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Selbstverständnis des Journalismus
U3L – Sommersemester 2011
Referat 09. Mai 2011, 14.00 Uhr
Bernhard Schüller
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1838 berichteten die Zeitungen über ein Gutachten
des Bayerischen Obermedizinalkollegiums
zur Einführung der Eisenbahn:
„Die schnelle Bewegung muß bei den Reisenden
unfehlbar eine Gehirnkrankheit, eine besondere Art
des delirium furiosum erzeugen.
Wollen aber Reisende dennoch dieser gräßlichen
Gefahr trotzen, so muss der Staat wenigstens die
Zuschauer schützen, denn sonst verfallen diese beim
Anblick des schnell fahrenden Dampfwagens
genau denselben Hirnkrankheiten.
Es ist daher notwendig, die Bahnstellen auf beiden
Seiten mit einem hohen Bretterzaun einzufassen.“
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Fragestellung, Zielsetzung,Standortbestimmung, Beispiele
Warum brauchen wir überhaupt Journalisten?
Auf was fußt das Selbstverständnis eines Journalisten?
Welche Zielsetzungen hat ein „guter Journalismus“
Darstellen, welche Ereignisse seit 1940 Journalisten beeinflusst und
die Betrachtungsperspektive verändert haben.
Erörtern, ob die aktuelle AKW-Diskussion das Selbstverständnis erneut
verändern wird.
Beispiele …
wie Medien operieren, manipulieren, dem Zeitgeist folgen
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Vorbemerkungen
Die Rolle des Journalisten ist ein Bedarf der Neuzeit (ab Mitte 15. Jahrhundert) *
Statische Weltsicht abgelöst individueller Freiheit,
eine Welt der Änderungen und Fortschritte mit steigender Komplexität.
Diese neue Welt hält sich nicht mehr an Religion und Überlieferung und
bedarf daher der journalistischen Vermittlungsleistung.
Das Erfahrungswissen des Einzelnen reicht nicht mehr aus, um das eigene Leben optimal
bewältigen zu können.
* Aus: D.König „Fontane als Journalist“
Roman Herzog als Verfassungsrichter:
Ein politisches und gesellschaftliches System ist in der dynamisierten Umwelt nur
dann lebensfähig,
wenn es eine ausreichende Anzahl von Antennen und Sensoren (Journalisten) besitzt,
durch die es über die laufenden Veränderungen der Umwelt möglichst präzise informiert
und zeitnah wird.
Glotz / Langenbucher in „Der missachtete Leser. Zur Kritik der deutschen Presse“, 1969:
Die öffentliche Meinung geht aus einem öffentlichen Diskurs hervor und folgt damit dem
Vorbild der freien Konkurrenz in der Wirtschaft.
Auch die Minderheit kann im Recht sein. Die Konkurrenztheorie fordert einen offenen
Entscheidungs- und Wettbewerbsprozess, in dessen Verlauf die Minderheitsauffassung
jederzeit zum Mehrheitswillen führen könnte (2010 / 2011 = Stuttgart 21 / AKW-Debatte).
Hohe Bedeutung der gesellschaftlichen Rolle des Journalisten
Pressefreiheit
- Freie Meinungsäußerung durch Presse, Rundfunk, Film, neue Medien
- Zensur ist untersagt; frei von Verfolgungen / Repressalien
- Freier Zugang zu allen Informationen (z.B. Internet)
Pressegeheimnis
- Schutz der Informanten und Quellen
- Durchsuchungen, Überwachungen, Lauschangriffe verboten
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Deutscher Journalistenverband, 1996
- Journalisten haben Sachverhalte oder Vorgänge öffentlich zu machen, deren
Kenntnis für die Gesellschaft von allgemeiner, politischer, wirtschaftlicher oder
kultureller Bedeutung ist.
Associated Press Statement of News Values and Principles
- Highest standards of integrity and ethical behavior, don´t plagiarize, don´t pay
newsmakers for interviews
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Verankerung bereits in den Verfassungen vieler Staaten *
Pressefreiheit in 70 Ländern eingeführt – bei 50% in der Verfassung
- In Schweden seit 1766, modifiziert in 1949 und 1976
- In der BDR neu seit 23.05.1949, modifiziert aufgrund der EU-RL 2006
* Dr. Manfred Redlefs, Greenpeace, Pressefreiheit ohne Grenzen, 2010
European Charter on Freedom of the Press – 05.05.2009, Hamburg
- 48 Chefredakteure aus 19 Staaten unterzeichneten die Charta- Ziel: Weltweite Ausdehnung und Zustimmung durch die Staaten
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Sozialisierung (von Journalisten) durch Schlüsselereignisse- S.C. Ehmig: Generationswechsel im deutschen Journalismus -
Niedrig
Hoch
Mittel
1940 1945 1950 1955 1960 1965 1970 1970 1970 1975 1980 1985 1990 … 2011
o Kriegs-
ende,
Hiroshima
o 17.Juni
o Spiegel-
Affäre
o Berliner
Mauer
o Anti-
Vietnam-
Demos
o Brandts
Kniefall
o Morde an
Schleyer,
Ponto,
Buback
o Nach-
Rüst-
Debatte
o Tscher-
nobyl
o Japan
als
neue
Achsen-
zeit?
