Volker Popp: Herkunft Der Schahada, Imprimatur 2010

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Volker Popp, an expert on numismatics, points out some coins, relevant for the elucidation of the origins of the Islamic shahada.

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    imprimatur, Heft 1, April 2010

    Die Herkunft des islamischen Glaubensbekenntnisses (Schahda) aus dem sptantiken Christentum VOLKER POPP

    Mit dem Begriff Schahda wird im Arabischen ganz allgemein eine Zeugenaussage bezeichnet. Heute hat sich die Bedeutung des Terminus verengt auf die Bezeichnung des islamischen Glaubensbekennt-nisses. Dieses besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil lautet: Es gibt keinen Gott auer Gott (Allh). Der zweite Teil: muhammad(un) / Muhammad ist der Gesandte Gottes.

    Nach gngiger Meinung fasst diese Formel in knapper und eindeutiger Weise das Bekenntnis zum is-lamischen Monotheismus und zur Bedeutung Mohammeds zusammen; in der Schia wird sie ergnzt durch die Erweiterung Und Ali ist der Freund Gottes. Die Schahda kommt in vielen wichtigen Ge-beten und Riten vor. Ihre ernsthafte Aussprache ist das entscheidende Element einer Konversion zum Islam.

    Die Schahda als Ergebnis einer west-stlichen Fusion

    Wie im Folgenden dargelegt wird, war der erste Teil dieser Formel aber schon vor dem Islam weit-hin im stlichen und westlichen Christentum verbreitet. Sie ist angestoen durch den ersten Satz des alttestamentlichen Schema Israel (Hre Israel) im Buch Deuteronomium (6,4): Hre Israel! Der Herr ist unser Gott, der Herr allein. Dieses Bekenntnis blieb auch im Christentum zentrales Bekennt-nis, trotz spterer trinitarischer Entwicklungen. Auch im Koran (Sure 112) wird es aufgegriffen.

    Auch der zweite Teil der Schahda ist christlicher Provenienz aus apokalyptisch geprgten Str-mungen, und im persisch-christlichen Raum findet sich auch schon die vollstndige Schahda.

    Die Entwicklung der heutigen Formel ber verschiedene Zwischenstufen lsst sich jetzt dank der Er-schlieung patristischer Texte und mittels archologischer Funde darstellen. Diese Entwicklung ist mit Hilfe von Belegen in verschiedenen Sprachen der sptantiken Welt nachzuvollziehen.

    1. Die Bezeugung des griechischen Textes des ersten Teils des islamischen Glaubensbekenntnis-ses aus apokryphen Schriften

    Fr den ersten Teil des islamischen Glaubensbekenntnisses kennen wir nun auch die vorislamisch-griechische, -lateinische, -mittelpersische und -aramische Fassung.

    Die frheste bisher nachweisbare Erwhnung des griechischen Textes findet sich in den sog. Pseudo-klementinen. Es handelt sich um Schriften, welche dem Verfasser des Ersten Klemensbriefs (flsch-lich als Bischof von Rom behauptet) untergeschoben wurden. Es handelt sich um die pseudoklementi-nischen Homilien (erste Hlfte 4. Jahrhundert), die in griechischer Sprache vorliegen, und zum ande-ren um die pseudoklementinischen Recognitiones (Wiedererkennungen, Mitte 4. Jahrhundert), die nur noch in einer lateinischen bersetzung des RUFINUS erhalten sind. Beide benutzten wahrschein-lich eine (nicht erhaltene) Grundschrift aus dem 2. Jahrhundert. Eine Herkunft aus Syrien wird unter-stellt.

    Im romanhaften Teil der Schriften findet sich die Schilderung einer fiktiven Diskussion zwischen dem Apostel PETRUS und dem frhchristlichen Gnostiker SIMON MAGUS, der schon in der Apostelge-schichte (Kapitel 8) erwhnt ist. Der Apostel PETRUS vertritt in den Pseudoklementinen theologische Standpunkte, welche heute als judenchristlich gelten. Ich teile diese Einschtzung nicht und sehe statt-dessen hier eine frhe christliche Theologie, welche spter als judenchristlich diffamiert wurde, da sie ein Christentum in einer hebrischen Fassung betrifft.

