer Familie hin – auf Brin und Jair und Parund Coll Ohmsford, auf die sie ihre Abstammung direkt zurückfüh-ren konnte. Frühzeitig erklärten die Eltern ihr dies, nahezu sofort,nachdem sich die Begabung offenbart hatte. Sie war mit der Magiedes Wunschliedes geboren worden, einer Kraft, die in der FamilieOhmsford nur alle vier oder fünf Generationen zu Tage trat. Wünsches dir, singe dafür, und es wird geschehen. Nichts war unmöglich. So-lange ihre Eltern zurückdenken konnten, hatte sich das Wunschliedin keinem Ohmsford gezeigt, und dementsprechend besaß keiner derbeiden persönliche Erfahrungen im Umgang damit. Immerhin kann-ten sie die Überlieferungen, die ihnen wieder und wieder von ihreneigenen Eltern erzählt worden waren, die Geschichten über jene Ma-gie, die seit den Zeiten der großen Königin Wren existierte, einer ih-rer Vorfahren. Aus diesem Grund wussten sie recht gut, was es zu be-

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deuten hatte, wenn ihr Kind allein durch Gesang Blumenstiele beu-gen oder einen knurrenden Hund aus dem Weg schieben konnte.

Zunächst benutzte sie das Wunschlied auf einfache Weise undohne jede Disziplin, und dass es sich um eine sehr besondere Gabehandelte, begriff sie lange Zeit nicht. In ihrem kindlichen Denkenschien es ihr, jeder müsse sie besitzen. Ihre Eltern halfen ihr, denWert zu erkennen, die Kraft nutzbar zu machen und das Geheimnisanderen gegenüber zu wahren. Grianne war ein kluges Mädchen,und sie verstand schnell, was es bedeutete, etwas zu besitzen, das an-dere begehrten oder fürchteten. Sie schenkte ihren Eltern Gehör,obgleich sie die Ermahnungen, wie und zu welchem Zweck dieGabe benutzt werden sollte, wenig beherzigte. Doch sie war kluggenug, ihnen nur das zu zeigen, was sie von ihr erwarteten, und al-les andere vor ihnen zu verbergen.

Deshalb hatte sie am letzten Tag ihrer Kindheit längst verstanden,wie sie ihre Magie einzusetzen hatte. Sie hatte Schutzmaßnahmengegen Gefahren getroffen und sich gute Ausflüchte für das Verbotihrer Eltern überlegt, sie bis an die Grenzen auszutesten. Ihr Panzeraus starker Entschlossenheit und sturem Beharren hatte sich zu ei-ner Festung erweitert, in der sie das Wunschlied ungestraft verwen-den konnte. Ihre kindliche Welt war bereits komplexer und an-spruchsvoller als die vieler Erwachsener, und gerade lernte sie, dasssie niemandem je verraten durfte, wer und was sie war. Und es soll-ten am Ende ihre Gabe der Magie und ihr Verständnis für die Wir-kungsweise sein, die sie retten würden.

Gleichzeitig und ohne ihre Schuld wurde dadurch das Schicksalihrer Eltern und ihres jüngeren Bruders besiegelt.

Schon einige Wochen vor diesem letzten Tag fiel ihr auf, dass in ih-rer Kinderwelt etwas nicht stimmte. Es offenbarte sich ihr in Klei-nigkeiten, die weder ihre Eltern noch andere Leute bemerkten. Ei-gentümliches lag in der Luft – Gerüche und Geschmäcke und Ge-räusche, die auf verborgene Wesen und finstere Absichten hindeu-teten. Mit den Vibrationen ihrer Stimme, die zu ihr zurückkehrten,wenn sie die Magie ihres Liedes einsetzte, erhaschte sie Blicke aus

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den Schatten. Auch spürte sie Veränderungen in Hitze und Kälte,die sich sonst nur einstellten, wenn sie bedroht wurde, bloß konntesie für gewöhnlich die Spuren bis zu ihrer Quelle zurückverfolgen,was ihr diesmal nicht gelang. Ein- oder zweimal spürte sie die Nähedunkel verhüllter Gestalten, vielleicht jener Gestaltwandler, die sieschon bei verschiedenen Gelegenheiten zuvor entdeckt hatte, diesich stets versteckten und außer Reichweite aufhielten und dennochständig anwesend waren.

