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Versuche starten Wie Forschergeist in Kindertageseinrichtungen unterstützt und eine ganze Gemeinde für das Experiment begeistert werden kann Ein Handbuch für kleine und große Forscher/innen und Förderer mit Erfahrungen und Ergebnissen aus dem Pilotprojekt Naturwissenschaftlich-technische Bildung in Kindertageseinrichtungen

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Versuche startenWie Forschergeist in Kindertageseinrichtungen unterstützt und eine ganze Gemeinde für das Experiment begeistert werden kann

Ein Handbuch für kleine und große Forscher/innen und Förderer mitErfahrungen und Ergebnissen aus dem Pilotprojekt Naturwissenschaftlich-technische Bildung in Kindertageseinrichtungen

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Versuche starten

Wie Forschergeist in Kindertageseinrichtungen unterstützt und eineganze Gemeinde für das Experiment begeistert werden kann

Ein Handbuch für kleine und großeForscher/innen und Förderer mitErfahrungen und Ergebnissen aus demPilotprojekt „Naturwissenschaftlich-techni-sche Bildung in Kindertageseinrichtungen”

Oelde/Münster im Herbst 2010

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Inhalt

7 Liebe Leserinnen und Leser ... ein Geleitwort zumHandbuch von Dr. Wolfgang Kirsch, LWL-Direktor

8 Versuchsaufbau / Noch’n Projekt ...10 Forschungsgemeinschaft / Kooperieren, qualifizieren,

forschen, stöbern ...16 Versuchsanordnung / Wie man das Wissen um die kleinen

Forscher/innen für die Praxis nutzbar macht

25 Projekt / Praxis

26 Praktikum / „Versuch macht kluch“ und begeistert –Fortbildungsangebote für die Erzieher/innen

33 Laboralltag / 12 Kitas / 12 Modelle, wie Forschen undExperimentieren in den Kita- Alltag einziehen können

34 Forscherkiste, Forscherecke – und die sprechende Wand /St. Marien, Sünninghausen

38 Im Aufbau: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben / St. Johannes, Oelde

42 Mittwochnachmittag ist Forschertreff / St. Lambertus,Stromberg

46 Forscherbande / St. Marien, Oelde50 Das Labor ist, was da ist – auch in den Familien / Die

Sprösslinge, Oelde56 Forschungs-AG / St. Joseph, Oelde60 Mini-Forscher / St. Hedwig, Oelde 64 Montag ist Forschertag / St. Vitus, Lette68 Jahresprojekt / Hl. Kreuz, Stromberg 70 Eisbrecher auch für Eltern / Das Kinderhaus, Oelde72 Günstige Gelegenheiten für kleine und größere

Forscherkids / Die Langstrümpfe, Oelde76 Reggio plus / Wichern-Kindergarten, Oelde

Inhalt

4 Versuche starten

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Inhalt

81 Exkursionen

82 Stöbertage bei Haver & Boecker, OeldeWarum die Maschine so schnell wiegen können muss – und wie toll Pannen sind.

84 Stöbertage bei der GEA Westfalia Separator, OeldeWie das Prinzip Salatschleuder auf die Drehbank kommt ...

87 ForscherfestDie Flut hebt alle Schiffe / Wertschätzung durch öffentliche Aufmerksamkeit beim Forscherfest

89 Schulterblicke 90 Fragen zu Forscherfest und Stöbertagen92 Stöbertage und was man daraus lernen kann.

Kindertageseinrichtungen und Firmenvertreter ziehen Bilanz96 Mit Ideen und Initiative Neues entwickelt /

Karl-Friedrich Knop, Bürgermeister der Stadt Oelde97 Früh, spielerisch und ohne Druck ... / Ein Gespräch mit

Dr. Reinhold Festge, Geschäftsführer Haver & Boecker, Oelde und Ideengeber für das Projekt

100 LabordokumentationLiteraturtipps, Internetadressen und Projektbeirat

103 Impressum

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Geleitwort

Liebe Leserinnen und Leser,

als Gemeinschaftswerk gut vernetzter Pioniere startete vor zwei Jahren dasModellprojekt „Naturwissenschaftlich-technische Bildung in OelderKindertageseinrichtungen“. Damals standen wir am Beginn einer spannendenKooperation zwischen dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) undOelde mit dem Ziel, das Forschen und Experimentieren in Tagesstätten für Kinderanzuregen und zu unterstützen. Wir waren entschlossen, dafür alle Ressourcenund alle Begeisterung der Beteiligten zu aktivieren und zu nutzen. Das ist gelun-gen. Schon bei der Vertragsunterzeichnung saßen mit am Tisch: Der InitiativkreisWirtschaft in Oelde, die Stadt Oelde, die Initiative Zukunft durch Innovation NRWsowie der LWL. Alle zwölf Kindertageseinrichtungen in städtischer, katholischerund evangelischer Trägerschaft schlossen sich an. Sie öffneten dem Forschergeistihre Türen und sorgten im Verlauf des Projektes dafür, dass sich Eltern beteiligenund die Bürgerschaft beim großen Forscherfest in Oelde erfolgreich angesprochenwerden konnte. Für die große Bereitschaft aller, sich zu engagieren und zu experimentieren, bedanken wir uns ganz herzlich.

Oelde gibt heute in Westfalen-Lippe ein gutes Beispiel dafür, wie eine ganze Stadtdie Türen öffnet für ihre Kinder, ihre Familien und diejenigen, die tagtäglich in denKindertageseinrichtungen dafür sorgen, dass Bildung lebendige Praxis wird. Fürden LWL ist schon heute erkennbar: Das Beispiel Oelde wird auch andernortsSchule machen und weitere Kommunen in Westfalen-Lippe ermutigen, ähnlicheWege zu gehen. Wie bei anderen Modellprojekten des LWL-Landesjugendamteszuvor, geht es auch hier darum, exemplarisch neue Entwicklungen undHandlungskonzepte praktisch zu erproben, bevor wir diese allen Kommunen undTrägern empfehlen. Das vorliegende Handbuch soll neugierig machen und prakti-sche Hilfestellung jenen geben, die nun selbst den „Versuch starten“ wollen.

Dr. Wolfgang Kirsch Hans MeyerLWL-Direktor LWL-Jugenddezernent

Münster/Oelde im Oktober 2010

Dr. Wolfgang Kirsch

Hans Meyer

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8 Versuche starten

Versuchsaufbau

1 Siehe Seite 97ff.

2 „Naturwissenschaftlich-technischeBildung inKindertageseinrichtungen“ inOelde

Versuchsaufbau Noch’n Projekt...

Sprachförderung, Integration, Familienzentren und Betreuung unter 3-jährigerKinder, jeder einzelne Bildungsauftrag, dem sich Kindertageseinrichtungen heutestellen müssen, ist groß genug, um jeden weiteren zu verdrängen. Jetzt also:Naturwissenschaftlich-technische Bildung. Ein Projekt, das mehr sein soll alseine Eintagsfliege, das nachhaltig wirken und – wenn es richtig gemacht wird –sogar ein Selbstläufer werden soll. Viel Geld brauche man dafür nicht - allerdingsFortbildung (Zeit? Personal? Die Einwände liegen auf der Hand), außerdempreiswerte Materialien zur Ausstattung einer Forscherecke oder sogar einesganzen Labors, schließlich ein fest vereinbartes Zeitbudget, damit das Forschenund Experimentieren eine Institution werden kann…und noch eine interessierteÖffentlichkeit, die Wertschätzung zeigt für das, was Kitas leisten können ...

Wir haben trotz vieler naheliegender Bedenken angefangen, naturwissenschaft-lich-technische Bildung in Kindertageseinrichtungen zu fördern – und damit eineIdee aus der Oelder Wirtschaft1 aufgegriffen. Die Gelegenheit für ein Pilotprojekt2 vor nunmehr zwei Jahren war günstig, denneine ganze Gemeinde hatte sich für die Idee begeistert. Allen voran Jungen undMädchen aus 12 Kindertageseinrichtungen, unterstützt durch ihre experimentier-freudigen Erzieherinnen, die nach gründlicher Vorarbeit ihre Bedenken über Bordwarfen und sich selbst zum Teil des Experimentes machten. Forschen undEntdecken – für viele von ihnen mit einem großen schulischen Missverständnisvorbelastet – haben sie wieder entdeckt als die normalste Haltung im Alltagüberhaupt: Hingucken, Nachfragen, Informationen einholen und Überprüfen, umin der Gemeinschaft klüger zu werden. Ortsansässige Betriebe, eine Stadtver-waltung mit Hendrik van der Veen vom Jugendamt Oelde und die fachliche undkonzeptionelle Anleitung des LWL-Teams (Irmgard Grieshop-Sander, AnitaKässler, Marianne Kitzmann) gaben die nötige Stärkung auf dem Weg.

Das LWL-Landesjugendamt Westfalen fördert Projekte, die neue Wege für diePraxis bieten, sowie Qualifizierung und die Weiterentwicklung fachlichenHandelns in der Jugendhilfe anregen. So wurden die vor Ort – in Oelde – ent-standenen Ideen aufgegriffen, mit allen Beteiligten entwickelt, umgesetzt undschließlich nachhaltige Strukturen verankert. In Oelde ist ein auch für die Zukunfttragfähiges Netz von Bildungspartnerschaften an vielfältigen und ungewöhn-lichen Lern- und Bildungsorten in dieser Kommune entstanden. Im Mittelpunktstehen Kinder mit ihren W-Fragen.

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Versuchsaufbau

Von diesem Konzept können jetzt andere lernen und abgucken: Wie naturwissen-schaftlich-technische Bildung selbstverständlich ihren Platz in Kindertages-einrichtungen gewinnt. Hier findet Bildung statt entlang den Eigeninteressen derKinder, die mit ihren Fragen die Richtung und den Takt vorgeben, unabhängig vomBudget ihrer Eltern und gleichgültig, ob diese Kinder-Unis oder Ferienkurse für ihreKinder möglich machen. Das ist der Gedanke des nun vorliegenden Handbuchs,für das wir mit Absicht den zweideutigen Titel „Versuche starten“ richtig fanden.Denn es geht um anderes als das Nachvollziehen von Experimenten aus demPhysikbuch oder die Renaissance des Chemiebaukastens. Es geht um Bildung, fürdie Neugier wichtiger ist als Formelwissen und um die große gemeinschaftlicheAnstrengung einer ganzen Gemeinde, die für sich erfahren hat, dass die W-Fragenvon Kindergartenkindern den Versuch wert sind.

Und die Idee breitet sich aus:Das Regionale Bildungsbüro des Kreises Soest organisiert z. B. mit denKooperationspartnern von Jugendhilfe und Schule derzeit das Projekt„Bildungsverantwortung gemeinsam tragen“, Grundschule und Kita bearbeitenden Bereich naturwissenschaftlich-technische Bildung.Die gemeinsame Fortbildung mit dem Institut für Technologie- und Wissenstransfer(Soest) soll der Türöffner zu einer Vor-Ort-Vernetzung von Kindertageseinrichtungenund Grundschulen sein. Das LWL-Landesjugendamt berät das Projekt mit denOelder Erfahrungen und bietet darüber hinaus für Fachkräfte aus den Kindertages-einrichtungen und dem Offenen Ganztag in Westfalen-Lippe Qualifizierungen fürdiesen Ansatz an.

Das Handbuch „Versuche starten“ stellt die Praxiserfahrungen undKonzeptüberlegungen aus dem Pilotprojekt zur Verfügung. Es richtet sich anKindertageseinrichtungen, an Jugendämter, an Träger, an die Wirtschaft und an diePolitikverantwortlichen, die in diesem Sinne Entdeckungen machen wollen und anMenschen, die neugierig sind, oder es werden wollen.

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Forschungsgemeinschaft Kooperieren, qualifizieren, forschen, stöbern ...

Was hat Matschen im Kindergarten mit den Arbeitsplätzen von morgen zu tun?Was haben gefühlte hundert W-Fragen von Vierjährigen mit der Wirtschaftsförde-rung einer Stadt zu tun? Und: Warum sollten Firmen einen Tag lang dieProduktion drosseln und Kindergartenkinder zum Buttern einladen? Am Anfangeiner erfolgreichen Forschungsgemeinschaft stehen Fragen. Solche, die allelängst haben, auf die es aber keine vorgestanzten Antworten gibt. Auch das LWL-Pilotprojekt „Naturwissenschaftlich-technische Bildung in Kindertagesein-richtungen“ wurde durch eine solche Frage ausgelöst. Produzierende Betriebedachten darüber nach, ob sie in der Stadt auch in Zukunft noch die benötigtenFachkräfte finden würden und was sie selbst dazu beitragen könnten, dass ihreArbeitsplätze in der Stadt und Region als attraktiv, spannend und herausforderndangesehen werden.

Was als Denkanstoß durch die Oelder Wirtschaft 2008 begann, führte zu einergroßen gemeinsamen Anstrengung im gesamten „Sozialraum“ – und wohl nur aufdiese Weise und in dieser Konstellation konnte aus nur einer Frage ein Pilot-projekt werden, das in eineinhalb Jahren zum Erfolg führte. Auf den folgendenSeiten werden die kooperierenden Partnerinnen und Partner der Forschungs-gemeinschaft und ihre gemeinsamen Schritte im Überblick vorgestellt.

Jede gute Idee braucht zur Realisierung verantwortliche Akteure, die für guteRahmenbedingungen sorgen und Überzeugungsgeist ausstrahlen, damit ersteSchritte bis zur erfolgreichen Umsetzung gelingen. Die Initialzündung zumProjekteinstieg gab das LWL-Landesjugendamt Westfalen, das nach Vor-gesprächen und fachlichen Recherchen zur Projektorganisation und -steuerungein übergreifendes Team bildete, bestehend aus Mitarbeiterinnen des LWL-Landesjugendamtes Westfalen und einem Mitarbeiter des Jugendamtes Oelde.Zur fachlichen Beratung und Unterstützung wurde ein Beirat installiert mit den vorOrt handelnden Akteuren aus der Kommune, der Wirtschaft, den Bildungs-partnern, einer Kita-Leitung und der Fachberatung der Kindertageseinrichtungen. Die Forschungsgemeinschaft war gegründet.

10 Versuche starten

Forschungsgemeinschaft

Im Projektbeirat

kooperierten*

das LWL-LandesjugendamtWestfalen,

der Bürgermeister der StadtOelde,

der Vorsitzende des InitiativkreisesWirtschaft in Oelde,

das LWL-Projektteam,

das Jugendamt der Stadt Oelde,

die Fachberatung der beteiligtenKitas,

eine Vertreterin derKindertageseinrichtungen,

die Vertreter/innen der verschiede-nen Bildungspartner in Oelde

*Beteiligte im Projektbeirat sieheLabordokumentation S. 102

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Forschungsgemeinschaft

Das Projekt lernt laufen Im Rahmen einer Auftaktveranstaltung werden allen ProjektbeteiligtenZielsetzungen und Projektbausteine vorgestellt. Die Vertragspartner unterzeichnen- als symbolischen Spatenstich – eine gemeinsame Erklärung. Die gemeinsameArbeit mit den Erzieherinnen der zwölf Kindertageseinrichtungen beginnt undzieht alle nach und nach in den „Sog“ einer neuen Leidenschaft für das Forschenvon Kindern.

Projektbegleitende Workshops bilden die Klammer für die Zusammenarbeit. Sieermöglichen den fachlichen Austausch und die praxisbezogene Mitgestaltung desweiteren Projektverlaufes. Organisation und Moderation erfolgen durch dasProjektteam des LWL-Landesjugendamtes Westfalen. Acht Workshops werden inden Einrichtungen der Bildungspartner durchgeführt und eröffnen damit ein erstesEintauchen in Oelder Betriebe, in andere Bildungseinrichtungen sowie in die Kitasin auseinander liegenden Stadtteilen – und legen damit den Grundstein für dieweitere Vernetzung.

Laboreindrücke aus den Workshops: - Steckbriefe der Kitas - Bestandsanalyse:

1. Das klappt gut in der NW-technischen Bildung: Auf diese Stärken kön-nen wir aufbauen!

2. Was soll uns leiten? Was wollen wir erreichen? Was wollen wir umset-zen?

3. Hier liegen unsere weißen Flecken...

- Austausch über Methoden und „Forschungserfahrungen“ in den Kitas, über dieeigene Rolle beim Forschen der Kinder, über Konzeptentwicklungen,

- Kollegiale Beratung und Gedankenstürme „wie der Forschergeist in die Kitaskommt und nachhaltig Platz findet“.

- alle weiteren Aktivitäten des Projektes – wie das Forscherfest und dieStöbertage – werden begleitet, intensiver Informations- und Fachaustauschstellt hohe Identifikation mit dem Projektvorhaben sicher.

Bausteine des Pilotprojektes

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Forschungsgemeinschaft

Die „richtigen“ Referenten gesuchtDie erste Qualifizierungseinheit der Erzieherinnen soll Lust und Hunger aufNaturwissenschaft und Technik machen, mit der Idee des Projektes ansteckenund die biografischen Schulhürden überwinden. In der Lernwerkstatt Kon te xisfindet sich nach langen Überlegungen und Recherchen schließlich der richtigePartner für diese Aufgabe. Als Bildungsort für die Qualifizierung dient derTagungsraum auf dem Gelände des Betriebes Haver & Boecker. Eine offizielleEröffnung durch die Vertragspartner wird ebenso eingeplant wie der „Zusatz“einer spannenden Betriebsführung. Eine weitere Qualifizierung zur Didaktik dernaturwissenschaftlich-technischen Frühbildung mit der Referentin Heike Winkeerfolgt zu einem späteren Zeitpunkt.

Anregungen des Beirates aufgegriffenStetige Rückkoppelung, Transparenz und Diskussionsbereitschaft auf allen Seitensorgen für anhaltendes Interesse und führen zu neuen, weiteren Bausteinen imProjekt, die vom Beirat angeregt und mitgetragen werden:

1. Die Gründung des Arbeitskreises „Wirtschaft und Kita“ unter derFederführung des Jugendamtes Oelde. Dieser hat den Auftrag, kindgerechteAngebote in den Oelder Betrieben – die so genannten Stöbertage – zu ent-wickeln (siehe „Exkursionen“). In Koproduktion von Kita-Mitarbeiterinnen,Ausbildungsleitungen zweier Betriebe und dem Projektteam werdenZielsetzung und Rahmenbedingungen der Stöbertage diskutiert, werdenStrukturen erarbeitet, geplant und organisiert. Der AK ist von Beginn fest eta-bliert und besteht gleichrangig in der Kommune neben dem AK „Wirtschaftund Schule“.

„ Meine Hemmschwelle war sehrgroß! Jetzt bin ich begeistert: Eswar klasse. Ich könnte eine ganze Woche soein Seminar mitmachen.“Erzieherin, 27.5.2009

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Forschungsgemeinschaft

2. Das Forscherfest in Oelde. Gekoppelt an die Ausbildungsmesse „Mach Mit“steht das Ausstellungszelt mit 1200 qm den Kitas und Bildungspartnern für dasForscherfest zur Verfügung. Eine Planungsgruppe „Forscherfest“ entwirft mitviel „Messewissen“ die Abschlussveranstaltung des Projektes in Oelde alsFest. Das Thema „Naturwissenschaftlich-technische Bildung“ erfährt im öffent-lichen Raum eine neue und besondere Aufmerksamkeit – das Forscherfest wirdin Zukunft alle zwei Jahre stattfinden.

In vielen Varianten: Öffentlichkeitsarbeit250 Plakate werden gedruckt und an den Orten der Bildungspartner in Oelde ver-öffentlicht. Beim Zukunftskongress „Zukunft durch Innovation“ stellt einFilmbeitrag die Bildungsorte von Kindern im Pilotprojekt landesweit vor. JederProjektbaustein wird durch Pressegespräche und Life-Berichte in den Print- undHörmedien begleitet. Und schließlich ist von Beginn an eine Anschluss-veranstaltung im LWL-Landeshaus in Münster eingeplant, um die zentralenErgebnisse einer breiten Fachöffentlichkeit zu präsentieren und den Transfer überdie Grenzen Oeldes in die Kindertageseinrichtungen und die Wirtschaft inWestfalen-Lippe zu ermöglichen.

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Versuchsanordnung

Versuchsanordnung Wie man das Wissen um die kleinen Forscher/innen für die Praxisnutzbar macht

Seit etwa zehn Jahren stehen die „Forscher in Windeln“ und die Bildung imVorschulalter ganz weit oben auf der Bildungsagenda. Wir erleben Politiker undExperten, die Bildungsaufträge für Kindertageseinrichtungen formulieren,Unternehmensberater, die die Bedeutung früher Bildung für den StandortDeutschland betonen, Eltern, die ehrgeizig und/oder verunsichert wissen wollen,ab wann ein Computer ins Kinderzimmer gehört, damit ihre Kleinen rechtzeitig imWettlauf um Bildung und Karriere an den Start gehen können. Viele unterschiedli-che Interessen und Sichtweisen mischen sich, gehen Allianzen ein, streiten überden richtigen Weg. In der pädagogischen Praxis mischen sich Verunsicherungund Begeisterung, Aufbruchstimmung und Ratlosigkeit, und manchmal entstehtdaraus auch Widerstand: Sollen etwa Vierjährige schon das Periodensystem aus-wendig lernen oder Fünfjährige physikalische Gleichungen abschreiben? Sollenwir denselben Frust, der uns irgendwann in der Schule die Neugier fürPhänomene und Naturgesetze ausgetrieben hat, nun auch den Vorschulkindernzumuten? Müssen wir als Erzieherinnen jetzt „nachsitzen“ in Bio, Mathe, Chemieund Physik – damit wir die Kitakinder „richtig naturwissenschaftlich bilden“ kön-nen? Oder reicht es, wenn wir am Bach vor der Kita die Kaulquappen beobach-ten und im Garten Tomaten ziehen? Was soll das Gerede vom Fachkräftemangel,dem man schon im Kindergarten begegnen müsse – und zuhause bewirbt sichder 50jährige Onkel vergeblich um eine neue Stelle als Ingenieur …

Kaulquappen oder StandorteDas Boom-Thema naturwissenschaftliche Bildung in Kindertageseinrichtungenhat trotz allen Wissens um die Begeisterung schon kleiner Kinder beimErforschen ihrer Umwelt ein Image- und Umsetzungsproblem. Ein Imageproblem,weil nicht immer erkennbar ist, wo es denn wirklich zuallererst um das lustvolleEntdecken, Forschen und Denken kleiner Kinder geht – und nicht vor allem umdemografische Entwicklung, Fachkräftemangel oder den Standort Deutschland.Erzieher/innen haben ein gutes Gespür dafür, wenn Pädagogik funktionalisiertwird.Erzieher/innen haben aber leider auch nicht selten einen blinden Fleck, wenn esum Disziplinen geht, an die sie eher frustrierende Erinnerungen haben: Nichtwenige betonen im Gespräch, dass Bio, Mathe oder Physik eher zu ihren unge-liebten Schulfächern gehörten. So kann es sein, dass die vielleicht gar nicht sokomplizierte Umsetzung naturwissenschaftlicher Bildung im Kindergarten anVorurteilen scheitert. Dabei können auch die Erwachsenen eine wunderbare

„Wüchsen die Kinder in der Artfort, wie sie sich andeuten, so hätten wir lauter Genies“

Goethe, Dichtung und Wahrheit

„Wann immer Gable uns besucht,bringt er Geschenke mit. Als ichnoch ein kleiner Junge war, ver-setzten mich diese Mitbringselzuerst in heillose Aufregung unddann in regelrechtes Entzücken,denn sie entstammten der See. Zujedem Geschenk nannte Gable diebeinahe unaussprechlichen Namenferner Strände und Inseln; es warenNamen, die wie matt schimmerndePerlen über meine Zunge rollten,wenn ich sie wiederholte:Tongatapu – eine schwarze,geheimnisvoll glänzende, fächerar-tige Koralle. Semisopochnoi – aus-getrocknete Seepferdchen mitbraunen, festen kleinen Leibern:Kiritimati – ein von uraltenMuscheln überkrustetes StückTreibholz.“

Andreas Steinhöfel. Die Mitte derWelt

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Versuchsanordnung

Neuentdeckung ihrer vormals „gescheiterten“ Begeisterung für Phänomene derNatur, des Lebens, der Umwelt erleben, wenn sie mit guten Methoden und unbe-fangener Neugier Kinder beim Forschen begleiten und unterstützen.

