Tristan und Isolde - Thematischer Leitfaden durch die Musik zu Richard Wagners´s Tristan und Isolde

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Thematischer Leitfaden durch die Musik zu Richard Wagner's SOLDE RISTAN UND nebst einem Vorworte über den Sagenstoff des Wagner'schen Dramas Hans von Wolzogen. Dritte unveränderte Auflage. LEIPZIG, Verlag von Feodor Reinboth. 1888.

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Wolzogen, Hans ¬von¬: Thematischer Leitfaden durch die Musik zu Richard Wagners´s Tristan und Isolde, nebst einem Vorworte über den Sagenstoff des Wagner'schen Dramas. - 3. unveränd. Aufl. - Leipzig : Reinboth, 1888. - 47 S. : mit Notenbeispielen

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  • Thematischer Leitfadendurch die Musik

    zu Richard Wagner's

    SOLDERISTAN UNDnebst einem Vorworte ber den Sagenstoff

    des Wagner'schen Dramas

    Hans von Wolzogen.

    Dritte unvernderte Auflage.

    LEIPZIG,Verlag von Feodor Reinboth.

    1888.

  • Die Sage.Mit den Namen Tr i s t an u n d I so lde ist durch das

    ganze Mittelalter und weit in die neuere Zeit die Vorstel-lung von hchstem Liebesglcke und tiefstem Liebesleide,sowie aller erdenklichen romantischen Liebesabenteuer, imGeiste der europischen Kulturvlker verknpft gewesen.Nach dem Wiedererwachen der Theilnahme fr die alteSagenwelt und Litteratur in Deutschland, hat R i c h a r dWagner ' s Neubelebung des unsterblichen Stoffes seit etwazwanzig Jahren diese typischen Gestalten des uralten Mythosder Liebe uns wiederum nahe gefhrt und zu eigen gegeben.

    Das fr die alten Gestaltungen der Liebessage vonTristan und Isolde charakteristische Moment ist der L iebes -z a u b e r , der in Form eines T r a n k e s die Liebenden mitunwiderstehlich dmonischer Gewalt an einander kettet.Diese mythisch-romantische Vorstellung findet man, in Ver-bindung mit mehren oder wenigeren ndern Zgen derspteren deutschen Tristandichtungen, bei den verschieden-sten indogermanischen Vlkern. Im Morgenlande bewahrtendie sagenreichen P e r s e r die merkwrdigsten Erinnerungendaran; im Abendlande hat das Bardenthum der britischenK e l t e n die reichste Ausgestaltung des schlichten Mythosvon dem im Liebeszauber gefesselten Paare, bereits mitder keltischen Artussage, ja auch mit der Sage vom hei-ligen Grale verbunden, an Franzosen und Deutsche ber-liefert. Was sich daraus an mythischen G r u n d z g e nnoch erkennen lsst (die anfngliche Gegnerschaft der beidenLiebenden, der Kampf Tristan's mit einem Verwandten Isol-den's, die Pflege des Helden durch die zauberkundige Knigs-tochter, die Werbung Tristan's um dieselbe fr einen An-dern, der Liebeszauber, heimliche Verbindung, Verrath,

    l*

  • gemeinsamer Tod): dies alles erinnert an die S i e g f r i e d -Sage (auch ein Drachenkampf ward Tristan zuge-schrieben) , nur dass der Zaubertrank, jener Haupt- undMittelpunkt der Tristansage, bei Siegfried gegen das Ende,in die zweite Sagenhlfte, verlegt erscheint. Siegfried mussihn trinken , um s e i n e Isolde, Brnnhilde, zu ver-gessen und sich mit der Andern (Gutrune-Kriemhilde)zu verbinden; woran sich dann bei ihm die Werbung dereigenen Braut fr den Andern (Gunther) anschliesst. Dochfinden wir auch schon in der ltesten Ueberlieferung derTristansage solche V e r d o p p e l u n g der Person derGeliebten, und in Folge dessen einen Treubruch des den-noch im Grunde treu bleibenden Liebenden : Tristan l ieb tdie blonde Isolde, aber er vermhlt sich der Isolde mitden weissen Hnden und geht, wie Siegfried, in den Hn-deln der V e r w a n d t e n der zweiten Geliebten unter. Offen-bar ist dieses Doppelspiel in derselben Sage schon in andererForm durch die Werbung Isolden's fr Marke, und zwareinfacher, wrdiger, tragischer dargestellt; aber gerade dieZweiheit der Personen weist uns auf den myth i schenGrund des Ganzen hin.

    Wir haben es bei Tristan wie bei Siegfried mit einerheroisch-ritterlichen Umgestaltung eines schlichten Natur-mythos zu thun. Die Liebe der Helden ist ein mythischesBild fr das Naturverhltniss von Sonne und Erde. Dieeinfachste Form dafr bietet uns das Eddalied S k i r n i s f rdar. Sk i rn i r , der strmische Frhlingsheld, wirbt frseinen Herrn Freyr , den Sonnengott, die eisige Winter-erde : G e r d a mit den weissen Armen. Gerda und Skirnir-Freyr erscheinen als heftige Gegner, schwer ist der Kampf,der Verwandte der Gerda (Winterriese Beli) fllt unterSkirnir's Waffe, ein Zaubertrank wird von Gerda dem Werbergereicht, ein Zauber snftigt auch i h r e n Hass, aber dasSchwert des Freyr bleibt in Gerda's Hand: sie feiern ihrLiebesfest im Blthenhain; doch die Liebe ist des GottesTod, waffenlos fllt er im Kampfe der Gtterdmmerung.Die Doppelung der Person bezieht sich allerdings hier aufden Helden, anstatt auf die Geliebte ; wo aber dieses Letzteresich findet, wie in der Siegfried-Sage (Brnnhilde-Gutrune)und in der Geschichte von den beiden Isolden, da hat man

    in den beiden Gestalten der Jungfrau, nach dem nun ein-mal gewonnenen mythischen Schlssel fr die Sage, diegeliebte Erde in ihrer zweifachen Bedeutung als Frh-l i n g s e r d e und als h e r b s t l i c h e Erde zu fassen. Istdoch auch Gerda eine eisige Wintermaid, ehe sie der Zauberbefreit, ganz wie Isolde vor dem Tranke , dessen mythischeBedeutung die des ersten, fruchtbaren G e w i t t e r r e g e n ssein soll. Aus Winterbanden befreit der strmisch werbendeLichtgott im Frhling die Erde; aber wenn er, nach Er-reichung des hchsten Gipfels seiner Macht und Seligkeit,mit der Sonnenwende sich ihr in ihrem Herbstgewandewieder nhert, verfllt er selbst den winterlichen Gewalten,die er einst besiegt hatte; er freit die Erde nun nicht mehrfr sich, sondern fr den W i n t e r ; die L i e b e wird ihmzum Tode.*)

    Wie durch den Fluch des Liebeszaubers auch der altkel-tische D r y s t a n , der Strmische, Wilde, Khne, (S. Anm. I)zum T r i s t a n , dem Helden der Trauer, dem Trger derTragik, wie auch ihm der L i e b e s t r a n k zum Todes-t r a n k e wird, eben dieser seit Urzeiten vorgezeiclmetedunkele Schluss des Mythos erscheint uns nun in Wagner'sDrama wiedergedichtet. Betrachten wir also jetzt noch

    *) Mit obiger D e u t u n g stimmen die N a m e n der Helden: dieLicht- und Frhlingsgewalten (Balder, Skirnir, Fricco-Freyr) heissenvielfach nach dem Khnen, Strmischen ihres Wesens. Auch denNamen Tristan's erklrt man aus dem Keltischen als D r y s t a n , denStrmischen (vgl. d e u t s c h : thrstig = khn, wild; g r i ech i sch :thrasys, muthig). Im Sanskrit heisst dr i sh tan , keck, frech. Wirerkennen hiernach in Tristan's Namen, wie in seiner Sage, ein al t -i n d o g e r m a n i s c h e s Gut. Isolde's Name dagegen erscheint unssogar speciell d e u t s c h e r Herkunft. Deutlich enthlt er die beidenNamen der deutschen Wintergttin: Isa (daher Isenaha, Eisenach)und H o l d a (daher Holdaberg, Venusberg bei Eisenach), d. h. dieEisige und die Verhllte. Isa's Schiff zog man im Frhjahr, wennder Winterbann durch den Frhlingszauber gebrochen war, wenn dieGewsser wieder offen strmten, freudig zur Lenzesfeier durch's deut-sche Land (Isolden's Schifffahrt nach Kornwall, I. Akt bei Wagner!).Frau Holda zieht aus dem Berg hervor, wenn der Mai mit tausendholden Klngen sie wieder an's Licht ruft; im Todesbann des Win-ters aber ist der T a n n h u s e r ihr gesellt. (Liebesnacht im Bl-thenhain, II. Akt bei Wagner!)

  • kurz diese Dichtung Wagner's selber, im Vergleiche zuden vorhergegangenen lteren, sagenhaft epischen Gestal-tungen des Mythos von Tristan und Isolde.

    Die Dichtung.(1857.)

    Wenn man sagt, Wagner habe die T r i s t a n s a g e dra-matisirt, so drckt man sich sehr ungenau aus. Wir habengesehen, dass eine fertig vorliegende Tristansage gar nichtexistirt. Man hat einzelne fragmentarische berlieferungenin keltischer, franzsischer und deutscher Litteratur; dochschon diese geben uns nicht eine einfache Sage, sonderneine aus verschiedenen Sagenkreisen gemischte, bunte, weitausgesponnene Menge von ritterlichen Abenteuern. DieGrundzge der Handlung aber, welche der geniale Blickdes Dichters Wagner erst daraus losgelst, erkennt manalsdann in bereinstimmung mit einzelnen Zgen uralterNaturmythen.

    Gering sind die berbleibsel der keltischen Erzhlungen.Was uns davon verloren gegangen, hat sich erhalten indem alt f r a n z s i s c h e n Prosaromane des EnglndersL u k a s von Gas t aus dem 12. Jahrhundert, in den be-arbeiteten Resten eines deutschen Gedichtes von E i lha r tvon Oberg (11891207), in dem danach verfasstend e u t s e h e n V o l k s b c h l e i n (Augsburg 1498) und vorAllem in dem Bitterepos des G o t t f r i e d von Strass-b u r g (um 1210). Diese epischen Bearbeiter des Stoffesverweilen zunchst mit Ausfhrlichkeit bei der Vorgeschichtedes Helden : Tristan's Geburt von sterbender Mutter whrendder Abwesenheit oder nach dem Tode des Vaters, seinetraurige Kindheit und ritterliche Erziehung, sein Glck amHofe des Oheimes Marke von Kornwall, seine Besiegungdes Iren Morolt zur Befreiung Kornwall's vom Zinse, seineVerwundung, seine Fahrt als Unbekannter nach Irland undPflege durch die Knigstochter Isolde, seine Entdeckungund Heimkehr, seine Werbung Isolden's fr Marke nachVollfhrnng einer rettenden That fr Irland (Drachenkampf).Alsdanu folgt die verhngnissvolle Schifffahrt: Tristan bringt

    Isolden nach Kornwall als Braut des Oheims; unterwegesaber trinken sie zufllig von Durst geqult denLieb e s t r ank . Und nun beginnt der noch viel aus-fhrlicher behandelte zweite Theil der Geschichte: ein fort-whrendes, abwechselndes Hin und Wieder von berlis-tungen und Hintergehungen der Liebenden gegen Markeund Marke's gegen die Liebenden, eine Flle von Minne-trug und Verrath, und endlich noch die Geschichte derz w e i t e n Isolde : abermals ein Hin und Wieder des Heldenzwischen den Beiden bis zu seinem Tode bei Gelegenheiteines Streit- oder Liebeshandels seiner Schwgerschaft.

