theaterTREFFENText SAMSTAG 7. Juni

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no. 6 25. theatertreffen deutschsprachiger schauspielstudierender Freitag, 7. juni 2014 theater TREFFEN Text VON DEN MACHERN VON „Möchten Sie eine Pause machen?“ „Nein“, antwortet die Klasse im Chor. Sieben Konformisten im Schulsystem ei- ner englischen Oberschichten-Schule. Die unterschiedlichen Charaktere offenbaren sich erst, wenn die Lehrer weg sind. Dann machen sie sich gegenseitig das Leben schwer – Wahlpflichtfach Ellenbogentrai- ning. Bennett, optisch BWL-Student im zweiten Semester, vom Typ her ein blöder Schnösel, gibt den Ton an. Sein Gegenteil ist Chadwick, in sich gekehrt, schüchtern, intellektuell Bennett überlegen, körperlich ganz und gar nicht. Mit viel Gleichgültig- keit und wissend, dass die anderen Dumm- köpfe sind, übersteht er die Hänseleien der Gruppe, wird aber zum jugendlich-wirr philosophierenden Nihilisten. Nicholas hat immerhin Bennett nicht zum Feind und die neue Schülerin Lilly zur Freundin. Nur William hat nichts, was ihn in dieser Lö- wenarena zumindest zeitweise besonders machen würde. Simon Stephens charakterisiert die Fi- guren in PUNK ROCK schon sehr schablonen- haft. Zudem herrscht ein deutliches Un- gleichgewicht. Die Frauen kommen eher selten zu Wort. Während sich im Streit der Jungs die Dynamik zwischen ihnen ent- faltet, bleiben diese eindimensional und sind mehr über ihre Beziehungen zu ihren männlichen Gegenübern definiert als un- tereinander. Dass sie in der Inszenierung der Hochschule für Musik und darstellen- de Kunst Frankfurt oft in den Hintergrund treten, liegt nicht an der mangelnden Büh- nenpräsenz der Schauspielerinnen, son- dern an Stephens’ Textvorlage. Überhaupt zwingt diese alle Beteiligten fast klischee- hafte Typen zu spielen, was ihnen aber ge- lingt. Elias Eilinghoff sticht in der Rolle des Chadwick hervor, wenn er vom verschlos- senen Nerd zum argumentativen Austeiler wird und dem oft aggressiv vorgetragenen Text seiner Gegenspieler listige Mimik- wechsel entgegensetzt. Die Regieentscheidungen Fabian Ger- hardts sind stimmig, aber mutlos. Was auf den drohenden Amoklauf zu deutlich hinweisen könnte, wurde gestrichen oder verschoben, um die Geschichte mehr zum Thriller mit überraschender Wendung werden zu lassen. Das schadet vor allem der Figur des späteren Amokläufers, weil sich dessen psychische Probleme nicht schon früh durch seine notorischen Lü- gen andeuten. So kann Henning Kallweit als Nicholas erst brillieren, wenn er im musikalischen Zwischenspiel ans Mikro- fon tritt. Man meint plötzlich den jungen Sex-Pistols-Sänger Johnny Rotten vor sich zu haben. Auch andere Gesangseinlagen von Popsongs, wie Awoltnations SAIL mit den Zeilen „Maybe I should kill myself / blame it on my A.D.D.“, sind stimmungs- voll und schön anzuhören. Nur wirkt mit diesen zusätzlich zum Schauspiel emotio- nalisierenden Einschüben und der drama- turgischen Änderung die Warnung Nicho- las‘ an Tanya, am Tag seines Amoklaufs nicht die Schule zu besuchen, als würde ein ohnehin schon sehr glattgebürsteter Text, für die Aufführung noch einmal dem Publikum erklärt werden. Das ergibt eine bodenständige, schulische Inszenierung, die die Frage hinterlässt, ob nicht den Dar- stellern auch hätte mehr zugetraut werden können. Benedikt Frank SCHIEB’S AUF MEIN ADHS Foto: Nationaal Archif Lizenz, CC: SA

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Inhalt: -Über HfMT Frankfurt/Main PUNK ROCK Simon Stephens -Über HfMT Rostock DER GOLDENE DRACHE von Roland Schimmelpfennig -Vorbericht Max Reinhardt Seminar Wien MAGGIE T. von Michel Decar und Jakob Nolte -Über Folkwang UdK Essen-Bochum DNA von Dennis Kelly -Nachruf/Dank Studenten des Ergänzungsstudiengangs "Theater-, Film- und Fernsehkritik" an der Hochschule für Fernsehen und Film in München (HFF), in Kooperation mit der Bayerischen Theaterakademie, berichten täglich vom 25. Theatertreffen Deutschsprachiger Schauspiel Studierender 2014 in München. Die Arbeit der Studentinnen und Studenten wird von deren Studiengangsleiter Prof. Dr. C. Bernd Sucher begleitet.

