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  • Inklusion in Schweden: "Wir zeigen unseren Schlern, wie die

    Gesellschaft ist"

    Schweden wird bei der Inklusion in Schulen oft als Vorbild genannt, weil besonders viele Kinder mit

    Behinderung in regulre Klassen gehen. Funktioniert dieses Modell wirklich besser?

    Von Silke Bigalke

    [] Eintausend Schler besuchen die Johan Skytteskolan in lvsj im Stockholmer Sden. Etwa jeder achte

    von ihnen habe eine "psychologische Diagnose", sagt Schulleiter Stig Gissln. Er zhlt Legasthenie und ADHS

    auf, aber auch elf Schler mit Asperger-Syndrom und anderen Formen von Autismus sind darunter. Seit drei

    Jahren arbeite die Schule daran, alle Kinder noch intensiver am regulren Unterricht teilhaben zu lassen.

    "Wir lehren unsere Schler, dass jeder Mensch anders ist", sagt Gissln. Gleichzeitig sollen alle teilhaben.

    Schweden gilt als Vorbild bei der Inklusion behinderter Kinder, die deutsche Unesco-Kommission lobte

    vergangenes Jahr, dort seien Frderschulen "so gut wie abgeschafft" []. Das schwedische Schulsystem

    unterscheidet sich stark vom deutschen []. berall gilt: "Wenn das Kind ein Handicap hat, dann muss die

    Schule dafr sorgen, dass es trotzdem in die nchstliegende Schule gehen kann", sagt Adelinde Schmidhuber,

    die in Stockholm fr die stdtischen Grundschulen zustndig ist. Das knne bedeuten, dass deren Direktor

    eine Rampe fr Rollstuhlfahrer bauen, technische Hilfen anschaffen oder dem Schler eine Begleitperson

    zur Seite stellen msse. "Wo ein Kind Gebrdensprache braucht, da kann dann die ganze Klasse

    Gebrdensprache lernen", sagt Schmidhuber.

    Perfekt integriert sind Schler mit Einschrnkungen trotzdem oft nicht. An vielen Schulen gibt es kleine

    Sondergruppen, in denen sie getrennt von den anderen unterrichtet werden. "Leider haben wir das in den

    Neunzigerjahren viel gemacht", sagt Schmidhuber. "Und leider machen wir das immer noch hufig." Die

    separaten Gruppen sollen nur bergangslsungen sein. Schmidhuber beschreibt sie als eine Art Nachhilfe,

    oft auch nur fr bestimmte Fcher, bis das Kind bereit ist, in die regulre Klasse zu wechseln. Schler, bei

    denen das gar nicht gelingt, knnen in eine der 16 festeingerichteten Spezialgruppen gehen, die es in

    Stockholm gibt. Darber entscheidet aber nicht ihr Direktor, sondern Experten der Stadt. []

    Untersttzt werden die Gemeinden und Stdte von der staatlichen Behrde fr Sonderpdagogik,

    Specialpedagogiska skolmyndigheten (SPSM). SPSM-Experte Per Skoglund hat Zahlen fr ganz Schweden und

    seine etwa 900 000 Grundschler. Demnach gehen 12 000 von ihnen auf Sonderschulen, die nur geistig

  • behinderte Kinder unter einer bestimmten IQ-Grenze aufnehmen. 10 000 weitere sitzen in normalen

    Grundschulen - allerdings in Sondergruppen, schtzt Skoglund. Wenn diese Kinder am normalen Unterricht

    teilnehmen, komme es darauf an, dass sie nicht nur "integriert", also in die Klasse gesetzt, werden. Sie

    mssten "gesehen, verstanden, unterrichtet und untersttzt" werden, sagt Skoglund. Das funktioniere mal

    besser und mal schlechter. [] Alle Lehrer achten nun strker darauf, dass jeder Schler mitkommt. Um das

    zu erreichen, geben sie ihnen Informationen immer auf mehreren Wegen. Einen Text beispielsweise lesen

    sie vor, bevor sie ihn austeilen, das hilft den Leseschwachen. Wenn sie etwas erklren, schreiben sie die

    wichtigsten Vokabeln an die Tafel oder arbeiten mit Bildern.

    Fhlen sich leistungsstarke Schler bei so viel Betreuung nicht unterfordert? Der Experte Per Strandberg

    glaubt das nicht, er hlt die Zusammenarbeit mit lernschwcheren Schlern fr eine gute Erfahrung. "Die

    Menschen in der Gesellschaft sind unterschiedlich. Wir zeigen unseren Schlern, wie die Gesellschaft ist."

    Sie haben offenbar Erfolg damit: Nahezu alle an der Schule schlieen so gut ab, dass sie danach drei Jahre

    aufs Gymnasium gehen knnen. Die grte Herausforderung sind autistische Schler. Auch hier ist jedes

    Kind anders. Manche mssen spter anfangen, weil ihr Tagesablauf anders ist als der ihrer

    Klassenkameraden. [] Sie mgen es meist nicht, wenn etwas von ihrer Routine abweicht. [] Laut

    Schmidhuber sei der nchste Schritt, sie zu fordern. "Sie mssen auch etwas lernen, es aufs Gymnasium

    schaffen, einen Beruf ergreifen", sagt sie. Eben genau wie alle anderen.

    Gekrzt und leicht verndert aus http://www.sueddeutsche.de/bildung/inklusion-in-schweden-wir-zeigen-unseren-schuelern-wie-die-gesellschaft-ist-1.2313420