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Technische Universit¨ at Ilmenau WS 2018/19 Institut f¨ ur Mathematik Dr. Rita Gerlach Mathematische Grundlagen f¨ ur AMW (1. Fachsemester, 4 SWS: 2V/2 ¨ U) Vorlesungsskript Inhaltsverzeichnis 1 Grundlagen 2 1.1 Mengenbegriff und Operationen ........................ 2 1.2 Zahlenbereiche ................................. 3 1.3 Summen- und Produktschreibweise ...................... 5 2 Lineare Algebra 6 2.1 Lineare Gleichungssysteme ........................... 6 2.2 Vektorrechnung ................................. 9 2.3 Geraden und Ebenen .............................. 12 2.4 Matrizen ..................................... 14 3 Folgen und Reihen 18 3.1 Reelle Zahlenfolgen ............................... 18 3.2 Reihen ...................................... 20 4 Reelle Funktionen 22 4.1 Funktionsbegriff ................................. 22 4.2 Beschr¨ anktheit, Monotonie, Verkettung von Funktionen, Umkehrfunktionen 22 4.3 Elementare Funktionen ............................. 24 4.4 Grenzwert und Stetigkeit einer Funktion ................... 27 5 Differentialrechnung 31 5.1 Differenzierbarkeit und Ableitung einer Funktion ............... 31 5.2 Taylorpolynom ................................. 34 5.3 Regel von Bernoulli und l’Hospital ...................... 35 5.4 Monotonieverhalten, Kr¨ ummungsverhalten, Extremwerte und Wendepunkte einer reellen Funktion .............................. 36 5.5 Kurvendiskussionen und Extremwertaufgaben ................ 38 1

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Technische Universitat Ilmenau WS 2018/19Institut fur MathematikDr. Rita Gerlach

Mathematische Grundlagen fur AMW(1. Fachsemester, 4 SWS: 2V/2U)

Vorlesungsskript

Inhaltsverzeichnis

1 Grundlagen 21.1 Mengenbegriff und Operationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.2 Zahlenbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.3 Summen- und Produktschreibweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

2 Lineare Algebra 62.1 Lineare Gleichungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.2 Vektorrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92.3 Geraden und Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122.4 Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

3 Folgen und Reihen 183.1 Reelle Zahlenfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183.2 Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

4 Reelle Funktionen 224.1 Funktionsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224.2 Beschranktheit, Monotonie, Verkettung von Funktionen, Umkehrfunktionen 224.3 Elementare Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244.4 Grenzwert und Stetigkeit einer Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

5 Differentialrechnung 315.1 Differenzierbarkeit und Ableitung einer Funktion . . . . . . . . . . . . . . . 315.2 Taylorpolynom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345.3 Regel von Bernoulli und l’Hospital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355.4 Monotonieverhalten, Krummungsverhalten, Extremwerte und Wendepunkte

einer reellen Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365.5 Kurvendiskussionen und Extremwertaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . 38

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1 Grundlagen

1.1 Mengenbegriff und Operationen

Definition 1.1 (G. Cantor, 1895)Unter einer Menge A versteht man eine Zusammenfassung von verschiedenen Objekten(unserer Anschauung oder unseres Denkens), den sogenannten Elementen von A.Man schreibt a ∈ A fur ,,a ist Element von A” bzw. a /∈ A fur ,,a ist nicht Element vonA”.

Die Darstellung einer Menge A erfolgt durcha) Aufzahlung der Elemente: A = {a1, a2, ...}

oder durchb) Charakterisierung durch Eigenschaft: A = {x | x hat Eigenschaft E.}

Die Anzahl der Elemente von A heißt Machtigkeit von A und wird mit |A| symbolisiert.Fur eine Menge A mit unendlich vielen Elementen schreibt man |A| =∞.

Definition 1.2 (Mengeninklusion, Identitat)Die Menge A ist Teilmenge der Menge B (A ⊆ B), falls aus x ∈ A folgt x ∈ B.Die Mengen A und B sind gleich (A = B), falls A ⊆ B und B ⊆ A.Die Menge A ist echte Teilmenge der Menge B (A ⊂ B), falls A ⊆ B und A 6= B.

Die Menge ohne Elemente heißt leere Menge und wird durch ∅ symbolisiert. Fur jede MengeA gilt ∅ ⊆ A.

Definition 1.3 (Mengenoperationen)Vereinigung der Mengen A und B: A ∪B = {x | x ∈ A oder x ∈ B}Durchschnitt der Mengen A und B: A ∩B = {x | x ∈ A und x ∈ B}Differenz der Mengen A und B: A \B = {x | x ∈ A und x /∈ B}

Zwei Mengen heißen disjunkt, wenn ihr Durchschnitt leer ist.

Definition 1.4 (Kartesisches Produkt)Produkt der Mengen A und B: A×B = {(a, b) | a ∈ A und b ∈ B}

Das verallgemeinerte kartesische Produkt der Mengen A1, ..., An ist definiert durch:

A1 × ...× An = {(a1, ..., an) | ai ∈ Ai fur i = 1, ..., n}.

