Viertel jahrs schrift - ngzh.ch · In diese Karte sind Daten der Kölliker Flora, den Vereinten...

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4 Grossprojekt auf der Zielgeraden Schon bald ist es soweit: Nach fast 200 Jahren liegt eine neue Flora des Kantons Zürich vor. der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich NGZH 4 | 2017 Jahrgang 162 Viertel jahrs schrift

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4 Grossprojekt auf der Zielgeraden

Schon bald ist es soweit: Nach fast 200 Jahren liegt eine neue Flora des Kantons Zürich vor.

der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich NGZH

4 | 2017Jahrgang 162

Viertel jahrs schrift

Brief des Präsidenten

E DI T O R I A L

NaturforschendeGesellschaft in Zürich www.ngzh.ch

Mit Freude blicken wir auf ein erfreuliches Jahr zurück. Unsere Mitgliederzahl blieb etwa gleich wie im Vorjahr, und auch die Vorträge im Se-minarraum der ETH Zürich wurden ausseror-dentlich gut besucht. Und nicht zuletzt gibt es nun einen würdigen Abschluss: Der festliche Jürg Wille Saal im Löwen Meilen ist ein stim-miger Rahmen für unser erstes «Science Din-ner» mit NGZH-Mitgliedern und vielen Gästen. Die Verbindung von Kulinarik und Wissen-schaft, zusammen mit der Verleihung des Ju-gendpreises, hat als weihnachtlicher Abschluss der Vortragsreihe am 18. Dezember 2017 viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer angespro-chen, die nicht an Vorträge in Zürich kommen konnten oder unsere Gesellschaft vorher nicht kannten.

Pflanzen im BundesratZum neuen Jahr erwartet uns ein sehr anspre-chend gestaltetes Neujahrsblatt über die Pflan-zen auf den Ständeratssitzen im Nationalrats-saal. Die Autorin, Prof. em. Rosmarie Honegger vom Institut für Pflanzenbiologie der Universi-tät Zürich, hat es verstanden, auf unterhaltsa-me Art Hintergründe auszuleuchten sowie un-erwartete Querverweise und historische Fakten mit den Pflanzenschnitzereien zu verweben. Nach einer Einführung über das Bundes-haus und die Ständeratssitze im Nationalrats-saal beleuchtet die Autorin auf je 3 bis 4 schön bebilderten Seiten die Pflanzen auf den Rück-lehnen aller 44 Sitze der älteren Kantone. Jura als jüngster Kanton muss sich mit provisori-schen Sitzen ohne Pflanzenmotive begnügen. Die Autorin signiert das 200-seitige Buch am Bäächtelistag in der Zentralbibliothek, wo unsere Mitglieder eingeladen sind, ihre Exem-plare abzuholen und für Bekannte und Freun-de weitere Exemplare zum verbilligten Preis von Fr. 20.– zu erwerben. Auch unsere Dachorganisation SCNAT in Bern ist begeistert von unserem Neujahrs-blatt und schenkt es allen Parlamentarierinnen und Parlamentariern als Neujahrsgruss zusam-

men mit einem Begleitbrief. Diese Aufmerk-samkeit tut uns und auch der SCNAT gut!

Reise nach SpitzbergenEin Höhepunkt im kommenden Jahr wird die Exkursion nach Spitzbergen sein (vgl. S. 14), die auf Grund der Ankündigung im Editorial der letzten Nummer der Vierteljahrsschrift viel Zu-spruch fand. Bereits jetzt steht fest: Die Reise in den hohen Norden kann durchgeführt wer-den. Einige Plätze sind noch frei und können gebucht werden bei [email protected].

Fritz Gassmann

Die Ringelblume ist eines der Pflanzenmotive für den Kanton Zürich. Der zweite Sitz ist mit Nelken verziert. (aus dem Neujahrsblatt 2018)

BU L L E T I N

— AKTUELL

4 Grossprojekt auf der Zielgeraden

— PHYSIK IM ALLTAG8 Löschen mit Wasser ist nicht

immer gut

— PHYSIK10 Was eine Solaranlage auf dem Dach

zur Energiewende beitragen kann

—   E X K U R S I O N14 Spitzbergen – eine Woche ohne

Sonnenuntergang

—   AU S DE M A R C H I V16 Die Katastrophe im

Lötschbergtunnel 1908

—   J U G E N DP R E I S18 Chemarium – ein Gesellschaftsspiel

zum Thema Chemie

—   J U G E N DP R E I S20 Ein bunter Strauss an Themen

—   BU C H BE S P R E C H U N G21 Das Spektakel des Unspektakulären

2 2 I M P R E S S U M

2 3 AG E N DA

Titelbild: Die Flora des Kantons Zürich konnte nur dank der akribischen Mitarbeit von zahlreichen Freiwilligen realisiert werden.

FORSCHUNG

FORSCHUNG4— AKTUELL

chen, beispielsweise für einen Kanton. Eine Vergrös-serung der Karte löst dieses Problem nicht. Für vie-le Gebiete ist insbesondere die historische, aber auch die aktuelle Datenlage unzureichend, um zu-verlässige Aussagen über die Verbreitung, Vertei-lung und Häufigkeit von Arten zu ermöglichen. In den letzten Jahren wurden deshalb gleich in ver-schiedenen Kantonen Initiativen für eine neue Flo-ra ergriffen.

Hoch engagiertes TeamEines der neueren und bisher umfassendsten Flo-renprojekte wurde von der Zürcherischen Botani-schen Gesellschaft initiiert (Wohlgemuth et al. 2012). «Flora des Kantons Zürich» (FloZ) nennt sich das ambitionierte Projekt, das 2011 mit einem kleinen motivierten und hoch engagierten Team startete und heute 140 Ehrenamtliche zählt und über ein Budget von rund CHF 800 000 verfügt. Ziel des Projekts ist es, einen Überblick über den aktuellen und historischen Zustand der Farn- und Blütenpflanzen im Kanton zu schaffen. Als Pro-dukt entsteht das Florenwerk «Flora des Kantons Zürich» in Form eines Buchs und einer Webseite. Das Buch wird im März 2020 im Haupt-Verlag er-scheinen. Einleitungskapitel führen in die Natur- und Vegetationsgeschichte sowie in die floristische Entwicklung im Kanton ein. Den Kern des Buchs bilden rund 1750 Art-steckbriefe aller im Kanton Zürich vorkommenden Pflanzenarten, die selbsterhaltende Populationen bilden oder in den letzten 200 Jahren gebildet ha-ben. Jeder Steckbrief umfasst drei Teile: (1) eine Artbeschreibung bestehend aus generellen Infor-mationen zur Art, eine Beschreibung der heutigen

Zeit für eine neue Flora des Kantons Zürich – so lautete die klare Botschaft eines Artikels, der 2012 in der VJS der NGZH erschien. Das anspruchs-volle Grossprojekt, an dem sich zahlreiche Helferinnen und Helfer beteiligt haben, ist inzwischen weit fortgeschritten. Nun geht es darum, das umfangreiche Werk zu einem guten Abschluss zu bringen. Dazu sind auch Beiträge von weiteren Freiwilligen herzlich willkommen.

In der Flora Helvetica (Lauber et al. 2012) sind sie zwar nur briefmarkengross. Doch sie verschaffen Gewissheit, ob eine Artbestimmung wahrscheinlich ist: die Verbreitungskarten. Wie immens der Auf-wand ist, der hinter jedem einzelnen Verbreitungs-kärtchen steckt, können nur diejenigen erahnen, die sich schon mal intensiv mit einer Florenkartie-rung in einem grösseren Gebiet beschäftigt haben. Ihr Wert ist enorm: Seltenheit und Häufigkeit der entsprechenden Art können abgeleitet werden, und wenn die Karte historische Informationen enthält, lässt sich auch abschätzen, ob eine Art seltener ge-worden oder neu ins Gebiet eingewandert ist.

Regional differenzierte AussagenDie Verbreitungskarten in der Flora Helvetica ge-hen auf die Kartierung der Schweizer Flora von 1967–1979 zurück, die 1982 als Verbreitungsatlas publiziert wurde (Welten & Sutter 1982). Seither wur-den unzählige weitere Daten gesammelt. Die Auf-lösung der Verbreitungsangaben ist allerdings zu grob, um regional differenzierte Aussagen zu ma-

Ein Grossprojekt auf der Zielgeraden

Zeitplan des Projekts «Flora des Kantons Zürich»

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und historischen Verbreitung im Kanton Zürich sowie interessante Zusatzinformation über die Art, (2) eine Verbreitungskarte mit Fundnachweisen bis 1930, zwischen 1931–1999 und ab 2000, und (3) zwei Pflanzenbilder.