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no. 6 25. theatertreffen deutschsprachiger schauspielstudierender Freitag, 7. juni 2014

theaterTreffen

Text

Von den Machern Von

„Möchten Sie eine Pause machen?“ – „Nein“, antwortet die Klasse im Chor. Sieben Konformisten im Schulsystem ei-ner englischen Oberschichten-Schule. Die unterschiedlichen Charaktere offenbaren sich erst, wenn die Lehrer weg sind. Dann machen sie sich gegenseitig das Leben schwer – Wahlpflichtfach Ellenbogentrai-ning. Bennett, optisch BWL-Student im zweiten Semester, vom Typ her ein blöder Schnösel, gibt den Ton an. Sein Gegenteil ist Chadwick, in sich gekehrt, schüchtern, intellektuell Bennett überlegen, körperlich ganz und gar nicht. Mit viel Gleichgültig-keit und wissend, dass die anderen Dumm-köpfe sind, übersteht er die Hänseleien der Gruppe, wird aber zum jugendlich-wirr philosophierenden Nihilisten. Nicholas hat immerhin Bennett nicht zum Feind und die neue Schülerin Lilly zur Freundin. Nur William hat nichts, was ihn in dieser Lö-wenarena zumindest zeitweise besonders machen würde.

Simon Stephens charakterisiert die Fi-guren in Punk Rock schon sehr schablonen-haft. Zudem herrscht ein deutliches Un-

gleichgewicht. Die Frauen kommen eher selten zu Wort. Während sich im Streit der Jungs die Dynamik zwischen ihnen ent-faltet, bleiben diese eindimensional und sind mehr über ihre Beziehungen zu ihren männlichen Gegenübern definiert als un-tereinander. Dass sie in der Inszenierung der Hochschule für Musik und darstellen-de Kunst Frankfurt oft in den Hintergrund treten, liegt nicht an der mangelnden Büh-nenpräsenz der Schauspielerinnen, son-dern an Stephens’ Textvorlage. Überhaupt zwingt diese alle Beteiligten fast klischee-hafte Typen zu spielen, was ihnen aber ge-lingt. Elias Eilinghoff sticht in der Rolle des Chadwick hervor, wenn er vom verschlos-senen Nerd zum argumentativen Austeiler wird und dem oft aggressiv vorgetragenen Text seiner Gegenspieler listige Mimik-wechsel entgegensetzt.

Die Regieentscheidungen Fabian Ger-hardts sind stimmig, aber mutlos. Was auf den drohenden Amoklauf zu deutlich hinweisen könnte, wurde gestrichen oder verschoben, um die Geschichte mehr zum Thriller mit überraschender Wendung

werden zu lassen. Das schadet vor allem der Figur des späteren Amokläufers, weil sich dessen psychische Probleme nicht schon früh durch seine notorischen Lü-gen andeuten. So kann Henning Kallweit als Nicholas erst brillieren, wenn er im musikalischen Zwischenspiel ans Mikro-fon tritt. Man meint plötzlich den jungen Sex-Pistols-Sänger Johnny Rotten vor sich zu haben. Auch andere Gesangseinlagen von Popsongs, wie Awoltnations Sail mit den Zeilen „Maybe I should kill myself / blame it on my A.D.D.“, sind stimmungs-voll und schön anzuhören. Nur wirkt mit diesen zusätzlich zum Schauspiel emotio-nalisierenden Einschüben und der drama-turgischen Änderung die Warnung Nicho-las‘ an Tanya, am Tag seines Amoklaufs nicht die Schule zu besuchen, als würde ein ohnehin schon sehr glattgebürsteter Text, für die Aufführung noch einmal dem Publikum erklärt werden. Das ergibt eine bodenständige, schulische Inszenierung, die die Frage hinterlässt, ob nicht den Dar-stellern auch hätte mehr zugetraut werden können. Benedikt Frank

Schieb’SAuf meinADhS

Foto: Nationaal Archif Lizenz, CC: SA

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no. 6 seite 2 kritik

Am Ende ist der Chinese tot. Er liegt bleich und blutüberströmt auf dem Fuß-boden der Küche im China-Thai-Viet-nam-Schnellrestaurant DER GOLDENE DRACHE in dem er als Aushilfskoch gearbeitet hatte. Anfangs waren es nur Zahnschmerzen, die immer schlimmer wurden. Und da haben sie ihm den fau-len Zahn eben herausgebrochen, dort in der Küche, mit einer roten Rohrzange. Es blieb nichts anderes übrig, als den Leich-nam dieses Arbeitsnomaden ohne Pass und Perspektiven von einer Brücke in den Fluss zu werfen.