    Selbst wenn Gottfried von Strassburg die ganze glhendePracht seiner Minnepoesie auf diese gestaltenreiche Weltsinnlicher Abenteuerlichkeiten ausgeschttet hat, wenn er,wie man zu sagen pflegt, ein hohes Lied der Minne darausgeschaffen und den gesammten Minnegesang des Mittelaltersin seinem Epos krnend zusammen gefasst hat: so kanndoch diese an lockerem Stoffe berschwellende Dichtung unsheute nicht mehr anders ergetzen, als wie ein kunstvolleslitterarisches Produkt einer fernen Zeit von fremder Sitteund fremden Interessen, zumal die Hauptgestalten des Gan-zen, die trgerisch schlauen Liebenden und vor Allem derstts eiferschtig wthende und boshaft auflauernde Marke,nicht unsere Herzen sich gewinnen knnen. Die Gewaltder Liebe, in Gottfrieds blhenden Versen glnzend ge-feiert , lst sich thatschlich bei ihm in eine bunte Ma-nigfaltigkeit rein sinnlicher Abenteuer und weltlicher In-triguen auf. Das tiefernste E t h o s des uralten Thema'sdes Liebeszaubers konnte nur erst in einem heutigen t ra-g i schen D r a m a zum knstlerischen Ausdrucke kommen.

    Der bedeutende Unterschied zwischen den mittelalter-lichen Gedichten und Wagner ' s Drama erhellt am Klarstenaus der verschiedenen Verwerthung des Hauptmomentes:des L i e b e s t r a n k e s . Was ursprnglich nur ein m y t h i -sches Bild (fr den Gewitterregen des Frhlings) ge-wesen war, das erscheint bei den mittelalterlichen Dichternals schlechthin angenommenes, fr den damaligen Aber-glauben vollgiltiges Z a u b e r m i t t e l , welches zufllig aneinem Punkte der epischen Geschichte genossen mit Noth-wendigkeit die ganze folgende Handlung bestimmt. Diesen

  • charakteristisch unterschiedenen Auffassungen der mythischenund der mittelalterlichen Zeit gegenber, sehen wir nun inWagner's Dichtung, wie der Geist der neuen Zeit das alt-eigenthmliche Merkzeichen des Stoffes in ein psycho-logisches und d r a m a t i s c h e s M o m e n t vertieft hat.Nicht zufllig trinken die Beiden den Trank; nicht derTrank als solcher erweckt ihnen erst zauberisch ihre Liebe.Nein, die Liebe lebt in ihren Herzen lngst, seit des wun-den Tristan Blick auf Isolde fiel, und sie das Schwert, dasden erkannten Mrder Morold's tdten sollte, vor diesemBlicke sinken lies. Das war der Liebeszauber, der sieverbindet !

    Auf diesem, in den alten Gedichten nur sehr schwachangedeuteten Verhltnisse beruht die ganze, im besten Sinnemoderne, schmerzlich straffe Dramatik des e r s t e n A k t e sbei Wagner. Isolde verbirgt ihr Gefhl vor Tristan, vondem sie sich als Weib tief beleidigt whnt durch seineWerbung der Lebensretterin fr einen Andern. Tristandagegen verschweigt vor Isolden mannhaft strenge seineLiebe, um seine Ehrenpflicht gegen Marke treu zu erfllen,dem er die Braut zufhren soll, welche selbst zu besitzenschon seine That an Morold ihm zu verbieten schien. Sostehen sich Beide im furchtbaren Seelenkampfe der Selbst-beherrschung gegenber, mit der heissen Liebe im stummenHerzen. Aber das Weib bricht den Bann zuerst durchverzweifelte That: sie verlangt von Tristan, vorgeblich,die Shne fr Morold und reicht ihm den T o d e s t r a n k ,um ihn mi t ihm zu trinken. Und er nimmt willig vonihr den Trank, der auch ihn vom qualvoll entsagendenLeben erlst. In diesem Augenblicke des gemeinsamenTodestrunkes haben sie ihre Liebe sich schon durch dieThat gestanden: jetzt, da der Trunk sie dem nahen Todegeweiht hat, schweigt ihre lange gefesselte Leidenschaftnicht lnger; gleichsam in den Armen des Todes brechensie in das jubelnde Wort der Liebe aus! Und in diesemMomente erfahren sie, dass es n ich t ein Todestrank war,den sie genossen. Die treue Dienerin Brangne hat imthrigen Mitleide anstatt dessen einen Liebestrank ihnengereicht. Was aber bedeutet der ihnen jetzt noch? KeinenZauber mehr, dem sie ohne ihn schon verfallen sind: nur

    die furchtbare Enttuschung, l eben zu mssen anstatt zusterben, mit dem offenen Bekenntnisse ihrer Liebe, aber inden Fesseln und Schranken der Wel t , in welcher Isoldenun dem Anderen gehrt. Dieses also ist die Hand-lung des ersten Aktes : mchtig konzentrirt auf den tragisch-dramatischen Hauptpunkt, alle epische Vorgeschichte vonder Handlung selbst ausgeschieden, das davon Nothwendigstezur Erklrung der Situation nur in eine Erzhlung Isol-den's zusammengedrngt, welche selbst der leidenschaftlicheAusbruch der tief betheiligten Seele der Heldin, ganz Affekt,ganz Lyrik im grssesten Style ist. (Diese erst durch dieMitwirkung der Musik ermglichten Erzhlungen in Wag-ner's Dramen sind ein so bedeutsames Moment des neuenStyles, dass sie eine eigene sthetische Betrachtung ver-langten.)

    Wie der erste Akt an Stelle aller Weitlufigkeiten desEpos gewissermaassen nur Eine Scene gesetzt hat: denT o d e s t r u n k auf dem Schiffe, so erlst uns der z w e i t eA k t , in psychologisch notwendiger Folge, von allenWiderwrtigkeiten der sinnlich intriguanten Liebesabenteuer,indem er nur e ine e inz ige Ve re in igung der verzwei-felten Liebenden uns vorfhrt. Hier aber befreien sie sichnach der ersten strmischen Freude des Wiedersehens mehrund mehr in wunderbarer poetischer Steigerung von allemSinnlichen und Irdischen, und erheben sich aus der be-ruhigten Wonne des Beisammenseins durch das heroischeBewusstsein von der Nothwendigkeit ihres nur hinausge-schobenen gemeinsamen Endes, bis zum extatischen Jubel-grusse an die allein erlsende Liebesnacht des Todes. Und nun bricht in diesen hchsten Jubel der W e l t e n t -sagung, durch pltzlichen Verrath, die Wi rk l i chke i tder Welt mit einem einzigen Schlage ein: M a r k e tritt vordie Liebenden; ihre bersinnliche Seligkeit wird ihnen vordiesem erhabenen Vertreter der Welt und ihrer Sitte zurS n d e , die sie bssen mssen. Marke's ganze Rolle istin dieses eine Erscheinen, in einen einzigen grossen Ge-sang zusammengefasst. Mit hchster Wrde richtet sichin seiner edelen Herrschergestalt auf einmal die M a c h tde r S i t t l i c h k e i t mitten unter den Leiden, Wonnen undExtasen der Liebe auf. Tiefster Schmerz um den Verlust

  • des treuesten Freundes ist Alles, was die Seele dieses wahr-haft kniglichen Mannes erfllt. Und Tristan, solchem er-habenen Edelsinne gegenber vom ganzen Wehe der dun-kelen Schuld ergriffen, anstatt aller Erwiderung durchein neues Hintergehen sucht er selber alsbald nur noch denshnenden Tod im Schwerte des Verrthers Melot.

    Hiernach ist der dritte Akt wiederum nur Eine grosseScene: Tr i s t an ' s Ende. Dieses furchtbar erschtterndeBild des Kampfes zwischen Tod und Leben da Tristanin der Einsamkeit nicht sterben kann und doch Isolden'sentbehren muss steht bei Wagner an dem Platze, wodas Epos das Doppelspiel mit den beiden Isolden hat. Aufder Basis des vorangegangenen tragischen Dramas konntesich der Dichter bei dieser grossen Sterbescene in die ganzeTiefe des metaphysisch-ethischen Grundgedankens der Tra-gdie versenken. Das Doppelspiel s e i n e s Dramas, zwi-schen Tod und Liebe, hchster Lust und tiefstem Weh,Urseligkeit und Urschuld des Daseins, wird hier in ganzunvergleichlicher Weise zu Ende gespielt. ber der LeicheTristan's entflieht dann auch Isolden's Geist in das ewigeReich der erlsenden Liebes- und Todesnacht.

    Aber diese grossartige Vereinfachung und Vertiefungdes durch die Epiker maasslos ausgeweiteten und verflachtenStoffes, diese wunderbare Verflechtung der letzten Restedes epischen Elementes als affektive Lyrik in das Dramaselbst, diese hchste Ekstatik der Liebe und diese tiefsteMetaphysik des Todes sie wren wiederum dem drama-tischen Dichter allein unmglich gewesen ohne die in jedemMomente der Handlung mitwirkende Macht derjenigen Kunst,welche dem Grunde der Menschenseele entquillt und Aus-druck gibt: der Mus ik .

    Die Musik.(1858 und 1859.)

    Man hrt es oft von den M u s i k e r n , dass Wagnerihre Bewunderung und Liebe vor Allem durch die Musikvon Tristan und Isolde sich gewonnen habe. In den

    enge gezogenen Grnzen dieses Schriftchens kann leider nichteinmal andeutungsweise diese wunderbare musikalische Sch-pfung besprochen werden. Wenn aber das grssere Theater-publikum, fr welches die Schrift bestimmt ist, als Laienin der spezifisch musikalischen Kunst, die klassische Styl-vollkommenheit des musikalisch-deklamatorischen Gesanges,den knstlerisch vollendeten Bau des instrumentalen Theiles,die unvergleichlich meisterhafte Behandlung der musika-lischen Form berhaupt, oder die Feinheiten der Instru-mentation, nicht ohne Weiteres erkennen und bewundernkann, so muss es doch bei vorurtheilsfreier Hingebung andas unmittelbare Erlebniss des Kunstwerkes auch schonohne jene musikalische Kenntniss von der genialen Gewaltdieser gewissermaassen musikreichsten Schpfung Wagner'ssich ergriffen und berzeugt fhlen. An dieser Stellekann eben nur auf einen Theil derselben hingewiesen wer-den, welcher den vorher hervorgehobenen Grundzgen derSage und Dichtung etwa entspricht: auf die plastischenGrundzge der Musik nmlich, die sogenannten M o t i v e .