Viele verfügbare historische DatenGrundlage für alle Aussagen über die Arten bilden die Verbreitungskarten. Der Kanton Zürich hat nicht zuletzt dank der Universität und der ETH Zürich eine lange Tradition in Floristik und Botanik und verfügt somit über viele historische Daten. Die erste und bis-her einzige publizierte Flora des Kantons Zürich stammt aus dem Jahre 1839 (Kölliker 1839). Um 1900, einer Zeit intensiver floristischer Kartierung und Sammlung von Herbarbelegen, startete die Zürche-rische Botanische Gesellschaft den Versuch, eine «neue» Flora des Kantons zu erarbeiten, scheiterte aber am Umfang des Projekts. Geblieben sind eine Farnflora, eine Adventiv-flora, eine Brombeerflora sowie ein über 1000-seiti-

ges handgeschriebenes Manuskript von Eugen Bau-mann, das die Flora im Kanton mit tausenden einzelner Fundortangaben umfassend beschreibt (Baumann 1930). Erhalten sind auch zigtausende von Herbar-belegen, die in den Vereinten Zürcher Herbarien zu finden sind. Diese Informationen waren bislang al-lerdings nur einem Fachpublikum zugänglich; digi-talisiert, aufgearbeitet und als Verbreitungskarten zugänglich waren sie jedoch nicht. Aktuellere Funddaten stammen von der Fach-stelle Naturschutz sowie von der Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Diese betreffen vorwiegend schüt-zenswerte oder seltene Arten, was sehr zuverlässi-ge Aussagen für ebendiese Arten zulässt. Von mut-masslich verbreiteten oder häufigen Arten lagen dagegen nur wenige Informationen vor, da solche Arten für viele Botanierende von geringem Inter-esse sind und entsprechend unsystematisch gemel-det wurden.

Verbreitungskarte des Frühlings-Enzians (Gentiana verna L.): In diese Karte sind Daten aus dem Baumann- Manuskript, den Vereinten Herbarien der Universität und der ETH Zürich, der Info Flora und der aktuellen FloZ-Kartierung eingeflossen. Die Daten belegen eine starke Abnahme des Frühlings-Enzians im Kanton Zürich, welche auf die Zerstörung nährstoffarmer Wiesen zurückzuführen ist.

FORSCHUNG6— AKTUELL

Enges RasterUm einen umfassenden, zuverlässigen Überblick über die Entwicklung der Flora zu erhalten, wurde im FloZ-Projekt die aktuelle Artenvielfalt systema-tisch erfasst. Für eine repräsentative Erhebung wur-de ein 3 km × 3 km-Raster über den Kanton gelegt und von 2012 bis 2016 systematisch jedes zentrale 1 km × 1 km-Quadrat kartiert. Mit diesem 3 km × 3 km-Raster war ein grosser Teil der Kantonsfläche ab-gedeckt. Einige Randgebiete blieben aber ohne Daten. Daher wurden 2017 in allen bisher nicht re-präsentierten Flächen «Randkartierungen» durch-geführt. Alle Kilometerquadrate wurden von Teams bestehend aus ein bis vier Ehrenamtlichen bearbei-tet. Um die Qualität der Kartierungen zu sichern, halfen Experten während vieler Abende bei der Art-bestimmung. Ausserdem kontrollierte eine Exper-tengruppe schwierig bestimmbare oder spezielle Pflanzenarten anhand von Herbarbelegen oder Fo-tografien. Aus der Feldarbeit resultierten rund 100 000 neue Datensätze, die entweder das Artvorkommen

pro Kilometerquadrat in einer Häufigkeitsklasse quantifizieren oder für besondere Arten exakte Ko-ordinatenangaben liefern.

Aufwändige ErfassungUm den historische Zustand der Flora darstellen zu können, wurden ab 2014 von rund 800 seltenen oder interessanten Arten historische Daten aufgearbeitet. Herbarbelege wurden von ehrenamtlich tätigen Ex-perten verifiziert und anschliessend fotografiert. Die Fotos sowie transkribierte Fundmeldungen aus dem Baumann-Manuskript wurden online verfügbar ge-macht. Die beteiligten Ehrenamtlichen transkribier-ten Herbaretiketten und zeichneten die Fundorte auf historischen Karten ein (Georeferenzierung), wobei diese Arbeiten online, d.h. zuhause am eige-nen PC ausgeführt wurden. Stiessen sie bei der Transkription oder der Georeferenzierung der Fund-orte auf Probleme, konnten sie andere Ehrenamt-liche zu Rate ziehen. Die Doppelbearbeitung eines Teils der Belege zeigte, dass diese Arbeiten sehr zuverlässig ausge-

Verbreitungskarte des Frauenschuhs (Cypripedium calceolus L.). In diese Karte sind Daten der Kölliker Flora, den Vereinten Herbarien der Universität und der ETH Zürich, der Info Flora und der aktuellen FloZ- Kartierung eingeflossen. Der Frauenschuh war um 1900 insbesondere in tiefen Lagen des Kantons wesentlich weiter verbreitet als nach 2000.

7 Vierteljahrsschrift — 4 | 2017 — Jahrgang 162 — NGZH

führt wurden. Insgesamt engagierten sich 20 Ehren-amtliche bei der Aufarbeitung. Innert 2,5 Jahren re-sultierten rund 35 000 georeferenzierte historische Fundorte, was beim gegenwärtigen Stand im Durch-schnitt 60 Fundorten pro Art entspricht. Damit hat sich die Datenmenge an digitalisierten historischen (vor 1950) Fundorten von Pflanzen im Kanton fast vervierfacht.

Exakte Abschätzung des WandelsIn die Verbreitungskarten fliessen sowohl alle bisher verfügbaren Fundinformationen (Fachstelle, Info-flora), als auch die neu zusammengetragenen Daten ein. So spiegeln diese Verbreitungskarten den aktu-ellen Informationsstand über alle Pflanzenarten im Kanton wider. Für die historisch aufgearbeiteten Ar-ten ermöglichen sie den Nachvollzug der floristischen Entwicklung und erlauben eine oft recht exakte Ab-schätzung des Florenwandels während der letzten knapp 200 Jahre. Die Verbreitungskarten sind eine Zusammen-fassung aller Kartierungs- und Recherchiertätigkei-ten der Ehrenamtlichen und damit wichtigster Be-standteil des Werks «Flora des Kantons Zürich». Die Arbeit indes ist noch nicht abgeschlossen. Ne-ben vielen bereits getroffenen redaktionellen Ent-scheidungen zum Inhalt, zum Zielpublikum, zur Verlagswahl und natürlich zur Finanzierung des Vorhabens müssen nun alle Texte verfasst und noch für ein Drittel aller Pflanzenarten Fotos gemacht oder gefunden werden. Die Arbeiten folgen dabei einem strikten Zeitplan. Unser Projekt ist weit fortgeschritten und auf gutem Weg. Das heisst aber gleichzeitig auch, dass nun der Endspurt begonnen hat – mit entsprechend

intensiver Arbeit: Viele Leute opfern einen Grossteil ihrer Freizeit für das Florenwerk. Dabei gilt zu be-denken, dass es schwierig ist, die Motivation über eine Projektdauer von sechs oder mehr Jahren auf-recht zu halten. Hier hilft die gegenseitige Motivation und die volle Einsicht in die Fortschritte. Alle Ehrenamtli-chen sehen die Früchte ihrer Arbeit: die fertiggestell-ten Verbreitungskarten. Alle Schreibenden können die Texte ihrer Kolleginnen und Kollegen lesen und für das Abfassen ihrer eigenen Steckbriefe lernen. Der regelmässige Austausch von Erfahrungen und das anschliessende gemütliche Zusammensein ist der Lohn; und natürlich die Aussicht, dass in abseh-barer Zeit ein gemeinsamer Traum Wirklichkeit wird: nach fast 200 Jahren endlich eine neue Flora für den Kanton Zürich.

Corina Del Fabbro1, Michael Kessler1, Thomas Wohlgemuth2

1 Institut für Systematische und Evolutionäre Botanik, Universität Zürich; 2 Eidg. Forschungs- anstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, Birmensdorf

LITERATUR

Baumann, E. 1930. Manuskript zur Zürcher Flora. Zahlreiche lose Seiten geordnet nach Familien, Gattungen und Arten. Herbarium der Universität Zürich, Institut für Systematische und Evolutionäre Botanik

Kölliker, A. 1839. Verzeichnis der phaenerogamen Gewächse des Cantons Zürich. Orell Füssli u. Comp., Zürich

Lauber, K., Wagner, G., Gygax, A. 2012. Flora Helvetica. 5. Auflage. Haupt, Bern

Welten, M. und Sutter, R. 1982. Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen der Schweiz. Birkhäuser, Basel

Wohlgemuth, T., Bachmann, P., Bergamini, A., Burnand, J., Ginzler, C., Keel, A., Kessler, M., Nobis, M., Nyffeler, R., Röthlisberger, J., Spillmann, J., Wyss, G. 2012. 173 Jahre nach Kölliker: Zeit für eine neue Flora des Kantons Zürich. Vierteljahrs-schrift der NGZH 157 (1/2): 9–22

Mitwirkende gesucht!Sind Sie eine leidenschaftliche Pflanzenfotogra-fin oder ein passionierter Pflanzenfotograf und möchten einen wichtigen Beitrag zu unserem Projekt leisten? Wir sind noch auf der Suche nach Bildern zu rund 600 Pflanzenarten für unser Buch und unsere Webseite.Sind Sie bereit, uns Ihre Bilder zur Verfügung zu stellen? Dann wenden Sie sich bitte direkt an: [email protected] Vielen Dank für Ihre Mitarbeit.