Fur das Produkt A1 × ...× An mit A1 = ... = An = A schreibt man An.

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1.2 Zahlenbereiche

Elementare Zahlenbereiche:

Naturliche Zahlen: N = {0, 1, 2, ...}Ganze Zahlen: Z = {...,−2,−1, 0, 1, 2, ...}Rationale Zahlen: Q = {a

b| a, b ∈ Z, b 6= 0}

Die quadratische Gleichung x2 − 2 = 0 hat mit x = ±√

2 keine Losung in Q.√

2 ist eineirrationale Zahl, und die Vereinigung der Menge der rationalen Zahlen mit der Menge derirrationalen Zahlen heißt

Menge der reellen Zahlen und wird mit R

symbolisiert.

Es seien a, b ∈ R reelle Zahlen mit a ≤ b. Dann sind die folgenden reellen Intervalle in denGrenzen von a bis b erklart:

abgeschlossenes Intervall: [a, b] = {x ∈ R | a ≤ x ≤ b}offenes Intervall: (a, b) = {x ∈ R | a < x < b}halboffene Intervalle: (a, b] = {x ∈ R | a < x ≤ b},

[a, b) = {x ∈ R | a ≤ x < b}

Entsprechend sind die Intervalle (a,∞), [a,∞), (−∞, b), (−∞, b] und (−∞,∞) erklart.

er Betrag einer reellen Zahl :Fur x ∈ R ist

|x| =

{x, fur allex ≥ 0,

−x, fur alle x < 0

Der Betrag kann geometrisch als der Abstand zum 0-Punkt auf der reellen Achse betrach-tet werden.Fur alle x ∈ R gilt: |x| ≥ 0.

Einfuhrung komplexer Zahlen:

Die quadratische Gleichung x2 + 1 = 0 hat wegen x2 ≥ 0 in R keine Losung. Die formaleLosung dieser Gleichung mit x = ±

√−1 fuhrt nach L. Euler (1707-1783) zu folgender

Begriffsbildung.

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Definition 1.5√−1 heißt imaginare Einheit und wird durch i symbolisiert.

Es gilt i2 = −1, und fur die Losungen quadratischer Gleichungen erhalt man damit:

x2 + 1 = 0, x = ±i

x2 − 4x+ 13 = 0, x = 2± 3i.

Definition 1.6 Die Darstellung z = x + iy mit x, y ∈ R heißt komplexe Zahl mit demRealteil Re(z) = x und dem Imaginarteil Im(z) = y.

Im Fall z = x (d.h. y = 0) ist z eine reelle Zahl. Und im Fall z = iy (d.h. x = 0) ist z einerein imaginare Zahl.Die Menge der komplexen Zahlen wird mit C symbolisiert, das heißt

C = {z | z = x+ iy mit x, y ∈ R, i2 = −1},

und es gilt damitN ⊂ Z ⊂ Q ⊂ R ⊂ C.

Bemerkung: Komplexe Zahlen wurden zur Losung algebraischer Gleichungen definiertund finden in der Elektrotechnik bei der Beschreibung von Wechselstromkreisen Anwen-dung. Hier wird die imaginare Einheit durch j symbolisiert, i bezeichnet i.a. den elektri-schen Strom.

Komplexe Zahlen kann man in der sogenannten Gaußschen Zahlenebene darstellen.

Der Betrag einer komplexen Zahl :Fur z = x+ iy ∈ C ist

|z| =√x2 + y2

und kann geometrisch in der Gaußschen Zahlenebene als Abstand zum 0-Punkt betrachtetwerden.

Rechnen mit komplexen Zahlen:

Fur 3− 2i, 1 + 4i ∈ C erhalt man zum Beispiel

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(3− 2i) + (1 + 4i) = (3 + 1) + (−2i+ 4i) = 4 + 2i(3− 2i) · (1 + 4i) = (3− 8i2) + (12i− 2i) = 11 + 10i

Allgemein gilt fur Summe und Produkt der komplexen Zahlen z1 = x1+iy1 und z2 = x2+iy2dann

Summe: z1 ± z2 = (x1 ± x2) + i(y1 ± y2)Produkt: z1 · z2 = (x1x2 − y1y2) + i(x1y2 + x2y1)

1.3 Summen- und Produktschreibweise

Es gelten die folgenden Bezeichnungen:

n∑k=1

ak := a1 + a2 + ...+ an

sowie

n∏k=1

ak := a1 · a2 · ... · an.

Fakultat :

Fur n ∈ N definiert man:

n! :=n∏k=1

k = 1 · 2 · ... · n, wobei 0! := 1.

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2 Lineare Algebra

2.1 Lineare Gleichungssysteme

Beispiel A:x1 + 2x2 + 2x3 = 4

2x1 + 5x2 + 3x3 = 7x1 + 3x2 + 3x3 = 5

Definition 2.1 Ein lineares Gleichungssystem (kurz LGS) mit m Gleichungen und n Un-bekannten x1, x2, ..., xn ist gegeben durch

a11x1 + a12x2 + ...+ a1nxn = b1a21x1 + a22x2 + ...+ a2nxn = b2

. . .am1x1 + am2x2 + ...+ amnxn = bm

Dabei heißen die reellen (oder komplexen) aij Koeffizienten und die reellen (oder komple-xen) bi Absolutglieder.Im Fall bi = 0, i = 1, ...,m heißt das LGS homogen und andernfalls inhomogen.