Ihren Eltern erzählte sie nichts davon, weil sie keine Beweise hat-te und sich lediglich auf Vermutungen hätte stützen können. Trotz-dem blieb sie wachsam. Ihr Haus stand am Rand eines Ahornwäld-chens, davor breitete sich die flache grüne Schwelle des Rabbs aus,die sich bis zu den Ausläufern der Drachenzähne erstreckte. Wäh-rend sich von Westen nichts und niemand nähern konnte, ohneschon von weitem sichtbar zu sein, schirmten Wald und Hügel dieanderen drei Seiten ab. Von Zeit zu Zeit erforschte sie diese, eineVorsichtsmaßnahme, die ihr ein Gefühl der Sicherheit verlieh. Dochwer immer sie beobachtete, ging vorsichtig zu Werke, und sie fandniemals heraus, was für ein Wesen es war. Es verbarg sich vor ihr,mied sie und entfernte sich, sobald sie auftauchte, kehrte jedochstets zurück. Sie spürte die Blicke sogar, während sie danach such-te. Es war klug und geschickt und daran gewöhnt, sich zu verste-cken, sobald andere es auftreiben wollten.

Eigentlich hätte sie Furcht empfinden sollen, doch Angst hattenicht zu ihrer Erziehung gehört, und so wusste sie ihren Nutzennicht zu schätzen. Für sie stellte Furcht ein Ärgernis dar, das sieschlicht aus ihrem Leben verbannte und einfach nicht beachtete.Letzten Endes jedoch fragte sie ihren Vater dennoch, ob es jeman-den gebe, der ihr oder ihm oder ihrer Mutter oder ihrem Bruder et-was antun wollte, woraufhin er nur lächelte und antwortete, siewürden nichts besitzen, das irgendwem Anlass biete, ihnen Schadenzuzufügen. Das sagte er ruhig und voller Überzeugung, wie einLehrer, der seinem Schüler Wissen vermittelt, und deshalb, soglaubte sie, musste er damit auch Recht haben.

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Die Gestalten in den schwarzen Mänteln kamen schließlich imMorgengrauen, jener Tageszeit, wenn das Licht so bleich undschwach ist, dass es kaum Schatten zeichnet. Sie töteten den Hund,den alten Beller, als der nachschauen ging, wer sich da näherte, einAkt, der unmissverständlich für ihre finsteren Absichten sprach. In-zwischen war sie erwacht, denn eine innere, mit ihrer Magie verbun-dene Stimme hatte sie alarmiert, und sie eilte auf Zehenspitzendurch das Haus und forschte nach der Gefahr, die bereits auf derSchwelle stand. An diesem Morgen war die Familie allein, keiner derreisenden Gäste wohnte bei ihnen, und niemand würde sich mit ih-nen gemeinsam der Bedrohung entgegenstellen.

Beim Anblick der schattenhaften Gestalten, die vor den Fensternhin- und herhuschten, zögerte Grianne nicht. Sie spürte die Gefahr,welche sie überall umgab, ein Kreis eiserner Klingen, der sich uner-bittlich wie eine Schlinge enger zog. Jetzt rief sie nach ihrem Vaterund rannte zurück ins Kinderzimmer, wo ihr Bruder schlief. Wort-los nahm sie ihn auf den Arm und drückte ihn fest an sich. Weichund warm fühlte er sich an, kaum zwei Jahre alt. Sie trug ihn hinun-ter in den Erdkeller, wo die Lebensmittel aufbewahrt wurden. Obenversuchten die Eltern, ihre Flucht zu decken. Glas zerbrach, Holzsplitterte, und Grianne hörte die Schreie und Verwünschungen ih-res Vaters. Er war ein tapferer Mann, und er würde dem Kampf nichtausweichen. Leider würde das nicht genügen, das spürte sie bereitsjetzt. Sie löste einen Riegel und zog einen Teil des Regals zurück, derden Eingang zu einem Kriechkeller verbarg, einer Zuflucht beiSturm, die sie jedoch nie benutzt hatten. Dort legte sie ihren Bru-der auf eine Pritsche. Einen Augenblick lang betrachtete sie ihnnoch, sein winziges Gesicht und die geballten Fäuste, seinen schla-fenden Körper, dann hörte sie, wie die Rufe und Flüche oben sichin Schmerzensschreie verwandelten, und Tränen rannen ihr dieWangen hinab.