FORSCHUNG8— PHYSIK IM ALLTAG

Löschen mit Wasser ist nicht immer gutWeshalb soll man brennendes Fritieröl nicht mit Wasser löschen? Am Beispiel von heissem Kerzenwachs lässt sich zeigen, was bei der Zugabe von Wasser geschieht und wo derselbe Effekt mit gefährlichen Folgen auch auftreten kann.

Wasser und Kohlendioxid sind energiearme Abfall-produkte von chemischen Reaktionen und eignen sich deshalb in den meisten Fällen als gute Feuer-Löschmittel. Warum kann es trotzdem gefährlich sein, Wasser in eine brennende Flüssigkeit zu giessen?

Ein imponierendes ExperimentIch habe bei einem elektrischen Wasserkocher alle Plastikteile und den Temperaturregler entfernt, um 650 Gramm Kerzenwachs bis zu seiner Zersetzungs-temperatur von etwa 300 °C zu erhitzen. Mit aufge-setztem Deckel beginnt Wachs mangels Sauerstoff auch bei so hoher Temperatur nicht zu brennen.

Zudecken ist übrigens auch die beste Metho-de, um brennendes Fritieröl oder das Öl beim Fon-due Bourguignonne zu löschen! 0,4 Sekunden nach der Zugabe von 1,3 Dezili-tern Wasser bildet sich eine glühende Wachströpf-chenwolke (erstes Bild). Das schwerere kalte Wasser sinkt ins flüssige und brennende Wachs hinein, ver-dampft und schleudert Material nach oben. Dabei wird Wachs zerstäubt und es ensteht eine riesige Oberflä-che, die im Kontakt mit Luftsauerstoff intensiv brennt, was an der weissen Flammenfarbe erkennbar ist. Die hohen Verbrennungstemperaturen erhit-zen die Luft, die sich ausdehnt und für starken Auf-trieb sorgt. Es bildet sich nach 1,2 Sekunden (drittes Bild) ein Thermikschlauch von rund einem Meter Durchmesser, in dessen Zentrum Aufwindgeschwin-digkeiten von schätzungsweise 30 Metern pro Sekun-de entstehen, die die brennenden Wachströpfchen mitreissen. Im hier wiedergegebenen Experiment verhinderte ein von links kommender Windstoss, dass sich die übliche Pilzform bilden konnte. Im

Experiment des Autors in seinem Garten. Die Bilder wurden aus einem Film ausgewählt und zeigen, wie sich nach der Zugabe von Wasser zum heissen Wachs eine eindrückliche Feuersäule bildet. Die Bilder dokumentieren…

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letzten Bild, 2,4 Sekunden nach der Zugabe des Was-sers, ist eine kleinere Pilzhaube 3,5 Meter und eine grössere knapp 7 Meter über dem Boden erkennbar. Der grösste Teil der Wachsmasse verbrennt also innerhalb etwa einer Sekunde, was eine Wärme- und Strahlungsleistung von rund 20 Megawatt (Pro-dukt von Wachsmasse und Verbrennungswärme dividiert durch die Verbrennungszeit) ergibt. Dies entspricht der Leistung von 300 000 Glühlampen mit je 60 Watt, 3 TGV-Zügen oder einem halben Triebwerk eines vierstrahligen Grossraumflugzeuges.

Optimierung des EffektesEine Versuchsreihe mit schrittweise erhöhter Was-sermasse ergab ein Optimum des Massenverhältnis-ses Wachs zu Wasser von 5 zu 1, das physikalisch plausibel ist: Das Wasser muss bis zum Siedepunkt aufgeheizt und verdampft werden. Die dafür notwen-dige Energie von 260 Kilojoule pro Deziliter stammt aus dem Wärmeinhalt von Wachs und Stahlgefäss, die bei einer Abkühlung auf 100 °C rund 450 Kilo-joule liefern können. Da die Endtemperatur über dem Siedepunkt des Wassers liegen muss, sind die aus dieser Abschätzung resultierenden 1,7 Deziliter Was-ser eine obere Grenze. Das experimentell erhaltene Optimum von 1,3 Dezilitern ist also verständlich.

Niemals Wasser in die Säure...…sonst geschieht das Ungeheure! Zurecht lernt man im Chemielabor diesen Merkspruch. Wie beim Wachs-experiment wird bei falschem Vorgehen wenig Was-ser zu viel anderem Material gegeben, wobei das Was-ser verdampft und das Material zerstäubt. Die Energie für die Verdampfung stammt aber hier nicht aus einer heissen Substanz, sondern aus der Hydratbildung. Wassermoleküle sind elektrische Dipole, die sich an die ebenfalls polaren Säuremoleküle an Stellen mit jeweils umgekehrter Polarität anlagern. Die Molekü-le ziehen sich elektrisch an (es entstehen dabei aber keine kovalenten chemischen Bindungen) und wer-den gegeneinander beschleunigt. Die so entstehenden schnelleren Bewegungen (kinetische Energie und Schwingungsenergie) neh-men wir als Wärme wahr; die in die Säure gegebenen Wassertropfen werden heiss. Ist die Konzentration der Säure genügend hoch, kann das Wasser den Sie-depunkt erreichen und verdampfen. Anders als beim Wachsexperiment schwimmt Wasser auf der Säure und es wird nur relativ wenig Säure verspritzt – doch dies ist dennoch genügend gefährlich!

Fritz Gassmann Der Autor ist Physiker und arbeitete früher am Paul Scherrer Institut PSI in Villigen.

…das Geschehen in einem zeitlichen Abstand von jeweils 0,4 Sekunden. Angesichts der rasanten Entwicklung der Feuersäule wird davon abgeraten, das Experiment auf eigene Faust zu wiederholen.

FORSCHUNG10— PHYSIK

eingespeist (grüne Fläche). Das Netz liefert den feh-lenden Strom, wenn die Sonne nicht scheint (rote Fläche). An diesem Tag produziert das Haus zwar so viel Strom wie es verbraucht, es ist aber nicht netz-unabhängig (autark): Der Eigenverbrauch beträgt nur etwa 50 % der Sonnenproduktion, weil Verbrauch und Produktion zeitlich nicht übereinstimmen. Aus der grünen Netzeinspeisekurve sieht man, dass die Einspeisespitze von 1,5 kW deutlich höher ist als die Spitze des Netzbezugs. Wird zu viel Strom ins Netz eingespeist bei gleichzeitig niedrigem Stromver-brauch (z.B. an einem Sonntagnachmittag), steigen Netzspannung und -frequenz. Dank Verhaltensregeln (Grid Code), die alle Anlagen in einem Netz einhal-ten müssen, kann die Netzregelung die Photovolta-ikanlagen drosseln oder ganz abschalten (vgl. Be-grenzung auf 1,3 kW in Abb. 1).

Jahresproduktion Null-Elektrizität-HausAus dem Jahresverlauf (Abb. 2) erkennt man, dass das Haus im Winter praktisch den ganzen Strom vom Netz bezieht (rote Kurve). Soll die Photovoltaikanla-ge so viel Energie liefern wie das Haus im Jahr kon-sumiert, muss die Spitzenleistung von 2 auf 4 kW verdoppelt werden, damit übers Jahr hinweg eine Durchschnittsleistung von 500 W resultiert. Auch hier ist das Haus nicht autark und der Eigenverbrauch sinkt sogar auf etwa 40 %, weil Produktion und Ver-brauch noch weiter auseinander liegen. Die benötig-te Modulfläche hängt von der geografischen Lage des Hauses ab. Im östlichen Mittelland ist die Ausbeute etwa 175 kW/m2/a, im Welschland und in den Bergen etwas mehr. Das hier betrachtete Haus braucht also gemäss Angaben von MeteoSchweiz etwa 25 m2 Mo-dule bei einem Wirkungsgrad der Solarzellen von 20 %.

StromkostenDas lokale Elektrizitätsversorgungs-Unternehmen freut sich nur mässig am Solarstrom. Es muss das Netz für die Solarstrom-Mittagsspitzen auslegen. Es muss die Produktion seiner Flusskraftwerke drosseln we-gen des Einspeisevorrangs des Solarstromes. Wird zu viel Solarstrom produziert, muss es Strafe bezahlen,

Mit der Annahme des Energiegesetzes im Jahr 2017 hat die Schweiz eine ge-waltige Aufgabe übernommen: Sie will aus der Kernenergie aussteigen und gleichzeitig den Kohlendioxid-Ausstoss reduzieren, indem sie die erneuerbaren Energien ausbaut. Dieser Artikel zeigt am Beispiel eines Einfamilienhauses, was Photovoltaik zur Energiewende beitragen kann.

