Übersee-Magazin Bremen Oktober 2010

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über see Menschen, Quartiere und Ideen aus der Überseestadt Bremen ÜBERHAUPT 10 JAHRE ÜBERSEESTADT – HERAUSFORDERUNG UND CHANCE FÜR BREMEN SEITE 10 ÜBERLEBT DIE MUGGENBURG – EIN FAST VERGESSENER STADTTEIL SEITE 16 Herbst 2010

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Menschen, Quartiere und Ideen aus der Überseestadt Bremen

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übersee Menschen, Quartiere und Ideen aus der Überseestadt Bremen

ÜBERHAUPT10 JAHRE ÜBERSEESTADT – HERAUSFORDERUNG UND CHANCE FÜR BREMEN SEITE 10

ÜBERLEBTDIE MUGGENBURG – EIN FAST VERGESSENER STADTTEIL SEITE 16

Herbst 2010

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Über?!Verschaffen Sie sich einen Überblick. Wir sind sicher, dass Sie schnell überschauen, welches Potential in der Überseestadt steckt. Überhaupt glauben wir, dass es hier eine Menge Überflieger, Überrascher und Überdenker gibt. Darum gibt es das Übersee-Magazin das über all dies berichtet und übrigens auch bestens als Werbeplattform geeignet ist. Wir wollen nicht übertreiben, aber wer wirbt überlebt. Überzeugt? Dann finden Sie unter www.ueberseemagazin.de alle Informationen zur Werbung im Übersee-Magazin.

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ÜBERSCHAUENAKTUELLE MELDUNGEN ÜBER LAUFENDE UND KOMMENDE PROJEKTE AUS DER ÜBERSEESTADT

ÜBERBLICK MOMENTAUFNAHMEN VOM WANDELMARCUS MEYER

ÜBERHAUPT10 JAHRE ÜBERSEESTADT – HERAUSFORDERUNG UND CHANCE FÜR BREMEN

ÜBRIGENSDEN »SAURIER« REITEN – GESPRÄCH MIT DEM ARCHITEKTEN JOST WESTPHAL ÜBER DEN UMBAU DES SCHUPPEN 1

ÜBERFLIEGER»DAS ALTE WAHREN,

DAS NEUE FÖRDERN«

ÜBERLEBTDIE MUGGENBURG – EIN FAST VERGESSENER STADTTEIL

ÜBERREDETDIE NETZWERKPIONIERE

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Ein Magazin über die Überseestadt müsste man machen! Ge-sagt, getan. Sie halten die erste Ausgabe des Übersee-Magazins in Ihren Händen.

Ein Stadtteil, der sich neu erfindet. Jeden Tag ein bisschen mehr. Und das schon seit mehr als zehn Jahren. Ein Stadtteil, der nicht nur Kreative anzieht. Da sind eine Menge Menschen, die auch in den Jahrzehnten hier waren, wo der Hafen nahezu brach lag. Heute erahnen wir bereits, wie bunt die Mischung in den nächsten Jahren noch werden kann. Wo viele Menschen aufeinander treffen, gibt es eine Menge Geschichten zu erzählen. Genau das will das Übersee-Magazin. Wir werden künftig über Menschen und Unternehmen, über Ereignisse und Projekte, über Schönes und Seltsames rund um die neuen alten Hafenquartiere berichten. Sie haben Anregungen und Ideen? Immer her damit!

Nun aber zunächst eine angenehme Lektüre!

Ihr Übersee-Magazin Team

LIEBE LESERINNENUND LESER!

Herausgeber: Daniel Günther, Thorsten Kniewel, Jack Kraska

Redaktion:DIALOG Public RelationsDaniel Günther e.K.Altenwall 2428195 Bremenwww.dialog-pr.deE-Mail: [email protected]: 0421.32 88 110

Design:kraska – gestaltungJack KraskaBleicherstraße 5728203 bremenTelefon: 0171.74 98 645E-Mail: [email protected]

Druck und Anzeigenbuchung:SchintzDruckOppenheimerstraße 2628307 BremenTelefon: 0421.4 85 78-0Fax: 0421.4 85 78 48E-Mail: [email protected]

Anzeigeninformationen finden Sie im Internet unter www.ueberseemagazin.de.Ihr Ansprechpartner für Anzeigen: Thorsten Kniewel

Auflage: 7.500

Titel: Kulturhaus Walle – Brodelpott

IMPRESSUM

INHALT

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Mehr hilft mehr

Bereits zu Beginn dieses Jahres formier-te sich der Überseestadt Marketingverein e.V. Ziel des Vereins ist die stärkere touristi-sche Vermarktung des neuen Stadtteils. Mit-glieder sind Unternehmen aller Branchen und Einrichtungen die sich für die Übersee-stadt engagieren wollen. Seit September be-findet sich die Geschäftsstelle des Vereins im Speicher XI, Abteilung 1. Maren Benkenstein leitet die Geschäftsstelle, beantwortet Fra-gen zum Verein und begleitet Projekte in der Überseestadt.

www.ueberseestadt-marketing.de

ÜBERBLICKMOMENTAUFNAHMEN VOM WANDELMARCUS MEYER

Marcus Meyer studierte Grafik und De-sign mit dem Schwerpunkt Fotografie an der Hochschule für Künste in Bremen. Der selbständige Fotograf und Mitgründer der Fotoetage und des Studiocentral, begab sich mit 25 Camera Obscuras auf Motivsuche in die Überseestadt. Dort hielt er Momentauf-nahmen in einem Stadtteil fest, der aufgrund seiner stetigen Weiterentwicklung eigentlich nie wirklich still steht. Durch die einmona-tige Belichtung erhielten die Bilder ihren besonderen Charakter. Entstanden sind sie im Rahmen der Initiative »Heimathafen« und auch Bestandteil des gleichnamigen Text- und Bildbandes. Diese und weitere Werke sind zudem in der Sonderausstellung »Hei-mathafen« im Hafenmuseum Speicher XI noch bis zum 16. November 2010 zu sehen.

