Über auf Radiobiologischer Grundlage Aufgebaute Röntgenbehandlung Chronisch-Entzündlicher,...

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~,AUGUSTx935 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. I4. JAHRGANG. Nr. 31 1113 KURZE W ISSENSCHAFTLICHE MITTEILUNGEN. VERSUCHE 0BER DIE WIRKUNG SCHWEREN WASSERS AUF MIKROBEN. Von KLAUS HANS]~N und EINAR BLEGEN. Wir haben einige orientierende Versuche fiber die Wirkung yon ,,schwerem Wasser" in konzentrierter Form auf gewisse Bakterien vorgenommen. Es handelt sich urn einen Stature Weif3er Staphylokokken und einen Typhusbacillenstamm. Das zu den Versuchen verwendete schwere Wasser ent- hielt 98,x Gew.-% D~O. Es war mit unwesentliehen, eben noch nachweisbaren Spuren yon Nitraten verunreinigt, deren Entfernung uns beim Arbeiten mit solch kleinen Mengen, wie sie uns zu diesem Zeitpunkt zur Verfiigung standen, un- m6glich war. Hierin ist ein waehstumsbeschleunigender Faktor zu sehen, der im schweren Wasser zugegen war, hin- gegen in dem zu den Vergleichsproben angewandten gewShn- lichen, vollkommen reinen destillierten Wasser fehlte. In emer I. Versuchsreihe wurden 24 Stunden alte Bouillon- kulturen der obengenannten 2 Bakteriet~mme in bestimm- ten Mengenverh~Itnissen:, in Deuteriumoxyd bzw. in den n~mlichen MengenverhAltnissen in destitliertes VCasser aus- ges~t. Das Verh~ltnis zwischen Bouillonkultur und schwerem bzw. destiltertem \Vasser war gleich o,2 : 5. Das Milieu ent- hielt somit nach tier Durchmischung etwa 94 % Deuterium- oxyd. Ingesamt wurden wei~3e Staphylokokken in io R6hren mit schwerem Wasser und io R6hren mit destilliertem ~Vasser ausges~t, wAhrend Typhusbacillen in je 4 R6hren ausgcs~t wurden. Von der ersten Aussaat bis zum AbsehluB der Versuche vergingen 70 Tage. Bei Anlage von Subkulturen erhiclt man wAhrend der ganzen Versuchsperiode jedesmal Wachstnm bei allen R6hren derart, dab bei VersuchsabschluB die ~lteste Anssaat sich 7 ~ Tage lebend gehalten hatte, die jfingste 4o Tage. W~hrend das destillierte Wasser fiir ge- wShnlich sich ebenso klar hielt wie es anf~nglich war, oder sich nur leicht trfibte, wurde das schwere Wasser in allen R6hren im Laufe yon 8 Tagen stark getrfibt. Bei einigen nach 2 Wochen vorgenommenen Zithlungen land man in 2 R6hren mlt weii3en Staphylokokken und schwerem Wasser IOO 2oomal soviel Mikroben wie in den Kontrollr6hren. (Gez~hlt durch 8ooofache Verdfinnung mit darauffoigender Aussaat in Hochagar auf Platten.) In einer anderen Versuchsreihe wurden 25 SchrAgagar- rShren verwendet, zu deren Zubereitung man anstatt gew6hn- lichen Wassers Deuteriumoxyd gebraucht hatte. Der Agar enthielt 1% Norox, 1% Park-Davis-Pepton, ~/~% Salze, 3 % Agar i ccm n/: NaOH, im fibrigen SYasser pro IOO ccm. Derart hat das Substrat einen Deuteriumoxydgehalt yon etwa -92 % gehabt. Zur Kontrolle dienten 25 R6hren mit gew6hn- lichem destillierten Wasser hergestellt. WeiI~e Staphylokokken wurden in ]e ein Rohr mit schwerem Wasser und ein Rohr mit gew6hnlichem Wasser ausges~t. Jeden 2. oder 3. Tag wurden so die beiden Kulturen weiter- gefiihrt, die eine in Schr~gagar-schweres Wasser, die andere in SchrAgagar-gew6hnliches Wasser. Beztiglich Aussehen und Lebhaftigkeit konnte ein Unterschied im Wachstum in den 2 verschiedenen R6hren nicht nachgewiesen werden. Das stArkere Wachstum der in schwerem W'asser auf- geschl~mmten Bakterienkulturen muf~ aller V~rahrscheinlich- keit nach dem erw~hnten, spurenweise Vorhandensein yon Verunreinigungen zuzuschreiben sein; die Versuchsbedin- gungen lassen keinen SchluB dariiber zu, ob Deuteriumoxyd als solehes auf das Bakterienwachstum beschteunigend wirkt. Dagegen stellen die Versuche die Tatsache lest, dab die Gegenwart yon Deuteriumoxyd in Konzentrationen yon 92 bzw. 94 % innerhalb 7~ Tage nicht imstande ist, weiSe Staphylokokken und Typhusbacillen zu t6ten oder ihr ~achs- turn zu unterbinden, wenn die fibrigen Bedingungen ftir ihre Entwicklung vorhanden sind. Die Untersuchungen wurden mit Mitteln yon ,,A/S Norsk Varekrigsforsikringsfond" ausgeffihrt. Das ,,schwere Wasser" wurde uns yon A/S Norsk Hydroelektrisk krelstofaktieselskap, Oslc, zur Verfiigung gestellt. (Aus dem Pharmakologischen Institut der Universit(~t Oslo [Che]: Pro]. Dr. reed. Klaus Hansen].) PRAKTISCHE ERGEBNISSE. 0BER AUF: RADIOBIOLOGISCHER GRUNDLAGE AUFGEBAUTE RONTGENBEHANDLU~G :CHRO: NISEH-ENTZIJNDLICHERo KRANKHEITS- ZUST)~NDE UBID IHRE BEDEUTUNG FOR DIE PRAXIS. Von Dr. EDUARD FISCHER, Wiesbaden. D~e RSntgenstrahlen stellen zweifellos eine der st~rksten, dabei in ganz besonderer Weise abstufbaren Einwirkungen auf: das Zelleben dar. Der n~chstliegende eindeutige BeweiS 'ist die M6glichkeit unheilbarer Gewebssch~digungldurch RSiltgenbestrahlung, Die sich aufdr~ngende Frage nach einer hier ~ Wahrseheinlich nicht unmittelbar geltenden Be- rechtlgung des umstrittenen Arndt-Schultzeschen Gesetzes ~soll im folgenden nicht er6rtert werden. Es mag nur so viel gesagt werclen, daB, wie bei jedem Heilmittel, auch bei Anwendung der R6ntgenstrah!en Nutzen nut deshalb erzielt werden kanfi, :well keine Indifferenz Vorliegt, d. h. well gleich- zeitig :d~e M6glichkeit einer Sch~digung besteht, wobei die pharm~kologische Dosisbreite vonder heilenden, zur toxischen Wirkung Zuniichst auBer Betracht bleibt. Es ist auffallend, dab ein solches Pharmakon wie die R6ntgenstrahlen im Ver: hMtnis zu sciner ~rirl~ungsbreite und den demgem~f3 zu er- wurtenden Heilungsm6glichkeiten bisher so wenig Eingang in die Therapie gefunden hat, vielleicht mit Ausnahme des de~matologischen Gebietes und abgesehen yon der Bestrah- lung b6sartiger Geschwfilste, die hier gAnzlich aut3erhalb der vorliegenden Betrachtung, die ganz ausschlieSlich nut die chronisch-entzi~ndlichen Verdnderungen umfaBt, steht. Es wird also gewil3 noch vial zu selten bestrahlt, das heiBt zu selfen unter der allein eine R6ntgenanwendung fiberhaupt recht- i~ertigenden Berficksichtigung sg~mtlicher rs Fak- ~t0ren in ausgesprochen biologlsehem, Sinne, der bier bei diesem .leider so oft miBbrauchten Ausdruck durchaus keinen Schlag- w0rtbegriff darstellt. Es versteht sich yon selbst,, dab nur ausgeSprochen biologisch gerichtete Denkweise bei der therapeutischen R6ntgenanwendung zum Ziel ftihren kann, wobei die gedankliche Umstellung yon der Vorstellung tier vernichtenden Wirkung auf mittelbare oder unmittelbare Belebung und: eine nach der Vorhandenen M6glichkeit ein= gehende st~ndige Beobachtung der: Beeinflussung jedes ein- zelnen bestimmten Lebensvorganges in der bes~rahlten Zelle yon wesentlichster Bedeutung sind. Auch auf an'deren therapeutischen Gebieten hat sich diese angegebene V0rstel- lung durchsetzen mfissen. Man braucht sich nut daran zu erinnern, dab die Salvarsanwirkung keine rein Verhichtende Therapia ,,sterilisans", sondern eine Therapia ~ ,,ad~uvans! ~ auf dem Umwege fiber das Bindegevcebssystem darstell~. Bei dem: Heilungsvorgange: tiberhaupt wiegt in der Natur sicher wesentlich der Vorgang des Auf- und Umbauesmehr Vor als die Zerst6rung.- Folgende besondere Umst~nde haben bisher einer h~ufigeren, wirklich zweckm~igen Einfiihrung der R6ntgenstrahlefl in die Therapie im :7~u gest~nden: I: Der ,Begri]] der HED. als solcher. 2. DieFort, chritte der Technik