Tagesproduktion Null-Elektrizität-HausAbb. 1 zeigt einen typischen Verlauf des Elektrizitäts-verbrauchs eines Einfamilienhauses an einem wol-kenlosen Tag bei Tag-Nacht-Gleiche. Die blaue Kur-ve ist die verbrauchte Leistung und die blaue Fläche entspricht der an diesem Tag verbrauchten elektri-schen Energie von 12 kWh; die Durchschnittsleistung beträgt also 500 W. Die orange Kurve zeigt die Leis-tung von Photovoltaikmodulen, die ungefähr den Tagesverbrauch decken. Die Anlage muss dafür eine Spitzenleistung von 2 kW aufbringen. Die braune Fläche zeigt den Anteil des Solarstromes, der im Haus direkt benutzt wird. Der Überschuss wird ins Netz

Was eine Solaranlage auf dem Dach zur Energiewende beitragen kann

Abb. 1: Null-Elektrizität-Haus ohne Batterie an einem wolkenfreien Tag bei Tag-Nacht-Gleiche. Die Verbrauchsfläche (blau) ist gleich gross wie die Solarproduktionsfläche (gelb), ihre Überlappung (braun) ist der Eigenverbrauch.

11 Vierteljahrsschrift — 4 | 2017 — Jahrgang 162 — NGZH

weil es seinen vertraglichen Bezug von Kern- oder Flusskraftwerken reduziert, die auf feste Abnehmer angewiesen sind. Deshalb bieten die Elektrizitäts-werke vier mal weniger für den eingespeisten Strom als sie für den bezogenen Strom verlangen. Abgaben wie die kostendeckende Einspeisevergütung werden hier nicht berücksichtigt, da diese für solche Anlagen nicht mehr gilt. Die 25 m2 Module, Umrichter und Montage kosten etwa 6000 Fr. Damit ergeben sich bei einer Produktion von 4380 kWh/a und einer Abschrei-bungszeit von 12 Jahren Gestehungskosten von etwa 11 Rp./kWh bei 40 % Eigenversorgung. Obwohl die Preise der Module sinken, ist in unseren Breitegra-den nicht damit zu rechnen, dass Solarstrom billiger als Wasserstrom wird, der zu rund 4 Rp./kWh pro-duziert wird. Die Solaranlage zahlt sich deshalb gröss-tenteils durch die Kosten des ersetzten Stromes und nur zu einem kleinen Teil durch den eingespeisten Strom aus. Deshalb lohnt es sich nicht, die Modul-fläche zu vergrössern, weil ihr Überschuss unter den Gestehungskosten ins Netz abgegeben wird. Um den Eigenverbrauch zu maximieren gibt es zwei Metho-den: flexible Lasten und lokale Speicherung.

Flexible Lasten Mit flexiblen Lasten wird der Zeitpunkt des Ver-brauchs der Produktion angepasst, beispielsweise durch Einschalten des Boilers, der Waschmaschine oder des Tiefkühlers. Dies bedeutet eine Umkehrung des bisherigen Verfahrens, über Mittag nicht zu wa-schen und den Boiler nur in der Nacht aufzuheizen. Die entsprechenden Hoch- und Niedertarife wurden eingeführt, um Kern- und Flusskraftwerke auszulas-ten, die eine konstante Leistung abgeben sollten. Die Stromzähler sollten deshalb durch noch wenig ver-breitete «Smart Meter» ersetzt werden, die automa-tisch den augenblicklichen Strompreis erhalten, um flexible Lasten im günstigen Moment einzuschalten.

Dies lohnt sich besonders dann, wenn der Marktpreis des Stromes bei einem Überfluss an Solarstrom ne-gativ wird.

Lokale Speicherung Bei der lokalen Speicherung wird der Überschuss beispielsweise in einer Batterie gespeichert, um ihn später an Ort zu verbrauchen. Abb. 3 zeigt das Null-Elektrizität-Haus an zwei wolkenfreien Tagen um die Tag-Nacht-Gleiche. Der Überschussstrom lädt zuerst die Batterie auf (obere violette Kurve), und wenn diese voll ist, fliesst er ins Netz. Sobald der So-larstrom nicht mehr ausreicht, wird der Verbrauch aus der Batterie gedeckt, bis diese leer ist; erst da-nach wird Strom vom Netz bezogen. Aus der Abb. 3 ist ersichtlich, dass immer noch ins Netz eingespeist wird. Die benutzte Batterie mit einer Kapazität von 2 kWh ist zu klein, um das Haus an diesen zwei Ta-gen autark zu versorgen. Dafür müsste die Batterie rund dreimal grösser sein.

Abb. 2: Null-Elektrizi-tät-Haus vom Sommer 2014 bis zum Sommer 2015. Im Winterhalb-jahr (Okt. bis März) liefert die Photovoltaik-anlage nur ein Viertel der Jahresenergie.

Abb. 3: Null-Elektrizität-Haus mit Batterie bei Tag-Nacht-Gleiche. Die Batterie vergrössert den Eigenverbrauch um die braune Fläche.

FORSCHUNG12— PHYSIK

Jahresproduktion mit Batterie Betrachtet man das ganze Jahr, ist die Vergrösserung des Eigenverbrauchs von nur 5 % kaum zu erkennen (Abb. 4), obwohl die Batterie mit 8 kWh überdimen-sioniert wurde, um den Effekt zu zeigen. Die Ladung der Batterie variiert aber stark (violette Kurve): Sie ist meist leer im Winter und voll im Sommer. Eine Batterie rentiert nur, wenn sie entladen wird und da-durch den Eigenverbrauch erhöht. Abb. 5 zeigt, dass die optimale Batteriegrösse bei etwa 6 kWh liegt und so etwa den Verbrauch einer Nacht speichert.

BatteriekostenOb sich die Batterie durch die Erhöhung des Eigen-verbrauchs auszahlt, hängt von ihren Kosten ab. Die obige optimale 6-kWh-Batterie würde heute inklu-sive Nebenkosten um 3000 Fr. kosten. Dies ist be-zogen auf die gespeicherte Energiemenge mehr als zehnmal so viel wie Pumpspeicherwerke kosten, aber trotzdem billiger als Strom-zu-Gas- oder Strom-zu-Sprit-Speicher, die zurzeit entwickelt werden. Der Batterieinhalt ist bei Stromkosten von 20 Rp./kWh gerade Fr. 1.20 wert; also muss die Batterie 2500 Mal ganz entladen werden, um rentabel zu sein. Dies ist aber nahe an der maximalen Zykluszahl von 3000 und gleichzeitig nahe an der Lebensdauer von 7 Jah-ren bei täglicher Entladung. Bei vorhandenem Netz-anschluss lohnt sich bei heutigen Kosten eine Batte-rie nicht. Das Netz ist die Batterie. Auch andere Funktionen der Batterie sind kaum massgebend. So hilft sie nur wenige Stunden als Notstromaggregat und dies nur, wenn sie stets geladen ist. Sie kann also nicht gleichzeitig Notstrom

liefern und den Eigenverbrauch erhöhen. Die Ver-wendung von Batterien zur Netzstabilisierung schei-tert an der Wirtschaftlichkeit. Trotzdem installieren immer mehr Hausbe-sitzer Batterien, um Netzunabhängigkeit anzustre-ben. Man erhofft sich von der Elektroautoindustrie billigere und langlebigere Batterien. Falls ein Elektro-auto vorhanden ist, gehört die Autobatterie zu den flexiblen Lasten, aber nicht zur Speicherung. Sie kann nicht sowohl das Haus in der Nacht versorgen als auch am Morgen das Auto antreiben.

Batterie für ein autarkes HausWie gross muss eine Batterie sein, um das betrach-tete Haus übers Jahr autark zu versorgen? Abb. 6 zeigt die notwendige Batteriegrösse als Funktion der Au-tarkiezeit um die Jahresmitte. Beispielsweise reicht eine 12 kWh-Batterie, um das Haus vom Mai bis Au-gust ohne Netzanschluss zu versorgen. Eine Woche schlechtes Wetter würde dabei aber bereits zu Strom-knappheit führen. Dies wäre vertretbar auf einer Alp ohne Netzanschluss. Da die Batteriekosten aber be-trächtlich sind, verwenden viele SAC-Hütten lieber kleine Wasserturbinen. Sollte ein Haus das ganze Jahr hindurch autark sein, müsste die Batterie am Ende des Sommers beinahe die ganze Energie für das Winterhalbjahr enthalten, also etwa 2 MWh. Dies wäre rund 300 Mal die optimale Batteriegrösse und die Kosten überstiegen 1 Mio. Franken.

Einbezug einer Wärme-Kraft KopplungEine bezahlbare Netzunabhängigkeit könnte jedoch mit Hilfe einer Holz-, Gas- oder Ölheizung erreicht

Abb. 4: Null-Elektrizi-tät-Haus vom Sommer 2014 bis zum Sommer 2015. Im Winterhalb-jahr (Okt. bis März) liefert die Photovoltaik-anlage nur ein Viertel der Jahresenergie.

13 Vierteljahrsschrift — 4 | 2017 — Jahrgang 162 — NGZH

werden, die einen Stromgenerator antreibt. Dieser müsste wie die Batterie den Unterschied zwischen Verbrauch und Eigenverbrauch decken, also etwa die Hälfte des Verbrauchs. Dies müsste mit Investitionen von rund 30 000 Fr. für eine elektrische Leistung von 5 kW und höheren Brennstoffkosten erkauft werden. Ob dieses System vom Standpunkt des Umweltschut-zes aus betrachtet gut wäre, hängt vom Brennstoff ab. Mit Erdgas oder Erdöl würden die Klimaziele kaum erreicht.

