Über das Verhalten des Magen-Darmkanals, Insbesondere Über Darmstörungen bei Bleivergiftung

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12. AUGUST I939 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 18. JAHRGANG. Nr. 32 1081 lichtoptischen Dunkelfeldpr~paraten zu beobachtenden ,,Fibrin- krystallnadeln" stellen wahrscheinlich groge Fibrinmicelle dar. Der welt- oder engmaschige bzw. grob oder- feinfaserige Bau des Fibringerfists ist yon der Menge der aggregationsbereiten Fibrin- molekflle und der Geschwindigkeit ihrer Entstehung abhAngig. DaB an bereits gebfmdelten Micellen ein weiteres Wachstum durch Anlagerung yon Fibrinmolektilen yon Bedeutung ist, halten wir nicht far wahrscheinlich. (SchluB folgt.) (JBER DAS VERHALTEN DES MAGEN-DARMKANALS, INSBESONDERE 0BER DARMST~RUNGEN BEI BLEIVERGIFTUNG. Von HANS OTTO und FRITZ KUHLMANN. Aus der Medizinischen Klinik der Martin Luther-Universit~it Halle-Wittenberg (Direktor: Prof. Dr. R. COBET), Ffir das Eindringen des ]31eies in den rnenschliehen t(6rper gibt es drei Wege: in die Lungen gelangt das ]31el durch Ein- atmung yon ]31eid~.rnpfen und ]31eist~uben und wird dort sehr reichhch resorbiert. }3ekanntlich wird dieses inhalierte Blei in der Leber gestapelt und rnit der Galle in den 1)arm aus- geschieden. Dort tuft es tells 6rtliche Ver~nderungen hervor, tells kann es an die Gallens~uren gebunden besser rtickresor- biert werden. H~ufig ist auch die Bleivergiftung au] per- oralem Weg. Doch wird bei dieser Art der Aufnahrne irnmer nut ein Bruchteil der zugeffihrten ]31eirnenge resorbiert, der Rest wird ira Kot ausgeschieden. Die pereutane BleiauJnahme ist dagegen selten und erstreckt sich auf ganz bestirnmte ]31ei- verbindungen, so auf das BleitetraAthyl. Dieser StofI wird nicht nur percutan, sondern auch durch Inhalation in den K6rper aufgenomrnen. Die genannte Bleiverbindung hat einen sfiBlichen Geruch und wird als ,,~thylbenzin" verwandt. In Arnerika ist es unter dem Narnen ,,Etylgasolin", in England unter ,,Ethylpgtrol" und ,,Ethylfluid" bekannt. Diesen Stoffen sind auBerdern ~thylenbrornid und Monochlor- naphthalin beigesetzt. ]3esonders beim Mischen rnit dern MotorbetriebsstofI kornlnen Vergiftungen vor. Auch Tri- chlor~thylen ist als Zusatzrnittel zu den Betriebsstoffen ftir Automobil- und Flugzeugrnotoren verwendet worden. In Arnerika wurden bereits Todesf~lle nach Verwendung yon Bleitetra~thyl gemeldet. Da es unzersetzt dutch den K6r- per geht, wirkt es als schweres Nerven- und Muskelgift. Auch schwere geschwtirige Magen- und Darmschleirnhaut- entzfindungen wurden beobachtet. Im Schrifttum finder man keine eindeutige Antwort auf die Frage, bet welchem Aufnahmemodus, ob oral oder pul- rnonal, die Magen-Darmst6rungen besonders schwer sind. Auch bet unseren untersuchten Patienten konnten wit zu einer Stellungnahme nicht gelangen. Altbekannt und leicht zu diagnostizieren sind im allge- meinen die Bleiverdnderungen, die man im Munde finder. Auf dem Blutweg gelangt das Blei als Albuminat an die ty- pischen Stellen des Mundes und geht dort mit dern Schwefel- wasserstoff der Mundh6hle die Verbindung ,,Bleisulfid" ein. Derartige Ansamrnlungen von Bleisulfid haben als Lieblings- lokalisationen das Zahnfleiseh am Zahnhals, wo Taschen gebildet werden. Ihr schwarzer Rand hebt sich yon den Z~hnen oder auch yon eingeschobenem weiBen Papier deut- lich ab. Abzusuchen sind bei Bleiverdacht sowohl der Margo buccalis wie der Margo lingualis des Zahnfleischrandes. Das Auftreten des Bleiniederschlages ist bei schlechten Mund- verh~ltnissen viel h~ufiger, intensiver und frfihzeitiger als bei gepflegtem GebiB. HXufig und besonders deutlich erseheint der Saurn an den Schneide- und Eekz~hnen. Aueh in der Mittelzone des Zahnfleisches kann er wie eine rauchartige Trfibung erscheinen (BAADER). Weniger bekannt sind Blei- niederschl~ge sowohl auf wie unterhalb der Zunge yon schwarzblauer Farbe. Auch auf der Wangenschleimhaut in H6he der Z~hne kann es zu kleinen Bleidepots kornmen. An zahnlosen Kiefern fehlt der Saum. Der Zahnstein ]31eikranker kann unter Umst~nden Blei enthalten. Im allgemeinen ist eine Stomatitis bei gewerblichen Erkrankungen nicht beob- achtet worden, kann dagegen sehr