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Vorlesung Industrie¨ okonomik II Prof. Dr. Ulrich Schwalbe * Wintersemester 2007 / 2008 Ich danke meinen Mitarbeitern, Frau Dr. Tone Arnold und Herrn PD Dr. J¨ org Naeve f¨ ur zahlreiche Verbesserungsvorschl¨ age und Korrekturen.

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Vorlesung Industrieokonomik II

Prof. Dr. Ulrich Schwalbe∗

Wintersemester 2007 / 2008

∗Ich danke meinen Mitarbeitern, Frau Dr. Tone Arnold und Herrn PD Dr. Jorg Naeve furzahlreiche Verbesserungsvorschlage und Korrekturen.

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Inhaltsverzeichnis

1 Wettbewerbsbeschrankungen 11.1 Kartelle und Kollusionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Kartellbildung und wiederholte Interaktionen . . . . . . . . . . . . . . . 31.3 Unternehmenszusammenschlusse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91.4 Takeovers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321.5 Marktschranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381.6 Uberkapazitaten und Limit Pricing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

2 Vertikale Restriktionen 532.1 Doppelte Marginalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542.2 Preisdiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572.3 Ausschließlichkeitsbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 592.4 Franchising . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

3 Forschung und Entwicklung 673.1 Klassifikation von Prozessinnovationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 673.2 Patentrennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 693.3 Patente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 723.4 Forschungskooperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

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1 Wettbewerbsbeschrankungen

1.1 Kartelle und Kollusionen

(vgl. Oz Shy, S. 78 f.)Kartelle und Monopole mit mehreren Betrieben sind Organisationsformen und Vertrags-vereinbarungen zwischen Betrieben, Unternehmen oder Landern. Betrachtet man z. B.die OPEC (Organisation of the Petroleum Exporting Countries), dann handelt es sichbei diesem Kartell der erdolexportierenden Lander um eine Organisation, die mit deneinzelnen Landern Vertrage uber die zu produzierenden Mengen und damit indirekt auchuber den Weltpreis fur Rohol schließt. Ein anderes Beispiel ware die IATA (InternationalAir Transport Association), die die Flugpreise festlegt.Ein Monopol mit mehreren Betrieben ist ahnlich wie ein Kartell mit dem Unterschied,dass hier alle Betriebe einem Eigentumer gehoren. Ein solches Monopol entsteht z. B.dann, wenn sich alle Firmen in einer Industrie zusammenschließen oder wenn einemMonopolisten mehrere Betriebe gehoren, die das selbe Produkt herstellen.Im Unterschied zum Kartell hat das Monopol mit mehreren Betrieben die Moglichkeit,einen oder mehrere Betriebe zu schließen (oder neue aufzumachen). Ein Kartell wird imallgemeinen keine Betriebe schließen, da dem Kartell die Betriebe nicht gehoren. Und einEigentumer in einem Kartell wird einer Schließung seines Betriebes nicht zustimmen, weiler danach kaum damit rechnen kann, dass die anderen Kartellmitglieder ihn langfristigan ihren Gewinnen beteiligen wurden.Betrachten wir eine lineare aggregierte Preis–Absatz–Funktion

p(y) = a − by.

Weiterhin wird angenommen, dass es n Firmen i = 1, . . . , n gibt. Die von Firma iproduzierte Menge wird mit yi bezeichnet. Jede Firma hat die gleiche Kostenfunktion

Ci(yi) = F + c y2i , F, c > 0.

Die zugehorigen Durchschnitts- und Grenzkostenfunktionen sind

ACi(yi) =F

yi

+ c yi

und

MCi(yi) = 2 c yi.

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1 Wettbewerbsbeschrankungen

Graphisch sieht die Kostenstruktur wie folgt aus.

yi

MCi

ACi MCi(yi)

ACi(yi)

Bilden die n Firmen ein Kartell, so legen sie gemeinsam die Produktionsmengen aller nFirmen so fest, dass die Summe der Gewinne maximiert wird.Sei πi(yi) der Gewinn der Firma i, dann ist der Gesamtgewinn des Kartells

Π(y1, y2, . . . , yn) =n∑

i=1

πi(yi).

Der Gesamtoutput des Kartells ist Y =∑n

i=1 yi.Das Optimierungsproblem des Kartells lautet

maxy1,y2,...,yn

Π(y1, y2, . . . , yn) =

[

a − bn∑

i=1

yi

](

n∑

i=1

yi

)

−n∑

i=1

Ci(yi).

Die n Bedingungen erster Ordnung ergeben sich als:

0 =∂Π

∂yj

= a − 2bn∑

i=1

yi −∂Cj

∂yj

= MR(Y ) − MCj(yj) j = 1, 2, . . . , n.

Hieraus kann man das folgenden Theorem ableiten:

Theorem 1 Der gewinnmaximierende Output des Kartells ergibt sich durchGleichsetzen der Grenzkosten jedes Kartellmitglieds mit dem Grenzerlos, ausgewer-tet an der Stelle des Gesamtoutputs.

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1.2 Kartellbildung und wiederholte Interaktionen

Da alle Betriebe die gleiche Kostenfunktion und damit auch die selbe Grenzkostenfunk-tion haben, die zudem strikt monoton ist, muss fur die Losung der Bedingungen ersterOrdnung gelten, dass y1 = y2 = . . . = yn = y ist. Anders ausgedruckt: Jeder Betrieb imKartell produziert die gleiche Menge, d. h., die einzige Losung des Problems ist symme-trisch.

In diesem Fall vereinfachen sich die Bedingungen erster Ordnung fur alle n Firmen zu

a − 2 b n y = 2 c y ⇐⇒ y =a

2(b n + c).

Der Gesamtoutput des Kartells und der Marktpreis sind

Y = n y =n a

2 (b n + c)und p = a − b Y =

a (b n + 2 c)

2(b n + c).

Wenn n = 1 gilt, dann sind die Menge und der Preis des Kartells gleich der Menge unddem Preis eines Monopols. Man sieht unmittelbar, dass mit der Zahl der Kartellmitglie-der sowohl der Output jeder Firma als auch der Marktpreis fallen. Also werden auch derErlos und der Gewinn jeder Firma mit einer steigenden Anzahl der Kartellmitgliederfallen. Daher versuchen viele Organisationen (wie z. B. die mittelalterlichen Zunfte undGilden) die Zahl derjenigen zu beschranken, die in ihrem Bereich tatig werden.

1.2 Kartellbildung und wiederholte Interaktionen

(vgl. Oz Shy, S. 116 ff.)

Bisher waren wir sowohl im Cournot– als auch im Bertrand–Modell immer davon aus-gegangen, dass die Firmen immer nur einmal miteinander konkurrieren. Allerdings be-obachtet man in der Realitat immer wiederholte Interaktionen zwischen den Oligo-polisten. Im folgenden werden wir die Anreize zur Kartellbildung zwischen Firmen imOligopol untersuchen, wenn die Firmen haufig miteinander interagieren. Es wird sichzeigen, dass eine Absprache nicht eingehalten werden wird, wenn die Firmen nur einmal(oder nur endlich oft) miteinander interagieren. Dies andert sich jedoch, wenn die Fir-men unendlich oft interagieren oder zumindest keine bestimmte Anzahl von

’Runden‘

vorgegeben ist.

Wir betrachten ein einfaches Cournot–Modell mit zwei Firmen. Wir bezeichnen denGesamtoutput mit Y = y1 + y2. Die Preis–Absatz–Funktion ist gegeben durch p(Y ) =1−Y = 1−y1 −y2. Weiterhin wird angenommen, dass die Produktion kostenlos erfolgt.

Nichtkooperatives Verhalten Jede der beiden Firmen maximiert ihren Gewinn πi(y1, y2) =(1 − y1 − y2) y1. Daraus resultieren die Reaktionsfunktionen y1(y2) = (1 − y2)/2 undy2(y1) = (1 − y1)/2. Als Outputmengen im Cournot–Nash Gleichgewicht ergeben sichy1 = y2 = 1/3. Dieser Output wird als mittlerer Output (M) bezeichnet. Die Gewinnein diesem Fall betragen π1 = π2 = 1/9.

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1 Wettbewerbsbeschrankungen

Kooperatives Verhalten Wir nehmen nun an, dass die Firmen ein Kartell bilden, wiewir es bereits analysiert haben. In einem solchen Fall werden sie sich wie ein Monopolverhalten. Hier ergibt sich als Gleichgewichtsbedingung Grenzerlos gleich Grenzkosten,d. h., MR(Y ) = 1 − 2 Y = 0 = MCi, fur i = 1, 2. Daraus ergibt sich die GesamtmengeY = 1/2. Wenn beide Firmen die gleiche Menge produzieren, dann ergibt sich y1 =y2 = 1/4. Diese Outputmengen werden als niedrige (L) Outputmengen bezeichnet. Derresultierende Marktpreis ist p = 1/2. Die Gewinne der beiden Firmen sind π1 = π2 = 1/8.

Abweichen vom Kartell Angenommen, die Firma 2 halt sich an die Kartellvereinba-rung und produziert den Kartelloutput y2 = 1/4. In diesem Fall konnte die andere Firmaihren Gewinn erhohen, wenn sie von der Kartellvereinbarung abweicht. Dies sieht mandaran, dass ihre beste Antwort auf den Output y2 = 1/4 nicht 1/4 betragt. Einsetzenvon y2 = 1/4 in ihren Gewinn ergibt: π1 = (1 − y1 − 1/4)y1. Ableiten und gleich 0setzen ergibt: 0 = 3/4− 2y1. Daraus folgt y1 = 3/8. Dieser Output wird als hoher (H)Output bezeichnet. Die produzierte Outputmenge betragt Y = 3/8+1/4 = 5/8 und dieGewinne sind π1 = 9/64 und π2 = 3/32.

Diese Ergebnisse, zusammen mit einigen weiteren, die hier nicht nachgerechnet wurden,konnen in der folgenden Auszahlungsmatrix zusammengefasst werden.

y1 = L y1 = M y1 = Hy2 = L 1/8, 1/8 5/48, 5/36 3/32, 9/64y2 = M 5/36, 5/48 1/9, 1/9 7/72, 7/64y2 = H 9/64, 3/32 7/64, 7/72 3/32, 3/32

.

Aus dieser Auszahlungsmatrix kann man das folgende Theorem herleiten:

Theorem 2 Im einmal wiederholten Spiel (one-shot game) gilt:

1. Es existiert ein eindeutiges Cournot–Nash Gleichgewicht mit y1 = y2 = 1/3;

2. dieses Gleichgewicht wird vom’kooperativen Ergebnis‘ y1 = y2 = 1/4 domi-

niert.

Wir konnen uns dies auch in einer Grafik klar machen, die wir der Ubersichtlichkeithalber schrittweise entwickeln.

Wir beginnen mit dem Cournot–Nash Gleichgewicht.

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1.2 Kartellbildung und wiederholte Interaktionen

y1

y2

R1(y2)

R2(y1)

M

M

Die Linse, die die beiden Isogewinnlinien aufspannen, zeigt, dass es Moglichkeiten gibt,durch eine Kartellvereinbarung den Gewinn beider Firmen zu erhohen. Eine solche Ver-einbarung, in der beide Firmen die selbe Menge produzieren, sieht wie folgt aus.

y1

y2

R1(y2)

R2(y1)

M

M

L

L

Fur beide Firmen gibt es allerdings einen Anreiz, von der Kartellvereinbarung abzuwei-chen. Gegeben, dass Firma 2 die Kartellmenge produziert, kann Firma 1 den hochstenGewinn erzielen, wenn sie waagerecht auf ihre Reaktionsfunktion abweicht.

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1 Wettbewerbsbeschrankungen

y1

y2

R1(y2)

R2(y1)

M

M

L

L

H

Entsprechend fur Firma 2.

y1

y2

R1(y2)

R2(y1)

M

M

L

L

H

H

Die funf anderen denkbaren Outputkombinationen (H,H), (H,M), (M,H), (L,M) und(M,L), zeichnen wir lediglich ein, da die Grafik auch so schon unubersichtlich gewordenist.

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1.2 Kartellbildung und wiederholte Interaktionen

y1

y2

R1(y2)

R2(y1)

M

M

L

L

H

H

Das unendlich oft wiederholte Spiel

Nehmen wir nun einmal an, die beiden Firmen existieren fur immer. Die Firmen inter-agieren also nicht nur einmal, sondern wiederholt, genauer unendlich oft. Eine Alter-native zu dieser Annahme ware die folgende: Nach jeder Runde gibt es eine positiveWahrscheinlichkeit, dass es noch eine weitere Interaktion gibt.Das Spiel verlauft wie folgt: In jeder Periode t beobachten beide Firmen was sie in allenvorhergehenden Perioden gespielt haben. In jeder Periode t wahlt eine Firma also einenOutput yi(t) ∈ {L,M,H}.Eine Strategie einer Firma ist nun eine Liste von Outputnive-aus in Abhangigkeit von den Outputmengen beider Firmen, die in allen vorhergehendenPerioden gewahlt wurden.Naturlich ist die Zukunft fur eine Firma nicht genauso wichtig wie die Gegenwart, siewird also zukunftige Gewinne diskontieren. Der Diskontfaktor ist gegeben durch ρ =

11+r

, wobei r den Zinssatz bezeichnet. Wenn der Zinssatz steigt, wird ρ geringer und dieZukunft bekommt ein geringeres Gewicht.Es wird angenommen, dass eine Firma die Summe des gegenwartigen und der diskon-tierten zukunftigen Gewinne maximiert. Diese Summe ist gegeben durch:

Πi =∞∑

t=0

ρtπi(t)

Dabei sind die Werte von πi(t) in der Auszahlungsmatrix gegeben.Im folgenden wollen wir aus der unendlich großen Menge moglicher Strategien nur einekleine Teilmenge betrachten. Mit Hilfe dieser Strategien kann gezeigt werden, dass es imunendlich oft wiederholten Spiel andere Gleichgewichte geben kann, als die Wiederholungdes eindeutigen Cournot–Nash Gleichgewichts aus dem One-shot game.Diese Art von Strategien werden als Trigger–Strategien bezeichnet.

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1 Wettbewerbsbeschrankungen

Trigger–Strategien

Eine Trigger–Strategie ist wie folgt gegeben: Eine Firma wahlt den kooperativen Out-put yi(τ) = L in jeder Periode τ , solange die andere Firma in allen Perioden t =0, 1, 2, . . . , τ − 1 ebenfalls die Menge yj(τ) = L produziert hat. Hat jedoch eine derFirmen in irgendeiner Periode t ∈ {0, 1, 2, . . . , τ − 1} etwas anderes als den kooperati-ven Output L gewahlt, dann wird sie fur die gesamte Zukunft den nichtkooperativenDuopol–Output wahlen, d. h., sie wahlt yi(t) = M fur alle t = τ, τ + 1, τ + 2, . . ..

Formal kann man eine Trigger–Strategie wie folgt beschreiben:

Definition 1 Spieler i verwendet eine Trigger–Strategie, wenn fur jede Periodeτ , τ = 1, 2, . . . gilt:

yi(τ) =

L solange y1(t) = y2(t) = Lfur alle t = 0, 1, . . . , τ − 1

M sonst

Durch das Abweichen eines Spielers in einer Periode von der Kartellvereinbarung wirdalso eine unendlich lange dauernde Bestrafung ausgelost (Trigger = Ausloser).

Gleichgewicht in Trigger–Strategien

Im folgenden wird nun untersucht, unter welchen Bedingungen Trigger–Strategien zueinem Gleichgewicht im unendlich oft wiederholten Cournot–Oligopol fuhren. Man kannsich leicht uberlegen, dass fur einen kleinen Diskontfaktor eine Kooperation kein Gleich-gewicht sein wird. In diesem Fall lohnt es sich fur eine Firma von der Kartellvereinbarungabzuweichen, um heute einen kurzfristigen Gewinn aus einer Abweichung zu machen undsich in der (diskontierten) Zukunft mit dem Cournot–Gewinn zufrieden zu geben. Fureinen hinreichend großen Diskontfaktor gilt dies jedoch nicht mehr:

Theorem 3 Wenn der Diskontfaktor hinreichend groß ist, dann ist das Resultat, beidem beide Firmen Trigger–Strategien spielen ein (teilspielperfektes) Gleichgewicht.Formal: Die in Definition 9 gegebenen Trigger–Strategien sind ein Gleichgewicht,wenn ρ > 9/17.

Beweis. Wir betrachten eine reprasentative Periode (τ) und unterstellen, dass keineder beiden Firmen in einer der Perioden t = 1, 2, . . . , τ − 1 von der Kartellvereinbarungabgewichen ist. Wenn nun Firma 1 abweicht und ihre (kurzfristige) beste Antwort auf Lspielt, d. h. den Output H wahlt, erhalt sie einen Gewinn in Hohe von π1(t) = 9/64 >1/8. Da jedoch Firma 1 in Periode τ abgewichen ist, besagt die Trigger–Strategie, dassFirma 2 die Aktion y2(t) = M fur alle t ≥ τ + 1 wahlen wird. In Periode τ + 1 betragtdie Summe der diskontierten Gewinne fur Firma 1 1

1−ρ19, wobei wir davon ausgehen, dass

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1.3 Unternehmenszusammenschlusse

Firma 1 jeweils ihre beste Antwort wahlt, also ebenfalls M produziert.Wenn also Firma 1 in Periode τ abweicht, dann betragt die Summe ihrer diskontiertenGewinne:

Π′

1 =9

64+

ρ

1 − ρ

1

9.

Wenn die Firma 1 in Periode τ jedoch nicht abweicht, dann werden beide Firmen sichan die Kartellvereinbarung halten und den niedrigen Output herstellen. Die Summe derdiskontierten Gewinne betragt in diesem Fall

Π1 =1

1 − ρ

1

8.

Vergleicht man diese beiden Ausdrucke, dann stellt man fest, dass ein Abweichen vonder Kartellvereinbarung nicht sinnvoll ist, wenn ρ > 9/17, da dann Π′

1 < Π1 ist, einAbweichen also zu niedrigeren diskontierten Profiten fuhren wurde.In einem zweiten Schritt muss nun noch gezeigt werden, dass eine Firma – gegeben dieTrigger–Strategie der anderen Firma – kein Interesse daran hat, jemals wieder von derCournot–Menge M abzuweichen. Spieltheoretisch gesprochen mussen wir zeigen, dass dieTrigger–Strategie auch außerhalb des Gleichgewichtspfades optimal ist. Wenn nun eineFirma abgewichen ist, dann wird diese Firma von der nachsten Periode an gemaß derTrigger-Strategie immer den Cournot–Output M produzieren. Die beste Antwort darauffur die andere Firma ist jedoch, ebenfalls immer die Cournot–Menge M zu produzieren,also genau das, was die Trigger-Strategie fur sie vorschreibt. Anders ausgedruckt, diebeiden Trigger-Strategien bilden ein teilspielperfektes Nash–Gleichgewicht.Diese Uberlegung zeigt, dass in einem Modell, in dem die Oligopolisten unendlich oftinteragieren, auch andere Gleichgewichte moglich sind als das, dass in jeder Periode dasCournot–Nash Gleichgewicht gespielt wird. Konkret kann es in diesem Fall zur Bildungeines Kartells kommen, in dem beide Firmen die halbe Monopolmenge produzieren.

1.3 Unternehmenszusammenschlusse

(vgl. Oz Shy, Abschnitt 8.2, S. 173 ff.)In der Industrieokonomik wird u. a. die Frage untersucht, warum in bestimmten Industri-en eine hohe, in anderen jedoch nur eine geringe Unternehmenskonzentration herrscht.Daher werden im weiteren die folgenden Fragen diskutiert:

1. Warum machen die Unternehmen in manchen Wirtschaftszweigen positive Gewin-ne?

2. Warum treten in solchen Fallen keine anderen Unternehmen in den Markt ein?

3. Wie kann man Unternehmenszusammenschlusse erklaren?

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1 Wettbewerbsbeschrankungen

4. Wie sollten Regulierungsbehorden sich gegenuber konzentrierten Industrien ver-halten, d. h.

4.1 Sollten Zusammenschlusse begrenzt und reguliert werden?

4.2 Sollte die Unternehmenskonzentration auch dann reguliert werden, wenn kei-ne Unternehmenszusammenschlusse stattfinden?

Zunachst befassen wir uns mit Unternehmenszusammenschlussen, die sich in drei Kate-gorien unterschieden lassen:

• Horizontale Zusammenschlusse liegen vor, wenn sich Unternehmen in der glei-chen Industrie zusammenschließen, die identische oder ahnliche Produkte herstel-len und zur gleichen Zeit im gleichen geographischen Markt aktiv sind.

• Vertikale Zusammenschlusse liegen vor, wenn ein Unternehmen, das ein Zwi-schenprodukt (oder einen Produktionsfaktor) herstellt, sich mit einem Unterneh-men zusammenschließt, das das Zwischenprodukt verwendet, um das Endproduktherzustellen, oder wenn zwischen zwei Firmen vor dem Zusammenschluss eineKaufer–Verkaufer Beziehung besteht.

• Konglomerate Zusammenschlusse liegen vor, wenn Unternehmen sich zusam-menschließen, die nicht in enger Beziehung stehende Guter herstellen.

Konglomerate Zusammenschlusse wiederum lassen sich in die folgenden drei Unterklas-sen einteilen:

• Markterweiterungszusammenschlusse liegen vor, wenn die fusionierenden Fir-men entweder gleichartige Produkte fur raumlich getrennte Markte oder unter-schiedliche Produkte fur raumlich gleiche oder sich uberschneidende Markte her-stellen.

• Marktverkettungszusammenschlusse liegen vor, wenn eines der beteiligtenUnternehmen Kunde eines Kunden oder Lieferant eines Lieferanten eines anderenbeteiligten Unternehmens war.

• Marktdiversifikationsszusammenschlusse liegen vor, wenn es sich weder umMarkterweiterungs– noch Marktverkettungszusammenschlusse handelt.

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1.3 Unternehmenszusammenschlusse

Geschichte der Unternehmenszusammenschlusse in den VereinigtenStaaten

Die Struktur der amerikanischen Industrie wurde durch 5 Fusionswellen gepragt.1

1. Ausgelost durch die Verabschiedung des Sherman Act, begann die erste Fusions-welle um die Wende vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert. Verglichenmit der Große der Wirtschaft ist diese erste Welle die mit Abstand großte. ImSpitzenjahr der ersten Fusionswelle 1898, war die Zahl der Fusionen pro Dollar desrealen Bruttosozialproduktes ungefahr funfmal großer als im Jahre 1988, dem Spit-zenjahr der vierten Fusionswelle, die in den Medien große Aufmerksamkeit erregthat. Die meisten Zusammenschlusse waren horizontal und umfassten haufig meh-rere Firmen. 75 Prozent der Firmenauflosungen wahrend dieser Welle resultiertenaus Fusionen, die mindestens funf Firmen umfassten.

Viele der heutigen Großunternehmen entstanden in dieser Zeit, z. B. Standard Oilof New Jersey (Exxon), Goodyear, U.S. Steel (USX), General Electric, Nabiscound Eastman Kodak. Ein Wirtschaftshistoriker hat es wie folgt ausgedruckt: “Itis no exaggeration to say that the structure of the modern American economy hadbeen reshaped by the end of the first decade of the twentieth century.”

2. Die zweite große Fusionswelle fand in den zwanziger Jahren statt. Stigler nann-te diese Welle das ‘merger to oligopoly movement´; wahrend die Fusionen derersten Welle eher zu Monopolen fuhrte. Fusionen in diesem Zeitraum umfasstentypischerweise weniger Firmen und fuhrten zumeist dazu, dass sich dadurch diezweit– und drittgroßten Firmen in einer Industrie bildeten. Wahrend die Fusionender ersten Welle hauptsachlich Unternehmen im Bereich des produzierenden undextraktiven Gewerbes betrafen, fanden viele Fusionen der zweiten Welle in anderenSektoren statt, wie z. B. Versorgungsunternehmen, Banken und Großhandel. Auchin diesem Zeitraum waren horizontale Zusammenschlusse vorherrschend, aber esgab auch einige Erweiterungsfusionen und vertikale Zusammenschlusse.

3. Die Abbildung zeigt nur eine geringe Fusionsaktivitat vom Beginn der großen De-pression bis zum Anfang der dritten Fusionswelle Mitte der funfziger Jahre. Inden Jahren von 1960 bis 1970 gab es mehr als 25000 Fusionen, von denen etwasmehr als die Halfte in den Bereichen des produzierenden bzw. extraktiven Gewerbesstattfanden. Die meisten dieser Zusammenschlusse waren konglomerate Fusio-nen, da die Verabschiedung des Celler–Kefauver Act im Jahre 1950 horizontaleFusionen erschwerte. Von 1963 bis 1972 resultierten ca. 80 Prozent der erworbe-nen Vermogenswerte aus konglomeraten Zusammenschlussen. Rein konglomerateFusionen waren in dieser Zeit weit verbreitet.

1(vgl. Waldman, D. F. und E. J. Jensen: Industrial Organisation: Theory & Practice, AddisonWesley, Boston, 2. Aufl., 2000, S. 102 ff. und Scherer, F.M. und D. Ross: Industrial Market

Structure and Economic Performance, Houghton Mifflin, Boston, 3. Aufl., 1990, S. 153 ff.)

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1 Wettbewerbsbeschrankungen

4. Die vierte große Fusionswelle in den Vereinigten Staaten fand wahrend derachtziger Jahre statt. Diese großen Fusionen haben aufgrund der Tatsache, dassgewaltige Betrage im Spiel waren, großes Medieninteresse hervorgerufen. Zum Bei-spiel erwarb Philip Morris das Unternehmen Kraft im Jahre 1988 fur 12.9 Mil-liarden $. Viele der Zusammenschlusse resultierten aus feindlichen Ubernahmen.Leider werden uber diese Form der Zusammenschlusse keine Daten publiziert, sodass ein statistischer Vergleich mit den fruheren Fusionswellen schwierig ist. Es liegtjedoch die Vermutung nahe, dass der Anteil der horizontalen Fusionen im Vergleichzur dritten Welle gestiegen ist. Es ist auch bekannt, dass viele Erdolgesellschaftenihre Gewinne aus den siebziger Jahren dazu verwendeten, in den achtziger JahrenFirmen aufzukaufen.

5. Die funfte große Fusionswelle beginnt 1993 und wird getrieben durch Globali-sierung und neue Technologien. Zu den bekanntesten Beispielen gehoren die Uber-nahme von Mannesmann durch Vodafone sowie der Kauf von Time–Warner durchAOL. Diese Welle ist nach dem Platzen der Dot-Com-Blase erheblich abgeebbt.