»Heimathafen«

»Heimathafen« lautet der Titel eines Projektes über die Überseestadt, das eine Gruppe von Bremer Kreativen ins Leben rief. Ein Buch sowie eine Sonderausstellung im Hafenmuseum zeigen die zahlreichen un-terschiedlichen Facetten der Überseestadt. Der Text- und Bildband versammelt Unent-decktes, Unerwartetes, Menschliches, Tie-risches, Lustiges und Nachdenkliches haben die Projektbeteiligten auf rund 220 farbigen Seiten. »Die Idee hinter dem Projekt ist, dass wir uns frei jeder Zwänge mit einem Thema befassen, dass uns leidenschaftlich begeis-tert«, erläutert Hanke Homburg von der GfG – Gruppe für Gestaltung die federführend an dem Projekt beteiligt war. Die Sonderaus-stellung erlaubt Blicke auch auf diejenigen Arbeiten, die keinen Platz im Buch gefunden haben. Sie wird kuratiert von Tom Gefken. Für Entdecker entwickelten die Kreativen zudem eine App für das iPhone oder den iPod touch. Die App führt den Besucher an insgesamt 120 Standorte mit Übersichtskarten, Audio-kommentaren und GPS-Navigation. Weitere Infos zum Projekt, Buchbestellungen und App unter

www.heimathafen-ueberseestadt.de.

Haben Sie was zu melden?

Sie haben ein neues Produkt entwickelt? Ihr Unternehmen hat einen besonderen Er-folg zu verzeichnen? Sie initiieren ein Projekt in der Überseestadt? Dann lassen Sie uns mehr darüber wissen! Nehmen Sie uns in Ihren Presseverteiler auf oder sprechen Sie uns an, damit wir künftig über noch mehr Aktuelles hier berichten können. Redaktio-nelle Ideen bitte einfach via Mail an:

[email protected].

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Größte Solaranlage Bremens

3,4 Millionen Euro Investitionsvolumen, 50.000 Quadratmeter Dachfläche, ein Me-gawatt Stromerzeugung pro Jahr – das sind die Zahlen und Fakten zur größten Photovol-taikanlage in der gesamten Hansestadt. In-stalliert ist sie in der Bremer Überseestadt auf den Dächern des Großmarktes. Dort, wo in den Hallen Frischeprodukte wie Obst und Gemüse, Fisch oder auch Schnittblumen in riesigen Mengen umgeschlagen werden. »Wir arbeiten täglich mit frischer Ware. Da ist es nur konsequent, sich auch bei der Energieversorgung für die Umwelt verant-wortlich zu fühlen, aus der all diese Güter bezogen werden«, erläutert Großmarkt-Ge-schäftsführer Uwe Kluge die Hintergründe dieses Projekts. Zunächst wurden die insge-samt 5.701 Solarmodule an die WIRSOL SO-LAR AG verpachtet, damit das Unternehmen sie zur Erzeugung klimafreundlicher Energie verwenden kann. Die Inbetriebnahme der Anlage erfolgte am 30. Juni 2010. Die Menge des künftig produzierten und ins öffentliche Netz eingespeisten Stroms entspricht einer eingesparten Kohlendioxid-Menge von etwa 900 Tonnen pro Jahr. Das sind umgerechnet sieben Güterwaggons voller Steinkohle.

ÜBERSCHAUENAKTUELLEMELDUNGENÜBERLAUFENDEUNDKOMMENDEPROJEKTEAUSDERÜBERSEESTADT

PROJEKTE

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FOTOSTRECKE

ÜBERBLICKMOMENTAUFNAHMENVOMWANDELMARCUSMEYER

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Marcus Meyer Photography

Am Dobben 147

D-28203 Bremen

Telefon: +49.(0).89 80 87 16

www.marcusmeyer.co.uk

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FOTOSTRECKE

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FOTOSTRECKE

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FOTOSTRECKE

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ÜBERHAUPT10JAHREÜBERSEESTADT–HERAUSFORDERUNGUNDCHANCEFÜRBREMEN

»Wer hätte vor ein paar Jahren gedacht, dass es in einer so zentralen Lage noch mal die Möglichkeit ge-ben wird, ein Stückchen Stadt neu zu erfinden?«, fragt Senatsbaudirektor Franz-Josef Höing mit Blick auf den Nachbau der Überseestadt im Infozentrum im Speicher XI.

Die innerstädtischen Hafenareale waren einmal die Herzkammer Bremens. Dort pulsierte das Leben, ver-dienten Tausende ihren Lebensunterhalt und liefen Li-niendampfer gen Amerika, Australien und Ostasien aus. Mit der »Fairland« legte 1966 das erste Containerschiff in einem deutschen Hafen - in Bremen - an. Allerdings läutete die zunehmende Umstellung von Stückguttrans-porten auf Container zugleich das Ende des traditio-nellen Wirtschaftens in den stadtbremischen Hafenan-lagen ein. Der Umschlag sank Ende der 1980er Jahre drastisch, Teile der Kaimauern im Überseehafen galten nur wenige Jahre später als einsturzgefährdet und für jegliche Nutzung gesperrt. Bereits 1992 beschloss der

Senat die Umstrukturierung des Gebiets, erst weitere acht Jahre später wurde ein konkretes Entwicklungs-konzept vereinbart. Bis dahin waren weite Teile des Are-als über mehr als ein Jahrhundert durch Zollzäune und Erdwälle von der Hansestadt und ihrer Bewohner abge-riegelt. »Mit der Öffnung des Hafengebiets für die Bre-mer wie auch für Touristen, wird unsere Stadt noch um einiges interessanter und facettenreicher«, so Höing.