Was sich wie der Plot eines dunklen Sozialdramas liest, beginnt in der Ros-tocker Inszenierung von Schimmelpfen-nings DER GOLDENE DRACHE rhyth-misch. Schauplatz ist die Küche eben jenes China-Thai-Vietnam-Schnellrestau-rants. Dicht gedrängt auf einem kleinen Podest, hinter einem Tisch mit Woks und Pfannen, stehen die Köche. Sie skandie-ren die angebotenen Speisen und Gerich-te im Takt der imaginierten Schneide-messer und Gemüsehobel: „Nummer 83: Pad Thai Gai: gebratene Reisbandnudeln

AUS DEM TAKT

Roland Schimmelpfennigs DER GOLDENE DRACHE in einer Inszenierung der

Hochschule für Musik und Theater Rostock

mit Ei, Gemüse, Hühner-fl eisch und pikanter Erd-nuss-Sauce, mittelscharf.” Ihr melodischer Sprechge-sang, immer wieder unter-brochen vom Schmerzens-schrei des Leidenden, setzt zunächst eine Tonlage für diese Inszenierung.

Doch dann wechselt das Stück sein Tempo: Amei-se und Grille treten auf und erzählen uns eine Fa-

bel. Mit den Gesten eines Showmasters führt uns die Ameise, Emanuel Jessel, durch diese Geschichte. Die Grille hat den ganzen Sommer, Tag und bei Nacht musiziert während die brave Ameise fl eißig ihre Vorräte sammelte. Doch als der Winter kommt, hat die Grille nichts zu essen und bitte die Ameise um Hilfe. Diese schlägt ihr ein perfi des Geschäfts-modell vor: „Die Ameise vermietet die Grille an andere Ameisen. Die Ameisen sind scharf auf die Grille. Sie fi nden sie ordinär, sie fi nden sie geil, sie stehen auf ihren Akzent.“ Varvara Popovkina, als entmündigte und missbrauchte Grille, die von den Ameisen zur Prostitution ge-zwungen wird, schafft es, in den ruhigen Momenten des Stückes, wirklich, den tragischen Kern des Textes zur Geltung zu bringen, der sonst in dieser Inszenie-rung leider viel zu oft hinter gefälligen Effekten und anbiederndem Klamauk unterzugehen droht.

DER GOLDENE DRACHE von den Stu-denten des dritten Jahrgangs der Hoch-schule für Musik und Theater Rostock ist dynamisch inszeniert. Langsame

Passagen wechseln sich mit lauteren ab, musikalische Einlagen, wie der Chor der Flugbeileiterinnen Inga und Eva zu den Klängen von John Lennons IMAGINE, sind stimmig eingebettet.

Doch der Versuch, die Kälte und Härte des Textes mit vermeintlich unterhalt-samen Passagen zu konterkarieren und dies rhythmisch zu komponieren, geht in diesem Fall nicht ganz auf. Zu albern wirken manche der Einlagen, zu über-dreht ist das Spiel zuweilen. Die Insze-nierung setzt zu sehr auf den schnellen Effekt und den leichtem Humor, man merkt ihr an, dass sie gefallen will. Pop-kulturelle Referenzen und Zitate, die von Star Wars über Tetris zu Conchita Wurst und Game of Thrones reichen, werden allzu unmotiviert bemüht und wirken angestrengt. Schauspieler sächseln und berlinern munter drauf los, es wird ge-kreischt, geschrien, geblödelt und gebus-selt, bis einem der Akteure tatsächlich das falsche Gebiss aus dem Mund fällt. Ein Gebiss, das wie auch manch ande-res Detail den schmalen Grat zwischen Ironie und schlichter Karikatur deutlich überschreitet.