Horizontale Zusammenschlusse

(vgl. Oz Shy, Abschnitt 8.2.1, S. 175 f.)

Wir haben im Rahmen des Cournot–Modells gesehen, dass die Wohlfahrt abnimmt, wenndie Zahl der Firmen sinkt. Es stellt sich jedoch die Frage, ob eine Regulierungsbehordeeinen Zusammenschluss nur aufgrund des Anstiegs in der Konzentration untersagensollte. Im folgenden werden wir ein Beispiel betrachten, in dem der Zusammenschlusseiner Firma mit hohen Kosten mit einer mit niedrigen Kosten zu einer Erhohung derWohlfahrt fuhrt, auch wenn die Konzentration steigt.

Betrachten wir das ubliche Cournot–Modell mit zwei Unternehmen, deren konstantenGrenzkosten c1 = 1 und c2 = 4 betragen. Die Preis–Absatz–Funktion lautet p = 10 −(y1 + y2).

Die gleichgewichtigen Mengen sind

y∗

1 =10 − 2 c1 + c2

3= 4 und y∗

2 =10 − 2 c2 + c1

3= 1.

Der Gleichgewichtspreis ist p∗ = 10 − 4 − 1 = 5 und die Gewinne sind π∗

1 = 16 undπ∗

2 = 1.

Fur die Konsumentenrente gilt CS(p∗) = 1/2 (10 − 5)2 = 12, 5. Die gesellschaftlicheWohlfahrt betragt daher W ∗ = CS(5) + π∗

1 + π∗

2 = 29, 5.

Wenn man nun einen Zusammenschluss der beiden Firmen erlaubt, dann wird sich dasfusionierte Unternehmen wie ein Monopolist verhalten, d. h. es wird Grenzerlos gleichGrenzkosten setzen. Dabei wird das Monopol nur in der Firma mit den geringen Kostenproduzieren. Die relevanten Grenzkosten sind also c1 = 1.

In diesem Fall ergeben sich die Menge ym = 4, 5, der Preis pm = 10− 4, 5 = 5, 5 und einGewinn des Monopolisten von πm = (5, 5 − 1) 4, 5 = 81/4 > 17 = π∗

1 + π∗

2.

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1.3 Unternehmenszusammenschlusse

Die Konsumentenrente betragt jetzt CS(5, 5) = 1/2(10 − 5, 5)2 = 81/8 < 100/8 =CS(5). Die Wohlfahrt nach dem Zusammenschluss ist Wm = CS(5, 5) + πm = 30, 375.Es gilt also Wm > W ∗.Offensichtlich hat aber die Konzentration zugenommen, da es nunmehr nur noch eine(marktbeherrschende) Firma gibt.Dieses Ergebnis wird im folgenden Theorem zusammengefasst.

Theorem 4 Im Rahmen des Cournot–Modells impliziert eine Erhohung der Kon-zentration durch den Zusammenschluss von Unternehmen nicht notwendigerweiseeine Verringerung der gesellschaftlichen Wohlfahrt.

In dem hier betrachteten Beispiel gibt es einen trade off zwischen dem Gewinn an Pro-duktionseffizienz einerseits und den Kosten der Monopolbildung andererseits. Im Fall, indem die Differenz der Produktionskosten hoch ist, wird die durch ein geringeres Angebotund einen hoheren Preis verringerte Konsumentenrente durch den Gewinn an Produk-tionseffizienz uberkompensiert.Achtung: Die Aussagen des Modells mussen naturlich mit einer gewissen Vorsicht in-terpretiert werden: Die Argumentation ist dann nicht korrekt, wenn keine Cournot–Marktstruktur vorliegt, sondern z. B. Bertrand–Wettbewerb. In diesem Fall wurde dieineffiziente Firma nicht produzieren. Anders ausgedruckt: Schlussfolgerungen, die beimCournot–Wettbewerb richtig sind mussen auch in anderen Marktstrukturen gultig sein,wenn man Aussagen uber die Wohlfahrt machen will, die bezuglich der Marktstrukturrobust sind.

Das Merger Paradox

(vgl. Pepall, Richards und Norman, Abschnitt 8.1.1, S. 405 ff.)Wahrend im letzten Abschnitt untersucht wurde, wie ein Zusammenschluss von Un-ternehmen mit unterschiedlichen Technologien wirkt und welche Auswirkungen auf dieWohlfahrt zu erwarten sind, gehen wir in diesem Abschnitt von einer Fusion gleichartigerUnternehmen aus und stellen die Anderung der Marktstruktur in den Vordergrund derAnalyse.Betrachten wir eine Industrie mit drei Firmen. Der Zusammenschluss von zwei dieserFirmen andert die Marktstruktur zu einem Duopol. Der Zusammenschluss der verblie-benen zwei Firmen schafft ein Monopol. Entscheidend hierbei ist, dass die Moglichkeit,Marktmacht zu erhalten ein wichtiges Motiv fur eine solche Fusion sein wird.Es ist uberraschend, dass es nicht einfach ist, ein okonomisches Modell zu konstruieren,in dem ein Zusammenschluss unterhalb der Fusion zum Monopol zu großeren Gewinnenfur die beteiligten Firmen fuhrt. Dieses Problem wird in der Literatur als das MergerParadox bezeichnet.Betrachten wir eine Industrie mit drei Firmen, die ein homogenes Produkt herstellen undsich in einem Mengenwettbewerb befinden. Was passiert nun, wenn zwei der Firmen sichzusammenschließen, die Industrie dann zu einem Duopol wird, und die Firmen weiterhin

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1 Wettbewerbsbeschrankungen

einen Mengenwettbewerb betreiben?Bevor wir dies in einem formalen Modell analysieren, geben wir eine heuristische Be-schreibung der Ergebnisse und der dahinter steckenden okonomischen Intuition.Wir wissen, dass sich der Industrieoutput immer weiter vom Wettbewerbsoutput ent-fernt, wenn die Zahl der Firmen abnimmt. Daher wird der Zusammenschluss den Ge-samtoutput reduzieren und den Preis des Gutes erhohen. Vom Standpunkt der Firmenaus betrachtet ist das naturlich positiv, denn die Preis–Kosten Marge steigt und derGewinn der Industrie wird zunehmen.Allerdings ist das Ziel der beiden Unternehmen, die sich zusammenschließen nicht, denGewinn der Industrie zu erhohen, sondern sie sind nur an ihrem eigenen Gewinn in-teressiert. Anders ausgedruckt, sie hatten die Hoffnung, als fusioniertes Unternehmenprofitabler zu sein als zwei einzelne Unternehmen.

Merger Paradox : Betrachten wir den gemeinsamen Output dieser beiden Unterneh-men. Ursprunglich produzierten diese Unternehmen zwei Drittel des gesamten Outputsin der Industrie mit drei Firmen. Nach der Fusion wird jedoch ihr gemeinsamer Outputaus den folgenden Grunden deutlich geringer sein.

1. Als fusionierte Firma in einem Duopol produzieren die fruheren zwei Firmen nurnoch die Halfte des Outputs und nicht mehr zwei Drittel.

2. Der Gesamtoutput der Industrie ist nach der Fusion zuruckgegangen.

Insgesamt produzieren die fusionierten Unternehmen also einen geringeren Teil des ge-ringer gewordenen gesamten Outputs der Industrie. Zwar ist die Preis–Kosten Margegestiegen, aber das ist nicht ausreichend, um diese Reduktion des Outputs zu kompen-sieren.Die Fusion fuhrt also nicht zu zusatzlichen Gewinnen fur die beiden Unternehmen, diean dem Zusammenschluss beteiligt sind. Der Nettoeffekt der Fusion auf die Gewinne istnegativ und das umso mehr, je kostspieliger die Planung und Durchfuhrung der Fusionist.Der eigentliche Gewinner der Fusion ist das dritte Unternehmen, das nicht ander Fusion teilgenommen hat.Wie unten gezeigt wird, fuhrt die Outputreduktion der beiden zusammengeschlosse-nen Firmen zu einer Outputerhohung des dritten Unternehmens im Cournot–Duopol.Dieses Unternehmen produziert nun die Halfte des Gesamtoutputs und nicht nur einDrittel. Zwar ist der Gesamtoutput geringer, aber die Zunahme im Outputanteil desUnternehmens dominiert, so dass sein Output insgesamt wachst. Daruberhinaus hat derverringerte Gesamtoutput den Effekt, den Preis zu erhohen.

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1.3 Unternehmenszusammenschlusse

Graphisch kann man sich die Situation vor und nach der Fusion wie folgt vorstellen:

Marktanteile der Firmen vor der Fusion

33%

33%

33%

Marktanteile der Firmen nach der Fusion

50%

25% 25%

Unsere Ergebnisse sind also:

Die Gesamtmenge der fusionierten Unternehmen sinkt so stark, dass sie trotz deshoheren Preises einen niedrigeren Gewinn machen.

Das nicht an der Fusion teilnehmende Unternehmen wird eine großere Mengeproduzieren und zu einem hoheren Preis verkaufen. Daher wird nur das unbeteiligtedritte Unternehmen durch die Fusion profitieren.

Insgesamt sollte also ein Unternehmen, das in einer drei–Firmen–Industrie einen Zu-sammenschluss erwagt, diese Idee schnell fallen lassen. Sein Gewinn wird nicht zuneh-men – wenn es jedoch wartet und die beiden anderen Unternehmen fusionieren, dannwurde es einen zusatzlichen Gewinn realisieren konnen. In einem solchen Szenario wurdekeine Fusion zustande kommen. Gleichwohl beobachten wir haufig horizontale Zusam-menschlusse. Dies ist das Merger Paradox.Im folgenden analysieren wir das Merger Paradox in einem formalen Modell.Betrachten wir einen Markt mit n > 2 Unternehmen die ein homogenes Produkt herstel-len und sich als Cournot–Wettbewerber verhalten. Alle Unternehmen haben die folgendeidentische Kostenfunktion

C(yi) = c yi ∀i = 1, . . . , n,

wobei yi den Output des Unternehmens i bezeichnet.Die Nachfrage ist gegeben durch die lineare Preis–Absatz–Funktion

p(Y ) = a − b Y = a − b (yi + Y−i) .

Dabei bezeichnet Y den aggregierten Output, der von den n Unternehmen hergestelltwird. Y−i ist der aggregierte Output aller Unternehmen außer Unternehmen i, d. h.

Y−i = −yi +n∑

k=1

yk.

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1 Wettbewerbsbeschrankungen

Der Gewinn des Unternehmens i kann geschrieben werden als

πi(yi, Y−i) = yi

[

a − b(yi + Y−i) − c]

.

In einem Cournot–Spiel wahlen die Unternehmen ihre Produktionsmengen simultan umihren Gewinn zu maximieren. Wir hatten bereits den Gewinn eines Unternehmens imCournot–Nash Gleichgewicht ermittelt.

π∗

i (y∗

i , Y∗

−i) =(a − c)2

b (n + 1)2.

Angenommen, m Unternehmen entschließen sich zu fusionieren. Um den Fall einer Fusionzum Monopol auszuschließen, nehmen wir an, dass m < n gilt. Solch eine Fusion fuhrtzu einer Industrie, in der es n−m+1 Unternehmen gibt. Da alle Unternehmen identischsind, konnen wir uns vorstellen, dass das fusionierte Unternehmen aus den Unternehmen1 bis m entsteht, wir nennen es m.Dieses neue, fusionierte Unternehmen wahlt seinen Output ym um seinen Gewinn zumaximieren. Dieser Gewinn ist gegeben durch

πm(ym, Y−m) = ym

[

a − b (ym + Y−m) − c]

.

wobei Y−m = ym+1 + ym+2 + . . . + yn den aggregierten Output der n − m Unternehmenbezeichnet, die sich nicht zusammengeschlossen haben. Jedes dieser Unternehmen wahltihren Output um seinen Gewinn zu maximieren, der, wie vorher, gegeben ist durch

πi(yi, Y−i) = yi

[

a − b (yi + Y−i) − c]

.

Der Term Y−i bezeichnet die Summe der Outputs yj der n−m Unternehmen, die nichtfusionieren, ohne Unternehmen i, plus dem Output des fusionierten Unternehmens ym.Eine wichtige Implikation dieser Gleichung besteht darin, dass das fusionierte Unter-nehmen nach dem Zusammenschluss einem beliebigen anderen Unternehmen in dieserIndustrie gleicht. Dies bedeutet, dass alle diese n−m+1 Unternehmen, da sie identischenKostenfunktionen haben, im Gleichgewicht den selben Output herstellen und somit auchden gleichen Gewinn machen.Mit anderen Worten: Im Cournot–Gleichgewicht nach der Fusion sind der Output y∗

m

und der Gewinn π∗

m des fusionierten Unternehmens genau gleich dem Output und demGewinn eines Unternehmens, das sich nicht an dem Zusammenschluss beteiligt hat. Diesesind fur alle i = n + 1, . . . , n

y∗

m = y∗

i =(a − c)

b (n − m + 2)

und π∗

m = π∗

i =(a − c)2

b (n − m + 2)2.

Wir konnen nun den Gewinn eines nichtfusionierten Unternehmens vor und nach dem Zu-sammenschluss ermitteln. Dieser Vergleich macht noch einmal das free–rider Argument

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1.3 Unternehmenszusammenschlusse

klar, das schon verbal dargestellt wurde. Da die Zahl m der fusionierenden Unternehmenmindestens zwei ist, wird der Gewinn eines nichtfusionierenden Unternehmens aufgrundder Fusion steigen:

(a − c)2

b (n + 1)2<

(a − c)2

b (n − m + 2)2.

Wie verhalt es sich bei den fusionierenden Unternehmen? Davon gibt es m und vor demZusammenschluss erhalt jede einen Gewinn in Hohe von

π∗

i (y∗

i , Y∗

−i) =(a − c)2

b (n + 1)2.

Daher betragt der aggregierte Gewinn dieser Unternehmen das m-Fache. Nach der Fusionist der Gewinn des fusionierten Unternehmens

π∗

m =(a − c)2

b (n − m + 2)2.

Damit der Gewinn des fusionierten Unternehmens großer als der aggregierte Gewinn derm Unternehmen vor dem Zusammenschluss ist, muss folgende Bedingung erfullt sein.

(a − c)2

b (n − m + 2)2> m

(a − c)2

b (n + 1)2.

Dies erfordert

(n + 1)2 > m(n − m + 2)2.

Beispiel: Angenommen, die Zahl der Firmen in einer Industrie betragt n = 3 und dieZahl der fusionierenden Firmen ist m = 2. Offensichtlich ist die Ungleichung fur diesenFall nicht erfullt. Daher waren, was die Profitabilitat betrifft, die beiden Firmen nachder Fusion schlechter gestellt als vorher.Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie schwierig es ist, die Bedingung zu erfullen,nehmen wir an, dass die Halfte der Firmen in einer Industrie sich zusammenschließen,so dass m in diesem Fall gleich m = n/2, oder n = 2 m. Man kann nach einigen Umfor-mungen zeigen, dass die linke Seite der Ungleichung 4 m2 + 4 m + 1 und die rechte Seitem3 + 4 m2 + 4 m ist. Da m ≥ 2 gilt, kann die linke Seite der Ungleichung nicht großersein als die rechte Seite.

Eine Fusion erhoht die Profitabilitat der daran beteiligten Firmen also selbst dann nicht,wenn diese Firmen 50 Prozent der Industrie ausmachen. Andererseits ist es nur schwervorstellbar, dass der Zusammenschluss von 50 Prozent aller Firmen ohne eine genaueUntersuchung von den Kartellbehorden genehmigt wurde.Man kann fur verschiedene Zahlen von Unternehmen im Markt, d. h. verschiedene nberechnen, wie viele dieser Unternehmen sich zusammenschließen mussten (m), damitdie Fusion fur die fusionierenden Unternehmen profitabel ist. Die in der folgenden Tabellezusammengefassten Beispiele belegen, dass Zusammenschlusse derartig vieler Firmeneher unrealistisch sind (fur weniger als sechs Firmen ist keine Fusion unterhalb derFusion aller Unternehmen zum Monopol profitabel).

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1 Wettbewerbsbeschrankungen

n 6 7 8 9 10 20 30 40 50 100 150 200m 5 6 7 8 9 17 26 36 45 92 140 188

in % 83,33 85,7 87,5 88,8 90 85 86,66 90 90 92 93,33 94

Das Merger Paradox besteht darin, dass die meisten horizontalen Fusionen im Rah-men eines Cournot–Modells unprofitabel sind, wahrend wie wir gesehen haben, dennochhaufig horizontale Fusionen stattfinden.Welchen Aspekt realer Fusionen haben wir in unserem einfachen Cournot–Modell nichterfasst? Bzw. welcher Aspekt des Cournot–Modells ist die Ursache fur das Ergebnis, dasmit der Realitat nicht ubereinzustimmen scheint?

1. Das Paradox resultiert nicht aus der Annahme des Mengenwettbewerbs. Ersetztman den Mengenwettbewerb durch einen Bertrand–Preiswettbewerb, bleibt dasParadox bestehen. Im Bertrand Modell setzten die Firmen Preis gleich Grenzkosten– wenn die Firmen nicht zu einem Monopol fusionieren, werden die Gewinne nichtsteigen, denn solange es mehr als eine Firma gibt, erhoht eine Fusion die Gewinnenicht – sie bleiben gleich null!

2. Man kann zeigen, dass das Cournot–Ergebnis auch fur eine Reihe von Modellen mitPreissetzung gilt. Die Annahme, dass die Firmen sich in einem Mengenwettbewerbbefinden ist also nicht sehr restriktiv.

3. Wenn im Cournot–Modell Firmen fusionieren, dann verhalt sich das neue, fusio-nierte Unternehmen genau wie eine Firma, die nicht fusioniert hat. Wenn sich alsozwei Firmen in einer drei–Firmen–Industrie zusammenschließen, dann wird sichdie neue Firma als Duopolist verhalten. Die nichtfusionierte Firma hat nach derFusion den gleichen Status wie die fusionierte Firma. Dies gilt trotz der Tatsache,dass sich die nichtfusionierten Firma der vereinten Kraft seiner beiden fruherenKonkurrenten gegenubersieht.

4. Mit anderen Worten, die fusionierte Firma verfugt uber keine großere Marktmachtals die nicht fusionierten unternehmen, obwohl wir das Streben nach Marktmachtals Motivation fur Fusionen identifiziert haben. Was beim einfachen Cournot–Modell also fehlt ist eine Annahme daruber, in welcher Weise die fusionierte Firmauber mehr Moglichkeiten verfugt, als die kleineren Firmen. Es stellt sich als dieFrage, inwieweit ein Mechanismus existiert, der es der großeren Firma erlaubt, ihreGroße so einzusetzen, dass eine Fusion profitabel wird. Um dies zu modellieren,mussen wir den Rahmen des einfachen Cournot–Modells verlassen.

Die fusionierte Firma als Stackelberg–Fuhrer – Ein zweites Paradox

(vgl. Pepall, Richards und Normann, Abschnitt 8.1.2, S. 410 ff.)Ein bekanntes Modell, in dem ein Unternehmen einen Vorteil gegenuber seinen Rivalenhat, ist das von Stackelberg–Modell. Die Ursache der Uberlegenheit des Stackelberg–Fuhrers liegt darin, dass der Fuhrer in der Lage ist, sich an einen Output zu bin-den, bevor die anderen Unternehmen uber ihren Output entscheiden. Dies erlaubt dem

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1.3 Unternehmenszusammenschlusse

Fuhrer, seine Produktionsmenge derart zu wahlen, dass die Reaktionen der Folger schonberucksichtigt sind. Im folgenden wird gezeigt, dass das Merger Paradox vermieden wer-den kann, wenn man dem fusionierten Unternehmen die Rolle eines Stackelberg–Fuhrerszuweist.Das neue Unternehmen verfugt ja uber die doppelte Kapazitat ihrer Konkurrenten, daherkonnte man sich vorstellen, dass dieses Unternehmen in der Lage ist, sich als Stackelberg–Fuhrer zu verhalten. Man kann sich das neue Unternehmen gleichsam als ein stabilesKartell vorstellen, wobei man sich uber die Moglichkeiten eines Abweichens von derKartellvereinbarung keine Gedanken machen muss, da durch den Zusammenschluss keinAnreiz fur ein Abweichen mehr besteht.Es ist wichtig, sich daruber im Klaren zu sein, dass wir dem fusionierten Unterneh-men die Rolle des Stackelberg–Fuhrers zuweisen, um so die Idee abzubilden, dass dasgroßere fusionierte Unternehmen eine großere Marktmacht hat. Dies tun wir, obwohldurch die Fusion a priori weder eine sequentielle Struktur entsteht noch das fusionierteUnternehmen vorher nicht bestehende Moglichkeiten zur Selbstbindung erhalt.Betrachten wir eine Industrie mit n Firmen, die sich in einem Cournot–Wettbewerbbefinden. Die Gesamtnachfrage nach dem Produkt der Industrie ist gegeben durch dielineare Preis–Absatz–Funktion p = a−b Y . Um die Untersuchung so einfach wie moglichzu halten, gehen wir davon aus, dass sich nur zwei Firmen zusammengeschlossen haben.Daruberhinaus haben diese beiden Firmen die Moglichkeit, ihren Output zu wahlen,bevor die ubrigen n − 2 Firmen uber ihre Produktionsmengen entscheiden.Wir wissen aus der Veranstaltung Industrieokonomik I, dass die Menge, die ein Stackel-berg–Fuhrer mit Kosten c > 0 herstellen wird gegeben ist durch

yL =a − c

2 b.

Das Superskript L steht dabei fur den Stackelberg–Fuhrer (’Leader‘). Man kann auch

leicht nachrechnen, dass die beste Antwort yFj der n − 2 verbleibenden Firmen gegeben

ist durch

yFj =

1

n − 1

a − c

2 b.

Dabei bezeichnet das Superskript F den Stackelberg–Folger (’Follower‘). Der Gesam-

toutput Y F aller Stackelberg–Folger ist gegeben durch

Y F =n − 2

n − 1

a − c

2 b.

Der aggregierte Output der Industrie besteht aus der Summe der Outputs des Stackelberg–Fuhrers Y L und der Stackelberg–Folger Y F und ist gegeben durch

Y =(2 n − 3)

(n − 1)

(a − c)

2 b.

Einsetzen in die Preis–Absatz–Funktion ergibt den Preis

pL = a +c (2 n − 3)

2 (n − 1)

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1 Wettbewerbsbeschrankungen

und damit eine Preis–Kosten Marge in Hohe von

pL − c = a − c

2 (n − 1).

Das fusionierte Unternehmen erzielt einen Gewinn in Hohe von

πL =(a − c)2

4 b (n − 1),

wahrend jedes der nichtfusionierten Unternehmen einen Gewinn von

πFj =

(a − c)2

4 b (n − 1)2

erhalt.Offensichtlich erzielt der Stackelberg–Fuhrer einen hoheren Gewinn als die Stackelberg–Folger. Die entscheidende Frage ist jedoch, ob dieser Gewinn großer ist als derjenige, dendie Unternehmen zusammen erzielt hatten, wenn sie sich nicht zusammengeschlossen undden ublichen Gewinn im Cournot–Nash Gleichgewicht mit n Firmen erhalten hatten. Mitunseren Informationen uber das Cournot–Nash Gleichgewicht mit n Firmen konnen wirdiese Frage einfach beantworten.Der Gewinn jedes Unternehmens vor dem Zusammenschluss im Cournot–Nash Gleich-gewicht war gegeben durch

π∗

i =(a − c)2

b (n + 1)2.

Damit ein Zusammenschluss sich lohnt, muss der Gewinn des fusionierten Unternehmensgroßer sein als die Summe der Gewinne, die die beiden Unternehmen vor dem Zusam-menschluss erzielt haben. Mit anderen Worten: Damit eine Fusion profitabel ist, mussdie folgende Bedingung erfullt sein.

πL ≥ π∗

1 + π∗

2 ⇒ (a − c)2

4 b (n − 1)≥ 2

(a − c)2

b (n + 1)2.

Man kann leicht uberprufen, dass diese Bedingung immer erfullt ist, wenn n großer istals 3. Sie ist genau mit Gleichheit erfullt, wenn n = 3 ist.

Wenn sich zwei Unternehmen zusammenschließen und die Rolle des Stackelberg–Fuhrers ubernehmen, dann wir diese Fusion ihren Gewinn erhohen, vorausgesetzt,es gibt mehr als 3 Firmen in der Industrie.

Unser Modell, in dem das fusionierte Unternehmen als Stackelberg–Fuhrer agiert, hatalso das Merger Paradox vermieden: In diesem Modell ist ein Unternehmenszusam-menschluss profitabel.

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1.3 Unternehmenszusammenschlusse

Was passiert mit den Unternehmen, die nicht an diesem Zusammenschluss beteiligtsind? Diese haben vor dem Zusammenschluss ebenfalls den Cournot–Gewinn erzielt. Wirkonnen nun feststellen, ob sich ihre Situation verbessert hat, indem wir die Gewinne inden beiden Marktstrukturen miteinander vergleichen.

πFj =

(a − c)2

4 b (n − 1)2≥ (a − c)2

b (n + 1)2= π∗

i

⇒ (n + 1)2 ≥ 4 (n − 1)2 ⇒ n ≤ 3.

Diese Uberlegung fuhrt zu einem zweiten Ergebnis: Wenn es vier oder mehr Unterneh-men in der Industrie gibt, dann fuhrt ein Zusammenschluss von zwei Unternehmen, diedie Rolle des Stackelberg–Fuhrers ubernehmen dazu, dass sich die Gewinne der nichtfu-sionierten Unternehmen verringern.Das Modell erklart also auch, warum diejenigen Unternehmen, die nicht an der Fusionbeteiligt sind, gegen einen solchen Zusammenschluss Vorbehalte außern werden. DieseUnternehmen verlieren Marktanteile und ihre Gewinne schrumpfen.Allerdings sind es die Wohlfahrtswirkungen eines Zusammenschlusses, von denen eineZustimmung oder Versagung einer solchen Fusion abhangen sollte.Dazu ist zu untersuchen, wie die Auswirkungen eines Zusammenschlusses auf die Konsu-menten aussehen. Der einfachste Weg, wie man eventuelle Effizienzgewinne oder -verlustefeststellen kann, besteht darin, die Veranderung der Preis–Kosten Marge zu betrachten.Vor dem Zusammenschluss betrug sie p∗− c, nach dem Zusammenschluss war sie pL − c.Die Fusion fuhrt also zu einer geringeren Preis–Kosten Marge, wenn

pL − c =(a − c)

2 (n − 1)≤ (a − c)

(n + 1)= p∗ − c

⇒ n + 1 ≤ 2 (n − 1) ⇒ n ≥ 3.