Abenteuer Bildung Bildung ist kein mechanischer Vorgang des Abfüllens von Wissen in zwei Ohren.Bildung entsteht bereits sehr früh, wenn sich ein Kind von der sicheren Basis desVertrauten aus aufmacht zum Abenteuer Leben. Bildung entwickelt sich immerdann, wenn ein Mensch (ganz gleich, wie alt) mit Neugier und allen Sinnen aufdiese Abenteuerreise geht, dabei sich selbst erfährt, Grenzen erweitert, zuvorunbekannte Terrains erobert und sich mit Erfahrungen berauscht und bereichert.Und er (sie) ist nicht allein, sondern handelt in einem kulturellen und sozialenMiteinander. Heute weiß man, dass Bildung nicht erst mit einem bestimmten Altereinsetzt wie ein Uhrwerk, das man aufziehen muss, man weiß, dassBildungsprozesse von Anfang an angetrieben werden - wie von einem Feuer, dasdas Leben selbst entfacht. Dieses Feuer aber braucht eine sichere Basis,Nahrung und Freiheit.

Wertschätzung Dass es in Oelde hervorragend geklappt hat, so viele unterschiedliche Menschenin unterschiedlichen Funktionen für das Thema zu begeistern, hat wesentlichdamit zu tun, dass allen in ihren jeweiligen Professionen Wertschätzung entgegengebracht wurde. Diese Haltung beruht wahrscheinlich auf der schlichtenErfahrung, dass die Begeisterung für ein „anderes“ Forschen sich tatsächlich wievon selbst einstellt, wenn Erwachsene (nicht nur Erzieher/innen) eine zweiteEntdecker-Chance bekommen, wenn sie mit Kindern experimentieren. Dazukommt die richtige Umsetzung und Weitergabe des Wissens um das Lernenschon von kleinen Kindern, das weniger als arrogantes Besserwissen und mehrals brauchbarer Fundus für die pädagogische Praxis vermittelt werden konnte.Von diesem Fundus wird in diesem Kapitel ein kleiner Eindruck gegeben.

Projektziele Oelde1. Beteiligung möglichst vieler Kindertageseinrichtungen in Oelde

(jeweils mindestens eine Fachkraft/Leiterin nimmt am Projekt teil)2. In den Einrichtungen entstehen Ansätze für ein eigenes

Bildungskonzept, das auch naturwissenschaftlich-technische Aspekte stärker berücksichtigt (siehe auch Bildungsvereinbarung NRW); es wird an der Gestaltung eigener Forschungs-, Bau- oder Lernwerkstätten gearbeitet.

3. kindgerechte Stöbertage in Bildungsorten außerhalb der Kita4. Schaffung eines Austauschforums auf kommunaler Ebene5. wissenschaftliche Begleitung/ Expertise

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Versuchsanordnung

6. bessere Vernetzung der Kitas in kommunaler Bildungslandschaft7. die Kinder sollen ihre Einrichtungen als Orte erleben, in denen sie

forschen, entwickeln, Dinge erproben können; sie werden in ihremSelbstbildungsprozess unterstützt – es geht nicht umWissensvermittlung, sondern um Lust am Entdecken und Forschen

Forschen im Alltag…„Um Kinder im Vorschulalter zur Auseinandersetzung mit biologischen, physikali-schen und anderen naturwissenschaftlichen Themen anzuregen, wenden sichErzieherinnen den Phänomenen zu, die offen vor ihnen liegen. Besser als vonErwachsenen veranstaltete Experimente führen Staunen und gemeinsameExpeditionen ins Unbekannte dazu, dass Kinder in diesem Alter etwas verste-hen.“ So steht es in der Bildungsvereinbarung NRW, Bildungsbereich Natur undkulturelle Umwelt(en)3. Hier wird also schnell klar, um was es nicht geht: umErwachsenen- Experimente, die Kinder nur noch nachvollziehen dürfen – und vordenen viele Erzieher/innen zurückschrecken, aus Angst in Erklärungsnöte zukommen. Was in wenigen weiteren Stichworten in dieser Bildungsvereinbarungerläutert wird, trifft den Kern eines anderen Bildungsverständnisses: Da geht esnicht um den Erwerb von Faktenwissen, „vielmehr sollen Kinder ausreichendGelegenheit erhalten, selbsttätig zu forschen, Erfahrungen zu machen und sichkreativ und aktiv handelnd mit Problemen und Fragestellungen auseinander zusetzen. Sie erleben sich als kompetent, indem sie Antworten auf Fragen finden,neue Erkenntnisse gewinnen und Zusammenhänge entdecken.“ Da geht es umAlltagssituationen drinnen und draußen: die Begegnung mit der Natur, die alleSinne – auch die Gefühle der Kinder aktiviert: Sehen, hören, spüren, dasWachsen und Blühen im Garten erleben, aber auch das Fressen und Sterben. Dageht es um technische Geräte, die funktionieren oder kaputt gehen können. Diekindliche Fantasie weiß alles zu nutzen, lässt aus Fundsachen Neues entstehen.Kinder erwarten dabei keine wissenschaftlich korrekte Erklärung, es geht mehrdarum, herauszubekommen, wozu etwas gut ist und wie es funktioniert.Bildungsprozesse in diesem Sinne sind gemeinsame Bildungsprozesse vonKindern und Erwachsenen, erst durch Interaktion und Kommunikation können dieKinder ihre Kompetenzen voll entfalten und weiterentwickeln. Beispiele der Bildungsdokumentation aus Reggio Emilia4 („Reggio-Pädagogik“)zeigen, wie Kinder gemeinsam an einem Thema arbeiten, wie sie „sich dabeigegenseitig anregen, sodass jedes Kind seine Kenntnisse und Fähigkeiten sowiesein Weltbild weiterentwickelt“. Solche Bildungsprozesse in Lerngemeinschaftennennen die Fachleute „Ko-Konstruktion“. Es ist, so schreibt dieBildungsforscherin Kornelia Schneider, eine „besondere Herausforderung fürErwachsene, Ko-Konstruktion unter Kindern zu erkennen, wenn die Interaktion(noch) nicht in Wort-Dialogen abläuft“. Und selbst dann, wenn sie es tut.

„Für die frühen Jahre ist derKindergarten ein idealesBildungsmilieu: Hier werden Kinderaller Schichten unter einem Dachversammelt, hier werden noch keineNoten vergeben…Im Kindergartenkann wie von selbst in ‚Projekten’gelernt werden. Chemie,Mathematik, Physik in der Küche:das Hebelgesetz beimNüsseknacken, elementareMengenlehre beim Salzen. Kunstund Mathematik sind noch nichtauseinanderdefinierte Schulfächer.Die Zukunft lernt im Kindergarten.“

Donata Elschenbroich, Weltwissender Siebenjährigen

3. Bildungsvereinbarung NRW 20034. Siehe: Kornelia Schneider, Kinder

in ihrer Weltaneignung unterstüt-zen (1), in: kindergarten heute 6-7/2008

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Versuchsanordnung

…aber wie?Es gibt viele Fragen von Erzieher/innen (und ebenso von Eltern): Wie können siedie Weltaneignung der Kinder neu und unbefangen überhaupt erkennen? Wassieht man, wenn man Kindern beim Erforschen zusieht? Und wie kann man dieseErkenntnisse in Unterstützung und Angebote umsetzen?Auch in der Ausbildung haben nur die wenigsten Erzieher/innen Gelegenheiterhalten, sich selbst in naturwissenschaftlich-technischen Fragen weiterzubilden.Wer also Konzepte für Weiterbildung und Unterstützung der Fachkräfte ent-wickeln will, sollte deren Fragen zur pädagogischen und institutionellenUmsetzung kennen: Wie können sie erkennen, was sich beim Kind tut, wenn esseine Umgebung erforscht? Wie können sie dabei unterstützend wirken? Werzeigt ihnen, wie das geht? Was müssen sie wissen über die kleinen Forscher aufder einen und die Phänomene auf der anderen Seite, um gezielt unterstützen zukönnen? Wie können sie sich von ihren oft negativen eigenen naturwissenschaftli-chen Bildungserfahrungen lösen? Welche Angebote können sie Kindern machenund sie herausfordern? Wie sorgen sie dafür, dass kein Kind dabei übersehenwird, alle sich beteiligen können? Welches Wissen brauchen sie über entwick-lungspsychologische Voraussetzungen der Kinder – als Schutz gegen Über- oderUnterforderung? Welche Materialien sind geeignet? Wie dokumentieren sieBildungsfortschritte? Was müssen sie bei Mädchen und Jungen beachten? Wiebeziehen sie am besten Eltern mit ein? Was muss organisatorisch beachtet wer-den?

Ausprobieren und reflektieren Es gibt keine Patentrezepte für die vielen Fragen aus dem Alltag einerKindertageseinrichtung. Aber eine wichtige Antwort: Ihr könnt es! Jede Erzieherin,jeder Erzieher bringt selbst eine Fülle von Erfahrungen und Wissen mit. Darummeint der Begriff „Qualifizierung“, wie er im Projekt verwendet wird, für dieFachkräfte zunächst einmal Selbst- Qualifizierung: (Neue) Bildungschancen erfah-ren und erkennen, Feuer fangen, einfach anfangen zu forschen. Sich und dasExperimentieren ausprobieren, beobachten lernen, mit den Kindern „loslegen“und sich im Tun erleben und erproben. Dazu gehört auch die Reflexion der eige-nen Haltung gegenüber Bildung – gegenüber der eigenen Bildung und der derKinder. Gemeinsam mit anderen können dann kollegiale Beratung und Austauschmehr Sicherheit für die professionelle Rolle bieten. Die Vermittlung didaktischerKonzepte allein stößt an Grenzen, wenn es nur um reine Wissensvermittlung geht.

Wenn sich Fachkräfte selbst auf das Bildungsabenteuer einlassen, machen siedie Erfahrung, dass der Alltag voller Bildungsanlässe ist. Mit offenen Augen wirdklar: Naturwissenschaftlich-technische Phänomene umgeben uns überall - abersie sind uns selbstverständlich geworden, wir nehmen sie als gegeben hin. DasRöhren einer Kaffeemaschine, die heißen Wasserdampf durch ein Rohr zum Filterschickt, damit das kondensierte Wasser durch das Pulver läuft, bis unten ein

„Meine Fragen nahmen kein Endeund machten vor nichts halt, wennsie auch immer wieder um meineObsession, die Metalle, kreisten.Warum glänzten sie? Warum warensie glatt? Warum kühl? Warum hart?Warum schwer? Warum bogen siesich und brachen nicht? Warumerzeugten sie Töne? Wie konntensich zwei weiche Metalle wie Zinkund Kupfer oder Zinn und Kupfer zuhärteren Stoffen verbinden? Wasverlieh Gold seinen gelben Glanz,und warum lief es nie an?“

Oliver Sacks. Onkel Wolfram.Erinnerungen.

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Versuchsanordnung

braunes Gebräu mit wunderbarem Duft herauskommt, ist so normal, dass unsnicht mehr auffällt, welche faszinierenden Phänomene der Änderung vonAggregatzuständen, Stofftrennung, Stoffmischung usw. wir hier erleben.

Wieder „warum“ fragen dürfenKinder stellen alltägliche Selbstverständlichkeiten in Frage und begeben sich aufdie Suche nach dem Funktionieren, deuten es um, erfinden es neu. Wenn sie alteGeräte auseinander nehmen und hineinschauen, setzen sie sie neu zusammen zuPhantasiegeräten, die es noch nicht gibt, aber geben könnte und erfinden sie inihrer Phantasie. „Der Alltag und die Gestaltung des Alltags ist für Kinder wichtigerals alle speziellen Programme, weil die Wirkung des Alltags dauerhaft ist“, sagtder Bildungsforscher Gerd E. Schäfer in dem Film „Kinder“ von Reinhard Kahl5.Kinder bilden sich im Spiel. Im Spiel entsteht eine Phase hoher Konzentration, inder die Kinder gleichsam aufgesogen werden von ihrer Beschäftigung, mit allenSinnen. „Kinder sind vor allem Denker“, sagt Schäfer, „auf eine anregendeUmgebung antworten Kinder mit Initiative. Kinder lernen, indem sie denken;Kinder lernen, weil sie denken, nicht weil sie etwas lernen sollen oder wollen“.Und im Spiel entsteht „ein Rhythmus des Arbeitens, der von der Sache und vondem Kind selbst gesteuert wird“. Diese Konzentration sehen wir auch auf denGesichtern. Sie entsteht dort, wo Kinder sich interessieren, wo sie den Dranghaben, etwas zu erkunden.„Kinder“, so schreibt die Wissenschaftlerin Kornelia Schneider (DJI), „gehen beimErkunden der Welt wie Wissenschaftler vor, die eine Frage haben, dieHypothesen bilden und Wege suchen, sie zu überprüfen. Und sie gehen zugleichwie Handwerker und Techniker vor, die etwas konstruieren und nach den bestenLösungen suchen. Sie sind Hand-Werker und Kopf-Arbeiter.“In welcher Weise sich das Forschen von Kindern zeigt, beschreibt sie an einfa-chen, im Alltag zu beobachtenden Tätigkeiten:

- etwas entdecken, das die Aufmerksamkeit fesselt- etwas fokussieren (sich darauf konzentrieren) und sich neugierig darauf

zu bewegen- Neugier befriedigen durch genaues Beobachten und Untersuchen- auf verschiedene Arten ausprobieren und experimentieren- über etwas stolpern, sich wundern und staunen, eine Frage entwickeln- Werkzeuge und verschiedene Strategien einsetzen- etwas nachmachen, was andere tun und dabei erproben: Kann ich das

auch? Passiert das Gleiche?- den gleichen Vorgang immer wieder wiederholen (mit kleinen Varianten)- etwas vergleichen, Muster erschließen, ordnen, sortieren, klassifizieren- Bedingungen variieren, um zu sehen, was man mit einem bestimmten

Gegenstand tun kann, oder ob immer wieder das Gleiche geschieht- Zusammenhänge ergründen, Ursachen und Erklärungen suchen- sich mit anderen über ihre Ansichten und Forschungswege auseinan-

dersetzen

„Da wir Erwachsenen Kinder klein,süß und mit Spiel (anstatt mitArbeit) beschäftigt finden, nehmenwir sie weniger ernst als wir sollten.Eine Folge ist beispielsweise, dassdie meisten von uns gar nichtsdabei finden, wenn sie ein Kind beieiner Beschäftigung stören odergar roh unterbrechen. Es spielt janur. Kein Wunder, dass dann dieErwachsenen einem selbstbe-wussten Kind als eine Hordebrachialer Wichtigtuer erscheinenmüssen.“

Barbara Sichtermann. Leben mit einem Neugeborenen

5. Reinhard Kahl: Kinder! zu bestel-len unter:www.archiv-der-zukunft.de

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Versuchsanordnung

Selbstbildung erkennen und begleitenWer (kindliche) Bildung als Selbstbildung im kulturellen und sozialen Miteinanderversteht, setzt die Bedeutung des Prozesses vor die Bedeutung der (zu „erwer-benden“) Kompetenzen. (Gute) Bildungsprozesse sind ergebnisoffen - aber alsein Ergebnis erwerben Kinder auch Kompetenzen und Grundkenntnisse.Offenheit für ihr Forschen, Wertschätzung ihres Forschungshungers und ihresVorgehens, Raum und Geduld und sensibles Nachfragen und Assistieren führendazu, dass Kinder sich selbst in ihrer Wirksamkeit, Kommunikation undBeziehung zu der dinglichen und persönlichen Umgebung erleben.

Naive Biologie im kindlichen Denken6

Kinder im Vorschulalter sind Meister gedanklicher Flexibilität. Nur so lässt sich erklären, was man lange für ihren „Denkfehler“ hielt: Sie können meist ohne große Probleme zwischen „magischem“(„falschen“) Denken – „die Puppe will schlafen“ oder die „Sonne will uns warmes Wetter machen“ – und Ursache-Wirkungs-Denken wechseln. Sie sind also durchaus fähig zu verstehen, dass eine Blume blüht, weil die Sonne scheint, weil ein Samenkorn gereift ist – und eben auch finden, dass die Blume blüht, „damit der Garten buntwird.“

Heute glauben die Forscher, dass kleine Kinder das magische Denkenweiter „pflegen“, weil ihnen diese Sichtweise schlicht gefällt, weil ihnendie Sprache aus Märchen und Geschichten vertraut ist. Es scheint einbesonderes Kennzeichen des Denkens von Kindern im Vorschulalter zusein, dass eine naturalistische und eine magisch-animistische Weltsicht nebeneinander existieren und dass die Kinder ohne große Mühe zwischen beiden hin- und herpendeln.

Für die pädagogische Praxis heißt das: Das Vorschulalter ist eine sensible Phase der Veränderung naiven biologischen Wissens. Kinder zeigen hier eine große Neugier für entsprechende Themen (Tiere, Pflanzen, Wetter, Jahreszeiten, Schwangerschaft und Geburt). Eltern und Erzieher/innen können diesen großen Wissensdurst nutzen, eigenes Forschen und (gemeinsames) Nachdenken der Kinder unterstützen und anregen. Es geht dabei weniger darum, den Kindern das „falsche“ Denken abzugewöhnen und Phänomene richtig zu stellen, als sie vielmehr auch in der Phantasiewelt zu begleiten und anzuerkennen, dass magisches Denken eine besonders kreative Kompetenz darstellt, die es zu unterstützen und zu erhalten gilt.

6. Den Referenztext „Naive Biologieim kindlichen Denken“ können Sie nachlesen: Mähler, Claudia (März 2006) Was ist naive Biologie? Wissen&Wachsen,Schwerpunktthema Naturwissenschaft und Technik,Wissen: www.wissen-und-wachsen.de

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Versuchsanordnung

Neu sehen, anders lernen, fremde Welten erleben Die größte Herausforderung für viele Erwachsene besteht möglicherweise darin,dass sie Ballast abwerfen müssen, bevor sie wieder zu „Laborassistenten“ derKleinen werden können: Schlechte Erinnerungen an schulisches Lernen und ver-meintliche Unfähigkeiten müssen zur Seite gestellt, die Erinnerung an die eigene(vorschulische) Neugier und das damals ungesteuerte Erforschen wieder belebtwerden. Der „Rest“ lässt sich lernen.

Gute Bedingungen für naturwissenschaftlich-technische Bildungsprozesse inKindertageseinrichtungen zu schaffen, heißt Fachkraft und Kinder zugleich (alsTandem) anzuregen und sie in ihrem Tun, Ausprobieren und Reflektieren zu unter-stützen. Aber gute Bildungsprozesse müssen auch Eltern anstecken und einla-den; sie müssen die Leitung und das Team gewinnen, damit der Bildungsansatzin der Haltung und im Konzept verankert wird. Räume, die Möglichkeiten und Anregungen zum naturwissenschaftlichenForschen bieten, sind hilfreich, aber keine Voraussetzung. Man muss nicht aufdas fertige Labor warten, um „loszulegen“. Netzwerke zum Austausch und zurkollegialen Beratung machen Mut und regen an. Bildungsorte und –partneraußerhalb der Kita bieten neue Perspektiven und Erfahrungswelten.

Ein wichtiges Element der „Qualifizierung“ im Projekt in Oelde war für Kinder undErzieherinnen der Besuch von Bildungsorten, die die Kita nicht bieten kann – zumBeispiel eine Maschinenhalle mit jungen Auszubildenden. Ein Fest für die Sinne,ein Erfahrungsort ganz anderer Qualität: Technik, Maschinen, nach Öl riechendeHallen, Werkzeuge, die Hilfsmittel werden, um etwas herzustellen – all das faszi-niert und baut Barrieren vor dem Unbekannten ab. Vielfältige positiveErfahrungen erhalten die Offenheit einer Welt gegenüber, von der man sich sonstvielleicht ausgeschlossen fühlte.

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Projekt / Praxis

Projekt / Praxis

Praktikum: „Versuch macht kluch“ und begeistert – Qualifizierungsangebotefür die Erzieher/innen

Laboralltag: 12 Kitas / 12 Modelle, wie Forschen und Experimentieren in denKita-Alltag einziehen können

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Projekt/ Praxis

Praktikum „Versuch macht kluch“ und begeistert – Fortbildungsangebote fürdie Erzieher/innen

In acht nachmittäglichen Workshops hat sich das Projektteam desLandschaftsverbandes mit den Fachkräften aus den Kindertageseinrichtungenauf den Weg gemacht. Die Ausgangssituation der einzelnen Erzieherinnen warensehr unterschiedlich. Einige verfügten bereits über positive Erfahrungen mit demThema, bei anderen gab es Vorbehalte und Angst, etwas falsch zu machen: „DasThema hat mich bislang kaum interessiert und mein Grundlagenwissen inNaturwissenschaften ist gering. Wie soll ich da den Kindern Rede und Antwortstehen?“Dem Projektteam ging es weniger um Vermittlung von Fachwissen, sondern umeinen gemeinsamen Bildungsprozess und die Stärkung und Erweiterung didakti-scher Kompetenzen der Fachkräfte. Diese Haltung den Erzieherinnen gegenübersollte verdeutlichen, welche Haltung auch Kindern gegenüber wichtig ist:Erfahrungen zu sammeln in gemeinsamer Arbeit, Fragen nachzugehen inInteraktion und gemeinsamer Reflexion. So können praxisnaheHandlungskonzepte entwickelt werden, die eine gute Basis schaffen fürWeiterentwicklungen. In den ersten beiden Treffen ging es folgerichtig um Lustund Last der Fachkräfte mit naturwissenschaftlicher Bildung. Stärken wurdenidentifiziert, auf die sich aufbauen ließ, aber auch „weiße Flecken“. DieErzieherinnen erwarteten „Handfestes“ – Impulse für den Kita-Alltag und kolle-gialen Austausch. Motivation war deutlich erkennbar, aber auch Bedenken wegenZeitnot und den vielfältigen Anforderungen, die zeitgleich in denKindertageseinrichtungen bewältigt werden müssen.

Selbstversuch: Fortbildung mit KON TE XISDie zweitägige Qualifizierung mit der Berliner Lernwerkstatt KON TE XIS sorgtezusätzlich für einen unmittelbaren Einstieg in das ThemenfeldNaturwissenschaften. Im großen Schulungsraum der Firma Haver & Boeckerwurde beim praktischen Forschen viel Kreativität freigesetzt: Berührungsängstewaren schnell vergessen, Wasserlandschaften entstanden inGemeinschaftsarbeit, Erfahrungen mit Schall und Tönen, mit Luftdruck undMagnetismus entfachten Begeisterung. Es wurde viel ausprobiert und anschlie-ßend reflektiert, keine Frage war unwichtig, keine Spekulation unsinnig. Die Ideensprudelten so auch für die Umsetzungsmöglichkeiten in der eigenenKindertageseinrichtung. Manfred Bisanz und Bernd Pfaender von KON TE XISregten gemeinsames Nachdenken an und konnten auch schwierigeZusammenhänge einfach vermitteln. Ohne Besserwisserei wurde die Motivation

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Projekt/ Praxis

gestärkt, offenen Fragen nachzugehen. Nicht unerheblich war auch die Erfahrung,dass zum Experimentieren keine besondere Laborausstattung gebraucht wird,sondern sich einfache Alltagsmaterialien zum Forschen hervorragend eignen. Eine Betriebsführung bei Haver & Boecker, integriert in den Workshop, unterstrichdie Wertschätzung, die dem Projekt und damit auch den Erzieherinnen vonUnternehmensseite entgegengebracht wurde. Aber auch die Begegnung mit derProduktion und dem Ausbildungsbetrieb war für viele eine neue Erfahrung undbaute Hemmschwellen ab.

Fortbildungsangebote wie die der Berliner Lernwerkstatt KON TE XIS7 müssenauf die Zielgruppe Pädagogen/innen zugeschnitten sein und auf Begeisterungsfähigkeit auch der Erwachsenen beim freien Experimentieren setzen.Berührungsängste und Unsicherheiten gegenüber den Phänomenen der „unbelebten Natur“ sind dabei kein Tabuthema, sondern können so konstruktiv bearbeitet werden. Die wiederbelebte (kindliche) Neugier und Unbefangenheit beimBeobachten und Nachvollziehen naturwissenschaftlicher Phänomene ersetzt soSchritt für Schritt Vorurteile und Hemmungen vorangegangener Bildungs-erfahrungen, nach dem Motto „in Physik war ich immer eine Niete“. Mehr praktisch erfahrene Kompetenzen, eine größere Sicherheit in Methoden undAngeboten bilden so die Grundlagen für die spätere „Forschungsarbeit“ mit den Kindern in den Kitas.