    Der Gnostiker SIMON DER MAGIER, obschon stlicher Herkunft, vertritt in manchen Abschnitten der Diskussion die hellenistische Theologie des Apostel PAULUS. In den Homilien antwortet der fiktive Apostel PETRUS im Streitgesprch folgendermaen: heis estin ho theos kai plen autou ouk estin the-os (Gott ist Einer, und es ist kein Gott auer ihm)1. Die Recognitiones lassen Gott, wie PETRUS zu

    1 Homilien 16, 7, 9, in: Die Pseudoklementinen, I. Homilien, hg. von BERNHARD REHM (Die griechischen christ-lichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte [GCS], Bd. 42), Berlin 1969, 222.

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    SIMON sagt, sprechen: ego sum deus et non est alius praeter me (Ich bin Gott, und auer mir gibt es keinen anderen [Gott])2, und: Dominus deus tuus deus unus est ..., et praeter ipsum alius non est (Dein Herr und Gott ist ein einziger Gott ..., und auer ihm gibt es keinen anderen)3. Zustzlich zitiert PETRUS auch noch das Schema Israel4.

    Diese Formel greift der Koran auf: l ilh(a) illa llh(a) wahdah(u). Hier haben wir die vollstndige Wiedergabe der obigen Formeln auf arabisch vor uns. Fr den Gebrauch in der spteren Schahda wird sie verkrzt.

    Diese Formulierung erscheint im Koran ebenfalls im Zusammenhang einer Zurckweisung von Unter-stellungen hinsichtlich der Einheit Gottes. (...) l ilh(a) ill huwa (es ist kein Gott auer ihm) heit es dort, wenn es um die Unterstellung der Existenz eines Sohnes oder einer weiblichen Gefhrtin geht. Zur Verdeutlichung zitiere ich hier die Passage des Korantextes in der bersetzung von RUDI PARET, Sure 6: 101-102: (...) der Schpfer von Himmel und Erde. Wie soll er zu Kindern kommen, wo er doch keine Gefhrtin hatte und alles geschaffen hat? Er wei ber alles Bescheid. So ist Gott, euer Herr. Es gibt keinen Gott auer ihm. Dienet ihm! Er ist Sachwalter ber alles.

    Mnzlegenden als Bindeglied der berlieferung (missing link) in Nordafrika

    Die lateinische Fassung des ersten Teils des islamischen Glaubensbekenntnisses findet sich als Mnz-legende auf Kupfermnzen, welche auf das Ende des 7. Jahrhunderts datiert werden. Die in Nordafrika gefundenen Mnzen tragen die Inschrift: DEUS UNUS NON EST ALIUS (Gott ist ein einziger, es gibt keinen anderen). Diese Mnzen gelten als Beleg fr die angeblich groen islamischen Eroberun-gen zu dieser Zeit. Es ist leider noch niemand auf den Gedanken gekommen, dass sie mglicherweise eine lokale theologische Eigenstndigkeit nach dem faktischen Ende der byzantinischen Herrschaft in Nordafrika widerspiegeln und auf das Fortleben frhchristlicher Vorstellungen hindeuten, welche sich nach Ende der byzantinischen Herrschaft wieder ungehindert artikulieren konnten.

    2. Der Ruf nach dem Messias (muhammad(un) / Muhammad) als stliches Element

    Der zweite Teil der Schahda, zu verstehen als Ruf nach dem Messias, ist in einer vorislamischen Fas-sung nur als mittelpersische Mnzinschrift bekannt. Er lautet: MHMT patigama i yazd (MHMT ist der Bote / das Wort Gottes). Vom aramischen Ideogramm MHMT / Machmat (Der Gelobte, der Er-sehnte) leitet sich das trkische mehmet und das arabische muhammad(un) her. Das aramische MHMT bedeutet: Der Gelobte, der Ersehnte. Dies spricht dafr, dass die seit dem 4. Jahrhundert im Westen bekannte Formel eines strikt monotheistischen Gottesbegriffs spter mit diesem stlichen Hinweis auf den erwarteten Messias verbunden wurde und dass der frheste bekannte Hinweis auf den zu lobenden Erwarteten aus dem mittelpersischen Sprachraum kommt. Das aramische patigama steht sowohl fr den Boten wie fr die Botschaft / das Wort.