Diese Gleichung besagt, dass die Preis–Kosten Marge aufgrund einer Fusion abnimmt,wenn die Industrie vor der Fusion aus drei oder mehr Unternehmen besteht. Andersausgedruckt: Jeder Zusammenschluss zweier Unternehmen, in dem das fusionierte Un-ternehmen Stackelberg–Fuhrer ist, erhoht nicht nur den Gewinn der fusionierten Unter-nehmen, sondern erhoht auch die Wohlfahrt der Konsumenten, vorausgesetzt, es ist keinZusammenschluss zum Monopol.Diese Ergebnisse bergen also sozusagen eine gute und eine schlechte Nachricht.Die gute ist, dass die Ubernahme der Position eines Stackelberg–Fuhrers durch dasfusionierte Unternehmen das erste Merger Paradox behebt. Es gibt nun in der Tat einenAnreiz fur die Unternehmen, sich zusammenzuschließen.Die schlechte Nachricht ist, dass wir uns ein anderes Ergebnis einhandeln, dass gele-gentlich als ein zweites Paradox bezeichnet wird. Wir konnen namlich nicht erklaren,warum Wettbewerbsbehorden jemals Interesse haben sollten, einen Zusammenschlusszu untersagen, da er stets zu niedrigeren Preisen fur die Konsumenten und damit zueiner großeren Konsumentenrente fuhrt. Insofern spiegelt auch dieses Modell offenbardie Realitat nur unvollkommen wider.

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1 Wettbewerbsbeschrankungen

Ein Modell mit mehreren Stackelberg–Fuhrern und –Folgern

(vgl. Pepall, Richards und Normann, Abschnitt 8.1.3, S. 413 ff.)Wir wissen aus unserer Analyse des Stackelberg–Modells, dass eine Fusion die Gewinneder nichtfusionierten Unternehmen negativ beeinflusst. Es erscheint daher eher unwahr-scheinlich, dass diese Firmen keine Maßnahmen treffen, um dieser Verringerung ihrerGewinne entgegenzuwirken. Was die fusionierenden Unternehmen tun, konnen sie selbstja auch! Warum sollten diese Unternehmen sich nicht auch Partner fur einen moglichenZusammenschluss suchen?Dass eine Fusion zwischen zwei Unternehmen in einer Industrie der Ausloser fur weite-re Fusionen sein kann, ist nicht nur eine interessante theoretische Moglichkeit sondernauch ein reales Phanomen. Haufig lost eine Fusion einen

’Domino-Effekt‘ aus, durch den

nach einem Zusammenschluss zweier Unternehmen zwei weitere fusionieren, danach zweiweitere sich zusammenschließen, dann noch zwei und so weiter.Im folgenden soll ein Modell vorgestellt werden, das mit diesen empirischen Beobach-tungen konsistent ist. Daruberhinaus stellt sich die Frage nach den Anreizen fur andereUnternehmen, sich zusammenzuschließen, nachdem bereits zwei Unternehmen fusionierthaben. Diese Anreize hangen naturlich davon ab, ob ein strategischer Vorteil fur einUnternehmen darin besteht, einen Partner fur eine Fusion zu suchen, nachdem andereUnternehmen dies bereits getan haben.

Wie werden sich Unternehmen im Markt verhalten, die sich als zweite, dritte oderweitere zusammenschließen?

Unsere fruhere Annahme war, dass die ersten beiden Unternehmen, die fusionieren,die Position eines Stackelberg–Fuhrers einnehmen. Dies legt nahe, dass wir das Modellin der folgenden Weise erweitern konnen: Das zweite Paar von Unternehmen gehortdann auch zur Gruppe der Stackelberg–Fuhrer; ein drittes Paar schließt sich dann dieserFuhrungsgruppe an und so weiter.Man kann sich also eine Folge von l Zusammenschlussen von je zwei Firmen vorstel-len, die zu einer Gruppe von l fusionierten unternehmen fuhrt, die als Stackelberg–Fuhreragieren. Untereinander konkurrieren die Mitglieder in der Fuhrungsgruppe im ublichenCournot–Wettbewerb. Die ubrigen f = n−l Unternehmen außerhalb der Fuhrungsgrup-pe verhalten sich als Stackelberg–Folger, d. h., sie nehmen den Output der Fuhrergruppeals gegeben hin und befinden sich untereinander im Cournot-Wettbewerb.Dies gibt den Mitgliedern der Fuhrungsgruppe einen first-mover advantage und damiteinen Anreiz zu fusionieren. Dadurch wird das erste Merger Paradox vermieden.Anders als in einem Kartell werden die Firmen in der Fuhrungsgruppe ihre Mengen-entscheidungen, nicht vollstandig koordinieren, denn sie befinden sich untereinander ineinem Cournot–Wettbewerb. Wenn diese Gruppe wachst, so wird der Wettbewerb in-nerhalb der Gruppe intensiver. Dies konnte eine Obergrenze fur die Große der Gruppeimplizieren.Diese Modifikationen des Modells fuhren zu einem Gleichgewicht, das sich von den bisherbetrachteten unterscheidet.

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1.3 Unternehmenszusammenschlusse

Beginnen wir damit, dass eine Reihe von Zusammenschlussen von je zwei Firmen bereitsstattgefunden hat. Wir wissen, wie das Stackelberg–Modell funktioniert, wenn es nureinen Stackelberg–Fuhrer gibt. Was aber passiert, wenn es mehrere Firmen gibt, die alsStackelberg–Fuhrer fungieren?Um diese Frage zu beantworten, mussen wir ermitteln, wie die Mengenentscheidungender beiden Firmengruppen — der l Fuhrer und der f Folger — getroffen werden. Wennwir dies festgestellt haben, dann konnen wir die Profitabilitat der Fuhrer mit der derFolger vergleichen. Damit konnen wir auch untersuchen, ob es einen Anreiz fur eineFirma gibt, sich eine Partnerfirma zu suchen und sich der Gruppe der Stackelberg–Fuhrer anzuschließen.

Das Modell

Wir betrachten einen Markt mit der linearen Preis–Absatz–Funktion

p = a − b Y

und n Unternehmen, die durch die Kostenfunktionen C(yi) = c yi gekennzeichnet sind.Diese unterteilen sich in eine Gruppe von l Stackelberg–Fuhrern, die durch l fruhereZusammenschlusse je zweier Unternehmen entstanden ist, sowie f = n − l Stackelberg–Folgern.Aufgrund der Art und Weise, wie die Fusionen das Verhalten in der Industrie beeinflus-sen, liegt im Grunde ein zweistufiges Spiel vor.In der ersten Stufe wahlen die fusionierten Unternehmen, d. h. die Stackelberg–Fuhrer,ihre jeweiligen Produktionsmengen yi, i = 1, . . . , l, im Rahmen eines Cournot–Wettbe-werbs. Dies fuhrt zu einem aggregierten Output der Firmen in Hohe von Y L =

∑li=1 yi.

In der zweiten Stufe wahlen die Unternehmen in der Gruppe der Stackelberg–Folger ih-re Produktionsmengen ebenfalls im Rahmen eines Cournot–Wettbewerbs unter Beruck-sichtigung des aggregierten Outputs der Fuhrer-Gruppe.Daher haben die fusionierten Unternehmen einen first-mover Vorteil: Sie konnen ihreMengen derart wahlen, dass sie die Reaktionen der Folger antizipieren.Um das Gleichgewicht zu ermitteln, beginnen wir mit der zweiten Stufe des Spiels,in der die Folger ihre Outputentscheidungen in Abhangigkeit von der Menge Y L derStackelberg–Fuhrer treffen.Wir beginnen mit der Ermittlung der inversen Restnachfrage eines reprasentativen Un-ternehmens j in der Folger–Gruppe, d. h. j ∈ {l + 1, . . . , n}. Dabei verwenden wir dieNotation Y−j, um den Output aller Unternehmen außer Unternehmen j zu bezeichnen.Dieser Output Y−j setzt sich zusammen aus den Output der Fuhrer Y L und dem Out-put der anderen Folger, der durch Y F

−j bezeichnet wird. Als Ergebnis erhalten wir alsRestnachfrage fur Unternehmen j

p = a − b (Y L + Y F−j) − b yj.

Der Grenzerlos fur Unternehmen i ist dann

MRj = a − b (Y L + Y F−j) − 2 b yj.

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1 Wettbewerbsbeschrankungen

Gleichsetzen von Grenzerlos und Grenzkosten ergibt die Reaktionsfunktion fur Unter-nehmen i.

a − 2 b yFj − b Y F

−j − b Y L = c

⇒ yFj =

a − c

2 b− Y L

2−

Y F−j

2

Diese Funktion gibt die gewinnmaximierende Mengenentscheidung eines reprasentativenFolgers auf die Outputentscheidung der Fuhrer und der anderen Folger an.Da alle Folger identisch sind, ergibt sich aus der Symmetrie, dass im Gleichgewicht derGesamtoutput aller anderen nicht fusionierten Unternehmen durch Y F

−j = (n− l − 1) yFj

gegeben ist, da Y F−j die Mengen von n − l − 1 Unternehmen enthalt.

Wir setzen dies in die Reaktionsfunktion ein und losen nach yFj auf, um den opti-

malen Output jedes Folger-Unternehmens als Funktion des aggregierten Outputs derStackelberg–Fuhrer zu erhalten.

yFj =

a − c

b (n − l + 1)− Y L

(n − l + 1).

Der aggregierte Output aller Folger als Funktion des Outputs der Fuhrer-Gruppe istdann

Y F = (n − l) yFj =

(n − l)(a − c)

b (n − l + 1)− (n − l) Y L

(n − l + 1).

Betrachten wir jetzt ein Unternehmen i in der Fuhrergruppe, d. h., i ∈ {1, . . . , l}. Dieinverse Restnachfrage dieses Unternehmens hangt ab vom Output Y−i aller anderenFirmen. Auch dieser Output setzt sich aus zwei Komponenten zusammen, dem Out-put Y F der Stackelberg–Folger und dem Output der anderen Stackelberg–Fuhrer außerUnternehmen i. Dieser Output wird mit Y L

−i bezeichnet. Daraus ergibt sich die inverseRestnachfrage fur Unternehmen i als

p = a − b (Y F + Y L−i) − b yi.

Der Unterschied zwischen den Stackelberg–Fuhrern und den –Folgern besteht darin, dassjeder Stackelberg–Fuhrer weiß, dass der Output der Stackelberg–Folger durch Y F =∑n

j=l+1 yFj gegeben ist. Anders ausgedruckt: Ein Stackelberg–Fuhrer antizipiert korrekt

die Mengenentscheidung der Stackelberg–Folger. Wir konnen also diese Reaktionsfunk-tion in die obige Preis–Absatz–Funktion einsetzen, bevor wir die Reaktionsfunktion desUnternehmens i ermitteln. Dies ergibt

p = a − b

(

(n − l)(a − c)

b (n − l + 1)− (n − l)Y L

(n − l + 1)+ Y L

−i

)

− b yi

Per definitionem gilt Y L = Y L−i +yi. Einsetzen und zusammenfassen ergibt die Restnach-

frage fur den Stackelberg–Fuhrer i:

p =a + (n − l) c − b Y L

−i

(n − l + 1)− b

(n − l + 1)yi

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1.3 Unternehmenszusammenschlusse

Die zugehorige Grenzerlosfunktion ist

MRi =a + (n − l) c − b Y L

−i

(n − l + 1)− 2 b

(n − l + 1)yi.

Gleichsetzen der Grenzerlosfunktion mit den Grenzkosten ergibt die beste Antwort desStackelberg–Fuhrers i auf den Output aller anderen Fuhrer Y L

−i.

MRi =a + (n − l) c − b Y L

−i

(n − l + 1)− 2 b

(n − l + 1)yL

i = c

⇒ yLi =

(a − c)

2 b− Y L

−i

2.

Auch hier verwenden wir die Tatsache, dass alle Stackelberg–Fuhrer identisch sind unddaher im Gleichgewicht dieselbe Outputmenge herstellen werden. Dies ergibt die Sym-metriebedingung Y L

−i = (l − 1) yLi .

Einsetzen in die letzte Gleichung und auflosen nach yLi ergibt die Outputmenge fur jedes

fusionierte Unternehmen in der Fuhrungsgruppe.

yLi =

(a − c)

2 b− (l − 1)

2yL

i ⇒ yLi =

(a − c)

b (l + 1).

Da es l Stackelberg–Fuhrer gibt, ist der aggregierte Output dieser Gruppe gegeben durch

Y L = l(a − c)

b (l + 1).

Setzt man diese Menge wiederum in die Reaktionsfunktion eines Stackelberg–Folgersein, kann man die Outputentscheidung eines Folgers wie folgt ermitteln.

yFj =

(a − c)

b (l + 1)(n − l + 1).

Multiplikation mit f = n − l ergibt den aggregierten Output aller Stackelberg–Folger.

Y F =(n − l) (a − c)

b (l + 1)(n − l + 1).

Wir konnen nun untersuchen, welchen Anreiz fur eine Fusion es in diesem Modell gibt.Betrachten wir zuerst den Output eines Fuhrers bzw. Folgers. Aus den Gleichungenfolgt unmittelbar, dass ein Stackelberg–Fuhrer

’großer‘ ist als ein Stackelberg–Folger.

Der Anreiz fur eine Fusion hangt jedoch davon ab, ob der Gewinn fur zwei Firmensteigt, die sich zusammenschließen und ein Stackelberg–Fuhrer werden.

Die Frage ist daher ob der Gewinn eines Stackelberg–Fuhrers mehr als doppelt sohoch ist als der eines Stackelberg–Folgers.

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1 Wettbewerbsbeschrankungen

Um die Gewinne auszurechnen, mussen wir in einem ersten Schritt den Marktpreis be-stimmen. Hierzu ermitteln wir den Gesamtoutput als Summe der Produktionsmengenaller Stackelberg–Fuhrer und –Folger.

Y = Y L + Y F =(a − c)(n + n l − l2)

b (l + 1)(n − l + 1).

Man beachte, dass der Gesamtoutput großer ist, als wenn die n Unternehmen sich ineinem simultanen Cournot–Wettbewerb befinden wurden. Der Grund liegt darin, dassdie Stackelberg–Fuhrer einen großeren Output produzieren. Ihre erhohte Produktionfuhrt dazu, dass die Stackelberg–Folger ihren Output reduzieren, aber nicht so stark,dass der erhohte Output der Fuhrer uberkompensiert wurde. Die Stackelberg–Folgersind also aus zwei Grunden negativ betroffen.

1. Die Ausbringungsmenge der Stackelberg–Folger wird verringert;

2. Der Marktpreis fallt.

Diese Effekte erschweren die Situation fur einen Stackelberg–Folger. Deshalb erhoht sichdie Wahrscheinlichkeit, dass Unternehmen fusionieren, um ihren Folger-Status aufzuge-ben.Um die Profitabilitat einer Fusion zu beurteilen, mussen wir den Gewinn eines typischenStackelberg–Fuhrers und den eines typischen Stackelberg–Folgers berechnen.Der Gewinn eines Unternehmens ist gleich der Preis–Kosten Marge pL − c multipliziertmit dem Output dieser Firma. Die Preis–Kosten Marge erhalt man durch Einsetzen derGesamtmenge in die Preis–Absatz–Funktion. eine einfache Umformung ergibt:

pL − c =(a − c)

(l + 1)(n − l + 1).

Multiplizieren mit dem Output ergibt einen Gewinn fur die beiden Unternehmenstypenvon

πLi =

(a − c)2

b (l + 1)2(n − l + 1)

und πFj =

(a − c)2

b (l + 1)2 (n − l + 1)2.

Aus diesen Gewinngleichungen wird unmittelbar deutlich, dass die Stackelberg–Fuhrereinen großeren Gewinn erzielen als die Stackelberg–Folger.Die Frage, die sich jedoch stellt, ist die nach dem Gewinn der Stackelberg–Fuhrer nacheiner weiteren Fusion.

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1.3 Unternehmenszusammenschlusse

Angenommen, zwei Folger fusionieren. Es gabe dann einen weiteren Stackelberg–Fuhrerund zwei Stackelberg–Folger weniger. Da alle obigen Berechnungen von der Gesamtzahln der Unternehmen und der der fusionierten Unternehmen, l, abhangt, mussen wir alsonun jeweils n − 1 und l + 1 in den Formeln einsetzen.Damit der Gewinn πL

i (n − 1, l + 1) eines neuen fusionierten Unternehmens einen Anreizfur eine Fusion darstellt, muss er großer sein als der gemeinsame Gewinn der beidenFolger vor dem Zusammenschluss. Letzterer ist gegeben durch 2πF

j (n, l). Die Fusion istdann profitabel, wenn:

πLi (n − 1, l + 1) =

(a − c)2

b (l + 2)2 (n − l − 1)

> 2(a − c)2

b (l + 1)2(n − l + 1)2

= 2 πFj (n, l) .

Dies ist aquivalent zu

(l + 2)2 (n − l + 1)2 − 2 (l + 1)2 (n − l − 1) > 0.

Dieser Ausdruck ist etwas kompliziert, aber es kann gezeigt werden, dass er immerpositiv ist. Dies impliziert, dass jeder Zusammenschluss zweier Firmen, der die Zahl derStackelberg–Fuhrer erhoht (und die der Stackelberg–Folger verringert), immer profitabelfur die fusionierenden Unternehmen ist.

Beginnt man mit einer beliebigen Konfiguration von Fuhrern und Folgern, werdenzwei weitere Folger sich immer zusammenschließen wollen.

Das dargestellte Modell vermeidet das erste Merger Paradox. Die Fusion erhoht denGewinn der fusionierenden Firmen, indem sie diese zu einem — von moglicherweisemehreren — Stackelberg–Fuhrern macht.Daruberhinaus erklart die Tatsache, dass eine Fusion profitabel fur die beteiligten Unter-nehmen ist, auch den Dominoeffekt, den man in vielen Industrien beobachtet. Wenn eineplotzliche Anderung in einem relevanten Parameter dazu fuhrt, dass sich zwei fruhereKonkurrenten zusammenschließen und dieses neue, großere Unternehmen die Rolle einesStackelberg–Fuhrers einnimmt, dann kann man sich vorstellen, dass dieses Ereignis eineKettenreaktion auslost, in der die verbleibenden Unternehmen sich zusammenschließenwerden, um die Rolle des Folgers zu vermeiden.Es stellt sich nun die Frage, ob das Modell auch das zweite Merger Paradox vermeidet.Gibt es Fusionen, die nicht im offentlichen Interesse sind? Gibt es einen Punkt, ab demeine weitere Fusion die gesellschaftliche Wohlfahrt und die Effizienz verringert?Eine teilweise aber direkte Antwort kann mit Hilfe der Preis–Kosten Marge gegebenwerden. Diese Marge, die ein guter Indikator fur die Abweichung von der vollkommenen

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1 Wettbewerbsbeschrankungen

Konkurrenz ist, hangt von der Zahl l der Stackelberg–Fuhrer ab. Dies legt die Vermu-tung nahe, dass es ab einem bestimmten Punkt nicht wunschenswert sein kann, mehrStackelberg–Fuhrer zu haben. Wir wissen, dass die Preis–Kosten Marge steigt, wenn derGesamtoutput fallt. Daher ist herauszufinden, welche Auswirkungen eine Fusion auf denGesamtoutput hat. Der Gesamtoutput in einer Industrie als Funktion von n und l ist

Y (n, l) =(a − c)(n + n l − l2)

b (l + 1)(n − l + 1).

Ein Zusammenschluss von zwei Firmen reduziert die Zahl der Firmen auf n − 1 underhoht die Zahl der Stackelberg–Fuhrer auf l + 1. Daher andert sich der Gesamtoutputauf

Y (n − 1, l + 1) =(a − c)(n − 1 + (n − 1)(l + 1) − (l + 1)2)

b (l + 2)(n − l − 1).

Die Differenz im Gesamtoutput ist

Y (n − 1, l + 1) − Y (n, l) =

(a − c)

b

n − 3 (l + 1)

(l + 1) (n − l + 1) (l + 2) (n − l − 1).

Da der Nenner immer positiv ist, ist der Zahler entscheidend. Dieser ist positiv, wennn > 3 (l + 1) bzw. l < n/3 − 1 ist. In diesem Fall steigt der Output und der Preis fallt.

Ein Zusammenschluss von zwei Firmen, der die Zahl der Stackelberg–Fuhrererhoht, fuhrt zu einer Zunahme des Gesamtoutputs und zu einer Preissenkung,vorausgesetzt, die Gruppe der Stackelberg–Fuhrer umfasst weniger als ein Drittelder Gesamtzahl der Firmen in der Industrie.

Anders ausgedruckt: Einige Fusionen sind zumindest fur die Konsumenten nachteilig.Sobald die Zahl der Fuhrer großer oder gleich einem Drittel der Anzahl der Firmenin der Industrie ist, fuhren weitere Fusionen zu einer Outputreduktion und zu einerPreiserhohung.Daruberhinaus hat die Analyse deutlich gemacht, dass eine Fusion fur zwei Firmenimmer attraktiv ist, so dass immer ein Anreiz besteht, solche wohlfahrtsverringerndenFusionen durchzufuhren.Dies erklart, warum eine Kartellbehorden Vorbehalte hinsichtlich Fusionen hat, die dieKonzentration in einer Industrie signifikant erhohen, und dass sie dagegen Maßnahmenergreifen muss.Das Modell sollte allerdings nicht als exakte Wiedergabe der Realitat angesehen wer-den. Im allgemeinen ist es unwahrscheinlich, dass die Firmen in einer Industrie in zweiGruppen von Fuhrern und Folgern aufgeteilt werden konnen, wobei die jeweiligen Fir-men gleichgroß sind. Daruberhinaus ist der genaue Mechanismus, wie eine Firma in eineFuhrungsposition gelangt nicht genau spezifiziert.

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1.3 Unternehmenszusammenschlusse

Angesichts der Tatsache, dass es nicht ganz einfach ist, ein uberzeugendes Modell vonFusionen zu entwickeln, das zum einen fur die Firmen einen Anreiz zur Fusion impliziertund zum anderen die wohlfahrtsmindernden Effekte einer Erhohung der Konzentrationabbildet, ist es interessant zu klaren, welche Schlusse wir aus dem dargestellten Modellziehen konnen.

Das Modell macht einige der Annahmen deutlich, die man benotigt, um die beobachtetenrealen Phanomene zu erklaren. Es wurde z. B. angenommen, dass die Firmen identischsind, so dass das Motiv der Kosteneinsparung keine Rolle spielt. Wie wir gesehen haben,kann jedoch eine Fusion zu einer Wohlfahrtserhohung fuhren, wenn sie zu einer signifi-kanten Kostenreduktion fuhrt. Der Preis nach der Fusion wird nur dann sinken, wenndie Grenzkosten der gesamten Menge signifikant fallen.

Vertikale Unternehmenszusammenschlusse

(vgl. Oz Shy, Abschnitt 8.2.2, S. 176 ff.)

Wir wollen nun vertikale Unternehmenszusammenschlusse untersuchen, in denen sichein Hersteller eines Zwischenprodukts, den wir als upstream Unternehmen bezeichnen,und ein als downstream Unternehmen, das dieses Zwischenprodukt in der Herstellungeines Endprodukts einsetzt, zusammenschließen. Graphisch kann man eine Industrie mit2 upstream und zwei downstream Unternehmen wie folgt darstellen.

Upstream

Downstream

A B

1 2

Upstream

Downstream

A B

1 2

A1

Wenn sich nun die upstream Firma A mit der downstream Firma 1 zusammenschließt,andert sich die Industriestruktur zu der im rechten Diagramm.

Der Wettbewerb in upstream und downstream Markten kann auf verschiedene Weisenmodelliert werden. Z. B. kann man sich leicht klarmachen, dass bei Bertrand–Wettbewerbauf beiden Markten die Gewinne vor und nach dem Zusammenschluss gleich Null sind.Um dieses Problem zu umgehen, konnte man annehmen, dass die downstream Firmendifferenzierte Produkte anbieten und daher positive Gewinne machen.

Wir werden im folgenden annehmen, dass im upstream Markt Bertrand–Wettbewerbherrscht, im downstream Markt aber Cournot–Wettbewerb.

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1 Wettbewerbsbeschrankungen

Cournot–Wettbewerb im downstream Markt Gegeben sei die lineare Nachfragefunk-tion

p(Y ) = a − y1 − y2

Die Firmen haben konstante Grenzkosten c1 und c2.Wie wir aus der Analyse des Cournot–Modells wissen, fuhrt dies zu gleichgewichtigenMengen und Gewinnen von

y∗

i =a − 2 ci + cj

3und π∗

i =(a − 2 ci + cj)

2

9.

Die Gesamtmenge im downstream Markt und das entsprechende Preisniveau sind

Y = y1 + y2 =2 a − c1 − c2

3und p = a − Y =

a + c1 + c2

3.

Bertrand–Wettbewerb im upstream Markt Bertrand–Nash–Gleichgewicht setzen dieUnternehmen Preis gleich Grenzkosten. Es wird angenommen, dass die Grenzkostengleich Null sind. Dann erhalten wir fur den upstream Markt

pA = pB = 0 und πA = πB = 0.

Da die Grenzkosten der downstream Unternehmen dem Preis des Zwischenprodukts alsihrem Input entsprechen, sind auch sie gleich Null. Daher folgt fur den downstreamMarkt

y1 = y2 =a

3und π1 = π2 =

a2

9.

Zusammenschluss von upstream und downstream Unternehmen

Angenommen, das upstream Unternehmen A und das downstream Unternehmen 1 schlie-ßen sich zum Unternehmen A1 zusammen. Wir nehmen an, dass dieses Unternehmendas Zwischenprodukt nicht an Unternehmen 2 verkauft.Daher ist das upstream Unternehmen B ein Monopolist im Faktormarkt und maximiertseinen Gewinn, indem es den Preis c2 fur sein Zwischenprodukt setzt; dieser Preis ent-spricht den Stuckkosten fur das downstream Unternehmen 2, das der einzige Nachfragerist. Der Gewinn des upstream Unternehmens B ist daher der Preis c2 mal dem Output,der durch die Nachfrage des downstream Unternehmens 2 bestimmt wird.Firma B lost also das Maximierungsproblem

maxc2

πB =; c2 y2 =c2 (a − 2 c2 + c1)

3

Aus den Bedingungen 1. Ordnung und der Tatsache, dass weiterhin c1 = 0 gilt, folgt

a − 4 c2 = 0 ⇒ c2 = a/4

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1.3 Unternehmenszusammenschlusse

Wenn wir c1 = 0 und c2 = a/4 in die hergeleiteten Gleichungen fur die Mengen und denPreis im downstream Markt einsetzen, ergibt sich

y1 =5a

12, y2 =

a

6, Y =

7a

12und p =

5a

12.