    Gerade an diese aber knpft sich ein gewisses Vorur-theil an, welches die Gegner Wagner's dem Publikum mitder Behauptung eingeredet haben: eine K o m p o s i t i o nin M o t i v e n se i n i c h t s a l s e i n e t r o c k e n e , ka l t -a b s t r a k t e V e r s t a n d e s t h t i g k e i t . Vielleicht istdiese Ansicht in den Augen des Publikums durch die Artder betreffenden Erluterungsversuche noch besttigt wor-den. Wer den motivischen Bau eines musikalischen Kunst-werkes erlutern will, muss nmlich gerade umgekehrt ver-fahren als wie der schaffende Musiker. Fr diesen sinddie Motive die natrlichen, organisch erwachsenden Formender aus seiner Seele quellenden musikalischen Sprache; derErluterer aber hat dieselben nun erst wiederum aus demorganischen Ganzen des Musikwerkes heraus zu lsen undeinzeln, abstrakt, auf Begriffe zu ziehen, um berhauptdarber reden zu knnen. Will man nicht immer wiederdie N o t e n abdrucken lassen, so gebraucht man zur Ver-deutlichung und Kennzeichnung der an sich ewig unbegriff-lich bleibenden musikalischen Formen gewisse Erkennungs-marken, welche entweder einfache Ziffern oder, besser, aufdie Dichtung bezgliche Worte sein knnen. Der schaf-

  • fende Musiker aber hat von allen diesen Bezeichnungennichts gewusst; er hat, wie bei dem symphonischen Style,so auch beim dramatischen, aus seinem musikalischen Geniefr die eben auszudrckende Empfindung oder Gefhls-vorstellung die prgnanteste plastische Form erfunden, umdiese nun im Fortgange des Kunstwerkes zum reichstenmusikalischen Leben weiter zu entwickeln.

    Wer bei Wagner von Armseligkeit der musikalischenErfindung redet, der trifft mit seinem Urtheile z. B. auchBeethoven; denn auf wie wenigen Motive baute dochdieser seine S y m p h o n i e n auf! Der Styl dieser Gattungverlangt fr jeden Satz nur zwei Themen, welche seineGrundstimmung nach zwei Seiten, sozusagen als mnnlicherund weiblicher Charakter in ihrer Gegenberstellung, zumAusdrucke bringen sollen. Man weiss, wie sehr geradeBeethoven, der grsseste Symphoniker, die prgnante For-mung dieser Grundmotive sich hat angelegen sein lassen,wie sorglich er nach ihrer konzisesten Gestaltung gesuchtund immer wieder daran gefeilt und gemodelt hat, bis eretwa ein solches auf Ewigkeit monumental fortdauerndesund fortwirkendes ideales Thema von nur vier Noten fixirthatte, wie das des ersten Satzes der C moll Symphonie. Heisst das etwa Armseligkeit dem Erfindung? Nachder Regel der Sonatenform wird nur das eine Themades symphonischen Satzes in wechselreicher Wiederholunganeinander gereiht, in Gegensatz zu dem zweiten Themagestellt, dieses Spiel als Seitensatz in Moll repetirt, danndasselbe thematische Material im Durchfhrungstheile weiterverarbeitet, und endlich der Hauptsatz in der ursprnglichenTonart nochmals wiederholt. Die anderen Symphoniestzebieten einen ebenso einfachen thematischen Gehalt in derForm eines Rondo (Adagio) oder eines Menuett (Scherzo)dar. Aber innerhalb rein formalen, von aussen aufge-richteten Gesetzesschranken konnte doch ein Beethoven mitvollster Genialitt das Wunderwerk seiner Symphonienwirken!

    Das Gesetz der musikalischen Verwerthung der Grund-motive eines Werkes von d r a m a t i s c h e m Style wird demSchpfer desselben n ich t von aussen geboten, ist nichtrein formal, sondern wird ihm fortwhrend durch den Gang

    der dramatischen Handlung, von den dadurch erwirktenEmpfindungs- und Stimmungsmomenten, unmittelbar diktirt.An Stelle der usserlichen Bewegungen der Gegenberstel-lung, des Wechsels und der Repetition tritt hier die Ent -w i c k e l u n g von Innen heraus und erffnet der Kunst dermusikalischen Durchfhrung der Motive, ihrer rhythmischen,harmonischen und melodischen Um- und Fortbildung, ihrerAnhnlichung und Verwebung, einen unermesslichen Spiel-raum. Die Erfindung der Grundmotive selbst ist bei Wag-ner von so wunderbarer musikalischer Prgnanz, formalerSchnheit und monumentaler Einfachheit wie nur je beidem grossen Meister der Symphonie; aber durch die dra-matische Beziehung, die sie zugleich haben, gewinnen sienoch an Bedeutung und Eindringlichkeit fr den Hrer.Ihre weitere musikalische Entwickelung, nach den eben be-zeichneten freieren und reicheren Mglichkeiten des drama-tischen Styles, bezeugt gerade die allergrsseste knstlerischeMeisterschaft Wagner's, welche aus den einfachen Grund-steinen der motivischen Erfindung den Wunderbau einesKunstwerkes voller fluthenden, glhenden, singenden undberauschenden musikalischen Lebens und Webens schafft. Gegen eine etwaige Formlos igke i t solcher Schpfungaber errichtete der Meister der anderen, ganz davon er-fllten, Wunderbau seiner d r a m a t i s c h e n D i c h t u n g ,welche dem neuen Style der Musik nunmehr die strengeeingehaltene Form bestimmt. Man kann es vornehmlichan Tristan und Isolde erkennen lernen, dass Akt frAkt, ja Scene fr Scene, gleichsam wie die einzelnen Stzeeiner Symphonie, eine Grundstimmung und Situation, sowieein scenisches Hauptbild festhalten, als welche, auch beinoch so reicher Folge feiner und mchtiger Stimmungs-wechsel und bei noch so gewaltiger dramatischer Bewegungund Fortentwickelung, doch immer ein gewisses monumen-tales Maass bewahren und danach auch dem musikalischenTheile der Darstellung eine bestimmte Einheitlichkeit derForm verschaffen.

    Ist demnach Tristan und Isolde, als ganz dem einengrossen Thema der L i ebe gewidmet, in der bedeutsamenSchlichtheit seiner Handlung zumeist geeignet ein Beispielder vollendeten dramatischen Stylform zu geben, so bietet

  • so im leisen Entblttern mit dem ersterbenden Geisterhauchedes Anfangs.

    Das beginnende G r u n d t h e m a besteht aus zwei kon-gruenten Theilen, gleichwie die Macht der Liebe im Dramaan zweien Personen sich offenbart. Vielleicht geht man zuweit, wenn man das kurze absteigende chromatische Motiv,das leidenschwer belastete, entsagende (1.), bestimmt aufTr is tan bezieht, und seine unmittelbar damit verbundene,chromatisch aufsteigende Umkehrung, diesen Ausdruck tiefschmachtenden Sehnens (2.): auf Isolde. Doch sehenwir spter allerdings, wie aus dem ersten (Leidens-) Mo-tive sich das Thema des siechen Tristan entwickelt, wo-gegen das zweite (Sehnsuchts-) Motiv vorzglich an Isoldesich anschliesst, insbesondere aber als eigentliches Haupt -m o t i v des g a n z e n Drama ' s die Macht des Liebeszaubersselbst und also auch des T r a n k e s bedeutet, welchen dasWeib dem Manne darreicht.

    Nachdem diese erste Motivverbindung, wie aus demdunkelen Grunde des Menschenwesens aufseufzend, nachmehrfacher Wiederholung im pp. verweht ist, setzt mitdem e r s t en ff. eine weitere Verbindung zweier neuenMotive ein, welche beide Entwickelungen aus dem obigenHauptmotive 2. sind. Das erste, heroisch sich empor-schwingende (3.), drfte die E r s c h e i n u n g Tristan's inden Augen Isolden's anzeigen, dessen Blick auf Isolde daszweite (4.) offenbar bezeichnet.*) Aus dem ersten Theile,

    *) Dieselbe Motivverbindung tritt nmlich in der zweiten Sceneauf, wenn Isolde zum ersten Male auf Tristan deutet: dort den Hel-d e n (3.), der seinen Blick dem meinen birgt (4.).

    *) Die grosse Trilogie des Ringes des Nibelungen hat ihrenbergewhnlichen Maassen entsprechend ein eigenes Drama, das Rhein-gold, zum Vorspiele erhalten, welches ebenfalls die plastisch einfachenGrundmotive des ganzen folgenden musikalischen Wundergewebes zu-erst uns darbietet.

    sich hinwiederum fr uns, die wir hier nur die motivischenGrundzge des Kunstwerkes herauslsen und bezeichnenwollen, dafr kein besseres Muster dar, als das dem Werkezugetheilte musikalische Vorsp ie l .

    Das Vorspiel.Wagner's Vorspiele pflegen in eigenthmlich konzen-

    trirter musikalischer Verbindung bereits die H a u p t m o t i v ezu enthalten, welche im Verlaufe des Dramas zur mannig-faltigsten Entwickelung und Umbildung gelangen sollen.Diese Vorspiele bringen nmlich entweder die Grundzgeder Handlung selbst (Hollnder, Tannhuser, Meistersinger)oder den Grundgedanken, das waltende Wesen derselben(Lohengrin, Parsifal: der Gral , Tristan und Isolde: dieLiebe) , vordeutend zum symbolischen Ausdrucke.*) Das grosse einheitliche Thema der Liebe in Tristan undIsolde gewinnt demgemss schon in der zusammenfassendenForm des Vorspieles fast alle seinen musikalischen Motive,welche wiederum nur die Entwickelungen und Umbildungeneines einzigen Grundthema's sind, und ihrerseits den be-deutendsten weiteren motivischen Gestaltungen im Dramazu Grunde liegen. Das Vorspiel schildert mit der kunst-vollen Aufeinanderfolge und Verkettung dieser Motive infortfluthend melodischer Steigerung alle Phasen des L i e b e s-s e h n e n s : die dynamisch immer wechselnden Momente hef-tigen Drngens und sanften Schmachtens, durch den he-roischen Todestrotz, bis zur strmischen Verzweiflung derLeidenschaft, welche auf ihrem Hhepunkte, wie unter dergewaltsamen Losreissung der gequlten Seele vom Bannedes Lebens, jh abbricht. Hiernach fllt die voll erschlos-sene Liebesblthe, vom rasch verwehten Sturme gebrochen,in ihre zarten, duftigen Theilchen auseinander, und vergeht

  • Tristan's Erscheinung, entwickelt sich spter im Dramadas eigentliche H e l d e n m o t i v Tristan's; die Grundtnedes zweiten, den verhngnissvollen, Liebe und Tod zeugen-den , ersten Blick bezeichnenden, hren wir den zweitenTheil des ersten Aktes hufig im Basse dumpf grollendwie eine Mahnung des nahenden Todessch icksa lesdurchhallen.