Offiziell ist die Überseestadt eines der größten städ-tebaulichen Projekte Europas, das klingt ein wenig nach Glamour und Protz und damit ganz unbremisch. Doch der Ansatz ist ein anderer, wenn auch nicht weniger ambitioniert: die Verknüpfung eines modernen Dienst-leistungs- und Gewerbestandortes mit verschiedenen Wohnquartieren für große und mittlere Geldbeutel. Übergeordnetes Ziel ist ein Stadtteil mit besonderem Ambiente. Hier sitzt der Webdesigner in der Mittags-pause Tisch an Tisch mit dem Hafenarbeiter. Auf den Treppen am Kopf des Europahafens sonnt sich nach

links:Blick auf das Kaffeequar-tier mit dem Weser Tower (rechts), Bremens höchstem Bürogebäude.

rechts:Zunehmend locken Veranstal-tungen die Bremerinnen und Bremer in die Überseestadt, so wie hier am Kopf des Europahafens.

LEITTHEMA

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Foto: Christian Herrm

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Feierabend die Fotografin direkt neben dem Kaffeeröster, um dann entspannt entlang der Weserpromenade bis zum Landmark Tower zu ihrer Wohnung zu schlendern.

So weit die Zukunftsvorstellungen – und ein bisschen hat die Zukunft auch schon Einzug gehalten: Von der Gesamtfläche in der Größenordnung von etwa 400 Fußball-feldern ist derzeit ein Drittel beplant, da-von ist die Hälfte bereits verkauft oder wird schon genutzt. Nachdem die Büromieter schon vor einiger Zeit den Anfang mach-ten, bezogen im Juli dieses Jahres auch die ersten Anwohner ihr neues Domizil mit Weserblick. Die Zahl der Unternehmen und Beschäftigten im Hafen nahm in den letzten Jahren je um ein Drittel zu.

Die »Zugezogenen« scheinen die Wahl für den neuen Standort nicht zu bereu-en. »Es war spannend das neue Umfeld zu entdecken, dabei zu sein, wenn aus etwas Altem etwas Neues entsteht. Ausschlag-gebend war ferner die Lage, die Nähe zur Innenstadt, zum Flughafen und zum Bahn-hof«, beschreibt Nils T. Kohle, Geschäftsfüh-rer der Internetagentur Interwall, exempla-risch die Motivation zum Gang in den neuen Stadtteil.

Die Entwicklungen in der Überseestadt sind von einigen wesentlichen Meilensteinen gekennzeichnet: Los ging es mit der nicht unumstrittenen Verfüllung des Überseeha-fens im Jahre 1998. Auf dem zugeschütteten Grund entstanden neue Gewerbeflächen und der 2002 eingeweihte Großmarkt, dem ersten realisierten Projekt der neuen Überseestadt. Grundlage und zugleich flexibles Konstrukt für die weitere Entwicklung des Gebietes war und ist der Masterplan, erstmals 2003 vorge-stellt und seitdem kontinuierlich modifiziert. Wichtig war der Ausbau der Verkehrsinfra-struktur und eine verbesserte Anbindung an die Stadt. Durch den Ausbau des Han-sators und der Konsul-Smidt-Straße sowie die Anbindung an Walle durch den Fußweg am Waller Stieg, ist die Überseestadt gefühlt etwas an die angrenzenden Viertel heran-gewachsen. Nicht selten wundern sich alt-eingesessene Bremer und Bremerinnen bei einem sonntäglichen Fahrradausflug, wie schnell und nahtlos die Überseestadt von der Schlachte aus zu erreichen ist. Mitte 2004 wurde die Straßenbahnlinie 3 zur Über-seestadtbahn, die seither durch den neuen Stadtteil fährt. Die BSAG plant zudem die Einführung einer Buslinie als direkte Ver-bindung zum Hauptbahnhof. »Als wir 2007 hier anfingen, kam einem das Gebiet noch oft leer vor, die Infrastruktur war schlecht ausgebaut. Dies hat sich aber inzwischen deutlich verbessert«, resümiert Kohle.

Wie bunt und vielfältig das Areal zwi-schen Hafenkante und Lloydstraße jetzt schon ist, veranschaulichen ein paar Bei-

spiele: Der unter Denkmalschutz stehende Speicher XI wurde saniert und beherbergt seit 2003 die Hochschule für Künste, das Infocenter der Überseestadt, das Hafenmu-seum und zahlreiche Dienstleistungsunter-nehmen. Am Kopf des Holz- und Fabriken-hafens befindet sich die alte Feuerwache, die von der Gruppe für Gestaltung renoviert wurde und seit 2004 von dem Dienstleister und einem Restaurant genutzt wird. Zuletzt wurde die Maritime Meile am Europahafen fertig gestellt. Sie spiegelt mit ihren Gastro-nomieangebote, dem Einzelhandel und vie-len Büroflächen den Nutzungsmix im Hafen beispielhaft wider.