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~,AUGUSTx935 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . I4. J A H R G A N G . Nr. 31 1113

K U R Z E W I S S E N S C H A F T L I C H E M I T T E I L U N G E N .

VERSUCHE 0BER DIE WIRKUNG SCHWEREN WASSERS AUF MIKROBEN.

Von KLAUS HANS]~N und EINAR BLEGEN.

Wir haben einige orientierende Versuche fiber die Wirkung yon ,,schwerem Wasser" in konzentrierter Form auf gewisse Bakterien vorgenommen. Es handelt sich urn einen Stature Weif3er Staphylokokken und einen Typhusbacillenstamm.

Das zu den Versuchen verwendete schwere Wasser ent- hielt 98,x Gew.-% D~O. Es war mit unwesentliehen, eben noch nachweisbaren Spuren yon Nitraten verunreinigt, deren Entfernung uns beim Arbeiten mit solch kleinen Mengen, wie sie uns zu diesem Zeitpunkt zur Verfiigung standen, un- m6glich war. Hierin ist ein waehstumsbeschleunigender Faktor zu sehen, der im schweren Wasser zugegen war, hin- gegen in dem zu den Vergleichsproben angewandten gewShn- lichen, vollkommen reinen destillierten Wasser fehlte.

In emer I. Versuchsreihe wurden 24 Stunden alte Bouillon- kulturen der obengenannten 2 Bakteriet~mme in bestimm- ten Mengenverh~Itnissen:, in Deuteriumoxyd bzw. in den n~mlichen MengenverhAltnissen in destitliertes VCasser aus- ges~t. Das Verh~ltnis zwischen Bouillonkultur und schwerem bzw. destiltertem \Vasser war gleich o,2 : 5. Das Milieu ent- hielt somit nach tier Durchmischung etwa 94 % Deuterium- oxyd. Ingesamt wurden wei~3e Staphylokokken in io R6hren mit schwerem Wasser und io R6hren mit destilliertem ~Vasser ausges~t, wAhrend Typhusbacillen in je 4 R6hren ausgcs~t wurden. Von der ersten Aussaat bis zum AbsehluB der Versuche vergingen 70 Tage. Bei Anlage von Subkulturen erhiclt man wAhrend der ganzen Versuchsperiode jedesmal Wachstnm bei allen R6hren derart, dab bei VersuchsabschluB die ~lteste Anssaat sich 7 ~ Tage lebend gehalten hatte, die jfingste 4o Tage. W~hrend das destillierte Wasser fiir ge- wShnlich sich ebenso klar hielt wie es anf~nglich war, oder sich nur leicht trfibte, wurde das schwere Wasser in allen R6hren im Laufe yon 8 Tagen stark getrfibt. Bei einigen nach 2 Wochen vorgenommenen Zithlungen land man in

2 R6hren mlt weii3en Staphylokokken und schwerem Wasser IOO 2oomal soviel Mikroben wie in den Kontrollr6hren. (Gez~hlt durch 8ooofache Verdfinnung mit darauffoigender Aussaat in Hochagar auf Platten.)