    Der mittelpersische Hinweis auf den Boten / das Wort kann nicht berraschen, da auch die heute gltige arabische Fassung erstmals im iranischen Raum auftritt. Das Vorkommen der Schhada in ih-rer endgltigen Gestalt in arabischer Sprache und geschrieben mit der arabischen Schrift, kann erst-mals im iranischen Raum im Jahr 66/686 festgestellt werden. Sie findet sich als Randschrift auf einer Mnze aus Bischapur. Bischapur ist ein Ort im Sdiran. Der Prgeherr nennt sich APDLMLIK I APDULAAN. Sein Name ist noch nicht arabisch, unter Verwendung der arabischen Schrift, geschrieben, sondern mittelpersisch unter Verwendung einer aramischen Schrift. Der Prgeherr ABD AL-MALIK BN ABDALLH soll nach dem islamischen Geschichtsmythos ein Hretiker, ein Kharijit, gewesen sein und doch findet sich auf seiner Mnze die frheste Spur des spteren islamischen Glaubensbekenntnisses in der noch heute gebruchlichen Fassung. Nur soviel zur Historizitt des islamischen Geschichtsmythos.

    Der Name des Prgeherrn deutet auf ein eschatologisches Programm hin. Als Abd (Knecht) ist er ver-bunden dem Malik (Knig). Er ist Knecht des Knigs, welcher im Matthusevangelium hufig er-whnt wird als Herr des Endgerichts. Matthus 25, 31-34 spricht vom Kommen des Menschensohns

    2 Recognitiones II 43, 1, in: Die Pseudoklementinen II. Rekognitionen in RUFINs bersetzung, hg. von BERN-HARD REHM (GCS, Bd. 51), Berlin 1965, 77. 3 Recognitiones II 44,3, in: ebd. 4 Recognitiones II 44,3, in: ebd. 78.

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    (aramisch mahd) und wie sich die Vlker (aramisch emwta) vor ihm versammeln, ganz wie in der zoroastrischen und koranischen Schilderung vom Ablauf des Endgerichts, und wie er die Schafe von den Bcken scheidet, streng dualistisch; denn er kennt nur Schwarz und Wei. Der Herr des Endge-richts wird hier als Knig bezeichnet (vgl. Mt 25,46). Ihm dient der Trger des apokalyptischen Na-mens ABD AL-MALIK (Knecht des Knigs).

    3. Das Vorkommen der vollstndigen arabischen Fassung des ersten Teils des islamischen Glau-bensbekenntnisses in Palstina.

    Gegen Ende des 7. Jahrhunderts findet man die Formel: DEUS UNUS NON EST ALIUS in ihrer ara-bischen Fassung: l ilh(a) illa llh(a) wahdah(u) als Mnzinschrift auf Kupfermnzen in Palstina. Im Zusammenhang mit dieser Inschrift findet man auch Darstellungen eines Leuchters im Stil einer Menorah.

    Diese westliche Fassung des ersten Teils des Glaubensbekenntnisses wurde in der arabischen Formel verkrzt zu: l ilh(a) illa llh (Es gibt keinen Gott auer Gott). Die Wiedergabe von Gott ist Ei-ner: wahdah(u) (DEUS UNUS), fiel weg. Dann wurde die verkrzte Formel kombiniert mit der a-rabischen Fassung des ursprnglich mittelpersischen Textes mit dem Ruf nach dem Messias: MHMT patigama i yazd. In der arabischen Fassung lautet dies nun: muhammad(un) / Muhammad rasl al-lah (Gelobt sei der Apostel / Gesandte Gottes [Jesus] oder, nach der spteren islamischen Herme-neutik: Mohamed ist der Gesandte Gottes). Die Kombination der beiden Texte, die verkrzte Formel aus den Pseudoklementinen und der mittelpersische Ruf nach dem Messias, lie die noch heute ge-bruchliche Schahda entstehen.

    Abbildungen von bergangstypen.

    Abb. 1. Kupfermnze mit Darstellung eines fnfarmigen Leuchters. Umlaufend die arabische Fassung der Formel aus den Pseudoklementinen. Diese wird auf dem Revers in einem Rechteck wiederholt. Sammlung der Hebrischen Universitt, Jerusalem.

    Abb. 2.

    Kupfermnze mit Darstellung des Leuchters. Auf dem Obvers umlaufend die arabische Wiedergabe des vollstndigen Textes der Formel aus den Pseudoklementinen. Im Feld des Revers die arabische Wiedergabe der mittelpersischen Inschrift: MAHMAT patigama i yazd als muhammadun / Mu-hammad rasl allh.