Ohne eine verbindliche Einigung zwi-schen den vor Ort traditionell ansässigen Un-ternehmen und der Stadt, wäre es vermutlich nie so weit gekommen. Die verschiedenen Nutzungen bedeuten nämlich gleichzeitig In-teressenkonflikte, denn wo produziert wird, da entstehen auch mal Lärm und Gerüche. Dr. Werner Maywald, Geschäftsführer der Initiative Stadtbremische Häfen, beschreibt den Spagat zwischen Arbeiten und Woh-nen in direkter Nachbarschaft wie folgt: »Die alteingesessenen Hafen- und Logisti-kunternehmen freuen sich über die neuen Nachbarn in der Überseestadt – so lange ihre Betriebe auch in Zukunft flexibel arbei-ten können und Erweiterungsmaßnahmen nicht behindert werden.« Hier scheint aber ein Lösungsansatz gefunden, so Maywald weiter: »Die Arbeitsbedingungen wurden in den Grundbüchern festgehalten und somit gesichert. Für andere Regionen kann dieses ‚Bremer Modell’ sogar als Vorbild dienen.«

LEITTHEMA

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Auch Clemens Paul, Geschäftsführer der Justus Grosse GmbH, beschreibt den be-schrittenen Weg als Lösung mit Vorbildcha-rakter. Aus Sicht des größten Projektentwick-lers in der Überseestadt macht gerade die Mischung der verschiedenen Bereiche das gesamte Umfeld so spannend und attraktiv. »Unsere anfängliche Skepsis wich an einem bestimmten Schlüsseltag, an dem wir vor Ort von dem Leiter des Planungsamtes herum-geführt wurden. Wir haben uns an diesem Tag in den Speicher I verliebt, weil hier eine besondere Immobilie eine lange Geschichte, die Wasserlage sowie die Stadtnähe mitein-ander vereint.«

Zunehmend beleben Veranstaltungen und Events wie der ÜberseeTörn, das Über-seefestival oder auch die Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit das Gebiet. Es ist also schon viel erreicht worden in Bremens jüngstem Stadtteil. Doch mit Blick auf all-tägliche Kultur- und Freizeitangebote sowie einige noch brach liegende Flächen, ist min-destens genauso viel noch zu tun, damit der Weg Bremens zurück zum Fluss eine voll-kommene Erfolgsstory wird.

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Lea Rohmeyer (26): Von Haus aus hafenaffin, sie schrieb ihre Diplomarbeit zu aktuellen Nutzungsoptionenin der Überseestadt.

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QUARTIER

ÜBRIGENSDEN»SAURIER«REITEN–GESPRÄCH MIT DEM ARCHITEKTEN JOST WESTPHAL ÜBER DEN UMBAU DES SCHUPPEN 1

Der Schuppen 1 wurde 1959 am Europahafen gebaut. Es ist der größte zweigeschossige Schuppen Bremens mit 405 Metern Länge, 50 Metern Tiefe und einer Ge-schosshöhe von neun Metern. Bis 1993 diente er dem Hafen als Umschlagplatz, seitdem war er den in Händen verschiedener Firmen. 2007 übernahm die Investoren-gemeinschaft Hornung und Kastens/Specht das Gebäu-de. Es folgte 2008 für die westliche Hälfte ein Architek-tenwettbewerb zur Umnutzung. Westphal Architekten gewann mit dem Entwurf für eines Technik- und Erleb-niszentrums für historische Fahrzeuge im Erdgeschoss und Büro- und Wohnlofts im Obergeschoss. Marion Scherthan sprach mit dem Architekten Jost Westphal über das Projekt.

Herr Westphal, die Bremer nennen den Schuppen 1 auch »Saurier«, »Elefant«, »Koloss« - Ist das selbst für Sie ein großes Gebäude?

Ja, auf jeden Fall. Aber es macht uns keine Angst, im Gegenteil: Es reizt uns sehr. Es ist eine sehr komplexe Immobilie mit absolut ungewöhnlicher Typologie. Dieses Arbeiten mit der unveränderten Größe im Inneren, das hat uns immer bewegt.

Den Schuppen 1 kannten Sie vor dem Architekten-wettbewerb wahrscheinlich nur von außen. Was haben Sie im Inneren vorgefunden?

Die erste Ordnung des Hauses ist dieses Betonske-lett, ausgefacht und verkleidet mit Klinker aus der Um-gebung. Dann gibt es diese typischen Oberlichtbänder aus Industrieglas, weil man dort Tageslicht brauchte, und dann gibt es den Stahl des oberen Geschosses.

Es ist ganz absurd: Wenn Sie unten sind haben Sie das Gefühl, es ist eine völlig überdimensionierte Beton-

Jost Westphal studierte Architektur in Braunschweig, arbeitete von 1993 bis 2000 in Berlin. Gemeinsam mit seiner Frau Birgit Westphal übernahm er 2000 das frühere Büro seines Vaters in Bremen.

www.westphalarchitekten.de

konstruktion, die viel zu wuchtig, viel zu kräftig ist; kom-men Sie eine Etage höher, dann sind Sie überrascht, wie filigran, wie fast unterdimensioniert dieses Tragwerk wirkt.

Warum wurde das so gebaut?Das ist einfach zu erklären: Man hat das Haus ge-

baut, um die Schiffe simultan be- und entladen zu kön-nen. Die Liegzeit in den Häfen wurde ja immer kürzer. Der Schuppen war einer der ersten in Europa, wo das auf zwei Geschossen realisiert wurde. Deshalb haben wir vor dem Schuppen auch diese Laderampen, auf denen die Kräne entlang fuhren. Die Lasten waren en-orm hoch, eine Tonne auf einem Quadratmeter. Dazu kam, dass die Portalkräne sich nicht nur auf der Kaje abgestützt haben, sondern mit dem Hinterfuß auf dem Schuppen auflagen.

Wie werden sich die Besucher des Gebäudes zu-rechtfinden in diesem »Saurier«?

Wir haben lange an dieser Überlegung gearbeitet: Wo komme ich überhaupt rein? Und uns dann für dieses ehemalige Verwaltungsgebäude entschieden. Da wird der Eingang sein, der überhaupt nicht zu übersehen ist.

Der Eingang des Verwaltungsgebäudes ist aber doch eher mickrig.