stark bet einer peroralen akuten Bleivergiftung auftreten. Meist verschwindet der Bleisaum innerhalb yon 1--3 Monaten nach Entfernung aus dem gef~.hrdeten Betrieb, in seltenen FMlen kann er jahlelang bestehen bIeiben. Der Saunl kann trotz Vorliegens einer Bleivergiftung auch fehlen. Auch Bleisaumrfickf~lle sind bekannt. Charakteristisch ist wetter der sog. ,,]31eiatern", ein sfiglicher Mundgeruch. Die Mundspeicheldri'tsen geben durch Sekretion ]31ei in den Mundspeichel ab. Irn Verlauf dieses Vorganges k6nnen narnenflich die Ohrspeicheldrfisen einmal anschwellen. Die Schwerbeweglichkeit der KieJer beirn Essen, die bet einigen ]31eikranken zu beobachten ist, ist auf eine verminderte Kraft der durch 131el gesch~digten Kaumuskeln zuriiekzuffihren (MIscH). W~hrend die Mundver~tnderungen irn allgerneinen keine wesentlichen Bel~stigungen des Patienten hervorrufen und nur diagnostisch beaehtliche Hinweise bilden, sind die Blei- einwirkungen auf den Oesophagus in seltenen F~llen Ursaehe tats~tchlicher Beschwerden. Die Bleioesophagitis verursacht retrosternalen Druck, Sodbrennen und in seltenen ESllen Regurgitation. Krarnpfhafte Oesophaguskontraktionen bei Bleivergiftung sind beschrieben. Auch eine direkteOesophagus- li~hmung kann als Folge der Bleivergiftung vorkornrnen. Die Zeichen hierftir sind allrn~hlich oder pl6tzlich auftretende Schluckst6rungen. Fltissigkeiten fallen unter h6rbarern Kol- lern in den Magen. Man nennt diesen Vorgang ,,Dysphagia sonora". Feste Bissen dagegen bleibenim Oesophagus stecken Sie verursachen ~hnliche Erscheinungen wie bei Stenosen. Durch Flfissigkeiten lassen sich die festen Bissen herunter- spfilen. Eine eingeffihrte Sonde gleitet abnorm leicht in den Magen. Im R6ntgenbild verl~uft der Schluckakt anorrnal. Die 6sophageale Schluckphase ist verl~ngert. Der Oesophagus- schatten ist breiter als normal. Nach t:tOLZKNECttT werden breiige Speisen bandarfig und langsam weitergeschoben, w~th- rend Flfissigkeiten nnd feste Speisen norrnale Passage zeigen sollen. Von den versehiedenen Seiten (GuTz~IT u. a.) ist auf die HS~ufigkeit entzi~ndlieher Mageninnenwa~tdvergnderungen bei Bleiintoxikation hingewiesen worden. Subjektiv bestehen da- bei vor Ausbruch der Koliken Appetitlosigkeit, Mattigkeit und ein nicht unerheblicher Magendruck. Die gesnnde Magen- schleirnhaut vermag ]31el nicht zu resorbieren. Jedoch ist es m6glich, dab die gesch~tdigte Wand ffir ]31el ernpfindlich ist. Bei Bleigastritiden wurden irn ve~rnehrten MaB Geschwtire gefunden, t3ei dern an und fiir sich h~ufigen Zusarnrnentreffen yon Gastritis und Ulcus sind die zahlenm~Bigen VerhMtnisse nur schwer zu iibersehen. Vielleicht sind Magenschw~chlinge, die ffir Ulcus pr~disponiert sind, auch ffir alle anderen Magen- sch~digungen, insbesondere ffir Blei empfindlich. Erw~hnt sei noch, das bei Bleigastritiden die hyperacide Form vor- herrscht. GUTZEn" sah gastroskopisch typische gastritische Ver~nderungen, ja sogar petechiale Blutungen bei t~leiintoxi- kationen, was der eine yon uns (K.) erneut wieder an unserern Beobachtungsgut best~tigen konnte. Nach Sch~digung des Ganglion coeliacum sah GUND~L- FINGER regelrn~13ig die Entstehung eines Magen- oder Duode- nalgeschwfires. Akut auftretende Magengeschwfire nach ]31eiintoxikation stellten wetter R6SLER und N~uSSLXR fest. Inwieweit der bet bleivergifteten Kranken beobachtete Cardio- und totale Gastrospasrnus (WALDVOGL) rnit krampfhafter Zusarnrnenziehung der gesamten Magenwand in einer ]~lei- sch~digung der Nerven oder glatten Muskulatur seine lJr- sache hat, ist bis heute noch nicht restlos gekl~rt. ~ber spezielle Ytefunde am Duodenum bet Bleiintoxikation ist bis jetzt nichts Sicheres bekannt. Bet Darmbeschwerden irn Verlauf yon Bleierkrankungen wird vorzugsweise an den Dickdarrn gedacht. Das Zustande- kommen der oft schweren t(oliken wurde und wird auch heut- zutage noch gr6Btenteils auf Dickdarrnspasmen zurfick- geffihrt. Als Unterstfitzung ftir diese Annahme dient der palpatorische Nachweis eines wurstartig kontrahierten Colons, die harte Konsistenz der in Meinen Schafkotkugeln abgesetz- ten Stuhlrnengen, die verrnehrte Segmentation und strang- artige Gestaltung des ]3reischattens bet der 1R6ntgenunter-