Analog der anerkannten wissenschaftlichen Literatur zum kindlichen Forschengeht es um zwei Dimensionen:

- Wie kommen Kinder zu einfachen naturwissenschaftlichenErkenntnissen?

- Wie können sie gewonnene Erkenntnisse mit Gleichaltrigen undErwachsenen teilen, sich ihrer eigenen Erfahrungen undVorstellungswelten vergewissern und auf diese Weise einander kennenund verstehen lernen?

Die Qualifizierungen vermitteln das nötige Handwerkszeug, damit Kinder in ihrem eigenen Forscherhandeln unterstützt werden können. Dabei geht es vor allem um Arbeitsweisen und Techniken für:

- Experimentieren- Verwenden einfacher Werkzeuge- Kausalitäten erkennen und beschreiben- Phänomene und Möglichkeiten ihrer Beschreibung erleben- Fachbegriffe kennen lernen, einordnen und anwende - Naturwissenschaftliche Phänomene praktisch erfahren

7. Kontakt: KON TE XIS c/o Technischer Jugendfreizeit- undBildungsverein, Berlin.www.kontexis.de und www.tjfbg.de

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Projekt/ Praxis

Auch eine Qualifizierung für Erwachsene (Pädagogen/innen) funktioniert nur, wennnach denselben pädagogischen Prinzipien gearbeitet wird, die auch für die Begleitung und Anregung des Forschens von Kindern wichtig sind: Es geht darum, Lust auf Bildung zu machen; handelndes, forschendes und entdeckendes Lernen zu ermöglichen; die Gelegenheit zum selbst bestimmten Arbeiten zu schaffen und die Möglichkeit zu geben, eigene Fragen auf unterschiedlichenWegen zu beantworten – oder auch zu einer vorläufigen Antwort zu kommen.Die Teilnehmer/innen agieren in der Gruppe – treten in soziale Interaktion und Kommunikation. Denken weiter, probieren aus, beobachten, entwickeln ihr Tunkreativ weiter, haben Spaß, stecken sich gegenseitig an, ermutigen sich. Die Rolle der Dozenten/innen besteht „nur“ darin, den selbst gesteuerten Prozessder Lernenden zu unterstützen, Fragen aufzugreifen, Fragen zurückzuspiegeln,eigene Fragen zu stellen, Hinweise zu geben usw..

Die Kunst der UmsetzungNachdem die Experimentierfreude bei allen geweckt war, kam das scheinbarsperrige Thema einer Didaktik der naturwissenschaftlich-technischen Frühbildungauf die Tagesordnung. An zwei Fortbildungstagen unterstützte die ReferentinHeike Winke die Erzieherinnen dabei, an ihre persönlichen Erfahrungen anzu-knüpfen und ihre Kompetenzen beim Beobachten, Analysieren und Fördern vonfrühen naturwissenschaftlich-technischen Bildungsprozessen der Kinder weiter-zuentwickeln. Sie bekamen Gelegenheit, ein eigenes, theoretisch begründetes,reflektiertes Konzept der naturwissenschaftlich-technischen Frühbildung für ihreeigene Einrichtung zu entwickeln – auf der Grundlage eines „ko-konstruktivis-tischen“ Ansatzes.

„Wenn Kinder experimentieren, sindsinnliche Erfahrungen unmittelbargegeben. Sie erfassen die chemi-schen und physikalischen Prozessedurch Sehen, Riechen, Schmecken,Hören, Anfassen und immer inVerbindung mit eigenaktivemHandeln. Insofern ist dasExperimentieren mit Kindern eineganzheitliche Sinnesschulung. Diesinnliche Wahrnehmung aktiviertDenkprozesse, die Eindrücke müs-sen erfasst, geordnet und mit dembisherigen Wissen verknüpft wer-den.“

Gisela Lück: Handbuch der natur-wissenschaftlichen Bildung8.

8. Seite 95; das Handbuch ist 2003erschienen; Prof. Dr. Gisela Lückist Professorin für Didaktik der

Chemie an der Universität Bielefeld

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Projekt/ Praxis

Wichtige Aspekte einer ko- konstruktivistischen Didaktik der naturwissenschaftlichen Frühbildung – die Rolle der Erzieher/innen• eigenes, selbsttätiges naturwissenschaftliches Lernen und Erkunden

der Kinder ermöglichen und unterstützen• an den individuellen naturwissenschaftlichen Interessen, Themen und

Fragestellungen der Kinder, an konkreten, für die Kinder bedeutsamennaturwissenschaftlichen Situationen ansetzen

• die Motivation und Engagiertheit der Kinder beachten und unterstützen• an den konkreten naturwissenschaftlichen Erfahrungen der Kinder in

ihrem Alltag und ihrer Lebenswelt ansetzen und ihreErfahrungen/Erkenntnisse aus ihren Explorationen/Erkundungen mitSachinhalten/Phänomenen aus der alltäglichen Lebenswelt verbinden

• das naturwissenschaftliche Vorwissen, die Vorstellungen/Konzepte unddie Erkundungsfähigkeiten der Kinder berücksichtigen, wertschätzenund deren Weiterentwicklung unterstützen

• die Ko-Konstruktion, d. h. die gemeinsame Konstruktion von naturwis-senschaftlichen Erfahrungen, Bedeutungen und Wissen unterstützen –Kooperation, Erfahrungsaustausch, Diskussion und Reflexion ermögli-chen und herausfordern

• die Kinder von ihrer offenen zur fokussierten Exploration/Erkundungbegleiten

von Heike Winke - Diplom-Psychologin, Studienrätin an der Fachschulefür Sozialpädagogik in Münster; Lehrbeauftragte für naturwissenschaftli-che Frühbildung an der EFH Bochum, Studiengang Elementarpädagogik;Heike Winke bietet Fortbildungen für Erzieher/innen an und hat auch dasProjekt in Oelde unterstützt

Viel Raum nahm die Reflexion und Diskussion zur Rolle der Erzieherin in denBildungsprozessen der Kinder ein, ebenso Fragen nach altersgemäßemMaterialangebot zum Forschen. Am Beispiel des Themenfeldes Wasser ging esum die Eigenschaften von Wasser, um Schwimmen, Sinken und Tropfen. Es gabpraktische Möglichkeiten eigener Wassererkundungen, zunächst in der offenenExploration, dann fokussiert mit Reflexionen zu bestimmten Fragestellungen. InKleingruppen planten die Erzieherinnen jeweils für eine andere Gruppe eineErkundungseinheit, die dann durchgeführt und anschließend gemeinsam reflek-tiert wurde. Rollen-Spiele (Erzieherin, Beobachterin, Kind) führten zu erstaunli-chen neuen Erfahrungen und Erkenntnissen. Praxisbeispiele aus denEinrichtungen wurden vorgestellt und unter Berücksichtigung der didaktischenFragestellungen reflektiert. Die kollegiale Beratung hatte vor allem für die Frageder Gestaltung von Rahmenbedingungen einen hohen Stellenwert: „Wie hole ich

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Projekt/ Praxis

mein Team mit ins Boot (z. B. Forschen und Experimentieren mit Kolleginnen)?Wie kann ich Eltern interessieren? Wie schaffe ich am besten eine Erweiterungunserer Konzeption?“.

Anregende Orte, neue Bildungspartner – Vernetzung inklusiveEin Workshop fand bei GEA Westfalia Separator statt, wo auch das einzigartigeDeutsche Zentrifugenmuseum besichtigt werden konnte; weitere im Klipp KlappMuseum, im Kulturgut Haus Nottbeck, in der Volkshochschule und in verschiedenenKindertageseinrichtungen beziehungsweise Gemeindehäusern. Auf diese Weise ge-lang wie nebenbei eine Erkundung und Vernetzung interessanter Bildungsorte inOelde. Durch die Einbeziehung anderer Bildungspartner, durch gegenseitiges Ken-nenlernen und Vereinbarungen zu gemeinsamen Aktivitäten entstand ein Netzwerk,das auch nach dem Projekt zu beiderseitigem Nutzen fortgeführt werden kann.

Dieses Netzwerk bringt Organisationen und Menschen ins Spiel, die mit ihrenProfessionen, Kompetenzen und Bildungsräumen andere Perspektiven sowohl fürdie Kitas und ihre Fachkräfte wie auch für die Kinder eröffnen. Die sozialpädagogi-schen Fachkräfte im Projekt erleben dabei auch, dass sie und die Kinder von denanderen Professionen ernst genommen werden und ihre Arbeit Wertschätzungerfährt, ja sogar eine Bereicherung für die Firmen darstellt. In einer Zeit, in der immerneue Anforderungen an die Fachkräfte in den Kindertageseinrichtungen gestellt wer-den, ohne dass zugleich die Wertschätzung für das tagtäglich Geleistete erfolgt, för-dert dieses Erlebnis von Wertschätzung die eigene Motivation und den Mut etwasNeues auszuprobieren.

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Projekt/ Praxis

Sechs Tipps für Projektleitungen

1. Das Projektgebäude beginnt mit dem Fundament: Wer von außen als Projektleitung tätig wird, sollte das Fundament kennen, auf dem er baut: Welche Strukturen bestehen? WelcheGremien? Welche Beziehungen? Welche Akteure beschäftigen sichbereits mit Bildung und insbesondere naturwissenschaftlich- techni-scher Bildung? Wer verfolgt welche Interessen? Wo gibt es gemeinsame Interessen der Akteure? Was wird schon gemacht? Wo besteht Interesse zur Weiterentwicklung, zur Zusammenarbeit? Mit welchem Erfahrungsschatz, mit welchen Kompetenzen undVisionen kommen die Menschen in das Projekt? Welche Erwar-tungen bestehen, welche Rahmenbedingungen? Dieses Fundament muss sichtbar werden.

2. Eine Strohhütte muss nur einen Sommer halten. Soll aber dasProjektgebäude irgendwann Bestandteil einer Infrastruktur werden,müssen gemeinsam mit den Akteuren Strukturen geschaffen werden, die durch Vereinbarungen und Einbeziehung von Entscheidern vor Ort abgesichert werden.

3. Nicht zu unterschätzen ist der Spaß, das Feuer der Begeisterung, ein lockender Gewinn für jeden Einzelnen und der Kitzel einerHerausforderung.

4. Akzeptanz und Wertschätzung sind der Mörtel für den Projektbau.Deshalb sind Begegnung auf Augenhöhe und eine echte Teilhabe sowichtig.

5. Jeder baut für sich und alle bauen zusammen. Beim Bildungsansatzder Selbstbildung muss die Projektleitung jeden Akteur alsKonstrukteur seiner eigener Bildung achten. „Bildung entsteht, wennein persönlicher Sinn dabei ist“ sagt der Bildungsforscher GerdSchäfer9. Das gilt auch für die Projektleitung.

6. Anders als in der Rolle eines Architekten sollte die Projektleitung sichder Konstruktionsideen und -möglichkeiten immer wieder rückversi-chern und für eine konsensorientierte, flexible Anpassung der Plänesorgen.

9. Gerd E. Schäfer (Hrsg.): Bildung beginnt mit der Geburt

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Projekt/ Praxis

Laboralltag 12 Kitas / 12 Modelle

Kittel anziehen, Strom einschalten, Licht machen, Lupe putzen – hunderte vonHandgriffen sind Standard in den Laboren auf der ganzen Welt. Vorschriften fürdie Sicherheit, Zuständigkeiten für die Ordnung oder Regeln für die Durchführungvon Experimenten gibt es auch, wenn in Kindertageseinrichtungen geforscht wird.Doch die Ausführung ist so vielfältig wie die Kindertageseinrichtungen selbst. Unddas einzig wahre Laborkonzept stellt sich darauf ein:Es bietet Spielraum für die aktuellen oder drohenden Personalengpässe; esbeachtet die räumlichen und zeitlichen Möglichkeiten und stellt den notwendigenFreiraum zur Verfügung, den Kinder benötigen, wenn sie nicht nur Erlerner vonWissen, sondern Entdecker von Inhalten werden sollen. Ob als Jahresprojekt, alsKitakonzept, als Zukunftsvision oder als Lernwerkstatt mit allem drum und dran –es gibt jede Menge Möglichkeiten, wie naturwissenschaftlich-technische Bildungin Kitas Fuß fassen kann. Auf den folgenden Seiten stellen die 12 Oelder Kitasihre Arbeit im Projekt vor. Sie bieten Anregungen zum Austausch, zur Diskussion,zum Ausprobieren ...

Forscherkiste, Forscherecke – und die sprechende Wand / St. Marien,SünninghausenIm Aufbau: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben / St. Johannes, OeldeMittwochnachmittag ist Forschertreff / St. Lambertus, Stromberg Forscherbande / St. Marien, OeldeDas Labor ist, was da ist – auch in den Familien / Die Sprösslinge,OeldeForschungs-AG / St. Joseph, OeldeMini-Forscher / St. Hedwig, OeldeMontag ist Forschertag / St. Vitus, LetteJahresprojekt / Hl. Kreuz, StrombergEisbrecher auch für Eltern / Das Kinderhaus, OeldeGünstige Gelegenheiten für kleine und größere Forscherkids / Die Langstrümpfe, OeldeReggio plus / Wichern-Kindergarten, Oelde

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Projekt/ Praxis

Forscherkiste, Forscherecke – und die sprechende WandSt. Marien Kindergarten, Sünninghausen

1. Der riesige Eiszapfen2. Entdeckungslust kennt keine Grenzen3. Die sprechende Wand4. Der Geburtstagsknaller

1. Der riesige EiszapfenAls es im Januar, Februar 2010 so kalt war, brachte Bastian einen riesigenEiszapfen mit in den Kindergarten. Alle Kinder der Gruppe waren neugierig daraufzu erfahren, wo er denn diesen langen Eiszapfen gefunden habe. Nachdem ererzählt hatte, dass er ihn an der Dachrinne des Schweinestalles hängend ent-deckt habe, legten wir ihn in die größte Wanne, die wir fanden. Nun untersuchtendie umstehenden Kinder diesen langen Eiszapfen: Wie ist er an die Dachrinnegekommen? „Das Wasser ist runtergetropft und gefroren“, erzählten die Kinder.Woraus besteht er? „Aus Eis“, wussten die Kinder. Wie fühlt er sich an? „Er istganz kalt und nass“, berichtete ein Kind. Wie lange kann ich ihn anfassen? - Wirzählten die Sekunden, wie lange die Kinder ihn festhalten konnten. Sie schüttel-ten anschließend ihre Hände, weil sie so kalt waren. Wie lang ist er? Wir maßenihn mit einem Zollstock. Er war 1,07m lang. Kurz danach brach er entzwei. Wieschmeckt er? Einige Kinder probierten mit dem Mund und der Zunge. „NachWasser, nach nichts“, war die Antwort. Was passiert mit ihm im Gruppenraum?„Er schmilzt und wird zu Wasser“, erklärten sie. Aus wie viel Wasser besteht soein Eiszapfen? Am nächsten Tag füllten wir das Wasser des geschmolzenenEiszapfens in einen Eimer. Es waren 10 Liter Wasser.Mit viel Engagement beantworteten die Kinder all diese Fragen selbst - durchAusprobieren oder Messen. Sie hatten das Bedürfnis den Eiszapfen mit allenSinnen zu erfahren und ihr Wissen vom Eiszapfen zu erzählen. Sie tauschten ihreErfahrungen aus und entwickelten neue Ideen, um weiter zu forschen und soneue Antworten auf ihre Fragen zu bekommen. Wir orientierten uns dabei immeram Interesse und Engagement der Kinder und unterstützten sie mit Materialienwie Zollstock, Eimer, Becher usw.. Am nächsten Tag holten wir Schnee vomSpielplatz in die Gruppe, womit die Kinder bauten und experimentierten, den sieprobierten und der zu Wasser schmolz.

2. Entdeckungslust kennt keine GrenzenSo bekamen wir mit, wie viel die Kinder schon über die Naturphänomene Wasser,Eis, Kälte und Schnee wussten und welche Naturbegriffe sie benennen underklären konnten. Wir unterstützen ihre Freude am Beobachten undAusprobieren, um erste Warum-Weshalb-Fragen zu beantworten. Das selbststän-dige Tun förderte die Auge-Hand-Koordination beim Gießen, Um- und Einfüllen.

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Projekt/ Praxis

Und da viele Sinne in den Versuchen angesprochen werden, werdenSinneserlebnisse bei den Kindern in den Experimenten wie von selbst angeregt.Die Kinder bauen im Austausch miteinander ihre sprachlichen Kompetenzen ausund vertiefen dabei ihre eigenen Erfahrungen.Einmal angefangen, kennt Entdeckungslust keine Grenzen: Häufig bringen Kinderetwas mit in den Kindergarten, z.B. Kaulquappen, Schnecken, einenNashornkäfer usw.. Das greifen wir auf, die Kinder berichten, was sie wissen, wirbeobachten die Tiere und schauen in Büchern nach, um noch mehr über dieTiere zu erfahren und Antworten auf unsere vielen Fragen zu finden. Dabei habenwir festgestellt, dass Kinder eine große Neugierde und Interesse an Phänomenender Natur haben. Auch im Maxiclub haben wir mit Eis und Wassertropfen experi-mentiert, um den Kindern Phänomene der Natur nahe zu bringen. DasEngagement der Kinder regte uns an eine Wasserlandschaft einzurichten, an derdie Kinder nach Herzenslust im freien Spiel mit Wasser experimentieren dürfen.Kinder haben besonders viel Spaß, wenn sie selber tätig werden. Sie erfahren sodas Wasser mit allen Sinnen.

3. Die sprechende WandFür die Kinder, die sich noch nicht so sehr für die Wasserlandschaft interessieren,haben wir eine „sprechende Wand“ eingerichtet. Dort hängen Fotos von Kindern,die an der Wasserlandschaft experimentiert haben. So können auch sie mitbe-kommen, was dort geschehen ist und bei den anderen Kindern nachfragen. Ineiner eigens dafür eingerichteten Forscherkiste bzw. Forscherecke hat man dannschnell alles zur Hand, was man braucht, um etwas zu überprüfen oder zu erfor-schen. Diese sollte möglichst nahe am Gruppengeschehen installiert sein, damitman sie nicht so schnell aus dem Blick verliert und jederzeit darauf zugreifenkann.

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Projekt/ Praxis

In dem Projekt Naturwissenschaft und Technik in Kindertageseinrichtungenhaben wir erfahren, dass man dem Interesse und der Neugier der Kinder vertrau-en kann und sie sich zunutze machen sollte. Die Kinder sollten zum selbstständi-gen Tun angeregt werden. Dadurch erwachen ihr Forschergeist und ihreExperimentierlust. Das lässt sich gut einbinden in den Kita-Alltag: Man muss ein-fach die Kinder beobachten in ihrem Spiel – und ganz häufig entwickelt sich ganzvon alleine etwas daraus. Man kann aber auch Impulse geben und schauen, obdie Kinder sie annehmen. Wenn nicht, ist es auch in Ordnung, denn es gibt ebenExperimente, die die Kinder nicht so annehmen – das ist ja auch eine wichtigeErfahrung. Aber meistens haben die Kinder ein unheimlich großes Interesse undsind sehr motiviert.Wir übrigens auch: Wir sind immer froh, etwas Neues zu haben, das man in derKita anwenden kann. Und Forschen ist ganz beliebt bei den Kindern, das wissenwir. Ideal war darum, dass wir im Rahmen des Projektes von außenUnterstützung bekamen – unsere Fortbildung hier war seit langem dieAllerschönste – effektiv und sehr reizvoll.

4. Der GeburtstagsknallerSeitdem wir das Technik-Projekt machen, ist unsere Vitaminrakete derGeburtstagsknaller – und die wird an jedem Geburtstag steigen gelassen. Dazulöst man Teile einer Vitamintablette in einem Filmdöschen auf, das mit seinemPlastikdeckel verschlossen ist. Durch die Kohlensäure, die dabei entsteht, fliegtder Deckel in die Luft – der natürlich als „Rakete“ verkleidet werden kann. Das istsehr bekannt und beliebt – auch bei Eltern. Meistens geben wir den Eltern auchnoch einen kleinen Informationszettel an die Hand, damit sie zuhause weiterdanach arbeiten können: Für die Vitaminrakete haben sie einen kleinenAblaufplan bekommen und es zuhause dann auch ausprobiert.

Die Kita – auf einen Blick:Name: Katholischer Kindergarten St. Marien, Oelde-SünninghausenTräger: Kath. Kirchengemeinde St. Vitus, Oelde-Sünninghausen

Ansprechpartnerin: Marietheres WagemannAdresse: Am Kirchplatz 8, 59302 OeldeTel.: 02520 / 1215

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Projekt/ Praxis

Im Aufbau: Aufgeschoben ist nicht aufgehobenSt. Johannes in Oelde

1. Startschwierigkeiten2. Learning by doing3. Zukunftsplanung

1. StartschwierigkeitenGleich drei Wechsel im Team hätten das gesamte Vorhaben, naturwissenschaft-lich-technische Bildung in die Kindertagesstätte zu bringen, fast zu Fall gebracht.Zu den typischen Stolpersteinen für ein derartiges Projekt gehören inKindergärten und Kindertagesstätten Personalumstrukturierungen oder auchTeilzeitarbeit. Fällt eine Kollegin aus, wird eine weitere krank, steht derKindergarten sofort am Rande seiner Kapazitäten. Vor diesem Problem stand der Kindergarten St. Johannes, der zweiMitarbeiterinnen in die Fortbildung geschickt hatte, die mit viel Elan undEngagement bereit waren, in das Forschen einzusteigen. Allen Beteiligten warklar: Für ein Projekt, das nicht nur als bunter Luftballon aufsteigen und bald ver-gessen sein soll, muss man den Kopf frei haben. Dennoch sieht das Team dieVorbereitung (durch Teilnahme an der Schulung), die Planung zur Gründung einerForscherbande im Anschluss daran, sowie die Teamvereinbarung zur

Kleine Ursache / hörbare WirkungTriangel, Schneebesen, Metallreibe...zwei Bindfäden daran gebunden undum die Zeigefinger gewickelt, Fingerin die Ohren und den Klanggenießen, den schwingendenMetallkörper an der Tischplatteanstoßend bieten.

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Projekt/ Praxis

Arbeitsverteilung (zwei Kolleginnen übernehmen den Schwerpunkt Technik undNatur, eine andere Kollegin die Vorbereitung der Schulkinder) nicht als vergebensan: Denn das Projekt passt zum situativen Ansatz.

2. „Learning by doing“ Die Gelegenheit war wieder einmal zu günstig: Lang anhaltendes Regenwetterbrachte eine anregungsreiche Pfütze rund um die Rutsche im Außengelände desKindergartens. Mit Messbechern und Trichtern zum Experimentieren wurde dasInteresse der Kinder am Element „Wasser“ unterstützt. Situatives Arbeiten bedeu-tet, ein Experimentierfeld zu öffnen, dann wenn das Interesse der Kinder groß istund ihre Sinne auf Empfang stehen. Diese Offenheit für Erfahrungen undErkenntnisse macht sich das Modell des Johanneskindergartens zunutze.Kinder wollen zunächst ungestört experimentieren, sind aber auch für weitereAktivitäten zu haben und können motiviert werden „dran zu bleiben“. Das belegtdie alltägliche Beobachtung durch das Team. Dem Interesse am LWL-Pilotprojekt„Naturwissenschaftlich-technische Bildung in Oelder Kindertageseinrichtungen“stand somit von Seiten der Erzieherinnen nur die eigene anfängliche „Hemm-schwelle“ vor möglichen komplexen Nachfragen der Kinder im Weg. EineHemmschwelle, die allerdings durch spannende Fortbildungen, durch eigenesAusprobieren und Entdecken schnell überwunden war. Die Teilnahme an denStöbertagen in den Oelder Betrieben (siehe Seite 81) sorgte für weitere Impulse.

Tipp: Das Experimentieren muss in den Kitas ein fester Bestandteil werden undebenso viel Zeit und Freiraum bekommen wie andere Bildungsbereiche auch.Wünschenswert ist ein „roter Faden“ von der Kita in die Grundschule und danachzur weiterführenden Schule.

3. ZukunftsplanungDas Interesse bleibt groß und jede Form des kollegialen Austausches unter denanderen interessierten Kitas will das erwachsene Forscher-Team für sich nutzen.Die Arbeiten dazu haben längst begonnen: Ein ursprünglich als Forscherraum gedachter Bauwagen hat den Winter kaumüberstanden. Er soll mit Elternhilfe bald wieder nutzbar sein. Mit diesemAußenposten werden dann Projekte möglich, die bislang in den zur Verfügungstehenden Räumen nur unvollständig durchgeführt werden können. Wenn auch Teile des Gesamtprojektes aufgeschoben werden mussten: Das Teambleibt aktiv.