Absolut mickrig. Aber wir lösen ihn teilweise auf in eine große Rahmenstruktur, wie beim Speicher 1, und da schreite ich hindurch und komme dann in diese gesamte Großstruktur der Hallenbinder. Dort werden Sie an jeder Stelle diese statisch-konstruktive Logik des Hauses er-leben, und wenn Sie aus dem Schuppen gehen, werden Sie dieses konstruktive Konzept als identitätsprägend in

links:Der Westflügel des Schuppen 1 - unten Restaurant »Gastro-nomie« und Oldtimer-Aus-stellung »Faszination Auto««, oben Büro- und Wohnlofts (Visualisierung)

rechts:»Faszination Auto« Oldtimer-Ausstellung im Erdgeschoss des Schuppen 1

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Foto: Büro W

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QUARTIER

Erinnerung behalten. Hoffentlich. Daran ar-beiten wir sehr stark.

In der Wettbewerbsauslobung stand, dass das Gebäude einem zeitgemäßen Stan-dard zugeführt werden soll. War das über-haupt möglich?

Das beschäftigt jeden, der sich mit his-torischen Gebäuden auseinandersetzt: Diese Ambivalenz zwischen angemessenem Um-gang mit historischer Substanz und energe-tischen oder wirtschaftlichen Ansprüchen. Um diesem Verbund von Ansprüchen gerecht zu werden haben wir ein Projekt entwickelt, was sehr unterschiedlich ist in der Nutzung: Wir haben unten diese Werkstätten und Aus-stellungsbereiche für Oldtimer, da belassen wir die wesentlichen Elemente wie sie sind, aber oben integrieren wir auch sehr viele neue Dinge. Wir müssen beispielsweise das Dach erneuern, weil künftig Menschen dar-unter wohnen und arbeiten. Wir haben neue, hoch gedämmte Fassaden zur inneren Stra-ße hin.

Eine innere Straße?Ja, dieses Haus hat eine Tiefe von 50 Me-

tern – das ist für Industriebauten eigentlich nicht groß, aber für Wohn- oder Bürogebäude absolut unbrauchbar. Eine Tiefe, wo kein Ta-geslicht mehr ankommt, kann ich entweder nicht verwenden oder ich muss das Gebäu-de öffnen. Wir haben also das vorhandene Dach geöffnet und so eine frei durchlüftete

und durchlichtete Straße im Obergeschoss bekommen, über annähernd die gesamte Länge. Die bringt auch eine starke Orientie-rungsmöglichkeit und Adressenbildung, die ganz wichtig ist.

Hat so ein ungewöhnlicher Bau nicht auch etwas Unberechenbares?

Ja, bei jedem Öffnen von Bauteilen stellt man fest: Da sind Dinge, die sind gar nicht so, wie die ursprünglichen Bestandszeich-nungen das dargestellt haben. Das Haus war ja in unterschiedlichen Nutzungen und jede Firma hat ihre Spuren hinterlassen. Zum Beispiel der Fußboden: Da hat eine Firma riesengroße Kühlhallen in den Schuppen ein-gebaut, massiv eingebaut, mit eigenen Fun-damenten! Das ist absolut ungewöhnlich in einer Immobilie.

Haben Sie schon einmal an einem ver-gleichbaren Projekt gearbeitet?

Ein bisschen vergleichbar war der Um-bau vom Columbus-Bahnhof in Bremerhaven zum Kreuzfahrtterminal. Aber diese Ruppig-keit vom Schuppen ist noch mal ein ganzes Maß eindrucksvoller. Er musste ja nur indus-triellen Ansprüchen genügen. Die Menschen fuhren dort mit Gabelstaplern gegen die Wände, da wurden für eine Saft-Abfüllsta-tion Löcher in die Decke gebohrt. Und das passt zu dieser Größe, zu Achsen von neun, fast zehn Metern und zu dieser Tiefe von 50 Metern. Es ist selten, dass man in so eine

grobe Immobilie einen feinen Wohnungsbau integrieren muss.

Wird man diese Ruppigkeit nach dem Umbau noch spüren können?

Ja, Sie werden das im Erdgeschoss im vollen Umfang erleben. Das wollen wir auch. Wir wollen auch die Oberflächen gar nicht streichen, sondern diese Beschriftungen er-halten, »Rauchen verboten« oder die großen Ziffern, auch abgeblätterte Farbe soll blei-ben.

Also ich wäre glücklich, wenn Sie nach dem Umbau fühlen: Hier ist mal Getreide ver-laden worden, hier roch es mal nach Kaffee. Und das gepaart mit den Oldtimern. Wenn dann hier so ein Achtzylinder röhrt, oder da ein historischer Rennwagen steht, wird man merken: Hier war früher auch eine andere Geschichte.

Marion Scherthan (36)vor 13 Jahren eingeschifft, jetzt Binnenbremerin mit Haut und Haar.

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Seit 2000 gemeinsam an der Spitze der Vollers-Grup-pe: Christian Vollers und sein Vater Lüder.

PORTRAIT

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ÜBERFLIEGER»DASALTEWAHREN,DASNEUEFÖRDERN«

PORTRAIT

BERTHOLD VOLLERS GmbH

Speicherhof 308

D-28217 Bremen

Telefon: +49.(0)421.38 92 00

www.vollers.com

Bei einer Fahrt über die Nordstraße entlang der Überseestadt, fällt einem das hohe Gebäude am Speicherhof sofort ins Auge. Mit der blau-gelben Außenfassade hat die Vollers-Gruppe ihrer Zentrale und der Überseestadt schon vor ein paar Jah-ren einen Farbtupfer aufgesetzt. Daniel Günther schaute sich rund um die Speicher 2 und 3 einmal um.

Erst einmal zu den Daten und Fakten: 1932 als Spedition gegründet, transportiert, lagert und behandelt die Vollers-Gruppe heute an zehn Standorten europaweit vor allem Kaffee, Tee und Kakao, aber auch andere Stück-güter. 380 Mitarbeiter hat das Fami-lienunternehmen, an deren Spitze Lüder und Christian Vollers stehen – Vater und Sohn.