Die Gewinne der beiden downstream Unternehmen sind dann

πA1 = p yA1 =25a2

144und π2 = (p − c2) y2 =

a2

36.

Daraus ergibt sich das folgende Theorem.

Theorem 5 Ein Zusammenschluss einer upstream und einer downstream Firmaerhoht den Output der fusionierten Firma und reduziert den Output der downstreamFirma, die nicht fusioniert.

Das downstream Unternehmen 2, das nicht fusioniert, hat hohere Kosten zu tragen, daes von einem Monopolisten kaufen muss. Dies fuhrt zu einer Verringerung des Outputs.Das fusionierte Unternehmen A1 wahlt daher im downstream Markt entsprechend derCournot–Menge einen hoheren Output.Fuhrt nun der Zusammenschluss zu einem hoheren Gewinn fur die beiden fusioniertenUnternehmen? Hierzu muss man die Summe der Gewinne der Unternehmen A und 1vor dem Zusammenschluss mit dem Gewinn des Unternehmens A1 vergleichen. Es giltπA + π1 = a2/9 und πA1 = 25a2/144. Daher folgtDie Gewinne der nicht fusionierten Firmen sind nach dem Zusammenschluss

πB + π2 =a2

24+

a2

36=

10a2

144

Vor dem Zusammenschluss betrugen sie jedoch a2/9. Der Gewinn fur Firma B nimmtnach dem Zusammenschluss also zu, der Gesamtgewinn beider nicht fusionierter Firmennimmt aber aufgrund des geringeren Marktanteils fur die Firma 2 deutlich ab.

Theorem 6 1. Die Gewinne der fusionierten Unternehmen nehmen zu.

2. Der Zusammenschluss eines upstream und eines downstream Unternehmensfuhrt nicht notwendig zu einem Ausschluss des nicht fusionierten downstreamUnternehmens vom Markt, sondern zu einer Reduktion seines Gewinns.

Ein vertikaler Zusammenschluss zweier Firmen fuhrt also nicht dazu, dass entweder Boder 2 oder beide vom Markt verschwinden, sondern nur zu einer Verringerung der Ge-winne. Aus diesem Grund scheinen (insbesondere amerikanische) Regulierungsbehordenetwas milder hinsichtlich vertikaler im Vergleich zu horizontalen Zusammenschlussen zusein. Daruber hinaus betrachten viele Okonomen einen vertikalen Zusammenschluss alseine Zunahme an Effizienz, da mehrere Produktionsstufen unter einem Dach vereinigtsind.

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1 Wettbewerbsbeschrankungen

1.4 Takeovers

(vgl. Rasmusen, Eric (1994), Games and Information — An Introduction to Game Theory,2. Aufl., Blackwell, Cambridge, MA., S. 364–368.)Eine andere Form von Unternehmenszusammenschlussen, die man vor allem in den letz-ten Jahren haufig beobachtet hat, sind (feindliche) Unternehmensubernahmen, beidenen jemand die Mehrheit der Anteile eines Unternehmens — in der Regel stellen wiruns darunter eine Aktiengesellschaft vor — erwirbt, um es unter seine Kontrolle zu brin-gen. Dabei kann es sich um eine Form des Unternehmenszusammenschlusses handeln,wie z. B. im Fall von Vodafone und Mannesmann, aber auch darum, dass jemand dasUnternehmen eigenstandig weiter fuhren will, oft mit der Absicht, die erworbenen Aktiennach einer gewissen Zeit zu einem hoheren Preis wieder zu verkaufen.Insbesondere im zweiten Falle wird eine solche Ubernahme haufig damit erklart, dass dasUbernahmeziel nicht so effizient gefuhrt wird, wie es moglich ware. Daher besteht ein An-reiz, die ineffiziente Firma zu ubernehmen und durch ein besseres Management sich diepotentiellen Gewinne anzueignen. Dies wird als Markt fur externe Unternehmenskontrol-le bezeichnet und wird haufig als Begrundung fur die Annahme gewinnmaximierendenVerhaltens von Unternehmen angefuhrt, da Unternehmen, die nicht gewinnmaximierendagieren ubernommen werden wurden.Nehmen wir an, dass aufgrund von Missmanagement ein Unternehmen einen Wert proAktie in Hohe von v hat, wahrend bei gutem Management eine Wert pro Aktie vonv + x erreicht werden kann. Allerdings verfugt kein Aktionar uber einen hinreichendgroßen Anteil, um das gegenwartige Management zu entlassen und durch ein effizienteszu ersetzen.Ein Dritter konnte nun das Angebot machen, Aktien aufzukaufen, bedingt darauf, dasser die Mehrheit der Aktien erhalt. Dann konnte er das Management austauschen undden Aktienwert auf v + x steigern. Somit stellt jeder Preis pro Aktie p zwischen v undv + x sowohl den Kaufer als auch die Verkaufer besser.Die Frage, die sich stellt ist, ob die Aktionare ein solches Angebot akzeptieren werden,d. h., ob die Ubernahme erfolgreich verlaufen wird?Im allgemeinen zeigt sich, dass dies nicht der Fall sein wird. Der Grund dafur liegt darin,dass nach einer erfolgreichen Ubernahme der Wert der Aktien auf v + x und damit aufein Niveau steigen wurde, das hoher ist als das Angebot, das unterhalb von v + x liegenmuss, damit der ubernehmende Dritte Gewinn machen kann. Jeder Aktionar wurde alsodarauf hoffen, dass die anderen das Angebot akzeptieren, die Ubernahme stattfindet under von der zu Stande kommenden Wertsteigerung profitiert. Da dies fur alle Aktionaregilt, wird keiner das Angebot akzeptieren.Dies zeigt das folgende Modell von Grossman und Hart, das wir kurz skizzieren.

Das Free–Rider Problem bei Unternehmensubernahmen

(vgl. Grossman, Sanford J. und Oliver D. Hart (1980)”Takeover Bids, The Free-Rider Pro-

blem, and the Theory of the Corporation“, Bell Journal of Economics, 11 (1), S. 42–64.)

• Spieler

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1.4 Takeovers

Ein Bieter und ein Kontinuum von Aktionaren, die zusammen m Anteile halten.

• Spielablauf

1. Der Bieter offeriert fur die m Anteile den Preis p pro Anteil.

2. Jeder Aktionar entscheidet, ob er das Angebot annimmt (das Ergebnis gebenwir an als den Anteil θ der Aktionare, die das Angebot akzeptieren).

3. Wenn θ ≥ 12, kauft der Bieter die entsprechenden Anteile, ubernimmt das

Unternehmen und der Wert des Unternehmens steigt von v auf (v + x) proAktie.

• Auszahlungen

Wenn θ < 0.5 ist, scheitert die Ubernahme, die Auszahlung des Bieters ist πb = 0und die Aktionare bekommen pro Aktie πs = v.

Im anderen Fall gilt

πb = θ m (v + x − p)

und

πs =

{

p wenn der Aktionar akzeptiertv + x wenn der Aktionar ablehnt.

In jedem Gleichgewicht in iterierten dominanten Strategien ist die Auszahlung des Bie-ters Null:Gebote von mehr als (v +x) sind dominierte Strategien, da der Bieter bei einem solchenGebot keinen positiven Gewinn machen kann.Aber wenn der Preis geringer ist, dann sollte ein Aktionar seine Anteile lieber behalten,um die durch den gestiegenen Wert des Unternehmens erhohte Auszahlung (v + x) zuerhalten, statt den niedrigeren Preis p zu akzeptieren.Wenn alle sich derartig verhalten, wird die Ubernahme scheitern und die Aktionareerhalten den Wert v, aber kein Aktionar wird das Angebot annehmen, wenn er davonausgeht, dass es zur Ubernahme kommt.

Die einzigen Gleichgewichte sind die Strategiekombinationen, die zu einem Scheiternder Ubernahme fuhren oder ein Gebot von p = (v + x), das von den Aktionarenakzeptiert wurde, aber zu einer Auszahlung von Null fur den Bieter fuhrt. Wenndie Durchfuhrung eines Takeovers auch nur mit den geringsten Kosten verbundenist, dann wurde ein Bieter eine solche Ubernahme nicht durchfuhren. Andersausgedruckt: der Markt fur Unternehmenskontrolle funktioniert auf Grund desFree–Rider Problems nicht wie in der Theorie angenommen.

Dieses Trittbrettfahrerproblem wird am deutlichsten, wenn man es mit einem Konti-nuum von Aktionaren zu tun hat. In diesem Fall hat die Entscheidung eines einzelnenIndividuums keinen Einfluss auf den Erfolg des Ubernahmeangebots.

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1 Wettbewerbsbeschrankungen

Hatte man es jedoch nur mit einer endlichen Zahl zu tun, sieht das Ergebnis etwas andersaus. Angenommen, es gibt neun Aktionare, von denen jeder einen Anteil halt.

In einem symmetrischen Gleichgewicht werden dann funf von ihnen ihre Aktien zu ei-nem Preis verkaufen, der etwas uber dem alten Marktpreis liegt, und die ubrigen vierAktionare gehen nicht auf das Angebot ein. Jeder der funf Aktionare weiß, dass wenner nicht verkauft, das Angebot scheitern und er statt p > v nur eine Auszahlung von verhalten wurde.

Dies ist ein Beispiel fur ein haufig auftretendes Unstetigkeitsproblem.

In der Praxis ist das Free–Rider Problem jedoch nicht so problematisch, selbst wenn manes mit einem Kontinuum von Aktionaren zu tun hatte. Wenn der Bieter unbemerkt einegroßere Menge von Aktien erwerben konnte, ohne den Preis in die Hohe zu treiben, dannkonnten die Kapitalgewinne aus diesen Aktien eine Ubernahme profitabel machen, selbstwenn er keinen Gewinn aus denen erzielt, die er aufgrund des offentlichen Angeboteserhalt.

Es gibt eine Reihe weiterer Strategien, die eine Ubernahme fur den Bieter sowohl erfolg-reich als auch profitabel machen konnen. Beispielhaft sei folgende genannt.

Verwasserung (Dilution)

(vgl. Macey, J. und F. McChesney (1985)”A Theoretical Analysis of Corporate Greenmail“,

Yale Law Journal, 95, S. 13–61.)

Eine Verwasserung des durch die Ubernahme entstehenden Gewinns pro Aktie kannz. B. durch einen sogenannten freeze–out merger erreicht werden. In einem ‘freeze–out’ kauft der Bieter 51 Prozent der Anteile und fusioniert seine Neuerwerbung mit eineranderen Firma, die ihm bereits gehort, zu einem Preis unter ihrem tatsachlichen Wertv+x. Dadurch wird die Wertsteigerung durch das effiziente Management auf die Anteilebeider Unternehmen verteilt. Wenn diese Verwasserung hinreichend groß ist, sind dieAktionare bereit, ihre Anteile auch zu einem Preis unter (v + x) zu verkaufen, da sie imFalle des Abwartens nicht mehr diese Auszahlung bekamen.

Greenmail (Bestechungsgeld)

Greenmail findet dann statt, wenn Manager einigen Aktionaren ihre Anteile zu einemuberhohten Preis abkaufen, um sie davon abzuhalten, das Unternehmen zu ubernehmen.

Gegner dieser Praxis erklaren dieses Phanomen anhand des Modells korrupter Ma-nager. Angenommen, dass ein Bieter bereits einige Anteile besitzt, so dass er das Un-ternehmen zwar ubernehmen konnte, dabei aber den großten Teil der Gewinne an dieanderen Aktionare verlieren wurde. Die Manager waren bereit, dem Bieter ein hohesBestechungsgeld (Greenmail) zu bezahlen, um ihre Posten zu behalten. Manager undBieter wurden diese Losung einer Ubernahme vorziehen, trotz der Tatsache, dass dieanderen Aktionare dadurch schlechter gestellt werden.

Der ubliche Einwand gegen dieses Modell besteht in der Frage, warum eine Unterneh-mensverfassung solche Greenmail–Zahlungen nicht verbietet.

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1.4 Takeovers

Manager verwenden haufig ein Modell, das man als das Modell der ehrlichen Ma-nager bezeichnen konnte, um derartige Zahlungen zu rechtfertigen. In diesem Modellkennt das Management den wahren Firmenwert, der sowohl uber der gegenwartigenBorsenkapitalisierung als auch dem Ubernahmegebot liegt. Sie zahlen Greenmail, um dieAktionare vor dem Verkauf ihrer falschlicherweise unterbewerteten Aktien zu schutzen.Das impliziert, dass die Aktionare entweder nicht vollstandig rational sind oder dassder Aktienpreis nach einer Greenmail steigt, denn die Aktionare wissen, dass ein solchesSignal fur ein Unternehmen, das eigentlich nicht mehr wert ist als das Ubernahmegebot,zu kostspielig ware.Shleifer & Vishny (1986) haben ein komplexeres Modell vorgelegt, in dem Greenmailim Interesse der Aktionare ist. Die Idee besteht darin, dass eine Greenmail-Zahlungpotentielle Ubernahmeinteressenten dazu veranlasst, sich die Firma naher anzusehen,was schließlich zu einem hoheren Gebot als dem ursprunglichen fuhrt. Greenmail ver-ursacht Kosten, aber aus eben diesem Grunde ist es ein wirksames Signal dafur, dassdie Manager erwarten, dass ein besseres Angebot gemacht werden wird. Wie im Modellder ehrlichen Managern wird auch hier unterstellt, dass die Manager im Interesse derAktionare handeln.Das Modell von Shleifer & Vishny wird im Folgenden anhand eines einfachen numeri-schen Beispiels illustriert.Die zugrundeliegende Geschichte ist die Folgende: Einem Manager wurde von einemUbernahmeinteressenten ein Angebot gemacht und er muss nun entscheiden, ob er durcheine Greenmail-Zahlung andere Interessenten — sogenannte

”white knights“ — attra-

hieren kann. Der Manager ist besser uber die Wahrscheinlichkeit des Auftretens andererInteressenten informiert als der Markt, und einige andere Interessenten konnen nur dannauftreten, wenn sie eine kostspielige Analyse durchgefuhrt haben. Dies werden sie jedochunterlassen, wenn sie davon ausgehen mussen, dass der Ubernahmepreis durch den Wett-bewerb mit dem ersten Interessenten steigen wird. Der Manager bezahlt Greenmail umneue Bieter zu ermutigen, indem er diese Konkurrenz ausschaltet.

Greenmail und White Knights (weiße Ritter)

(vgl. Shleifer, Andrei und Robert W. Vishny (1986)”Greenmail, White Knights, and Share-

holders’ Interest“, RAND Journal of Economics 17 (3), S. 293–309.)Das Modell ist das eines Spiels mit unvollstandiger Information.Neben dem Manager eines Unternehmens M , gibt es den Aktienmarkt und drei poten-tielle Interessenten fur das Unternehmen, namlich einen Raider R, den

”weißen Ritter“

A und einen weiteren potentiellen Bieter B. Das Verhalten von R und W wird aller-dings als exogen vorgegeben angenommen, so dass wir lediglich die Informationen undEntscheidungen von M und B sowie des Aktienmarktes betrachten. Dabei wird ange-nommen, dass der Aktienmarkt zu jedem Zeitpunkt den Preis einer Aktie als den aufdie dem Markt zur Verfugung stehenden Informationen bedingten erwarteten Preis amEnde des Spiels bestimmt. Der Manager verhalt sich im Interesse der Aktionare, d. h., erist an einem moglichst hohen Wert der Aktien des Unternehmens interessiert. Er kannentscheiden, ob er auf ein Angebot des Raiders nicht oder mit Greenmail reagiert, was

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1 Wettbewerbsbeschrankungen

5 pro Aktie kostet2 und dazu fuhrt, dass R sein Angebot zuruckzieht.Der Ausgangswert des Unternehmens bei Management durch M betragt 10.Unter dem Management von Bieter B betragt der Wert des Unternehmens 34, allerdingsmuss B bevor er ein Angebot abgeben kann weitere Informationen beschaffen, was ihmKosten in Hohe von 8 verursacht. Demnach wir Bieter B das Unternehmen genau dannubernehmen, wenn der Nettowert (34 − 8 = 26, ohne Greenmail und 34 − 8 − 5 = 21)des Unternehmens hoher ist, als der Preis, den er bieten muss.Es gibt vier Zustande der Welt namlich

a Der Raider R bietet einen Preis von 15, daraufhin tritt der weiße Ritter A auf denPlan und bietet 25, falls das Management R per Greenmail ausgeschaltet hat und30 falls A mit R konkurrieren muss.

b Der Raider R bietet einen Preis von 15, der weiße Ritter A tritt nicht auf, aberB interessiert sich fur das Unternehmen, muss aber zunachst entscheiden weitereInformationen einzuholen, wodurch ihm Kosten von 8 entstehen. B bietet nur, fallsdiese Informationen beschafft wurden; dann bietet er 20, falls das Management Rper Greenmail ausgeschaltet hat und 27 falls er mit R konkurrieren muss.

c Der Raider R bietet einen Preis von 15, weder A noch B treten als Bieter auf.

d Der Raider R gibt kein Gebot fur die Aktien des Unternehmens ab.

Die angegebenen Preise kann man sich als Ergebnis nicht naher modellierter Verhand-lungen zwischen dem jeweiligen Bieter und dem Manager vorstellen.Zu Beginn wahlt die Natur einen dieser Zustande mit Wahrscheinlichkeiten von 1

10, 3

10,

110

bzw. 12

aus, dann beobachten alle Beteiligten, ob der Raider ein Ubernahmeangebotmacht oder nicht, d. h., sie konnen unterscheiden, ob Zustand d oder einer der dreianderen Zustande eingetreten ist.Der entscheidende Punkt im Modell ist, dass zu diesem Zeitpunkt der Manager ubereine feinere Informationspartition verfugt als der Markt: Er weiß zusatzlich, ob der weißeRitter A ins Spiel kommt oder nicht, d. h., er kann unterscheiden, ob Zustand d, Zustanda oder einer der beiden Zustande b und c eingetreten ist.Um das perfekte Bayesianische Gleichgewicht des Spiels zu finden, rollen wir es wieublich von hinten auf.Im Zustand b wird Bieter B Informationen einholen und ein Angebot von 20 machen,falls der Manager Greenmail gezahlt hat (34−8−5−20 = 1 > 0), so dass ein Wert von 20zu Stande kommt. Zahlt M kein Greenmail, wird B nicht aktiv (34− 8− 27 = −1 < 0),so dass R der einzige Bieter bleibt und der Wert 15 ist.Betrachten wir nun die Entscheidung von M : Im Zustand a wird er keine Greenmailzahlen, da A in jedem Falle ein Gebot abgibt und dies ohne Greenmail hoher ausfallt,der Wert wird also 30 sein.

2Alle Großen im Modell sind auf eine Aktie bezogen, so dass wir das im folgenden nicht mehr expliziterwahnen.

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1.4 Takeovers

Im Zustand d tritt R nicht auf den Plan, d. h., M hat keine Entscheidung zu treffen undder Wert ist 10.Weiß M , dass Zustand b oder c eingetreten ist, bestimmt er die bedingten Wahrschein-lichkeiten beider Zustande durch Bayesianisches Updating als

3

4=

310

310

+ 110

fur Zustand b und

1

4=

110

310

+ 110

fur Zustand c.Damit ergibt sich als erwarteter Wert bei einer Entscheidung fur Greenmail

3

420 +

1

45 = 16,25.

Demgegenuber ergibt sich ohne Greenmail

3

415 +

1

415 = 15.

Also wird M sich in der Informationsmenge {b, c} fur Greenmail entscheiden.Nun konnen wir bestimmen, wie sich im Gleichgewicht in jedem der vier moglichenZustanden der Welt der Marktpreis der Aktien entwickelt. Dies ist in der folgenden Ta-belle zusammengefasst, in der zu jedem Zeitpunkt und fur jeden der vier Zustande derWelt die auf die Information des Marktes (bei diesem Zustand) bedingte Wahrschein-lichkeit des Zustandes und der Preis der Aktie angegeben ist. Dabei sind funf Zeitpunktezu unterscheiden.

t = 0 Ex ante, bevor R auftreten kann. Zu diesem Zeitpunkt ist die Informationsparti-tion des Marktes {{a, b, c, d}}.

t = 1 Nachdem klar ist, ob R ein Angebot macht. Zu diesem Zeitpunkt ist die Infor-mationspartition des Marktes {{a, b, c}, {d}}.

t = 2 Nachdem M uber Greenmail entschieden hat. Fur den Markt ist Greenmail einSignal dafur, dass der Zustand b oder c ist. Zu diesem Zeitpunkt ist die Informa-tionspartition des Marktes also {{a, b}, {c}, {d}}.

t = 3 Nachdem klar ist, ob B auftritt, d. h. ob der Zustand b ist, aber bevor B seineEntscheidung getroffen hat, ob er Informationen einholt. Zu diesem Zeitpunkt istdie Informationspartition des Marktes die feinstmogliche {{a}, {b}, {c}, {d}}.

t = 4 Nachdem alle Entscheidungen gefallen sind, d. h. insbesondere auch die des Bie-ters B.

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1 Wettbewerbsbeschrankungen

In der Tabelle sind jeweils die Eintrage fur Zustande, die in dem selben Element derInformationspartition liegen, in der selben Farbe gehalten.

Zustand

a b c d

t = 0bedingte Wahrscheinlichkeit 1

10310

110

12

Preis 14,5 14,5 14,5 14,5

t = 1bedingte Wahrscheinlichkeit 1

535

15

1

Preis 19 19 19 10

t = 2bedingte Wahrscheinlichkeit 1 3

414

1

Preis 30 16,25 16,25 10

t = 3bedingte Wahrscheinlichkeit 1 1 1 1

Preis 30 20 5 10

t = 4bedingte Wahrscheinlichkeit 1 1 1 1

Preis 30 20 5 10

Das Modell besagt nicht, dass Greenmail immer gut fur die Aktionare ist, nur dass esunter gewissen Bedingungen vorteilhaft sein konnte.Wenn es sich herausstellt, dass der wahre Zustand der Zustand c ist, dann war dieZahlung von Greenmail ein Fehler ex post, denn mit Greenmail ist der Wert 5, ohneware er 15.In der Informationsmenge {b, c} ist aber der Zustand b wahrscheinlicher und in diesemZustand bringt Greenmail einen Vorteil, da B dazu bewegt wird Informationen einzuho-len und ein Gebot von 20 abzugeben. Daher ist es fur den Manager in dieser Situationrichtig, sich fur Greenmail zu entscheiden.Man beachte, dass Greenmail optimal ist, obwohl der Aktienkurs von 19 vor der Entschei-dung des Managers auf 16.25 fallt, da der Markt daraus schließt, dass der vorteilhafteZustand a nicht eingetreten ist. Durch Greenmail wird zwar bekannt, dass die Firma Anicht interessiert ist, aber man macht das Beste aus der Situation, indem gegebenenfallsB motiviert wird, Informationen einzuholen und ein Angebot zu machen.

1.5 Marktschranken

(vgl. Oz Shy, Abschnitt 8.3, S. 182 ff.)

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1.5 Marktschranken

Haufig beobachtet man, dass in einen Markt keine neue Firmen eintreten, obwohl dortpositive Gewinne erwirtschaftet werden. Warum fuhrt Wettbewerb nicht dazu, dass diePreise soweit fallen, bis die Firmen nur noch Null–Gewinne machen? Eine moglicheErklarung sind Eintrittsbarrieren als ein wichtiges strukturelles Merkmal eines Marktes.Als Eintrittsbarrieren werden im folgenden alle diejenigen Bedingungen betrachtet, dieden Eintritt neuer Firmen in den Markt verhindern und von den etablierten Firmennicht beeinflusst werden konnen.

Als mogliche Eintrittsbarrieren wurden von Bain (1956)3 die folgenden angefuhrt:

1. absolute Kostenvorteile der etablierten Firmen;

2. zunehmende Skalenertrage;

3. Vorteile durch Produktdifferenzierung, Reputationseffekte.

Daruber hinaus werden noch die folgenden Begrundungen gegeben:

1. Unterstutzung etablierter Firmen durch Regierungen und Politiker;

2. Lernerfahrung der etablierten Firma;

3. Konsumentenloyalitat;

4. leichterer Zugang zu Finanzierungen.

Das folgende Beispiel zeigt, dass Eintrittsbarrieren durch die Technologie bedingt seinkonnen und von den Fixkosten abhangen.

Wir hatten im Modell des monopolistischen Wettbewerbs gesehen, dass im Gleichgewichtdie Zahl der Firmen durch Nmk = L/2F gegeben ist.

Die Konzentration in der Industrie ist gegeben durch den Herfindahl–Index

H = Nmk

(

100

Nmk

)2

=1002

Nmk=

2F

L10000.

Hieran sieht man, dass in einer Situation mit monopolistischem Wettbewerb der Herfin-dahl–Hirschman–Index mit den Fixkosten zunimmt.

Allerdings bedeutet dies nicht, dass die Unternehmen im Markt einen hoheren Gewinnerzielen. Dennoch gibt es einen Hinweis darauf, dass Fixkosten als Eintrittsbarrierenwirken konnen.

3Bain, Joe Staten (1956) Barriers to New Competition, Harvard University Press, Cambridge, MA.

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1 Wettbewerbsbeschrankungen

Irreversible Kosten und Eintrittsbarrieren

Unter irreversiblen Kosten oder sunk costs versteht man fixe Kosten, die nichtdurch Wiederverkauf der Investition bzw. anderweitige Verwendung wieder zuruckge-holt werden konnen (z. B. spezielle, nicht transportierbare Maschinen, Ausgaben furMarktstudien etc.). Auch wenn ein Unternehmen seine Eintrittsentscheidung revidiert,konnen diese Kosten nicht zuruckgeholt werden.Im folgenden betrachten wir ein Beispiel, in dem auch geringe sunk costs dazu fuhren,dass ein Unternehmen nicht in einen Markt eintritt, selbst wenn dort Monopolgewinnegemacht werden.Gegeben seien zwei Unternehmen, A (das etablierte Unternehmen) und B (das eintre-tende Unternehmen), die mit gleichen, konstanten Grenzkosten ein homogenes Produktherstellen konnen. Ein Markteintritt verursacht sunk costs in Hohe von ǫ > 0. Unterneh-men A macht als Monopolist einen Gewinn in Hohe von πA = πM − ǫ. Dabei bezeichnetπM den Monopolgewinn ohne die irreversiblen Eintrittskosten.