Schwarzer Rauch drang von oben durch die Bohlen des Fußbo-dens in den Keller vor, als sie aus dem engen Schutzraum schlüpfteund den Eingang hinter sich verschloss. Sie hörte das Knistern der

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Flammen. Da ihre Eltern tot waren, würden die Eindringlinge baldkommen und sie holen, aber Grianne würde schneller sein und klü-ger, als sie dachten. Sie würde ihnen entwischen, und war sie erstdraußen im fahlen Licht und in Sicherheit, würde sie die fünf Mei-len zum nächsten Haus laufen, Hilfe finden und ihren Bruder ret-ten.

Die schwarz verhüllten Gestalten suchten nach ihr, das hörte sie,während sie durch einen kleinen Gang zur Kellertür lief, die insFreie führte. Draußen war die Tür hinter Büschen versteckt, und dasie selten benutzt wurde, würde man sie wahrscheinlich nicht ent-decken. Falls doch, würden sie es bereuen. Sie hatte bereits heraus-gefunden, welchen Schaden man mit dem Wunschlied anrichtenkonnte. Zwar war sie noch ein Kind, trotzdem jedoch keineswegshilflos. Sie kniff die Augen zusammen, schluckte die Tränen hinun-ter und schob das Kinn vor. Das würden sie eines Tages schon be-reuen. Sie würden es bereuen, wenn sie ihnen das heimzahlte, was sieihr gerade antaten.

Dann war sie durch die Tür hindurch und hockte sich im Lichtder Dämmerung unter die Büsche. Rauch trieb in dunklen Wolkenheran, und sie spürte die Hitze des Feuers, das an den Mauern ihresHauses hinaufkroch. Alles nahm man ihr weg, dachte sie verzwei-felt. Alles, das ihr etwas bedeutete.

Eine plötzliche Bewegung seitlich von ihr lenkte ihre Aufmerk-samkeit auf sich. Als sie sich umwandte, legte sich eine Hand mit ei-nem übel riechenden Tuch über ihr Gesicht, und die Welt um sie herbegann sich zu drehen und versank allmählich in Dunkelheit.

Beim Erwachen war sie gefesselt, geknebelt, und man hatte ihr dieAugen verbunden; sie wusste weder, wo sie war, wer sie gefangenhielt, noch ob es Tag oder Nacht war. Jemand trug sie über der Schul-ter wie einen Sack Getreide, aber niemand sprach. Bei jenen, die siegefangen genommen hatten, handelte es sich um mehr als eine Per-son, das hörte sie an den schweren, festen Schritten. Auch das At-men hörte sie. Ihr erster Gedanke galt ihrem Haus und ihren Eltern

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und ihrem Bruder. Die Tränen traten ihr in die Augen, und sie be-gann zu schluchzen. Sie hatte ihrer Familie gegenüber versagt.

Lange Zeit wurde sie so getragen, dann legte man sie auf den Bo-den und ließ sie in Ruhe. Sie wand sich und versuchte sich zu befrei-en, doch die Fesseln waren zu stramm verknotet. Hunger und Dursthatte sie außerdem, und kalte Hoffnungslosigkeit breitete sich in ihraus. Es konnte nur einen Grund geben, weshalb sie verschleppt wor-den war – der Grund, weshalb man sie brauchte, ihre Eltern und ih-ren Bruder hingegen nicht. Ihr Wunschlied. Sie lebte, und die ande-ren hatten wegen ihrer ererbten Gabe das Leben verloren. Sie wardiejenige mit der Magie. Sie war es, die etwas Besonderes darstellte.Etwas so Besonderes, dass man ihre Familie dafür ermordete undsie selbst verschleppte. Für das man ihr alles, was sie liebte, entriss.

Nicht lange danach kam es plötzlich und unerwartet zu einemAufruhr, lautem Kampflärm und wütenden Schreien. Es schien vonüberall her zu kommen. Dann wurde sie vom Boden gehoben, fort-getragen, und die Geräusche blieben hinter ihr zurück. Ihr jetzigerTräger wiegte sie im Arm, während er lief, drückte sie fest an sich,als wolle er sie in ihrer Angst und Verzweiflung trösten. Sieschmiegte sich in die Arme ihres Retters, denn tatsächlich suchte sieTrost.