»Ich habe quasi mein komplettes Arbeitsleben hier in der heutigen Überseestadt verbracht«, erzählt der 71-jährige Lüder Vollers. »1955 lernte ich hier Küper (heute See-güterkontrolleur). Verwiegung von Kaffee und Baumwolle, Qualitäts-kontrollen, Güter verstauen und so weiter.« In den Jahren zuvor waren unter anderem die Speicher 1 und 2 entstanden, die von einer Art Genos-senschaft gebaut wurden. Denn ein Träger allein hätte solch ein Baupro-jekt damals finanziell nicht stem-men können. Lüder Vollers erinnert sich: »Damals herrschte eine Art »Kampf« zwischen den Speichern. Im Speicher 1 gab es Holzfußboden. Dort konnte also nur mit Sackkarre gearbeitet werden. Bei uns in Spei-cher 2 hingegen war der Boden aus Beton und wir konnten mit Staplern und Paletten arbeiten.«

Das Unternehmen Vollers hatte mit ein paar »Böden« angefangen und die Lager-fläche für Kaffee und Kakao wuchs ständig. Lüder Vollers leitete das Unternehmen in den 1960er Jahren gemeinsam mit seinem Vater und Firmengründer Berthold Vollers. Der Hafen boomte über zwei Jahrzehnte. Doch dann kam der Niedergang. Immer weniger Schiffe. Immer weniger Umschlag. Der Hafenbetrieb kam mehr und mehr zum Erliegen. Aber Vollers blieb. Denn Kaffee wurde immer viel getrunken und Kaffeela-

gerung ist die Spezialität des Unternehmens. »Wir brauchten Platz und den gab es hier reichlich. Damals konnten wir unsere Lager-kapazität um Schuppen 4 und 6 erweitern«, erklärt Lüder Vollers. Und heute sind es ins-gesamt 150.000 Quadratmeter Lagerfläche über die die internationale Unternehmens-gruppe in der Überseestadt verfügt. Hier setzt das Unternehmen nach wie vor sein Kerngeschäft um. Zu 80 Prozent lagern hier Kaffee, Tee und Kakao. Doch neben der La-gerung prüft Vollers die Qualität, reinigt Pro-

der Unternehmensgruppe: »Wir haben ver-schiedene Ideen, beispielsweise für Schup-pen 6. Hier würden wir gern ein Teequartier mit einer gläsernen Teeproduktion entwi-ckeln. Darüber sprechen wir momentan mit der Stadt.« Im Bereich der Lager plant das Unternehmen derzeit keine Expansion. Hier findet eher eine Konzentrierung statt, da die Speicher nicht für alle Güter geeignet sind. Sie bieten sich für längere Lagerung an und nicht für schnelle Logistik. Von der Weltwirtschaftskrise war nur ein Teil der

Vollers-Gruppe direkt betroffen, er-klärt der Junior: »Unsere Branche hat ihren eigenen Zyklus und somit auch meist andere Krisen als die Weltwirtschaft. Wenn etwa weniger Kaffee produziert wird, Transport-kosten steigen oder Währungen schwanken. Hinzu kommt, dass sich die Zahl der Kunden verringert, weil sich Prozesse und Handel im-mer mehr konzentrieren.«

Die Entwicklungen in der Über-seestadt beobachteten die Vollers anfänglich mit gemischten Gefüh-len: »Es war zunächst schwierig zu begreifen, dass hier kein Freihafen mehr ist«, sagt Lüder Vollers, »und ich konnte mir zudem nicht rich-tig vorstellen, was da geplant war. Aber die ruhige Zeit hier war trau-rig. Darum finde ich es gut, das was passiert und ich muss gestehen, dass es mehr ist als ich je geglaubt habe.« Auch über die Ansiedlung vieler verschiedener neuer Unter-nehmen zeigt sich Lüder Vollers er-freut, hofft jedoch, dass die Ansied-lung ohne Steuerung erfolgt und so eine möglichst bunte Mischung entsteht. »Es gilt das Alte zu wah-ren, das Neue zu fördern. Die Alten dürfen nicht vergessen werden, jene

die auch da waren, als hier fast nichts mehr war.«

dukte und mischt verschiedene Kaffeesorten nach Kundenwunsch zusammen bevor diese in die Röstung gehen. Zudem beschäftigt sich ein Bereich der Unternehmensgruppe mit Wertstoffumschlag. Hier werden Kunst-stoffe sortiert und zum Recycling nach Asien verschifft, um die Rohstoffe künftig weiter zu nutzen.

Der Sohn Christian ist seit zehn Jahren im Unternehmen tätig und kümmert sich in der Doppelspitze um die Weiterentwicklung

Etwa 70 Kilogramm schwer ist ein Kaffeesack. Am Speicherhof lagern Tausende davon aus der ganzen Welt.

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Daniel Günther (31):Ist zwar kein Bremer Original, aber dennoch überzeugter Bremer.

Page 16: Übersee-Magazin Bremen Oktober 2010

ÜBERLEBTDIEMUGGENBURG–EINFASTVERGESSENERSTADTTEIL

GESCHICHTE

links:Wohn- und Packhäuser in direkter Nachbarschaft – ein typisches Bild für das bunte Quartier.

rechts: Das Muggenburg-Viertel mit Blick aus der Stephani-Vorstadt. Das pfeifenförmige Areal zwischen Freihafen I und Weser wurde von seinen Bewohnern auch gern »Pie-pe« genannt.

Dort, wo heute die Produktionsanlagen von Kellogg’s das Bild dominieren und das Bremer Weinkontor an-grenzt, bewohnten noch vor rund 65 Jahren Einzelhänd-ler, Handwerker, Hafenarbeiter und Kapitäne ein dicht bebautes Viertel, bunt gespickt mit Packhäusern, Stal-lungen und Hafenkneipen. Auf alten Karten ist dieser Stadtteil oft als Stephanitorvorstadt benannt, einigen Bremern wird das Gebiet aber noch eher als »Muggen-burg« geläufig sein.