    Unmittelbar auf diese zweite Motivverbindung folgt einelngere F o r t b i l d u n g des H a u p t m o t i v e s (Sehnsuchts-motives), deren sanft schwrmerischer Schluss im Dramanoch fter zur melodischen Anwendung gelangt (5.). Balddarauf entwickelt sich aus den ersten Motiven eine wei-t e r e F o r t b i l d u n g (6.), deren Charakter eine Verbindunginnigen Drngens und machtlosen Schmachtens ist, und wo-nach sich im dritten Akte das unendlich wehmthige Themader Liebesentbehrung des einsam sterbenden Helden bildenwird.

    Unter fernerem dynamischen Wechsel geht das Vorspieldann in eine ergreifende U m k e h r u n g des d r i t t e n Mo-tives ber (7.), welche gegen Ende des ersten Aktes dasErwachen der Liebenden zum Bewusstsein der gewonnenenLiebeswahrheit begleitet: Was trumte mir von Tristan'sEhre? Was trumte mir von Isolde's Schmach? Diesdrngt zu einem z w e i t e n ff . , nach welchem die beidenFortbildungen (6. und 5.) nochmals aufeinander folgend inrascher Steigerung das d r i t t e ff. herbeifhren.

    Die hochgespannte Erregung dieses Theiles ergiesst sichnun mit sttem Forte in eine ganz neue, sehr energische,a k k o r d l i c h e U m g e s t a l t u n g des G r u n d t h e m a s (ge-wissermaassen eine Umkehrung der Umkehrung 7.): es istdies das von 32stel Lufen strmisch eingeleitete, leiden-schaftlich heroische Motiv des Todestrotzes (8.). Durchden Zusammenklang der Tne ist die Gemeinsamkeit derEntschliessung ausgedrckt. Wir finden es im Dramaz. B. wieder: beim Anblick der gereihten Zaubertrnke,aus denen Isolde den Todestrank whlt (Akt 1. Scene 4.) bei der jubelnden Verbindung der Liebenden am Schlussedes ersten Aktes, und zuletzt noch beim wilden Sichauf-raffen des sterbenden Tristan zum jauchzenden Tode. Eineeigenthmliche Umwandlung erscheint im zweiten Akte alssss und sanft einwiegende Melodie der Liebesruhe: Lausch,Geliebter! Lass mich sterben!

  • In dieses stts hher empordringende Thema verwebensich die beiden ersten Motive ( l . 2.) , um dann mit demBlickmotiv (4.) zusammen immer drngender, strmischer,leidenschaftlicher durchgefhrt zu werden, wobei das Sehn-suchtsmotiv noch die neue, erregte Gestalt kurzer l6telLufe annimmt. Dieser hchste Sturm der Leidenschaftbricht endlich im v i e r t e n ff. mit jhem 32stel Nieder-sturze ab, worauf sogleich ein molto diminuendo eintritt,und das Vorspiel mit den zarten Wiederklngen seinerersten Motive (2 + 4, 1 + 2, 1 + 7, 4 + 5, und endlichwieder 1 + 2) im pp. erstirbt.

    Der erste Akt.Der erste Akt von Tristan und Isolde besteht aus

    f n f Scenen:1. Einleitung.

    2. Brangnen's Sendung. 3. Isolde und Brangne.4. Kurwenal's Sendung. 5. Tristan und Isolde.Die erste Scene zeigt uns die S i t u a t i o n des Aktes:

    die Schifffahrt von Irland nach Kornwall. Darauf beziehtsich das beginnende Lied des jungen Seemannes, welcherdem heimwrts treibenden Winde die Trennung von wilderirischer Maid klagt, ferner Brangnen's Auskunft berdas Ziel der Fahrt, und Isolden's wild ausbrechenderBeschwrungsruf an Wellen und Winde: das trotzigeSchiff zu zerschlagen, bevor es sein Ziel erreiche. Dieganze Scene hat demgemss ein ihr eigenthmliches Haup t -

    t h e m a , sozusagen ein Meeresmotiv, welches zu den be-zeichneten Momenten in dreierlei entsprechend verschiedenerGestalt erscheint.

  • Ausser diesem Hauptthema der Scene finden wir darin auchdie beiden bedeutendsten Liebesmotive wieder, und zwardas Blickmotiv gleich bei Isolden's erstem Aufblicke, da dasSeemannslied sie an ihr Weh um Tristan gemahnt. Unmittel-bar darauf entwickelt sich aus dem Sehnsuchtsmot ive , mit-tels Anklanges an das Meeresmotiv, eine neue Fortgestaltungdes Ersteren zum prgnanten Ausdrucke eines aus verletzterLiebe wild aufschumenden Zornes, welche sich in den An-ruf an das Meer mischt und weiterhin durch das ganze Dramazieht.

    Den Abschluss der Scene bilden Brangnen's Beruhigungs-versuche, gleichfalls vom Blick- und Sehnsuchtsmotive durch-zogen, welch letzteres besonders eindringlich in der gedehntdrngenden Frageform: Sage, knde, was dich qult auftritt.

    Die zweite Scene, Angesichts des nun enthllten Schiffs-deckes mit Tristan am Steuer, behandelt die Sendung Bran-gnen's, um Tristan zu Isolde zu laden, und zerfllt indrei Abschnitte: Isolden's Auftrag Brangnen's Einla-dung Kurwenal's Antwort. Jeder Theil ist auch musi-kalisch besonders charakterisirt.

    Die Einleitung bildet, nach der Wiederholung des See-mannsliedes, Isolden's dumpf schmerzlicher Gesang: Mirerkoren, mir verloren (Sehnsuchtsmotiv ! ) Todge-weihtes H a u p t , todgeweihtes Herz ! Damit tritt einneues Motiv ein. Das todgeweihte Haupt ist Tristan's, dastodgeweihte Herz Isolden's: daher ist auch dies Motivdes Todes zweitheilig. Der erste Theil, mit seinem mch-

    tigen Oktavensprunge und seinem merkwrdigen harmo-nischen bergange von As zu A, bezeichnet furchtbarausdrucksvoll die Macht des Todes; der zweite Theil fhrtdieselbe Grundform bereits wieder ber in die schwrme-rische Weise der Liebesmotive.

    So ist auch schon das H a u p t t h e m a des ersten Ab-schnittes der Scene vorbereitet: eine F o r t g e s t a l t u n gdes B l i c k m o t i v e s zu einem stolzen Preisgesange aufTristan, wie diesen Brangne singt, Isolde dann aber inironischer Wiederholung rhythmisch verndert:*)

    Der Abschnitt schliesst mit Isolden's Gebote: Befehlenliess' dem Eigenholde Furcht der Herrin ich, Isolde! inherrisch kurz entschiedener Fassung und der harmonischenStimmung des Todesmotives; denn sie ruft ihn zumTode.

    *) Man beachte die darauf folgende hchst ausdrucksvolle, aus demLeidensmotiv sich entwickelnde melodische Phrase: Oh, er weisswohl, warum !

  • Tristan, womit ein sehr bedeutendes Hauptmotiv des fol-genden Dramas gegeben ist.*)

    Die dritte Scene enthlt hauptschlich Isoden's grosseErzh lung der Vorgesch ich te und besitzt demge-mss ein in verschiedenartiger Durchfhrung sie ganz durch-ziehendes H a u p t t h e m a in jenem schon erwhnten Mo-tive des siechen Tristan, welches sofort nach der Einleitung(einer kurzen, erregten Wiederholung der Botschaft Bran-gnen's**) eintritt und in der Folge z. B. noch folgender-maassen gestaltet erscheint:

    *) Ein Zusammenhang mit den Liebesmotiven des Vorspiels istwohl nicht als beabsichtigt anzusehen, bildet sich aber in der Folge,wenn der Tristanruf zum Tagesmotiv wird, unwillkrlich mehr heraus.

    **) Man beachte hier die schneidige Zusammenstellung des schmerz-lich gezogenen zu Knig Markes Land und des mit raschem Tempo-wechsel wild auffahrenden Tristanrufes: den Zins ihm auszuzahlen;sowie bald darauf die Wiederholungen zweier breiten, chromatisch undcresc. empordrngenden Akkorde, Anstze des Sehnsuchtsmotives, inwelchen Isoldes Seele nach dem Wor te ringt.

    *) Man beachte auch gleich zu Anfang das rasch anschwellendeLiebesmotiv 3., als Tristan auffhrt: Was is t? Isolde! umsich aber alsbald strenge zu fassen zu der ernsten Verneigung: meinerHerrin .

    Der zweite Abschnitt wird eingeleitet durch eine neuegleichsam grazis tndelnde Anwendung des Meeresmo-tives, whrend Brangne verschmt durch das Schiffsvolkauf Tristan zuschreitet; die prgnanten Basstne immerauf dem ersten Takttheile bezeichnen die Arbeit der Ma-trosen, das gewaltige Ziehen der Taue.

    In dem folgenden Gesprche gewinnt die hfisch vorsichtigeWeise Brangnen's und die eben so hfisch erwidernde, ge-fllig ausweichende, dabei so ernst und edel gehaltene Art derAntworten Tristan's einen nicht genug, bei jeder einzelnenPhrase, zu beachtenden und bewundernden melodischen Aus-druck. Ein eigenes Motiv bildet sich hier nicht aus, da dieReden eben um die Wahrheit der verschwiegenen Leidenschaf-ten glatt und zart sich herumwenden; doch fhlt man wohl,wie das Sehnsuch t smo t iv berall hindurchdringen will (z. B.:mein Herre Tristan, euch zu sehen wnscht Isolde baldnah' ich mich der Lichten) .*) Den Schluss bildet wie imersten Abschnitte das, durch Brangne wiederholte, GebotIsolden's in der Harmonie des Todes motives, welches so dieganze anmuthig bewegte Scene dster einfasst.

    Der dritte Abschnitt, Kurwenal's Antwort, besteht auszweien grsseren zusammenhangenden melodischen Kom-plexen : dem mannhaft-stolzen Wer Kornwall's Kron' undEngland's Erb' und dem munter-derben, im Volksliedtonegehaltenen Herr Morold zog zu Meere her. Charakte-ristisch fr Beide, doch schon im vorigen Abschnitte vor-bereitet (grmt sie die lange Fahrt) und hier gleich zuAnfang eintretend ( darf ich die Antwort sagen), ist eineenergisch a b s t e i g e n d e Ska la , in welcher der wehe vollechromatische Abstieg des Tristanischen Leidensmotives beiKurwenal abgeklrt erscheint zur heiter krftigen Durton-leiter. Den Schluss bildet der Refrain des Moroldliedes,der vom Chore wiederholte Tristanruf: Hei, unser Held

  • Wohl die ergreifendste Stelle ist diejenige im ersten Theileder Erzhlung, wo dieses Motiv in seine Umkehrung, dasSehnsuchtsmotiv , bergeht, welches sich in den getra-genen Tnen des Gesanges zum Blickmotive fortgestaltet:Er sah mir in die A u g e n , um alsdann unter anschwel-lender Fortfhrung (Liebesmotiv 5.) wieder in der gedehntenGrundform herabzusinken: se ines E l e n d e s j a m m e r t em i c h ! Eine andere herrlich melodische Stelle ist jene:Die s c h w e i g e n d ihm das Leben gab , v o r F e i n d e sR a c h e ihn s c h w e i g e n d barg , welche das kleine triolischeB e g l e i t u n g s t h e m a des Hauptmotives durchzieht, um sichgleich darauf in hchst ausdrucksvoller spttisch hpfender undtrillernder Figuration mit dem T r i s t a n r u f e zu verbinden:Das wr ' ein S c h a t z , m e i n Herr u n d O h m , wo die Ge-sangesphrase so meisterlich den wohlgefllig anpreisenden Sinnder Worte und zugleich den Hohn Isolden's malt.