Einfluss auf den KlimaschutzOb die Photovoltaikanlage den Ausstoss von Treib-hausgasen reduziert, hängt davon ab, welchen Strom sie ersetzt und vieviel graue Energie in Module, Um-richter und Montageelemente investiert wurde. Be-zogen auf ihre Lebenszeit stossen die besten Modu-le 36 g CO2-Äquivalente/kWh aus, wenn sie mit europäischem Strom hergestellt wurden (Rufer & Braun-

schweig 2013). Dazu kommen Emissionen der Batterie von etwa 100 g CO2/kWh (Romare & Dahllöf 2017). Dies ist zwar besser als Kohle mit 1000, aber schlechter als Wasser mit 7, Kernenergie mit 30 oder Wind mit 16 Gramm pro Kilowattstunde. Da die Schweiz zu-nehmend Strom importiert und der Euro-Strommix aus 1/3 Kohlestrom besteht, ist die CO2-Bilanz der Photovoltaik in der Schweiz dennoch positiv und wird besser.

Fazit für die Schweiz> Photovoltaik auf dem Dach ist nur wirtschaftlich,

wenn ihr Strom direkt verbraucht wird, nicht aber, wenn er ins Netz eingespeist oder gespeichert wird.

> Photovoltaik liefert nur einen Beitrag zum Klima-schutz, wenn sie Strom aus Kohle oder Gas ein-spart.

> Photovoltaik vereinfacht die Netzinfrastruktur nicht, weil im Winter die Versorgung dieselbe ist wie ohne Photovoltaik.

> Photovoltaik alleine kann die Versorgung nicht si-chern, denn sie liefert nur wenig Leistung, wenn man viel braucht.

> Photovoltaik liefert vorwiegend im Sommer, wenn die Kernkraftwerke reduziert arbeiten; sie konkur-riert eher die Wasserkraft als die Kernkraft.

> Die Bestrebung, die Schweiz mittels Sonnenener-gie energieautark zu machen, bringt weder dem Klima noch dem Ausstieg aus der Kernenergie et-was. Zudem haben die südlichen Länder viel bes-sere Voraussetzungen, um durch solarthermische Kraftwerke und Windparks kohlendioxid- und kern-energiefreien Strom zu liefern.

> Photovoltaik ist primär als Energiesparmassnah-me und nicht als Energiequelle einzustufen.

Fazit: Die Photovoltaik auf dem Dach ist wünschens-wert, doch alleine bringt sie keine Energiewende. Dazu fehlt eine billige und kohlendioxidfreie saiso-nale Speicherung. Unsere Forscher sind gefordert.

Hubert Kirrmann

Der Autor ist pensionierter Forscher der ABB und emeritierter Professor an der EPFL.

LITERATUR

Rufer, D. & Braunschweig, A. 2013. Die bessere Ökobilanz von Solarstrom. Swissolar. Umwelt-Per-spektiven 2013/4

Romare, M. & Dahllöf, L. 2017. The Life Cycle Energy Consumption and Greenhouse Gas Emissions from Lithium-Ion Batteries. IVL Swedish Environmental Research Institute, Report number C 243

Abb. 5: Eigenverbrauch als Funktion der Batterie-grösse.

Abb. 6: Batteriegrösse als Funktion der Autarkie-spanne.

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Spitzbergen – eine Woche ohne Sonnenuntergang

Zusammen mit dem Reisebüro Kontiki in Baden sowie tatkräftiger Unterstützung eines im Norden erfahrenen NGZH-Mitgliedes ist es uns gelungen, eine ausserordentliche Exkursi-on zu organisieren. Sie verbindet Wissenschaft mit kulturellen und touristischen Erlebnissen und dürfte bei NGZH-Mitgliedern auf Interesse stossen, die zusammen mit ihren Partnerinnen oder Partnern eine besondere Reise erleben möchten. Die Reise dauert 6 Tage vom 2. bis zum 7. August 2018.

ProgrammDo 2. August

16:40 Uhr: Abflug in Zürich mit Swiss via Oslo nach Tromsø mit SAS und Transfer zum Scan-dic Ishavshotel

Fr 3. AugustGeführter Besuch des Polarmuseums in Tromsø. Anschliessend Fahrt mit einem Festrumpf-schlauchboot zur Insel Kvaløya (Walinsel). Ein Guide erklärt die rund 4500 Jahre alten Fels-zeichnungen am Skavberg. Nach einem leich-ten Mittagessen kann man sein Glück beim Fi-schen versuchen oder eine kurze Wanderung unternehmen. Der Rückweg erfolgt mit Bus. Nach dem Abendessen im Steakers Restaurant erläutert Fritz Gassmann die Bedeutung der Arktis für das zukünftige Klima Europas.

Sa 4. AugustDer Tag steht zur freien Verfügung, um die at-traktive Stadt nach eigenem Gutdünken kennen zu lernen. Neben vielen kulturellen und touris-tischen Sehenswürdigkeiten kann ein sehr in-teressantes Science Museum besucht werden. 18:45 Uhr: Flug nach Longyearbyen (Spitz-bergen), Transfer zum Hotel Radisson Blu und Abendessen im hoteleigenen Restaurant Nan-sen. Auf einem anschliessenden Spaziergang bei Mitternachtssonne wird eine kulturelle und historische Einführung zur nördlichsten Stadt der Welt gegeben.

So 5. AugustEs kann unter drei geführten Ausflügen ab Longyearbyen ausgewählt werden:

a) eine Tageswanderung mit herrlicher Panoramasicht und Erlebnis der Tier- und Pflanzenwelt. Nach einer kurzen Bootsfahrt über den

Adventfjord schliesst eine 5-stündige Wande-rung über wegloses Gelände an. Man fühlt sich als Entdecker einer neuen Welt! (rund 200 m Höhendifferenz)

b) mit einem Geländefahr-zeug (Can-Am Outlander) durch die sommerliche Land-schaft Svalbards durch Endalen bis zum Adventda-

len. Vorbei am Observatorium für Nordlicht-Forschung eröffnet sich ein fantastischer Blick über Adventdalen. Auf dem Rückweg Besuch einer Husky-Zucht. (Dauer 4 Stunden)

c) unter Anleitung von ausge-bildeten Kayakführern ist der Ausflug für jedermann geeig-net und bietet eine spannen-de und traditionelle Art von

arktischem Reisen mit Kayaks. (Dauer 4 oder 7 Stunden)

Mo 6. AugustSchiffsausflug nach Barentsburg, vorbei am be-eindruckenden Esmark-Gletscher, am mächti-gen Vogelfelsen «Fuglefjellet» mit Tausenden Brutvögeln geht es zur russischen Bergbau-Siedlung Barentsburg, wo die Zeit in den 80er-Jahren stehen geblieben ist. Am Mittag wird auf Deck ein arktisches Barbecue serviert. Beim nordischen Abendes-sen in einer typischen Kota mit offenem Feuer wird Wissenswertes über das Leben der Eis-bären vermittelt.

Vierteljahrsschrift — 4 | 2017 — Jahrgang 162 — NGZH15

Di 7. AugustBesuch des Saatgut-Bunkers (eine Art Arche Noah im Eis) und der riesigen Svalbard Satel-litenstation mit 31 Parabolantennen, die mit al-len Satelliten mit polarer Umlaufbahn täglich in Kontakt tritt. 15:00 Uhr: Direktflug ab Longyearbyen nach Zürich mit Edelweiss (Ankunft in Zürich um 20:00 Uhr)

PreiseDer Preis für die gesamte Reise beträgt CHF 3950.– pro Person. Darin inbegriffen sind Flug-billete und Hotels sowie alle Ausflüge ausser die optionalen am Sonntag. Inbegriffen sind auch alle Mahlzeiten ausser die Mittagessen am Samstag und Sonntag sowie das Abendessen am Sonntag.

Folgende Zusätze sind optional:- Aufpreis für Einzelzimmer: CHF 480.–- CO2-Kompensation (myclimate): CHF 40.–- Ausflüge am Sonntag je nach Wahl: CHF 120.– bis 150.–- Reise-Annullationsversicherung: ca. CHF 80.–Kleine Preisschwankungen sind bis Ende Feb. 2018 vorbehalten.

Anmeldung und Bezahlung Maximal kann die Reisegruppe 19 Teilnehmer umfassen. Auf Grund der Ankündigung im Edi-torial der letzten Vierteljahrsschrift sind bereits 14 Plätze besetzt. Die Teilnahmegebühr muss bis spätestens 28.2.2018 an die NGZH einbe-zahlt werden.

Weitere Auskünfte und Anmeldung:[email protected] / Tel. 056 223 19 75

Impressionen aus der Gegend um Long-yearbyen, der nördlichsten Stadt der Welt.