In einer anderen Versuchsreihe wurden 25 SchrAgagar- rShren verwendet, zu deren Zubereitung man anstat t gew6hn- lichen Wassers Deuteriumoxyd gebraucht hatte. Der Agar enthielt 1% Norox, 1% Park-Davis-Pepton, ~/~% Salze, 3 % Agar i ccm n/: NaOH, im fibrigen SYasser pro IOO ccm. Derart hat das Substrat einen Deuteriumoxydgehalt yon etwa -92 % gehabt. Zur Kontrolle dienten 25 R6hren mit gew6hn- lichem destillierten Wasser hergestellt.

WeiI~e Staphylokokken wurden in ]e ein Rohr mit schwerem Wasser und ein Rohr mit gew6hnlichem Wasser ausges~t. Jeden 2. oder 3. Tag wurden so die beiden Kulturen weiter- gefiihrt, die eine in Schr~gagar-schweres Wasser, die andere in SchrAgagar-gew6hnliches Wasser. Beztiglich Aussehen und Lebhaftigkeit konnte ein Unterschied im Wachstum in den 2 verschiedenen R6hren nicht nachgewiesen werden.

Das stArkere Wachstum der in schwerem W'asser auf- geschl~mmten Bakterienkulturen muf~ aller V~rahrscheinlich- keit nach dem erw~hnten, spurenweise Vorhandensein yon Verunreinigungen zuzuschreiben sein; die Versuchsbedin- gungen lassen keinen SchluB dariiber zu, ob Deuter iumoxyd als solehes auf das Bakterienwachstum beschteunigend wirkt.

Dagegen stellen die Versuche die Tatsache lest, dab die Gegenwart yon Deuteriumoxyd in Konzentrationen yon 92 bzw. 94 % innerhalb 7 ~ Tage nicht imstande ist, weiSe Staphylokokken und Typhusbacillen zu t6ten oder ihr ~ a c h s - turn zu unterbinden, wenn die fibrigen Bedingungen ftir ihre Entwicklung vorhanden sind.

Die Untersuchungen wurden mit Mitteln yon ,,A/S Norsk Varekrigsforsikringsfond" ausgeffihrt. Das ,,schwere Wasser" wurde uns yon A/S Norsk Hydroelektrisk krelstofaktieselskap, Oslc, zur Verfiigung gestellt. (Aus dem Pharmakologischen Institut der Universit(~t Oslo [Che]: Pro]. Dr. reed. Klaus Hansen].)

PRAKTISCHE ERGEBNISSE. 0 B E R AUF: RADIOBIOLOGISCHER GRUNDLAGE AUFGEBAUTE RONTGENBEHANDLU~G :CHRO:

NISEH-ENTZIJNDLICHERo KRANKHEITS- ZUST)~NDE UBID IHRE BEDEUTUNG FOR

D I E PRAXIS. Von

Dr. EDUARD FISCHER, Wiesbaden.

D~e RSntgenstrahlen stellen zweifellos eine der st~rksten, dabei i n g a n z besonderer Weise abstufbaren Einwirkungen auf: das Zelleben dar. Der n~chstliegende eindeutige BeweiS 'ist die M6glichkeit unheilbarer Gewebssch~digungldurch RSiltgenbestrahlung, Die s ich aufdr~ngende Frage nach einer hier ~ Wahrseheinlich nicht unmittelbar geltenden Be- rechtlgung des umstri t tenen Arndt-Schultzeschen Gesetzes ~soll im folgenden nicht er6rtert werden. Es mag nur so viel gesagt werclen, daB, wie bei jedem Heilmittel, auch bei Anwendung der R6ntgenstrah!en Nutzen nut deshalb erzielt werden kanfi, :well keine Indifferenz Vorliegt, d. h. well gleich- zeitig :d~e M6glichkeit einer Sch~digung besteht, wobei die pharm~kologische Dosisbreite v o n d e r heilenden, zur toxischen Wirkung Zuniichst auBer Betracht bleibt. Es ist auffallend, dab ein solches Pharmakon wie die R6ntgenstrahlen im Ver: hMtnis zu sciner ~rirl~ungsbreite und den demgem~f3 zu er- wurtenden Heilungsm6glichkeiten bisher so wenig Eingang i n die Therapie gefunden hat, vielleicht mit Ausnahme des de~matologischen Gebietes und abgesehen yon der Bestrah-

lung b6sartiger Geschwfilste, die hier gAnzlich aut3erhalb der vorliegenden Betrachtung, die ganz ausschlieSlich nut die chronisch-entzi~ndlichen Verdnderungen umfaBt, steht. Es wird also gewil3 noch vial zu selten bestrahlt, das heiBt zu selfen unter der allein eine R6ntgenanwendung fiberhaupt recht- i~ertigenden Berficksichtigung sg~mtlicher rs Fak- ~t0ren in ausgesprochen biologlsehem, Sinne, der bier bei d iesem .leider so oft miBbrauchten Ausdruck durchaus keinen Schlag- w0rtbegriff darstellt. Es versteht sich yon selbst,, dab nur ausgeSprochen biologisch gerichtete Denkweise bei der therapeutischen R6ntgenanwendung zum Ziel ftihren kann, wobei die gedankliche Umstellung yon der Vorstellung tier vernichtenden W i r k u n g auf mittelbare oder unmittelbare Belebung und: eine nach der Vorhandenen M6glichkeit ein= gehende st~ndige Beobachtung der: Beeinflussung jedes ein- zelnen best immten Lebensvorganges in der bes~rahlten Zelle yon wesentlichster Bedeutung s ind. Auch auf an 'de ren therapeutischen Gebieten hat sich diese angegebene V0rstel- lung durchsetzen mfissen. Man braucht sich nut daran zu erinnern, dab die Salvarsanwirkung keine rein Verhichtende Therapia ,,sterilisans", sondern eine Therapia ~ ,,ad~uvans! ~ auf dem Umwege fiber das Bindegevcebssystem darstell~. Bei dem: Heilungsvorgange: tiberhaupt wiegt in der Natur sicher wesentlich der Vorgang des Auf- und Umbauesmehr Vor als die Z e r s t 6 r u n g . - Folgende b e s o n d e r e Umst~nde haben bisher einer h~ufigeren, wirklich zweckm~igen Einfiihrung der R6ntgenstrahlefl in die Therapie im :7~u gest~nden: I: Der ,Begri]] der HED. als solcher. 2. DieFor t , chritte der Technik