„Die zwei Tage Schulung haben unsdie Augen geöffnet: Mit vielenAlltagsmaterialien kann man tolleDinge machen. Man muss Ideenhaben und es ist meist keine großeSache das umzusetzen.“ Barbara Goy Tigges und SusanneNiederé

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Projekt/ Praxis

Die Kita – auf einen Blick:Name: Kath. Tageseinrichtung für Kinder und Familienzentrum

St. JohannesTräger: Kath. Pfarrgemeinde St. Johannes

Ansprechpartnerinnen: Barbara Goy Tigges, Susanne NiederéeAdresse: Ennigerloher Str. 3, 59302 Oelde Tel.: 02522/4413E-Mail: [email protected]

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Projekt/ Praxis

Mittwochnachmittag ist ForschertreffSt. Lambertus Kindergarten, Stromberg

1) Es schneit2) Forschertreff3) Elternbrief und Elternarbeit

1.Es schneitIm Winter 2010 machten wir mit allen Kindergartenkindern einenSchneespaziergang. Nachdem wir lange und ausgiebig im Schnee gespielt,getobt und gerodelt haben, ging es wieder zurück in den Kindergarten.Beim Umziehen wunderten sich einige jüngere Kinder über die vielenWasserpfützen im Flur. Es hatte doch gar nicht geregnet?! Sofort erklärten dieälteren Kinder, dass die Pfützen der geschmolzene Schnee seien.Mit allen interessierten Kindern holten wir dann eine große Schale Schnee vomSpielplatz herein. Sofort begannen die Kinder verschiedene Experimente mit demSchnee auszuprobieren. Hierbei stellten sie sich Fragen, versuchten sich dieseanhand der Beobachtungen und Experimente zu beantworten und stelltenThesen auf:„Im Warmen schmilzt derSchnee!“ „Der Schnee wird zu Wasser.“„Wie wird das Wasser wieder zu Schnee?“„Wie kann man den Schnee schneller zum Schmelzen bringen?“„Warum schmilzt der Schnee in meiner Hand schneller als auf dem Tisch?“

Durch Ausprobieren und mit viel Engagement beantworteten die Kinder all dieseFragen selbst. Sie tauschten ihre Erfahrungen aus und entwickelten immer neueIdeen und Experimente. So kam es auch, dass sie zwangsläufig vom Thema undExperimentieren mit „Schnee“ zum Thema und Experimentieren mit „Wasser“kamen.

Wir Erzieherinnen orientierten uns dabei am Interesse der Kinder und unterstütz-ten sie mit Materialien, wie z.B. Becher, Salz, Eimer, Wasserkocher, Wanne,Kerzen,...,aber auch mit Büchern zum Thema Eis, Wasser und Experimentier-büchern.

2. ForschertreffDa das Interesse am Experimentieren und Forschen bei den Kindern so groß war,haben wir im Team beschlossen, einmal wöchentlich einen Forschertreff für alleinteressierten Kinder einzurichten. Jeden Mittwochnachmittag findet nun derForschertreff statt. Zunächst wurden beim ersten Treffen der Forscher wichtige Regeln für das

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Projekt/ Praxis

Forschen und Experimentieren besprochen, z. B. wie gehe ich richtig mit denMaterialien um, nicht essen und nicht trinken, wie arbeite ich mit Feuer usw.. Daraufhin wurden nun jeden Mittwoch viele Experimente und Versuche durchge-führt, die in der darauf folgenden Woche weitergeführt oder vertieft wurden.Durch die Vertiefung und Weiterführung und die Zusammenhänge zwischen denverschiedenen Themen, z. B. Schnee> Wasser> Regen> Gewitter> Strom> Licht>Wärme> Feuer, kam man immer wieder zu neuen Themenbereichen und somitauch zu neuen Experimenten.Die Kinder stellten immer wieder neue Thesen auf und überprüften diese anhandvon neuen Experimenten. Wir Erzieherinnen fungierten als Unterstützerinnen,Begleitung, Ideengeberinnen und genau wie die Kinder auch als Forscher.

3. Elternbrief und ElternarbeitDie Kinder bekamen zu einigen Experimenten und Versuchen die Anleitungen zurDurchführung oder Arbeitsmaterialien mit nach Hause, damit die Eltern einen klei-nen Einblick in den „Forschertreff“ bekamen. So konnten die Versuche zu Hauseauch weitergeführt und wiederholt werden. Und das steht in unserem Elternbrief zum Forschertreff:

„Sicher kennen Sie auch die typischen „Warum-Fragen“, die Kinder aufwerfenund denen sie nachgehen möchten?!Kinder haben viel Freude am Tüfteln, Versuchen, Experimentieren undBeobachten.Sie zeigen von sich aus Interesse und Neugierde, sind von Naturphänomenen

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Projekt/ Praxis

fasziniert und haben den Wunsch, den Dingen auf den Grund zu gehen undunsere Welt in all ihren Facetten zu ergründen, erforschen und entdecken.Gemeinsam möchten wir mit den Kindern beim „Forschertreff“ aufEntdeckertouren und Forschungsreisen gehen!!!

Der „Forschertreff“ findet jeden Mittwochnachmittag statt. Alle interessiertenKinder können daran teilnehmen.

In Kleingruppen werden dann in einem kleinen „Labor“ die verschiedenstenExperimente zu unterschiedlichen Themen, wie z. B. Luft, Wasser, Licht … durchgeführt.

Mit jedem Experiment werden wir ein wenig mehr von den großen Wundern dieser Welt verstehen!

Die Kita – auf einen Blick:Name: Katholischer Kindergarten St. LambertusTräger: Kath. Kirchengemeinde St. Lambertus

Ansprechpartnerin: Kathrin ZielonkaAdresse: Speckenstr. 43, 59302 Oelde-StrombergTel.: 02529/7266

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Projekt/ Praxis

Forscherbande,St. Marien, Oelde

1. Aufmachen und Hingucken: Das Technikprojekt2. Einfach neugierig bleiben: Die Forscherbande3. Gut geplante Laborzeiten 4. Die Forscherbande: Fragen und Empfehlungen5. St. Marien auf einen Blick

1. Aufmachen und Hingucken: Das TechnikprojektAm Anfang standen ein defektes Handy und die Frage eines Kindes, warum die-ses so schwer sei. Im Kindergarten St. Marien löste beides ein Technikprojektaus, das zum idealen Vorläufer des Modellprojektes für alle Beteiligten wurde: Eltern spendeten defekte Gegenstände vom Videorecorder, CD-Player, Radio,Wecker, Föhn, Receiver, Tastaturen, Fernbedienungen, Toaster und so fort ... MitWerkzeugkoffer, zwei Akkuschraubern und einem Verbandskasten machten sichacht angehende Schulkinder an die Beantwortung der einfachen Frage: „Wassteckt in den Geräten?“ um später der weit kniffligeren Frage „Wie funktionierensie?“ näher zu kommen.

Zunächst wurden Kabel und Stecker abgeschnitten oder montiert und entsorgt.Eine Woche lang wurden die Geräte mit Schraubenziehern, Akkuschrauber oderauch mit dem Hammer zerlegt, um zu sehen, was sich unter der Haube einesReceivers oder eines Plattenspielers befindet. Gemeinsam fand die Gruppe kom-plexe technische Dinge heraus, z.B. wie der Sendersuchlauf eines Radios funk-tioniert („Ganz einfach mit einem Band und einer Spule“). Und auch die Antwortauf die Frage, warum das Handy so schwer ist, fand sich im Laufe der Woche inForm des Akkus.Nebenbei entstand ein beachtliches Materiallager aus Relais, Spulen,Zahnrädern, Tastaturknöpfen für die zweite Projektwoche. Auf 30x30cmHolzplatten bauten die Kinder daraus mit dem Akkuschrauber, mit Schraubenund Heißluftpistole ihre eigenen Maschinen: Tastenwerkstatt, Brotbackmaschine,Düsenjet, Gartenbaufirma, Telefonrufmaschine.

2. Einfach neugierig bleiben: Die ForscherbandeWas passiert auf dieser Welt? Was geschieht, wenn ich den Lichtschalterdrücke? Wie kommt das Wasser in die Leitung? Für das Team des Kindergartenssind die Fragen von Kindern der Ausgangspunkt: Sie sollen Gelegenheit haben,ihre Gedanken und Überlegungen einmal vollziehen zu können undNaturphänomene oder Technik zu erleben.

„Warum ist das Handy so schwer?“ „Keine Ahnung.“„Lass uns hineinschauen!“

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Projekt/ Praxis

Experimentiert wurde auch damit, welches Modell für so ein Projekt das richtigesein könne. Anfangs war das Forschen ein Angebot am Nachmittag für Kinder(„Dann forschen wir ein bisschen“). Doch die Unverbindlichkeit brachte organisa-torische Schwierigkeiten: Zunächst kamen zu viele Kinder, dann zu junge, mitdenen das Forschen schwierig war. Und schließlich hatte man noch keineErfahrungen damit, wie detailliert die Vorbereitung für so ein Nachmittagsangebotsein müsse und wie viele Forscherkinder überhaupt teilnehmen würden. Nach und nach entstand das Modell Forscherbande: Mit 8-10 Schulkindern wirdjetzt einmal pro Woche bis zu 1,5 Stunden geforscht. Dabei geht dieForscherbande alle Themen systematisch durch: Luft, Wasser oder Elektrizitätusw. Zum Forschen zieht sich die Gruppe z.Zt. in den Personalraum zurück. Dasist zwar wegen des Teppichbodens nicht ideal, doch das Interesse ist so groß,dass sich alle gern arrangieren. Im Sommer finden die Experimente draußen statt.

3. Gut geplante Laborzeiten Wenn die Forscherbande den Raum betritt, ist schon einiges vorbereitet, dieWanne mit Wasser, dazu verschiedene Gegenstände für die Exploration „Wasschwimmt oben, was geht unter und warum? Warum manches erst später?“ DasInteresse ist immer groß. Zunächst wird ausprobiert, wobei Eigeninteressen derKinder zu neuen Forschungsthemen werden können („Die Titanic - warum wiesoweshalb... Was schwimmt oben? Eisberg? Warum ist sie gesunken?“).Die Erzieherin bleibt aufmerksam im Hintergrund. Sie lobt jede Initiative, wenn dieKinder ausprobieren, welche Gegenstände schwimmen und welche sofort oderspäter untergehen. Nur ganz selten gibt sie versteckte Hinweise, erinnert bei-spielsweise an die Beobachtung der Kinder, dass alles, was aus Metall ist, bereitsam Boden liege. Sie hört zu, lässt die Kinder handeln und wertet nicht. Es ist nicht ihre Aufgabe,den Kindern Wissen zu vermitteln oder einen vorgegebenen Versuch durchzu-führen: Die Kinder müssen ausprobieren, um selbst etwas zu erfahren. Auchwenn etwas Falsches vermutet wird, muss man nicht sofort eingreifen. Beispiel:Was passiert mit dem Blatt Papier auf der Wasseroberfläche. Zunächst scheintklar: Papier geht nicht unter. Später, wenn es sich vollgesogen hat, zeigt sich,dass es sich mit diesem Material anderes verhält. Die nächste Warum-Fragekommt dann wie von selbst. Das macht die Experimente für beide Seiten so spannend: Es klappt nicht immeralles sofort und jede Erkenntnis braucht seine Zeit und verändert sich möglicher-weise bei erneuter Betrachtung. „Und wenn man die Haltung hat, ist es im näch-sten Jahr mit der neuen Forscherbande wieder genauso spannend für beideSeiten. Die Kinder sind anders, die Experimente laufen nicht nach Schema F.“

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Projekt/ Praxis

Die notwendige Zurückhaltung fällt leicht, wenn das Ziel des Forschens geklärt ist:Kinder können beim Forschen lernen und Zusammenhänge feststellen. Für dasExperimentieren gibt es jedoch keine Zielvorgabe: Die Kinder dürfen forschen,erkunden, tiefer reinschauen - zu denken anfangen. Beim Forschen begreifen sie,das hilft ihnen, sich zu erinnern. Sie machen sich untereinander schlau - jedesKind in seinem Tempo und mit seiner Zielsetzung: Manche bleiben eher an derOberfläche und begnügen sich mit dem, was sie unmittelbar sehen. Andere wol-len vielleicht mehr wissen und bleiben hartnäckig, wovon später oder beim näch-sten Mal die ganze Gruppe profitieren kann.

4. Die Forscherbande: Fragen und EmpfehlungenAlter?Man kann mit allen Kindern experimentieren. Im Kindergarten St. Marien wurdenmit gutem Erfolg außer den Vorschulkindern auch die Vierjährigen ins Laborgeholt. Die Themen wurden nur geringfügig variiert.

Nachhaltigkeit?Das Experimentieren ist seit kurzem im Konzept der Einrichtung verankert. Ambesten ist es, wenn das Forschen im Kita-Alltag die Regel und nicht dieAusnahme ist: Eine Vorführung zum Fest macht viel Arbeit, bringt aber nicht denEffekt.

Verantwortung?Es ist gut, wenn eine/r im Team den Schwerpunkt übernimmt. Oft sind dieAufgaben verteilt in Kindergärten. Wenn eine/r den Hut aufhat, verläuft sich dasEngagement für diesen Bildungsbereich nicht.

Vorbereitung: Was und wie viel braucht man wovon? 1. viel Material, Töpfe, Trichter, Pipetten für das jeweilige

Thema sammeln2. Platz für alles, was man zu sammeln beginnt, weil man es irgendwann mal

gebrauchen könnte 3. Hintergrund („Ich habe an Wochenenden Bücher gewälzt und bestellt und

dann Themen rausgesucht und überlegt, was kann man hier verwirklichen.“)4. Eine Gedächtnisstütze für die Kinder: etwas, was man anfassen, mitnehmen

und zu Hause zeigen kann 5. Vorbereitungszeit – besonders am Anfang6. eine Mappe mit den Themen, Experimenten, Anleitungen sowie der

Forscherurkunde, die jedes Kind zum Schluss der Forscherrunde verliehenbekommt

„Die sind immer alle begeistert undhaben richtig Spaß beim Forschen.Das motiviert.Manche Kinder lernt man neu ken-nen: Kinder, die in der Gruppe überTisch und Bänke gehen, und die hier in der Forscherbanderuhiger und konzentrierter vorgehen. Aber auch die sonst oftkleinen stillen Mädchen, die plötzlich so schlau sind und sokluge Sachen sagen.“ Anne Rosenkranz

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Projekt/ Praxis

Die Kita – auf einen Blick: Name: Katholischer Kindergarten St. Marien, Oelde Träger: Kath. Kirchengemeinde St. Johannes

Ansprechpartnerinnen: Janina Godbersen, Anne RosenkranzAdresse: Marienstraße 11, 59302 OeldeTel.: 02522/4630E-Mail: [email protected]

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Projekt/ Praxis

Das Labor ist, was da ist – auch in den FamilienDie Sprösslinge, Oelde

1. Wir und unser Projekt2. Wie es anfing und weiter ging: Labor ist, was da ist3. Diese Ziele sind uns wichtig4. So arbeiten wir5. Das sollten Erwachsene wissen6. Was sich bei uns, den Kindern, Eltern und in unserem Umfeld verän-

dert hat

1. Wir und unser ProjektWir haben vorher bereits Experimente gemacht, weil wir selber fasziniert sind undwissen wollen, wie man Phänomene im Alltag erklären kann. Der Leitsatz unsererKonzeption lautet: Das Leben erleben und begreifen! Schaltet eure Sinne ein undhabt Mut zum Experimentieren! „Keine noch so große Zahl von Experimentenkann beweisen, dass ich Recht habe; ein einziges Experiment kann beweisen,dass ich Unrecht habe.“ (A. Einstein). So lautet das Motto und Grundprinzipunserer Forschergruppe. Das Projekt setzte sich schwerpunktmäßig mit demElement Wasser unter dem Titel „Auf Forschungsreise – Wasser (er)leben“ aus-einander.

2. Wie es anfing und weiter ging: Labor ist das, was da istWir haben zunächst die Umwelt durch die Linse erfasst und Fotos vom Element„Wasser“ erstellt. In jeder Ecke des Kindergartens konnten wir dieses Elemententdecken und haben hinterher ein großes, „nasses“, „gefrorenes“ und gleichzei-tig „heißes“ Fotoalbum erstellt. Unsere wichtigsten Schritte waren,unbefangen die Welt zu entdecken,neugierig auf das Wasser zu sein,den Forscherdrang aus der Kindheit zu wecken,Kinder Kinder sein zu lassen,gemeinsam zu experimentieren und die Gedanken jedes einzelnen dabei zu akzeptieren und zu nutzen.

Weiter ging es mit Material und Fragen aus dem Alltag:Wie entsteht Schnee?Warum schmilzt Schnee?Welche Aggregatszustände hat Wasser? In welchen Formen erscheint Wasser?Mit welchen Hilfsmitteln kann Wasser steigen?Wie fließt Wasser (in welche Richtung)?

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Projekt/ Praxis

Welche Stoffe schweben, schwimmen oder sinken?Welche Stoffe lösen sich auf?Wie kalt / warm ist Wasser?Wieso schwimmt das Boot im Waschbecken?Welche Temperaturen weist Wasser auf?Welche Faktoren nehmen Einfluss auf den Gefrierpunkt des Wassers (Salz streuen)?Wo finden wir Wasser?

Die Kinder haben in der freien Explorationsphase mit Hilfe diverserAlltagsmaterialien wie Gartenschläuche, Seifenspender, Trichter, Behälter,Wasserwannen usw. Wasserlandschaften, Kaffeemaschinen, Parfümerien usw.gebaut bzw. entwickelt. Anschließend haben wir mit diversen Alltagsmaterialienwie Reißzwecken, Gläsern, Pfeffer, Öl usw. die Kohäsion und Adhäsion spiele-risch erforscht und entdeckt. In der Küche und im Werkzeugschrank haben siegestöbert und verschiedene Stoffe wie Kohle, Salz, Ketchup, Mehl, Tennisbälle,Korken usw. ins „kalte“ Wasser geworfen und beobachtet, welche Stoffe sich auf-lösen, welche nicht, welche Stoffe schwimmen, sinken oder schweben.Später schnappten wir uns die Messbecher, Behälter wie Vasen und Gläser inverschiedenen Formen und Größen, um jeweils 1 l Wasser abzumessen. Wir, dieErzieherinnen, haben vorher jeweils 500 ml in jedes Gefäß geschüttet. DerWasserspiegel war unterschiedlich hoch, abhängig von der jeweiligen Form. DieKinder öffneten ihre Augen, schalteten den visuellen Sinn ein und stelltenzunächst Vermutungen über die jeweilige Masse an. Der Schein trügt, wie siespäter festgestellt haben, da sie mit Hilfe der Messbecher der Sinnestäuschungauf die Schliche gekommen sind.Experimentieren ist keine Zauberei.

3. Diese Ziele sind uns wichtig:Die Kinder entdecken die Welt durch das Aktivieren ihrer Sinne. Je mehr Sinnegleichzeitig aktiviert werden, desto besser und intensiver können sie die Umweltlernend begreifen und ergreifen.Das Besondere an der forschenden Kita ist, dass Kinder Naturwissenschaften mitall ihren Sinnen auf den Grund gehen dürfen, sie in ihrem praktischen Tungestärkt werden. Sie dürfen ausprobieren, versuchen, ohne das Gefühl haben zumüssen, dass es richtig oder falsch ist. Die Welt ist nicht ohne Grund so wie sieist und jeder kann sie entdecken, wenn er seine Sinne öffnet.Der Bau einer Wasserleitung durch Kinder aus unterschiedlichen Gruppen illu-striert am besten, worum es beim Experimentieren geht: Jedes Kind bringt sichmit seinen Ideen ein, setzt diese um, darf umdenken und neu ansetzen, gemein-sam mit anderen Kindern. Hinterher, wenn die Wasserleitung fertig ist und dasWasser durch die Schläuche fließt – ohne Riss – schauen sich die Kinder an, undman entdeckt ein Glänzen in ihren Augen (ganz ohne Medien).

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Projekt/ Praxis

4. So arbeiten wirDer pädagogische AnsatzDie Einrichtung arbeitet nach dem Situationsorientierten Ansatz, d. h. dass dieErzieherinnen die Beobachtungen der Kinder, deren Erlebnisse und die damit ver-bundenen Bedürfnisse und Emotionen wahrnehmen, analysieren und mit ihnengemeinsam Projekte durchführen. Mit Hilfe des Ko-Konstruktiven Ansatzesschauen die Erzieherinnen, welche Phänomene Bedeutung für die Kinder habenund gehen gemeinsam mit ihnen den naturwissenschaftlich-technischenSituationen nach und erforschen sie, um der Ursache auf den Grund zu gehen.Die Exploration des Phänomens ist wichtig, nicht die Wissensvermittlung steht imVordergrund. Das heißt: Vom Alltagsmaterial in der Kita ausgehen, sichAnregungen für passende Experimente aus Handbüchern zusammenstellen.

Räume, ElternarbeitDer Kindergarten verfügt über diverse Räume, die multifunktional genutzt werdenwie z. B. der Essensraum, der je nach Belegung auch für Experimente genutztwerden kann. Ferner wurde ein Nebenraum einer Tagesstättengruppe gemeinsammit den Kindern in ein Forscherlabor umgewandelt, sodass die Kinder jeden Tagin der Freispielphase diversen Phänomenen auf den Grund gehen. Außerdem istdie Umwelt unser Forscherlabor (sowohl draußen als auch drinnen)!Elternbriefe und Aushänge informieren die Familien über den aktuellen Stand. DieKinder bekommen Kopien ihrer Experimente mit nach Hause. An Elternabendenwird nicht nur referiert, sondern auch experimentiert.

Die richtige HaltungUnser Ziel war die Vermittlung von Freude am Experimentieren. Wir wolltengemeinsam die Umwelt erforschen und vielseitigen Lösungsmöglichkeiten aufden Grund gehen. Es gibt kein Richtig und kein Falsch, nur Spaß an Vielem.Phänomene aus der Umwelt durch praktisches Tun zu begreifen, dies war derSchwerpunkt der Kinder. Sie wollen tätig werden, ohne unter der BeobachtungErwachsener zu stehen. Im häuslichen Umfeld reduzieren Zeitdruck und Ord-nungssysteme das Experimentieren. Und wo darf man schon eine Schaumpartyim Kindergarten veranstalten? Wo kann man aus Gartenschläuchen und Verbin-dungsstücken sowie Trichtern eine Latte-Macchiatto-Maschine herstellen, ohnezu kleckern? Experimentieren im Freiraum mit gewissen Regeln und Grenzen!

5. Das sollten Erwachsene wissenPannen sind erlaubt und sollten ausprobiert werden, sonst ist dasExperimentieren langweilig!Wir empfehlen:- Mut und Neugier, um die Welt gemeinsam mit den Kindern zu entdecken- Sein eigenes Wissen ausschalten und sich mit leerer Festplatte auf

Forschungsreise begeben! In Kindern steckt mehr Wissen als man denkt.

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Projekt/ Praxis

- Eltern mit ins Boot holen! Es ist viel Platz im Boot, um die Welt zu entdecken!- Nicht an den Schulunterricht denken! Naturwissenschaften können Spaß machen!

…und für die Nachhaltigkeit:- Gemeinsame Dokumentationen mit Hilfe einer Digitalkamera, Aufzeichnungen

der Kinder in kindgemäßer Bildungsdokumentation sind wichtig!- Naturwissenschaftliche Phänomene passieren jeden Tag! Deshalb sollten sie

einen kontinuierlichen Platz im Kita-Alltag finden!

Und nicht vergessen: Eltern einbinden!Die Eltern werden von Beginn an in die diversen Forschungsreisen mit eingebun-den. Das bedeutet, dass sie die jeweiligen Forschungsetappen ihrer Kinderanhand von Fotos, Zeichnungen und Erklärungen der Kinder verfolgen können.Auch „liefern“ viele Eltern Alltagsmaterialien – Menschen sind schließlich Jägerund Sammler. Elternbriefe und Aushänge informieren sie über den aktuellenStand, Kinder bekommen Kopien ihrer Experimente mit nach Hause und könnenso ihre Eltern in die Geheimnisse der Naturwissenschaften einweihen. AnElternabenden wird auch experimentiert.