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lichtoptischen Dunkelfeldpr~paraten zu beobachtenden ,,Fibrin- krystallnadeln" stellen wahrscheinlich groge Fibrinmicelle dar. Der welt- oder engmaschige bzw. grob oder- feinfaserige Bau des Fibringerfists ist yon der Menge der aggregationsbereiten Fibrin- molekflle und der Geschwindigkeit ihrer Entstehung abhAngig. DaB an bereits gebfmdelten Micellen ein weiteres Wachstum durch Anlagerung yon Fibrinmolektilen yon Bedeutung ist, halten wir nicht far wahrscheinlich. (SchluB folgt.)

(JBER DAS VERHALTEN DES MAGEN-DARMKANALS, INSBESONDERE

0BER DARMST~RUNGEN BEI BLEIVERGIFTUNG. V o n

HANS OTTO und FRITZ KUHLMANN. Aus der Medizinischen Klinik der Martin Luther-Universit~it Halle-Wittenberg

(Direktor: Prof. Dr. R. COBET),

Ffir das Eindringen des ]31eies in den rnenschliehen t(6rper gibt es drei Wege: in die Lungen gelangt das ]31el durch Ein- atmung yon ]31eid~.rnpfen und ]31eist~uben und wird dort sehr reichhch resorbiert. }3ekanntlich wird dieses inhalierte Blei in der Leber gestapelt und rnit der Galle in den 1)arm aus- geschieden. Dort tuf t es tells 6rtliche Ver~nderungen hervor, tells kann es an die Gallens~uren gebunden besser rtickresor- biert werden. H~ufig ist auch die Bleivergiftung au] per- oralem Weg. Doch wird bei dieser Art der Aufnahrne irnmer nut ein Bruchteil der zugeffihrten ]31eirnenge resorbiert, der Rest wird ira Kot ausgeschieden. Die pereutane BleiauJnahme ist dagegen selten und erstreckt sich auf ganz bestirnmte ]31ei- verbindungen, so auf das BleitetraAthyl. Dieser StofI wird nicht nur percutan, sondern auch durch Inhalation in den K6rper aufgenomrnen. Die genannte Bleiverbindung hat einen sfiBlichen Geruch und wird als , ,~thylbenzin" verwandt. In Arnerika ist es unter dem Narnen ,,Etylgasolin", in England unter , ,Ethylpgtrol" und , ,Ethylfluid" bekannt. Diesen Stoffen sind auBerdern ~thylenbrornid und Monochlor- naphthalin beigesetzt. ]3esonders beim Mischen rnit dern MotorbetriebsstofI kornlnen Vergiftungen vor. Auch Tri- chlor~thylen ist als Zusatzrnittel zu den Betriebsstoffen ftir Automobil- und Flugzeugrnotoren verwendet worden. In Arnerika wurden bereits Todesf~lle nach Verwendung yon Bleitetra~thyl gemeldet. Da es unzersetzt dutch den K6r- per geht, wirkt es als schweres Nerven- und Muskelgift. Auch schwere geschwtirige Magen- und Darmschleirnhaut- entzfindungen wurden beobachtet.

Im Schrift tum finder man keine eindeutige Antwort auf die Frage, bet welchem Aufnahmemodus, ob oral oder pul- rnonal, die Magen-Darmst6rungen besonders schwer sind. Auch bet unseren untersuchten Patienten konnten wit zu einer Stellungnahme nicht gelangen.

Altbekannt und leicht zu diagnostizieren sind im allge- meinen die Bleiverdnderungen, die man im Munde finder. Auf dem Blutweg gelangt das Blei als Albuminat an die ty- pischen Stellen des Mundes und geht dort mit dern Schwefel- wasserstoff der Mundh6hle die Verbindung ,,Bleisulfid" ein. Derartige Ansamrnlungen von Bleisulfid haben als Lieblings- lokalisationen das Zahnfleiseh am Zahnhals, wo Taschen gebildet werden. Ihr schwarzer Rand hebt sich yon den Z~hnen oder auch yon eingeschobenem weiBen Papier deut- lich ab. Abzusuchen sind bei Bleiverdacht sowohl der Margo buccalis wie der Margo lingualis des Zahnfleischrandes. Das Auftreten des Bleiniederschlages ist bei schlechten Mund- verh~ltnissen viel h~ufiger, intensiver und frfihzeitiger als bei gepflegtem GebiB. HXufig und besonders deutlich erseheint der Saurn an den Schneide- und Eekz~hnen. Aueh in der Mittelzone des Zahnfleisches kann er wie eine rauchartige Trfibung erscheinen (BAADER). Weniger bekann t sind Blei- niederschl~ge sowohl auf wie unterhalb der Zunge yon schwarzblauer Farbe. Auch auf der Wangenschleimhaut in H6he der Z~hne kann es zu kleinen Bleidepots kornmen. An zahnlosen Kiefern fehlt der Saum. Der Zahnstein ]31eikranker kann unter Umst~nden Blei enthalten. Im allgemeinen ist eine Stomatitis bei gewerblichen Erkrankungen nicht beob-

achtet worden, kann dagegen sehr stark bet einer peroralen akuten Bleivergiftung auftreten. Meist verschwindet der Bleisaum innerhalb yon 1--3 Monaten nach Entfernung aus dem gef~.hrdeten Betrieb, in seltenen FMlen kann er jahlelang bestehen bIeiben. Der Saunl kann trotz Vorliegens einer Bleivergiftung auch fehlen. Auch Bleisaumrfickf~lle sind bekannt. Charakteristisch ist wetter der sog. ,,]31eiatern", ein sfiglicher Mundgeruch. Die Mundspeicheldri'tsen geben durch Sekretion ]31ei in den Mundspeichel ab. Irn Verlauf dieses Vorganges k6nnen narnenflich die Ohrspeicheldrfisen einmal anschwellen. Die Schwerbeweglichkeit der KieJer beirn Essen, die bet einigen ]31eikranken zu beobachten ist, ist auf eine verminderte Kraf t der durch 131el gesch~digten Kaumuskeln zuriiekzuffihren (MIscH).

W~hrend die Mundver~tnderungen irn allgerneinen keine wesentlichen Bel~stigungen des Patienten hervorrufen und nur diagnostisch beaehtliche Hinweise bilden, sind die Blei- einwirkungen auf den Oesophagus in seltenen F~llen Ursaehe tats~tchlicher Beschwerden. Die Bleioesophagitis verursacht retrosternalen Druck, Sodbrennen und in seltenen ESllen Regurgitation. Krarnpfhafte Oesophaguskontraktionen bei Bleivergiftung sind beschrieben. Auch eine direkteOesophagus- li~hmung kann als Folge der Bleivergiftung vorkornrnen. Die Zeichen hierftir sind allrn~hlich oder pl6tzlich auftretende Schluckst6rungen. Fltissigkeiten fallen unter h6rbarern Kol- lern in den Magen. Man nennt diesen Vorgang ,,Dysphagia sonora". Feste Bissen dagegen bleibenim Oesophagus stecken Sie verursachen ~hnliche Erscheinungen wie bei Stenosen. Durch Flfissigkeiten lassen sich die festen Bissen herunter- spfilen. Eine eingeffihrte Sonde gleitet abnorm leicht in den Magen. Im R6ntgenbild verl~uft der Schluckakt anorrnal. Die 6sophageale Schluckphase ist verl~ngert. Der Oesophagus- schatten ist breiter als normal. Nach t:tOLZKNECttT werden breiige Speisen bandarfig und langsam weitergeschoben, w~th- rend Flfissigkeiten nnd feste Speisen norrnale Passage zeigen sollen.