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mit der Erzeugung immer h~rterer Strahlengemische, wobei das als notwendig angenommene Bedfirfnis m6glichst hoher Tiefendosen und der Hantschonung d i e Wichtigkeit der Qualit~it der Strahlung als solcher vergessen lieB. 3. Die An- schauung, dat3 bei der R6ntgentherapie die im Gewebe ent- stehende Sekundd~rstrahlung ffir die Zellbeeinfluf3barkeit allein yon Bedeutung ist und nicht die nach meiner Auf- fassung so bedeutsame Qualit~it der Strahlung fiberhaupt. (Vgl. z. B. DU MESNIL DE ROCHEMONT: Miinch. med Veschr. I935, Nr !I , 436 . )

Die HED. stellt diejenige R6ntgenlichtmenge dar, die als augenscheinlich toxische, aber noch nicht zum Zelltod ftih- rende R6ntgenstrahlungsbeeinflussung von der Hautzelle eben noch unter je nach der Strahlenh~rte frfiherem oder sptkterem Eintreten nachfolgender, kennzeichnender Ver- ~nderungen ertragen wird (Erythem), wobei die Strahlenh~rte selbst und die notwendigerweise damit verbundene Tiefen- wirkung unberticksichtigt bleibt. Die frfiher und auch heute noch beliebte alleinige Anwendung dieser Vorstellung bei der R6ntgentherapie chronisch-entzfindlicher Krankheitszustt~nde erinnert an den Gebrauch der Digitalis im Mittelalter, die ,,bis zum Erbrechen" gegeben wurde, d. h. so lange, bis ein Vergiftungszustand erreicht war; heutzutage wfirde kein Arzt es wagen, aus dieser Vorstellung heraus Digitalistherapie zu treiben. Im gleichen Sinne k6unte man gegen Schwtkche- zust~nde Alkohol, der in etwa einer Menge von 500 ccm tSd- lich wirkt, jedesmal in einer Menge yon 3oo ccm verordnen, oder Morphindosen, bei denen die tSdliche Gabe etwa bei o, 4 g liegt, in einer Dosis yon jedesmal o,2--o, 3 g geben.

Was die Quallt~it der Strahtung anlangt, so hat eine, man mSchte sagen, fiberziichtete Technik dem Arzt Apparate in d ie Hand gegeben, die, zumal bei der fast stets angewandten starken Schwerfilterung, ungew6hnlich harte Strahlen- gemische liefern. Allerdings wird, wie oben erwAhnt, viel- fach angenommen, dab die yon der StrahlenqualitAt un- abhAngige SekundArstrahlung biologisch allein yon aus- schlaggebender Wirkung ist, und dab deshalb, da die Sekun- d~rstrahlung der Zelle entsprechend ihrer Atomgewichte una:bh~ngig yon der Prim~rstrahlung stets die gleiche bleibt, der StrahlenqualitAt kein wesentlicher biologischer EinfluB zukommt, yon deren entscheidender Bedeutung jedoch haupt- s~chlich die vorliegende Betrachtung und die Wesensart meiner R6ntgenanwendung ausgeht. Ganz gewiB wird es vom biologischen Standpunkt aus nicht gleichgfiltig sein, ob Strahlung nu t penetriert oder ob sie absorbiert wird, so wenig wie es beispielsweise gleichgfiltig ist, ob man auf eine Glas- scheibe einen Steinwurf oder ein schnelles GewehrgeschoB einwirken 1ABt; im einen Falle wird die Scheibe zertrfimmert werden, im anderen wird ein kleines rundes Loch entstehen. Dieser Vergleich mag schief sein, und theoretisch mag die penetrierende Strahlung vielfach als indifferent gelten; wie wenig sie jedoch in biologisehem Sinne wirkungslos sein kann, ergibt sich aus 3 Grfinden: L Die Ents tehung der Streustrah- lung steht bezfiglich der Strahlenh~rte im umgekehrten Verh~lt- his zum Atomgewicht des bestrahlten Stoffes; der Verh~ltnis- m~l~ig leichtatomige Organismus unterliegt daher der Streu- strahlenvermehrung in besonderem MaBe. 2: Bedeutsamer- weise ist der Wellenl~ngenunterschied im Spektrum zwischen weicher und harter R6ntgensfrahlung, die im Bereich yon 0,6 bis o,~ AngstrSmeinheiten liegt, physikalisch-mathematisch auBerordentlich viel gr6Ber als der Wellenunterschied zwischen dem verh~ltnism~Big indffferenten Rotlicht und der biologisch so o wirksamen Ultraviolettstrahlung: 3- Die Z~tenzzeit einer m6glichen Strahlenschgdigung steht im umgekehrten Ver- h~ltnis zur \u der ange~:endeten Strahlung (kleine Latenzzeit der H6hensonnenverbrennung - - groBe La.tenz- zeit der weichen, gr6fite der har ten R6ntgenstrahlensch~di- gung). - - In der Natur, vielleicht in der Biologie noch weniger als in der Technik, gibt es fiberhaupt keine Indifferenz; der im Stromkreis Iiegende Transformator zeigt z. ]3. in der Ruhe wie b e i der Arbeit den jeweils entsprechenden Jouleschen Effekt.

Im empirischen Sinne scheint es mir bezfiglich der R6ntgen- therapie zwei groBe Leh~eister. zu geben. Der eine besteht,

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wie auch ant anderen Gebieten, in der Geschlchte der RSntgen- behandlung, der andere ist d i e RSntgenreaktion der Haut, u n d zwar der erkrankten Haut, da das normale Gewebe sich der biologischen R6ntgenbestrahlung gegenfiber in sicherem Sinne indifferent verhalten ~nufl. Solange die noch un- entwickelte R6ntgenapparatur nicht die Anwendung hat ter und hartester Strahlengemische zu l ieB, wurden schwere R6ntgensch~den solcher Art und Tiefenwirkung, wie man sie bei unzweckmaBigem Gebrauche der modernen Apparatur beobachten kann, trotz der noch ungenfigenden MeBmethoden und daher meist unzweckm~Bigen Dosierung nicht gesehen. Im Gegenteil heilte damals noch manches chronische Ekzem und manches Ulcus rodens gfinstiger ab als unter der An- wendung der modernen Apparatur bei jedesmaliger Einwir- kung yon kleineren und gr613ten, allzu geh~uften und daher im biologischen Sinne verzettelten Teildosen einer ganzen HED, ha,rter Strahlung.