Was braucht man, was ist an Vorbereitung nötig?Kaum etwas, das es nicht schon in der Kita oder in Haushaltswarenabteilungenoder zuhause in den Familien im Keller oder in der Abstellkammer gibt. DieAnleitungen für die Experimente holt man sich aus Handbüchern. Zum Beispiel zum Bau einer Wasserlandschaft: Gartenschläuche, Seifenspender,Trichter, Behälter.Zum Beispiel für Experimente zur Kohäsion und Adhäsion: Reißzwecken, Gläser,Pfeffer, Öl.Zum Beispiel zum Probieren, was sich in Wasser auflöst, was untergeht oderoben schwimmt: Kohle, Salz, Ketchup, Mehl, Tennisbälle, Korken.

6. Was sich bei uns, den Kindern, Eltern und in unserem Umfeld verändert hatInnen: Das Projekt hat verschiedene Einflüsse auf die Kinder gehabt. EinigeKinder, die über eine kurze Konzentrationsfähigkeit verfügen, erhöhten diese umdas 3-4fache. Die ständig neuen Beobachtungen durch die Experimente ermutig-ten sie zu neuen Forschungen. Ferner standen der Spaß und die Freude an denPhänomenen und deren Ursachen im Vordergrund. Für die Kinder wird klar:Naturwissenschaften haben nichts mit Zauberei zu tun, es gibt einfache, grundle-gende Erklärungen für Phänomene. Die Kooperation der Kinder und derErwachsenen mit ihnen, das unbefangene Herangehen an z. B. Eisangeln,Oberflächenspannung usw. führte zu gegenseitigem Respekt und Anerkennungunter den Kindern und zwischen Kindern und Erwachsenen. Eine weitere positiveNebenwirkung des Experimentierens: Erwachsene dürfen auch mal wieder Kindsein und „planschen“.

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Projekt/ Praxis

Außen: Durch das Projekt hat unsere pädagogische Arbeit zu diesem Thema inder Stadt Oelde einen anderen Stellenwert bekommen. Man kann es anders ver-treten. Ähnlich wie bei der Sprachförderung, die ein fester Bestandteil gewordenist, werden wir jetzt auch beim Thema naturwissenschaftliche Bildung auf kom-munaler Ebene ernster genommen.

Die Kita – auf einen Blick:Name: Städtische Kindertageseinrichtung „Die Sprößlinge“Träger: Stadt Oelde, Das Jugendamt

Ansprechpartnerinnen: Petra Wallers, Sandra BäumerAdresse: Ratsstiege 1, 59302 OeldeTel.: 02522 / 72 0E-Mail: [email protected]

Kindersicht:„Das sieht aus wie ein Stern!“ (Schnee)

„Ich koche dir jetzt einen LatteMacchiatto!“ (Bau einer Maschinemit Schläuchen, Trichtern…)

„Das ist ja Zauberei!“„Ich koche jetzt Suppe!“(Experimentieren mit löslichen,nicht löslichen Stoffen im Wasser)

„Bei mir klebt der Faden!“ (Eiswürfelangeln)

Elternstimmen„Meine Tochter macht zuhause jetztauch schon Experimente. Sie warimmer schon sehr interessiert anallem, aber jetzt möchte sie ganzgezielt etwas machen. Letztenshaben wir ein Experiment mit Rosengemacht, das hatten wir in derTageszeitung gesehen. Und siebringt vom Kindergarten auch immerIdeen mit. Wir probieren sowiesogerne neue Sachen aus, wir sind vieldraußen und sie fragt gerne. Vorhinsind wir mit dem Auto gefahren, dastieg der Dampf auf und sie wollteunbedingt wissen, warum denn dajetzt Nebel ist.”

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Projekt/ Praxis

Forschungs-AG Kindergarten St. Joseph, Oelde

1. Gute Voraussetzungen2. Der äußere Rahmen3. Dabei ist aufgefallen4. Tipps für die Umsetzung

1. Gute VoraussetzungenEs geht nicht ohne Erzieherinnen, die selber neugierig sind und mehr wissen wol-len, die selber ausprobieren, Erfahrungen machen und nachdenken wollen, wasKinder interessiert. Erzieherinnen, die zugleich die Sorge loswerden möchten, obsie die richtigen Antworten auf die vielen Warum-Fragen von Kindern geben undob sie ihnen Wissen „richtig“ vermitteln. „Diese Unsicherheit kann man in soeinem Projekt angehen, auch mit Kolleginnen ins Gespräch kommen undgemeinsam überlegen, wie man Forschen und Entdecken im Kindergarten anfan-gen und weiterentwickeln kann“, sagt Petra Fröchte, stellvertretend für das Team.„Richtig“ - so viel ist nach knapp zwei Projektjahren allen klar - ist Wissen, dasbei den Erfahrungen der Kinder ansetzt, bei ihren Fragen und Anliegen. Und rich-tig ist es, keine fixen Antworten parat zu haben, sondern die Anlässe zu nutzenum ins Gespräch zu kommen. Selber ausprobieren, Zeit haben, zusammen ver-stehen, das waren die Anliegen der Kinder. Sandkiste und Wassertablett und Magnete gab es auch vor dem Projekt schon.Aber gezielte Versuche mit einfachen Materialien, ganz simpel, auf die man sonstgar nicht käme - dafür brauchte man die Fortbildung mit den praktischenErprobungen. „Nur aus Büchern, die wir haben, ist das einfach zu aufwendig.Forschen bleibt dann ein einmaliges Ereignis.“

Tipp: Erst selber fortbilden. Am besten mitanderen. Erzieherinnen, die (wieder)Spaß und Lust an naturwissen-schaftlichen Themen finden, könnenKinder begeistern.

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Projekt/ Praxis

2. Der äußere Rahmen Eine Forschungs-AG für 16 Maxi-Kinder wird gegründet. Die Themen „Forschen,was ist das?“, „Wasser“, „Luft“, „Farben“, „Wind und Luft“, „Küchenchemie“.Einmal pro Woche steht einen Nachmittag lang freies Experimentieren oder auchein gezielter Versuchsaufbau im Mittelpunkt. Gemeinsam mit den Kindern wirdüberlegt und nachgefragt: „Was kann man sehen? Welche Vermutungen gibt es?Was ist passiert?“ etc. Die Versuchsaufbauten sind möglichst flexibel angelegt: Sie sollen nicht Wissenüber Abläufe vermitteln, sondern Experimentieranreize bieten. Die Rolle derErzieherin ist die einer Laborassistentin, die Varianten über neue Gegenstände,Farben oder Materialien anbietet und so den Denkprozess voran bringt. Soweitder äußere Rahmen. Das Besondere und Begeisternde daran: Die Erwachsenen lernten dieKindergartenkinder noch einmal neu sehen. Viele bringen einiges an Wissen mit,die meisten sind neugierig und fast alle machen sich logische Gedanken. Aufgroße Offenheit im Umgang mit der Wissenskonstruktion von Kindern kommt esan. Gespräche in der Forschungs-AG gehen manchmal in eine ganz andereRichtung als geplant. Und über Luft, Wind und Schwerkraft kann man schnellbeim Thema Weltraum, Astronauten und Raumstationen landen.

3. Dabei ist aufgefallen: - Die Zeit von Kindern richtig einzuschätzen, ist die Herausforderung. Wir haben

uns immer im Vorfeld viele Gedanken gemacht, was wir an dem Nachmittagmachen können und eigentlich jedes Mal festgestellt: Wir haben uns zu viel vor-genommen. Kinder brauchen viel mehr Zeit, sie müssen viel ausprobieren undwiederholen, auch am Tag danach noch.

- Hier lohnt es sich anzudocken: Kinder sind nicht unbedingt auf das Ziel (Wissenetc.) aus, sondern haben an dem Tun selbst größeres Interesse.

- Je größer die Gruppe, desto schwieriger das Arbeiten. Die Bedürfnisse sind oftsehr unterschiedlich: Es sind Kinder dabei, die sehr wissbegierig sind und vielVorwissen mitbringen, womit man manchmal gar nicht gerechnet hatte. Anderewerden unruhig, wenn nicht immer wieder Impulse gesetzt werden.

- Nachhaltigkeit kann durch Team-Einbindung erreicht werden. Erkenntnisse ausder Fortbildung wurden mit Selbst-Experimenten vorgestellt. Forscherkistenwurden zusammengestellt, mit Materialien und Infos, damit die Erzieherinnen,die nachmachen wollen, nicht erst ihre Experimentierkästen zusammensuchenmüssen.

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Projekt/ Praxis

4. Tipps für die UmsetzungVorlauf: Nach einer Fortbildung muss man sich ein bisschen Zeit lassen und nehmen, bis man alle Materialien und alles, was man benötigt, zusammen hat.

Die einfachen Dinge beachten! Hoher Nutzen für die Kinder. Ein Thema, das bis-lang im Schatten gestanden hat. Kinder sind sehr interessiert an den einfachstenDingen: Wasser, Sand, Magnete... etc., nicht immer an dem, was wir ihnen bei-bringen möchten. Es geht auch manchmal in eine ganz andere Richtung.Noch Tage nach der Forschungs-AG haben die Kinder Fragen gestellt und oderanderen Kindern ihr Wissen weiter vermittelt.Immer gutes Material sammeln! Damit eine spontane Absicht nicht scheitert, weilKleinigkeiten fehlen.

Die Kita – auf einen Blick:Name: Katholischer Kindergarten St. Joseph

Familienzentrum St. Hedwig & St. JosephTräger: Katholische Kirchengemeinde St. Joseph, Oelde

Ansprechpartnerin: Petra FröchteAdresse: Wibbelstraße 2, 59302 OeldeTel.: 02522 / 4294E-mail: [email protected]

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60 Versuche starten

Projekt/ Praxis

Die Mini-Forscher – Experimentieren mit Wasser Kindergarten St. Hedwig, Oelde

1. So forschen die Mini-Forscher2. Das haben wir erfahren3. Die wichtigsten Empfehlungen für Nachahmer 4. Nach dem Projekt: Wie geht es weiter...?5. Forscherplan für eine Woche

1. So forschen die Mini-ForscherDas Thema „Wasser“ erschien unkompliziert in der Vorbereitung. Es hat aufKinder eine magische Anziehungskraft: Wasser spielt im Alltag der Kinder einegroße Rolle und das Spielen mit Wasser ist normalerweise eher verboten. DiesenReiz des Verbotenen nahm das Team zum Anlass und nutzte ihn für den Einstiegin das Projekt:Zwei Wasserschüsseln, Pipetten, Brettchen, Münzen... (siehe „Forscherplan derWoche“) eine kleine Auswahl an Materialien, die nicht alltäglich sind und zumAusprobieren animieren - die Kinder sollten „behutsam“ an verschiedeneMaterialien und den Umgang mit ihnen herangeführt werden. Bei jedemForschertreffen sollten bekannte Hilfsmittel wieder auftauchen und Neue hinzu-kommen, nach dem Motto „Wiederholung und neuer Reiz“.

An fünf Nachmittagen trafen sich die Mini-Forscher, 20 Kinder zwischen vier undsechs Jahren, die durch eine Liste vor den Gruppenräumen, der auch eine kurzeBeschreibung des Projekts beigefügt war, angemeldet worden waren.

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Versuche starten 61

Projekt/ Praxis

Die Kinder brauchten Zeit, um die verschiedenen Materialien auszuprobieren;einige wollten ganz in Ruhe den ganzen Nachmittag forschen, ausprobieren,experimentieren und selbstbestimmt arbeiten. Andererseits nahmen Kinder amProjekt teil, die große Erwartungshaltungen mitbrachten und angeleiteteExperimente kaum erwarten konnten.

2. Das haben wir erfahrenDie Mini-Forscher haben sich zu einer festen Gruppe entwickelt, die sehr stolzund erwartungsvoll zu jedem Treffen erschienen ist. Jüngere Kinder haben sichlange und konzentriert mit wenig Material an den Wasserwannen beschäftigenkönnen. Ältere Kinder haben gerne viel Material mit in ihre Arbeit einbezogen undgerne angeleitete Experimente angenommen und nachvollzogen. Aus diesemGrund haben wir später die Forschergruppen getrennt, sodass alle Altersgruppenetwas von ihrem Nachmittag hatten. Besonders begeistert hat die Ausdauer, Zufriedenheit und Engagiertheit, mit dereinige Kinder gearbeitet haben. Einige Forscher waren so vertieft und konzentriertbeim Bauen von Booten oder Zählen von Wassertropfen, wie wir sie imKindergartenalltag nie erleben. Konzentration und Ausdauer kann man also aufganz verschiedene Art und Weise trainieren und nicht nur „schulisch“. Jedes Kindkann sich konzentrieren, wenn es sein Thema gefunden hat.

3. Die wichtigsten Empfehlungen für Nachahmer: - Den Kindern Zeit lassen.- Material zur Verfügung stellen und in petto haben, was man damit machen

kann. Nicht zu früh, zu viel eigene Ideen überstülpen.- Spontan sein.- Die Altersspanne der Kinder möglichst gering wählen. An unserem Projekt nah-

men zwanzig 4-6 jährige Kinder teil. Vorstellungen, Vorerfahrungen, Erwartungenund Ausdauer wichen sehr voneinander ab. Hier half es, die Gruppe zu teilen.

- Gruppengröße beachten. In unserem Projekt war die Gruppe mit 20 Kindern zugroß: Es gab zu wenig Platz für das freie Experimentieren und zu wenigPersonal, um ausreichend auf die Entdeckungen und Fragestellungen derKinder einzugehen.

- Gut bewährt hat sich, über mehrere Tage mit einem Thema (Wasser) beschäftigtzu sein. Die Kinder haben auf diese Weise ausreichend Gelegenheit, vielfältigeErfahrungen zu machen, zu wiederholen und zu festigen. Durch wechselndeImpulse innerhalb des Themas „Wasser“, z.B. Schwimmen/Sinken, Tropfen oderFarben, lassen sich dennoch zu Altbekanntem immer wieder neue Akzente set-zen.

Ein großer Stolperstein ist die notwendige aber fehlende Vorbereitungszeit für einderartiges Projekt. Intensive und ausführliche Vorbereitung ist sehr wichtig,sprengt aber oft den engen Zeit- und Personalrahmen einer Kita.

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62 Versuche starten

Projekt/ Praxis

4. Nach dem Projekt: Wie geht es weiter...?Damit den Kindern ihr Forschen lange in Erinnerung bleibt, ist es wichtig, ihnenihre Ergebnisse mit nach Hause zu geben. Dies bedeutet auch Wertschätzungihrer Forscherarbeit. So sollten die Materialien aus der Forscherzeit auch nachdem Projekt in der Gruppe bleiben und allen Kindern zum Weiterforschen zurVerfügung stehen. Nachhaltige Wirkungen haben außerdem Dokumentation undPräsentation der Laborarbeiten für die Eltern, beispielsweise Fotos, Ausstellungder Forschungsergebnisse oder Beschreibungen der durchgeführtenExperimente.

Die Kita – auf einen Blick:Name: Katholischer Kindergarten St. HedwigTräger: Pfarrgemeinde St. Joseph, Oelde

Ansprechpartnerinnen: Yvonne Denuel, Anne RobbenAdresse: Hedwigstraße 3, 59302 OeldeTel.: 02522 / 35 50E-Mail: [email protected]

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64 Versuche starten

Projekt/ Praxis

Montag ist ForschertagKindergarten St. Vitus, Lette

1. Das Projekt und wir2. So läuft ein Forschertag bei uns ab3. Diese Ziele sind uns wichtig4. Wie geht’s weiter?

„Erzähle mir und ich vergesse. Zeige mir und ich erinnere mich. Lass esmich tun und ich verstehe.“ Konfuzius 553-473 v. Chr.

1. Das Projekt und wir:Von Anfang an stand fest: Das Projekt passt zum Kindergarten. Experimentiertund geforscht wurde bei St. Vitus immer schon - aus reiner Neugierde, um her-auszufinden, was in der Welt um uns herum passiert. Wenn Kinder Fragengestellt haben, haben wir das anhand von Experimenten versucht zu erklären.Die Projektidee „naturwissenschaftlich-technische Bildung inKindertageseinrichtungen“ war somit eine runde Sache:

- Wir stehen am Anfang nicht allein da und können uns auf Hintergrund-informationen verlassen

- Zwei Erzieherinnen können teilnehmen, sich gegenseitig bestärken und unter-stützen

- Wir haben uns räumlich verändert, denn man muss Raum und Zeit für so einProjekt einrichten

2. So läuft ein Forschertag mit den Großen ab:Der Montag ist für das Experimentieren als fester Termin installiert, damit dieKinder genau wissen, wann geforscht wird. In Absprache mit den Kolleginnenwurde für das Projekt die Puppenecke aufgegeben. Gemeinsam mit den Kindernwurde die Forscherecke mit Unterlegmatten, Tisch und Stühlen eingerichtet. Fürdas erste Thema Wasser schafften wir eine große, transparente Wanne an undstellten Gegenstände wie Becher, Töpfe, Schalen, Trichter usw. zur Verfügung. Es begann mit den einfachen Experimenten: Wasser hat eine Haut; einWassertropfen macht sich auf die Reise... Denn der zweite Baustein des Modellslautet: Die Großen erforschen ein Gebiet und geben ihr Wissen im Laufe derWoche an die Kleineren in der Gruppe weiter. Damit alle noch mal hinsehen undden Versuch nachvollziehen können, werden die Experimente an der Tafel aus-gehängt.

Ihre Forschertätigkeit dokumentie-ren die Großen mit Zeichnungen,die in eine Mappe geheftet werden.Damit bleibt das Forscherthemawährend der ganzen Woche präsentund kann immer wieder abgerufenund wiederholt werden.

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Projekt/ Praxis

3. Diese Ziele sind uns wichtig:- Selbstbewusstsein stärken („Ich weiß jetzt etwas und kann mein Wissen weiter-

geben.“)- Sprachförderung durch das eigene laute Nachdenken und so Wiedergeben,

damit es andere verstehen- Soziales Lernen trainieren („Hört man mir zu...? Und wie motiviere ich die

Kleineren?“)- Den Rollenwechsel üben: Etwas weitergeben und vermitteln- Durch Versuche und Experimente Lösungen für die eigenen Fragen finden- Spaß am Ausprobieren finden und mit dem Durchführen von Experimenten zu

Lösungen kommen

Man muss lernen, sich zurückzunehmen!Auch wenn man ein festes Ziel im Hinterkopf hat und möchte, dass dementspre-chend geforscht wird... besser ist es:

- im Hintergrund zu bleiben, - zusehen, was das Kind macht, - es gewähren lassen, - nicht gleich aushelfen, assistieren oder aufwischen, was vergossen wird,- einfach mal abwarten, was passiert, - Vertrauen in die Kinder setzen, denn sie sind nicht überfordert, sie laufen nicht

weg,- zu erleben, dass viel mehr Fragen gestellt werden und die Kinder viel mehr

selbst ausprobieren als vorher,- akzeptieren, dass man nicht jedes Kind erreicht,- sich überraschen lassen, dass man manchmal ganz unerwartet die besonders

stillen Kinder erreicht.

Die Eltern......wurden schriftlich über das Projekt informiert; Versuche wurden an derPinnwand dokumentiert; eine Einladung zum Besuch der Forscherecke blieballerdings ohne Resonanz; beim Elternabend wurden einzelne Experimente aufge-baut und erläutert.Das Interesse der Eltern ist groß, doch steht für sie die Sachvermittlung - andersals für die Erzieherinnen - im Vordergrund. Die pädagogischen Ziele, mutig sein,sich herausfordern, an solche Sachen ranzugehen und sich trauen, müssen ihnenvermittelt werden.

„Es gab in der Gruppe ein ganzruhiges, stilles Mädchen, die vorherso wenig Selbstbewusstsein hatte.In der Forschergruppe hat sie logi-sche Verknüpfungen gebracht, dieuns verblüfft haben. Sie ist richtigaufgeblüht und wurde später gera-dezu die Forscherleiterin, wenn wirnicht weiterwussten.“ Conny Steffens, St. Vitus, Lette

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5. Wie geht’s weiter?Auch ein Forscherprojekt ist kein Selbstläufer. Der Elan flacht ab, wenn mannichts zur Verstetigung unternimmt.

In St. Vitus, Lette:- geben die Projekt-Mitarbeiterinnen ihre Erfahrungen regelmäßig ins Team

zurück. Sie bieten Nachmittage für das Team an, an denen die Experimentevorgestellt werden, damit auch die anderen durchs Mitmachen begeistert wer-den. („Nur hören reicht nicht, man muss es einfach ausprobieren. So ging esuns ja auch mit Kon te xis.“)

- weiß man, dass der große Stolperstein die Zeitplanung ist. Das Team entschiedgemeinsam, welches Angebot man für das Experimentieren fallen lassen wird,damit der Rahmen nicht noch voller wird. („Da muss man hartnäckig sein undsagen. Stopp! Montags ist unser Forschertag.“)

- ist geplant, das Projekt ab Herbst gruppenübergreifend den Vorschulkindernanzubieten. Im Kindergarten soll ein eigener Raum für das Forschen allen offenstehen. Eine Erzieherin wird das Thema und die Forscher betreuen. („Ein klei-nes Forscherlabor wäre schön. Soweit sind wir aber noch nicht.“)

Die Kita - auf einen Blick: Name: Katholischer Kindergarten St. VitusTräger: Katholische Kirchengemeinde St. Vitus

Ansprechpartnerinnen: Conny Steffens, Sabine WiemannAdresse: Schultenfeld 7, 59303 OeldeTel.: 05245 / 5550E-Mail: [email protected]

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Projekt/ Praxis

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68 Versuche starten

Projekt/ Praxis

JahresprojektKindergarten Hl. Kreuz, Stromberg

1. Ein Projekt, das zu uns passt2. Vier Tipps für die Durchführung3. ... und zwei Stolpersteine

1. Ein Projekt, das zu uns passtEin Experimentierfeld unter freiem Himmel ist allein schon das Außengelände desKindergartens in Stromberg: Eine gepachtete Weide mit Büschen und Bäumenergänzt den gepflasterten Innenhof. Auch im Kindergarten selbst habenNaturmaterialien beim Spielen Vorrang: Korken oder Kastanien im Wühlbeckensind ebenso Programm wie der Verzicht auf Schablonen zum Basteln. Man setztauf die Schulung der Sinne und die Wahrnehmung von Phänomenen. In diesem Sinne wurde das LWL-Pilotprojekt in die Kita-Philosophie integriert:Naturwissenschaftliches Forschen als Jahresprojekt – dafür nahm man in Kauf,dass wegen umfangreicher Umbauarbeiten im Haus, die Forscherlandschaftjedes Mal erst eingerichtet werden musste. Zur Forscherzeit steht dann die gewohnte Turnhalle nicht zum Turnen zurVerfügung, sondern ist mit vier Tischen und einigen Materialien bereits ausgestat-tet. Die sechs Forscher und ihre sechs Lehrlinge/Nachwuchsforscher könnenPlatz nehmen. Im Modell der Kita Hl. Geist zeigen die älteren den jüngerenKindern, was sie schon wissen oder erfahren haben. Versuche wiederholen und anderen erklären, festigt und vertieft und sorgt fürSelbstbewusstsein. Es ist zudem die Möglichkeit, wie sich Erwachsene raushal-ten können und nicht Gefahr laufen, in die Übungsleiterrolle zu geraten.Vorgegeben sind Pipetten, Wasser, Öl, Kerzen, Wachs, Farben, Filterpapier etc. -das deutet auf klare Versuchsanordnungen. Doch Lernergebnisse werden hiernicht vorausgedacht oder „durchgedrückt“. Die Kinder wählen frei und könnenauch zu einem anderen Experiment wechseln, wenn das Interesse nicht so großist. Das hat den Vorteil, dass die Durchführung sehr nah an den spontanenInteressen der Kinder ansetzt und kann den Nachteil haben, dass im Raum beimehr als 10 Kindern sehr viel Betriebsamkeit herrscht.

2. Vier Tipps für die DurchführungEin Einstiegskreis erinnert Kinder daran, dass hier heute nicht geturnt werdenkann, weil die Labortische aufgebaut wurden, und hilft noch einmal an bereitsbekannte Experimente zu erinnern.

Eine Ausstiegsrunde nach dem Experimentieren stärkt dasGemeinschaftserlebnis. Sie wird eröffnet mit einem gemeinsam durchgeführtenExperiment für alle (z.B. Luftballon-Rakete am Band durch den ganzen Raum)

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Versuche starten 69

Projekt/ Praxis

und endet mit einem kleinen Gespräch über eine Erkenntnis, Beobachtung odereine Frage, die offen geblieben ist.