Von den versehiedenen Seiten (GuTz~IT u. a.) ist auf die HS~ufigkeit entzi~ndlieher Mageninnenwa~tdvergnderungen bei Bleiintoxikation hingewiesen worden. Subjektiv bestehen da- bei vor Ausbruch der Koliken Appetitlosigkeit, Mattigkeit und ein nicht unerheblicher Magendruck. Die gesnnde Magen- schleirnhaut vermag ]31el nicht zu resorbieren. Jedoch ist es m6glich, dab die gesch~tdigte Wand ffir ]31el ernpfindlich ist. Bei Bleigastritiden wurden irn ve~rnehrten MaB Geschwtire gefunden, t3ei dern an und fiir sich h~ufigen Zusarnrnentreffen yon Gastritis und Ulcus sind die zahlenm~Bigen VerhMtnisse nur schwer zu iibersehen. Vielleicht sind Magenschw~chlinge, die ffir Ulcus pr~disponiert sind, auch ffir alle anderen Magen- sch~digungen, insbesondere ffir Blei empfindlich. Erw~hnt sei noch, das bei Bleigastritiden die hyperacide Form vor- herrscht. GUTZEn" sah gastroskopisch typische gastritische Ver~nderungen, ja sogar petechiale Blutungen bei t~leiintoxi- kationen, was der eine yon uns (K.) erneut wieder an unserern Beobachtungsgut best~tigen konnte.

Nach Sch~digung des Ganglion coeliacum sah GUND~L- FINGER regelrn~13ig die Ents tehung eines Magen- oder Duode- nalgeschwfires. Akut auftretende Magengeschwfire nach ]31eiintoxikation stellten wetter R6SLER und N~uSSLXR fest. Inwieweit der bet bleivergifteten Kranken beobachtete Cardio- und totale Gastrospasrnus (WALDVOGL) rnit krampfhafter Zusarnrnenziehung der gesamten Magenwand in einer ]~lei- sch~digung der Nerven oder glatten Muskulatur seine lJr- sache hat, ist bis heute noch nicht restlos gekl~rt.

~be r spezielle Ytefunde am Duodenum bet Bleiintoxikation ist bis jetzt nichts Sicheres bekannt.

Bet Darmbeschwerden irn Verlauf yon Bleierkrankungen wird vorzugsweise an den Dickdarrn gedacht. Das Zustande- kommen der oft schweren t(oliken wurde und wird auch heut- zutage noch gr6Btenteils auf Dickdarrnspasmen zurfick- geffihrt. Als Unterstfi tzung ftir diese Annahme dient der

palpatorische Nachweis eines wurstartig kontrahierten Colons, die harte Konsistenz der in Meinen Schafkotkugeln abgesetz- ten Stuhlrnengen, die verrnehrte Segmentation und strang- artige Gestaltung des ]3reischattens bet der 1R6ntgenunter-

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suchung. \V/ihrend der I(oliken besteht meist flit 8--1o Tage hartn/ickige Stuhlverhaltung und eine Schmerzempfindlichkeit des ganzen Dickdarmverlanfes. Nach Abklingen der Koliken ist der Stuhl auch noch sehr hart, wird aber jeden zweiten bis dri t ten Tag abgesetzt. DurchEille sprechen im allgemeinen gegen eine Bleikolik. DaB abet auch der Dfinnda.rm Sitz der Koliken sein kann, ist allgemein nicht bekannt. So sprechen manche Tatsachen gegen die alleinige Anschuldigung der Cokmspasmen als Ursache der Bleikoliken. Von den Kranken werden oft Krampfschmerzen vorzugsweise in der Nabel- gegend nnd auch im Unterbauch lokalisiert. Aueh nach voll- kommener Entleerung des Dickdarms l a s s e n die Darm- schmerzen nicht hath. Beim Kontrasteinlauf mit R6ntgen- brei k6nnen die AbdominMbeschwerden unvergndert bestehen

Abb. I, 41jfihr. selbst. BleilSter. Bteiencephalopathie, Bleicolorit. Bleisaum. Blel- neuritis, Hb. 73%. Rote 3,5 Mill. Reiehlieh Getfipfelte. Bleispiegel im Blur 99 Y%. 144 y Blei in 265 ccm Urin. In IO g Troekenkot~i,34 mg Pb. In iooo ecru Urin ~o8o y Koproporphyrin. RR = 135/7o nlm Hg. Capillarmikroskopiseh hochgradige Capillar- verengerungen. Die Pfeile zeigen eine stark spastiseh kontrahierte Dtinndarmschlinge. Die Darmschlingen auf der linken Seite des Bildes sind erweitert, R6ntge*~bild einer spastisch-atouischen Dfinndarmst6rung bei einer schweren Bleivergiftung, Klinisch bestandea Koliksehmerzen, die um den Nabel und unterhalb~des Nabels lokalisiert

wurden.

bleiben, obwohl krankhafte Kontraktionsneigungen voll- st~tndig fehlen. Besonders der Ietzte Befund lg13t an Colon- spasmen als alleiniger Ursache der Bleikolik ZweifeI auftauchen. Es ist vielmehr daran zu denken, dab yon andereI1 intra- abdominellen Stellen die Schmerzen herrtihren.

So konnten wir bei Bleikranken, bei denen trotz dauernder schwerster Koliken irgendwelche Dickdarmspasmen nicht nachzuweisen waren, segmentdre Di~nndarmabschni~rungen und lange bestehende Di~nndarmspasmen feststellen (s. Abb. I). Ein weiterer wesentlicher Hinweis fiir die t3edeutung der D~nn~ darmst6rnngen bei Bleiintoxikation sind die Falle yon ein- wandfrei nachgewiesenem DiinndarmiIeus. So sah A S S I v I A N N

bei einem jungen bIeivergifteten Schriftsetzer einen tagelang anhaltenden ileus/ihnlichen Zustand. Er ging mit Galle- erbrechen einher, abet ohne schwere Beeintrgchtigung des Allgemeinbefindens. Er ging ohne Operation in tteilung aus. Der R6ntgeneinlauf des Dickdarmes zeigte ein normales Ver- halten des Dickdarmes, Aul3erhalb des geftillten Colons tra- ten dagegen gasgeftillte, erweiterte, etwa kinderarm starke, im Liegen quergestellte Dtinndarmschlingen hervor, die an den Stellen, wo sie aneinanderstiel3en, durch gegenseitige Abplat tung eckige Konturen nnd am Ende eine winMige Znspitzung aufwiesen. Bei der anschlieBenden Durchleuch- tung im Stehen waren unterhalb yon grogen, je tz t rundlich gestalteten Gasblasen horizontal gestelIte Fltissigkeitsspiegel sichtbar. Eine nach allmghIicher Besserung des Zustandes gegebene Breimahlzeit war nach 2 4 Stunden noch zu einem betrgehtlichen Tell in den stellenweise mit Gas und Flfissigkeit geffillten, aber nicht mehr so stark erweiterten Diinndarm- schlingen enthalten. Im RSntgenbild bestanden also d ie ty- pischen Merkmale einer Dfinndarmstenose, welche bier often- bar durch Spasmen im Diinndarm hervorgerufen waren. Ihre Ursache war wahrscheinlich in einer Bleikolik zu sehen.