Wo Schimmelpfennings Text geschickt mit Vorurteilen und Wahrnehmungen fremder Kulturen hantiert, droht die Inszenierung in ein plattes China-Thai-Vietnam-Potpourri abzugleiten, in dem asiatische Klischees, vom Kimono bis zur Winkekatze, verwurstet werden. Man könnte diese Form der Darstellung pseu-do-asiatischer Stereotype, China-Splache inklusive, geradzu als yellow-facing wahrnehmen. Von Ironie keine Spur. Quirin Brunnmeier

Drei Chinesen mit dem Kontrabass Foto: hmt

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no. 6 seite 3 vorbericht

Ding Dong! The witch is dead! Das Lied aus DER ZAUBERER VON OZ erreichte am 14. April 2013, 74 Jahre nach erscheinen des Films, plötzlich Platz zwei der UK Sing-le Charts. Margaret Thatcher war sechs Tage zuvor gestorben. Die BCC weigerte sich, das Lied in ihrer Chartsendung zu

WHICH OLD WITCH?Gedanken zu einer negativen Pop-Ikone anlässlich der

Aufführung von MAGGIE T.

spielen. Den Erfolg vorbereitet hatte be-reits dreizehn Jahre zuvor die britische Band „Hefner“. In „The Day that Thatcher Dies“ sagen sie vorher, dass die Men-schen auf der Straße tanzen werden, und zitieren das Lied aus dem Märchenfi lm. Das Orakel lag richtig, besonders schwer zu erraten war die öffentliche Reaktion eines Teils der Bevölkerung nicht. Als konservative Politikerin hatte Thatcher Gewerkschaften entmachtet, eine markt-radikale Wirtschaftspolitik durchgesetzt und privatisiert, was nur ging. Sie zog in den Krieg, damit die Falklandinseln am anderen Ende der Welt britisch blieben. Das südafrikanische Apartheidregime unterstützt sie, Pinochet auch. Während ihrer Amtszeit wurde ein Gesetz verab-schiedet, das es verbot, positiv über Ho-mosexualität zu berichten.

Frankie Boyle kommentierte in der Comedytalksendung MOCK THE WEEK Jahre vor ihrem Tod bitterböse, als anlässlich eines Herzinfarkts Thatchers über ihre Beerdigungskosten spekuliert wurde,

was alleine schon bezeichnend ist: „Für drei Millionen Pfund könnte man jedem Schotten eine Schaufel kaufen und wir würden ein Loch graben, das so tief ist, dass wir sie dem Satan persönlich über-geben können.“ Die Salutschüsse seien auf den Sarg zu richten, um sicher zu

Killing me softly Foto: Archiv

stellen, dass sie wirklich tot sei.Die Popmusik lieferte genügend

Anti-Thatcher-Songs für ganze Platten-sammlungen. Zu ihrer Regierungszeit fühlte sich so ziemlich jede annähernd politische britische Band zu einem sol-chen Lied berufen. Von einfachen Paro-len - „Maggie, Maggie, Maggie! Out, out, out!“ (The Larks) - zu nur vordergrün-dig sanften Tönen – „The kind people / have a wonderfull dream / Margaret on the guillotine“ (Morrissey) – über ver-zweifeltes Bitten - „Stand down please“ (The English Beat) – zu späteren Songs, die wiederum als Zitat der Stimmung zu ihrer Regierungszeit gedacht waren – „Merry Christmas Maggie Thatcher / we celebrate today / cause it‘s one day closer to your death“ (Elton John für das Musical „Billy Elliot“). Die pazifi stische Anarcho-Punk-Band Crass hielt sich ganz ihren Idealen entsprechend mit Todeswün-schen zurück und stellte an Thatcher die rhetorische Frage „How does it feel to be the mother of a thousand dead?“ Die Ei-

serne Lady sonnte sich in dem Hass, den sie erzeugte.

So kindisch trotzig die Titel heute klin-gen, zu ihrer Regierungszeit war jede Schmähung völlig richtig. Nur wenn Jah-re später, als andere an der Macht waren und Thatcher längst im Pfl egeheim kalt-

gestellt war, noch die annähernd gleichen Zeilen veröffentlicht wurden, war klar, dass es nicht mehr um die Politik der Frau ging – und geht. Denn diese füh-ren nun andere fort, erhalten aber weit weniger heftige Reaktionen. Thatcher ist Gegenstand einer symbolischen Hexen-verbrennung geworden. Der Teufel soll durch ständig wiederholte Rituale ausge-trieben werden. Man kann sich so versi-chern, auf der richtigen Seite zu stehen, ohne ein Risiko einzugehen und braucht keine Angst zu haben, tatsächlich etwas an den Verhältnissen zu ändern, muss also auch keine bestimmten Forderungen zu stellen. Und doch: So viel Respektlosig-keit vor dem eigenen Führungspersonal, wie die Briten es hier zeigen, ist im ob-rigkeitshörigen Deutschland leider eher nunddenkbar. Wo sind die wütenden Lie-der über Gerd S. und Angie M., die sich hierzulande um die Etablierung neolibe-raler Politik mit verdient gemacht haben? Nicht einmal symbolisch kratzt man am Bild der Mächtigen. Benedikt Frank