    *) Diese Melodik wrde z. B. verloren gehen, wenn die Sngerinnicht gelernt htte, die grossen zusammenhangenden Zge derselbena u f e i n e m A t h e m zu singen, und wenn sie nicht in jedem Mo-

    An diesen Haupttheil der Scene schliesst sich der lngereB e s c h w i c h t i g u n g s s a n g Brangnen ' s mit seiner weitdahinfluthenden schmeichelnden Melodik an, deren stylvolleWiedergebung eine vorzglichste Gesangesknstlerin er-fordert.*)

    Die Hauptmelodie dieser ganzen Stelle, offenbar denLiebesmotiven ideell verwandt, lautet:

    und hieraus entwickelt sich, nach Isolden's Zwischensatzeim Sehnsuchtsmotive selbst (Ungeminnt den hehrstenMann stts mir nah zu sehen), die folgende, kunstvollsich in einander verwebende Gestalt:

  • Den Schluss der Scene nimmt Isolden's Wahl desT o d e s t r a n k e s ein. Brangne, den Liebestrank anprei-send, wird von dem Sehnsuchtsmotive begleitet (Kennstdu der Mutter Knste nicht), Isolde aber weckt wiederumdas Todesmotiv: Rache fr den Verrath, Ruh' in derNoth dem Herzen; und zuletzt noch, als sie selbst denTodestrank ergreift (Du irrst, ich kenn' ihn besser),meldet sieh im Basse jenes, bei Besprechung des Vor-spieles schon erwhnte, dstere dreitnige Schicksals-thema, welches die Grundform des Blickmotives darbietet

    Die lauten Rufe der Schiffer leiten

    aus der wehevollen Erregtheit dieses Schlusses zu demmunteren Beginne der nchsten Scene ber.

    Die vierte Scene bildet zunchst ein kurzes, heiterbelebtes Zwischenspiel mitten in den drohenden und drn-genden Wettern der Tragdie: durch den frischen Auftrittdes rstigen Kurwenal mit der frhlich-derben Einladungfr's Land sich zu bereiten. Das ununterbrochen durch-gefhrte Thema dieses ersten Scenentheiles ist eine heiterhpfende Verbindung aus den S c h i f f er r u f e n und demhier weiter ausgesponnenen Meeresmotive, spter ver-ziert durch lustige Sextolen und Triller (der Freude Flagge,sie wehe lustig in's Land):

    mente ihren Gesang je nachdem mit dem Ausdrucke innigen Mit-leid, kosenden Schmeichelns und anmuthigen Rhmens zu erfllenweiss.

    Der zweite Scenentheil: Isoldens Antwort, enthlt diezwiefache Wiederholung des spruchartigen Gebotes an Tri-stan: zuvor seine Schuld zu shnen, und zwar daserste Mal schliessend mit dem Motive des s i e c h e n Tri-s t a n , das zweite Mal mit dem Todes motive, und sozurckfhrend in die finstere Schwle der Tragdie, welchebereits wieder wetterleuchtend und strmend im drittenScenentheile herrscht.

    Diesen dritten Theil leitet eine heftig aufsteigende Um-b i l d u n g des Z o r n m o t i v e s ein, das hier die strmischeBewegung ausdrckt, mit welcher Isolde sich gegen Bran-gne zu Abschied und Entscheidung (Mischung des Trankes)wendet. H a u p t m o t i v des Theiles ist aber das im Bassedrohend begleitende S c h i c k s a l s t h e m a , unter dessengeheimnissvoll gebietender Gewalt Alles in fiebernder Hastdem Entscheidungsmomente zudrngt.

    Als Kurwenal im erregtesten Momente ruhig meldet: HerrTristan! da sucht Isolde mit furchtbarer Anstrengung sich zufassen, indem die lebhaft zum ff aufstrmende Umbildung desZornmotives alsbald dim. zurckgehalten in ihre Grundformbergeht, welche nun abgebrochen, stockend, wie athemlos,niedersinkt: Herr Tristan trete nah.

    Die fnfte Scene bildet den Hhepunkt des Dramasin diesem Akte: es ist die erste Begegnung Tristan's undIsolden's, welche ihn zur Shne, sie Beide zum Tode fhrensoll. Langsam, wie in Erz gepanzert, mit heroischemTrotze alle Leidenschaft des Herzens im tdtlichen Krampfeder Mannestreue stolz verhehlend, so tritt mit Tristan zu-gleich sein Heldenmotiv auf, in unmittelbarer Verbindungmit einem zweiten Thema, in welchem wir sein Le idens -motiv erkennen, dass aber hier ff kurz abgestossen, ritter-lich straff gefasst, festen, unerschtterlichen Trittes in dievon der Kraft der Entsagung zurckgehaltene Form desLiebesmotives 5. dim. ausgeht.

  • Diese Figur, eine heftige, schmerzliche Erregtheit, da-bei auch einen gewissen krampfhaften Zwang der Seeleausdrckend, begleitet vielfach das folgende Gesprch,z. B. in charakteristisch akkordlicher, gleichsam ritterlichfestlicher Gestalt Isolden's Worte: Da die Mnner sichall ihm vertragen.

    Als hierauf, nach dem heftig bedeutenden Schlussworte:Wer muss nun Tristan schlagen? jenes erregte Thema ver-stummt ist, da spricht wiederum das Blickmotiv beredt indas bange Schweigen hinein, bevor Tristan ernst und dsterentgegnet: War Morold dir so werth, nun wieder nimm dasSchwert mit den kurz abgebrochenen Folgeworten: Und fhr'es sicher und fes t (zwei schneidig jhe Akkordschlgeim Orchester). So auch bei der gedehnten Gesangesstelle:Als dein messender Blick mein Bild sich stahl u. s. f.

    Auch den dritten Scenentheil, den leidenschaftlich be-wegten bergang zur Entscheidung, begleitet mehrfach dieobige H a u p t m o t i v - F i g u r : sogleich beim Beginn ehe die Schifferrfe wild aufschreckend in die hochgespannteEntwickelung der Scene hereinbrechen als Isolde Bran-gnen zur Bereitung des Trankes winkt, und dann, inVerbindung mit einer eigenthmlichen Umgestaltung desB l i c k motives, zu Isolden's letzter Rede, jener tdtlichhhnenden Nachahmung Tristan's: Mein Herr und Ohm,sieh die dir an. Daneben aber dringen hier schon dasTodes- und das Sch i cksa l smo t iv zur Herrschaft durch,Ersteres gleich nach den ersten Schifferrfen bei den be-deutsamen Worten: Wo sind wir? H a r t am Z ie l , und wiederum nach den zweiten Rfen: In kurzer Frists tehn wir vor Kn ig M a r k e , Letzteres zumalden Schluss von Isolden's hhnendem Gesnge mit drohen-dem Entscheidungsgebote dster durchhallend. Der drittekurze Schifferruf: Auf das Tau! Anker los ! entfesseltalsdann den leidenschaftlichen Sturm des Todesentschlussesin Tristan's Brust: Los den Anker! das Steuer dem Strom,und er singt seinen S h n e e i d , diesen bald langsam ge-dehnten, zgernden, bald rasch entschiedenen, drngendgesteigerten, grossartigen Weihegesang des Todes, wiederumauf seinem eigenen Heldenmotive: T r i s t a n ' s Ehre hchste Treu! T r i s t a n ' s E l end khnsterTrotz ! und auf dem triumphirenden Todes motive:

    *) Man beachte hier z. B. die prgnante Doppeltriole in der Stelle:Untreue gegen se in e i g e n G e m a h l als einen jener Momente,an welchem man die entscheidende Bedeutung der u n b e d i n g ts t r e n g s t e n K o r r e k t h e i t fr den Wagner'schen Gesangesstyl be-sonders deutlich erkennen kann. Werden diese Triolen, in der beiunseren gewhnliehen Wagnersngern beliebten Weise eines frei dek-lamirten Recitatives, nur um ein Weniges verwischt, so ist der ganze,vom Komponisten bewusstvoll beabsichtigte Ausdruck der Phrase da-hin !

    Diese beiden Motive beherrschen den ersten grossenScenentheil, jene eigenthmlich die hfische Sitte wahrendeneinleitenden Erklrungen, wobei dem mhsam bezwungenenungeduldigen Drngen des furchtbar erregten Weibes dertiefe, feste Ernst des in sich stolz verschlossenen Mannes auchgesanglich so erhaben-schn entgegen tritt.*) Dem zweitenMotive schliesst sich dann auch Isolden's Gesang zum vor-geblichen Preise Morold's in ritterlich klangvoller Ausspin-nung an.

    Der zweite Scenentheil findet sein H a u p t m o t i v ineiner Figur, welche kurz zuvor anscheinend nur als momen-taner Empfindungsausdruck aus der kleinen triolisch be-wegten Begleitungsfigur zum Motive des sichen Tristan,durch Fortfhrung in der Weise des Letzteren selbst, sichentwickelt hatte:

  • Vergessens gtiger Trank dich trink' ich sonder Wank! Und alsbald tritt nun auch wieder das B l i c k motivals Wahrheitsbote ein, wenn Isolde ihm den Becher ent-reisst, um so unter den Klngen des Lebensbeginnes ihrerLiebe mit ihm den Tod zu trinken.

    Der vierte Scenentheil fhrt, nach kurzem, hchst aus-drucksvoll den grossen seelischen Vorgang illustrirendenwirren Ringen und Schwanken, die volle Wiederholungaller L i e b e s m o t i v e des V o r s p i e l e s durch. Zunchstnoch einmal unterbrochen durch die Schifferrfe (HeilKnig Marke) und Brangnen's Jammer, ergiesst sich dieMusik in jene Wunderfluthen des Liebesgesanges: Wastrumte mir von Tristan's Ehre (Mot. 7. + 4.) u. s. f.,die immer inniger und wonniger anschwellen zum begeistertseligen Jauchzen: Wie sich die Herzen wogend erheben(5.), und so nach dem Eintritte der akkordlichen Form(8.): Jach in der Brust jauchzende Lust wie zurUnendlichkeit fortschwellen in jubelnd rauschender Liebes-melodie.