Der eine yon uns hat te auch Gelegenheit, einen Ileuskran- ken zu untersuchen, bei dem sich r6ntgenologisch in den geblghten Diinndarmschlingen ausgedehnfe Spiegel nachweisen lieBen. Erst die Berufsanamnese und auch der h~imatologische Befund lieBen die wahre Ursache des Di~nndarmileus erkennen, der r6ntgenologisch einige Besonderheiten aufwies (s. Abb. 2). Es waren an mehreren Stellen im Ileum fingerlange konstante Kontrakt ionen in dem iiberbl~hten Dtinndarm eingeschattet. Dieser Befund kommt beim gewShnlichen Ilens nicht vor. Mit dem Rtickgang der Beschwerden verschwanden auch nach Wochen a llmghlich diese segmentalen Darmabschnfirungen. Diese seltenen F/ille yon spastisch-atonischem Ileus linden sich anscheinend bei besonders frischen und intensiven 131ei- intoxikationen. Vie1 h/iufiger werden die welter oben beschrie- benen 13efunde erhoben.

Es ist unm6glich, ans der St~irke der Dtinndarmst/Srungen die Frage zu entscheiden, ob bei einem 131eikranken nur eine berufIiche Sch~idigung vorliegt oder ob es sich um einen sog. ,,Blel]resser" handelt, t3ei Verdacht auf eine Minstlich unter- haltene Bleierkrankung empfiehtt sich die Anfertigung yon Leeraufnahmen des Dfinn- und Dickdarmes in best immten Zeitabst~tnden. PFt~IL-LEUNA und BAADER haben unseres Wissens hierauf zum erstenmal aufmerksam gemacht. So fand PREIL z. B. in einem Betrugsfall auf einer Leeraufnahme im aufsteigenden Ast des Dickdarmes Bleisp~ne als strich- f6rmige metalldichte Meine Schatten bis zu i cm L/inge. In diesem Falle ergab die Stuhlw~ische die entsprechenden Bleisp~inchen. Wenn bei solchen Fglten Dtinndarmver,in- derungen vorhanden sind, so glauben wir, daf3 dieselben nicht durch eine 6rttiche Reizung der Schleimhaut zustande kommen, sondern fiber den Umweg des Nervensystems, es sei denn, dab das metallische Blei einen bereits ver~nderten Darm mit Schleimhautentztindung vorfindet. Fehlen doch oft Beschwerden vollstRndig, wenn gr613ere MetallgegenstRnde, auch yon Blei, durch den Darm trans- portiert werden.

I n pathophysiologiseher Hin- sieht kSnnen die Dfinndarmst6- rungen auf verschiedene \Veise zustande kommen :

I. durch direkte Schleimhaut- re.,:z'ung mit Irritation der ltluskel- schiehten. Sie ist einmal mSglich bei intakter Schleimhaut und ferner bei bereits bestehender Enteritis, die w~r bei Schwerarbei- tern h~ufig als Begleiterkran- okung einer durch unregelmgl3iges Essen, schwere Arbeit, unvollkom- mene Ruhepausen nnd durch die Hetze des Lebens hervorgeru- fenen Gastritis vorfinden. DaI3

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Abb. 2. Ileusbild bei akuter Bleienteritis.

Blei im Darm resorbiert wird, ist yon verschiedener Seite nachgewiesen worden. MIYASAKI stellte lest, dab dutch einen einfachen Diffusionsvorgang I5% des eingegebenen Bleies v o n d e r Darmwand resorbiert werden. Fe~s wies sogar eine quant i ta t ive Absorption des Bleies in den oberen Darmabschnit ten nach. Pathologisch-anatomisch wurden yon SCI~ONLEB~: in den mucoiden Zellen der I)iinndarmschleim- haut und in den t3echerzellen des Dt inn-und Dickdarmes Bleiniederschlgge beobachtet ;

2. dutch Reizung des Meiflnersehen und Auerbaehschen Plexus infolge Bleiablagerung um diese Plexus herum, die auch pathoIogisch-anatomisch nachgewiesen wurden;

3. dutch eine Schddigung des Vagus und Sympathieus. So fand z. t3. CACm~I im Tierversuch Ver~nderungen im Ganglion coeliacum. Er hat te 8 Tiere mit Blei ( imal o,oi g Pb/kg) intramuskulgr gespritzt und nach dem Tod die Ganglien ent- fernt, Er fa.nd fixierte nnd verdickte Kapseln, ferner eine t~undzelleinwanderung und Schrumpfnng der Nervenzellen. Die Kerne waren pylmotisch, die Gef~Be hypergmisch. Re- gressive VerAnderungen gingen nach seinen Angaben mit sklerotischen Gef~Bvergnderungen gleichzeitig einher. Sym-

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pathicusver~nderungen fund auch GRfJNBERG, der Katzen mit 2 5 mg kohlensaurem Blei pro kg vergiftete. 1--2 Injektionen pro Woche wurden ausgefiihrt, und die Vergiitungen fiber 3 "vVochen bis zu Monaten ausgedehn.t. Es zeigten sich akute diffuse Degenerationserscheinungen der Ganglienzellen in Form von Schwund der Tigroidsubstanz, Kernschrumpfung und Pyknose, am meisten waren das Gangtion coeliacum und cervicale sup. betroffen. Auch G~LNAN steht auf dem Stand- punkt, dab das autonome Nervensystem vom Blei angegriffen wird ;

4. dutch Schi~digung des Gehirns und des R.feckenmarkes, namentlich bei schweren Bleivergiftungen, die mit einer Bleiencephalomeningitis einhergehen. Da Vagus und Sym- pathicus ihre Beziehungssegmente in der Medulla haben, handelt es sich hier um eine zentrale Lgsion des vegetativen Nervensystems. AuGer BleierhShung im Liquor eerebrospi- nalis zeigte sich bei diesen Zust~nden eine Atrophie der Hirnrinde, eine Kernzerst6rung und Pigmentat ion der Zellen, ferner Odeme und cerebetlare Zerst6rnngen. Auch Gefgg- vergnderungen mit Int imaverdicknngen sind beobachtet worden (Aug und WELLER, HIRAI und S~Jz~JKI, SCltMIDT- SEISER und LITZNER). Bei solchen schweren Zust~nden einer erheblichen Bleiintoxikation sind dann die Darmst6rungen nur ein nntergeordnetes Symptom und wahrscheinlich be- dingt durch zentrale St6rungen oder Ausfglle. Sic stehen dann nicht so im Vordergrund, wie bei der ]31eikolik, die, obwohl nu t ein Symptom, direkt als Krankheit imponiert ;