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no. 6 seite 4 kritik

Bildunterschrift xxxx xxxxxx

Ein Kind ist tot, befürchtet man. Adam ist verschwunden, gesehen wurde er zuletzt in der Nähe eines Supermarktes zusam-men mit einem dicken Mann mit schlech-ten Zähnen. In einer Hecke fand man des-sen zerrissenen Pulli. Die obligatorische DNA-Analyse überführte zweifellos einen dicken Briefträger mit schlechten Zähnen. Er steht unter dringendem Tatverdacht, Adam entführt und ermordet zu haben. Aber Adam wurde nicht entführt und Adam wurde auch nicht ermordet. Adam

Genmanipulation, nein danke!

Die Folkwang Universität der Künste hat sich für das

Theatertreffen mit Dennis Kellys DNA

eine wenig brauchbare Textvorlage ausgesucht

wurde von seiner eigenen Clique gequält und zu einer gefährlichen Mutprobe ge-zwungen. Über ein wackliges Gitter, unter dem ein tiefer Abgrund klafft, musste er balancieren. Ein Stein, von den anderen Kindern geworfen, traf ihn am Kopf und er verschwand in dem dunklen Loch. Die Bande, angeführt von Mastermind Phil, versucht nun mit gezielt gestreuten Indi-zien, die Aufmerksamkeit der Ermittler von sich auf den unschuldigen dicken Briefträger zu lenken. Mit Erfolg. Nur,

das dunkle Geheimnis, das sie nun teilen, werden sie nicht so schnell los.

Was nach einem spannenden Plot und Charakteren „on the edge“ klingt, ist in dem Stück DNA des britischen Drama-tikers Dennis Kelly völlig routiniert und vorhersehbar. Der Text zeichnet schablo-nenhafte Charaktere. Es reicht nicht zur Milieustudie; und unglaubwürdig ist das Stück auch noch. Ein sehr ähnliche Ge-schichte um eine Gruppe amerikanischer College-Studenten, die in einem baccha-

Krawall und Remmi Demmi. Foto: Schauspielhaus Bochum

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Bildunterschrift xxxx xxxxxx

no. 6 seite 5 kritik

Wir bedanken uns für die groß-zügige Unterstützung bei:

Dr. Robin W. Bartels, Dr. Ger-hard Beiten, Dr. Christoph Bulfon, Thomas Deininger, Achim Hartz, Carsten von der Heyden, Dr. Joachim Giehl, Prof. Dr.Dr. Joseph Kastenbauer, Dr. Georg Kellinghusen, Dr. Gos-win von Mallinckrodt, Dr. Jörg Schweitzer, Hubert Stärker, Boltz Wachtel Dental und der v. Finck Stiftung

nalischen Rausch einen ihrer Kommi-litonen ermorden, erzählte Donna Tartt schon vor über zwanzig Jahren in ihrem Bestseller The secreT hisTory, wesentlich klüger und tiefgründig. Tief ist bei Kelly nur das Loch, in dem Adam verschwindet. Warum die Folkwang Universität ausge-rechnet dieses Stück auf die Bühne bringt, ist nicht nachvollziehbar. Aber der Trend geht eben immer noch zu den jungen, wil-den, englischen Dramatikern.

Gladiatorenkämpfe

Die Inszenierung stellt mit ihren schrillen und überzeichneten Kostümen und Frisuren einen interessanten Bezug zu den Verfilmungen von Suzanne Col-lins hunger games-Reihe her. Jugendliche müssen dort in futuristischen Gladiato-renkämpfen gegeneinander und gegen ein dystopisches System antreten. Der Verweis auf die aktuell im Kino einander mordenden Jugendlichen geht auf und hätte gerne noch auf die politische Dimen-sion ausgeweitet werden können.