    In die lange ausgehaltenen Schlussworte : Hchste Liebes-lust trifft schon das Motiv der Schifferrfe, welches denkraftvollen J u b e l s a n g der das Land und ihren Knigbegrssenden Menge einleitet. Das einfache Thema desGesanges verbindet sich mit einer leichten Umgestaltungdes Meermotives. Zu Kurwenal's Worten: Mit reichemHofgesinde dort auf Nachen naht Herr Marke wird danndie Figur der Schifferrfe in einer reizend tanzenden Weise(man sieht die lustigen Nachen auf der Fluth herannahen !)weiter durchgefhrt:

    Nach kurzem verworren drngenden Zwischenspiele derL i e b e s melodien (Isolde: Wo bin ich? leb ich? ha wel-cher Trank! Brangne: Der Liebestrank! ) und nachTristan's grossem Verzweiflungsrufe zum Leidensmot ive: O Wonne voller Tcke! o truggeweihtes Glcke, schlgtber den Entsetzenswirren der selbstvergessenen Liebendendie tosende Woge der v ie r verbundenen Jubelmotive (Meer,Schifferruf, Fanfare, Jubelsang) zusammen: KornwallHeil! und der Vorhang fllt rasch mit dem noch ein-mal zwischen die Fanfaren hinein ff. jh empordringendenSehnsuchtsmotive.

    Der zweite Akt.Der zweite Akt von Tristan und Isolde, die ncht-

    liche Zusammenkunft der Liebenden, besteht aus d re iScenen: Erwartung, Vereinigung, Entdeckung.

    Der Erwartung des Geliebten giebt schon die musika-lische E i n l e i t u n g stimmungsvollsten Ausdruck. Sie ver-senkt uns ganz in jenes wonnig-unruhvolle Bangen sehnen-den Herzens unter den Schatten eines glckverheissendhereindmmernden Abends in ringsher trumerisch ver-stummender, sss duftender Natur. Was aber bedeutet indieser Sphre der grelle Aufschrei, womit die Einleitungbeginnt? Es ist das H a u p t t h e m a der ganzen grossenLiebesscene, das Tagesmotiv, welches deren Grundgedankenausspricht und daher wohl hier eine besondere Betrachtungverlangt.

  • Zunchst sehen wir nur seine offenbare formale hnlich-keit mit dem glnzend heiteren Tristanrufe, doch schmerz-lich in moll getrbt. Aus einer weiter ausgesponnenen Anwen-dung desselben, trotzig verkrzten Motives in der Liebesscene(Tristan: Da rhmt' ich hell vor allem Heer der Erde schnsteKnigin!) erfahren wir, dass es auf den trgenden Schein undGlanz der Welt, ihrer Ehren und ihres Ruhmes, sich bezieht,in welcher Welt Tristan der Held, vom Ehrenwahne befangen,Isolden nicht fr sich selbst zu gewinnen wagte, und welcheWelt den Liebenden in ihrer Liebesnacht gleich dem feind-lichen Tage gilt, der sie trennt, und der nun zu enden scheint,wenn die Einleitung beginnt, und doch niemals endet: so langenoch des Lebens Sonne ihnen leuchtet. Ist der erste Theilder Liebesscene ganz von diesem Gedanken an den feindlichenTag und vom Sehnen nach der ewigen Nacht erfllt, welchedie Gesnge des zweiten Theiles feiern, so sehen wir, wie imVerlaufe jener Scene das Tagesmot iv selbst in ein wonnigwiegendes und doch immer wehmuthvoll sehnendes Nacht-mot iv bergeht: der Tag ist Nacht geworden, und doch bleibtauch in der Nacht der Fluch des Tages drohend lebendig undwird die Nachtgeweihten vernichten.*) So birgt diese Figurvon vier Tnen, als Ausdruck des geheimen Grundgedankensdieser Scene, die ganze Tiefe des doppelsinnigen Weltrthselsvon Tag und Nacht, Welt und Liebe, Leid und Erlsung, Allesin dem einen Seufzer der Sehnsucht, der hier als Schrei dieEinleitung erffnet.

    Diesem jh hingeworfenen Grundgedanken gegenbergewinnt nun alsbald die Grunds t immung des Aktes ihresprechenden Motive, zunchst in dem, von unruhig flattern-den Synkopen begleiteten, Thema der Ungeduld (welcheszugleich den nahen Schritt des Geliebten schon anzudeutenscheint) und sodann in einer Folge einander verwandter

    *) Man vergleiche die wundervolle Stelle in der Liebesscene, wodieses Nachtmotiv so trumerisch sanft dahin wogt: (Tristan) Wasdort in keuscher Nacht einsam verschlossen wacht, und woran jeneoben erwhnte ritterliche Durchfhrung, die schimmernde Welt- undTagesseite des Motives, sich anschliesst.

    Motive (denen etwa der Abstieg des Leidensmotives un-bewusst zu Grunde liegen knnte). Dies sind l. das stim-mungsvolle Motiv des Liebesrufes, aus dem wir die seligeGlckverheissung der abendlich dmmernden Natur flsternhren, und das sich spter an das Zeichen der Verlschungder Leuchte anschliesst; und 2.) daraus plastisch abgeklrtdas mit bewusstem Stolze hingehend frohlockende Themader Seligkeit im Menschenherzen selbst. Gesellen wirhierzu gleich noch eine dritte Form, welche erst spter,auf dem Hhepunkte der ersten Scene, bei Isolden's Preis-gesange der Liebe (Wie sie es wende, wie sie es ende)als das eigentliche Liebesthema des Aktes erscheint, sohaben wir alle H a u p t m o t i v e der e r s t en beiden Sce-ne n desselben bereits genannt.

  • Das M o t i v des L i e b e s r u f e s ist speziell das Haupt-t h e m a der ersten Scene, zwischen Isolde und Brangne,und zwar in deren erstem Theile noch von der sich mehrund mehr entfernenden F a n f a r e de r J a g d h r n e r durch-zogen, dann aber in einsamer Stille allein brig bleibend,als alles Leben in einem trumenden Suseln der Lfte,Bltter und Wellen zu vergehen scheint, und nun Isoldemit den innigsten Tnen hinfluthender Liebesgesnge durchdas Schweigen der Nacht den Geliebten heranruft, dem sieam Schlusse der Scene, unter der Wiederholung der Ein-le i tungsklnge, zu einer charakteristisch drngend win-

    kenden Figur ihr wehendes Tuch

    entgegen schwingt.

    Die zweite Scene enthlt drei dialogische Theile. Der erste, lngste, wird eingeleitet durch einen strmischenZ wiegesang des Wiedersehens.*) Hierauf folgen je sieben,sich immer weiter ausdehnende, gesangreiche Wechsel-r e d e n , welche den, musikalisch durchaus vom Tages-m o t i v e beherrschten, Haupttheil der grossen Scene bilden.Die stts neue Anwendung, Verbindung und Fortspinnungdieses einzigen Themas macht denselben auch zu einem derbewunderungswerthesten musikalischen Kunstwerke. Gegenden Schluss hin dringen bereits mehr und mehr die eigen-

    *) Den Sngern ist hier die schwere Aufgabe gestellt, imSturme der hchsten Erregung alle die abwechselnden Nuancen desGefhles, den Worten entsprechend, in jene kurzen drngenden Phra-sen: Bist du mein? Hab ich dich wieder? Darf ich dich fassen?Kann ich mir trauen? u. s. f. hinein zu legen, bis beide Stimmensich gemeinsam in die emporstrmende Begleitungsfigur mit ergiessen:O Wonne der Seele, o ssse, hehrste, khnste, schnste, seligsteLust!

    thmlichen Harmonien des abschliessenden grossen N a c h t-g e s a n g e s der Liebenden durch, welche einestheils einenhnlichen Wechsel der Tonarten aufweisen, wie das Todes-motiv, und daher diesem intim verwandt erscheinen, anderer-seits melodisch an den Aufstieg des S e h n s u c h t s -motivs gemahnen (Tr i s t an : da erdmmerte mild erhabenerMacht im Busen mir die Nacht); wie denn in dieser Nachtsich Tod und Liebe auf 's Innigste vereinen.

    In diesem ersten grossen Dialoge finden die Liebenden zumersten und einzigen Male die sie selber aus jhen Entzckungs-wirren wonnig beruhigende Gelegenheit, sich klar zu werdenber ihr eigenes rthselvolles Verhltniss zur Welt, und zu ein-ander in dieser Welt, die sie bisher entfremdend und entfer-nend in Wahn und Zwang gefesselt hatte. Die innigstenRegungen ihrer Seelen, alle Gewalt der Leidenschaft, hell-blinkend heroischer Glanz und dster erhabener Todestrotz,finden darin ihren prgnanten musikalischen Ausdruck, und dochmuss das Ganze in einer, wenn auch von mchtig erhhterEmpfindung melodisch durchwalteten, gewissen traulich ge-mssigten Art von G e s p r c h s t o n , freilich grssesten Styles,gehalten bleiben. Gerade hierzu gehren aber Gesanges-k n s t l e r ersten Ranges, welche den Wagner'schen Styl, wo-fr es doch n o c h keine Schu le gibt, bis zur Vollendungsich angeeignet haben. Stze wie : In Frau Minne's Macht undSchutz Was dich umgliss mit hehrster Pracht Dorthinin die Nacht O Heil dem Tranke Um einsam in derPracht und Tristan's erhabener Schlussgesang: O, nun w a r e nwir Nach tgeweih te mssen allerdings sofort die Herzender Hrer durch ihre musikalische Schnheit ergreifen; wennaber bei Wagner nicht das Ganze s ty lvo l l herausgebrachtwird, dann erleidet auch das schnste Einzelne, das so durch-aus mit dem Ganzen verbunden ist, gefhrliche Einbusse.

    Auch die wundervoll dmmernden Harmonien des Nach t -gesanges selbst: O sink hernieder, Nacht der Liebedurchzieht das Tagesmot iv , und zwar mit einer erwei-ternden Fortspinnung zum Sehnsuchtsmotive. Im Mittel-satze : Herz an Herz dir, Mund an Mund tritt ein neuesMotiv ein: das schon frher erwhnte, aus dem Themades Todestrotzes entsprossene, sanft einwiegende Schlummer-motiv, worin sich gleichsam die Geschwister Schlaf undTod wie im Zauber des Liebestraumes zu verschmelzenscheinen. Im Schlusstheile des Gesanges ergiesst sich dasSehnsuchtsmotiv mit gewaltig anschwellendem Drngen in

    3*

  • eine n e u e Fo rm des T o d e s m o t i v e s (LiebeheiligstesLeben!), um alsdann im letzten lang hinziehenden melo-dischen Wonneseufzer wie zu weltvergessendem Schlummerpp. wieder abwrts zu sinken: Niewiedererwachens wahn-los hold bewusster Wunsch.

    S c h l u m m e r m o t i v , mit der neuen Form des Todes-motives. (Vgl. unten.)

    Mit dem letzten Tone des Zwiegesanges hebt ppp. dasZwischenspiel der wogenden Harfenklnge an, von denenumsponnen nun B r a n g n e n ' s W c h t e r l i e d mit seinenbreiten grossen Tnen in die Nacht hinaus hallt, durch-zogen von den Nachklngen des Nachtgesanges, dessenzarte auf und nieder steigende Gnge zuletzt in einer herr-lich sich steigernden Figur austnen. Und als der letzteTon des bald weicht dem Tag die Nacht verklungen ist da beginnt das friedestill wiegende S c h l u m m e r m o t i vsein volles, hold beruhigendes Walten (Lausch, Geliebter),um nun verbunden mit dem neugewonnenen T o d e s m o t i v e(Lass mich sterben), und in stter weiterer Fort- undUmbildung, als H a u p t t h e m a den ganzen z w e i t e n Theilder Scene mit sanft melodischer Fluth zu durchflstern.(S. das Beispiel oben.)