Zwischen Experimentieren und Spielen sind die Übergänge fließend und werdenvon der Erzieherin beachtet.

Forschermappen mit Kopien der Experimente werden ausgegeben, damit Kinderund Eltern gemeinsam Nach-Forschen können, worum die Eltern gebeten hatten.

3. ... und zwei StolpersteineZeit: Zu viele Baustellen? Sprachförderung, Integration, Umbauten? Nicht zu vielvornehmen! Ort: Immer aufbauen und wegräumen macht das Forschen mühsam. DasExperimentieren wird dann zu einer Tätigkeit die „Unordnung“ macht. Gut wäre: ein Ort, ein Platz, eine Ecke, ein freier Raum im Kindergarten.

Die Kita - auf einen Blick: Name: Katholischer Kindergarten Heilig Kreuz, Oelde-StrombergTräger: Katholische Kirchengemeinde St. Lambertus

Ansprechpartnerin: Andrea OltmannsAdresse: Burgplatz 5, 59302 Oelde-StrombergTel.: 02529/ 1291E-Mail: [email protected]

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Projekt/ Praxis

Eisbrecher auch für ElternDas Kinderhaus, Oelde

1. Winterzeit ist Forscherzeit2. Gemeinsamkeit groß geschrieben3. Forschen hört nie auf

1. Winterzeit ist ForscherzeitUnser Thema lautete „Schnee und Eis“. Das lag nahe, denn wir sind im kalten – indiesem Fall sehr kalten – Winter 2009/2010 gestartet. Die Faszination von Schneeund Eis war Grundlage unseres Projektes, denn die Fragen der Kinder kamen wievon selbst:- Warum kann man Eis nicht im Gruppenraum aufbewahren?- Warum schmilzt Eis?- Wie kann Eis schneller schmelzen?- Was wird aus dem Eis?

Das Thema war den Kindern ganz nah, weil es von ihnen und nicht von denErwachsenen ausging. Die Rahmenbedingungen waren aufgrund des sehr langenund kalten Winters optimal. Die Kinder mussten nicht motiviert werden, da sehr vielEigenmotivation, Interesse und Spaß vorhanden waren.

Unser Projekt umfasste fünf Nachmittage mit Themen entlang der Fragen derKinder:- Warum schmilzt Schnee – wir holten in einer Metallwanne den Schnee von

draußen.- Wir forschen mit Eiswürfeln – benötigt wurde wieder die Metallwanne und

Eiswürfel, die von den Kindern eingefrorenen wurden.- Wir forschen mit kleinen und großen Eisblöcken! - Wir bergen Schätze aus dem Eis! – wieder kam die Metallwanne zum Einsatz,

darin ein großer Eisblock gefüllt mit Muggelsteinen, verschiedene Werkzeuge wieHammer, Nagel, Feile, Spachtel etc.

Wichtig sind Wechselsachen für die Kinder und die Erzieher/innen, außerdemHandtücher, Wischeimer und Aufnehmer sowie ein gefliester Tisch, an dem dieKinder im Stehen forschen können. Der Erzieher/die Erzieherin muss das „Chaos“und die „Überschwemmung“ zulassen können. Auf ausreichende Zeit achten!

2. Gemeinsamkeit groß geschriebenAls Familienzentrum haben wir eine große Vielfalt an Aufgaben, sindAnsprechpartner für Kinder und Eltern und arbeiten mit einem umfangreichenKonzept, das nicht nur Betreuung und Bildung, sondern auch Beratung und

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Projekt/ Praxis

Vernetzung für Familien umfasst. Das naturwissenschaftlich–technische Forschenmuss zwar erst noch in der bestehenden Konzeption schriftlich verankert werden -das Team steht aber geschlossen und neugierig dem Forschen gegenüber. Auchwenn wir zurzeit keinen Forscherraum einrichten können, weil einfach der Platz fehlt.„Gemeinsam tun – gemeinsam erleben“ ist unser Motto. Für die Kinder war dasWichtigste, durch das eigene Tun und durch das eigenständige Forschen ihreFragen selbst beantworten zu können. Uns war es besonders wichtig, die Kinder inihrem Forschen zu beobachten und zu begleiten; Die Ideen der Kinder aufzugreifenund ihnen, wenn benötigt, Hilfestellung und Materialien anzubieten. Gemeinsam tun, gemeinsam erleben, dazu gehört für uns als Familienzentrum aberauch, dass die Eltern eingebunden werden: Für alle interessierten Eltern haben wir einenForschernachmittag angeboten. Dieser Eltern-Kind-Nachmittag war sehr gut besucht.

3. Forschen hört nie aufEinmal angefangen, entwickelten die Kinder immer neue Fragestellungen – zumBeispiel diese: „Warum streuen wir Salz auf den Bürgersteig?“. Als erfahreneForscher/innen fiel es ihnen nicht schwer, auch diese Fragen (mit unserer Assistenz)durch eigenständiges Forschen mit entsprechenden Materialien und Gesprächenselbst zu beantworten.

Unsere wichtigsten Empfehlungen für nachhaltige Wirkungen der Forscherarbeit sindalso klar:- Das Thema muss vom Kind kommen- Genügend Zeit und Raum müssen zur Verfügung stehen- Wenn Bedarf und Nachfrage besteht sollte ein Experiment auch wiederholt werden

können- Man muss die Fragen und Antworten der Kinder ernst nehmen – auch wenn man-

che ihrer Theorien für uns nicht richtig erscheinen, sollten wir sie möglichst nichtverbessern oder berichtigen. Das Weltbild des Kindes muss sich selbst weiterent-wickeln können.

Die Kita - auf einen Blick: Name: Das Kinderhaus, Ev. Tageseinrichtung für Kinder & FamilienzentrumTräger: Evangelische Kirchengemeinde Oelde

Ansprechpartnerinnen: Simone Schneider, Birgit StoffersAdresse: Albrecht-Dürer-Str. 6a, OeldeTel.: 02522/ 2686 E-Mail: [email protected]: www.familienzentrum-in-oelde.de

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72 Versuche starten

Projekt/ Praxis

Günstige Gelegenheiten für kleine und größere ForscherkidsKita „Die Langstrümpfe“, Oelde

1. Herantasten: Zwei Projektstarts und die erste Forscherstunde der „Knirpse“

2. Freie Räume: Das Modell3. Lernerfolge ...4. Hingucker: Tipps für Nachahmer

1. Herantasten: Zwei Projektstarts und die erste Forscherstunde der „Knirpse“Am Anfang war das Feuer - in Form eines Teelichtes, das zum Start der Projekt-arbeit auseinander genommen wurde. Vier angehende Schulkinder nahmen mit vielNeugierde auf, was sonst im alltäglichen Ablauf nicht möglich oder als Spielen mitdem Feuer sogar verboten ist. Jetzt aber sollten sie ganz nah ran. Fragen kamenauf, z.B. „Wie heißt das?" oder „Wie funktioniert das?". Ausdrücke wie „Stängel"oder „das weiße Harte" wurden verwendet und mit den Kindern gemeinsam bespro-chen und aufgeklärt. Beim Erforschen des Feuers wollten die Kinder selbst etwasausprobieren: die Lupe halten, mit dem scharfen Messer schneiden und die Kerzenmit dem Feuerzeug und den Streichhölzern anzünden. Die „Forscherkids“ warengeboren – und mussten aus Personalgründen erst noch einmal warten.

Der zweite Projektstart für die „Forscherkids“ folgte in einem regenreichen MonatSeptember - zum Thema „Wasser". Die Fragen der Kinder gaben die Strukturvor: „Woher kommt das Wasser?", „Warum ist Wasser durchsichtig?", „Warumregnet es?" oder „Wie entsteht ein Regenbogen?". Während die Kinder mit demWasser ihre Erfahrungen machten, experimentierte die Kita mit der passendenForm. Arbeitskreise beim LWL gaben hier gute Impulse, die dafür sorgten, dassdas Projekt nicht gleich zu Beginn stecken blieb.

Für die Übertragung des Forscherkonzeptes auf die „Knirpse“ (0,9-2,6 Jahre)brauchte es wieder zum Einstieg nicht mehr als aufmerksame Erwachsene, diegenau hinsehen, womit sich die Kinder beschäftigen:

Es hatte geschneit und war viel zu kalt, um hinaus zu gehen. Eines der Kinderbemerkte, „der Schnee kann nicht zu uns rein kommen". Spontan holte eineKollegin mehrere Eimer Schnee in den Waschraum der Kita. Die Kinder standenstaunend und begeistert um die Waschrinne herum. Die erste „Forscherstunde"der „Knirpse" hatte begonnen: Einige Kinder fanden den Schnee zu kalt, andereKinder wiederum experimentierten. Sie fassten den Schnee an, der wurde voneinem Gefäß in ein anderes geschüttet, festgehalten bis er „nicht mehr da war"und sogar probiert, wobei die jüngeren Kinder herausfanden, dass der Schneenach „Nichts" schmeckt und nicht riecht.

„Wer weiß schon, dass Backpulvernicht nur zum Backen da ist, son-dern man damit Raketen steigen las-sen kann?Wer weiß, dass man nach einemEssigbad ein rohes Ei im Wasserbadsilbern bekommt oder Fingerfarbeauch aus ganz normalenLebensmitteln hergestellt werdenkann?Welche Eltern erlauben dem Kind imAlter von 1,5 Jahren auf demKüchentisch mit Fingerfarbe undKleister zu experimentieren oderholen Schnee ins Haus um ihn zuuntersuchen? Das alles macht das Forschen inunserer Einrichtung aus.“Christina Frankrone / „DieLangstrümpfe“

„Ein schwarzer Stift enthält vieleFarben.”

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Projekt/ Praxis

In der kleinen altersgemischten Gruppe wurde das Forschen und Experimentierenfortan fest eingeplant als „kleiner Grundbaustein", in dem es nicht darum gehensoll, einzelne Projekte tiefer auszuarbeiten, sondern den Kindern die Möglichkeitzu bieten, Unterschiedliches auszuprobieren. Forschen ist bei den sehr jungenKindern vielleicht nicht so systematisch und umfassend wie im Alter von 3 bis 6Jahren zu verstehen. Fragen kommen seltener als ganze Sätze vor, aber manbeobachtet die Kinder, sieht wohin sie sehen und begreift, was sie interessiert.Kleine Kinder erforschen ihre Umwelt, indem sie das, was um sie herumgeschieht, ergreifen und so das naturwissenschaftlich-technische Vorgehen„unbewusst" begreifen.

2. Freie Räume: Das ModellThemen: Experimente ergeben sich bei den größeren ebenso wie bei den kleine-ren Kindern situativ. Die beiden Fachkräfte nutzen das hohe Eigeninteresse derKinder und verstehen sich als (gut vorbereitete) Assistenten. Sie knüpfen da an,wo die Kinder Fragen oder Beobachtungen äußern und stellen dann Materialienund Laborausstattung zur Verfügung, die den Kindern helfen, Schritt für SchrittAntworten auf ihre Fragen zu bekommen.

Rolle: Wer Kinder an naturwissenschaftlich-technische Fragen heranführen will,muss lernen, im Hintergrund zu bleiben und sich zurückzunehmen. Die Kinderaktiv werden zu lassen - dieser wichtigste Grundsatz gilt für die kleinen und diegrößeren Forscherkinder gleichermaßen. Sie sollen sich selbst ausprobieren, undsie wollen in ihrem Tun eigenständig/selbstständig sein und ihre Gedanken undIdeen umsetzen. Beides ist wichtig: Motivation durch das erwachsene Team;natürliche Neugierde und ein lustvolles in Angriff nehmen auf Seiten der Kinder.

Formales: Hilfreich für intensives Arbeiten scheint die Beschränkung derGruppengröße auf vier Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren. Bei den U3-Kinderngibt es die Alternativen: Die ganze Gruppe an den Aktivitäten zu beteiligen odersich mit zwei bis drei Kindern ins Atelier zurückzuziehen. Gemeinsame Überlegungen im Team führten zur Teilung eines bislang andersgenutzten kleinen Ateliers als Forscherraum. Die Hilfsmittel, viele alltagsüblicheGegenstände, sind in einer Kiste untergebracht und werden bei jedem Projektlaufgenutzt.

Stolperstein: Das Ziel „jede Woche ein Experiment“, musste nach einigenMonaten aufgegeben werden. Planungen sind und bleiben im Kita-Alltag schwie-rig und können die Projektentwicklung auf Dauer behindern.

Hier lohnt es sich hartnäckig zu bleiben: Manchmal muss man gegenüber denKolleginnen vertreten, dass man sich mit der Gruppe zurückziehen muss, weil dieKinder gerade wissbegierig sind.

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Projekt/ Praxis

3. LernerfolgeSehr viel Spaß, großes Interesse, Freude und Neugierde hat das Projekt bei denForscherkids bewirkt und ausgelöst. Immer wieder kommen Fragen nach demnächsten Forschertreffen. Die Kinder sind stolz darauf, manches Mal mehrWissen mit nach Hause zu bringen als die Eltern haben. Das zeigte sich bei derspielerischen Hausaufgabe, eine Frage mit nach Hause nehmen und die Antwortmitbringen. „Voneinander Lernen“, als Gruppe miteinander umzugehen undRücksicht zu nehmen – sogar Kinder, die sonst schnell Langeweile entwickelnoder unkonzentriert im Alltag wirken, lassen sich auf die Projekte gut ein. Große und Kleine werden in den Forscherprojekten konfrontiert mit Dingen undZusammenhängen aus dem alltäglichen Leben, die sie sonst nicht so wahrneh-men und kennen. Allerdings „lernen“ die Forscherknirpse anders. Sie denkennoch kaum im Zusammenhang von Gestern und Morgen. Sie lernen bei jedemeinzelnen Schritt, beispielsweise, dass Schnee kalt ist, dass er schmelzen kann,dass Schnee eine feste Masse ist und vor allem, wie toll man damit spielen kann.Spielerisch aber sehr zielgerichtet und voller Begeisterung sammeln sie auf ihreWeise neue Erfahrungen und forschen weiter: Gestern mit Schnee, heute mitFarben und Rasierschaum...

4. Hingucker: Tipps für NachahmerVorbereitung: Zeit haben, den passenden Augenblick abwarten und mit einemtollen Thema beginnen. Man sollte sich eigenes Wissen aneignen und vor allemeigene Forscherneugierde haben, das heißt auch sich selbst die Hemmschwellezu nehmen, indem man das Thema „naturwissenschaftlich-technische Bildung“nicht zu kompliziert sieht. Zur Einführung das passende Material gemeinsam mitden Kindern zusammensuchen und mit einem „Materialtablett“ dieAufmerksamkeit wecken.

Durchführung: Vor dem eigentlichen Loslegen sollte jeder, der ein Experimentanleitet, es vorher selbst einmal ausprobiert haben, damit man möglichenPannen aus dem Weg gehen kann. Wenn die Kinder dann mitforschen, sollteman sich Zeit nehmen, damit sie sich auf die Naturphänomene einlassen könnenund sich ins Staunen versetzen. Alles erfolgt Schritt für Schritt und gelingt nichtimmer gleich beim ersten Ansatz. Sollte in der Durchführung mal etwas schiefgehen - nicht sofort aufgeben, sondern daraus neu schöpfen, woran es gelegenhaben könnte.

Hintergrund: Ein guter Vorrat an umfassender Literatur ist von Vorteil. Alles, wasim Alltag benutzt oder auch weggeworfen wird, ist kostengünstiges Material fürsExperimentieren. Räume: Fast überall lässt sich Platz zum Experimentieren und Forschen einrich-ten. Optimal wäre eine Forscherecke, die als fester Ort jederzeit genutzt werdenkann.

„Das Wort Aggregatzustände kenneich zwar nicht, aber ich bin gerade sehr damitbeschäftigt.”

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Projekt/ Praxis

Dokumentation: Fotos, Aussagen der Kinder sowie ihre Forscherarbeiten sind hilf-reich. Bei Festen im Kindergarten lässt sich das eine oder andere Experiment gutzeigen. Die Eltern wollen auch etwas erfahren.

Die Kita – auf einen BlickName: Städtische Kindertagesstätte „Die Langstrümpfe”Träger: Stadt Oelde, Das Jugendamt

Ansprechpartnerinnen: Martina Langenberg, Mechthild Nienaber, Anna Wilhelm, Christina Frankone

Adresse: Spellerstraße 15, 59302 OeldeTel.: 02522/ 62549E-mail: [email protected] Internet: www.oelde.de

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Projekt/ Praxis

Reggio plus Wichern-Kindergarten, Oelde

1. Hundert Sprachen: Reggiopädagogik als Grundlage2. Scheitern und Wachsen3. Öffentliche Anerkennung4. Vom Frieren und Auftauen – Winterexperimente auf einen Blick

1. Hundert Sprachen: Reggiopädagogik als GrundlageIn unserer Einrichtung arbeiten wir „Reggio orientiert“. Und ein Leitbild derReggiopädagogik ist es, Kinder als Forscher und Entdecker zu sehen. Das konn-ten wir in diesem Projekt vertiefen, unsere Ansätze verbessern, mehr Inputbekommen für Experimente. Wir sind überzeugt, dass Kinder über ein hohes Maßan Kompetenzen verfügen. Sie lernen durch alltägliche Erfahrungen, durchErkunden, Experimentieren und vor allem auch dadurch, dass sie ihreEntdeckungen, Erlebnisse, Empfindungen und Deutungen in „hundert Sprachen“zum Ausdruck bringen – mit Worten, Bildern oder darstellendem Spiel.

In der Reggio-Pädagogik werden Kinder als Forscher und Entdecker gesehen -dieser Gedanke hat uns dazu gebracht, an dem naturwissenschaftlich-techni-schen Projekt teilzunehmen. Ziel ist es, einen Raum zu schaffen, in dem dieKinder Anregungen und Materialien finden, die zum Experimentieren auffordern.Das ist eben auch die Reggiopädagogik, dass die Räume als „Dritter Erzieher“ zusehen sind.

Ein Beispiel: Ich hatte einen „Bohnentisch” in den Gruppenraum gestellt – ein Tischmit einer Holzumrandung, gefüllt mit weißen, getrockneten Bohnen. An diesemTisch konnten die Kinder wiegen, messen, gießen von einem Becher in den ande-ren, die Bohnen einfach nur durch die Hände rieseln lassen. Sie konnten frei experi-mentieren (offene Exploration). Alle Altersgruppen unserer Einrichtung haben zuunterschiedlichen Zeiten mit den Bohnen hantiert. Den 2-3 jährigen reichte es dieBohnen mit einem Löffel zu schaufeln. Die Großen haben mit Röhren Rutschbahnenund Abfüllanlagen gebaut.Für die Kinder hatte der Bohnentisch einen hohen Spaßfaktor, mein Ziel war es, denKindern eine Möglichkeit zu geben z.B. Mengen zu erfassen, zu wiegen und zumessen.

Das „Eis und Schnee Projekt“, das wir im Winter gemacht haben, hatte ebenfallseine hohe Aufmerksamkeit der Kinder. Und das Endergebnis „Kunst mit farbigemEis“ zu gestalten, hatte noch etwas Besonderes: Dieses (Eis)bild war vergänglich.

„Räume dienen dem Ziel, dasStaunen über die Vielfalt, dieGeheimnisse und den Zauber deralltäglichen Phänomene wieder zuentdecken. Unsere Einrichtungensind vor allem Werkstätten, in denenKinder die Welt untersuchen underforschen.”aus einer unveröffentlichtenMitschrift eines Gespräches mitLoris Malaguzzi, Reggio-Pädagoge

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Projekt/ Praxis

2. Scheitern und WachsenUns fasziniert immer wieder, mit welcher Neugier die Kinder an eine Sache heran-gehen. Es wird alles ausprobiert und bestaunt. Ob das ganze Projekt von Erfolggekrönt ist, ist für Kinder nicht wichtig, Hauptsache ist, es wurde alles ausprobiert– z. B. unser kleines Experiment mit einem Eiswürfel, Salz und einem Faden:Mithilfe des Salzes sollte ein Wollfaden am Eiswürfel kleben bleiben, so dass manihn daran hochziehen konnte. Dieser Versuch gelang leider nicht. Für die Kinderspielte das aber keine Rolle. Sie haben beobachtet, was das Salz mit demEiswürfel gemacht hat, eigene Theorien entwickelt, warum das Eis schmilzt,selbst das Salz wurde probiert - vielleicht war es das falsche Salz? Für Kinder istnicht das Ziel, das Endergebnis wichtig, sondern der Weg dahin. Ich bin derMeinung, dass man Kindern mehr zutrauen kann als allgemein erwartet wird.Kinder, die neugierig sind, sollten gefördert werden. Ich habe mich auch mitHochbegabungen beschäftigt - und in diesem Zusammenhang hat ein Expertegesagt: Die Flut hebt alle Schiffe. Ich kann Anregung anbieten – und das Kindholt sich, was für es wichtig ist. Kinder brauchen Zuwendung, und Kinder sollenauch spielen – nur kommt es darauf an, wie ich sie spielen lasse, was ich ihnenals Angebote gebe. Das eine Kind sieht das Angebot und nimmt es, das anderegeht dran vorbei.

3. Öffentliche AnerkennungDie Kindergartenarbeit hat sich sehr verändert im Laufe der Jahre. Vieles habenwir gemacht, weil es so bestimmt wurde. Und vieles machen wir schon sehrlange, ohne dass es große Anerkennung bekommen hätte. Wir haben zumBeispiel immer schon experimentiert, wir haben vieles schon gemacht, als esnoch gar nicht hieß, wir sollten es tun.Mit diesem Projekt und seiner Einbettung in den öffentlichen Raum hat unsere

„Vorstellung ist wichtiger alsWissen.“Albert Einstein

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Projekt/ Praxis

Arbeit plötzlich einen höheren Stellenwert bekommen nach außen. Was wir tun,wird aufgewertet – und die Leute schauen ganz anders hin. Man darf es nicht alszusätzliche Bürde sehen – sondern sollte einfach schauen: Wo ist dieses Themain meinem Kindergartenalltag schon präsent? Das ist auch für uns wichtig: Wirhaben nicht noch eine Aufgabe „dazu bekommen“ – wir machen vieles weiterund besser und einfach noch sichtbarer. Da lesen es dann die Eltern in derZeitung und sagen: „Passt mal auf, das macht ihr jetzt bestimmt auch imKindergarten!“

4. Vom Frieren und Auftauen – Winterexperimente auf einen Blick

1. Experiment: Schnee wird in 4 Einmachgläser gefüllt. Jedes Schneeglas wird mit einemTropfen Lebensmittelfarbe beträufelt. Die Gläser werden auf die Fensterbankgestellt. Nach einer Stunde kann man schon beobachten, dass der Schneeanfängt zu schmelzen. In der Mittagszeit stellen die Kinder fest, dass der gesamte Schnee geschmolzenist. Nun stehen vier Gläser auf der Fensterbank mit rotem, grünem, gelbem undblauem Schneewasser.

2. Experiment:Nachdem alle Kinder das geschmolzene Wasser gesehen haben, wurde überlegt,„was machen wir damit?“ „Wieder einfrieren“ war die beste Idee. In kleinenFormen wurde das Schmelzwasser verteilt und in flachen Schalen nach draußenin den Schnee gestellt. Das Wasser sollte wieder fest werden. Nach längeremBeobachten und dem Überprüfen, ob das Wasser zu Eis geworden ist, haben wirfestgestellt, dass die Kälte draußen nicht ausreichend ist und wir denGefrierschrank zur Unterstützung brauchen. Darin ist es noch kälter als draußen!

3. Experiment: Das Wasser ist zu Eis geworden! Was machen wir mit dem farbigen Eis? Wir haben einen Spiegel auf den Tisch gelegt und auf den Spiegel die Eisfiguren.Es wurde ein Bild gelegt.Rote, blaue, grüne und gelbe Eisstücke in rund und eckig bildeten ein Kunstwerkaus Eis. Durch die Raumtemperatur und die warmen Kinderhände verändertesich unser Kunstwerk ständig. Bizarre Skulpturen entwickelten sich, bis sich dasKunstwerk in Wasser auflöste.Alles ist vergänglich.