An einem stillen Ort nahm man ihr Fesseln, Knebel und Augen-binde ab. Sie setzte sich auf und sah sich einem großen Mann gegen-über, der eine schwarze Robe trug, einem Mann, der nicht vollstän-dig menschlich war. Sein Gesicht wies Schuppen und eine Zeich-nung wie bei einer Schlange auf. Seine Finger endeten in Krallen,und seine Augen stellten lidlose Schlitze dar. Ihr stockte der Atem,und sie wich vor ihm zurück, doch er rührte sich nicht.

»Jetzt bist du in Sicherheit, Kleine«, flüsterte er. »Sicher vor de-nen, die dir etwas antun wollen, vor dem Dunklen Onkel und sei-nesgleichen.«

Sie wusste nicht, von wem er sprach. Vorsichtig schaute sie sichum. Ein Wald umgab sie, die Bäume hielten auf allen Seiten Wache,und ihre Äste begrenzten ein Meer aus Sonnenlicht, das die Walder-

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de wie Goldstaub sprenkelte. Niemand war in der Nähe, und nichts,was sie sah, erschien ihr bekannt.

»Du brauchst keine Angst vor mir zu haben«, sagte ihr Gegen-über. »Fürchtest du dich vor meinem Aussehen?«

Misstrauisch nickte sie und schluckte, weil ihre Kehle ausgedörrtwar.

Er reichte ihr einen Wasserschlauch, und dankbar trank sie. »Habkeine Angst. Ich bin von gemischter Herkunft, sowohl Mensch alsauch Mwellret, Kleine. Vielleicht sehe ich fürchterlich aus, abertrotzdem bin ich dein Freund. Schließlich habe ich dich vor den an-deren gerettet. Vor dem Dunklen Onkel und seinen Gestaltwand-lern.«

Nun erwähnte er schon zum zweiten Mal den Dunklen Onkel.»Wer ist das?«, fragte sie. »Hat er uns all das angetan?«

»Er ist ein Druide. Walker lautet sein Name. Er ist es, der euerHaus angegriffen und deine Eltern und deinen Bruder getötet hat.«Mit seinen Reptilienaugen starrte er sie an. »Denk zurück. Dannwirst du dich erinnern, sein Gesicht gesehen zu haben.«

Zu ihrer Überraschung stimmte das. Sie sah es deutlich vor sich,wie es im Morgengrauen vor dem Fenster vorbeihuschte, dunkleHaut und schwarzer Bart, Augen, die sie mit ihren Blicken bis aufdie nackte Haut auszogen, eine dunkle Stirn, die tief gerunzelt war.Sie sah ihn, erkannte ihren Feind in ihm und verspürte eine Wut vonsolcher Heftigkeit, dass sie glaubte, tief im Innersten zu brennen.

Dann weinte sie, dachte an ihre Eltern und ihren Bruder, an ihrZuhause und ihre verlorene Welt. Der Mann, der ihr gegenübersaß,zog sie sanft in seine Arme und drückte sie fest.

»Du kannst nicht zurück«, erklärte er ihr. »Sie werden nach dirsuchen. Solange sie dich für lebendig halten, werden sie nicht aufge-ben.«

Sie nickte an seiner Schulter. »Ich hasse sie«, zischte sie klagend.»Ja, ich weiß«, flüsterte er. »Und damit hast du vollkommen

Recht.« Seine kehlige Stimme wurde fester. »Aber hör mich an, Klei-ne. Ich bin der Morgawr. Von nun an will ich Vater und Mutter für

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dich sein. Ich bin deine Familie. Natürlich werde ich dir helfen, Ra-che zu nehmen für das, was man dir geraubt hat. Ich lehre dich, wiedu dich gegen alles wappnen kannst, was dir wehtun könnte. Ichlehre dich, stark zu sein.«

Er brachte sie fort, hob sie auf, als wäre sie federleicht, und trugsie tiefer in die Wälder zu einer Stelle, an der ein riesiger Vogel war-tete. Den Vogel nannte er einen Würger, und auf seinem Rücken flo-gen sie in einen anderen Teil der Vier Länder, einen dunklen, einsa-men Ort, an dem es weder Geräusche noch Leben gab. Genau wieer versprochen hatte, sorgte er für sie, bildete sie an Geist und Kör-per aus und beschützte sie. Auch über den Druiden erzählte er ihrmehr, berichtete ihr von seinen Ränken und seinem Machthungerund seinem lange schon verfolgten Ziel, alle Rassen in allen Ländernzu beherrschen. Er zeigte ihr Bilder des Druiden und seiner schwarzgekleideten Diener und ließ das Feuer des Zorns, das in ihrer kind-lichen Brust loderte, niemals erlöschen.