    Dieser zweite Dialog, weit krzer als der erste, derdie Liebenden vom Tage zur Nacht gefhrt hatte, bringtsie nun nachdem ihnen im Nachtgesange und dem ihmentsprossten Schlummermotive die Nacht mit dem Todesich verschmolzen hat durch Isolden's bange Frage:

    trennt nicht der Tod unsere Liebe? zum z w e i t e n Zwie-g e s a n g e , dem Sterbeliede: So starben wir, um unge-trennt , ewig, einig, ohne End' ganz uns selbstgegeben, der Liebe nur zu leben , dessen Thema spter-hin motivisch verwandt werden soll.

    Das zwei te Z w i s c h e n s p i e l , die Wiederholung desW c h t e r l i e d e s , beschrnkt sich hier nur auf den Re-frain habet Acht, und auch die vllig entsprechend nach-folgende Wiederholung des S c h l u m m e r - und Todes-motives, zu dem dritten ganz kurzen Dialoge, reiht sichnur fnfmal dicht an einander: dann fhrt das stolz er-habene ewig whr' uns die Nacht (welches jetzt diebangende Iso lde mit grossartiger Entschliessung zumfnft maligen Todesmotive singt) alsbald mit dem lebhaft ge-steigerten Seligkeitsmotive den grossen S c h l u s s g e s a n gder Scene ein: O ew'ge N a c h t , ssse N a c h t ! Hehrerhab 'ne L i e b e s n a c h t ! Erklingen diese ersten Wortenoch im neuen T o d e s m o t i v e , so tritt mit dem folgendenWie sie fassen, wie sie lassen wiederum das Sterbe-l i ed in breitesten, machtvollen Tnen ein, um sich drei-fach melodisch stts weiter fort zu gestalten und mit dem,ihm von nun an eigenthmlich zugesellten, S e i t e n t h e m a :der selig sich aufschwingenden Figur der Liebesverkl-rung (Hehr Vergehen hold Umnachten) in Gesang undOrchester zu einem immer erhabener und reicher anschwel-lenden musikalischen Wunderwerke sich zu verbinden. End-lich auf dem Hhepunkte drngenden Sehnens (Endlos,ewig, einbewusst) bricht das Se l igke i t smot iv wiederumtriumphirend hindurch und dringt in unaufhaltbarem Fluge,

  • den Gesang mit fortreissend, ber alle Welt hinaus wiein's Unendliche empor bis zum jhen Abbruch durchBrangnen's Schre i und Kurwenal's hastigen Auftritt:Rette dich, Tristan, womit die grosse Liebesscene be-schlossen ist.

    Die dritte Scene die Entdeckung, besteht in ihremHaupttheile allein aus Marke ' s Gesange . Nachdem dieNachklnge des letzten Jubelliedes aus der Seele der Ver-rathenen verweht sind, der de Tag, die Taggespensterund Morgentrume im verdsterten Tagesmotive sichangekndigt haben, erscheint mit der Rede des Knigs das.grosse G r u n d t h e m a der Scene, welches sie auch im Ge-snge ganz durchzieht: das erhaben-wehmuthvolle Marke-motiv mit seinem seltsam schmerzlichen Anklnge an dastodbergende Schlummermotiv der Liebenden. Auch diesesThema hat sein S e i t e n m o t i v in einer, auf TristanischemAbstiege niedersinkenden, Figur der Trauer, welche, wiegleich die ersten Worte, so auch wieder den Schluss derRede des Knigs begleitet.*)

    *) Wie der Gesang der Rede selber sich gestaltet: aus der Schmer-zenstiefe edelster Seele quellend und von der erhabenen Wrde der-selben ganz getragen, durch alle Regungen der Empfindung von zarterLiebe (dies wundervolle Weib) bis zu leidenschaftlichem Jammer(die kein Himmel erlst, warum mir diese Hlle, wozu das Z o r n -m o t i v sogar noch einmal ausbricht), und wie dazu das eine Haupt-thema sich musikalisch fortentwickelt dies zu betrachten fehlt leiderhier vllig der Raum. (Vgl. den Abschnitt: Die Dichtung.)

    Als Antwort auf diese Rede richtet Tristan seine le tz teFrage an Isolde: Wohin nun Tristan scheidet, willstdu, Isold', ihm folgen? und sie entgegnet ihm mit ihrerfesten Todesentschliessung: alles dies in der wehevoll ernsten,stillen Ruhe des nun erfllten Geschickes, schmerzlich gross,mit geheimnissvoll verklrter und vershnender Melodik,von den L i e b e s motiven des Vorspieles eingeleitet, vomS c h l u m m e r - und Todesmotive und den Nachthar-monien der Liebesscene (Es ist das dunkel ncht'ge Land)begleitet.

    Dann folgt nur noch ein hastig sich zu Ende strzenderSchluss, durch heftige triolische Rhythmen charakteristischbelebt: auf das Wort die That. Tristan: Wehr dich,M e l o t ! Als Jener das Schwert gegen ihn ausstreckt,lsst Tristan das seine fallen. ber dem, unter schroffenAkkordschlgen, tdlich getroffen Niedersinkenden erhebtsich laut jammernd ff. das M a r k e m o t i v und beschliesstals erschtternde Todtenklage den Akt.

    Der dritte Akt.

    Der dritte Akt von Tristan und Isolde besteht ausdrei Scenen: Tristan's Leiden Tristan und Isolde Isolden's Verklrung.

    Die erste Scene, welche zwei Drittel des Aktes ein-nimmt, lsst sich in fnf grssere Abschnitte eintheilen.

  • deren erster als Einleitung, wie bei den vorigen Akten,die S i t u a t i o n darstellt, und zwar in dreifacher Form:als Instrumentalvorspiel, als Hirtenreigen, und als kurzerDialog zwischen dem Hirten und Kurwenal. Gleich mitdem ersten dsteren Ganztone des Vorspiels sind wir indie Welt des furchtbar lastenden Todesdunkels, der denVerlassenheit, des in schmerzlichem Banne gefesselten hoff-nungslosen Sehnens versetzt, und diese unerbittlich trauer-schwere Stimmung spricht sich auch in dem ganzen Ver-laufe des Vorspiels mit grauenhafter Wahrheit durch eineneue U m w a n d l u n g des S e h n s u c h t s m o t i v e s aus (1.),welches ein ruhelos leidenwirkender, lebenwollender D-mon mit gedehnter Fortfhrung in einer gleichmssigzur Hhe aufsteigenden T e r z e n s k a l a wie in unendlichede sehnend nach unersphbarer Befreiung ausblickt (2),am dann wieder drangvoll verzweifelnd in jener, schonfrher notirten, W e i t e r b i l d u n g des L i e b e s m o t i v s 6.(Entbehrungsthema) herabzusinken und in langer Fermatezu verstummen (3.):

    An Stelle der dritten Wiederholung dieser letzten Figurtritt der Reigen des Hir ten ein, das langhin sichspinnende einsam klagende Lied der Schalmei, das mitjenen eigenartigen Tnen, in welchen die Kinder der Naturihre wehmthigen Weisen zu singen pflegen, unter vlligerVerlassenheit von der Musik des Orchesters, hier so wunder-sam sprechend das nun vor dem Zuschauer entrollte Bildder Scene begleitet: den herrenlos den, verfallenen Burg-hof mit dem endlosen Blicke auf das weite Meer, und da-rinnen die einsame Trauergruppe: Kurwenal schmerzlichber das Lager des todsiechen, bewusstlosen Tristan ge-beugt dumpfe Stille umher, durch jene klagenden Tnenur noch erhht bis endlich die Stimme des Hirten denBann ein Weniges bricht, ohne doch von dem kurzen Dia-loge mit Kurwenal die wehevolle Begleitung des wieder-holten Vorspielthema's verscheuchen zu knnen.*)

    *) Die sehnschtig aufsteigende Terzenscala trifft hier zweimalausdrucksvoll zusammen mit den hoffnungslosen Worten: Kein Schiffnoch auf der See? d und leer das Meer!

  • Die traurigen Klnge der Weise des sich entfernendenHirten erwecken Tristan aus dem Halbtode zum Beginnedes zweiten grsseren Scenentheiles, des Dialoges zwischenihm und Kurwenal, worin Letzterer mit herzlich ausbre-chenden Jubeltnen ber das, was v o r h e r g e s c h e h e ni s t (Tristan's Rettung nach der Vter Burg), freudigeAuskunft gibt. Hierfr gesellen sich ihm dre i Motive:eine rstig aufspringende t r i o l i s c h e F igur , an dieTriolen des vorigen Aktschlusses gemahnend

    ferner das ihm persnlich eigenthmliche ritterlich frischeH a u p t t h e m a , das man Kareolmotiv nennen knnte;denn es bezeichnet die Freude des treuen Knechtes an derwiedergewonnenen Heimathsbesitzung des Herrn, dem erselber zugehrt gleich Burg und Hof und drittens einekurze Wiederholung des M o r o l d l i e d e s (Hei nach Korn-wall, khn und wonnig, was sich da Glanzes, Glckes undEhren Tristan mein Held hehr ertrotzt). Aber aufjeden dieser froh und krftig sich ausjubelnden Gesngedes Treuen fllt, zu jhem Kontraste, gleich mit dem erstenLaute der kurz abgebrochenen mhsam hervorgerungenenAntworten Tristan's der schwere Schatten des kaum ge-brochenen Todesbannes mit der dsteren Grundharmoniedes Vorspieles.

    Der dritte Scenentheil bringt Tristan's e rs ten lngerenGesang. Das S e h n s u c h t s m o t i v , in beiden Formen,ist das herrschende Thema, Sehnsucht aus trgerischerTodesnacht zum Leben in der Wahrheit ewig erlsenderNacht der Liebe der Grundton dieses Gesanges.

    Ich war, wo ich von je gewesen, diese Worte beginnenmit der Wiederholung der letzten Frage an Isolde, um beider Stelle gttlich ew'ges Urvergessen aus dem Dmmer derNachtharmonien sich wunderbar aufzuklren in das reine D dur.Das Todesmot iv erscheint sowohl in seiner neuen Form(Was einzig mir geblieben, ein heiss inbrnstig Lieben, ausTodes Wonnegrauen jagt's mich das Licht zu schauen) als auchin seiner ursprnglichen Gestalt (Krachend hrt' ich hinter mirschon des Todes Thor sich schliessen). Wie Tages- undBlickmotiv, so schlingen sich auch wieder das holde Schlum-m e r m o t i v (Sie zu suchen, sie zu sehen) und das zartflsterndeL i e b e s r u f - T h e m a des zweiten Aktes (Ach Isolde wann endlich lschest du die Znde) in das tragische Dunkeldieses leidenschaftlich sich steigernden Sehnsuchtsgesanges.