Der erste Part dieser Bezeichnung entstammt al-ler Wahrscheinlichkeit nach der Nähe zum Wasser und spielt auf die in Sommermonaten vielzählig vorhandenen Mücken an – zu Niederdeutsch »Mugge«. Die »Burg« ist entgegen offensichtlicher Vermutungen nicht auf eine in früheren Tagen dort thronende Festung zurückzuführen. Denn der Begriff steht in diesem Fall schlichtweg für eine geschützte, vorstädtische Siedlung. Nachdem Mitte des 19. Jahrhunderts auch die letzten mittelalterlichen Traditionen aufgehoben wurden – für Bewohner fernab

der Altstadt galten bis dato Torsperre und der Verzicht auf Bürgerrechte – lebten schon bald zwei Drittel der Bremer außerhalb des Stadtkerns, der auch heute noch durch die Wallanlagen begrenzt ist. Die Muggenburg blieb von diesem Boom allerdings großteils unberührt, die Muggenburger bildeten weiterhin eine enge Ge-meinschaft ähnlich einer Großfamilie.

Die industrielle Entwicklung sollte diese sozialen Verhältnisse paradoxerweise noch befördern. Von 1885 bis 1888 wurde der Freihafen I (heutiger Europahafen) ausgehoben und die Hansestadt schloss sich dem deutschen Zollgebiet an. Dieser Bau machte aus der Muggenburg eine Halbinsel: eingerahmt vom Zollzaun des Freihafengeländes einerseits und der Weser ande-rerseits, zudem fast abgetrennt von den übrigen Teilen des Bremer Westens. Doch um sich mit dem Notwen-digsten zu versorgen, mussten die Menschen ihr Viertel gar nicht erst verlassen. Mehr als 20 Gaststätten, eine Seifenfabrik, Kohlenhändler, Bäcker, Milchviehhaltung,

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alle – Brodelpott

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Verführungen keine Seltenheit. An sommer-lichen Nachmittagen bot das nahe Weseru-fer Badespaß für die ganze Familie. Entwe-der fuhr man per Fähre zur Woltmershauser Seite hinüber oder ging zur so genannten »Tränke« in der Nähe des alten Fähranle-gers. Dieser beliebte Badeort lag ungefähr dort, wo heutzutage Kellogg’s angesiedelt ist.

Das Muggenburg-Viertel, von den Be-wohnern wegen seiner pfeifenähnlichen Form auch liebevolle »Piepe« genannt, war somit ein »Dorf« innerhalb der Stadt. Sein jähes Ende fand das Idyll durch seine völ-lige Zerstörung durch einen britischen Luft-angriff im August 1944. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Territorium komplett ins Hafengebiet integriert, da die Umstände einen raschen Wiederaufbau der Wirtschaft

sogar Zigarrenmacher und eine Bonbonher-stellung gab es. Ergänzt wurde diese Vielfalt noch durch eine Reihe von Kalkbrennereien, denn Muschelkalk war damals eine begehrte Bausubstanz für öffentliche Gebäude. Zum alltäglichen Straßenbild gehörten ebenso mit Baumwollballen oder Teekisten bela-dene Pferdekutschen. Über allem ragten flussaufwärts die riesigen Atlas-Werke über den Dächern hervor, in denen Schiffe sowie Maschinen und Armaturen gebaut wurden.

Für die Kinder der Siedlung war dieses ganze Areal wie ein riesiger Abenteuerspiel-platz: Herumtollen auf den Heudachböden der Packhäuser oder die Begutachtung der am Zolltor eintreffenden Waren und ran-gierenden Züge – morgendliche Verspä-tungen auf dem Weg zur nahe gelegenen Stephani-Schule waren aufgrund all der

statt eines ausgeprägten Wohnungsneubaus erforderten. An das ehemalige Wohnviertel erinnert heute lediglich der Straßenname Auf der Muggenburg. Die teilweise Neunut-zung des alten Hafengebiets schließt jedoch vor dem Hintergrund der Geschichte um die »Piepe« einen Kreis: In der Überseestadt stehen Industrie und Gewerbe wieder in di-rekter Nachbarschaft mit Wohnhäusern, ein buntes Viertel mit Menschen verschiedens-ter Hintergründe wächst heran.

GESCHICHTE

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Bastian Korte (25): Überzeugter Lokalpatriot – nicht nur, weil er die Werder-Raute tief im Herzen trägt.

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ÜBERREDETDIENETZWERKPIONIERE

Der Kommunikationsingenieur und der Ar-chitekt. Oder um genau zu sein: Frank Bi-schoff und Marco Lühmann. Beide arbeiten in der Überseestadt. Beide sind überzeugt vom neuen Stadtteil und beide haben wir zu einem Interview »überredet«.