5. dutch Gefd~fikrisen. Die Angriffspunkte sind die gr6- geren MesenterialgefXge oder aber auch die feinsten Haar- gef~Be der Schleimhaut selbst, l inden sich doch, wie der eine yon uns beobachteu konnte, solche Capillarsch~tdigungen an der t i a u t und der Lippenschleimhaut in Gestalt yon konstan- ten Verengerungen der arteriellen Capillarschenkel. Man nenn t eine solche Bleisch~digung der Gef~ge eine ,,arterielle Capillarfibrose". Ftir eine Ents tehung der Darmver~tnderun- gen bei Bleikolik dureh Gef~Bkrisen spreehen sich auch die neuesten Handbtieher der RSntgenologie aus (ASSMANN, Bs ferner der Magen-Darmband v. tg~I~G2aANN-STXI~- LIN). DaB solche Gef~gkrisen im Splanchnicusgebiet und im Bereich der Mesenterialgef~ge vorkommen k6nnen, daran kann man. nicht mehr zweifeln, seitdem in neuerer Zeit die Bteieinwirkung auf die Gef~13e und die Capillaren bekannt- geworden ist (SCtIMIDT-WEIHRAUCH, SEIS-ER-LITZNER, PFEIL- LxuNA, FONTANA-CoLAPINTO, OTTO-HAHN). Die GefXBein- wirkungen auf die Hautgef~ge sind eindeutig nachgewiesen, und so kann man auch inl Innern eine Einwirkung des Bleies auf die den Darm versorgenden arteriellen Gef~ge vermuten. Um alle Folgeerscheinungen der Bleieinwirkung auf einen Nenner zu bringen, spricht man heute bei der BIeivergiftung sogar yon einer ,,beruflichen Arteriopathie" (KO~:LSCI-I);

6. dutch eine vermeh~r Porphyri.nausschi~ttung aus de.r Leber in den Diinndarm. Die gesteigerte Porphyrinbildung mug als ein durch das in der Leber gestapelte Blei verursachter Leberschaden angesehen werden. Das im Magen als Blei- chlorid gel6ste Blei wird erst in den oberen Darmabschnit ten resorbiert und gelangt dann dutch die Capillaren des Pfort- adersystems in die Leber. Die End0thelien der Lebercapillaren sowie die Kupferschen Sternzellen transportieren es zu dem umliegenden Lebergewebe. Abgegeben wird das Blei einmal dutch die Gallencapillaren in den Darm und zum anderen nach Durchwanderung der Parenchymzellen in die Zentrat- vene, tiber das rechte Herz in den grofgen Kreislauf. Die Lebersch~digungen sind von einer Reihe yon Autoren nAher beschrieben worden (LEBE~MAN~, CJAJ~S, L~:aG]c-GoA~)BY, KOELSCH, TANQUEREL DES ~LANCHES, MASSA, CHARTSCHENKO, ZADECK, BRANDIS, ]ii'I~LLINGER, SCHMIDT-K:EHL, CAVAGLIANO, SC~I0~Z, S~IS~R-LI'I'z~I~I~ und B~HRE~s), Wenn der Leber- schaden leichter Natur ist, k6nnen mitunter alle Methoden zu seinem Nachweis versagen, nur die Porphyrinausschiit tung ist vermehrt (ScHR~us-CARI~I]~, LITZN~R-FRA~K~, O~TO). DaB eine vermehrte Porphyrinausscheidung die Dfinnd~rme schwer reizen kann, wissen wit yon der akuten Porphyrie her, (tie ja mit DarmkoIiken sehwerster Natur einhergehen kann. Es bestehen da in mancher Beziehung Parallelen zu der Blei-

erkrankung der Dfinnd~rme. Nicht nur die 13eschwerden und klinischen Erscheinungen stimlnen auffallend fibereha, sondern auch die Diinndarmbilder, die dutch das R6ntgenen gewonnen werden, bei der akuten Porphyrie gleichen den hypersekretorischen ilensartigen bei der Bieiintoxikation so sehr, dug man beide Krankheitsbikler auf Grund der Darm- befunde verwechseln k6nnte. Die R6ntgendarmbilder bei der akuten Porphyrie sind im R6ntgenatlas yon ASS~NN dargestellt.

Bringt man die differenten AngriffspunMe des Bleies im Darm in einen gewissen Zusammenhang zueinander, so mug man zu dem Schlufi kommen, dab die Bleiintoxikation die verschiedensten K6rpereinwirkungen macht und dab die Gesamtheit dieser Bleieinwirkung auf den iK6rper letzten Endes auch naturgem~g am Diinndarm in irgendeiner Fo~m einwirkt.

Zum Schlu/3 sei noch einiges fiber die Di]/erentialdiag~wse und Behandlung der Bleierkrankung gesagt:

Bei der Bleikolik kommen differentialdiagnostiseh in Frage Galiensteine, Nierensteine, eine Dyspragia abdominalis, Perityphlitis, Pankreaserkrankungen, eine Embolie der Me- senterialgefage, gastrische Krisen und schlieglich die akute Porphyrie. "Wenn man nicht das gauze Rfistzeug der Diagno- stik anwendet, wird man allein aus dem R6nfgenbild die Krankheitsdiagnose nieht stellen k6nnen, t3ei akuten, ab- dominei1 und chirurgiseh erscheinenden Fgllen der Bleikolik fibernimmt man oft eine groBe Yerantwortung, wie die yon ASSMANN nnd von nns mitgeteilten Fgtle zeigen. Es sei noeh- mals ausdrficklich darauf hingewiesen, dab die R6ntgenbilder, sowohl Leer- wie Breianfnahmen, bei Gallenkolik, Nieren- kolik, Perityphlitis, Pankreaserkrankungen und bei der aku- ten Porphyrie denen bei einer Bleikolik mit Sitz im Dfinn- darm durchaus gleichen k6nnen.