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Die Katastrophe im Lötschbergtunnel 1908

Akademisch tätige Geologen beschäfti-gen sich normalerweise mit Ereignissen, wel-che Hunderttausende oder gar Millionen von Jahren zurückliegen, und ihre Theorien entzie-hen sich somit oft einer direkten Überprüfung. Anders sieht es bei angewandt tätigen Geolo-gen aus, deren Erfahrung beispielsweise bei Prognosen zu Bauprojekten herangezogen wird. Deren Schlussfolgerungen können sich im Lau-fe der Bautätigkeit als richtig oder falsch erwei-sen, und der intellektuelle Reiz der Überprüf-barkeit vermengt sich mit dem Wissen um die möglichen wirtschaftlichen und menschlichen Folgen einer Fehlprognose. Eine der gravierendsten Folgen einer geo-logischen Fehlprognose in der Schweiz ereig-nete sich beim Bau des Lötschbergtunnels zu Beginn des 20. Jahrhunderts und erfuhr inter-essanterweise eine ausführliche Aufarbeitung in der Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich. Um zu verstehen, wie es zu dieser Fehlprognose kommen konnte, lohnt sich ein Blick zurück in die Geschichte der Geo-logie kurz vor der Jahrhundertwende. Während in Schweizer Geologenkreisen die einstmals viel grössere Ausdehnung alpiner Gletscher bis ins Mittelland hinaus (die Eiszeit) bereits um 1850 praktisch unbestritten war, stritt man dafür umso heftiger um eine damit zusammenhängende Frage: Welchen Anteil hat-ten diese Gletscher bei der Bildung der Täler? Oder anders gefragt: Flossen die Gletscher in bereits bestehende Talungen hinein (ausgefres-sen durch Jahrmillionen der Flusserosion) oder beteiligten sie sich selbst aktiv am Talbildungs-prozess? Diese Frage hatte konkrete Konsequen-zen: aus vergletscherten Gebieten wusste man, dass Gletscher die Eigenschaft besitzen, sich auch in Tälern zu bewegen, deren Felsbasis tal-auswärts ansteigt (sogenannte rückläufige oder übertiefte Täler). Mit anderen Worten, Gletscher besitzen die Fähigkeit, bergauf zu fliessen, und es wurde bereits früh vermutet, dass Erosion an ihrer meist verborgenen Basis (durch Glet-

scherbäche und die direkte Wirkung des schutt-beladenen Eises) für diese übertieften Täler selbst verantwortlich sein könnten. Ein prominenter Kritiker der Auffassung starker Erosion durch Gletscher war der Geo-loge Albert Heim (1849–1937), Professor an der Universität und am Eidgenössischen Poly-technikum in Zürich. Seine ausgeprägte Anti-pathie gegenüber der Annahme einer wichtigen Rolle der Gletscher bei der Talbildung, obwohl natürlich auf weit ausführlicheren Argumenten basierend, wurde häufig zum plakativen Aus-spruch «Mit Butter hobelt man nicht!» verkürzt. Als sich in den späten 1890er-Jahren die Pläne für eine Lötschberglinie zu konkretisieren begannen, wurden drei namhafte Schweizer Geologen (Edmund von Fellenberg, Ernst Kiss-ling und Hans Schardt) mit einer geologischen Expertise betraut. Diese sagte den Tunnelbau-ern festen Fels unter dem zu querenden Gas-terntal voraus, was dann am 24. Juli 1908 mor-gens um halb Zwei zur Katastrophe führte. Die Stollenbrust brach 180 Meter unter dem Gasterntal ein und eine wassergesättigte Masse aus Sand und Kies stürzte murgangartig in den Stollen und füllte diesen auf einer Länge von 1,5 Kilometern (siehe Abbildung). 25 Mineure ka-men dabei ums Leben. Wie konnte es zu solch einer Fehlprogno-se kommen? Bezeichnenderweise reagierte Al-bert Heim umgehend, obwohl er am Gutachten gar nicht beteiligt gewesen war, und schrieb ei-nen Artikel in der Vierteljahrsschrift mit dem Titel «Beweist der Einbruch im Lötschbergtun-nel glaciale Übertiefung des Gasterentales?» (VJS 53, S. 471-480). Dass die drei Experten den Inge-nieuren festen Fels anstelle von losem Talschutt vorausgesagt hatten, hing damit zusammen, dass sie davon ausgingen, das Gasterntal sei ein normales Flusstal, dessen Felsbasis konti-nuierlich talaufwärts aufsteige. Da die Kander-schlucht am Ausgang des Gasterntales (die «Chluse») aus Fels besteht, vermuteten sie im oberen Verlauf des Tales eine durchgehende Felsbasis.

Vierteljahrsschrift — 4 | 2017 — Jahrgang 162 — NGZH17

Der Tunnel hätte die Kander demnach mit einer Überlagerung von mindestens 100 Metern Felsgestein unterquert. Dem war aber nicht so, und Heim fühlte sich offensichtlich dazu veranlasst zu reagieren. Denn obwohl er als Experte nicht involviert gewesen war, fiel die Kritik auch auf ihn zurück wegen seiner Verneinung der möglichen Übertiefung eines Tales durch Gletschererosion. Heim argumentierte in seinem Artikel, eine Übertiefung des Gasterntales sei keines-falls belegt und die Befunde geologischer Be-gehungen hätten ihn vielmehr zu einer anderen Auffassung geführt: Der Felsriegel der Chluse oberhalb Kandersteg sei in Tat und Wahrheit gar kein solcher, sondern lediglich eine durch Schutt gebildete Sperre in einem ansonsten stetig ansteigenden Flusstal. Es ist hier nicht der Ort, die geologischen und vielleicht auch psychologischen Grundla-gen von Heims (nachträglich als falsch erkann-tem) Verteidigungsversuch zu diskutieren, doch eine weitere Facette soll hier noch erwähnt wer-den: Der jurassische Geologe Louis Rollier hat-te 1906 in einem Zweitgutachten zur Vorsicht unter dem Gasterntale gemahnt (zusammengefasst

von H. Jäckli in der Vierteljahrschrift 106: 253-275). Er verwies auf die Möglichkeit der glazialen Übertiefung, erwähnte aber auch, dass diesbezüglich «…bei

den Fachleuten die Meinungen noch weit aus-einander [gingen]…». Dies zeigt ein grundlegendes und nach wie vor aktuelles Problem der Kommunikation zwischen Wissenschaftern und der Öffentlich-keit sowie Entscheidungsträgern auf. Während Letztere nach eindeutigen Ratschlägen verlan-gen, ist Wissenschaft naturgemäss ein unsiche-res und vieldeutiges Geschäft. Auch ein breit abgestützter Konsens der wissenschaftlichen Gemeinschaft kann sich später als falsch er-weisen, und es ist die Kunst guter Wissen-schaftskommunikation, diese inhärenten Unsi-cherheiten weder zu verschweigen, noch diese so zu betonen, dass der Eindruck entsteht, Wis-senschaft sei ein frivoles Spiel bar jeder Regel. Wichtig bleibt schliesslich immer die ständige Überprüfung und falls nötig Widerlegung beste-hender Theorien. Tragisch, dass dies im Falle des Lötschbergtunnels so gewaltsam erfolgen musste.

Dominik LetschDer Autor ist Doktorand am Institut für Geochemie und Petrologie der ETH Zürich.

Querschnitt des Gasterntals mit der projektierten Tunnelaxe und dem Einbruch des Stollens unter dem Talboden. Aus Heim (Vierteljahrsschrift 53: S. 479)

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Mit einem raffinierten Spiel überzeugte sie die Jury: Marike Weiss ist die Gewinnerin des diesjährigen Jugendpreises der NGZH. (S. dazu auch den Beitrag auf S. 20). Im folgenden Beitrag stellt sie ihre Arbeit vor.

Helfen Sie der Menschheit und retten Sie ver-lorenes Wissen aus dem Bereich der Chemie! Reisen Sie dazu mit der Zeitmaschine in die Vergangenheit zurück! Wir schreiben das Jahr 4055. Es ist wertvolles Wissen aus der Chemie verloren gegangen, und nur mit diesem Wissen können wir gegen die künstliche Intelligenz kämpfen, die heutzutage alles kontrolliert. Ihr Ziel ist das alte Haus von Dr. Evil im Jahr 1900. Er besitzt eine umfangreiche Bibliothek, in der Sie hoffentlich alles finden, was Sie brauchen. Aber geben Sie gut acht: Dr. Evil hütet seine Sammlung wie seinen eigenen Augapfel und darf Sie nicht erwischen! Vielleicht sind Sie im echten Leben keine Heldin oder kein Held, aber sicher in diesem Spiel. Hier wird spielerisch Wissen zur Chemie erlangt, um die Welt zu retten. Dabei liest man Wissenskarten, löst Aufgaben, führt Experimen-te durch und reist sogar in die Vergangenheit zu bedeutenden Chemikern. Zwischendurch wer-den Rohstoffe aufgefüllt – und man sollte Dr. Evil aus dem Weg gehen. Das Spiel unter dem Namen Chemarium habe ich im Rahmen meiner Maturitätsarbeit entwickelt und hergestellt. Ich will damit den