Sophie-Louise Killer und Luise Kinner führen als Jan und Mark durchs Stück. Die

beiden Draufgänger spielen sie als kokette Gören, die tanzen, im Chor sprechen, nichts ernst nehmen und kaltblütig die Folter Adams vorangetrieben haben. Das erzählen sie alles mit einem frechen Grin-sen. Die beiden sind ein Glücksgriff für die Inszenierung: Sie bringen Bewegung und Dynamik in die Aufführung. Sie sind der Gegenpol zu Phil, dem Mastermind der Gruppe, gespielt von Erol Afsin, der sich den Vertuschungsplan ausdenkt, aber immer nur stoisch daneben sitzen darf, Äpfel isst und wenn er dran ist, zu leise spricht.

Verhuschte Irre

Auffallend gut vor allen: Lou Zöllkau als Lou, ein Babydoll, das wirklich eine Puppe mit sich herumschleift und sich im Stück zur verhuschten Irren wandelt. Mit dem Duo Jan und Mark gibt sie zumindest kurz einen Blick auf die psychologischen und soziologischen Abgründe frei. Katha-rina Rehn als Leah erzählt zwischendurch mal von Affen, die durch Genmanipula-tion in sexbesessene Mörder verwandelt werden. Ja, diese böse DNA findet man

doch wirklich überall. Am Ende taucht dann noch Adam wieder auf. Dass der gar nicht tot ist, wusste man aber schon aus dem Programmheft. Er hat sich jedenfalls all die Wochen, wie man jetzt erfährt, im Wald von Insekten und Grünfutter ernährt. Außerdem hat er wahrscheinlich den Text von Dna auswendig gelernt, denn den sagt er jetzt auf. – Aber auch ein Deus ex machina kann keine Wende mehr in diese Inszenierung bringen, die vor allem an ih-rer Textvorlage leidet. Nicolas Freund

Wir tanzen auf den Tischen, die Stimmung ist beschissen. Foto: Schauspielhaus Bochum

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no. 6 nachruf

Vater, Mutter, Krieg. Foto: Christian Kleiner

IMPRESSUMtheater treffen text ist ein Projekt des Studiengangs Kulturkritik der HFF/Bayerischen Theaterakademie August Everding

Herausgeber: Otto Falckenberg Schule

V.i.s.d.P: Prof.Dr. C.Bernd SucherRedaktion: Quirin Brunnmeier, Benedikt Frank, Nicolas Freund, Sebastian Lauterbach, Antonia Mahler, Britta Schönhütl, Artur Senger, Anna Steinbauer, Julia Weigl

Wir bedanken uns bei Jochen Noch, dem Direktor der Otto Flackenberg Schule München, der die Initiative zu dieser Pu-blikation ergriffen hat und uns während dieser Woche mit Zuspruch, Lob und Kri-tik sehr geholfen hat! Unsere Wünsche hat er auf großzügige Weise unterstützt, wenn auch nicht alle in Erfüllung gingen.

Wir bedanken uns bei Marina Busse, der Geschäftsführerin der europäischen Theaterakademie GmbH „Konrad Ekhof“ Hamburg.

Wir bedanken uns bei Sabrina Schmidt von den Münchner Kammerspielen für die gelungene Organisation.

Wir bedanken uns bei Christine Lehne-mann von der Otto Falckenberg Schule, die uns bei der Herstellung der Zeitung TheaterTreffenText geholfen hat.

Wir bedanken uns bei unseren Lesern – den Studentinnen, den Studenten, den Dozenten und den Professoren – für ihr tägliches, anhaltendes und übergroßes Interesse. Vor allem bei jenen möchten

Dank

wir uns bedanken, die unsere Kritiken zum Anlass nahmen, mit uns zu spre-chen. Denn das ist nur auf solchen Fes-tivals möglich! Wir haben uns besonders gefreut, dass jenseits aller Meinungsver-schiedenheiten mit vielen freundliche und kluge Gespräche über die Theaterma-cher und die Kritiker, über ihr Tun und Lassen möglich war.

Wir bedanken uns bei Mitgliedern des Münchner Herrenclubs für die großzügi-ge finanzielle Hilfe.

Und wenn wir uns etwas wünschen dürf-ten, dann dies: Wir wären gern im nächs-ten Jahr wieder dabei. Auch, um – deut-licher noch als in diesem Jahr – klar zu machen, was wir tun, was wir wollen. Wir sind nämlich kein Festival-Service, son-dern wir publizieren eine Zeitung. Die Kritiken sind nur ein Teil dieser Publika-tion. Wer Lust hat, schaue sich die Bildun-terschriften an und enträtsele sie.

Danke.

� Die�Redaktion