lgei der Behandlung der .Di'~.nndarmkolih bei Bleiintoxi- kation miissen wir einmal unterscheiden zwischen akuten Bleierkrankungen und chronischen Formen der Vergiftung. Bei der alcuten Bleikol4k sind gegen die heftigen Schmerzen in erster Linie Opium- und Atropinpr~iparate zu verwenden. Da man ja auch Gef~gkr~mpfe vermuten mug, werden Mittel wie Amylnitri t , Natr ium nitrosum und Nitroglycerin anzu- raten sein und eine schmerzlindernde Vv~rkung entfalten. Nach A~JB und MINOT sollen intraven6se Injekt ionen yon Kalkpr~paraten Ausgezeichnetes leisten. Wenn die Obsti- pation beseitigt werden soll, t reten ~nsofern Schwierigkeifen auf, als einesteils der Stuhlgang erzwungen werden mug, anderenteils aber Abffihrmittel unter Umst~tnden wiedernm neue Darmschmerzen hervorrufen k6nnen, t t ier ist es dem ~rztiichen Geschick iiberlassen, seine Therapie auf BekXmp- lung der Kotik mit krampfl6senden Mitteln und gleiehzeitige Beseitigung der Verstopfung mit Abffihrmitteln einzustellen. X,VAhrend andere l~ieinus61 als geeignetes Abfiihrmittet bei der Kolik hMten, sind wit yon der SchSdlichkeit groger Dosen dieses Abffihrmittels iiberzeugt und warnen davor. Geeig- neter sind leichte Abffihrtees und salinische Salze. Kroton61 ist wegen der Reizung der Nieren zu untersagen. W~hrend der Anf~tlligkeit ifir Koliken empfiehlt sich nu t fltissige Kost, Milch in reichlicher Menge und Kalk peroraL Das zur Ent- bleiung des Organismus bei chronischen ZustS~nden gut ver- wendbare JodkMi ist bei akuien ZustSnden kontra.indiziert. Ist die Porphyrinausscheidung grog und damit die Gefahr einer stSrkeren Lebersch~digung angezeigt, so empfiehlt sich die Verabreichung yon Campolon oder Pern~imyl als Leber- schutzmittel, ferner Insulin unter dem Schutz yon Tranben- zucker aus dem gleichen Grund. Sehr gut ist auch zur Be- k~mpfung solcher Zust~nde das B~-Vitamin oder Nicotin- s~ureamid. Wir haben in 2 Fi~llen hohe Porphyrinausschei- dungswerte fiber 8o0 und IOOOy in der Harntagesmenge beseitigen k6nnen, wie ja mit diesem Mittel auch die Por- phyrieen bei der akuten Porphyrie und bei anderen Leber- sch~digungen gebessert oder sogar beseitigt werden k6nnen.

Bei chronischer Bleivergi]tung mit Dfinndarmst6rungen ohne Kotik ist als erstes zu fordern die Beseitigung der Blei- depots in den Ablagerungsst~tten. Nach AtJB verdoppelt hierbei Jodkali (auch Jodisan und andere Jodpri~parate) die

Page 4: Über das Verhalten des Magen-Darmkanals, Insbesondere Über Darmstörungen bei Bleivergiftung

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Bleiausscheidt lng durch den Darna. Nur das Jod ion i s t e s , welchem diese Wi rkung zugeschrieben wird. Doch kann es infolge der s t a rken J31eimobilisierung wiederum zu aku ten Sch/iben kommen. Dann muB der Gebraueh yon Jod ffir einige Zei t nnterble iben. Es empf ieh l t sich dann eine atkalische I~2ost m i t vie1 Gemfise, Fr f lch ten and Eiern. ~Witl m a n wiederum mobil isieren, dann k o m m e n erneute Gaben yon Jod in Frage, ferner eine ca lc iumarme saure Kost . Nament l i ch AUB war es, d e r m i t dieser Behandlungsweise gute Bleiaussdaeidungen aus d e m D a r m erzielen konnte . Die im N6rper h ierbei ent- en t s t ehende Acidose soll angeblich das Blei im I~nochen 16- sen und in den Blutkre is lauf br ingen. Auch Gaben von Phosphors~ure unters t f i tzen diese Therapie noch zusgtzlich. Nach HALI~A~e wirken auch Ammoniumsa lze entbleiend, a m meis ten das Ammonch lo r id , weniger das A m m o n p h o s p h a L Zu der sanren K o s t ve rabre ich t man in grogen Gaben Alkohol- Phosphors~ture. Man kann Ammonch lo r id bis zu 12 g pro die geben. Bei Nie rene rk ranknngen empf ieh l t Au~ s t a t t der Sgure therap ie groBe Gaben yon Alkalien, 2o - -4o g N a t r i u m bicarbonicum. \Venn keine Nie rens t6 rungen v o r h a n d e n sind, kann nach HU~TER und Au~ auch P a r a t h y r e o i d e a gegeben werden. Bei fr ischen Bleikol iken ist die Anwendung von Na t r i umth iosu l f a t in t raven6s o,6 g pro die berecht ig t . Auch kol loidaler SchwefeI, die versch iedens ten Schwefelqnet len und Brunnen sind angewand t worden. I m tibrigen ist sowoht bei aku ten wie bei chronischen Intoxikat ionszust~tnden ein mal3volles Essen am Platz , um {Jberladungen yon Mage n und Darm, Mehrarbe i t der Verdauungsdr t isen zu ve rh indern und Zust~tnde zu ml te rb inden , die die entzf indhchen Magen- darmver'~tnderungen un te rha l ten , wie die Fgulnis- und Ggr- dyspepsie.

Wghrend bei beruf l ichen 131eierkrankungen eine E n t - fe rnung aus d e m bleigef~thrdeten Bet r ieb no twendig ist, toni3 bei Bleifressern und bei Vergi f tungen durch bleihal t iges Tr inkwasser eine sofor t ige En t l ee rung des Darmes von dem au fgenommenen Blei durch Abff ihrmit te l , also auf mechani - schem ~Veg, erzwungen werden. Zusamnlenfassend k6nnen wir also sagen, dab sich die Behand lung der Df inndarms t6rungen nach der a l lgemeinen t3ehandlung der Ble i in toxika t ionen und nach den Behandlungsvorschr i f t en ffir Magen-Darmkrank- hei ten andere r Genese r ichtet .