Chemarium – ein Gesellschaftsspiel zum Thema Chemie

Zugang der Spielerinnen und Spieler zur Che-mie erleichtern. Denn nur ein Fünftel der Ju-gendlichen in der Schweiz besucht eine Kan-tonsschule, in der Chemie zur Allgemeinbildung gehört. In der Sekundarschule wird die Chemie meiner Meinung nach zu rudimentär bearbeitet. Ein Spiel zur Vermittlung erschien mir passend. Ich wollte aber kein Lernspiel für Schu-len entwickeln, sondern ein Familienspiel, das alle spielen können. Es hat sich jedoch in der Zwischenzeit gezeigt, dass auch Schulen an Chemarium grosses Interesse haben. In meiner Familie schätzen wir koopera-tive Spiele, in denen die Spielerinnen und Spie-ler miteinander spielen und nicht gegeneinander. Diese Spielvariante habe ich auch in meinem Spiel umgesetzt. So kann man sich gemeinsam eine Strategie überlegen. Ausserdem ist es viel schwieriger, ein Chemiespiel zu entwickeln, das konkurrenzorientiert ist, weil die Spielerinnen und Spieler unterschiedliche Vorkenntnisse ha-ben, aber die Gewinnvoraussetzungen für jeden gleich sein sollen. Bei meinem Spiel sollen Ju-gendliche ohne Chemiekenntnisse als auch Ex-perten Spass haben. Ort des Geschehens ist ein Wohngebäu-de mit fünf Zimmern und einem Garten sowie einer Garage. Die einzelnen Zimmer des Hauses haben verschiedene Funktionen, die gut merk-fähig sind. Puppenhausmöbel unterstützen die Wahrnehmung. Die Mitspielerinnen und Mitspie-ler symbolisieren ihren Standort im Haus durch einen dekorativ gestalteten Pöppel. In der Bibliothek, in der ein Bücherregal steht, liegen Wissenskarten, auf denen ich Che-miewissen notiert habe. Passend dazu können im Wohnzimmer Aufgaben gelöst werden. In der Küche werden Experimente mit alltagüblichen Utensilien durchgeführt. Man benötigt z.B. Streichhölzer, Teelichter, Wasser, Alufolie. Wenn man eine Aufgabe oder ein Experiment erfolg-reich abgeschlossen hat, bekommt man eine Belohnung in Form von Büchern. Die Bücher werden in das Regal der Bibliothek gestellt. Sie zählen am Ende des Spiels als Siegpunkte.

Bemalte Spielfiguren mit Spielplättchen. Dr. Evil ganz in schwarz (links)

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Gelingt ein Experiment nicht, verletzt man sich und muss im Bad solange ausharren, bis sich ein anderer Mitspieler erbarmt und die Per-son verarztet. Im Garten erhält man Materialien in Form von Holzwürfeln, die man für die Versu-che und Aufgaben benötigt. Ausserdem braucht man für jede Aktion, die man durchführt, einen Aktionsstein. Sie signalisieren die Energie, die eine Spielerin oder ein Spieler noch hat. Man er-hält eine geringe Menge zu Beginn und kann sie während des Spiels im Schlafzimmer wieder auf-füllen, indem man eine Runde verschläft. Das Highlight meines Spiels ist das DeLo-rean-Modellauto aus der Film-Triologie «Zurück in die Zukunft». Dieses Fahrzeug wurde im Film von den Protagonisten als Zeitmaschine umge-baut. Mit dem DeLorean reist man im Spiel noch weiter in die Vergangenheit zu berühmten Wis-senschaftlern. Wenn man zurückkommt, bringt man einen historischen Brief mit, den man den Mitspielerinnen und -spielern vorlesen darf. Ich habe verschiedene Texte geschrieben: Einmal beschreibt Kekulé, wie er im Traum auf die Struk-tur von Benzen gekommen ist. Mendelejew schickt einen kritischen Brief an Ramsay, in dem er die Existenz des Edelgases Argon bezweifelt. Damals war die Gruppe der Edelgase noch nicht bekannt und Argon wurde als erstes entdeckt. Wenn man ein gutes Spiel entwickeln will, muss man sich zuerst fragen, was ein gutes Spiel ausmacht. Bei vielen Kriterien sind sich die meis-ten Spielerinnen und Spieler einig. Nach dem Studium eines Handbuchs für Spieleentwickler und Gesprächen mit Spieleentwicklern und -kri-tikern habe ich einige wichtige Punkte umge-setzt. Ein Spiel sollte z.B. Spass machen und

eine kleine Einstiegshürde haben. Viele ver-schiedene Faktoren beeinflussen, ob ein Spiel zu spielen Spass macht. Ansprechendes Spiel-material und eine schöne Gestaltung gehören dazu. Das wird unter dem Begriff Immersion zusammengefasst. Da ich bei meinem Spiel nicht auf eine schnelle und besonders billige Produktion achten musste, habe ich besonders dort einen Schwerpunkt gesetzt, um mit kom-merziellen Spielen im Handel mithalten zu kön-nen. Mein Spielbrett besteht aus Holz und ist aufwändig bemalt. In den Zimmern stehen Pup-penmöbel im Biedermeierstil. Besonders die Zeitmaschine, ein Modellauto, und die alten Briefe tragen wesentlich zur Immersion bei. Eine gute Spielanleitung senkt die Ein-stiegshürde und vereinfacht das Lernen des Spiels. Aus eigener Erfahrung weiss ich, wie negativ sich eine schlecht geschriebene Spiel-anleitung auf die Motivation auswirken kann. Von den Profis des Ravensburger Spieleverlags und Kosmos Verlags habe ich mich deshalb be-raten lassen. Es ist z.B. von Vorteil, wenn man immer dieselben Ausdrücke für dieselben Spiel-elemente benutzt. Im Moment bin ich dabei, drei weitere Spiele herzustellen. Ich werde die aufwändige Herstellung des Spiels weiterverfolgen, damit der Grundgedanke der schönen Gestaltung nicht verloren geht. Alle Spielerinnen und Spieler sol-len mein Chemarium mit allen Facetten erleben.

Marike WeissDie Autorin hat ihre Matur an der Kantonsschule Wiedikon mit dem musischen Profil abgeschlossen. Heute studiert sie an der ETH Zürich Gesundheitswissenschaf-ten und Technologie.

Das aufgebaute Spiel Chemarium (ohne Spielkarten)

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Serena Caldari, Licea Artistico100 Giorni per il mio cervello: L'experimento di una dieta Brainfood sul mio corpo (Biologie)

Marike Weiss, Kantonsschule Wiedikon Chemarium – Entwicklung eines Gesell-schaftsspieles zum Thema Chemie(Chemie)

Delia Schellhammer, Kantonsschule Zürcher Oberland

Grüne Chemie – Heilpflanzen unter der Lupe(Chemie)

Saskia Aeschbach, Kantonsschule Zürcher Oberland

Glyphosat: Welche Gefahr bringt das Herbizid tatsächlich?(Chemie)

Enea Kubli, Kantonsschule Zürcher Unter-land

Wirtschaftliche Stärke, sportlicher Erfolg – sind prosperierende Länder auch erfolgreich im Sport?(Geographie)

Preisverleihung im DezemberDurchgesetzt hat sich schliesslich Marike Weiss. Sie hat mit ihrem Chemiespiel die Jury, bestehend aus Fachpersonen aus dem NGZH-Vorstand, am meisten überzeugt. Sie präsen-tiert ihre Arbeit nicht nur in der vorliegenden VJS, sondern wird das Spiel auch am Science Dinner vom 18. Dezember in Meilen vorstellen, wo ihr auch der Preis überreicht wird.

Rolf Debrunner

Elf Maturitätsarbeiten wurden dieses Jahr für den Jugendpreis der NGZH einge-reicht. Dieser wird seit 2003 jährlich für her-vorragende Maturitätsarbeiten vergeben, die im Kanton Zürich in den Fächern Mathematik, Informatik, Physik, Chemie, Biologie oder Geo-grafie verfasst wurden. Das Themenspektrum der Arbeiten ist wiederum sehr vielfältig. Die Palette reicht von mikrobiologischen Untersu-chungen über Ernährungsfragen bis hin zu ei-ner Webapplikation für die Stundenplanung.