4. Experiment: Wir haben in einer Zeitschrift gesehen, wie aus einem Bettlaken ein Iglu gebautwurde. Das wollten wir auch versuchen. Als Erstes wurde ein Gestell gebaut. Anzwei Holzlatten wurde ein Bettlaken getackert, welches anschließend mit

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Projekt/ Praxis

Bändern an das Vordach unserer Terrasse gehängt und dann mit Wasser begos-sen wurde. Einen Tag und eine Nacht haben wir das Bettlaken draußen in dereisigen Kälte hängen gelassen. Am nächsten Tag war es fast steif gefroren, alsohaben wir das ganze Laken noch einmal nass gemacht. Am anderen Morgen wardas Iglu fertig! Wir haben das Iglu dann in den Schnee gestellt und sind fast alleeinmal hinein gekrochen. Am nächsten Tag setzte Tauwetter ein und schon lagalles platt im Garten!

Die Kita - auf einen BlickName: Wichern-KindergartenTräger: Ev Kirchengemeinde Oelde

Ansprechpartnerin: Marion RohdeAdresse: Johannesstraße, 95302 OeldeTel.: 02522 / 4764E-Mail: kontakt@wichern-kindergartenInternet: www.wichern-kindergarten.de

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Exkursionen

Exkursionen

Stöbertage bei Haver & Boecker, Oelde: Warum die Maschine so schnell wiegen können muss – und wie toll Pannen sind.

Stöbertage bei der GEA Westfalia Separator, Oelde: Wie das Prinzip der Salatschleuder auf die Drehbank kommt ...

Forscherfest: Die Flut hebt alle Schiffe

Raus ins Feld, ganz nah ran an die unbekannte Materie, den Phänomenen hinter-her - wer nur am Schreibtisch forscht, versäumt, wie die Dinge riechen,schmecken, sich anfühlen oder anhören. Forscher brauchen Exkursionen, undSinneseindrücke gehören zu den wesentlichen Antworten auf die Warum-Fragenvon Kindern. Das ist ein guter Grund für das Konzept, Stöbertage in Betriebendurchzuführen.

Drei/vier andere sind: Die Neugier der Kinder auf die Betriebe, in denen nicht sel-ten ihre eigenen Eltern arbeiten. Sie können dort sehen, welche Produkte wie ent-stehen – und wie ähnlich viele Prozesse dem sind, was sie auch in der Kita inihren Experimenten tun. Sie können echte Erkenntnisse in einer echtenUmgebung gewinnen, was die Dimension von Gebäuden, Maschinen, Werkhallenganz neu erschließt. Und schließlich führt jeder Blick über den Tellerrand zuBildungs-Begegnungen auf beiden Seiten.

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Exkursionen

Stöbertage bei Haver & Boecker, OeldeWarum die Maschine so schnell wiegen können muss – und wietoll Pannen sind

Ungewöhnlich still sind die meisten Kinder schon, als sie da im Schulungsraumsitzen, in dem gleich ein Film über Haver & Boecker zu sehen sein wird. Was wirdjetzt passieren in dieser riesigen Fabrik? Das Ambiente ist schon ein bisscheneinschüchternd…wären da nicht die „Großen“: Auszubildende, die die Kinderbeim Rundgang an die Hand nehmen und später mit ihnen eine Windmühle undkleine Plastikfiguren bauen werden. Sie sind das „Geheimrezept“ einesStöbertages bei H&B. Wie große, fürsorgliche Geschwister widmen sie sich ihrerpädagogischen Aufgabe sichtlich gerne mit beachtlichem Engagement undSensibilität für die Kleinen. Zum Glück gibt es viele von ihnen: 122 Azubis gibt esbei Haver & Boecker allein in Oelde.An der ersten Station, gleich neben dem Schulungsraum, fängt die Arbeit an:Hier sollen die Kinder mit Unterstützung exakt zwei Kilo Sand in bereit gestellteTüten abfüllen, eine digitale Waage misst genau und will gut im Auge behaltenwerden. Augenmaß, ein Gefühl für Gewichte und Mengen, nicht allzu hektischesSandschaufeln und Geduld sind gefragt, bis die Tüten gefüllt sind. Das dauert!Die „Großen“ geben Tipps, wie viel Sand ungefähr noch auf die Schaufel muss,bis die zwei Kilo in der Tüte voll sind - und saubermachen werden sie hinterherauch.Später erleben die Kinder, in welch rasendem Tempo eine Maschine von H&Beinen Zementsack exakt auf das Zehntelgramm genau füllen kann. Sie werdenAbfüllmaschinen bestaunen und sich fragen, warum eine rund wie ein Karussellgebaut ist (Antwort: weil sie so weniger Platz braucht). Einige werden mutig vor-schlagen, doch selbst einmal auf den Abfüllstutzen „Karussell“ zu fahren, wohlwissend, dass ihnen der nette Führer das natürlich nicht erlauben wird. Und eini-ge rätseln begeistert, warum der Prototyp einer Maschine lauter Säcke auf denBoden wirft, statt sie zu füllen – Pannen sind eben oft faszinierender alsPerfektion. Sie bestaunen die riesigen Kräne, die an der Decke der Halle entlangfahren, mit denen man mühelos das Familienauto in die Luft heben könnte oderdie Monstertasche, die fast aussieht wie die Einkaufstaschen zuhause - nur zehnmal so groß. Und sie erleben mit eigener Hand, wie leicht sich eine Masse, diewie feines Mehl aussieht, bewegen lässt, wenn von unten Luft in den Behältergeblasen wird. Da sind auch kleine, zarte Mädchen stark wie Pippi Langstrumpf!

Bei all dem werden sie freundlich zurückhaltend begleitet von denAuszubildenden. Denen ist der Stöbertag der Dötze weder lästig, noch finden sieihre Rolle unter ihrer Würde: Es sei schön, auch mal Kinder hier in der Firma zu

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Exkursionen

haben, denen was beizubringen und mit ihnen zu arbeiten, sagen sie. Für denAusbildungsleiter Alfons Tentrup sind sie das A und O der Stöbertage: „Man siehtja, wie begeistert die Azubis bei der Sache waren. Die geben sich große Mühe,versuchen auch mit den Kindern ins Gespräch zu kommen, ihnen zu zeigen, wieman was macht.“

„Die können viel mehr als ich dachte“Zweite Station des Stöbertages bei Haver & Boecker: Die Kinder sind zurück imSchulungsraum und je ein Azubi unterstützt sie dabei, ein Windrad zu bauen, dassie als Erinnerungsstück mitnehmen dürfen. Mark11, der mit Luisa arbeitet, istbeeindruckt: „Ich wusste gar nicht“, gibt er zu, „dass die in dem Alter schon sol-ches handwerkliches Geschick haben“. Ob wir alle „die Kleinen“ unterschätzen?Immerhin arbeiten sie hier mit Schulungsfolien, die eigentlich für ältere Kinder undjunge Auszubildende gedacht sind: Auf jeder Folie ist zwar nur ein Bauschritt zusehen, aber man muss schon ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen haben,um ein Bild in den richtigen Handgriff zu übersetzen. Felix ist überzeugt, dass dieKinder am Stöbertag „auf jeden Fall technisches Verständnis und vielleicht sogarInteresse an einem technischen Beruf entwickeln“. Aber auch er ist überrascht,wie gut „sein“ Kind die komplizierte Zeichnung verstanden hat: „Man traut denenzu wenig zu, ich bin positiv überrascht worden.“

Alfons Tentrup empfiehlt das Konzept der Stöbertage bei Haver & Boecker auchanderen Unternehmen: Eine einfache Besichtigungstour reiche nicht, Kinderbrauchten Stationen, an denen sie aktiv etwas machen können und möglichstauch ein eigenes Produkt zum Mitnehmen. Und sie brauchen die Azubis alsMentoren: „Für die Kinder ist es von großer Bedeutung, wenn sich jemand um siekümmert. Alleine bei der Montage würden sie schnell die Lust verlieren. Darumhaben wir von vornherein gesagt, es muss eine 1:1 Betreuung geben, sodass sieFragen stellen können und ihnen einer hilft. Ganz wichtig auch: Alle 15 MinutenOrt und Aufgabe wechseln, so langweilen sie sich nicht.“

Alle Bestandteile der kleinen„Windmühle“, die dieAuszubildenden von „Haver &Boecker“ gemeinsam mit denKindern zu bauen beabsichtigten,hatten sie selbst hergestellt - auchdie Schrauben. Die Kinder warenbeeindruckt. Konzentriert, dieZungenspitze heraus gesteckt,balancierten sie die kleinenSchrauben und drehten sie auf dasGewinde. Wenn es misslang, ver-suchte der Auszubildende es.„Geht nicht!“ gab ein Kind auf.Frustriert nahm der Auszubildendedie fehlerhaft gefertigte Schraube.„Mist, wenn die nicht funktionie-ren!“ stellte er fest. „Das Gewinde,guck mal, es ist nicht richtiggeschnitten. Da müssen wir näch-stes Mal sauberere Gewindeschneiden ...“ „Ja! Da ist so einDing in der Rille! Guck mal! Diesehier ist besser!“, antwortete seinekleine Arbeitskollegin.

11. Namen der Kinder und Azubisgeändert

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Exkursionen

Stöbertage bei GEA Westfalia Separator,OeldeWie das Prinzip Salatschleuder auf die Drehbank kommt ...

2 mal 8 Kinder, 5-6 Jahre alt, einige halten sich noch lange nach der Ankunft imBetrieb an der Hand, denn eine Werkhalle ist riesig und fast alles, was hier zusehen ist, ist den Kindern vollkommen neu. Da ist es gut, dass 16 motivierteAzubis ganz einfache Versuche zum Warmlaufen bei den Stöbertagen ausgewählthaben: Ein Wassereimer, bis zur Hälfte gefüllt, wird mit großem Armschwungviele Male im Kreis durch die Luft geschleudert - und kein Tropfen fällt hinaus.Wie das? Erste Vermutungen werden geäußert. Nach und nach klärt sich dasPrinzip Salatschleuder und durch behutsames Assistieren der Azubis erfahren dieKinder, was Fliehkraft bedeutet. Danach kommt eine Handzentrifuge aus dem Werkmuseum zum Einsatz. Gutmöglich, dass sie manch eines der Kinder vom Bauernhof kennt: Hier wird Sahnevon Rohmilch getrennt und später in der Frühstückpause wird die zweite Gruppeerfahren: „Wir haben gerade Butter gemacht für unseren Kindergarten“. Die zwei-te Stöber-Gruppe kommt zum Pausensnack mit Joghurt und Saft direkt aus dergroßen Werkhalle des Betriebes. Dort werden Separatoren, die in Maschinenweltweit zum Einsatz kommen, gefertigt - und man darf schon gespannt sein, wiees den Azubis an Drehbänken und Fräsen gelingt, das abstrakte Wissen hinterder komplexen Technologie zu vermitteln.

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Exkursionen

„So ruhig sind sie sonst nie“Liegt es an der 1:1 Betreuung, an den großen Schutzbrillen, die jedes Kindbekommt oder auch daran, dass hier echte Arbeitsgeräte bedient werden müssenund nicht Spielzeug? Je ein Azubi mit je einem Kind an der Hand tritt den Wegentlang der Werkbänke und Maschinen an. An jeder Station bekommen dieKinder eine kurze Erklärung und dann die Gelegenheit, selbst zu bohren, fräsenoder den Startknopf zu drücken. Zeit lassen, erst zeigen und das Nötigsteerklären und schließlich die Kinder machen lassen - die Azubis zeigen sehr vielpädagogisches Talent. Was die Kinder anfangs noch nicht überblicken können:Nach und nach entsteht an den Maschinen ein kleines raffiniertes Werkstück, dasman später mit nach Hause nehmen kann: ein kugelgelagerter Drehkreisel, der imletzten Arbeitsgang graviert und mit Ziffern versehen wird. Rote Backen, aktiveKinder, die erste Schüchternheit ist wie verflogen. Kinder, die sonst schnell aufge-ben, bleiben dran, sagt die Erzieherin - auch weil jeder den tollen Würfel habenwill.

Ein Gewinn für beide Seiten Stöbertage mit lauter glücklichen und vor Aufregung geschafften Kindern funktio-nieren dank guter Planung und Vorbereitung. Heinz-Josef Westbomke von GEAWestfalia Separator hat alle Überlegungen zum Gelingen der Werkerkundungdurch Kindergartenkinder sinnvoll mit den Azubis des Betriebes geteilt.Aktivierung und Beteiligung passt zum Ausbildungskonzept des Unternehmens:GEA will Auszubildende, die mitdenken, Verantwortung tragen und die sich mitder werkseigenen Produktion identifizieren. Das üben und trainieren sie währendder Ausbildung in der Präsentation von Lerninhalten z.B. durch wechselseitigesErklären. Das können sie auch während der Stöbertage unter Beweis stellen:Azubis bereiten sämtliche Abläufe vor, sorgen für Rohmilch und Kugellager, pla-nen genau, was sie in welcher Reihenfolge zu erzählen haben und schaffen es inder Werkhalle, dass sich kein Kind verletzen kann und trotzdem alle ganz nahrangehen können. „Solche Spezialisten brauchen wir, die über ihr Fachwissenhinaus auch Tüftler und Problemlöser sind“, sagt Heinz-Josef Westbomke.Gemeinsam mit den Azubis hat er auch das ganz besondere Mitbringsel erdacht,das den Kindern alle Stationen der Fertigung vorstellt und ihnen gleichzeitig eineGedächtnisstütze für Zuhause mit an die Hand gibt. Und am Ende weiß mankaum, wer zufriedener mit dem Tag war, die Gäste oder die noch jungenGastgeber. Erfasst!

Ein Formular, mit dem sich dasAngebot der Betriebe leicht undtransparent für alle darstellen lässt,findet sich unter: www.forscherkinder-oelde.de

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Exkursionen

ForscherfestDie Flut hebt alle Schiffe

An einem regnerischen, stürmischen Maisonntag platzt das 1200 qm großeFestzelt aus allen Nähten. Eltern und Kinder, Omas und Opas, Schaulustige,Schulkinder und viele Bürger/innen der Stadt können hier an einem Nachmittagerleben, was es heißt, wenn „ihre“ Kita-Kinder forschen: Es ist „Forscherfest“ -der krönende Abschluss des Oelder Pionierprojektes zur naturwissenschaftlich-technischen Bildung in Kitas. Jede Einrichtung hat einen Schwerpunkt vorberei-tet, an den Ständen können Gäste von 2 bis 85 selber experimentieren, probierenund Phänomenen auf die Spur kommen: Ganze Familien basteln Vitaminraketen,machen Hörtests, experimentieren mit Wasser und Luft, lassen Autos anMagneten einen Parcours bewältigen, bringen Tischtennisbälle zum Schwebenund Bilder zum Leuchten. Omas, Mütter und Tanten bestürmen den Kon te xis-Stand, um auch ein Karussell oder ein Segelboot zu bauen, Väter wetteifern mitihren Töchtern, wer den Ball am längsten oben behalten kann. Die halbstündigenAuftritte der „Physikanten“ ziehen mit ihrer Bühnenschau große und kleineZuschauer und Zuschauerinnen in ihren Bann von „Hochspannung undExplosionsgefahr“. Auf dem Gelände, auf dem die ortsansässigen Unternehmennoch kurz zuvor die Ausbildungsmesse („Mach mit“) bestritten hatten, nutzenjetzt die 12 Kindergärten im Projekt die Infrastruktur für den öffentlichenHöhepunkt des Oelder Projektes für naturwissenschaftlich-technische Bildung.

Eine logistische Meisterleistung – insbesondere dank des Engagements desPionierunternehmens Haver & Boecker. Am Ende hat man mehr als 4000 Gästegezählt, ungezählte Raketen abgeschossen, das ein oder andere T-Shirt durch-nässt und Tischtennisbälle in den Ecken des Zeltes versenkt. Die Honoratiorenhaben geredet und der Presse Rede und Antwort gestanden, die Azubis habenselbst noch im strömenden Regen Würstchen gegrillt, im Trockenen Kuchen undKaffee verkauft.

Bildungslandschaft konkretVor allem aber: Das Fest bildet den vorläufigen Höhepunkt einer öffentlichenWahrnehmung und Wertschätzung der Arbeit von Erzieher/innen und Kindern.Was bei einem Kitafest auf dem eigenen Gelände für eine kleine Öffentlichkeitgelingt, schafft das Forscherfest für die ganze Gemeinde: Frühkindliche Bildungund Erziehung zur Bürgerangelegenheit einer Stadt werden zu lassen. Für einpaar Stunden können vergessen werden: Die ständig wachsenden Erwartungenan Erzieher/innen mit neuen Pflichten und manchmal fragwürdigen Methoden, diesich Politik oder Wissenschaft ausgedacht haben, ohne die finanziellenRessourcen zu verbessern; die Missachtung von „Kindergärtnerinnen“; der Alltagmit überlasteten Familien, die pädagogischen Herausforderungen.

„Plötzlich hat ein pädagogischesProjekt einen Stellenwert bekom-men nach außen. Unsere Arbeitwird aufgewertet – und die Leutenehmen sie viel genauer wahr. Dalesen dann Eltern in der Zeitungvom Projekt und sagen dann: Passtmal auf, das macht ihr jetztbestimmt auch im Kindergarten!“

Marion Rohde, Wichernkindergarten

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Exkursionen

Ein Forscherfest zeigt sehr praktisch, wie kommunale Bildungslandschaften12

aussehen können: Was es wirklich heißen kann, wenn Bildung die Angelegenheitvon allen Bürger/innen ist – seien sie nun Geschäftsführer eines Unternehmens,Bürgermeister, Kita-Leiterin oder „einfach nur“ interessierte Eltern.Beim Forscherfest tauchen auch diejenigen auf, die bislang nur Zaungäste desProjektes waren oder im Hintergrund die Fäden zogen: der ehrenamtlich arbei-tende Verein, der sich Naturwissenschaft für Kinder auf die Fahnen geschriebenhat, der Schreiner, der seine kleinen Betrieb zur Erkundung anbietet, dasKulturgut Haus Nottbeck, das mit einer echten alten Druckerpresse vor Ort ist,mit der man den eigenen Namen oder auch ein verrücktes Letternbild druckenkann, Fortbildungseinrichtungen wie Kon te xis, das Jugendamt und das LWL-Landesjugendamt Westfalen.

Hier können die Pioniere ganz nebenbei befragt werden von denen, die nochunsicher sind, ob so etwas wie ein Stöbertag auch in ihrem Unternehmen funk-tioniert. Hier schaut die Kita X dem Familienzentrum Y über die Schulter, hierholen sich Mama und Papa Anregungen für das Experimentieren zuhause.

12.Bildungslandschaft ist ein Kunstwort der Politik – gemeint

ist etwas sehr Kluges: Ein umfassendes Bildungsverständnis, dasviel mehr meint als Schule und vielmehr als Mathe, Englisch,

Deutsch. Ein Netzwerk in dem Konzepte erweitert, Bildung mit viel mehr Akteuren als üblich gestaltet werden soll: mit Kindergärten und Jugendzentren,Schulen und Sportvereinen, mitBürgerinitiativen, Kindern und Eltern, mit Volkshochschulen undUnternehmen, mit Vereinen und einzelnen Aktiven und vielen anderen.

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Schulterblicke

SchulterblickeFragen und Antworten zu einer gelungenen Kooperation

Fragen zu Forscherfest und Stöbertagen

Stöbertage und was man daraus lernen kann:Kindertageseinrichtungen und Firmenvertreter ziehen Bilanz

Mit Ideen und Initiative Neues entwickeln:Karl-Friedrich Knop, Bürgermeister der Stadt Oelde

Früh, spielerisch und ohne Druck:Ein Gespräch mit Dr. Reinhold Festge, Geschäftsführer Haver & Böcker, Oelde

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Schulterblicke

Fragen zu Forscherfest und StöbertagenKann man einen Stöbertag auch in einem sehr kleinen Unternehmen und ohneAzubis machen?

Ja, das ist möglich. Eventuell muss wegen der Betreuung und zum Schutz derKinder die Gruppe dann kleiner sein, evtl. müssen Eltern mit eingebunden wer-den. Man kann dann zum Beispiel die Experimentierphasen der Kinder evtl. indie Kita verlegen und die Besichtigungsthemen oder –stationen dort aufgreifen.Am Beispiel Haver & Boecker: Man könnte das Abwiegen von Sand schon inder Kita machen – sogar vor dem Besuch in der Firma – und es dann dort wieder aufgreifen.

Gibt es auch andere Möglichkeiten, wie Kitas mit Firmen zusammen arbeitenkönnten?

Siehe oben: Experimente in der Kita, Besichtigung darauf abgestimmt in einemUnternehmen. Und natürlich können Firmen mit Material – oft sogar mit dem,was dort in den Müll wandern würde – die Forscherarbeit in Kitas unterstützen.Am besten lassen sich Ideen entwickeln, wenn Unternehmensmitarbeiter in derKita an Forschertagen hospitieren, um zu sehen, bei welchen Themen sichStöbertage oder andere Kooperationen anbieten würden – und umgekehrtKita- Mitarbeiter/innen bei Firmenbesuchen auf Ideen kommen.Und natürlich eignen sich auch Museen oder Vereine als Kooperationspartner.

Ist es nicht besser, ein kleines Forscherfest in der eigenen Kita zu machen?

Besser oder schlechter gilt nicht! Natürlich kann man z.B. zur Verabschiedungder Schulkinder ein Forscherfest machen oder statt eines Sommerfestes. DerVorteil der „kleinen Forscherfeste“: Ein neues, ungewöhnliches Thema für dieklassischen Anlässe und die volle Aufmerksamkeit der Eltern und Nachbarnoder auch Honoratioren für die eigene Kita. Der Vorteil des großenForscherfestes: Eine ganze Gemeinde nimmt das Thema wahr, von denHonoratioren über Firmenchefs bis zu den Familien, jede einzelne Kita wird soTeil einer großen Aktion, das Thema wird aufgewertet, wird Stadtgespräch.

Was muss man beachten bei einem großen Forscherfest für eine ganzeKommune?

Der Ort muss wetterfest sein – ein solches Fest für draußen zu planen, birgt zuviele Risiken. Das „Oelder Modell“ lässt sich sicher auch an anderen Orten und

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Schulterblicke

mit anderen „Vorläuferevents“ imitieren: Man nutzt ein bereits für ein anderesEvent platziertes Zelt (oder eine bereits mit Messeständen ausgerüsteteStadthalle) für das Forscherfest. Bei Beteiligung von Unternehmen bietet sichdas Andocken an Veranstaltungen an, an denen die Unternehmen auch betei-ligt waren/sind. Vor allem für logistische und Messebau-Fragen ist das Know-How von Firmen, die oft Messen besuchen, kaum zu toppen. Die durchschnitt-liche Standgröße pro Kita sollte mindestens drei mal drei Quadratmeter betra-gen, damit auch Platz genug für’s Mitmachen ist. In jedem Fall empfiehlt sichfür eine solche Großveranstaltung die Kooperation mit erfahrenen (größeren)Partnern, denn logistische, sanitäre und Sicherheitsfragen müssen beachtetund geplant werden, das Catering und die Beschallung organisiert und bezahltwerden und, und, und.

www.forscherkinder-oelde.de Stichwort: Planungskonzeption Forscherfest

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Schulterblicke

Stöbertage und was man daraus lernen kannKindertageseinrichtungen und Firmenvertreter ziehen Bilanz

100 Prozent Zufriedenheit bei allen Beteiligten und die feste Absicht, weiter zu stöbern - mit diesem gemeinsamen Fazit zeigten Erzieherinnen undFirmenvertreter hohe Zustimmung zu der erstmaligen Begegnung von produzie-renden Betrieben am Ort und den Kindern aus 12 Kindertagesstätten in Oelde.Die Ergebnisse der Stöbertage 2010 hier im Überblick:

Erfolgsfaktor: Gute VorbereitungEs beginnt mit einer klaren Angebotsbeschreibung13 für den Stöbertag von Seitender Unternehmen und genauen Absprachen zwischen Firma (in der Regel demAusbildungsleiter) und Kita (mit den verantwortlichen Erzieher/innen, die auchbeim Stöbertag dabei sein werden). Das A und O der Betreuung am Stöbertag isteine sehr gute Planung und die Einstimmung der Azubis in das Thema und ihreZielgruppe Kindergartenkinder. Auch ihre Ideen sind hilfreich für die Entwicklungkindgerechter, spannender Angebote in kindgerechter Sprache, mit verständli-chen Erklärungen. Mit Geduld sollten die Auszubildenden die Arbeitsaufträge fürdie Kinder wiederholen können. Ein partnerschaftlicher Umgang mit den Kindernversteht sich von selbst, und eine 1:1 Betreuung durch die „lieben“ Azubis machtden Stöbertag perfekt. Weniger Vorbereitung braucht man für die „Disziplin“ derKinder, die in der Regel vom fremden Ort und seiner Größe beeindruckt sind.Und auch für die Erzieherinnen eröffnen sich durch die Betriebsbesuche neuePerspektiven: „Es war perfekt“.