Entscheidung von B

Bertrand WettbewerbπA = −ǫ < 0πB = −ǫ < 0

Eintritt

Monopol von AπA = πM − ǫ > 0

πB = 0

Kein Eintritt

Wenn nach dem Eintritt ein Bertrand–Wettbewerb stattfindet, dann wurden bei einemEintritt von B beide Unternehmen Preis gleich Grenzkosten setzen und daher einennegativen Gewinn von −ǫ machen. Unternehmen B wird daher nicht in den Markteintreten, da es dadurch die Eintrittskosten spart und einen Gewinn von Null erreicht.Unternehmen A bleibt also Monopolist.Dieses Resultat kann in dem folgenden Theorem zusammengefasst werden.

Theorem 7 Fur jede Hohe der irreversiblen Eintrittskosten zwischen 0 und πM ,gibt es ein eindeutiges (teilspielperfektes) Gleichgewicht, in dem Unternehmen Aein Monopolist ist und einen Gewinn von πA = πM − ǫ erzielt und Firma B nichtin den Markt eintritt.

Das Theorem macht deutlich, dass schon geringe sunk costs eine Eintrittsbarriere darstel-len konnen. Unternehmen A muss nichts aktiv tun, sondern es reicht, wenn es weiterhinden Monopoloutput herstellt.

Es wird auch deutlich, welche Rolle die Art des Wettbewerbs nach dem Markteintrittspielt. Hier fuhrt der Preiswettbewerb dazu, dass sogar sehr geringe sunk costs zu ne-

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1.6 Uberkapazitaten und Limit Pricing

gativen Gewinnen nach einem Markteintritt fuhren, so dass kein Eintritt stattfindet.Cournot–Wettbewerb nach dem Eintritt wurde nicht zu diesem Ergebnis fuhren.Dies ist allerdings nicht besonders uberraschend, wenn man sich klar macht, dass es auchohne sunk costs keinen uberzeugenden Anreiz fur unternehmen B gibt, in den Markteinzutreten, da es im Bertrand Wettbewerb einen Gewinn von null machen wurde, derdem entspricht, den es auch bei Nicht-Eintritt erzielt.Man beachte aber, dass obiges Ergebnis von der Annahme homogener Produkte abhangt.Daher ist es wahrscheinlich, dass in der beschriebenen Situation das eintretende Unter-nehmen versuchen wird, Produktdifferenzierung zu betreiben. Wir hatten gesehen, dassin diesem Fall beide Unternehmen positive Gewinne erwirtschaften. Dadurch ware eineMarkteintritt fur B profitabel, so lange die sunk costs nicht uber dem Gewinn liegen,die im Bertrand Wettbewerb mit differenzierten Produkten erzielbar sind.

1.6 Uberkapazitaten und Limit Pricing

(vgl. Oz Shy, Abschnitt 8.4, S. 186 ff.)Nachdem wir technologische Bedingungen fur Eintrittsbarrieren diskutiert haben, wen-den wir uns nun strategischen Erklarungsansatzen fur Behinderungen des Markt-zutritts zu. Wir sprechen dabei von Eintrittsabschreckung.Nach Bain kann Eintrittsabschreckung wie folgt klassifiziert werden:

• Blockierter Eintritt: Das etablierte Unternehmen wird nicht durch Markteintrittbedroht; kein Unternehmen findet es profitabel, in den Markt einzutreten, sogarwenn das etablierte Unternehmen die Monopolmenge produziert.

• abgeschreckter Eintritt: Das etablierte Unternehmen andert sein Verhalten(z. B. durch Preissenkung oder erhohte Kapazitat), um einen Eintritt abzuschreck-en; wenn die Preise gesenkt werden, spricht man von limit pricing.

• zugelassener Eintritt: Eintritt findet statt und das etablierte Unternehmenandert sein Verhalten, um den Eintritt zu berucksichtigen.

Fruher war man der Ansicht, dass eine Firma durch Aufbau von Uberkapazitaten undPreissenkungen einen Markteintritt anderer Firmen abschrecken kann. Diese Behaup-tung ist als das Bain–Sylos Postulat in der Literatur bekannt geworden. Nach diesemPostulat geht die (prospektiv) eintretende Firma davon aus, dass die etablierte Firmanach einem Markteintritt die gleiche Outputmenge produziert wie vor dem Eintritt.Daher hat die etablierte Firma eine Fuhrungsposition (vgl. Stackelberg–Modell).Zusatzlich nahm man an, dass die eintretende Firma (outputunabhangige) Kosten ver-senken muss, um die Produktion aufzunehmen, die etablierte Firma jedoch nicht.Diese Argumente sind jedoch nicht uberzeugend:Erstens ist die Kostenasymmetrie eher umgekehrt: Die etablierte Firma hat Kosten, dieder eintretenden Firma nicht entstehen. Hierzu gehoren Kosten aufgrund langfristigerVertragsbeziehungen (Gewerkschaften, Lohnvertrage, Vorleistungen). Solche Vertrage

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1 Wettbewerbsbeschrankungen

existieren aber fur eine eintretende Firma (noch) nicht. Außerdem wird das Problemder Eintrittsabschreckung zu einem ad hoc Problem, da es immer eine Hohe der Ein-trittskosten gibt, die Firmen vom Markteintritt abhalten. Selbst wenn diese Asymmetriebestehen wurde, dann wurde die eintretende Firma langfristig einen positiven Gewinnrealisieren, der die Eintrittskosten deckt. Unter diesen Bedingungen waren Banken be-reit, der Firma die Eintrittskosten vorzustrecken, da die Firma den Kredit (mit Zinsen)zuruckzahlen wird.Zweitens ist die Logik des Arguments falsch: Der Preis, den die etablierte Firma vor demMarkteintritt wahlt, ist irrelevant fur die Eintrittsentscheidung. Das einzig Relevante istdie Marktstruktur nach dem Eintritt. Nachdem ein Eintritt stattgefunden hat und dieEintrittskosten bezahlt sind, gibt es keinen Grund anzunehmen, dass die Firmen einFuhrer–Folger Spiel spielen werden. Es ist vernunftiger anzunehmen, dass die Firmenein Cournot oder Bertrand Spiel spielen werden, in denen die Firmen gleiche Macht oderEinfluss haben.Drittens ist bei der Modellierung der Eintrittsabschreckung nicht klar, warum eineFirma zuerst wahlen und sich fest an ein Produktionsniveau binden kann und damiteinen first–mover Vorteil hat.

Uberschusskapazitaten

Im folgenden betrachten wir ein einfaches Modell, wo unter dem Bain–Sylos Postulatdurch Aufbau einer Uberschusskapazitat ein Markteintritt abgeschreckt werden kann.(vgl. Oz Shy, Abschnitt 8.4.1, S. 188 ff.)Wir betrachten das zweiperiodige Stackelberg–Spiel. Hier wird angenommen, dass dieFirmen nicht die Menge, sondern die Kapazitat wahlen. Kapazitat kann als irreversibleGroße aufgefasst werden.In Periode 1 wahlt Firma 1 eine Kapazitat k1 ∈ [0,∞); in der zweiten Periode wahltFirma 2 ob sie eintritt (k2 > 0) oder nicht (k2 = 0).Die Firmen sind identisch, allerdings hat Firma 2 Eintrittskosten E zu zahlen (z. B. furMarktstudien, Bestechungsgelder etc.).Die Gewinne der Firmen sind gegeben durch

π1(k1, k2) = k1 (1 − k1 − k2)

und

π2(k1, k2) =

{

k2 (1 − k1 − k2) − E bei Eintritt0 sonst.

Die zweite Periode Firma 2 nimmt k1 = k1 als gegeben und wahlt k2 um ihren Gewinnzu maximieren.Es konnen zwei Falle auftreten: Die Firma tritt ein und zahlt die Kosten E, oder sietritt nicht ein.

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1.6 Uberkapazitaten und Limit Pricing

Wenn sie eintritt wahlt sie k2 mit

∂π2(k1, k2)

∂k2

= 1 − 2 k2 − k1 = 0 also k2 =1 − k1

2.

Einsetzen in den Gewinn von Firma 2 ergibt

π2 =1 − k1

2

(

1 − k1 −1 − k1

2

)

− E

Dieser Ausdruck ist positiv, wenn k1 < 1 − 2√

E. Die Reaktionsfunktion von Firma 2ist also

R2(k1, E) =

{

1−k1

2falls k1 < 1 − 2

√E

0 sonst.

Die erste Periode In der ersten Periode setzt Firma 1 die Kapazitat k1 unter Beruck-sichtigung der Reaktionsfunktion von Firma 2. Hierbei zieht sie auch in Betracht, dassbei kleinen Anderungen ihrer Kapazitat bei einem Niveau von k1 = 1 − 2

√E die Ein-

trittsentscheidung von Firma 2 verandert wird.Man muss also den Gewinn von Firma 1 bei den beiden Alternativen betrachten.Der Gewinn beim Eintritt von Firma 2 ist gegeben durch

πs1 = k1

(

1 − k1 −1 − k1

2

)

= k1

(

1 − k1

2

)

.

Beim Nichteintreten ist der Gewinn

πm1 = k1 (1 − k1).

Der Gewinn im Monopolfall ist also doppelt so hoch wie der des Stackelbergfuhrers.Graphisch kann man sich die beiden Gewinnfunktionen wie folgt veranschaulichen.

k1

π1

12

18

14

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1 Wettbewerbsbeschrankungen

Dabei gilt die obere (blaue) Kurve fur den Fall, dass Firma 1 Monopolistin bleibt, Firma2 also nicht eintritt. Die untere (schwarze) Kurve beschreibt den Gewinn, den Firma 1im Cournot–Wettbewerb mit Firma 2 macht, wenn diese eintritt und auf die von Firma1 gewahlte Menge gemaß ihrer Reaktionsfunktion antwortet.Welche der beiden Kurven tatsachlich relevant ist, hangt also davon ab, ob Firma 2aufgrund der von Firma 1 gewahlten Kapazitat in den Markt eintritt oder nicht, d. h.wie wir gesehen haben, ob die Kapazitat der Firma 1 großer ist als die, die den Eintrittvon Firma 2 verhindert, namlich k1 = 1 − 2

√E. Diese Schranke ist in den folgenden

Grafiken durch einen senkrechten Strich markiert. Links davon gilt die untere, rechts dieobere Kurve.Es konnen insgesamt 4 Falle eintreten:

1. Blockierter Eintritt Sei 1− 2√

E < 1/2, d. h. E > 116

(hohe Eintrittskosten). Indiesem Fall reicht es aus, dass Firma 1 die Monopolmenge produziert. Einsetzenvon k2 = 0 in den Gewinn von Firma 1 und maximieren ergibt

∂π1(k1, 0)

∂k1

= 1 − 2 k1 = 0

d. h., k1 = 1/2.

Damit diese Kapazitat Firma 2 vom Eintritt abschreckt, muss gelten k1 = 1/2 >1 − 2

√E, d. h., E > 1

16= 0,0625.

k1

π1

12

= k1

18

14

1 − 2√

E

2. Indifferenz zwischen Abschreckung und Zulassen des Eintritts Hier istdie Große von E zu finden, die Firma 1 indifferent zwischen dem Eintritt und derAbschreckung macht, d. h., entweder k1 = 1 − 2

√E zu setzen und den Eintritt

abzuschrecken oder k1 = 1/2 zu setzen und den Eintritt zuzulassen. Die beidenentsprechenden Gewinne sind gleichzusetzen, d. h., es muss gelten:

πd1 = (1 − 2

√E) 2

√E = 1/8 = πs

1.

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1.6 Uberkapazitaten und Limit Pricing

Hieraus ergibt sich

√E =

16 −√

162 − 4 × 32

64≈ 0,07322

Also gilt E = 132

(

3 − 2√

2)

≈ 0, 00536. Graphisch sieht das wie folgt aus.

k1

π1

12

18

14

1 − 2√

E

3. Eintrittsabschreckung Offensichtlich ist es fur Firma 1 optimal, den Eintrittabzuschrecken, wenn gilt 0,00536 < E < 0,0625.

k1

π1

12

18

14

1 − 2√

E = k1

4. Zulassen des Eintritts Wenn die Eintrittskosten sehr niedrig sind, dann mussteFirma 1 die Kapazitat sehr hoch setzen, um einen Eintritt abzuschrecken. In diesemFall, d. h., wenn E < 0, 00536 ist, erreicht Firma 1 einen hoheren Gewinn, wennsie den Eintritt von Firma 2 zulasst und das Cournot–Gleichgewicht akzeptiert.

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1 Wettbewerbsbeschrankungen

k1

π1

12

= k1

18

14

1 − 2√

E

(vgl. Oz Shy, Abschnitt 8.4.2, S. 192 ff.)

Bisher wurde angenommen, dass die eintretende Firma davon ausgeht, dass die etablierteFirma die gesamte Kapazitat nutzt, um das großtmogliche Outputniveau zu produzieren.Im folgenden wird gezeigt, dass diese Annahme jedoch inkonsistent mit strategischemVerhalten ist, d.h. die etablierte Firma wird nicht die gesamte Kapazitat verwenden,auch wenn ein Eintritt erfolgt.

Betrachten wir das folgende zweistufige Spiel: In der ersten Stufe wahlt die etablier-te Firma 1 eine Kapazitat k1, die es erlaubt, Outputmengen y1 ≤ k1 ohne Kosten inder zweiten Stufe zu produzieren. Wurde sie jedoch einen hoheren Output produzie-ren wollen, dann wurden fur jede Outputeinheit y1 > k1 Kosten von c anfallen. DieGrenzkostenfunktion fur die etablierte Firma kann wie folgt dargestellt werden:

x1

MC1

k1

c

MC1

Die Konkurrenzfirma trifft ihre Eintrittsentscheidung in der zweiten Stufe. In dieserStufe spielen die beiden Firmen ein Cournot–Spiel. Firma 2 konnte noch keine Kapazitataufbauen und hat Grenzkosten in Hohe von c. Wenn Firma 2 y2 = 0 wahlt, dann istkein Eintritt erfolgt.

In der zweiten Stufe hangt die die Reaktionsfunktion von Firma 1 vom Niveau derKapazitat k ab. Zu beachten ist, dass die Reaktionsfunktion (praziser, ihre Inverse) ander Stelle y1 = k1 eine Unstetigkeitsstelle aufweist. In den folgenden Grafiken ist diesfur drei Werte (niedrig, mittel und hoch) dargestellt.

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1.6 Uberkapazitaten und Limit Pricing

R2(y1)

R1(y2)

k1

G1

R2(y1)

R1(y2)

k2

G2

R2(y1)

R1(y2)

k3

G3

Es wird deutlich, dass das Gleichgewicht G2 dasselbe ist wie G3, das sich bei einerhoheren Kapazitat ergibt.Daraus ergibt sich das folgende Theorem:

Theorem 8 Die etablierte Firma kann durch Investition in Uberkapazitat einenMarkteintritt nicht abschrecken. Uberschusskapazitat ist kein Instrument zur Ein-trittsabschreckung.

Dieses Resultat ist besonders stark, da die Kapitalkosten in der ersten Periode gleich nullsind. Dennoch kann Firma 1 nicht von einer Investition in eine Kapazitat k3 profitieren,denn nach einem Eintritt ist die beste Antwort von Firma 1 ein Output von y1 = k2 <k3. Die eintretende Firma uberlegt sich, dass Firma 1 im Cournot–Gleichgewicht ihrenOutput beschranken wird, um (wie in jedem Cournot–Gleichgewicht) einen Preisverfallzu verhindern.Die zentrale Aussage des Theorems ist, dass eine Uberschusskapazitat keine glaubwurdi-ge Drohung ist, um eine Konkurrenzfirma davon zu uberzeugen, dass sich ein Eintrittnicht lohnt. Daher basiert das Bain–Sylos Postulat auf der unrealistischen Annahme,die eintretende Firma gehe davon aus, dass die etablierte Firma ihre gesamte Kapazitatverwenden wird, obwohl dies nicht mit gewinnmaximierendem Verhalten vereinbar ist.

Limit Pricing

(vgl. Oz Shy, Abschnitt 8.4.6, S. 202 ff.)Man kann sich leicht uberlegen, dass ein ahnliches Argument auch auf Preissetzung zurEintrittsabschreckung (limit pricing) angewendet werden kann.Im folgenden betrachten wir eine vereinfachte Version eines Modells von Milgrom undRoberts (1982)4, in dem gezeigt wird, dass limit pricing als Signal der Kostenstruktur der

4Milgrom, P. und J. Roberts (1982): Limit Pricing and Entry under Incomplete Information Econometrica

50, S. 443–459.

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1 Wettbewerbsbeschrankungen

etablierten Firma fur die eintretende Firma fungieren kann. Dadurch wird bei niedrigenPreisen eine Eintrittsabschreckung erreicht, da die (potentiell) eintretende Firma ausniedrigen Preisen auf eine gunstige Kostensituation der etablierten Firma schließt.In der Darstellung des Modells wird die Menge als strategische Variable verwendet. Umden direkten bezug zum limit pricing zu erkennen, muss man daher zunachst aus derangebotenen Menge des Monopolisten vor dem potentiellen Eintritt einer zweiten Firmaden sich ergebenden Preis berechnen.

Das Modell

Es gibt zwei Perioden t = 1, 2. Die Nachfrage ist gegeben durch die Preis–Absatz–Funktion p(Y ) = 10−Y . Firma 1 ist im Markt etabliert und wahlt in der ersten Periodeein Outputniveau y1

1. Firma 2 ist in Periode 1 noch nicht im Markt und entscheidet, obsie in Periode 2 eintreten soll. Firma 1 erhalt also Gewinne in beiden Perioden.

Annahme 1 Wenn in der zweiten Periode Eintritt stattfindet, spielen beide Firmenein Cournot–Spiel. Findet kein Eintritt statt, produziert Firma 1 den Monopoloutput.

Kosten, Informationen und Gewinne

Die Grenzkosten von Firma 2 sind c2 = 1. Zusatzlich muss Firma 2 Eintrittskosten vonF2 = 9 zahlen. Die Kostenstruktur von Firma 2 ist allgemein bekannt.Es handelt sich um ein Spiel mit unvollstandiger Information uber die Grenzkosten vonFirma 1. Diese sind

c1 =

{

0 mit Wahrscheinlichkeit 0,54 mit Wahrscheinlichkeit 0,5.

Firma 1 kennt ihre Grenzkosten, aber Firma 2 kennt nur die beiden moglichen Aus-pragungen und deren Wahrscheinlichkeiten.Die etablierte Firma maximiert die Summe der Gewinne aus beiden Perioden. Die eintre-tende Firma bekommt einen Gewinn nur in Periode 2. Die Gewinne in Periode 2 ergebensich aus den ublichen Berechnungen und werden in der folgenden Tabelle zusammen-gefasst (dabei entsprechen die in der zweiten Spalte angegebenen Gewinne fur Firma1, πm

1 , jeweils denen, die sie in der ersten Periode erzielt, wenn sie die Monopolmengeproduziert).

c1Entscheidung der Firma 2

eintreten nicht eintreten

c1 = 0 πc1 (0) = 13 πc

2 (0) = −1,9 πm1 (0) = 25 π2 = 0

c1 = 4 πc1 (4) = 1 πc

2 (4) = 7 πm1 (4) = 9 π2 = 0

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1.6 Uberkapazitaten und Limit Pricing

Das zwei–Perioden Spiel

Vor dem Markteintritt wahlt Firma 1 den Output y11. Der Gewinn von Firma 1 in t = 1

ist π1(c1, y11) = (10 − y1

1) y11 − c1 y1

1.In t = 2 beobachtet Firma 2 y1

1 und entscheidet, ob sie in den Markt eintritt odernicht. Diese Entscheidung hangt davon ab, welchen Gewinn Firma 2 nach dem Eintrittmacht, also von den Grenzkosten der Firma 1. Da Firma 2 diese nicht kennt, verwendetsie den bobachteten Output y1

1 als Signal, d. h. sie gewinnt ausgehend von der prioriWahrscheinlichkeitsverteilung uber die moglichen Grenzkosten der Firma 1 durch Baye-sianisches Updating mit der Information, die sie dem Signal y1

1 entnimmt, eine neuebedingte Wahrscheinlichkeitsverteilung und maximiert ihren erwarteten Gewinn.

Die Losung des Spiels

Wir suchen ein perfektes Bayesianisches Gleichgewicht dieses Spiels.Betrachten wir zunachst, welche Entscheidung Firma 2 aufgrund ihrer a priori Einschatz-ung der Grenzkosten c1 treffen wurde. Als erwarteter Gewinn ergibt sich dann

E πc2 =

1

2πc

2(0) +1

2πc

2(4) =1

2(−1, 9) +

1

27 > 0.

Ohne weitere Informationen wurde Firma 2 also in den Markt eintreten.Falls Firma 2 allerdings dem Signal y1

1 Informationen entnehmen konnte, wenn also dieMenge, die Firma 1 in der ersten Periode anbietet von deren Grenzkosten abhangt,wusste Firma 2 bei der Eintrittsentscheidung, von welchem Typ Firma 1 ist, und wurdegenau dann eintreten, wenn c1 = 4 gilt (dann ist ihr erwarteter Gewinn πc

2(4) = 7,andernfalls πc

2(0) = −1,9).Falls Firma 1 niedrige Grenzkosten hat, hat sie also ein Interesse, dies der Firma 2 zusignalisieren, um sie vom Eintritt abzuschrecken. Dabei muss sie allerdings berucksichti-gen, dass ihr Signal, also die in der ersten Periode angebotene Menge so beschaffen seinmuss, dass es sich fur den Typ der Firma 1 mit hohen Kosten nicht lohnt, das Signal zuimitieren.Das Problem wird deutlich, wenn wir uns zunachst die Monopolmengen der beidenTypen von Firma 1 anschauen. Diese erhalt man durch Gleichsetzen von Grenzkostenund Grenzerlos als ym

1 (0) = 5 fur den Typ mit niedrigen Grenzkosten c1 = 0 undym

1 (4) = 3 fur den Typ mit hohen Grenzkosten c1 = 4.Da diese Mengen unterschiedlich sind, wurden sie Firma 2 den Typ ihrer Konkurrentinsignalisieren, und sie wurde nur in den Markt eintreten, wenn sie y1

1 = 3 beobachtet.Fur den Typ der Firma 1 mit hohen Grenzkosten ergabe sich daraus ein Gewinn vonπ1 = 9 + 1 = 10. Wurde dieser Typ allerdings in Periode 1 die Monopolmenge desTyps mit niedrigeren Grenzkosten produzieren, ergabe sich dadurch zwar in der erstenPeriode ein geringerer Gewinn von 5, der aber durch den hoheren Gewinn von πm

1 (4) = 9in der zweiten Periode uberkompensiert wurde, der sich daraus ergabe, dass Firma 2 nunglaubt, den Typ mit niedrigen Kosten vor sich zu haben, und daher nicht in den Markteintritt.

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1 Wettbewerbsbeschrankungen

Der Typ c1 = 0 der Firma 1 sollte also in der ersten Periode eine Menge wahlen, die derTyp c1 = 4 nicht imitiert.Dazu betrachten wir eine Menge y1 derart, dass der Typ c1 = 4 der Firma 1 geradeindifferent ist zwischen der Wahl seiner Monopolmenge in der ersten Periode, was in derzweiten Periode zum Markteintritt der Firma 2 und damit zum niedrigeren Cournot–Gewinn fuhrt, und der Wahl von y1 mit einem entsprechend niedrigeren Gewinn in derersten Periode aber der Abschreckung des Markteintritts von Firma 2 dem hoherenMonopolgewinn in der zweiten Periode.Dies fuhrt zu folgender Gleichung.

πm1 (4) + πc

1(4) = 9 + 1 = 10

= (10 − y1) y1 − 4 y1 + πm1 (4)

= (10 − y1) y1 − 4 y1 + 9

⇐⇒ 1 = 6 y1 − y21

⇐⇒ y1 = 3 +√

8 ≈ 5,83.

Wahlt Firma 1 als in der ersten Periode die Menge y11 = 5,83, so kann der Typ mit hohen

Grenzkosten nicht mehr davon profitieren, dieses Signal zu imitieren. Dieses Signal wurdealso die beiden Typen separieren, d. h., Firma 2 wurde in der zweiten Periode nicht inden Markt eintreten, wenn sie y1

1 = 5, 83 beobachtet. Daher wurde der Typ c1 = 0 derFirma 1 in der zweiten Periode den Monopolgewinn πm

1 (0) = 25 erzielen.Wir mussen nun noch untersuchen, ob der Typ c1 = 0 der Firma 1 mittels dieser Stra-tegie einen hoheren Gewinn erzielen kann, als durch die Wahl seiner Monopolmengeym

1 (0) = 5 in der ersten Periode, die vom Typ c1 = 4 imitiert wurde und daher zu ei-nem Markteintritt der Firma 2 in der zweiten Periode und damit zum Cournot–Gewinnπ2

1(0) = 13 in der zweiten Periode fuhren wurde.Dieser Vergleich ergibt.

(10 − 5,83) × 5,83 + πm1 (0) = 24,31 + 25 = 49,31

> 38 = 25 + 13

= πm1 (0) + πc

1(0).

Theorem 9 Eine etablierte Firma mit niedrigen Grenzkosten produziert die Mengey1

1 = 5, 83 und in Periode t = 2 findet kein Markteintritt statt, d. h., sie betreibtlimit–pricing (durch Uberproduktion), um einen Eintritt abzuschrecken.

Empirische Evidenz fur Limit–Pricing

(vgl. Waldman, D. F. und E. J. Jensen: Industrial Organisation: Theory & Practice,Addison Wesley, Boston, 2. Aufl., 2000, S. 291–293.)Die folgenden zwei Beispiele zeigen, dass limit-pricing als Strategie zur Eintrittsab-schreckung Verwendung findet.