»Vergiss niemals, was er dir geraubt hat«, schärfte er ihr wiederund wieder ein. »Und auch nicht, was er dir für seinen Verrat schul-det.«

Nach einer Weile unterrichtete er sie darin, wie sie das Wunsch-lied als Waffe einsetzen konnte, gegen die sich niemand zu wehrenvermochte – nie zuvor hatte sie es so gut gemeistert und so vollkom-men unter Kontrolle gebracht, nie zuvor hatte sie es sich so sehr zueiner zweiten Natur gemacht. Er lehrte sie, wie eine leichte Ände-rung der Tonhöhe Gesundheit in Krankheit und Leben in Tod ver-wandeln konnte. Ein Druide besaß diese Macht ebenfalls, erklärte erihr. Vor allem der Druide Walker. Sie müsse lernen, ihm ebenbürtigzu sein und ihn mit ihrer Magie zu besiegen.

Nach einer Weile dachte sie nicht mehr an ihre Eltern und ihrenBruder, den sie für tot hielt; sie waren nur mehr Gebeine, die in derErde begraben lagen, ein Teil ihrer verlorenen Vergangenheit, ihrerKindheit, die an einem einzigen Tag zu Ende gegangen war. Sie über-ließ sich dem neuen Leben und ihrem Lehrer, ihrem Mentor, ihremFreund. Der Morgawr stellte all dies für sie dar, während sie heran-

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wuchs, und noch viel mehr. Er formte ihr Denken und navigierte siedurchs Leben. Von ihm erhielt sie Inspirationen für ihre magischenZiele, er schenkte ihr den Traum, eines Tages ihr erlittenes Unrechtzu rächen.

Er nannte sie seine kleine Ilse-Hexe, und den Namen übernahmsie von ihm. Ihren früheren Namen begrub sie mit der Vergangen-heit und benutzte ihn niemals wieder.

Zwei

hre Erinnerungen an die Vergangenheit, die mehr und mehrverblassten und zu Bruchstücken zerfielen, lösten sich in

nichts auf, während sie auf einer Waldlichtung tausend Meilen fernder Heimat vor diesem Jungen stand, der behauptete, ihr Bruder zusein.

»Grianne, ich bin Bek«, beteuerte er. »Erinnerst du dich nicht?«Natürlich erinnerte sie sich an alles, wenngleich nicht mehr so

scharf und deutlich und auch nicht mehr so schmerzerfüllt. Sie er-innerte sich, aber sie weigerte sich zu glauben, dass Erinnerungennach so vielen Jahren mit solcher Klarheit zum Leben erwachenkonnten. In all dieser Zeit hatte sie ihren Namen selten gehört, hat-te ihn nicht ausgesprochen und nicht einmal mehr an ihn gedacht.Sie war die Ilse-Hexe, und dieser neue Name beschrieb, wen undwas sie darstellte, nicht jener andere. Den anderen würde sie wiedertragen, wenn sie Rache an dem Druiden geübt hatte, zu einem Zeit-punkt, an dem sie genug Erkenntnis und Macht erlangt hatte, damitder Name, einmal ausgesprochen, nie wieder von irgendjemandemvergessen werden würde.

Und jetzt stand dieser Junge vor ihr und wagte es, ihr einzureden,er dürfe ihn benutzen. Ungläubig und voller Zorn starrte sie ihn an.Konnte er wirklich ihr Bruder sein? Konnte er Bek sein, den sie so

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lange für tot gehalten hatte? War das möglich? Sie versuchte, in die-sem Gedanken einen Sinn zu erkennen, ihn irgendwie zu verarbei-ten, Worte zu finden, mit denen sie antworten konnte. Aber alles,was ihr einfiel, war wirr und unzusammenhängend und wollte sichnicht ordnen lassen. Alles erstarrte zu Eis und hinterließ eine solcheFrustration über ihre mangelnde Handlungsfähigkeit in ihr, dass sieam liebsten geschrien hätte.

»Nein!«, brüllte sie schließlich. Nur dieses einzelne Wort löstesich von ihren Lippen, wie ein Fluch, den man einem Dämon entge-genschleudert.