Liste der eingereichten ArbeitenFolgende Arbeiten wurden bei der NGZH für den diesjährigen Jugendpreis eingereicht:

Livio Flüeler, Kantonsschule Zürich NordEubranchipus grubii in der Schweiz: Überle-benskünstler aus der Urzeit (Biologie)

Karin Hediger, Kantonsschule EngeBio versus konventionell: ein Duell – Vergleich bezüglich Geschmack, Haltbarkeit, Preis(Biologie)

Viviane Kuss, Kantonsschule FreudenbergArsen in Reis(Chemie)

Nikola Hajdin, MNG RämibühlQuantenpunkt-Solarzellen: Herstellung, Charakterisierung und Optimierung(Physik)

Nishtha Agnihotri, Kantonsschule Zürcher Unterland

Curcumin vs. BHA – eine Untersuchung auf mikrobiologischer Ebene(Biologie)

Amos Calamida, Kantonsschule Zürcher Oberland

Eine Webapplikation für Stundenverschie-bungen(Informatik)

Ein bunter Strauss an Themen

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«Coffee table books» nennt man im angelsäch-sischen Raum grossformatige prächtige Bild-bände, die man gerne seinen Gästen – und sich selbst – an prominenter Lage im Wohnzimmer präsentiert. Zwei kürzlich erschienene Werke dieser Kategorie erweitern auf ideale Weise den Horizont der beiden in der vorletzten Viertel-jahrsschrift empfohlenen Bücher zu zürcheri-schen Tobelbachlandschaften. Wiederum han-delt es sich um ein (ungleiches) Paar von Publikationen – kurz nacheinander veröffent-licht und im Wesentlichen mit dem gleichen Ge-genstand. Beide hier besprochenen Bücher bie-ten ein aktuelles Porträt des Kantons im Spiegel seiner Natur- und Kulturlandschaften bezie-hungsweise eine fotografische Bestandesauf-nahme der hiesigen Landschaftsformen. Visuell wird denn auch wenig überra-schend in beiden Büchern der Kanton von sei-nen schönsten Seiten gezeigt. Während im Band «Zürcher Landschaften» besonders die einge-fügten vierseitigen Faltpanoramafotografien auf-fallen, so sind es bei «Natur und Landschaften von Zürich und Schaffhausen» die zahlreichen Weitwinkel-Luftaufnahmen aus der Perspektive einer kleinen Flugdrohne, die uns eine oft über-raschende Sicht auf vermeintlich vertraute Land-schaften gestattet. Während im ersten Werk die Landschaftsbilder von den professionellen Fo-tografen Marc Schmid und André Roth stam-men, so sind im zweiten Buch gleich die Autoren selbst für das Bildmaterial verantwortlich, wel-ches neben den Landschaftsfotografien zudem viele Tier- und Pflanzenporträts der heimischen Fauna und Flora enthält. Auch der Text der beiden Bücher unter-scheidet sich sowohl in Stil als auch Fokus: Während im ersteren der Ton oft ein mahnend-warnender ist – die Texte mit einem Schwer-punkt Natur- und Landschaftsschutz stammen von Hans Weiss und Bernhard Nievergelt und sind ein eigentliches Plädoyer für die Erhaltung der noch verbleibenden intakten Zürcher Land-schaften – so kommt der zweite Band eher in-formierend-unterhaltend daher und bietet am Ende aller sieben Hauptkapitel auch einige Wan-der-Tipps zu den vorgestellten Landschaften.

Das Spektakel des Unspektakulären Und für alle, die in Zukunft selbst solche Naturfotos machen möchten, werden in einem Schlusskapitel die angewandten Methoden, zu Lande und in der Luft, kurz erläutert. Beigefüg-te Textboxen zu eklektischen Themen und An-ekdoten – von «Erlebnissen mit Bibern» bis zur «Fata Morgana auf dem Bachtel» – sowie ein Sachregister unterscheiden dieses Buch zu-sätzlich vom ersten Werk, welches seinerseits durch die durchgehende Zweisprachigkeit (Deutsch-Englisch) auch als Geschenk für die zahlreichen Expats und ausländischen Ferien-gäste im Kanton Zürich bestens geeignet ist.

Stefan Ungricht

Heinz von Arx (Hrsg.) 2016. Zürcher Landschaften: Natur- und Kulturlandschaften des Kantons Zürich. AS Verlag, Zürich. 265 S., Fr. 58.–, ISBN: 978-3-906055-54-1.

Jürg Alean & Peter Koch 2017. Natur und Landschaften von Zürich und Schaffhausen: Streifzüge durch die heimische Natur. Haupt Verlag, Bern. 208 S., Fr. 49.90, ISBN: 978-3-258-07985-1

Ergänzende Webseite zum Buch: https://www.natur-und-landschaft.ch/

22 I M P R E S S U M

Die Vierteljahrsschrift (VJS) erscheint viermal jährlich: März, Juni, September, Dezember

HerausgeberNaturforschende Gesellschaft in Zürich NGZH

NGZH-VorstandDr. Fritz Gassmann (Präsident)Dr. Stefan Ungricht (Vizepräsident)Dr. Felix Würsten (Quästor)Dr. Kurt Tobler (Sekretär)Dr. Heinzpeter Stucki (Archivar)Prof. em. Dr. Conradin A. Burgadipl. natw. ETH Rolf DebrunnerProf. Dr. Edi KisslingM. Sc. ETH Dominik LetschProf. Dr. Marta Manserlic. phil. Dominik OgilvieProf. em. Dr. Rolf RutishauserProf. Dr. Traudel SaurenmannProf. em. Dr. Martin SchwyzerProf. Dr. Wilfried WinklerPD Dr. Felix Zelder

RedaktionskomiteeFritz GassmannRolf RutishauserMartin SchwyzerDominik Letsch

GestaltungskonzeptBarbara Hoffmannwww.barbara-hoffmann.com

Redaktion und SatzDr. Felix Würsten, Zürich

DruckKoprint AG, Alpnach Dorf

Auflage1400

KontaktSekretariat der NGZHKurt ToblerUniversität ZürichVeterinärvirologieWinterthurerstrasse 266a8057 Zü[email protected]

[email protected]

Redaktionsschluss31. Januar / 30. April31. Juli / 31. Oktober

ISSN0042-5672

Quellen

AbbildungsnachweiseS. 1: Benjamas RamsauerS. 2: NGZHS. 5: Elisabeth und Meinrad RötheliS. 6: Françoise AlsakerS. 8,9: Fritz GassmannS. 14: Kontiki BadenS. 15: Bildarchiv Hurtigruten, Tori HoganS. 18,19: Marike Weiss

NachdruckMit Quellenangabe erlaubt

Mit Unterstützung von:

AG E N DA

AnlässeMontag, 2. Januar 2017, 10–12 UhrZentralbibliothek Zürich, Zähringerplatz 6

Stubenhitze und NeujahrsblätterPräsentation und Verkauf des NGZH-Neujahrs-blatts über die Pflanzen auf den Ständerats-sitzen im Nationalratssaal

www.zb.uzh.ch

Mittwoch, 17. Januar 2018, 19 UhrZürcherische Botanische GesellschaftInstitut für Pflanzenwissenschaft der ETH, Universitätsstr. 2, Hörsaal LFW B1

Petite Science. Einblick in die ausseruniversi-täre Naturforschung in der Schweiz um 1900 PD Dr. Tobias Scheidegger, Institut für Sozial-anthropologie und Empirische Kulturwissen-schaft, UZH

www.zbg.ch/vortraege.html

Freitag, 9. Februar 2018, 19:30 UhrEntomologischen Gesellschaft ZürichETH-Hauptgebäude, Hörsaal D 7.2

Karl von Frisch: der «Hacker» des Kommunika-tionssystems der Bienen. Vortrag von Hans-Ulrich ThomasKarl von Frisch entdeckte, wie Bienen mit Hilfe des Bienentanzes untereinander kommunizie-ren. Damit sind sie in der Lage, den gefundenen Ort, die Distanz sowie Art der Nektar- oder Pol-lenquelle im Bienenstock mitteilen zu können. Wir begleiten von Frisch bei seinen ersten Be-obachtungen 1919 bis zum Nobelpreis 1973 – und weiter.

www.insekten-egz.ch

AusstellungenBis So, 10. Juni 2018Zoologisches Museum der Universität Zürich, Karl Schmid-Strasse 4

Wolf – Wieder unter unsDen Wolf aus dem Dickicht locken, um ihn ken-nenzulernen, das bezweckt die Sonderausstel-lung «Wolf – Wieder unter uns». Fantastisches und Wissenschaftliches, historische Fakten und aktuelle Probleme: Die Ausstellung motiviert

zum Nachdenken über die diversen Aspekte des Themas und erlaubt uns allen, die Frage zu be-antworten: Wieviel Raum gestehe ich dem Wolf zu?

www.zm.uzh.ch

Mi, 28. März bis Sa, 16. Juni 2018focusTerra, Sonneggstrasse 5, Zürich

Expedition Sonnensystem – Mit der ETH auf Forschungsreise durchs AllDie ETH Zürich ist bei drei Weltraummissionen an vorderster Front mit dabei. Wir nehmen Sie mit! Wir machen uns auf zum Mond, zum Mars, zur Venus und bis zu den Grenzen unseres Son-nensystems.

http://focusterra.ethz.ch

Bis So, 5. August 2018KULTURAMA – Museum des MenschenEnglischviertelstr. 9, Zürich

Wie viel Urzeit steckt in dir?Was verbindet die Höhlenzeichnung mit dem Smartphone? Auf welchen Innovationen beruht unsere tägliche Kaffeepause? Welche Spuren der Urzeit finden wir im eigenen Körper? Was hat der Mensch mit der Banane gemeinsam? Die Sonderausstellung «Wie viel Urzeit steckt in dir?» wirft einen weiten Blick zurück, und zeigt, wie die Urzeit unser Leben heute beein-flusst. Sie lässt uns die Gegenwart mit anderen Augen sehen und wirft Fragen über die Zukunft auf. Eine interdisziplinäre und interaktive Spu-rensuche für alle Generationen.

www.kulturama.ch/ausstellungen/

Weitere Daten von Veranstaltungen werden lau-fend in unserer Agenda auf www.ngzh.ch ver-öffentlicht.

NaturforschendeGesellschaft in Zürich www.ngzh.ch