Zusammen /assung: Nach Besprechung der verschiedenen Aufnahmem6gl ichke i t en ffir Blei in den menschl ichen t~6rper werden die einzelnen Sch/tdlichkeiten des B ides am ganzen Verdauungs t r ak t yon der Mundh6hle bis zum Diekdarm be- sprochen. Insbesondere wird anf die Frage nach dem Sitz der Ble ikohken eingegangen und diese dahin bean twor te t , dab die alIgemeine Ans ich t yon dem alleinigen Sitz de r Kol iken im Dickda rm abge lehn t wird zuguns ten der Ansieht , dab anch die Df inndgrme Sitz der Koi ik bei der BIe i in toxikat ion sind. Hierf i i r sprechen sowohl die ffir Df inndarmsi tz typischen Be- schwerden als aueh die klinischen Be{unde, noch e indeut iger aber d i e R6ntgenbef tmde , die w~'thrend der t~ohk a m Dfinn- d a r m beach t e t wurden . Am Dickdarm liel3en sich gleichzei t ig keinerlei Vergnderungen erkennen. Bei der von anderer Seite beobaeh te ten s tg rkeren Haus t r i e rung des Dickdarmes hande l t es sich lediglich um den sog. , ,belebten T y p " , der auch bei no rma len gesunden Personen hgufig beobach te t wird. Die Vergnderungen a m Dt inndarm sind spas t isch-a tonischer Na tu r und k6nnen in schweren Fal len zum Ileus ffihren, der mi t allen anderen i lensar t igen Zustgnden verwechse l t werden kann. Zu R6n tgenb i lde rn ~thnlicber Krankhe i t szus t / inde wird di f ferent ia ldiagnost isch Stel lung genommen. E in Vergleich zu den gleichen Dt inndarmbi ldern bei der aku ten P o r p h y r i e wird gezogen. Bei le ichteren Ble ie rkrankungen ohne Kol iken k6nnen auch m i t d e r R6n tgennn te r suchung VerXnderungen a m Df inndarm fes tges te l l t werden, die als d i rek t typiseh be- ze ichnet werden k6nnen. Dann wird im einzelnen noch auf die Ursache der Dfinndarnlver~tnderungen eingegangen und die Abhand lung mi t Angaben fiber eine wirksanle Behand lung der Dar lns t6rungen bei aku t e r und chronischer Ble ie rkrankung besehlossen.

L i t e r a t u r : ~_rztliche Merkblgtter fiber berufliche Erkran- kungen. Hrsg. v. den Fabrik~trzten der chemischen Industrie.

K L I N I S C H E W O C I i E N S C H I ~ I F T . 18. J A H R G A N G . N r . 32 r2. A U G U S T ~t939

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DAS ELEKTROLYTENGLEICHGEWICHT DES SERUMS BEI DER SOGENANNTEN SEROSEN

ENTZONDUNG. Von

~NRICO POLl, Ass i s t en t , Aus der Medizinischen Klinik der Universit~it ~'[aitand

(Direktor: Prof. Dr, D. CESA BIANCHI).

Die Eppingersche Schule ve r t r i t t die Ansicht, dal3 die sog. , ,ser6se En t z f i ndung" im Organismus bet r~cht l iche ~nde - rungen des Elekt ro ly tens tof fwechse ts ve ru r sach t (EPPINGER, KAUNITZ, SELZI~R, ZUCKERKANDL, SIEBECK, DIETRICH, SCHO- BER, POPPER), die im wesent l ichen durch eine Beeintr~tchti- gung der no rma len Selekt iv i t~t der Ze l lmembran gegenfiber den verschiedenen innerhatb und an13erhalb derselben liegen- den Ionen bed ing t sein soil.

An H a n d von Un te r suchungen fiber den Stoffwechsei de r versch iedenen Ionen, fiber die Ionen/~nderungen im Cyto- p lasma groBer kfinstlich besch/~digter Pflanzenzel len (Alga valonia) und nachweisbare e lekt rometr i sche J~nderungen yon k ranken Organen, konn te EPPINGER eine gro/3e Anzahl exper i - mente l le r Ergebnisse hierf iber sammeln.

Es ist daher seltsam, dab bisher keine sys temat ischen Studien fiber das Serumelek t ro ly tg le ichgewicht bei denjenigen E r k r a n k u n g e n gemach t wurden, die nach EPPINGEI~ als kli- nische Ersche inungen der ser6sen En tz t indung zu deu ten sind,

An einer Gruppe yon Kranken mi t ka ta r rha l i schem Ik te rus und, zum Vergleich, an einer Gruppe andere r t{ranken habe ich den Ca-, Mg-, Na-, K-, CI-, Ph- und S-Gehal t des P lasmas bes t immt .

Das Btu t wurde s te ts nfichtern ohne S tauung e n t n o m m e n und schnell zentr i fugier t , um die Blu tk6rperchen gleich zu t rennen, und ffir die einzelnen Bes t immungen wurden to lgende Methoden benu tz t :

Bestimmung des Na, K und Ca nach KRAMER, TISDALL und ]~APPAPORT :

FMlung des i ~ als Natrium-Pyroantimoniat; iodometrische Titrierung des anwesenden 5wertigen Antimons.

F~llung des K als salpetersaurer Kobalt des Na; hieraut Oxy- dation der salpetersauren Gruppe mit einer bekannt:en Menge yon schwefelsaurem Cerium.

Fgllung des Ca als Ca-Oxalat; hierauf Titrierung der Oxals~ture mit schwefelsaurem Cerium.

Bestimmung des Cl nach RAPPAPORT: F~llung des CI und Proteinoxydation mit einer Mischung yon

AgNOa-Salpeters~ture Eisenalaun und NH4; Titrierung des Silber- chlorids mit KCNS.

Bestimmung des Mfl naeh dem photometrischen Verfahren v o n L A N G :

Violettf~rbung des Mg in Anwesenheit yon Tropeolin oo. Bestimmung des Ph nach BELL-DoIsY-BRIGGS: Blauf~trbung der t?hosphormolybdAns~ure durch tieduktion

yon Hydrochinon und Natriumnitrit in sauerem Milieu.