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1.6 Uberkapazitaten und Limit Pricing

Du Pont Von 1924 bis 1947 hatte Du Pont im Prinzip ein Monopol auf dem amerika-nischen Markt fur Zellophan. In dieser Industrie lagen signifikante Skalenertrage vor undDu Pont hatte schnell gemerkt, dass es sinnvoll ist im Bereich fallender Durchschnittsko-sten zu produzieren, bevor potentielle Konkurrenten in den Markt eingetreten sind. DasResultat war, dass Du Pont die Preise fur Zellophan kontinuierlich gesenkt hat. In denJahren von 1924 bis 1940 fielen die Preise um 84,8%, von $ 2,51 auf $ 0,38 pro Pfund5

Wahrend der ersten Jahre der Industrie stieg die Nachfrage schnell an und es ware furpotentielle Konkurrenten moglich gewesen, in den Markt einzudringen, wenn Du Pontdie Preise weiterhin hochgehalten hatte. Aber indem Du Pont die Preise fur Zellophankontinuierlich senkte, bekam Du Pont die Kontrolle uber den Markt bevor andere Firmendie Moglichkeit hatten, in den Markt einzutreten. Den potentiellen Konkurrenten warklar, dass ein Markteintritt in großem Stil entweder eine deutliche Reduzierung in DuPonts Output oder eine dramatische Senkung des Preises nach dem Eintritt erforderlichmachen wurde.Das Verhalten von Du Pont in den Jahren von 1924 bis 1940 war konsistent mit demVerhalten einer Firma, die versucht, einen Markteintritt abzuschrecken. Offensichtlichwar Du Pont bereit, geringere Preise und geringere Gewinne zu akzeptieren.

Xerox Blackstone hat die Vermutung geaußert, dass Xerox in den ersten Jahren seinerDominanz in der Kopierer-Industrie eine komplexe Preispolitik verfolgt hat, die auchElemente des limit pricing enthielt.Als Xerox im Jahre 1959 seine Kopiergerate fur Normalpapier einfuhrte, bestand keinsignifikanter Kostenvorteil gegenuber den Kopiergeraten fur beschichtetes Papier der Fir-ma Electrofax vor allem im Marktbereich fur geringe Kopienmengen. Daher hat Xeroxden Preis seiner Kopiergerate in diesem Marktsegement auf das kurzfristig gewinnmaxi-male Niveau gesetzt. Daher sind in den Jahren 1961 bis 1967 ca. 25 weitere Firmen indieses Marktsegement eingedrungen.Im Bereich mittlerer Kopienmengen hatte Xerox einen gewissen Kostenvorteil und setzteden Preis unterhalb des gewinnmaximierenden Preises aber oberhalb des limit prices. Indieses Segment traten ca. 10 Firmen ein und Xerox wurde klar, dass sie einen großenTeil dieses Marktes den Konkurrenten uberlassen musste.Im Bereich großer Kopienmengen hatte Xerox eine deutlichen Kostenvorteil und setzteden Preis nahe dem limit price und nur 3 Firmen traten in dieses Marktsegment ein.

5Gemeint ist hier die amerikanische Maßeinheit pound, das 373 Gramm entspricht, nicht das deutschePfund, das 500 Gramm entspricht.

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1 Wettbewerbsbeschrankungen

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2 Vertikale Restriktionen

Bevor wir Zusammenschlusse von Firmen auf verschiedenen Stufen der Wertschopfungs-kette betrachten, wollen wir Produzenten komplementarer Guter betrachten, da beiihnen vergleichbare Effekte auftreten (vgl. Pepall, Richards und Normann, Abschnitt 8.3.1,S. 433 f.). Beispiele fur komplementare Guter sind Zink und Kupfer, die als komple-mentare Inputs bei der Herstellung von Messing verwendet werden. Im Bereich desKonsums sind etwa Videorecorder und Videocassetten sowie Schrauben und Mutternweitere Beispiele fur Produkte, die erst zusammen ein Gesamtprodukt bzw. eine Dienst-leistung ergeben.Wenn zwei komplementare Guter jeweils von einem Monopolisten hergestellt werden,reduziert dies den gemeinsamen Gewinn der beiden Firmen und fuhrt zu einem Effizi-enzverlust fur die Okonomie.Die Intuition hinter diesem Argument ist leicht nachzuvollziehen: Jede Preisentschei-dung einer Firma fuhrt zu einer Externalitat fur die andere Unternehmung. Nehmenwir als Beispiel einen Produzenten von PCs und einen Softwarehersteller, der Betriebs-systeme fur die PCs produziert. Ein hoher Preis fur Hardware fuhrt zu einer geringenNachfrage nach PCs. Aber gleichzeitig fuhrt er wegen der Komplementaritat auch zu ei-ner geringeren Nachfrage nach Betriebssystemen. Der Hersteller von PCs berucksichtigtzwar den ersten Effekt, aber der zweite bleibt unberucksichtigt. Das gleiche gilt auchumgekehrt. Der Softwarehersteller berucksichtigt bei seiner Preisentscheidung nicht dieAuswirkungen auf den Computerhersteller. Im nichtkooperativen Gleichgewicht werdendie Preise fur beide Produkte daher zu hoch sein.Wenn der Computerhersteller seinen Preis senken wurde, dann wurde er dadurch furzusatzliche Nachfrage und erhohte Gewinne beim Softwarehersteller sorgen (und vice ver-sa). Da jedoch der Computerhersteller nichts von diesen zusatzlichen Gewinnen erhalt,wird er seinen Preis nicht senken. Das impliziert, dass bei einer Zusammenarbeit beideFirmen ihre Preise senken und sich dadurch besser stellen wurden. Auch die Konsumen-ten wurden aufgrund der geringeren Preise und des erhohten Angebotes profitieren.Ein Weg, wie die Firmen sich diese zusatzlichen Gewinne aneignen und die Effizienz-gewinne realisieren konnten, ware der Zusammenschluss. Eine solche Fusion fuhrt zueinem einzigen Entscheidungstrager und damit zu einer Internalisierung der Externa-litat. Die fusionierte Software-Hardware Firma wird ihren Gesamtgewinn maximieren,d. h. sie wird die Preise der beiden Guter so setzen, dass der gemeinsame Gewinn maxi-miert wird. Wenn also monopolistische Unternehmen komplementare Guter herstellen,haben sie einen starken Anreiz entweder zu fusionieren oder mit Hilfe eines anderenArrangements eine kooperative Herstellung und Preissetzung der beiden Produkte si-cherzustellen.Im folgenden Abschnitt wird deutlich gemacht, dass Ahnliches auch fur Monopolisten

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2 Vertikale Restriktionen

in aufeinander folgenden Produktionsstufen gilt.

2.1 Doppelte Marginalisierung

(vgl. Pepall, Richards und Normann, Abschnitt 8.3.2, S. 434 ff.)Im allgemeinen sind bei vertikalen Unternehmenszusammenschlussen Firmen auf ver-schiedenen Stufen des Produktionsprozesses involviert. Es ist ublich, die Firma, die amweitesten vom Endverbraucher entfernt ist, als upstream und diejenige, die am dich-testen am Konsumenten ist, als downstream Firma zu bezeichnen. Filmverleihe undKinos sind dafur ein Beispiel. In diesem Fall ist der Filmverleih die upstream und dasKino, das den Film leiht, um ihn den Konsumenten zu zeigen, die downstream Firma.Zwischen Groß- und Einzelhandlern gibt es eine ahnliche Beziehung.Der zentrale Punkt, der dabei zu berucksichtigen ist, ist der, dass alle diese Beziehungenals die zwischen Produzenten komplementarer Guter aufgefasst werden konnen: VertikaleBeziehungen zwischen zwei Firmen mit Monopolstellung fuhren zu einer suboptimalenPreisgestaltung und zu Ineffizienzen, wenn es keinen Mechanismus gibt, mit dessen Hilfedie Entscheidungen der beiden Firmen koordiniert werden konnen.Im Falle zweier Firmen in einer vertikalen Struktur spricht man im allgemeinen vomProblem der doppelten Marginalisierung. Dieses Problem soll im folgenden anhandeines einfachen Modells illustriert werden.Gegeben sei ein monopolistischer upstream Anbieter, der Hersteller, der ein Produkt aneinen monopolistischen Handler verkauft. Der Hersteller produziert das Gut mit konstan-ten Grenzkosten c und verkauft es dem Handler zum Großhandelspreis r. Der Handlerverkauft der Produkt an den Endverbraucher zum marktraumenden Preis p. Aus Ver-einfachungsgrunden wird angenommen, dass dem Handler keine weiteren Kosten entste-hen. Die Nachfrage der Konsumenten ist beschrieben durch die lineare Preis–Absatz–Funktion

p(y) = a − b y,

und wir nehmen an, dass gilt c < a.Da der Handler eine bestimmte Menge des Gutes zum Großhandelspreis r kauft unddiese Menge an die Konsumenten zum Endpreis p weiterverkauft, kann der Gewinn desHandlers geschrieben werden als

πD(y, r) = (p(y) − r) y = (a − b y) y − r y

Dieser Gewinn wird maximiert, wenn der Handler eine Menge wahlt, so dass sein Gren-zerlos gleich seinen Grenzkosten ist. Die Grenzkosten des Handlers betragen r und seineGrenzerlosfunktion ist

MRD = a − 2 b y.

Gleichsetzen von MR und r (oder Ableiten des Gewinns und null setzen) und auflosennach y ergibt die optimale Menge fur den Handler

yD =a − r

2 b.

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2.1 Doppelte Marginalisierung

Einsetzen in die Preis–Absatz–Funktion ergibt den marktraumenden Endverkaufspreis

pD =a + r

2.

Dies ergibt einen Gewinn fur den Handler in Hohe von

πD =(a + r)2

4 b.

Der Preis, den der Handler setzt, hangt vom Großhandelspreis r ab, den der Herstellerverlangt. Damit beeinflusst der Großhandelspreis r auch die Menge, die der Handlerabsetzt und die der Menge entspricht, die der Hersteller dem Handler verkaufen kann.Zum Endverbrauchspreis pD = (a+r)/2 verkauft der Handler yD = (a−r)/(2 b) Einhei-ten des Gutes. Diese Menge entspricht aber auch der Menge, die der Hersteller verkaufthat. Daher gibt die Funktion y = (a− r)/(2 b) gleichzeitig die Nachfragefunktion an, dersich der Handler gegenubersieht, wenn er den Großhandelspreis r verlangt.

Die Grenzerlosfunktion des Handlers beim Preis r, r = a − 2 b y, ist gleichzeitig dieinverse Nachfragefunktion, der sich der Hersteller gegenubersieht.

Mit der Grenzerlosfunktion des Handlers r = a− 2 b y kann man den gewinnmaximalenPreis bestimmen, den der Hersteller fur sein Produkt verlangt. Bei diesem Preis giltGrenzerlos gleich Grenzkosten. Die Grenzerlosfunktion des Herstellers ist

MRU = a − 4 b y.

Gleichsetzen mit den Grenzkosten c des Herstellers ergibt die gewinnmaximale Mengeund den Großhandelspreis. Diese sind gegeben durch

yU =a − c

4 brU =

a + c

2.

Wenn der Hersteller den Großhandelspreis rU = (a + c)/2 verlangt, dann wird derHandler einen Preis in Hohe von pD = (3 a + c)/4 verlangen. Der Handler setzt danndie Menge yD = (a − c)/(4 b) ab. Dies entspricht genau der vom Hersteller erwartetenMenge bei diesem Großhandelspreis.Sein Gewinn ist gegeben durch πU = (a−c)2/(8 b) und der Gewinn des Handlers betragt:πD = (a − c)2/(16 b). Der gesamte Gewinn beider Firmen ist 3(a − c)2/(16 b).Betrachten wir nun was passiert, wenn sich die beiden Firmen zusammenschließen, sodass der Hersteller nicht mehr unabhangig ist, sondern nur noch der Produktionsbetriebeines integrierten Unternehmens.Das Gut wird weiterhin mit konstanten Grenzkosten c hergestellt. Die einzige strategi-sche Frage, die sich nun stellt ist die, welchen Preis die Firma von den Konsumentenverlangen soll. Dies macht aus dem integrierten Unternehmen ein einfaches Monopol,das seinen Gewinn maximieren mochte. Dieser Gewinn ist gegeben durch

πI(y) = (p(y) − c) y = (a − b y) y − c y.

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2 Vertikale Restriktionen

Wie man sich leicht uberlegt, ist die Grenzerlosfunktion der integrierten Firma gleichder Grenzerlosfunktion des unabhangigen Handlers, d. h.

MRI = a − 2 b y.

Gleichsetzen mit den Grenzkosten c ergibt den gewinnmaximalen Output des integriertenUnternehmens

yI =a − c

2 b.

Einsetzen in die inverse Nachfragefunktion ergibt den zugehorigen Preis fur die Konsu-menten

pI =a + c

2.

Man beachte, dass

pI =a + c

2< (a − c)2/(16 b) = pD,

d. h., der gewinnmaximale Einzelhandelspreis, den die integrierte Firma verlangt, istgeringer als der eines unabhangigen Handlers. Daher wird das fusionierte Unternehmeneine großere Menge verkaufen als die beiden unabhangigen Firmen.Daruberhinaus erwirtschaftet die fusionierte Firma einen hoheren Gewinn als die beidenFirmen unabhangig: Der Gewinn der fusionierten Firma ist

πI =(a − c)2

4b.

Der Gewinn des unabhangigen Herstellers war

πU =(a − c)2

8 b,

der des unabhangigen Handlers

πD =(a − c)2

16 b,

also ist die Summe

πU + πD =3 (a − c)2

16 b

und damit 12,5 % kleiner als der Gewinn der integrierten Firma.Aus einem wohlfahrtstheoretischen Gesichtspunkt hat der Zusammenschluss der beidenMonopolisten jedem genutzt: Der Gesamtgewinn ist gestiegen, aber auch die Konsu-mentenrente hat zugenommen, da jetzt eine großere Menge zu einem geringeren Preisverkauft wird.

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2.2 Preisdiskriminierung

Man sieht nun deutlich die Parallele zwischen diesem Fall und dem von zwei Monopo-listen, die komplementare Guter verkaufen. In beiden Fallen fuhrt die Integration zuEffizienzgewinnen und zusatzlichen Profiten, da die getrennten Aktivitaten koordiniertwerden konnen und die Externalitat dadurch internalisiert werden kann. Ohne einen sol-chen Zusammenschluss spiegelt der Endpreis eine doppelte Marginalisierung wider.Der unabhangige Hersteller verlangt vom Handler einen Preisaufschlag, der wiederumeinen Preisaufschlag vom Konsumenten verlangt. Eine Kette von Monopolen ist alsoschlimmer als ein einzelner Monopolist.Ein wichtiger Punkt ist jedoch anzumerken: Die Analyse hangt stark davon ab, dass diebeiden beteiligten Firmen Monopolisten sind. Wurde man stattdessen Produktionssektoroder einem Einzelhandelssektor beginnen, in dem Preiswettbewerb herrscht, dann gabees keine Effizienzgewinne aufgrund einer vertikalen Integration. Ein Preiswettbewerbupstream fuhrt dazu, dass das Produkt zu Grenzkostenpreisen, d. h. c verkauft wurde.Ein Wettbewerb downstream fuhrt dazu, dass der Einzelhandelspreis r betragt. In einerder beiden Produktionsstufen ist also die Preis–Kosten Marge gleich Null und daherkann es zu keiner doppelten Marginalisierung kommen.Ein weiterer Punkt der bei der obigen Analyse eine wichtige Rolle spielt, ist der folgende:Die Effizienzgewinne aus einem vertikalen Zusammenschluss de beiden Firmen resultie-ren auch daraus, dass der Handler mit festen Faktoreinsatzverhaltnissen arbeitet. Furjede Einheit Output verwendet der Handler eine feste Menge des Inputs (eine Einheit).Im hier verwendeten Beispiel ist eine solche Annahme sinnvoll. Fur jede Einheit, die derHandler verkauft, benotigt er eine Einheit des Gutes vom Hersteller.In anderen Zusammenhangen ist diese Annahme jedoch zu restriktiv. Wenn es sich zumBeispiel beim Hersteller um einen Stahlproduzenten handelt und bei der downstream Fir-ma um einen Automobilhersteller, dann fuhrt die Entscheidung des Stahlproduzenten,einen bestimmten Preis r zu verlangen, unter Umstanden dazu, dass der Automobilher-steller stattdessen Aluminium oder Fiberglas verwendet, die moglicherweise beide aufWettbewerbsmarkten angeboten werden. In einem solchen Fall sind die Effizienzgewinne,die sich ergeben, wenn der Automobil- und der Stahlhersteller sich zusammenschließen,nicht offensichtlich.Wir konnen also zusammenfassend feststellen: Vertikale Integration zweier Monopoli-sten hat in vielen Fallen positive Auswirkungen sowohl fur die Firmen als auch furdie Konsumenten, da eine doppelte Marginalisierung korrigiert wird. Solche Effizienzge-winne sind umso eher moglich, wenn die Technologie nur begrenzte Moglichkeiten derInputsubstitution bietet.

2.2 Preisdiskriminierung

(vgl. Pepall, Richards und Normann, Abschnitt 8.3.3, S. 440 f.)Der Wohlfahrtsverlust, der mit einer monopolistischen Outputreduktion verbunden ist,stellt auch einen Verlust an moglichen Gewinnen fur den Monopolisten dar. Der Mo-nopolist konnte zusatzliche Gewinne realisieren, wenn er sein Produkt nicht zu einemeinheitlichen Preis fur alle Konsumenten verkauft. Dies gilt naturlich auch fur einen ups-

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2 Vertikale Restriktionen

tream Monopolisten, der sein Produkt an mehrere downstream Unternehmen verkauft.Es gibt dabei viele Falle, in denen sich die downstream Firmen hinsichtlich ihrer Zah-lungsbereitschaft unterscheiden. Zum Beispiel ein Großhandler, der an Einzelhandlerin verschiedenen Stadten liefert, ein Zulieferer der Automobilindustrie, der verschiedeneAutohersteller beliefert, eine Beraterfirma, die Unternehmen in verschiedenen Industrienberat usw. Da die Preiselastizitaten der Nachfrage fur das Produkt der upstream Firmaunterschiedlich sind, wurde der Monopolist gerne unterschiedliche Preise verlangen undkonnte dadurch einen großeren Gewinn realisieren. Insbesondere wurde er einen hohenPreis von den Firmen verlangen, deren Preiselastizitat der Nachfrage gering ist und einenniedrigen von denen mit einer hohen Preiselastizitat.Eine erfolgreiche Preisdiskriminierung hat jedoch zwei Voraussetzungen.

1. Die Firma muss die Kaufer mit elastischer bzw. inelastischer Nachfrage identifizie-ren konnen.

2. Die Firma muss in der Lage sein, Arbitragegeschafte auszuschließen.

Angenommen, die Firma hat das erste Problem gelost. Dann stellt sich die Frage, welchenMechanismus die Firma einsetzen kann, um das Arbitrageproblem zu losen.

Beispiel : Ein Filmverleih bietet den beiden einzigen Kinos in der Stadt an, Filme zumieten. Eines der Kinos liegt in dem Stadtteil mit einer wohlhabenden Klientel, wahrenddas andere sich in dem Teil der Stadt befindet, in dem der armere Teil der Bevolkerunglebt. Die Kunden des ersten Kinos haben eine hohe Zahlungsbereitschaft, so dass dieNachfrage recht preisunelastisch ist. Die Kundschaft des zweiten Kinos hat eine geringereZahlungsbereitschaft und ihre Nachfrage ist preiselastisch.Im Idealfall wurde der Filmverleih einen hohen Preis vom ersten und einen niedrigenPreis vom zweiten Kino verlangen. Aufgrund von Arbitragemoglichkeiten ist eine solcheStrategie allerdings nicht durchfuhrbar: Das zweite Kino wurde den Film einfach andas erste Kino weiterverleihen. (Jedenfalls dann, wenn wir annehmen, dass ein solcherWeiterverleih nicht vertraglich ausgeschlossen werden kann.)Allerdings konnte man durch eine vertikale Integration des Filmverleihs mit dem zweitenKino diese Arbitragemoglichkeit ausschließen.In diesem Fall kann der Filmverleih zu Selbstkosten an das zweite Kino verleihen ohneGefahr zu laufen, dass dieses Kino den Film an das erste weitergeben wird. Daruber-hinaus konnte der Verleih auch das Problem der doppelten Marginalisierung mit demzweiten Kino vermeiden. Im allgemeinen verhalt es sich so, dass bei einer vertikalenIntegration der upstream Firma mit einer downstream Firma immer zuerst derjenigedownstream Markt gewahlt werden sollte, der die hochste Preiselastizitat der Nachfrageaufweist. Sie hat dann die Moglichkeit, von der downstream Firma im anderen Marktmit geringer Preiselastizitat einen hohen, gewinnmaximierenden Preis zu verlangen.Eine erfolgreiche Preisdiskriminierung erhoht haufig die Effizienz der Allokation. Wennjedoch dieser Erfolg durch eine vertikale Integration erreicht wird, wie es in unserem Bei-spiel dargestellt wurde, dann ist der Effekt auf die Effizienz nicht klar: Zwar erhoht sich

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2.3 Ausschließlichkeitsbindungen

der Gewinn des Filmverleihs und das Problem der doppelten Marginalisierung wird in ei-nem Markt umgangen, aber aufgrund der Fusion steigt der Preis im anderen Markt. DerGesamteffekt kann nur dann abgeschatzt werden, wenn man uber genauere Informationhinsichtlich der Nachfrage in den beiden Markten verfugt.

2.3 Ausschließlichkeitsbindungen

(vgl. Pepall, Richards und Normann, Abschnitt 8.3.4, S. 441 ff.)Neben den erwahnten Motiven fur vertikale Zusammenschlusse gibt es noch ein weiteres,das offensichtlich wettbewerbsbeschrankend ist, namlich die sogenannte Marktschlie-ßung. Das heißt, dass der Zusammenschluss zweier Firmen in einer vertikalen Strukturzu einem integrierten Unternehmen fuhrt, das entweder Konkurrenten downstream wich-tige Inputs vorenthalt oder Wettbewerbern upstream einen Markt fur deren Produkteschließt.Betrachten wir als Beispiel einen KFZ-Hersteller, der mit dem Produzenten von Ge-trieben fusioniert. Die Fusion wird im allgemeine die beiden folgenden Auswirkungenhaben.

1. Andere Getriebehersteller sind nicht mehr in der Lage, an diesen Autoherstellerzu verkaufen.

2. Es ist moglich, dass die fusionierte Firma Getriebe nicht mehr an andere Autoher-steller verkaufen wird. Es kann auch sein, dass sie zwar weiterhin an die anderenFirmen verkauft, aber uberhohte Preise verlangt.

Derartige Marktschließungseffekte vertikaler Zusammenschlusse konnen dazu fuhren,dass sich der Wettbewerb sowohl im downstream als auch im upstream Markt verringertund dadurch die Effizienzgewinne aufgrund der Vermeidung der doppelten Marginali-sierung annulliert. Dies ist der Hauptgrund, warum die Kartellbehorden auch vertikaleFusionen genau untersuchen.Betrachten wir folgendes Modell.1 Es gibt einen upstream Markt mit nU Firmen undeinen downstream Markt mit nD Firmen. Von diesen Firmen sind n vertikal integriert,so dass es nU −n unabhangige upstream Anbieter und nD −n unabhangige downstreamFirmen gibt.Jede der upstream Firmen produziert bei der Herstellung ihres Produktes mit konstantenGrenzkosten cU . Eine Einheit davon wird benotigt, um eine Einheit des downstreamProduktes herzustellen. Bei der Produktion downstream fallen zusatzliche Grenzkostenin Hohe von cD pro Einheit an. Die Produkte der downstream Firmen sind identisch undsowohl upstream als auch downstream Firmen verhalten sich als Cournot–Wettbewerber.Die Nachfrage downstream ist gegeben durch

pD = a − b Y D.

1Es handelt sich um eine vereinfachte Version des Modells in Salinger, M. A. (1988): Vertical Mergersand Market Foreclosure Quarterly Journal of Economics 103, S. 345–356.

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2 Vertikale Restriktionen

Dabei bezeichnet Y D den Gesamtoutput downstream.Der Gewinn fur jede der integrierten downstream Firmen, i ∈ {1, . . . , n}, betragt

πDi =

(

pD − cU − cD)

yDi =

(

a − b Y D − cU − cD)

yDi .

Der Gewinn fur eine unabhangige downstream Firma, j ∈ {n + 1, . . . , nD}, ist

πDj =

(

pD − pU − cD)

yDj =

(

a − b Y D − pU − cD)

yDj .

Schließlich ist der Gewinn einer unabhangigen upstream Firma, k ∈ {n + 1, . . . , nU}

πUk =

(

pU(Y U) − cU)

yUk ,

wobei pU(Y U) den Preis bezeichnet, den eine unabhangige upstream Firma fur ihr Pro-dukt bekommt.Diese Gleichungen machen deutlich, dass die integrierten Firmen einen Vorteil genießen:Sie erhalten den Input zu Grenzkostenpreisen, wahrend die unabhangigen Firmen denhoheren Preis pU zahlen mussen. Mit den Gleichungen kann man daruberhinaus zeigen,

1. dass die integrierten Firmen das upstream Produkt nicht an unabhangige down-stream Firmen verkaufen werden und

2. dass die integrierten Firmen keine Inputs von unabhangigen upstream Firmenbeziehen werden.

Betrachten wir zuerst die zweite Behauptung.Der Cournot–Wettbewerb der unabhangigen upstream Firmen wird zu einem Preisfuhren, fur den pU > cU gilt. Wenn das jedoch der Fall ist, dann wird eine downstreamAbteilung einer integrierten Firma den Input lieber von der eigenen upstream Abteilungbeziehen als auf dem Markt zum Preis pU kaufen.Betrachten wir nun die erste Behauptung.Wenn eine unabhangige downstream Firma im Markt aktiv ist, ergibt sich durch denCournot–Wettbewerb fur sie ein positiver Gewinn. Dies impliziert, dass pD−pU−cD > 0.Wenn im Gleichgewicht, die upstream Abteilung einer integrierten Firma einen Teilihres Outputs an unabhangige downstream Firmen verkauft, bekommt sie eine Margevon pU − cU fur jede verkaufte Einheit.Angenommen, dass die upstream Abteilung diesen Output vom Markt nimmt und ihnstattdessen ihrer downstream Abteilung zur Verfugung stellt. Der Gesamtoutput desEndproduktes bleibt dadurch unverandert und es wird zu keiner Preisanderung kommen.Dies bedeutet jedoch, dass die integrierte Firma den Gewinn pD − cU − cD fur jedeEinheit erhalt, die sie intern verwendet. Wenn die obige Bedingung pD − pU − cD > 0erfullt ist, dann ubersteigt dieser Gewinn denjenigen, den sie machen wurde, wenn siean eine unabhangige downstream Firma verkauft. Also wird eine integrierte Firma ihrZwischenprodukt nicht an unabhangige downstream Firmen verkaufen.Zusammenfassend kann man feststellen, dass Marktschließungseffekte auftreten konnen.Allerdings ist das nicht unbedingt gleichbedeutend damit, dass eine solche Marktschlie-ßung nachteilig fur die Konsumenten ist.