Bei keinem anderen Krankheitsgebiet kann der Heil- vorgang und die Einwirkung der Heilmit tel so unabhangig yon den subjektiven ~uBerungen des Kranken beobachtet werden wie bei Hauterkrankungen. Sie stellen daher die ideale Beobachtungsm6glichkeit fiir den R6ntgenologen und ffir die Begriffsbildung fiber die Einwirkung der R6ntgen- strahlen auf die erkrankte oder die gesunde Zelle dar. Im folgenden soll deshalb bier ein grundsatzlich bedeutsames Beispiel erw~hnt werden:

Dr. R., Laryngologe, x933 65 Jahre alt, erkrankte I922 an einem squam6sen indurativen Ekzem der Iinken Hohlhand yon Ffinfmark- stflckgr6Be, das yon einem inzwischen verstorbenen R6ntgenologen augenscheinlich mit weicher Strahlung in unbekannter Dosierung, wahrscheinlich mit je einer HED., in 3--4w6chigem Abstand be- strahlt wurde. Nach der 2. Bestrahtung Auftreten einer wesent- lichen Verschlimmerung. Dauer der Erkrankung, die Fernhalten yon Veasser und Seife und damit bezfiglich der operativen Tatigkeit Berufsunfahigkeit bedingte, etwa 4 Monate. Allm~Iich Abheihmg unter Anwendung yon dermatologischen Heilmitteln; die Haut zeigt heute noch leichte R6ntgensch~digung (kennzeichnendeTele- angiektasen), z933 Auftreten der sicher gleichen Erkrankung in der rechten Hohlhand. Am 2o. X. I932 durch mich R6ntgenreiz- bestrahlung (I2o kV., o, 3 mm Cu. R6hreneigenfilter, 2o % der HED.) ; nach ~ Tagen zunehmende Besserung unter gleichzeitiger Vermei- dung ~uSerer Schadigungen nach hautarztlichen Grundsatzen, I4 Tage sparer gleiche Bestrahtung. Bis heute dauernde Abheilung innerhalb der nachsten 5 Tage, so dab yon einer beabsichtigten 3- Bestrahlung abgesehen wurde.

Diese kurze Krankengeschichte zeigt dutch ihre beweisende Gegenfiberstellung die Auswirkung der verschiedenen R6ntgen- bestrahlungsart an der gleichen Erkrankung bei der gleichen Person, yon welcher Bedeutung eine in biologischem Sinne angewandte R6ntgenbehandlung fiir die Ausheflung eines Krankheitszustandes ist.

Folgende Umstande scheinen mir fiir die Vornahme einer in solchem Sinne anzuwendenden R6ntgenbehandlung yon grundsatzlicher Bedeutung zu sein: L Die absorbierte Strah- lung ist die heilwirksame, sie muB daher m6glichst weich sein und muB deshalb bei tiefergelegenen Krankheitsherden von mehreren Feldern aus den Krankheitsherd zu erreichen trachten; die Gi]twirkung der Strahlung flit die lebende und besonders ffir die in vermehrter Lebenstat igkeit befind- liche Zelle w~chst mit der Strahlenh~irte. Aus biologisch- prakfischen Grfinden muB der .Fokus-ttautabstand ~n.6flichst gering gew~hlt werden; nur so ist es zu erreichen, die be- absichfigte gr6Btm6gliche Menge der absorbierbaren weichen Strahlung, bei Bedarf yon mehreren Einfallsfeldern aus, an den Krankheitsherd heranzubringen. 2. Die R6ntgenbestrah- lung wirkt als Katalysator; nur bei bereits zumindest in Tditigkeitsbeginn befindlichem Zustand des 6rtlichen Binde- gewebsapparates ist R6ntgenbestrahlung angezeigt und nutzbringend. Exsudative Prozesse, z. B. akute n~ssende Exzeme und exsudative Tuberkulose, werden selbst durch kleine Dosen absorbierbarer Strahlung schadigend beeinfiuBt. Bekannt ist in solchen ]?~llen auch die Schadigungsm6glich- keit durch weir geringere elektromagnetische Einflfisse, z. B. durch H6hensonne oder durch ~hnlich eingreifende Reiz- wirkung chemischer Stoffe, die dagegen z. B. bei indurat iven

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Hautprozessen nicht nur ertrAglich, sondern heilbringend sind (Teeranwendung). Von besonderer Bedeutung ist die Art des Wirtgewebes, entsprechend seinem Gehatt an Binde- gewebe, weshalb beispielsweise ein Uteruscarcinom im all- gemeinen der Strahlenbehandlung zug~nglicher ist als ein Magencarci nom. 3. Die zeitlichen Zwischenr~ume zwischen den einzelnen Bestrahlungen sind entsprechend der biologisch gerichteten Auffassung ihrer Einwirkung auf die Zellt~tigkeit von griiflter Wichtigkeit.

Stets und unbedingt mul3 man sich vor Augen halten, dat3, wie schon erw~hnt und atlgemein bekannt, der e]ektro- magnetische Effekt der R6ntgenstrahlen den denkbar stark- sten Eingriff in die Lebenst~tigkeit der Zelle darstellt, Andere Reize, z. B. thermische, sind demgegentiber aul3er dem bei ~3berdosierung m6glichen Zelltod fast bedeutungslos; sie verhalten sich zur Zelle wie etwa W~rme oder Rotlicht- strahlung zur gew6hnlichen photographischen Platte, die bei ihr h6chstens ~W~rmesteigerung 0hne bedeutsame chemische Umsetzung hervorrufen. Die Wirksamkeit der Diathermie und auch der biologisch st~rkeren Kurzwellen ist, entsprechend ihrer verh~ltnismi~Bigen biologischen Indifferenz durch ihre wesensgemitB zu erwartende schwache elektromagnetische Einwirkung auf die Zellt~tigkeit, nu t gering, ebenso gering wie die M6glichkeit einer Zellsch~digung dutch ihre kaum m6gliche zwischenzeitliche und mengenmlti3ige ~berdosierung, ganz im Gegensatz zur \u der R6ntgenstrahlung.