o Brokdorf
o Baader
Meinhof
Prozesso Kuba-
Krise
o Letzte
Kriegs-
Gefangene
o Nürnberger
Prozesse
o Mond-
landung
o Sandoz
Nachkriegsgeneration ……………… 68-Generation ……………………. Folge-Generation ……..- Neutrale bis passive - Missstände aktiv aufdecken, - Enthüllungsjournalismus,
Beobachter missionarische Einflussnahme Unterhaltung, Sensationen
- Medium Papier, Hörfunk - Medium Fernsehen ö + priv. - Multimedia
Journalisten versus Journalisten versus Verleger versus Leser? *
Journalisten reden kaum miteinander … und verachten ihre Leser?
> Leitblätter: FAZ, FT, HB, SZ, Die Welt … Jeder weiß alles besser!
> BILD – eine Hassliebe … von Journalisten
Verleger verlangen Gewinne für ihre Medienfabriken
> Druck auf Journalisten, Kosten zu reduzieren … Zeitdruck auch „Droge“
> Vermischung von Information, Werbung, Unterhaltung (Fox News) **
Regierungsdruck auf unerwünschte Journalisten / Berichte
> USA bei Kriegsberichterstattungen
> Deutschland: Regierungsmaschine mit angepassten Journalisten
Kein Verbiegen bei Druckausübung
Aufdecken, auch gegen Widerstand
Zusammenhänge verstehen wollen
Informieren mit Stil in gutem Deutsch
Aufklären über Hintergründe
Integer sein / ethisches Verhalten
Keine Plagiate verwenden
Keine Bezahlung für Informationen
* Heribert Prantl, SZ, 2010:
Pressefreiheit –
das tägliche Brot
der Demokratie.
Wert und Gefährdung
eines Ur-Grundrechtes
** Al Gore, 10.2005:
Keynote Speech
Media Conference,
New York
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500 Studiengänge + Journalistenschulen für den Nachwuchs
Wie es sein
sollte!
Einerseits
hohes
Sozialprestige,
anderseits
Stress und
Medienschelte!
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Selbstverständnis darf nicht nur das Verständnis von Dritten sein
DPA VWD AP 12.000 Kunden, 243 Büros in 97 Ländern Bloomberg
Meldungen / Videos dürfen nicht kritiklos übernommen werden
Tages-
zeitungen
Wochen-
zeitschriften
Fernseh-
anstalten
Zeitdruck
Kostendruck
Auflagendruck
Sponsoring
Werbung
Einschaltquoten
Eigen-
Recherche
> Internet
Eigen-
Recherche
> Internet
FAZ,
Welt,
Süddt.
BILD Bunte
etc.
ARD /
ZDF etc.
RTL /
SAT etc.
Ko
mm
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Einerseits besteht die Konkurrenz der freien Meinungen …
… andererseits entspringt aus dem geistigen
Bündnis der Bürger die Macht der Öffentlichkeit *
… und bildet somit einen Resonanzboden einer
(un-einheitlichen) öffentlichen Meinung!
Früh-
warn-
System
???
Spiegel,
Focus,
Die Zeit
An
alo
g T
Z
* Johan Georg August Wirth als Hauptredner, Hambacher Fest 27.05.1832
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Selbstverständnis des Wissenschafts-Journalismus
ART Sachsonisch Teutonisch Gallisch Nipponisch
Paradigmen-Analyse
- + + -
Thesen-Produktion
++ - - +
Theorie-Bildung
- ++ ++ -
Kommentarüber andere
+ + + ++
+ = starke Ausprägung, - = geringe Ausprägung (Studie von J. Galtung 2010)
Thesenproduktion mit anschließendem try and error
Erklärung suchen, verstehen wollen > Theorie ableiten;
Polarisierungen, schwarz oder weiß, direkte Kritik
Elegante Theorielösungen aufspüren
möglichst keine Umsetzungen
Neutrale Kommentierungen,
Verbesserungsvorschläge,
Nachahmungen;
Harmonie des sowohl als auch,
keine direkte Kritik
Negativbeispiel von Analyse und Orientierung geben : Guttenberg *
FAZ vom 14.11.2008: Guttenberg kündigte an, er wolle eine deutliche, auf Substanz
gegründete Aussprache pflegen.