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2.3 Ausschließlichkeitsbindungen

Hierzu muss man die Auswirkungen einer solchen Marktschließung auf den Endpreis desGutes ermitteln. Die Analyse ist komplex, aber die Intuition kann wie folgt gegebenwerden.Betrachten wir zuerst den upstream Markt. Eine vertikale Integration reduziert die Zahlder unabhangigen upstream Firmen und gleichzeitig die Zahl der unabhangigen Abneh-mer. Beide Faktoren verringern den Wettbewerb in dem Markt, in dem das Zwischen-produkt gehandelt wird.Andererseits verkaufen die unabhangigen upstream Firmen an downstream Firmen, dieeinen Kostennachteil im Vergleich zu den downstream Abteilungen der integrierten Fir-men haben (sie zahlen den Preis pU statt cU). Das beschrankt den Spielraum der un-abhangigen downstream Firmen.Wenn es nach einem vertikalen Zusammenschluss noch genug unabhangige upstream Fir-men gibt, dann sind die wettbewerbsbeschrankenden Auswirkungen einer Marktschlie-ßung aufgrund einer weiteren vertikalen Fusion eher unbedeutend. Sie konnen sogardurch die kostenreduzierende Wirkung einer vertikalen Fusion und der damit mogli-cherweise verbundenen Preissenkung uberkompensiert werden. Anders ausgedruckt: DieWettbewerbsbehorden konnen sich recht sicher sein, dass eine vertikale Fusion und diedamit verbundenen Marktschließungseffekte keine negativen Auswirkungen auf die Kon-sumenten haben werden, wenn es einen großen Sektor unabhangiger upstream Firmengibt.Allerdings berucksichtigt die Analyse mogliche strategische Reaktionen der upstreamund downstream Firmen nicht, deren Markte durch vertikale Fusionen betroffen sind.Eine mogliche Reaktion ware, nach einer vertikalen Fusion sich ebenfalls einen moglichenPartner fur einen solchen Zusammenschluss zu suchen. Das wurde dazu fuhren, dass sichder Wettbewerbsdruck im downstream Markt erhoht, da die Kosten der downstreamFirmen geringer sind.Ordover, Saloner und Salop (1990)2 schlagen hierzu ein einfaches aber instruktives Mo-dell vor. Es werden je zwei upstream und zwei downstream Firmen upstream Firmabetrachtet. Die downstream Firmen stellen differenzierte Produkte her, die upstreamFirmen produzieren ein homogenes Gut, das beide downstream Firmen als Input ver-wenden. Wettbewerb findet in Preisen statt. Ordover, Saloner und Salop zeigen, dass fureine Marktschließung aufgrund einer vertikalen Fusion zwischen z. B. einer downstreamFirma D1 und einer upstream Firma U1, die beiden folgenden Bedingungen erfullt seinmussen.

1. Die fusionierte Firma muss glaubhaft versprechen konnen, die unabhangige down-stream Firma D2 nicht zu beliefern.

2. Es muss einen anderen upstream Anbieter geben, der bereit ist, das Gut zu einemPreis anzubieten, der unterhalb einer kritischen Grenze c∗ liegt.

Diese kritische Grenze ist gegeben durch den hochsten Inputpreis, den die downstreamFirma D2 zu zahlen bereit ist, ohne dass es fur sie profitabler ware, sich mit U2 zu-

2Ordover, J. A., G. Saloner und S. Salop (1990): Equilibrium Vertical Foreclosure American Economic

Review 80, S. 127–142.

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2 Vertikale Restriktionen

sammenzuschließen. Die Intuition ist die folgende: Angenommen, dass die fusionierteFirma keinen Input an Firma D2 verkauft und dass es keinen anderen Anbieter gibt.In diesem Fall ware die upstream Firma U2 Monopolistin gegenuber D2 und wurdefur den Input den Monopolpreis verlangen. Unter diesen Umstanden ware es besser,wenn D2 der Firma U2 ein Fusionsangebot machen wurde. U2 wurde dieses Angebotakzeptieren, da der Gewinn der fusionierten Firma die Summe der Gewinne von D2und U2 bei unabhangiger Produktion ubersteigen wurde (ahnlich wie bei der doppeltenMarginalisierung).Mit zwei fusionierten Firmen, die beide den Input zu Grenzkostenpreisen beziehen, wurdeder Wettbewerb im downstream Markt so stark, dass D1 am liebsten nicht fusionierthatte. Genauer gesagt: Der downstream Wettbewerb sahe (zumindest fur symmetri-sche firmen upstream) exakt so aus wie vor jeder vertikalen Fusion, da sich wegen desBertrand–Wettbewerbs im upstream Markt auch dann Grenzkostenpreise fur den Inputbilden. Der Gewinn der aus D1 und U1 entstandenen fusionierten Firma ware also genauso hoch wie der von D1 vor jeder Fusion, D1 konnte ihn in der fusionierten Firma abernicht zu hundert Prozent fur sich verbuchen. Wenn D1 sich das vorher uberlegt, wird eszu keiner vertikalen Fusion kommen.Anders ausgedruckt: Wenn es keine andere, relativ gunstige Quelle fur den Input gibt,dann weiß D1 dass D2 auf die Drohung einer Marktschließung selbst mit einer vertikalenFusion reagieren wird, und verzichtet daher auf die Fusion.Wenn es keinen anderen Anbieter des Inputs gibt, dann hat die fusionierte Firma U1−D1eine andere Strategie zur Verfugung, die zwar nicht zu einer Marktschließung, aber zueiner Preiserhohung fur den downstream Konkurrenten D2 fuhrt: Es ware fur U1 − D1moglich, der Firma D2 den Input zu einem Preis etwas unterhalb von c∗, der obenerwahnten kritischen Grenze, zu verkaufen.Dies hat zwei Auswirkungen:

1. Es beschrankt die Marktmacht der unabhangigen upstream Firma U2, eine Mo-nopolrente von D2 zu bekommen, da U2 nun den Preis von U1 − D1 unterbietenmuss, um an D2 verkaufen zu konnen.

2. Da der Inputpreis, den D2 bezahlt, geringer ist als c∗, hat D2 keinen Anreiz,sich mit U2 zusammenzuschließen. Diese Strategie fuhrt zu einem Druck auf denunabhangigen upstream Anbieter U2. Wenn diese Firma nicht alle Kunden imdownstream Markt verlieren mochte, dann muss sie den Preis senken, den sie vonD2 verlangt.

Indem die fusionierte Firma eine Fusion der beiden Unternehmen U2 and D2 zu ver-hindern versucht, muss sie den Preis gegenuber D2 senken und damit auch den fur dieKonsumenten des Endprodukts. Ob sie diese Strategie verfolgt hangt von den Kostenund dem Wert von c∗ ab.Wir gelangen also im Modell von Ordover, Saloner und Salop (1990) — wie schon imModell von Salinger (1988) — wieder zu der Schlussfolgerung, dass die moglicherweiseschadlichen Effekte einer vertikalen Fusion nicht auftreten mussen. Es gibt namlich ent-weder eine andere, gunstige Quelle fur den Input, oder die fusionierte Firma erachtet

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2.4 Franchising

es als lohnend, die unabhangigen downstream Firmen zu beliefern, um sie von weiterenvertikalen Zusammenschlussen abzuhalten.

Zusammenfassend kann man also feststellen, dass Marktschließungseffekte in vielen Fal-len als eher unwahrscheinlich oder ihre Auswirkungen als nicht gravierend einzuschatzensind.

2.4 Franchising

(vgl. Pepall, Richards und Norman, Abschnitt 9.6, S. 513 ff.)

Beim Franchising verkauft eine upstream Firma ihr Produkt zu Grenzkostenpreisen aneine downstream Firma und erhalt von dieser eine Zahlung (Franchisegebuhr).

Franchising hat sich in den letzten Jahren zu einer Geschaftspolitik entwickelt, die immerwichtiger wird. Viele Firmen verkaufen nur einen Handelsnamen und eine bestimmte Artund Weise der Geschaftsorganisation. Zu nennen sind hier sind z. B. die großen Kettenwie McDonald’s oder Burger King.

Allerdings wirft diese schnelle Zunahme an Franchisenehmern auch einige Fragen auf.Z. B. werden einige der neueroffneten Geschafte den bereits bestehenden Konkurrenzmachen, obwohl in den Arrangements haufig eine gewisse territoriale Souveranitat ga-rantiert wurde.

Es gibt mehrere grunde, warum eine upstream Firma ein Interesse daran hat, dass esviele Franchisenehmer gibt.

Ein Grund ware, dass in diesem Fall (Wettbewerb im downstream Markt) das Problemder doppelten Marginalisierung gelost werden kann.

Ein anderer Grund konnte der folgende sein: Durch zahlreiche Filialen kann die ups-tream Firma eine regionale Preisdifferenzierung durchfuhren und dadurch ihren Gewinnerhohen.

Ein weiterer Grund konnte darin bestehen, dass durch eine großere Anzahl von Filialenein sonst moglicherweise auftretendes moral hazard Problem gelost werden kann: Wennes nur wenige Filialen gibt, dann ist es fur das upstream Unternehmen schwierig zubeurteilen, ob ein eventueller Nachfrageruckgang auf die Nachlassigkeit des Franchise-nehmers oder durch einen exogenen Nachfrageschock zuruckzufuhren ist. Wenn es jedochviele Filialen gibt, dann ist das durchschnittliche Ergebnis aller Filialen eine wichtigeInformation zur Beurteilung der Leistung eines einzelnen Franchisenehmers.

Es konnte jedoch auch der Fall sein, dass durch viele Filialen eine Selbstbindung aneinen großen Output erreicht werden soll. Allerdings konnten die anderen Wettbewerbereine ahnlich Uberlegung angestellt haben, so dass sich ein Nash–Gleichgewicht ergibt,in dem der gesamte Output zu groß und die Preise und Gewinne zu niedrig sind.

Diese Uberlegung soll anhand des folgenden zweistufigen Spiels diskutiert werden: In derersten Stufe wahlen die Firmen die Anzahl ihrer Filialen. In der zweiten Stufe befindensich dann alle Filialen in einem Cournot–Wettbewerb. Eine große Anzahl von Filialen istattraktiv, denn wenn sich die einzelnen Filialen als Cournot–Wettbewerber verhalten,ignorieren sie den negativen, preissenkenden Effekt, den ihr Output auf die anderen

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2 Vertikale Restriktionen

Filialen hat. Auf diese Weise kann sich die Firma glaubwurdig an einen großeren Outputbinden und dadurch die Position eines Stackelberg–Fuhrers erreichen.Wir betrachten zwei Firmen, 1 und 2, die ein homogenes Produkt zu konstanten Grenz-kosten c produzieren. Da die Filialen Zugang zu dieser Technologie haben, produzierensie ebenfalls mit diesen Grenzkosten. Die Nachfragefunktion nach dem Produkt ist ge-geben durch

p(Y ) = a − b Y

wobei Y den Gesamtoutput bezeichnet.In der ersten Stufe wahlen die Firmen die Anzahl der Filialen n1 und n2. Die Eroffnungeiner Filiale verursacht versunkene Kosten in Hohe von K. In der zweiten Stufe wahlendann die Filialen ihren Output und verhalten sich dabei als Cournot–Wettbewerber.Wir beginnen die Analyse des Spiels mit der zweiten Stufe: Hier bezeichne yij den Outputder Filiale i der Firma j mit i = 1, . . . , nj. Der Output aller Filialen ohne die ite Filialeder Firma j ist gegeben durch Y−ij. Der Gewinn πij einer Filiale ist daher gegeben durch

πij (yij, Y−ij) = (a − b (Y−ij + yij) yij − c yij.

Der gesamte Output ist gegeben durch2∑

j=1

nj∑

i=1

yij.

Gewinnmaximierung der Filiale i der Firma j erfordert:

(2.1) a − b Y−ij − 2 b yij = c.

Da alle Filialen identisch sind, wahlen im Gleichgewicht alle Filialen die gleiche Menge,d. h. y∗

ij = y∗. Da es n1 + n2 Filialen gibt, ist Y−ij = (n1 + n2 − 1) y∗.Einsetzen in Gleichung 2.1 und auflosen nach y∗ ergibt

y∗ =a − c

(n1 + n2 + 1) b.

Daraus ergibt sich der Gesamtoutput

Y ∗ =n1 + n2

n1 + n2 + 1

a − c

b.

Der resultierende Marktpreis ist

p(Y ∗) =a + (n1 + n2) c

n1 + n2 + 1.

Bei diesem Preis macht also jede Filiale den Gewinn von

πij

(

y∗

ij, Y∗

−ij

)

=(a − c)2

b (n1 + n2 + 1)2

Die beiden Firmen entscheiden nun daruber, wie viele Filialen sie eroffnen sollen.

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2.4 Franchising

Der Gewinn der Firma j kann geschrieben werden als

πj =

nj∑

i=1

(πij − K) .

Unter Berucksichtigung des gewinnmaximierenden Verhaltens der Filialen ergibt sichdieser Gewinn zu

πj (nj, n−j) = nj(a − c)2

b (n1 + n2 + 1)2 − K nj.

Firma 1 und Firma 2 wahlen nun die gewinnmaximierende Anzahl der Filialen, gegebendie Anzahl der Filialen des Konkurrenten. Ableiten von πj (nj, n−j) nach nj liefert

(a − c)2

b (n1 + n2 + 1)2

(

1 − 2 nj

1 + n1 + n2

)

= K.

Da beide Firmen identisch sind, gilt fur die optimalen Zahlen von Filialen n∗

1 = n∗

2 = 2 n∗.Einsetzen in die letzte Gleichung und Auflosen nach n∗ ergibt

n∗ =1

2

[

(

(a − c)2

K

)1/3

− 1

]

.

Die Zahl der Filialen hangt also positiv von der Differenz a − c und negativ von derHohe der Fixkosten einer Filiale ab. Man erinnere sich daran, dass die Preis–KostenMarge eines Monopols geschrieben werden kann als (a − c)/2. Wenn also der moglichePreisaufschlag eines Monopols großer wird, dann werden beide Firmen mehr Filialeneroffnen.Allerdings fuhrt eine großere Zahl von Cournot–Firmen zu einer großeren Annaherungan das Wettbewerbsgleichgewicht. Das kann jedoch nicht im Interesse der Franchisegebersein – besser ware es, nur eine geringe Anzahl von Filialen zu unterhalten. Es handeltsich bei diesem Problem also um das bekannte verallgemeinerte Gefangenendilemma.Man kann also den Schluss ziehen, dass es – im Vergleich zum Optimum der beidenKetten McDonald’s und Burger King – viel zu viele Filialen gibt!

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2 Vertikale Restriktionen

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3 Forschung und Entwicklung

(vgl. Oz Shy, Kapitel 9, S. 221 ff.)Ziel von Forschung und Entwicklung (F & E) sind Innovationen, wobei im allgemeinenunterschieden wird zwischen Prozessinnovationen, d. h. Neuentwicklungen, die zu ei-ner Reduktion der Produktionskosten fur ein bestimmtes Produkt fuhren, und Produk-tinnovationen, d. h. Technologien zur Herstellung neuer Produkte.Die Modellierung von Forschung und Entwicklung ist nicht einfach, denn Forschung undEntwicklung bedeutet die Produktion von Wissen oder know–how. Im folgenden wirddies dadurch dargestellt, dass die Produktionsfunktion geandert wird oder eine neueProduktionsfunktion geschaffen wird.Im folgenden werden wir zunachst Prozessinnovationen diskutieren und dann auf Pro-duktinnovationen eingehen. Dabei interessiert uns einerseits, wie Firmen uber ihre In-vestitionen in Forschung und Entwicklung entscheiden, was naturlich von den Auswir-kungen auf ihren Gewinn abhangt, die sie von den Ergebnissen der F & E erwarten.Andererseits mochten wir die sozialen Auswirkungen von F & E untersuchen.In diesem Zusammenhang spielen Patente eine wichtige Rolle. Da Patente vom Staatgarantiert werden, sind sie ein offensichtliches Instrument, mit dem die F & E Aktivitatender Firmen im Sinne gesellschaftlicher Erwunschtheit beeinflusst werden konnen.

3.1 Klassifikation von Prozessinnovationen

(vgl. Oz Shy, Abschnitt 9.1, S. 222 ff.)Kostenreduzierende Innovationen werden klassifiziert nach der Große der Kosteneinspa-rung.Um dies zu operationalisieren betrachten wir eine Industrie, in der ein homogenes Pro-dukt hergestellt wird und die Firmen mit Preisen konkurrieren. Angenommen, alle Fir-men haben anfangs die gleiche Technologie, d. h. alle Firmen produzieren mit den glei-chen Grenzkosten c0 > 0. Es gibt also ein Bertrand–Gleichgewicht mit p0 = c0; alleFirmen machen einen Gewinn von 0 und produzieren zusammen einen Output von Y0.Angenommen, genau eine der Firmen hat die Moglichkeit ein Forschungslabor einzurich-ten, das eine kostensparende Technologie entwickelt, mit der die Firma mit Grenzkostenc < c0 produzieren kann. Durch diese Prozessinnovation wurde sich ein asymmetrischerBertrand–Wettbewerb ergeben, in dem alle firmen die Grenzkosten c0 haben, wahrenddie innovierende Firma Grenzkosten von c < c0 hat.Im Ergebnis kann die innovierende Firma daher ihre Konkurrentinnen unterbieten unddie gesamte Nachfrage auf sich ziehen.1

1Wir sehen hier von den bekannten technischen Problemen ab, die im asymmetrischen Bertrand–

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3 Forschung und Entwicklung

Dabei sind zwei Falle zu unterscheiden. Dazu uberlegen wir uns,was die innovierendeFirma tun wurde, wenn sie Monopolistin ware. Ihr gewinnmaximierender Output waredann durch die Bedingung MR(y) = c charakterisiert und es wurde sich der Mono-polpreis pM(c) ergeben. Entscheidend ist nun, ob dieser Monopolpreis unterhalb derGrenzkosten c0 der Konkurrenz liegt oder nicht.

Definition 2 Sei pM(c) den Preis, der von einem Monopol verlangt wurde, dasGrenzkosten von c hat.

1. Eine Innovation heißt groß oder drastisch, wenn pM(c) < c0 ist.

2. Eine Innovation heißt klein, wenn gilt pM(c) > c0.

Graphisch kann man sich beide Arten von Prozessinnovationen wie folgt verdeutlichen.

y

p

p(y)MR(y)

c0

y1 = Y0

p1 = p0

c1

yM1

pM(c1)

c2

y2 = yM2

p2 = pM(c2)

Eine Kostenreduktion von c0 auf c1 ist eine kleine Innovation, da der resultierende Mono-polpreis oberhalb der Grenzkosten der Konkurrenzfirmen liegt. Wurde die innovierendeFirma ihren Monopolpreis setzten, wurden die Konkurrenzfirmen sie also unterbieten. Indiesem Fall kann die innovierende Firma sich also nicht als Monopolistin verhalten. Siewird den Preis der anderen Firmen knapp unterbieten, d. h., p1 = c0 − ǫ ≡ c0 setzen unddie Menge y1 = Y0 anbieten. Eine kleine Innovation andert also den Marktpreis und dievon den Konsumenten gekaufte Menge nicht. Die einzige Konsequenz einer kleinen In-novation ist, dass der Innovator den gesamten Markt bedient und den positiven Gewinn(c0 − c1) Y0 erhalt.Im Unterschied dazu ist die Kostenreduktion von c0 auf c2 eine drastische Innovation, dader resultierende Monopolpreis fur die innovierende Firma unterhalb der Grenzkosten

Modell auftreten.

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3.2 Patentrennen

der Konkurrenzfirmen liegt. In diesem Fall wird die innovierende Firma den Monopol-preis setzen, den die Konkurrenzfirmen nicht unterbieten werden (sonst wurden sie zuPreisen unterhalb ihrer Grenzkosten verkaufen und Verluste machen). Es ergibt sich alsneuer Preis p2 der Monopolpreis der innovierenden Firma und als als Menge y2 ihreMonopolmenge. Man sieht, dass p2 = pM(c2) < c0 und y2 = yM(c2) > Y0 gilt. Trotz desUbergangs vom Bertrand–Wettbewerb zum Monopol sinkt also der Preis und die Mengesteigt.Man beachte, dass die Definition eine Anderung in den Kosten mit den Marktbedingun-gen in Verbindung bringt. Ob eine gegebene Prozesinnovation groß oder klein ist, hangtalso nicht nur von der Kostenreduktion ab, die sie mit sich bringt, sondern auch von denNachfragebedingungen im Markt.

3.2 Patentrennen

(vgl. Oz Shy, Abschnitt 9.2, S. 224 ff.)Bei Produktinnovationen spielt es eine große Rolle, wann ein neues Produkt auf denMarkt gebracht wird. Die Firma, die zuerst ein neues Produkt auf den Markt bringt,hat aus zwei Grunden einen Vorteil gegenuber den Konkurrenzfirmen:

1. Die innovierende Firma, kann ein Patent auf das Produkt erwerben, das ihr furdie Patentlaufzeit die Moglichkeit gibt, einen Monopolgewinn zu erzielen.

2. Die innovierende Firma wird von den Konsumenten als Produzent hoherer Qualitatbewertet, so dass sie bereit sind, einen hoheren Preis fur die Marke des Innovatorszu zahlen.

Aus diesem Grund investieren viele Firmen große Summen in Forschung und Entwicklungmit dem Ziel, neue Produkte auf den Markt bringen zu konnen. Dabei nehmen wir in derRegel an, dass der Wert der Entdeckung eines neuen Produkts darin liegt, ein Patent zuerhalten. Es geht also darum, welche Firma zuerst eine patentfahige Entdeckung macht.Daher spricht man bei diesen Modellen von auch von Patentrennen.Naturlich stellt sich Frage, ob in einem Patentrennen aus gesellschaftlicher Sicht zu vieloder zu wenig in F & E investiert wird.Betrachten wir eine Industrie mit zwei Firmen k = 1, 2, die eine neue Technologie zurHerstellung eines neuen Produktes suchen. Der Erfolg von F & E zur Entdeckung derTechnologie ist aber unsicher. Jede Firma k, hat die Moglichkeit, einen Betrag I in einForschungslabor investieren. Tut sie dies, so hat sie mit der Wahrscheinlichkeit α Erfolg,d. h., mit dieser Wahrscheinlichkeit kann sie das neue Produkt auf den Markt bringen.Der resultierende Gewinn eines Erfolgs der F & E Investition hangt davon ab, ob dieFirma allein erfolgreich ist oder ob die andere ebenfalls die Technologie entdeckt. Alsalleinige Anbieterin des neuen Produkts macht eine Firma einen Gewinn von V , ent-decken beide Firmen die neue Technologie, macht sie nur noch den halben Gewinn, alsoV/2. Im Falle des Scheiterns ist die Situation hingegen eindeutig: Der Gewinn der Firmaist dann 0.

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3 Forschung und Entwicklung

Der erwartete Gewinn der Firma k aus einer Investition I hangt damit davon ab, wieviele Firmen in F & E investieren. Wir bezeichnen diese Zahl mit n (hier kann n dieWerte 1 oder 2 annehmen) und schreiben den erwarteten Gewinn als Eπk(n). Die Inve-stitionsausgaben der Firma k werden durch ik ∈ {0, I} bezeichnet.Wir analysieren zunachst, unter welchen Bedingungen Investitionen in F & E getatigtwerden, wenn dies nur eine firma oder wenn dies zwei Firmen tun, um dann das sozialoptimale Niveau der F & E Investitionen zu bestimmen.

F & E einer einzelnen Firma

Wenn nur Firma 1 in F & E investiert, dann wird sie mit Wahrscheinlichkeit α erfolgreichsein und einen Gewinn von (V − I) machen; mit der Restwahrscheinlichkeit wird sie dieEntdeckung nicht machen und den Verlust −I realisieren. Der erwartete Gewinn ist alsoEπ1(1) = α V − I.Setzt man den erwarteten Gewinn gleich 0, erhalt man den Schwellenwert fur die Inve-stitionsentscheidung von Firma 1. Es gilt

(3.1) i1 =

{

I falls α V ≥ I0 sonst

F & E zweier Firmen

Wenn sich zwei Firmen an einem Patentrennen beteiligen, dann ergeben sich zwei Artender Unsicherheit fur jede der beiden Firmen: Zum einen ist es die technologischeUnsicherheit, ob sie selbst das Produkt erfolgreich entwickelt oder nicht; zum anderenist es die Marktunsicherheit, ob das Produkt von der Konkurrenzfirma entdeckt wird.Wenn beide Firmen F & E betreiben, dann ist der erwartete Gewinn der Firma k gegebendurch

Eπk(2) = α (1 − α) V + α2 V/2 − I.

Setzt man diesen Ausdruck gleich 0, ergibt sich der Schwellenwert dafur, dass beideFirmen F & E betreiben. Es gilt

(3.2) i1 = i2 = I wennα (2 − α) V

2≥ I.

Das gesellschaftlich optimal Niveau von Forschung und Entwicklung

Im folgenden wird untersucht, welches die Zahl von Firmen die in F & E investieren ist,die die soziale Wohlfahrt maximiert. Im allgemeinen kann man nicht erwarten, dass dieoben entwickelten individuellen Entscheidungen der Firmen, sozial optimal sind. DerGrund besteht darin, dass die Forschung einer Firma eine negative Externalitat auf dieandere Firma ausubt, so dass zu erwarten ware, dass zwei Firmen tendenziell zu viel inF & E investieren werden.