Zur nutzbringenden A n w e n d u n g der so eingreifenden R6ntgenstrahlenwirkung kommen einerseits biologisch-physio- logische ~3berlegungen, andererseits genaueste Beobachtung der gesamten Krankheitsvorg~nge, wozu eindeutig und in besonderem Mat3e die Schmerzempfindung geh6rt, ebenso die Beobachtung der fibrigen ~Virkungseinflfisse in Betracht, zwei Faktoren, die auBer den anderen bereits angeffihrten 13e- dingungen ffir den R6ntgentherapeuten stets entscheidend und richtungweisend sein mfissen.

Der Wechsel in der Zellt~tigkeit ist, wie die Erfahrungen z. B. bei der Menstruation u n d die Physiologie lehren, an einen 3--4w6chigen Wechsel gebunden. Greift man nun in so grundsa• weise, zumal in die kranke und daher un- natiirlich empfindliche Zelte ein, und zwar gerade bis zu der dem Einzelfall anzupassenden Grenze des physiologisch- path010gisch Ertr~glichen, so mul3 naturgemAB erst das Ausklingen dieser Wirkung abgewartet werden. Es gibt such bier wohl ein Schema, abet niemals einen Schematismus, der zweifellos infolge seiner dutch ihn ausgel6sten Mil3erfolge bisher die sinngemASe Anwendung der so aui3erordenttich erfolgsm6glichen R6ntgentherapie verhindert hat. - - M a n weil3 beispielsweise, dab Strophanthin in geeigneten, am besten nicht zu hohen Dosen die Herzmuskelzellen ent- scheidend beeinflul3t, und dab die normale Strophanthin- menge zu ihrer nachweislichen Ausscheidung etwa 12o Stunden braucht; keinem Herztherapeuten wird es einfallen, wochen- lang t~glich die ihm nach der Dosentabelle erlaubte Dosis yon 0,3--0, 5 mg Strophanthin einzusl~ritzen, er wird sein therapeutisches Handeln fiberhaupt m~llt nach mechanisch- pharmakologischen Grunds~tzen, sondern nach der biolo- gischen Er]olgswirkung einstellen und nach erreichter Heil- wirkung seine Strophanthinbehandlung abklingen lassen oder abbrechen; Mal3stab dafiir wird die reaktive Herzt~tigkeit sein. Bei der R6ntgenbehandlung handelt es sich niche um Aufnahme und Ausscheidung eines vori~bergehend wirksamen Heilmittels, sondern um grundlegende ./[nderung und Urn- stimmung der Zelle und der Zellti~tigkeit fiberhaupt. Verzet- telung yon R6ntgendosen oder zu grol3e oder zu frfihzeitig wiederholte Dosen s ind mit der biologisch stark und wesent- lich umstimmenden Wirkungsweise dieses ganz besonderen Agens v611ig unvereinbar. Von dem Versuch einer Erklgrung der r6ntgenologisch eine Sonderstetlung einnehmenden Coutardschen 13estrahlungsform bei der zwangsweise yon ganz anderen Absichten und Voraussetzungen ausgehenden R6ntgenbehandlung b6sartiger Neubildungen, die in ihrer Wesensart teilweise eine Sonderstellung gegenfiber den be- reits yon der Natur eingeleiteten Heilungsvorgitngen chronisch- entziindlicher Ver~nderungen einnehmen, soll bier abgesehen

werden; das Wachstum einer bSsartigen Geschwulst bedeutet einen v611ig anderen Lebensvorgang als die vielfach such den nattirlichen Heilungsbestrebungen iiberlal3baren reaktiven Zellver~inderungen bei chronisch-entziindlichen Prozessen.

Ein weiteres, sch0n genanntes wesentliches und daher eingehend zu beachtendes Testobjekt bei den zuletzt an- gegebenen Krankheitszustiinden ist der Schmerz. Er ist aul3er den bisher aufgeffihrten Betrachtungen e in besonderer Ausgangspunkt fiir unser therapeutisches Handeln geworden. W~ir bestrahlen chronisch-entziindliche Veriinderungen mit der noch anzugebenden biologisch-optimalen Dosis in ent- sprechenden Zeitabstiinden. Nach i- bis h6chstens 2tAgiger Latenzperiode pflegt bei Hauterkrankungen der Juckreiz, bei Gelenkentzfindungen der Schmerz auffallend nachzulassen, um durchschnittlich am I0. bis 12. Tage zurfickzukehren, worauf mit noch auffallenderer Heilwirkung eine zweite gleichartige Bestrahlung vorgenommen wird. Bei Gelenk L ergfissen ist zur ErmSglichung der vollen Strahlenwirkung stets ErguBentfernung vor der Bestrahlung erforderlich; vor der 2. Bestrahlung pfiegt der ErguB selbst nach langem Be- stehen nu t mehr wenig ergiebig zu sein. Die 3. 13estrahlung wird am 18. bis 21. Tage nach der 2. Bestrahlung vorgenom- men, selten ist nach Ablaut yon weiteren 4 Wochen eine 4- Bestrahlung gleicher Art erforderlich. Aus biologiseh be- greiflichen Grfinden muB zur Ausheilung die Vornahme einer Serie yon mindestens 3 Bestrahlungen eingehalten werden. Die Bestrahlungsart ist auBerordentlich einfach, so dab sie sogar an den verp6nten Sehematismus erinnern k6nnte, wenn nicht auch die Erfolgswirkung ihre Richtigkeit bewiese. Wit bestrahlen z. t3. Hauterkrankungen stets in folgende r Weise: Apparat: ,,Ventilmeteor-Gleichrichter" mit Therapie- zusatztransformator. R6hre: ,,Metwa-Metalix" mit Eigen- filter yon 0, 3 mm Kupfer, I25 kV Scheitelspannung, 3 mA, Fokushautabstand !7 cm, und geben - - die HED. gleich 71o r angenommen - - etwa I lOr , also etwa 15% der HED.

]:)as Kniegelenk wird unter ganz gleichen Bedingungen yon 2 Seiten, je nach Erfordernis in meist transversaler oder bei den selteneren Patellarfl~ichenver~nderungen in sagittaler Richtung, mit je 75 r belegt bei einer Feldgr613e yon 94 qcm und einem gleichen Brennpunkthautabs tand von nu t 17 cm, wobei eine prozentuale Tiefendosis in 3 cm Tiefe infolge des geringen Brennpunkthautabstandes yon verh~ltnismAl3ig besonders absorbierbarer weicher Beschaffenheit in einer Menge yon 62 % erreicht wird.