Höhepunkte: Kleine Welt in großer Welt gespiegeltMan kann es den Kindern ansehen und spüren – und oft noch Wochen späterhören und an Nachfragen und neuen Ideen bemerken: Stöbertage sind Festtage,Rundum-Pakete aus Erlebnis und Bildung: Wissbegierige und technisch begei-sterte Kinder, deren Geschicklichkeit die Azubis in Staunen versetzt und strahlen-de Kinderaugen, die den besten Beweis abliefern für die pädagogischenFähigkeiten der Azubis. Auch Zappelphilippe können sich konzentrieren, und dieeigenen Produkte zum Anfassen (und Aufessen) lassen den Entdecker- undMacherinnenstolz wachsen: „Aus Rahm kann ich Butter machen!“ So groß undfremd können Maschinen gar nicht sein, dass man nicht durch geschickteAnalogien und kluge Experimente ihre erstaunlich alltagsnahe Gestalt (wie einKarussell) verstehen, ihren Nutzen und ihre Funktionsweisen erleben könnte –seien es die Schleudern (Zentrifugalkräfte) oder die großen Maschinen, diezugleich wiegen und abfüllen können. Faszination Werkshalle: Würde der Kran

13. Ein Formular, mit dem sich die Angebote der Betriebe leicht undtransparent für alle darstellen lassen, findet sich unter www.forscherkinder-oelde.de

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Schulterblicke

auch unser Auto heben können? War mein Vater nicht auch früherGabelstaplerfahrer? Wie geht der Zahlencode zum geheimen Raum? Woraufkommt es an, damit mein Windrad sich auch dreht? Die Erfahrung ist umso nach-haltiger, umso mehr die Kinder etwas selbst herstellen und mitnehmen dürfen.Hier mischt sich der Stolz auf das eigene Produkt mit der Erinnerung an die„großen“ Vorbilder, die man gesehen, berührt, erlebt hat. Ist jemand verwundert,wenn ein Kind seine Würfelspiele nur noch mit dem „einen“, selbst gemachtenWürfel spielen will? Oder das Windrad einen Ehrenplatz im Garten bekommenmuss? Auch die Druckerei Festge und das Museum Klipp Klapp haben sich anden Stöbertagen beteiligt, um weiteren Kindern die Möglichkeit des Stöberns zueröffnen.

Wirkung auf die Kinder: Begeisterte Konzentration Kinder fühlen sich ernst genommen, wenn man sie als kleine Entdecker undTechniker/innen ernst nimmt. Eigentlich weiß das jede/r. Ihr Interesse anMaschinen und Werkzeugen ist noch frisch (sie müssen ja noch kein Geld damitverdienen), ungetrübt und voller Lust am Ausprobieren. ÜberraschendeKonzentrationsfähigkeiten und Ausdauer stärken bei allen Beteiligten dieErkenntnis: Kinder können mehr, als wir erwartet haben! Auch schüchterne Kinderwerden aus der Reserve gelockt; Mädchen zeigen, wie viel technischerSachverstand in ihnen steckt. Mit konzentrierter Begeisterung vergehen Stundenwie im Fluge und voller Stolz berichten einige, dass sie „zu Papa in die Firma“gefahren sind. Kinder fühlen sich wie Erwachsene am erwachsenen Ort. Und das(erwachsene) Material (der echten Arbeiter/innen) aus den Betrieben wird in derKita weiter genutzt.

Noch besser: Ideen und Anregungen zur OptimierungDas Programm sollte schon gegen 9:00 Uhr beginnen, damit es keine Problemebei der Übermittagbetreuung gibt. Nicht zu viele Themen anbieten - statt zweiThemenfeldern während des Stöbertages reicht eines aus. Lieber „etwas wenigerInput“, den dafür mehrfach an unterschiedlichen Beispielen wiederholt. Bei derPlanung der Stöbertage wünschen sich die Kitas vor allem ausreichend Terminefür alle „Schulkids“ - z.B. durch mehr Angebote weiterer Firmen oder eine höhereKinderzahl pro Gruppe. Und warum nicht Stöbertage über das Jahr verteilen? DieFirmen-Pioniere wiederum wünschen sich mittelfristig eine Verteilung „auf mehrSchultern“, denn der Organisationsaufwand ist hoch. Vor allem dieBerufsschultage und auch Prüfungen der Azubis verlangen eine ausgeklügelteLogistik und Planung. Je mehr Firmen sich beteiligen, desto weniger Stöbertagemuss ein einzelnes Unternehmen organisieren.

Kind: „Was ist das?“Azubi: „Das ist Müll. Das werfen wirnachher weg. Was macht Ihr dennmit so was?“Kind: „Basteln“

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Schulterblicke

Eine offene Baustelle: Kontakt zu den ElternWährend einige Kindertageseinrichtungen unterstützende und sehr positiveErfahrungen mit Eltern gemacht haben (z.B. bei dem Transport der Kinder zurFirma, bei den Rückmeldungen und dem Interesse der Eltern), berichten anderevon Desinteresse, Unverständnis für das Vorhaben, Problemen bei derUnterstützung sowie von fehlender Wertschätzung. Mehr Öffentlichkeitsarbeit(auch in der Kita) könnte weitere Eltern überzeugen und zur Unterstützung moti-vieren. Hier helfen Elternnachmittage oder auch Handreichungen zumExperimentieren zuhause, um Eltern frühzeitig als Partner zu gewinnen – bevorihre „Dienstleistungen“ zum Beispiel beim Transport gebraucht werden.

Nachmachen erwünscht: Gute Bedingungen für StöbertageJede Kita sollte zwei Begleitpersonen pro Gruppe stellen können. In der Firma istzusätzlich eine 1:1 oder 1:2 Betreuung durch Azubis ideal. Das notwendigeVertrauen in die pädagogischen Fähigkeiten der Auszubildenden scheint für diemeisten Ausbilder das geringste Problem gewesen zu sein. Alle sind überzeugt:„Das können die.“ Sicher auch ein Beleg für eine gute Unternehmens- undBildungskultur. Alle Stöbertage setzen außerdem auf eine Kombination vonBesichtigung und konkreten Aufgaben: Kinder brauchen aktives Tun. Dazu mussman ihnen Zeit lassen - auch im Umgang mit unbekannten Materialien undimmer wieder versuchen, die Größe und Fremdheit der Maschinen und Abläufedurch Analogien zu alltäglichen Gegenständen und Erfahrungen zu relativieren.Stöbern macht schließlich auch durstig - Getränke für Kinder und Erwachseneund eine Pause sollten eingeplant werden. Wichtiger als Firmenmedien sind injedem Fall das Erleben und die Erklärungen der Menschen, die die Kinder beglei-ten – an erster Stelle die Auszubildenden. Man kann jedoch Filme,Werbematerial, sowie Grundinformationen zu den Firmen zur Vorbereitung in denKitas nutzen. Ideal zur Einstimmung der Erzieher/innen auf ein Unternehmen istes, wenn Firmenräume für einen (Experimentier-)Workshop im Vorfeld genutztwerden können. Absprachen und Infos zur gegenseitigen Vorbereitung in denUnternehmen und Kitas können nicht präzise genug sein, Anhaltspunkte bildenvor allem die dazu im Projekt entwickelten Formulare. Ansonsten gilt: Lieber ein-mal zuviel als zu wenig miteinander telefonieren, auch am Tag vor einemStöbertag. Dass Eltern möglichst schon vor den Stöbertagen in die naturwissen-schaftliche Projektarbeit einbezogen werden sollten, belegen die unterschiedli-chen Erfahrungen der Kitas. Ein selbst hergestelltes Andenken an den Stöbertagmuss mit eingeplant werden.

Und nichts geht ohne gegenseitige Neugier und die Bereitschaft, sich auf neueWege zu begeben, mit anderen Professionen und Berufen den Austausch zu pfle-gen.

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Schulterblicke

„Mit Ideen und Initiative Neues entwickelt"

Wer den Nachwuchs fördern möchte, muss frühzeitig Sorge tragen, dass die elementare Lust am Entdecken und Experimentieren erhalten und durchpraktisches Erleben weiterentwickelt wird.

Als Bürgermeister der Stadt Oelde freue ich mich über den erfolgreichen Verlaufdes Pilotprojektes und danke dem Unternehmen Haver & Boecker als Initiator,dem LWL-Landesjugendamt Westfalen sowie all jenen, die sich an der Durch-führung beteiligt haben. Bei den Stöbertagen im Unternehmen GEA WestfaliaSeparator im Frühjahr etwa konnte ich mich selbst davon überzeugen, mit wieviel Eifer, Aufnahmefähigkeit und Ausdauer die Kinder am Werke waren. Das Projekt zeigt vielfältige positive Effekte: Durch die Fortbildung derErzieher/innen konnten wir das Bewusstsein und Interesse für naturwissenschaft-lich-technische Phänomene und Funktionsweisen nachhaltig ausbauen. Heutedürfen wir nicht ganz ohne Stolz feststellen, dass es uns gelungen ist, imBildungsalltag der Kindertageseinrichtungen naturwissenschaftlich-technischeElemente fest zu verankern.

Zudem besteht heute ein enger Kontakt zwischen den Kindertageseinrichtungenund den beteiligten Unternehmen. Frühkindliche technische Bildung wird alsgemeinsamer Auftrag verstanden, Unternehmen und Kindertageseinrichtungenbegegnen sich auf Augenhöhe und wertschätzen die Arbeit des anderen. In dergemeinsamen Anstrengung mit den Unternehmen haben die Kindertages-einrichtungen ihr Profil als Bildungsträger deutlich schärfen können. Ich bin zuversichtlich, dass es uns auf dieser Grundlage gelingt, die naturwissen-schaftlich-technische Bildung in Oelde vom Kleinkindalter über die Schullaufbahnbis zum Studium – auch unter Einbeziehung der heimischen Unternehmen – aus-zubauen und dauerhaft zu etablieren, zum Vorteil unserer Kinder, die eine hervor-ragende Ausbildung genießen, und zum Vorteil unserer Wirtschaft, die ihrenFachkräftenachwuchs schon von Kindesbeinen an begleitet.

Karl-Friedrich KnopBürgermeister der Stadt Oelde

Oelde im Oktober 2010

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Früh, spielerisch und ohne Druck ...Ein Gespräch mit Dr. Reinhold Festge, geschäftsführenderGesellschafter der Firma Haver & Boecker, Oelde und Ideengeberfür das Projekt

Herr Dr. Festge – Sie haben den Anstoß zum Projekt gegeben. Wie kam es dazu?

Eigentlich fing alles mit meinem Buch an: Ein Kinderbuch, das wir zunächst nurals Gastgeschenk für unsere chinesischen Kunden herausgegeben haben: „Lukasim Zementwerk“, das Kindern zeigt, wie Zement gemacht wird. Wir sind ja hiereine Zementgegend und produzieren bei Haver & Boecker unter anderemFüllmaschinen für Zement. Die Bilder für das Buch hat die 14jährige Tochterunserer Kommunikationschefin gezeichnet, es ist absolut kindgerecht und kam inChina blendend an. Mit der deutschen Version des Buches bin ich zu HerrnMeyer vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe gegangen und habe ihn gefragt,ob wir gemeinsam damit etwas machen können. Mit der Buchidee bin ich, wennman so will, gescheitert – aber wir sind uns dann sehr schnell einig geworden,dass wir aus dieser Idee das Kindergartenprojekt entwickeln wollten.

Wie ging es dann weiter?

Der Landschaftsverband hat die Idee, kleine Kinder mit Technik undNaturwissenschaften bekannt zu machen, aufgegriffen. Die Mitarbeiterinnenhaben das Projekt konzipiert, ich habe dafür gesorgt, dass wir eineKofinanzierung bekommen. Die Oelder Industrie und die Sparkasse haben dannZusagen gemacht und auch die Stadt Oelde, sodass wir uns über das Budgetrelativ schnell einig wurden. Und nach nur vier Monaten konnte es losgehen.

Was sagen Sie anderen Unternehmen, warum sie hier aktiv werden sollen? Es istja nicht die Kernkompetenz von Firmen, sich um die Bildung vonKindergartenkindern zu kümmern...

Wenn, dann müssen wir unser Engagement rund machen. Wir haben in Oelde dieInitiative Schule/Wirtschaft, und ich habe keine Probleme gehabt, dieUnternehmen vom Sinn des Kindergartenprojektes zu überzeugen. Wir könnenheute vom Kindergartenprojekt bis zur Fachhochschule in Oelde alle Angebotevorhalten. Denn wir müssen die jungen Leute früh an die Technik heranführen.Viele wissen kurz vor der Ausbildung oft nicht, was sie werden wollen, weil sienichts oder wenig gesehen haben. Wir müssen früh, spielerisch und ohne Druck,

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Schulterblicke

ohne Klausuren Kinder an die Themen heranführen, dann sind sie auch offendafür. Vielleicht haben wir hier als Familienunternehmen eine größere Affinität zurNachwuchsbildung – nicht nur an der Spitze. Wir stehen für eine guteAusbildungspolitik, und die fängt nicht erst am Firmentor an. Es macht ja auchsehr viel Spaß, die kleinen Kinder zu sehen, wie sie mit Begeisterung am sogenannten „Stöbertag“ hier auf dem Firmengelände alles aufsaugen und sichspielend erarbeiten.

Haver & Boecker hat zahlreiche Auszubildende und bietet zum BeispielSchnuppertage für Grundschüler. Gehen Stöbertage auch in einem Betrieb, dernicht ausbildet und noch nie Kinder zu Gast hatte?

Im Prinzip schon, man muss einfach anfangen. Man muss probieren, hinschauen,verändern. Wichtig ist, dass die Kinder sich viel wohler fühlen, wenn sie vonunseren Auszubildenden herumgeführt und angeleitet werden. Für uns ist daskein Problem - wir bilden seit mehr als 100 Jahren aus.

Aber nicht überall sind Unternehmen so aktiv in Sachen Nachwuchsförderung…

Dann handeln sie nicht klug – denn diese Initiativen sind nicht nurZukunftsinvestition, sie kommen auch in der Bevölkerung sehr gut an. DerImagegewinn war nicht unser Ziel, ist aber ein angenehmes Beiprodukt. Das öff-net uns natürlich viele Türen bei denen, die früher skeptisch waren. Alle erken-nen, dass man junge Leute so früher interessieren kann; sie motivieren kann.

Und was hat die Gemeinde davon, wie profitieren Kinder und Eltern?

Die Kinder haben von frühester Kindheit an Einblicke in das, was einmal für sieberuflich möglich sein könnte. Sie bekommen einen besseren Einblick in dieWirklichkeit von Unternehmen. Den Eltern geht es ähnlich – sie brauchen ja auchInformationen, was zu ihren Kindern oder Jugendlichen passt und welcheChancen es in welchen Berufen gibt. Das ist eine Win-Win-Situation: Die Elternkönnen ihren Kindern besser antworten, und die Kinder wissen mehr, welcheAlternativen es gibt zu dem, was sie aus ihren Familien kennen. Sie kennen ja oftnur das, was Papa macht.

Was bringen Sie als Unternehmen ein - und was erwarten Sie von denKooperationspartnern?

Wir hatten die Idee, stellen finanzielle Mittel, Personal und Räume zur Verfügung– und unsere Kontakte. Der Landschaftsverband und die Kitas bringen ihr

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Schulterblicke

pädagogisches Wissen, Methoden und Erfahrung ein. Sie wissen, wie man mitKindern umgeht, wie man solche Themen kindgerecht umsetzt – das können wirja nicht.

Oft wird behauptet, Erzieherinnen hätten mit Technik und Naturwissenschaftennichts am Hut – ist das ein Vorurteil?

Ich habe ein sehr positives Bild von Erzieherinnen. Als unsere Kinder in dem Alterwaren, gingen sie in einen integrativen Kindergarten mit behinderten und nicht-behinderten Kindern, mit farbigen und weißen Kindern aller Nationalitäten. DieKindergärtnerinnen damals waren alle sehr offen und sehr engagiert. DieWirkungen dieses guten Kindergartens erlebe ich bis heute.

Gibt es Sicherheitsprobleme bei den Stöbertagen?

Überhaupt nicht. Wir sind keine Raffinerie, wir produzieren kein Gefahrgut, beiuns gibt es weniger Strahlung als im Krankenhaus. Und wir haben ja auch schonErfahrungen mit Schulkindern. Wir passen auf, die Kinder werden am Stöbertagdie ganze Zeit begleitet. Im Übrigen haben kleine Kinder auch Respekt, wenn siezum ersten Mal in eine Fabrik kommen, weil sie in einer Welt sind, die sie sonstnicht kennen.

Welche Empfehlungen gibt es für eine solche Kooperation aus Ihrer Sicht? MitBlick auf mögliche „Nachahmer" an anderen Orten.

Was ich empfehle: Man muss im Vorfeld die Beteiligten ordentlich informieren unddann unter einen Hut bekommen: In unserem Fall die Industrie, denLandschaftsverband, die Stadt und die Erzieherinnen. Man muss es unbedingtgemeinsam wollen. Wenn man einen zum Jagen tragen muss, dann hat es keinenZweck. Auch unsere Ausbilder haben zu keinem Zeitpunkt gedacht: „Hat derChef schon wieder eine Idee, und wir sollen es auslöffeln“ - sondern die ziehenmit und machen es sich zu eigen.

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Labordokumentation

Labordokumentation

Literaturtipps zur (naturwissenschaftlich- technischen) Bildung

Bachem, A.: Zukunft beginnt mit Bildung: Mehr Verständnis für mathematisch-naturwissenschaftliche Themen, In: Schule NRW (2010), 8, S. 378 - 382

Bildungsvereinbarung NRW 2003

Brüssel, Pit: Experimentieren Sie noch oder forschen Sie schon? In: Welt desKindes (2010), 2, S. 13 – 15

Brüssel, Pit (2006): Professor Kleinsteins Experimentier-Werkstatt für Kinder,Münster

Mehr Chancen durch Bildung von Anfang an. Grundsätze zur Bildungsförderungfür Kinder von 0 bis 10 Jahren in Kindertageseinrichtungen und Schulen imPrimarbereich in Nordrhein-Westfalen. Hrsg.: MFKJKS und Schulministerium,Link: www.mfkjks.de und www.schulministerium.nrw.de

Eliot, Lise (2002): Was geht da drinnen vor? Gehirnentwicklung in den ersten fünfLebensjahren. Berlin

Elschenbroich, Donata (2001): Weltwissen der Siebenjährigen. Wie Kinder dieWelt entdecken können, München

Fthenakis, Wassilios E.; Wendell, Astrid; Daut, Marike; Eitel, Andreas; Schmitt,Annette (2009): Natur-Wissen-schaffen, Troisdorf

Fthenakis, Wassilios E.: Ko-Konstruktion: Lernen durch Zusammenarbeit, In:Kinderzeit (2009) 3, S. 181- 185

Jacobs, Dorothee(2009): Die Konzeptionswerkstatt in der Kita, Weimar, Berlin

Jansen, F. Scherer, P.A. (Hrsg.) (2007): Forschend die Welt erobern:Naturwissenschaften im Kindergarten, München

Krieg, E. (2004): Lernen von Reggio: Theorie und Praxis der Reggio-Pädagogikim Kindergarten, Lage

Lück, Gisela (2003): Handbuch der naturwissenschaftlichen Bildung, Freiburg i.Breisgau

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Versuche starten 101

Labordokumentation

Renner, Michael (2008): Spieltheorie und Spielpraxis, Freiburg im Breisgau

Schäfer, Gerd, E. (Hrsg.) (2005): Bildung beginnt mit der Geburt, Weinheim undBasel

Schäfer, Gerd, E. (2001): Bildungsprozesse im Kindesalter. Selbstbildung,Erfahrung und Lernende in der frühen Kindheit. Weinheim, München

Schäfer, E. Gerd; Alemzadeh, Marjan; Eden, Hilke; Rosenfelder, Diana (2009):Natur als Werkstatt, Weimar, Berlin

Schneider, Kornelia (2008): Kinder in ihrer Weltaneignung unterstützen, In:Kindergarten heute, 6-7

So geht’s – Spaß mit Zahlen und Mathematik im Kindergarten (2005),Kindergarten heute, Spot Titel 384

Stiftung Akademie für Kinder (Hrsg.) (2010): Forscherkalender, Münster

Strätz, Rainer; Demandewitz, Helga (2007): Beobachten und Dokumentieren inTageseinrichtungen für Kinder, Berlin, Düsseldorf, Mannheim

Internetadressen:

www.forscherkinder-oelde.de

www.kontexis.de

www.wissen-und-wachsen.de

www.haus-der-kleinen-forscher.de

www.archiv-der-zukunft.de

www.akademie-fuer-kinder.de

www.natur-wissen-schaffen.de

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Labordokumentation

Beteiligte im Projektbeirat:

Der gewählte Vorsitzende: Hans Meyer, LWL-Jugenddezernent

Das Projektteam:Irmgard Grieshop-Sander, Anita Kässler, Marianne Kitzmann, LWL-Landesjugendamt WestfalenHendrik van der Veen, Jugendamt Oelde, inzwischen Leiter des JugendamtesOelde

Mitglieder: Dr. Reinhold Festge, Vorsitzender des Initiativkreises Wirtschaft, OeldeKarl-Friedrich Knop, Bürgermeister der Stadt OeldeHerr Kröger, Leiter des Jugendamtes OeldeFrau Stoffers, Leiterin, Das Kinderhaus, Ev. Tageseinrichtung für Kinder &Familienzentrum Frau Wingbermühle, Fachberaterin, Caritasverband für die Diözese Münster e.V.Frau Prott, Fachberaterin, Diakonisches Werk WestfalenHerr Stange, Gesellschaft für Wirtschaftsförderung im Kreis Warendorf mbHFrau lütke Zutelgte, Kindermuseum Klipp Klapp, OeldeFrau Schlüter, Familienbildungsstätte Oelde-NeubeckumFrau Hamacher-Jestadt, Volkshochschule Oelde-EnnigerlohFrau Kalkhake, LWL-Berufskolleg, Fachschule HammFrau Leistner-Bosewitz, Stadtbibliothek Oelde

Bildnachweise „Versuche starten“

© Agentur Butter, Düsseldorf, Stephan Wieland, S. 43, 49, 63, 84 beide Abb., 91,92, 95

© LWL- Medienzentrum, Stephan Sagurna, S. 45, 56,© Haver & Boecker, Oelde, Stahnke, S. 82, 83, 97 beide Abb., 98, 99© Wichern-Kindergarten, Oelde, Marion Rhode, S. 75, 77, 78, 79© Katholischer Kindergarten St. Vitus, Oelde, S. 65, 67© Katholischer Kindergarten Hl. Kreuz, Oelde- Stromberg, S. 32, 68, 69© Katholischer Kindergarten St. Marien, Oelde- Sünninghausen/ St. Johannes

Oelde, S. 34, 37© Städtischer Kindergarten „Die Sprösslinge“, Sandra Bäumer, S. 41, 50, 51, 53,

55, 64,© Anita Kässler, LWL- Landesjugendamt Westfalen, Titel, 11, 12, 14, 15, 17, 23,

24, 26, 27, 28 gebaut von Kon te xis, 30, 31, 35, 38, 39, 42, 46, 60, 61, 70, 71,72,73, 74, 80, 82 oben, 85, 86, 93

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Impressum

Impressum:

Versuche startenDas Handbuch zum Pilotprojekt „Naturwissenschaftlich-technische Bildung inKindertageseinrichtungen” in Oelde

Hrsg.:LWL-Landesjugendamt Westfalen48133 Münsterwww.lwl-landesjugendamt.de

LWL-RedaktionIrmgard Grieshop-SanderAnita KässlerMarianne Kitzmann

Text und KonzeptSanders Benninghoven, Köln

Bei den Texten für dieses Buch haben wir versucht, bei allgemeinenBeschreibungen männliche und weibliche Formen möglichst im Wechsel zu ver-wenden und den Lesefluss nicht durch fortlaufende Schrägstriche allzu sehr zuhemmen. In der Beschreibung realer Beispiele entspricht die weibliche odermännliche Form den Fakten.

Entwurf + LayoutEli Creek Werbeagentur, Münster

Druck:Druckerei Buschmann, Münster

Auflage: 6.000 Stck.

Münster, 2010

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