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3.2 Patentrennen

Vom Standpunkt der gesellschaftlichen Wohlfahrt betrachtet, erhoht zwar die Zahl for-schender Firmen die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung eines neuen Produktes, fuhrtaber auch zu einer Erhohung der aggregierten F & E Ausgaben aufgrund einer Duplizie-rung der Forschungsaktivitaten.Die Wohlfahrt der Gesellschaft wird mit der Summe der erwarteten Gewinne beiderFirmen assoziiert und mit EπS(n) bezeichnet; n = 1, 2 ist dabei wieder die Zahl derFirmen, die F & E betreiben.Wenn nur Firma 1 F & E betreibt (n = 1), dann gilt

(3.3) EπS(1) = α V − I = Eπ1(1).

Wenn also nur eine Firma forscht, dann ist der erwartete soziale Gewinn aus F & E gleichdem erwarteten Gewinn dieser Firma.Wenn zwei Firmen forschen (n = 2), dann gilt

EπS(2) = Eπ1(2) + Eπ2(2) = 2α (1 − α) V + α2 V − 2 I.

Sozial optimal ist F & E von zwei Firmen dann, wenn der dadurch zu erwartende Gewinnpositiv ist und mindestens so hoch wie der bei F & E von nur einer Firma. Es gilt

(3.4) EπS(2) ≥ EπS(1) ⇐⇒ α (1 − α) V ≥ I.

In diesem Falle ist, wie wir aus den Gleichungen (3.3) und (3.1) wissen, EπS(1) ≥ 0,F & E durch zwei Firmen also sozial optimal.Die in den Gleichungen (3.1), (3.2), (3.3) und (3.4) angegebenen Bedingungen kann mangrafisch wie folgt darstellen.

α

I

Eπ1(1) = EπS(1) = 0

Eπk(2) = 0

EπS(1) = EπS(2)

I

II

III

IV

In der Grafik kann man die folgenden vier Bereiche unterscheiden:

Bereich I Hohe Innovationskosten – geringe Erfolgswahrscheinlichkeit oberhalb des Strahlsmit Eπ1(1) = 0: Selbst fur eine Firma ist es nicht profitabel in F & E zu investieren.In diesem Fall ist es auch fur die Gesellschaft nicht lohnend, F & E zu betreiben.

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3 Forschung und Entwicklung

Bereich II Kosten und Erfolgswahrscheinlichkeit liegen unterhalb der Kurve Eπ1(1) = 0und der Kurve Eπk(2) = 0: Fur eine Firma lohnt es sich zu forschen, nicht jedochfur zwei Firmen. Auch in diesem Bereich stimmen die individuellen Entscheidungenmit den Interessen der Gesellschaft uberein.

Bereich III Kosten und Erfolgswahrscheinlichkeit liegen unterhalb der Kurve Eπk(2) =0 aber oberhalb der Kurve EπS(1) = EπS(2): In diesem Bereich ist es fur beideFirmen interessant in F & E zu investieren. Allerdings ist vom Standpunkt dergesellschaftlichen Wohlfahrt die Verdopplung der Forschungskosten (2 I) großer alsder Nutzen der Gesellschaft aus einer erhohten Wahrscheinlichkeit der Entdeckungeines Produktes. In diesem Fall liegt Marktversagen vor.

Bereich IV Kosten und Erfolgswahrscheinlichkeit liegen unterhalb der Kurve EπS(1) =EπS(2): Hier sind die Kosten so gering, dass es sowohl vom Standpunkt der Gesell-schaft als auch aus Sicht der Firmen sinnvoll ist, dass zwei Firmen F & E betreiben.

Theorem 10 Ein Marktversagen, eine Situation in der es sozial optimal ware, dassnur eine Firma F& E betreibt, aber im Gleichgewicht zwei Firmen forschen, trittnur im Bereich III auf.Hier haben die Innovationskosten I einen mittleren Wert.Formal:

EπS(2) < EπS(1) aber Eπk(2) > 0.

Dies ist der Fall, wenn

α (1 − α) V < I < α V.

3.3 Patente

(vgl. Oz Shy, Abschnitt 9.4, S. 233 ff.)Die Dauer eines Patents ist in verschiedenen Landern unterschiedlich lang; so betragtsie z. B. in den USA 17 Jahre, in Deutschland ist sie 20 Jahre und in Großbritannien 14.Warum gibt es diese Unterschiede und was ist die optimale Dauer eines Patents?

Ein zentraler Aspekt der Patentlaufzeit ist naturlich der trade–off zwischen dem An-reiz, fur eine Unternehmung die effiziente Forschungsaktivitat zu entfalten, da es durchein Patent fur einen bestimmten Zeitraum hohere Gewinne erwirtschaften kann, unddem Nutzen, der den Konsumenten zuwachst, wenn das Patent endet und Wettbewerbeinsetzt. Dies soll anhand eines einfachen Modells diskutiert werden.Betrachten wir eine Wettbewerbsindustrie, in der jede Firma eine nicht drastische Inno-vation anstrebt. Die Grenzkosten jeder Firma betragen vor der Innovation c. Wenn eineFirma F & E mit einer bestimmten Intensitat x betreibt, dann erhofft sie, diese Kosten

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3.3 Patente

auf c − x senken zu konnen. Diese F & E Aktivitaten verursachen Kosten in Hohe vonr(x) mit r′(x) > 0 und r′′(x) > 0.Vor der Innovation entspricht der Marktpreis bei Preiswettbewerb den Grenzkosten c.Der gleichgewichtige Output sei durch Y (c) gegeben.Eine Firma, die die Innovation durchfuhrt senkt die Grenzkosten auf c−x und kann alleanderen Firmen vom Markt verdrangen, indem sie das Produkt etwas billiger verkauftals ihre Konkurrenten. Sie konnte auch eine Lizenz vergeben, fur die die Konkurrenteneine Gebuhr von c−x pro Einheit zahlen mussten. In jedem Fall bleiben der Marktpreisund die Menge unverandert. Die innovierende Firma wird jedoch einen positiven Ge-winn erzielen. Wenn das Patent T Jahre gilt, dann kann sie diesen Gewinn fur T Jahresicherstellen.Wenn jedoch die Patentlaufzeit endet, werden alle Firmen Zugang zu der neuen Techno-logie haben, der Preiswettbewerb wird den Marktpreis auf c−x senken, und der Outputwird auf Y (c − x) steigen. Der Gewinn der innovierenden Firma wird auf die Konsu-menten als Konsumentenrente umverteilt; daruber hinaus wird durch die hohere Mengezusatzliche Konsumentenrente generiert.(vgl. Oz Shy, Abschnitt 9.4.1, S. 236 f.)Je langer die Patentlaufzeit ist, desto langer kann die innovierende Firma ihren erhohtenGewinn realisieren und desto großer ist daher auch ihr Anreiz, in F & E zu investieren.Wir wollen den Gegenwartswert des Profits berechnen, den eine Firma, die F & E mitder Intensitat x betreibt, uber die T Perioden der Patentlaufzeit erzielt; diesen werdenwir mit πM(x, T ) bezeichnet.Zunachst ist klar, dass der Gewinn wahrend der Patentlaufzeit pro Periode gerade[c − (c − x)] Y (c) = xY (c) betragt. Der Diskontfaktor ist , mit 0 < < 1. Dannerhalten wir

πM(x, T ) =T∑

t=1

[

t−1 xY (c)]

− r(x)

=1 − T

1 − x Y (c) − r(x).

Fur jede vorgegebene Patentlaufzeit wird eine Firma Innovationsaktivitaten in Hohe vonx∗(T ) so wahlen, dass dieser Ausdruck maximiert wird. Im Optimum ist der zusatzlichediskontierte Gewinn genauso groß wie die Grenzkosten der Forschung.Naturlich wird ein Patentamt den Zusammenhang zwischen Laufzeit des Patentes undder Hohe der Forschungsaktivitaten bei einer Entscheidung uber die Laufzeit mit beruck-sichtigen. Um nun eine optimale Wahl von T treffen zu konnen, muss das Patentamtdiejenige Laufzeit wahlen, die die volkswirtschaftliche Rente (also Konsumenten- undProduzentenrente) maximiert.Dabei sei die Zunahme an Konsumentenrente, ab der Periode realisiert wird, in der dieLaufzeit des Patents endet, durch CS(x) bezeichnet. Der Gegenwartswert der Zunahmean Konsumentenrente ist dann gegeben durch:

CS(x, T ) =∞∑

t=T+1

t−1 CS(x) =T

1 − CS(x).

73

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3 Forschung und Entwicklung

Der Gegenwartswert der gesamten zusatzlichen volkswirtschaftlichen Rente aufgrundeiner Innovation betragt daher

W (x∗(T ), T ) = πM (x∗(T ), T ) + CS (x∗(T ), T ) − r (x∗(T )) .

Daraus die optimale Patentlaufzeit T ∗ zu ermitteln, ist nicht einfach, aber man kannintuitiv zeigen, dass sie endlich ist.Die Argumentation ist die folgende: Wenn die Patentlaufzeit Null betragt, dann sinddie Ertrage fur innovierende Firmen Null, da jede Innovation sofort imitiert wird. Daherwird es keine F & E geben und die volkswirtschaftliche Rente andert sich nicht. Wennwir die Patentlaufzeit nun auf einen Wert T > 0 setzen, dann fuhrt das zu F & E unddamit zu einer Zunahme an volkswirtschaftlicher Rente.Ab einer bestimmten Laufzeit wird eine weitere Erhohung von T jedoch trotz erhohterF & E Aktivitat und daraus resultierender Senkungen der Produktionskosten zu einerVerringerung der volkswirtschaftlichen Rente fuhren. Zum einen liegt dies an den zuneh-menden Grenzkosten fur F & E: Um eine zusatzliche Kostenersparnis zu realisieren mussdie Laufzeit daher uberproportional erhoht werden. Zum anderen an der Diskontierungzukunftiger Ertrage: Der Zuwachs an Konsumentenrente wird erst realisiert, wenn dieLaufzeit des Patents beendet ist. Wenn also T sehr groß ist, dann ist der Gegenwartswertder zusatzlichen Konsumentenrente sehr gering.Dies ist insofern ein wichtiges Ergebnis, als bisweilen der Vorschlag gemacht wird, dassein Patentschutz eine unbegrenzte Laufzeit haben sollte. Dies wurde jedoch nur dieGewinne der innovierenden Firma nicht aber die zusatzliche Konsumentenrente beruck-sichtigen.

3.4 Forschungskooperationen

(vgl. Pepall, Richards und Norman, Abschnitt 11.6, S. 627 ff.)Im Abschnitt uber Patentrennen hatten wir gesehen, dass es unter bestimmten Umstan-den zu einer ineffizient großen Investition in F & E kommen kann. Es stellt sich daherdie Frage ob die Firmen nicht durch Forschungskooperationen eine solche Doppelinvesti-tion vermeiden konnen. Dass solche Kooperationen zwischen Firmen haufig vorkommen,ergibt sich auch aus mehreren empirischen Untersuchungen.Zur Analyse dieser Frage betrachten wir ein einfaches Cournot–Duopol in dem unter-stellt wird, dass es zwischen den Firmen technologische

’spillovers‘ gibt, d. h. es wird

angenommen, dass die Forschungsergebnisse einer Firma eine positive Auswirkung aufdie andere Firma haben. Es werden die folgenden drei Fragen untersucht:

1. Welche Auswirkung hat das Ausmaß von’spillovers‘ auf die Anreize der Firmen,

in F & E zu investieren?

2. Welchen Einfluss haben die’spillovers‘ auf die okonomischen Auswirkungen von

F & E Investitionen?

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3.4 Forschungskooperationen

3. Welche Wirkungen wurden von verschiedenen Formen der Zusammenarbeit derFirmen im Bereich der F & E zu erwarten sein, z. B. in Form einer Forschungsko-operation oder eines Research Joint Ventures?

Wir modellieren die Nachfrageseite des Modells wie ublich mittels einer linearen Preis–Absatz–Funktion

p(Y ) = a − b Y.

Es gibt zwei Firmen i = 1, 2, die das Gut mit konstanten Grenzkosten c herstellen. DurchInvestitionen in F & E kann eine Firma Prozessinnovation erzielen, die diese Kostensenken.Eine derartige Innovation hat allerdings auch positive Auswirkungen auf die andere Fir-ma, d. h. wir nehmen an, dass die Forschungsergebnisse einer Firma (durch Zufall, Indu-striespionage, Zwischenergebnisse etc.) auch der anderen wenigstens zum Teil bekanntwerden.Die Kostenfunktionen der beiden Firmen in Abhangigkeit von ihren F & E Intensitatenx1 und x2 sind

c1 (x1, x2) = c − x1 − β x2

und c2 (x1, x2) = c − x2 − β x1

Dabei nehmen wir an, dass 0 < β < 1, d. h., es existieren partielle’spillovers‘.

Die Kosten fur F & E mit Intensitat x sind gegeben durch die konvexe Kostenfunktion

r(x) =x2

2.

Zuerst untersuchen wir, welche Ergebnisse sich ohne Forschungskooperation einstellen.Dazu betrachten wir ein zweistufiges Spiel. In der ersten Stufe wahlen die Firmen ihreForschungsintensitat xi, in der zweiten Stufe wahlen sie ihren Output in einem Cournot–Spiel. Die Ergebnisse der zweiten Stufe sind die ublichen Cournot–Mengen (vgl. S. 130Skript IO I):

yC1 (c1, c2) =

a − 2 c1 + c2

3 b

und yC2 (c1, c2) =

a − 2 c2 + c1

3 b.

Die Gewinne der beiden Firmen sind

πC1 (c1, c2) =

(a − 2 c1 + c2)2

9 b− r(x1)

und πC2 (c1, c2) =

(a − 2 c2 + c1)2

9 b− r(x2).

Durch Einsetzen der Kostenfunktionen

ci(x1, x2) = c − xi − βxj

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3 Forschung und Entwicklung

konnen die Produktionsmengen als Funktionen der Forschungsinvestitionen x1 und x2

geschrieben werden.Die resultierenden Cournot–Mengen sind dann

yC1 (x1, x2) =

a − c + x1 (2 − β) + x2 (2 β − 1)

3 b

und yC2 (x1, x2) =

a − c + x2 (2 − β) + x1 (2 β − 1)

3 b.

Auch die Gewinne in der zweiten Stufe konnen als Funktionen von x1 und x2 geschriebenwerden, wobei wir noch r(x) = x2

2einsetzen. Sie sind

πC1 (x1, x2) =

[

a − c + x1 (2 − β) + x2 (2 β − 1)]2

9 b− x2

1

2

und

πC2 (x1, x2) =

[

a − c + x2 (2 − β) + x1 (2 β − 1)]2

9 b− x2

2

2.

Wie zu erwarten war, nimmt der Output einer Firma in den eigenen Forschungsinvesti-tionen zu.Die Forschungsaktivitaten der anderen Firma bewirken prinzipiell zwei gegenlaufige Ef-fekte: Zum einen gibt es

’spillovers‘, die die eigenen Kosten senken und dadurch die

Ausbringungsmenge im Cournot–Gleichgewicht erhohen, zum anderen gibt es den di-rekten Effekt, dass die andere Firma effizienter wird, was die eigene Menge im Cournot–Gleichgewicht senkt. Welcher Effekt uberwiegt, hangt davon ab, ob β großer oder kleinerals 0,5 ist. Wenn β > 0,5 ist, dann uberwiegt der erste, andernfalls der zweite Effekt.Jede Firma wird ihre Forschungsinvestition so wahlen, dass sie, gegeben das Forschungs-niveau der anderen Firma, ihren Gewinn maximieren. Wir mussen also die Reaktions-funktionen bezuglich der Forschungsaktivitaten herleiten, um sie dann gleich zu setzen.Die Bedingungen erster Ordnung lauten

∂πCi

∂xi

(x1, x2)

=2 (2 − β)

[

a − c + xi (2 − β) + xj (2 β − 1)]

9 b− xi = 0.

Die Reaktionsfunktionen der beiden Firmen sind dann

x1(x2) =2 (2 − β)

[

a − c + x2 (2 β − 1)]

(9 b − 2 (2 − β)2)

und x2(x1) =2 (2 − β)

[

a − c + x1 (2 β − 1)]

(9 b − 2 (2 − β)2).

In einem symmetrischen Cournot–Nash Gleichgewicht gilt xC1 = xC

2 = xC . Einsetzen indie obigen Reaktionsfunktionen ergibt

xC1 = xC

2 = xC =2 (a − c) (2 − β)

9 b − 2 (2 − β) (1 + β)

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3.4 Forschungskooperationen

Setzt man diese Werte in die Gleichungen fur den Output und den Gewinn ein, so erhaltman.

yC1 = yC

2 = yC =3 (a − c)

9 b − 2 (2 − β) (1 + β)

und

πC1 = πC

2 = πC =(a − c)2 (9 b − 2 (2 − β)2)[

9 b − 2 (2 − β) (1 + β)]2

Man beachte, dass die Steigung der Reaktionsfunktionen davon abhangt, ob die’spill-

overs‘ hoch oder niedrig sind.Im ersten Fall sind die Forschungsaktivitaten strategische Komplemente, d. h., dieReaktionsfunktionen haben eine positive Steigung. In diesem Fall fuhrt eine Erhohungder Forschungsinvestitionen einer Firma dazu, dass durch den hohen

’spillover‘ der Ge-

winn der anderen Firma erhoht wird und diese dadurch Anreize und finanzielle Mittelerhalt, ebenfalls ihre F & E Investitionen zu erhohen.Sind die

’spillovers‘ jedoch gering, dann sind die Forschungsinvestitionen strategische

Substitute und die Reaktionsfunktionen haben einen fallenden Verlauf. In diesem Fallfuhren erhohte Forschungsinvestitionen einer Firma zu einem Wettbewerbsvorteil undeinem verringerten Gewinn fur die Konkurrentin, die daraufhin mit einer Reduktionihrer F & E Investitionen reagiert.Betrachten wir zur Illustration ein numerisches Beispiel mit p(Y ) = 100 − 2 Y undc = 60. Die Firmen konnen zwischen hoher Forschungsinvestition xi = 10 oder geringerForschungsinvestition xi = 7, 5 wahlen. Die

’spillovers‘ sind entweder β = 1/4 oder

β = 3/4.Betrachten wir zuerst den Fall mit geringen

’spillovers‘, also β = 1/4.

Wenn Firma 2 hohe Forschungsinvestitionen wahlt und Firma 1 ebenfalls, ergibt sich

yC1 (10, 10) =

40 + 17,5 − 5

6= 8,75.

und πC1 (10, 10) =

(40 + 17,5 − 5)2

18− 100

2= 103,13.

Antwortet Firma 1 jedoch mit geringen Forschungsinvestitionen, fuhrt das zu

yC1 (7,5, 10) =

40 + 13,125 − 5

6= 8,02.

und πC1 (7,5, 10) =

(40 + 13,125 − 5)2

18− 56,25

2= 100,54.

Wahlt Firma 2 jedoch niedrige Forschungsinvestitionen, dann erhalten wir fur die beidenmoglichen Niveaus von x1

yC1 (10, 7,5) =

40 + 17,5 − 3,75

6= 8,96.

und πC1 (10, 7,5) =

(40 + 17,5 − 3,75)2

18− 100

2= 110,50.

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3 Forschung und Entwicklung

bzw.

yC1 (7,5, 7,5) =

40 + 13,125 − 3,75

6= 8,23.

und πC1 (7,5, 7,5) =

(40 + 13,125 − 3,75)2

18− 56,25

2= 107,31.

Analog ergeben sich die entsprechenden symmetrischen Resultate fur Firma 2.Tragt man die Gewinne in eine Auszahlungsmatrix ein, in der jeweils zuerst die Auszah-lung der Firma 1, die die Zeilenspielerin ist, und als zweites die Auszahlung der Firma2, der Spaltenspielerin, angegeben ist, ergibt sich

x2 = 7,5 x2 = 10x1 = 7,5 107,31;107,31 100,54;110,50x1 = 10 110,50;100,54 103,13*;103,13*

Analog erhalt man fur hohe’spillovers‘, also fur β = 3/4, die Auszahlungsmatrix

x2 = 7,5 x2 = 10x1 = 7,5 128,67*;128,67* 136,13;125,78x1 = 10 125,78;136,13 133,68;133,68

In beiden Auszahlungsmatrizen haben wir das Nash Gleichgewicht markiert.Das Nash Gleichgewicht im Fall geringer

’spillovers‘ fuhrt dazu, dass beide Firmen eine

hohe Forschungsinvestition wahlen. Die Auszahlungsmatrix entspricht der eines Gefan-genendilemmas, denn beide Firmen konnten sich verbessern, wenn beide niedrige F & EAusgaben wahlen wurden.Intuitiv fuhren geringe

’spillovers‘ dazu, dass beide Firmen ubermaßig aggressive F & E

betreiben, da sie sich jeweils einen Wettbewerbsvorteil von der Kostenreduktion verspre-chen, an der ihr Konkurrentin kaum partizipiert.Im Falle hoher

’spillovers‘ wahlen beide Firmen im Nash Gleichgewicht geringe F & E

Ausgaben. Auch hier entspricht aber die Auszahlungsmatrix der eines Gefangenendilem-mas; diesmal ware die Pareto–Verbesserung die gemeinsame Wahl hoher F & E Ausga-ben.Die Intuition hinter diesem Ergebnis ahnelt der, die wir aus der Problematik der Bereit-stellung offentlicher Guter kennen: Hohe

’spillovers‘ machen F & E Ergebnisse zu quasi

offentlichen Gutern. Daher reduzieren sich die Anreize selbst F & E zu betreiben. BeideFirmen mochten als Trittbrettfahrer von der F & E der jeweils anderen profitieren, waszu insgesamt zu niedrigen F & E Investitionen fuhrt.Im folgenden werden zwei Arrangements untersucht, wie die beiden Duopolisten dieseErgebnisse andern konnen.Zuerst betrachten wir eine Forschungskooperation, in der die beiden Firmen ihre For-schungsaktivitaten so koordinieren, dass sie ihren Gesamtgewinn maximieren, .. h., sie

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3.4 Forschungskooperationen

internalisieren die externen Effekte durch die’spillovers‘. Dabei bleiben sie auf dem

Produktmarkt weiterhin Konkurrentinnen.Im Anschluss daran untersuchen wir den Fall, in dem die beiden Firmen ein gemeinsamesForschungslabor errichten. Auch in diesem Fall werden x1 und x2 kooperativ gewahlt;der Unterschied besteht darin, dass zusatzlich der

’spillover‘ β gleich 1 gesetzt wird,

d. h., alle Forschungsergebnisse werden beiden Firmen im vollen Umfang zuganglich.(vgl. Pepall, Richards und Norman, S. 636)Aus den oben abgeleiteten Ausdrucken fur die Gewinne der beiden Firmen ergibt sichder Gesamtgewinn als:

π1 + π2 =[a − c + x1 (2 − β) + x2 (2 β − 1)]2

9 b− x2

1

2+

[a − c + x2 (2 − β) + x1 (2 β − 1)]2

9 b− x2

2

2.

Ableiten nach x1 ergibt

∂ (π1 + π2)

∂x1

=2 (2 − β) [a − c + x1 (2 − β) + x2 (2 β − 1)]

9 b− x1

+2 (2 β − 1) [a − c + x2 (2 − β) + x1 (2 β − 1)]

9 b= 0.

Ein analoges Ergebnis folgt fur die Ableitung nach x2. Setzt man x1 = x2 = xFK

(Forschungskartell), dann vereinfacht sich diese Bedingung zu

2 (1 + β)[

a − c + xFK (1 + β)]

− 9 b xFK

9 b= 0.

Im Gleichgewicht gilt also

xFK1 = xFK

2 = xFK =2 (a − c) (1 + β)

9 b − 2 (1 + β)2.

Dieser Ausdruck ist zunehmend in β.Die gleichgewichtigen Outputmengen und Gewinne sind

yFK1 = yFK

2 = yFK =3 (a − c)

9 b − 2 (1 + β)2

und πFK1 = πFK

2 = πFK =(a − c)2

9 b − 2 (1 + β)2.

Die Moglichkeit, durch eine Koordination der Forschungsaktivitaten die externen Ef-fekte der Forschungsinvestitionen zu internalisieren, fuhrt dazu, dass der Gewinn beiKoordination immer mindestens so hoch ist, wie bei nichtkooperativem Verhalten. Al-lerdings sind Forschungskooperationen nicht immer vorteilhaft fur die Konsumenten.

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3 Forschung und Entwicklung

Wenn die’spillovers‘ gering sind, dann werden im nichtkooperativen Gleichgewicht große

Forschungsaktivitaten unternommen, die zu Kostensenkungen, einem großeren Outputund damit zu geringeren Preisen fuhren. Bei einer Koordination werden die Unterneh-men geringere Forschungsinvestitionen tatigen, um ihren Gewinn zu erhohen, so dass diebeschriebenen positiven Effekte geringer ausfallen.Sind die

’spillovers‘ jedoch groß, dann profitieren sowohl die Firmen als auch die Konsu-

menten von einer Koordination der Forschungsaktivitaten. Die in diesem Fall auftreten-den positiven externen Effekte von Forschungsinvestitionen werden internalisiert, und eswird insgesamt mehr in F & E investiert. Dies fuhrt zu Kostensenkungen, einem großerenOutput und geringeren Preisen.(vgl. Pepall, Richards und Norman, S. 638)Der Fall, dass die beiden Firmen ein gemeinsames Forschungslabor einrivchten, fuhrt zummaximalen Nutzen fur die Firmen und die Konsumenten. Dies sieht man unmittelbar,wenn man in den obigen Gleichungen β = 1 setzt.Die Forschungsinvestitionen xgL

i (gemeinsames Labor) sind dann

xgL1 = xgL

2 = xgL =4 (a − c)

9 b − 8.

Die gleichgewichtigen Outputmengen ygLi und Gewinne πgL

i sind

ygL1 = ygL

2 = ygL =3 (a − c)

9 b − 8

und πgL1 = πgL

2 = πgL =(a − c)2

9 b − 8.

Indem die positiven externen Effekte durch β = 1 maximiert werden, wird gleichzeitig derNutzen aus einer Forschungsinvestition maximiert. Aufgrund des gemeinsamen Laborswerden diese externen Effekte internalisiert, d. h., die effiziente Menge an Investitionenwird gewahlt.Die Schlussfolgerung fur die Wettbewerbspoliktik ist klar: Gemeinsame Forschungsak-tivitaten zwischen den Firmen sollten zugelassen wenn nicht sogar gefordert werden.Allerdings ist zu berucksichtigen, dass gemeinsame Forschungen der Firmen auch dazufuhren konnen, dass sie sich leichter auf eine Kartellabsprache im Outputmarkt (z. B.Quoten– oder Preiskartell) einigen konnten.

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