Gleichsinnig erh~lt das Fuflgelenk yon 2 Seiten je 60 r. Ein in unbeabsichtigt-zufAlliger Weise mit der bei den I<nie- gelenken angewandten Form bestrahltes Fut3gelenk ant- wortete alsbatd, entgegen stAndiger Erfahrung, mit sonst nie zu beobachtender Schmerzempfindung, ein Beweis, dab die sonst verwendete entsprechend schwi~chere Strah- lungsmenge in biologischem Sinne richtig ist,

Das Hi~]tgelenk erhMt yon 2 (selten 3) Einfallsfeldern auf je I Feld je IOO--I~O r, bei fettleibigen Kranken zur Erh6hung der Tiefenwirkung mit hiirterer Strahlung durch Spannungs- erh6hung auf 15o kV. Allerdings mul3 hier zugegeben werden, dab bei Arthritis des Hfiftgelenks, vielleicht auch durch die besonderen mechanisch-anatomischen Gelenkverhitttnisse, die Erfolge nicht so gfinstig sind wie bei den fibrigen Gelenken, wovon sich besonders die kleinen und mitt leren Gelenke der oberen und un te ren GliedmaBen als gleichm~il3ig gfinstig r6ntgenbeeinfiuBbar erwiesen.

Die Anwendungsgebiete sind entsprechend mannigfaltig. Jeder chronisch-entzi~ndliche Reizzustand eines beliebigen bindegewebsreichen und in entsprechendem Ti~tigkeitsgrad befindlichen Gewebes ist Gegenstand solcher R6ntgenbehand- lung: Chronische Dermatosen, chronisches Ekzem (auch der S~uglinge, Augenschutzi), chronische Beingeschwfire mit mangelnder Heilungsneigung, Schweil3drflsenabscesse, Pso- riasis - - kennzeichnenderweise nicht die Impetigo conta- giosa! -- , chronische Gelenkerkrankungen jeder Art, beson- ders die in den Vgechseljahren oder die mit hartn~ckigem n~chtlichen Schmerz auftretenden entztindlichen Gelenk- erkrankungen (Spirillosen nach I~EITERS Angaben?), ebenso

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die unfallbedingten Arthrosen, prim~re und sekundXre Poly- arthrititis, natiirlich unter m6glichster Ausschaltung des Ausgangsherdes (,,fokale Infektion"), gonorrhoische Gelenk- prozesse, chronische Neuritiden (Ischias), wobei der Nerv yon der Wurzel an in seinem Gesamtverlauf mit einer ent- sprechenden Anzahl von Feldern belegt wird, Herpes zoster, gegenfiber dem die monatelang dauernden Schmerzen oft schon nach der i. Bestrahlung des Ganglions nachlassen, Coccygo- und Achillodynie, Sehnenscheiden- sowie Schleimbeutelentzfin- dung, Periostitiden, die sog. ,, Schlattersche" und, ,Perthessche" Krankheit , osteophyt&re Entztindungszust~nde, entzfindlicher Senk- oder Spreizfu13, das groi3e Gebiet der,,Rfickenschmerzen", sofern sie dutch 6rtliche chronisch-entzfindtiche Reizzust~nde bedingt sind, Ery thema nodosum, Lymphome, tiberhanpt jedes tuberkul6se Infi l trat (z. B. Mesenterialdrfisentuberkulose durch je ein ventrales und dorsales Fernfeld yon je 80 r, wobei der fibr6se Charakter Bedingung ist), ferner schmerzhafte Venen- infil trate bei Thrombophlebitis oder nach kfinstlicher Venen- ver6dung; in letzterem Falle ist R6ntgenwirkung selbst- verst~ndlich und kennzeiehnenderweise erst nach Ausl6sung der T~tigkeit des Bindegewebsapparates m6glich. Wegen des reichlichen Gehaltes der Herzklappen an Bindegewebs- elementen erscheint eine R6ntgenbeeinflussung bei den be- kanntlich sonst einer Heilwirkung kaum zug~nglichen chroni- sehen Endokarditiden besonders aussichtsreich.

In der Tat gelang es 1923 bei einem IsjAhr., mutmaBlich seit mehreren \u mit an gleichzeitigem embolischen Nieren- infarkten erkrankten Jungen mittels I{6ntgenbehandlung die Herz- klappenentziindung und ihre Metastasen auszuheilen; leider wurde der Erregertyp nicht festgestellt.

Aus Raummangel mu~ vorerst yon besonderen kasuisti- schen Angaben abgesehen werden. H6chst eindrucksvoll jed0ch war beispielsweise dieL6sung einer bereits seit 4Wochen bestehenden chronischen Pneumonie bei einem S/~ugling etwa 2 Tage nach entsprechend vorgenommener biologischer Reiz- bestrahlung (Kinderarzt Dr. O. LADE, Wiesbaden). Besonders beeinfluBbar erwiesen sich wrtlvritische Gelenkprozesse, da ge- m~13 dem auch den Kranken wohlbekannten Wechsel in den Krankheitserscheinungen haupts~chlich die r6ntgenempfind- liche entzi~ndliche "und nicht der selbstverst~ndlich dauernd beStehende, zun~chst unbeeinftuf3bare deformierende Krank- heitsanteiI die Gelenkt~tigkeit behindert. Besonders wirksam und aufschlui3reich zeigt sich der EinfiuI] der biologischen R6ntgenbestrahlung gegenfiber den tuberkulSsen Gelenk- lcapselentzi~ndungen, bei denen nach Einwirkung der Strahlnng infolge des zu erwartenden und fast stets eintretenden Nach- lassens der ungew6hnlich starken Schmerzhaftigkeit die Beob- achtung der I 2t~gigen Latenzzeit der Strahlenwirkung be- sonders unverkennbar ist. Ebenso liel3en bei zerst6renden Knochentuberkulosen mit Fistelbildnng Schmerz und Ab- sonderung, oft mit Fistelschlul3, nach der typischen Latenz- zcit nach F~lle yon chronischer Osteomyelitis wurdell gleich- sinnig wegen des in der Tiefe befindlichen nekrotischen und sequestr6sen Materials zwar nicht ausgeheilt, aber immerhin 'wesentlich gebessert. Jedenfalls erscheinen mir unsere Erfolge im ganzei1 zahlemI}~i3ig gfinstigcr als die Heilergebnisse der keineswegs in bioiogischem Sinne erfolgenden Bestrahlungs- methoden der Freiburger Schule, die in achtt~gigen Zwischen- rAumen nut je ein Gelenkfeld mit lO% der HED. bei I8o kV Scheiteispannung und unverh~ltnismXBiger Schwer- ]ilterung yon 0, 5 mm Cu ~ i mm A1 belegt. Wit k6nnen im Gegensatz zu den durch v. PANNEWlTZ angegebenen Zahlen hauptsAchlich bezfiglich der Kniegelenksarthritis nicht mit 46 %, sondern mit 75 % zumindest jahrelang beschwerdefreier FAlle rechnen.