HB v. 31.10.2008: Schon lange gilt Gutenberg als einer der Top-Talente der CSU.
WiWo v. 05.01.2009: Guttenberg wirkt jungenhaft, nachdenklich, freundlich.
BILD v. 11.02.2009: Er ist erst 37, aber von Geld versteht er was – er hat ja jede Menge davon.
FAZ v. 10.02.2009: Wer sich über Jahrhunderte mit seinem Vermögen halten kann, versteht
überdurchschnittlich viel von Wirtschaft.
Bunte v. 12.02.2009: Der Adel bringt immer noch einen besonderen Menschenschlag hervor
Stern v. 19.02.2009: Christlich erzogen mit eigener Schlosskapelle
Focus v. 16.02.2009: Guttenberg wurde seit frühster Jugend darauf vorbereitet, das Vermögen
zu mehren.
Der Mainstream schreibt Guttenberg weiter hoch, der Resonanzboden nimmt die Botschaft auf!
Focus v. 13.12.2010: Seit Joschka Fischer hat es diese Unantastbarkeit des Charismas nicht
mehr gegeben. Er ist der Mann des Jahres! Ypsilanti wäre besser still!
BILD v. 17.02.2011: Macht keinen guten Mann kaputt. Scheiß auf den Doktor.
Danach der Absturz / neuer Mainstream der Medien … außer BILD:
FAZ u.a.: Betrüger! Plagiator!
Financial Times: Der CSU ist ihr Zirkuspferd abhanden gekommen!
Leineweber, SZ: Die Leute wollen Helden und Schurken. Richtig und falsch.
* Aus FAZ vom 26.02.2011 von Marcus Jauer 11
Journalistisches Selbstverständnis ist zu adjustieren *
Bürger nicht durch permanentes Trommeln in einer Tonart manipulieren:
- erst unreflektiertes Hochschreiben
- dann, dem Mainstream folgend, hektisches Runterschreiben
Ereignisse hinterfragen: Schein oder Wirklichkeit?
- Doktorarbeit ein substanzieller Beitrag für …?
- Sarrazins Buch bis zum Ende gelesen und Inhalte geprüft?
- Neo-Liberalismus: Finanzmärkte regulieren sich von selbst?
Angebot einer Agentur / Marketingabteilung darf nicht nur veredelt werden
- Motto: Time is Money **
Journalisten müssen direkte Informanten aus dem jeweiligen Umfeld haben
- Aussagen von Pressesprecher nur (faul) wiederzugeben, reicht nicht
- Kein Rückgriff auf Pseudo-Experten wie Olaf Henkel (siehe Schwarze Liste AP).
Keine Wiedergabe von Pseudonachrichten im Sekundentakt
- Gesprächswert (für Stammtische) schlägt oftmals den Nachrichtenwert
- Neil Postman, USA (1985): „Wir amüsieren uns zu Tode“!
* Dr. Thomas Leiff, SWR, Recherche-Journalismus als Qualitätsanker in „Pressefreiheit ohne Grenzen?“
** Nick Davies, The Guardian (2006): Von 2.000 Berichten stammten 60% aus PR-Material / von Agenturen.
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Literatur
Wirtschaftsjournalismus in der Krise Generationswechsel im deutschen Journalismus
Studie der Otto-Brenner-Stiftung Simone Christine Ehmig
Arbeitsheft dreiundsechzig Zum Einfluss historischer Ereignisse
Dr. Arlt / Dr. Storz auf das journalistische Selbstverständnis
2010 2000, ISBN 3-495-47494-3
Pressefreiheit ohne Grenzen? Theodor Fontane als Journalist,
Grenzen der Pressefreiheit? Selbstverständnis und Werk
Welker / Elter / Weichert Dorothee Krings
2010 2008
ISBN 978-3-86962-009-4 ISBN 978-3-938258-1
Parteien als Eigentümer von Medien
Dr. Ci Cao
Europäische Hochschulschriften
Band 5049
ISBN 978-3-631-61224-8
UNESCO
03.Mai jeden Jahres:
Internationaler Tag der Pressefreiheit
und
World Map of Press Freedom
www.freedomhouse.org
Europäische Charta für Pressefreiheit
Hamburg, den 25. Mai 2009
Anschub durch Hans-Ulrich Jörges, Stern
Signiert von 48 Journalisten aus 19 Staaten
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