Meine Herren, Sie arbeiten im Speicher 1. Warum hat es Sie nach Übersee gezogen?Frank Bischoff: Die Überseestadt ist für mich das reizvollstes Quartier in ganz Bremen. Hier treffen sich Tradition und Moderne. Hier entsteht ein mitunter ex-tremer Spannungsbogen, wie ich ihn sonst nirgendwo in der Stadt erlebe. Daraus ergeben sich wahnsinnig viele Strö-mungen und Ideen kultureller, wirtschaftlicher und gesell-schaftlicher Art.Marco Lühmann: Als Archi-tekt ist die Überseestadt ein Brennpunkt für mich. Das Alte und das Neue treffen hier auf-einander, allein das Arbeiten hier im Loft ist etwas Beson-deres. Meine Kunden sind im-mer wieder erstaunt, was hier alles passiert. Wir stehen dann meist erstmal vorm Fenster und ich erkläre die Entwick-lungen der letzten Jahre.Hat sich der Standort Über-seestadt für Ihre Unternehmen wirtschaftlich ausgewirkt?Marco Lühmann: Definitiv ja. Im Grund konnte mir nichts Besseres passieren. 20 bis 30 Prozent meiner Aufträge ent-stehen heute über Kontakte und Empfehlungen hier aus dem Umfeld der Übersee-stadt.Sie haben zusammen vor knapp drei Jahren den Netzwerktreff »Hafenklönschnack« ins Leben gerufen. Wie entsteht denn so eine Idee?Frank Bischoff: Überall in der Überseestadt gibt es viele Keimzellen, in denen sich etwas entwickelt, die in ihren Bereichen für Bewe-gung sorgen. Die wollten wir zusammen bringen. Die räumliche Nähe lädt ja auch förmlich dazu ein zusammenzuarbeiten und sich über die verschiedenen Ansätze und Ideen auszutauschen. Es ging uns also darum ein Wir-Gefühl zu erzeugen und da-

für brauchte es eine Plattform.Und wie sieht das Konzept der Veranstaltun-gen aus?Marco Lühmann: Der Hafenklönschnack fin-det alle zwei Monate am letzten Donnerstag an wechselnden Orten in der Überseestadt statt. Eigentlich haben wir es als After-Work-Club konzipiert. Aber wir wollten es bewusst erden und haben es deshalb Klönschnack genannt, was ja eigentlich ein unmöglicher

eigentlich mal das Sommerfest des Hafen-klönschnacks für die Anrainer sein. Nun ist es mit 30.000 Besuchern eine eigene Groß-veranstaltung für alle Bremerinnen und Bremer geworden. Der Törn findet jedes Jahr Ende Juli/August statt, es gibt Musik und Kultur, Unternehmen stellen sich vor. Kurz gesagt: Die beste Gelegenheit für die Menschen in die Überseestadt zu kommen,

die Quartiere kennenzuler-nen und sich wohlzufühlen.Das klingt ja alles ziem-lich tadellos. Was ist denn in der Überseestadt nicht optimal?Marco Lühmann: Das größ-te Problem sind zu wenige Parkplätze für zu viele Menschen. Meine Arbeits-zeiten haben sich dadurch sogar verändert. Wenn ich jetzt nicht vor acht Uhr hier bin, bekomme ich kaum noch einen kostenlosen Parkplatz. Frank Bischoff: Um so wichtiger, dass der ÖPNV hier weiter ausgebaut wird. Der Ausbau der Straßen-bahnlinie wäre optimal.Zum Schluss noch einen Ausblick: Wie werden die nächsten 10 Jahre in der Überseestadt aussehen?Marc Lühmann: Ich hoffe, dass mehr auf dem Wasser passiert. Die Marina soll ja 2011 fertig werden und so etwas Leben ins Hafenbe-cken bringen. Schön wäre zudem, wenn beispiels-weise Museumsschiffe hier auf Dauer festmachen und so Menschen anziehen.

Frank Bischoff: Die Überseestadt wird sich konstant weiterentwickeln. Es wird hier künftig gewohnt. Mit dem Landmark Tower ist dafür ja bereits der Startschuss gefallen. Dort wird ein richtiges Wohngebiet entste-hen. Das wird aber Zeit brauchen. Insge-samt braucht der gesamte Stadtteil Zeit. Und dafür genügen nicht zehn und auch nicht 20 Jahre, sondern wahrscheinlich eher 50 Jahre, bis die Überseestadt »kom-plett« ist. Bis dahin wird sie jedes Jahr ein neues Gesicht haben.

Name ist. Aber die Überseestadt bietet ge-nau den richtigen Rahmen für solche Un-möglichkeiten. Zur Veranstaltung laden wir neben den Anrainern auch Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur ein, die etwas vorstel-len, einen Vortrag halten oder sich Fragen stellen. Schön ist, dass bisher bei jedem Klönschnack neue Interessenten dabei wa-ren und dass seit kurzem auch Unternehmen aus alten Hafengebieten dazu kommen.Und dann gab es da noch die Sache mit dem Sommerfest.Frank Bischoff: Ja, der ÜberseeTörn sollte

Frank Bischoff (l.), Inhaber des Unternehmens AnyMotion, und Architekt Marco Lühmann sind überzeugte Überseestädtler.

INTERVIEW

Mehr im Internet: www.hafen-kloenschnack.de oder in Gruppe bei XING: www.xing.com/net/ueberseestadt

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Weitere Informationen zum Stilhafen und seinen Mitgliedern finden Sie unter: www.stilhafen.de

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Der Stilhafen Überseestadt begrüßt das Übersee-Magazin

und seine Leser!

Page 20: Übersee-Magazin Bremen Oktober 2010

www.ueberseemagazin.de

Richtung AirportB 75 DelmenhorstA28 Oldenburg/Groningen

A1 Osnabrück/Dortmund

B6

Richtung A281/A27 Bremerhaven

AnlegerLankenauer Höft

YachthafenHasenbüren

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Marktplatz

Weserpromenade Schlachte

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Hauptbahnhof

Weser

Weser

Europahafen

Walle

Holz- und Fabrikenhafen

Richtung A27 Bremerhaven/Hannover/Hamburg

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Großmarkt

Wohngebiet

Speicher XI

HAG-Gebäude

Pier 2

Getreide-speicher

Waterfront

Landmark-Tower

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Speicher I

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Speicher III

Schuppen 3

Roland-mühle

Schuppen 1

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ZollhausEuropahafen

St. Stephani-Kirche

Am Holzhafen

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Fußweg vom Weser-Tower über die Weser-promenade Schlachte zum Marktplatzca. 25 Geh-minuten

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Öffnungszeiten:

-Telefon

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Fuß- und Fahrradweg

Besonders markanteGebäude der Überseestadt

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