Auch bezfiglich der Dauerwirkung ergibt die biologische R6ntgenbestrahlung nur gfinstige Werte. Seit den :etwa 12 Jahren ihrer Anwendung hat te ich besonders Gelegenheit, die zahlenm~l~ig h~ufigeren A r t h r i t i d e n zu beobachten. Ab- gesehen yon der Hei]ung oder weitestgehenden Besserung fast

R I F T . 14 . J A H R G A N G . Nr . 31 3. AUGUST t935

aller Kniegelenksarthritiden und der noch nicht destruktiven Kniegelenks- und FuBwurzelknochentuberkulose erinnere ich reich besonders an mehrere F/ille der sonst so geffirchteten GroBzehengrundgelenksarthritis, die bei den biologischen Bestrahlungsserien in etwa 2--4j / ihrigem Abstand v611ig funktionsf/ihig blieben. Kranke, die sich wegen ihrer sogleich nach der i. oder 2. ]3estrahlung eingetretenen Beschwerde- freiheit der v611igen Durchftihrung der Behandlung entzogen, pflegten meist nach Ablauf eines Jahres wegen eingetretenen Krankheitsriickfalles sich wieder einzufinden, w/~hrend die Mehrzahl der F~lle nach v611ig durchgeftihrter r6ntgeno- logischer Umst immung der Gewebe dauernd oder jahrelang beschwerdefrei blieb. Das Alter der Kranken spielt keine Rolle, wie auch hi~ufig das Beingeschwfir alter Leute bei der oft besonders lebhaften T~tigkeit ihres Bindegewebsapparates, die sich auch durch den bekannten, auff/~Ilig cirrhotischen Charakter ihrer nicht seltenen Lungentuberkulose kundgibt, unter richtiger Behandlung auffallend gfinstig ausheitt; die /~lteste meiner mit Erfolg an Arthritis behandelten Kranken war 90 ]ahre alt. Ich beabsichtige in kasuistischem Sinne die Heilwirkung der biologischen R6ntgenbehandlung an einer gr613eren Krankenzahl demn~chst beweisend darzulegen.

Es ist das besondere Verdienst RICHARD STEPHANS, den so oft verkannten, falsch ausgedrtickten und miBverstandenen ]3egriff der , ,R6ntgenreizdosis" stets als ftir den Heilverlauf wesentlich betont zu haben, und auf den wAhrend meiner mehrjAhrigen TAtigkeit als Oberarzt in seiner Klinik vor 15 Jahren gesammelten Erfahrungen und den dutch ihn empfangenen Anregungen sind meine angegebenea~ und sei t fiber 12 Jahren yon mir selbst~ndig in der Therapie praktisch durchgefiihrten, eigenen nnd augenscheinlich erfolgreichen Grunds/~tze aufgebaut. R. STEPHANS besonderes Verdienst auf dem Gebiet der R6ntgenheilkunde besteht bekanntlich in der durch ihn erfolgten Einffihrung der Milzbestrahlung bei der sonst hoffnungslosen und unbeeinfiuBbaren Purpura fulminans, von deren tiberraschender Wirkung ich reich in einem Falle meiner Praxis, wieder innerhalb der angegebenen Latenzperiode, fiberzeugen konnte.

Die Vornahme der biologischen R6ntgenbestrahlung ist ungemein einfach und bei Beherrschung und folgerichtiger Auswertung der angeffihrten Wirkungsvorstellungen auch mit einer nicht zu kostspieligen Apparatur ohne Schwierigkeit ansffihrbar. Vv'ie ich reich mehrfach an yon mir bestrahlten Kranken besonders durch genaue Untersuchung des Haar- kleides auf den bestrahlten Feldern fiberzeugen konnte, und wie es auch aus der Bestrahhmgstechnik hervorgehen muff, ist eine R6ntgensch~digung unmSgtich; bestimmt ist bei Einhaltung der angegebenen biologischen Dosen und bei eutsprechender Indikationssteltung neben dem sicheren Ansschlu13 eines R6ntgenschadens begreiflicherweise auch das Auftreten eines ,,R6ntgenlcaters" weder bei dem Kranken noch -- ffir den behandelnden Arzt zu erwartenl

In kurzer Zusammen]assung l~tSt sich sagen, dal3 bei meiner zweckgerichteten RSntgenbehandlung gegeniiber chro- nisch entzi~ndlichen Kranlchegtszustdnden ]eder Art entgegen der bisher sonst i~,blichen Bestrahlungsweise folgende Faktoren auf Grund biologischer ~berlegungdn und Erfahrungen in eine t(~tstichlich zu,eckgerechte Strahlentherapie eingeordnet wer- den mfissen: a) die Art der Strahlung durch Anwendung geringcr Spannung (ioo 15o kV Scheitelspannung) und Schwachfilterung (0,3 mm Cu Eigenfilter der R6hre), b) die Menge der Strahlung dutch m6glichst geringen Fokushaut- abstand (17 cln) (neuerdings auch yon CHAOUL empfohlen und angewendet), bei 3 mA und bedarfsweiser Wahl mehrerer Einfallsfelder, c) der in biologischem Sinne begrfindete, un- erldBliche und abgestu]te zeitliche Abstand zwischen den ein- zelnen Bestrahlungen unter besonderer Berficksichtigung der anzunehmenden und empiriseh beweisbaren Strahlensensibili- sierung der erkrankten Zelle durch jede vorhergegangene Be- strahlung.