»Grianne«, wiederholte er leise.Sie sah den dunkelbraunen Haarschopf und die verblüffend blau-

en Augen, die ihren eigenen so sehr glichen, die ihr so vertraut wa-ren. Zudem glich ihr der Knabe, sowohl im Körperbau als auch vomÄußeren her. Dazu hatte er etwas anderes an sich, das sie nicht rechtzu fassen bekam, dennoch war es unverkennbar vorhanden. Er hät-te Bek sein können.

Aber wie? Wie konnte das möglich sein?»Bek ist tot«, zischte sie ihn an und stand starr da, eine schlanke

Gestalt in dunkler Robe.Am Boden neben ihr kniete Ryer Ord Star im Schatten und hielt

sich den Bauch, ein kleines Bündel Kleider mit gesenktem Kopf, dendas lange silberne Haar wie ein Vorhang umschloss. Seitdem dieIlse-Hexe urplötzlich aus der Nacht aufgetaucht war, hatte sie sichnicht gerührt, nicht den Kopf gehoben oder auch nur ein einzigesWort gesagt. Still und dunkel, wie sie da kauerte, hätte sie eine stei-nerne Statue sein können, die ein Bildhauer hier aufgestellt hatte,um der Rast eines Reisenden als Wächter zu dienen.

Die Ilse-Hexe schaute kurz zu ihr hinüber und fixierte sofortwieder den Jungen. »Sag schon«, zischte sie, »warum sollte ich dirglauben?«

»Ich wurde von einem Gestaltwandler namens Truls Rohk geret-tet«, antwortete er schließlich, wobei er ihrem Blick standhielt. »Derbrachte mich zum Druiden Walker, und dieser wiederum übergab

Page 22: TERRY BROOKS Shannara VIII - bilder.buecher.de · Buch Eine bunte Schar von Abenteurern bricht mit dem Luftschiff »Jerle Shannara« zu einer Reise auf, um die verschollenen Edelsteine

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mich den Leuten, die mich wie ihren eigenen Sohn aufzogen. Trotz-dem bin ich Bek.«

»Woher willst du das alles wissen? Als ich dich in diesem Kellerversteckt habe, warst du erst zwei Jahre alt!« Sie verbesserte sich.»Als ich meinen Bruder versteckte. Aber mein Bruder ist tot, und dubist ein Lügner.«

»Das meiste hat man mir erzählt«, räumte er ein. »An meine Ret-tung kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber schau mich einmalan, Grianne. Betrachte uns beide! Die Ähnlichkeit ist doch nicht zuübersehen. Wir haben die gleichen Augen und die gleiche Haarfar-be. Wir sind Bruder und Schwester! Fühlst du es denn nicht?«

Sie trat einen Schritt vor. »Warum sollte ein Gestaltwandler dichretten, wo es doch die Gestaltwandler waren, die meine Eltern ge-tötet und mich verschleppt haben? Weshalb hätte der Druide dichretten sollen, während er mich doch einsperren wollte?«

Der Junge schüttelte bedächtig den Kopf, blickte sie mit seinenblauen Augen an und setzte eine entschlossene Miene auf. »Nein,Grianne, nicht die Gestaltwandler oder der Druide haben unsere El-tern umgebracht und dich verschleppt. Sie waren nie deine Feinde.Erkennst du die Wahrheit denn noch immer nicht? Denk doch ein-mal nach, Grianne.«

»Ich habe sein Gesicht gesehen!«, schrie sie voller Wut. »Ich sahes durch ein Fenster, wie es im Licht der Dämmerung kurz vor demAngriff vorbeihuschte, bevor ich …«

Plötzlich unterbrach sie sich und fragte sich zum ersten Mal, obsie sich vielleicht täuschte. Hatte sie den Druiden tatsächlich gese-hen, wie der Morgawr behauptete, als er ihr befahl, sich zu erin-nern – als sei er sicher, sie würde sich wirklich daran erinnern? Wiehatte er wissen können, was sie gesehen hatte? Wenn sie sich tat-sächlich getäuscht hatte, so wären die Folgen entsetzlich, zu entsetz-lich, um darüber nachzudenken. Sie wischte den Gedanken beisei-te, dennoch nistete er sich in ihrem Kopf ein wie eine Schlange, diesich zum Zustoßen bereithält.

»Wir sind Ohmsfords, Grianne«, fuhr der Junge leise fort. »Und