    Der vierte Scenentheil verbindet Kurwenal's frohe, vondem derben Manne mit so liebevoller Zartheit gemeldeteKunde dessen, was i n z w i s c h e n g e s c h e h e n ist (seinRuf an Isolde), und Tristan's z w e i t e n langen Gesang, dervom hchsten Jubel sich wiederum in die Tiefe der Ver-zweifelung strzt, um dorther den himmelhoch weltzer-schmetternd sich aufrichtenden Schrecken des Liebes-f luches , zum Gipfel der ganzen Scene, herauf zu be-schwren. Kurwenal's Gesang von der rztin, die errief, begleitet das Thema des siechen Tristan,welches in das L i e b e s t h e m a des zweiten Aktes ber-geht. Tristan's hierauf wild leidenschaftlich ausbrechender,erst nach der Sprache ringender Jubel findet seinen Aus-druck in einer strmischen U m f o r m u n g des Sehn-s u c h t s m o t i v e s , welche hier als H a u p t m o t i v diesesTheiles zu einem Thema des Jubels wird:

  • Dagegen durchtnt den ganzen zweiten, grssesten Theildes Gesanges die einsam wehmthige Weise des H i r t e n ,deren Trauerkunde (Noch ist kein Schiff zu seh'n) Tristanin tiefe sinnende Schwermuth zurck versenkt.

    Wie diese Weise sich so merkwrdig musikalisch fort undfort spinnt bis zum wilden Ausdrucke vernichtender Verzwei-felung, so wird sie fr Tristan selbst die geheimnissvolle Ver-knderin seines innersten Leidens, des Urschmerzes seines Da-seins, des Fluches der Sehnsucht: Im Sterben mich zu sehnen,vor Sehnsucht n i c h t zu sterben (Sehnsuchtsmotiv!). Das Mo-tiv des s iechen Tr is tan und das Schicksals thema erhal-ten ihre volle tragische Bedeutung erst in dieser Verbindung(Das Schwert dann aber liess sie sinken, den Gifttrank gabsie mir zu trinken), das Tagesmotiv wird in seiner ganzenDoppelsinnigkeit offenbar (Mich wirft die Nacht dem Tage zu).Das Leidensmotiv endlich erwchst aus seiner kurzen kla-genden Grundform (Der Trank, der der Qual mich vertraut)zu einem ganz neuen, entsetzlich, tdtlich, mitten hindurch ge-brochenen, wild abstrzenden Thema in dem gedehnten Auf-schreie hchster Leidenschaft: I c h selbst ich habeihn g e b r a u t , worin die metaphysisch-ethische Lehre vonder essentiellen Schuld des Daseins so furchtbar konzentrirtemusikalisch-dramatische Gestalt erhalten hat.

    Fr den Rest des Gesanges, bis zum Liebesfluche selbst,bildet die eben erwhnte Figur des Liebesfluches dasH a u p t t h e m a und mildert sich erst allmhlich, whrendKurwenal's kurzem Nachgesange ber dem ohnmchtigenHerrn, bis sie einmndet in die wiederholten Liebesmotivedes fnften Scenentheils.

    Der fnfte Scenentheil umfasst: Tristan's Vision und die W i r k l i c h k e i t des nahenden Schiffes, verbundendurch die frhliche Weise des Hirten. Die Vision istein Wundersang von sss lieblicher Melodik: Wie sie selig,hehr und milde wandelt durch des Meer's Gefilde, dendas holde S c h l u m m e r m o t i v sanft wogend begleitet, undder sich innig steigert zu dem, von nun an motivisch ver-wandten Liebesseufzer: Ach Isolde, wie schn bist

    du! Die Wirklichkeit, jenes strmisch drngendeWechselgesprch Tristan's und Kurwenal's ber das nahendeSchiff, findet ihre jauchzende Verknderin in der f rh -l i chen Weise des Hir ten selbst, deren Fortspinnungdurch den ganzen Theil nur einmal von einer harmonischenVerdsterung und einer wild abstrzenden Figur unterbrochenwird, als das Schiff hinter dem Riffe verschwand. DerLiebesseufzer durchhallt mit innigem Seelenrufe alsdanndie wieder erlste jubelnde Freudenmelodie. Kurwenaleilt Isolden entgegen; Tristan bleibt allein zurck.

    Wenn nun in der zweiten Scene der einsame Tristan,von wthender Ungeduld emporgetrieben, nach wildemMhen vom Lager sich aufzuraffen, in leidenschaftlichemSehnen den Verband seiner Wunden herabreisst, so begleitetseinen tdtlich extatischen Jubelgesang als H a u p t t h e m adas rhythmisch in den 3/4 Takt umgesetzte, tobend erregteS c h l u m m e r m o t i v , welches hier, ganz zu seinem Ur-sprnge aus dem Todestrotze zurckgekehrt, das Sieges-lied des Todes selber singt. Auf dem Hhepunkte desAffektes ertnt Isolden's Ruf mit dem f. erschallenden Mo-t ive des L iebes r u f e s ; und als Tristan unter den ge-dehnten Tnen des S e h n s u c h t s motives in ihren Armenlangsam zu Boden gesunken ist: da begleitet der Blick desSterbenden auf die gewonnene Geliebte mit seinem letztenSeufzer Isolde! tief ergreifend zum letzten Male dasBlickmotiv, dessen kaum begonnene Fortsetzung in derWeise des Vorspiels mit ihm selber alsbald pp. erstirbt.

    Der zweite Scenentheil, Isolden's Klagegesang an Tri-stan's Leiche, wird ganz durchzogen von einem neuen Mo-tive, in welchem der Todestrotz, angesichts des Todes selbst,

    Wie diese Weise sich so merkwrdig musikalisch fort undfort spinnt bis zum wilden Ausdrucke vernichtender Verzwei-felung, so wird sie fr Tristan selbst die geheimnissvolle Ver-knderin seines innersten Leidens, des Urschmerzes seines Da-seins, des Fluches der Sehnsucht: Im Sterben mich zu sehnen,vor Sehnsucht n i c h t zu sterben (Sehnsuchtsmotiv!). Das Mo-tiv des s iechen Tr is tan und das Schicksals thema erhal-ten ihre volle tragische Bedeutung erst in dieser Verbindung(Das Schwert dann aber liess sie sinken, den Gifttrank gabsie mir zu trinken), das Tagesmotiv wird in seiner ganzenDoppelsinnigkeit offenbar (Mich wirft die Nacht dem Tage zu).Das Leidensmotiv endlich erwchst ans seiner kurzen kla-genden Grundform (Der Trank, der der Qual mich vertraut)zu einem ganz neuen, entsetzlich, tdtlich, mitten hindurch ge-brochenen, wild abstrzenden Thema in dem gedehnten Auf-schreie hchster Leidenschaft: I c h selbst ich habeihn g e b r a u t , worin die metaphysisch-ethische Lehre vonder essentiellen Schuld des Daseins so furchtbar konzentrirtemusikalisch-dramatische Gestalt erhalten hat.

  • aus angstvollem Lauschen zu einer bangen Frage nach demLeben sich aufzulsen scheint, und dem ein trauernderNachklang des Heidenthema's in moll sich klaffend anschliesst.

    Der S t e r b e g e s a n g , dieser melodische Beherrscherdes Endes der Tragdie, ertnt hier zum ersten Male wieder(dass wonnig und hehr die Nacht wir theilen) und bildetauch verhallend den Schluss der Scene, als Isolde mit demSeufzer Geliebter! bewusstlos ber der Leiche zusammen-sinkt.

    Die dritte Scene bringt zunchst den verzweifelt heftigsich berstrmenden Widerstandskampf Kurwenal's gegendas eindringende Gefolge Marke's, wobei seine drei Mo-tive: das K a r e o l m o t i v , die triolische Figur und dasJ u b e l t h e m a auch der Musik den Charakter aufgeregtesterThtigkeit verleihen. Dem sterbend niedergesunkenen treuenDiener seines Herrn singt dann sein Kareolthema in ver-dsterter Harmonie auch den ergreifenden Grabgesang. Die Folge der Scene bildet der zweitheilige, durch Bran-gnen's Kunde von dem Liebestranke (Sehnsuchtsmotiv!)unterbrochene, T r a u e r g e s a n g Marke ' s , der verklrteWiederschein gleichsam seines grossen Gesanges im zweitenAkte: im ersten Theile durch sein eigenes trauerndesM a r k e m o t i v begleitet, im zweiten aber durch die Lie-b e s m e l o d i e aus dem Schmeichelgesange Brangnen's vomersten Akte, der dem nun erkannten Liebeszauber hierwehmuthvoll vershnenden Ausdruck gibt.*) Von allen

    *) Hier gegen das Ende des Dramas pflegt unser Opernpublikumauf gesangliche Schnheiten solcher Stellen, welche es fr mehr neben-schliche, retardirende Zwischenstze hlt, nicht weiter viel zu achten;doch mchte es sich verlohnen , wenn es von dieser Gewohnheit beidem Gesnge Marke's abshe und dessen wunderbar ergreifende Schn-heit mit rechter Ruhe und Aufmerksamkeit gensse. Es ist bri-gens auch bemerkenswerth, wie diese letzten Erklrungen ber die

    Katastrophe des Drama's an Shakespeare 's Tragdienschlsse er-innern, womit jedoch das r e z i t i r t e Drama in einer gewissen er-nchternden Weise zur Realitt wieder berzuleiten pflegt, whrenddas musikal ische Drama hier erst noch seinen erhabenen Schluss indem V e r k l r u n g s g e s a n g e Isolden 's findet, welcher durch dieMacht der Musik das Drama und seine Hrer ber die Welt hinwegin das Reich des Ewigen erhebt.

    diesen Sngen vernimmt Isolde keinen Laut nichts er-wiedert darauf, als stts die kurze Wiederholung jenesS t e r b e g e s a n g e s in der Musik, der immer auf hheremTone einsetzend endlich, nach Brangnen's letzter Frage,auch den grossen Wiederklang des Schlusses der Liebes-scene im zweiten Akte, jetzt als V e r k l r u n g s g e s a n gIsolden's mild und leise beginnt. Wieder verwebt sichder S t e r b e g e s a n g mit dem V e r k l r u n g s m o t i v eund schwebt mit ihm durch wechselnde Fortentwickelungin Gesang und Orchester von Stimme zu Stimme, und ver-webt und steigert sich in vier stts sich weiterbildendenund ausweitenden Wiederholungen, immer mchtiger tnend,immer voller rauschend, bis zum jubelnden Einsatze desS e l i g k e i t s t h e m a s , das auf gewaltig weiter und weiterempordringenden Wogen mit den letzten Worten des welt-besiegenden Verklrungsgesanges die Seele der Erlstendahintrgt in des Weltathems wehendes All um dannallmhlich hernieder schwebend ihr nachzusingen in sanftersterbendem Hauche, den noch zuletzt das H a u p t m o t i vdes Dramas , zur seligsten Auflsung irdischen Sehnensin ewigen Frieden, mit leisen Harfentnen zart durch-weht.