Aquivalente Umformungen: Die Losungsmenge L eines LGS andert sich nicht bei derAnwendung folgender Operationen.

a) Vertauschen zweier Gleichungen des LGS.b) Multiplikation einer Gleichung des LGS mit einer

reellen Zahl 6= 0.c) Addition eines Vielfachen einer Gleichung des LGS zu einer anderen Gleichung.

Das als Gauß-Jordan-Algorithmus bezeichnete Verfahren nutzt aquivalente Umformun-gen zur Uberfuhrung eines gegebenen LGS in ein vereinfachtes aquivalentes LGS , dessenLosbarkeit sofort feststellbar ist und dessen Losungsmenge einfach abzulesen ist.

Demonstration des Gauß-Jordan-Algorithmus an obigem Beispiel A:

x1 + 2x2 + 2x3 = 42x1 + 5x2 + 3x3 = 7x1 + 3x2 + 3x3 = 5

x1 + 2x2 + 2x3 = 4x2 − x3 = -1x2 + x3 = 1

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x1 + 2x2 + 2x3 = 4x2 − x3 = -1

2x3 = 2

Nun lasst sich die Losungsmenge L bestimmen:3. Gleichung: x3 = 12. Gleichung: x2 = x3 − 1 = 1− 1 = 01. Gleichung: x1 = 4− 2x2 − 2x3 = 4− 2 = 2

L =

x1

x2x3

=

2

01

Nach Anwendung des sogenannten erweiterten Gauß-Jordan-Algorithmus liest man dieLosung direkt ab:

x1 x2 x3 r.S.1 2 2 40 1 -1 -10 0 2 21 2 0 20 2 0 00 0 2 21 0 0 20 2 0 00 0 2 21 0 0 20 1 0 00 0 1 1

Das LGS aus Beispiel A besitzt genau eine Losung.

Beispiel B:x1 + 2x2 + 2x3 = 4

2x1 + 5x2 + 3x3 = 7−x1 − 3x2 − x3 = -3

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x1 x2 x3 r.S.1 2 2 42 5 3 7

-1 -3 -1 -31 2 2 40 1 -1 -10 -1 1 11 2 2 40 1 -1 -10 0 0 0

L =

x1

x2x3

=

−4s+ 6

s− 1s

, s ∈ R

=

s −4

11

+

6−10

, s ∈ R

Das LGS aus Beispiel B besitzt unendlich viele Losungen.

Beispiel C:x1 + 2x2 + 2x3 = 4

2x1 + 5x2 + 3x3 = 7−x1 − 3x2 − x3 = 2

x1 x2 x3 r.S.1 2 2 42 5 3 7

-1 -3 -1 21 2 2 40 1 -1 -10 -1 1 61 2 2 40 1 -1 -10 0 0 5

Die Anwendung des Gauß-Jordan-Algorithmus fuhrt zu einem Widerspruch. Das LGS ausBeispiel C hat keine Losung, L = ∅.

Ein LGS besitzt genau eine, unendlich viele oder keine Losung.

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2.2 Vektorrechnung

Definition 2.2 Unter einem n-dimensionalen (reellen) Vektor ~a mit n ∈ N versteht manein n-Tupel

~a =

a1a2...an

mit ai ∈ R fur i = 1, 2, ..., n. ai ist die i-te Komponente des Vektors ~a.

Rn bezeichne die Menge der n-dimensionalen Vektoren, das heißt es ist

Rn = {~a =

a1a2...an

| ai ∈ R fur i = 1, 2, ..., n}.

Bemerkung: Fur n = 2 und 3 lassen sich Vektoren im 2-dimensionalen bzw. 3-dimensionalenkartesischen Koordinatensystem veranschaulichen.

Definition 2.3 (Vektoroperationen)

Gegeben seien Vektoren ~a,~b ∈ Rn und ein skalarer Wert λ ∈ R. Es sind folgende Opera-tionen erklart.

Summe von Vektoren: ~a+~b =

a1...an

+

b1...bn

=

a1 + b1...

an + bn

Produkt mit einem Skalar: λ · ~a = λ ·

a1...an

=

λ · a1...λ · an

Rechenregeln: Fur beliebige Vektoren ~a,~b,~c ∈ Rn und beliebige reelle Zahlen λ, µ ∈ Rgilt

a) ~a+ (~b+ ~c) = (~a+~b) + ~c (Assoziativitat)

b) ~a+~b = ~b+ ~a (Kommutativitat)

c) λ(~a+~b) = λ~a+ λ~b

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d) (λ+ µ)~a = λ~a+ µ~a

e) (λ · µ)~a = λ(µ~a)

Spezielle Vektoren:

Nullvektor ~0: Vektor, dessen samtliche Komponenten den Wert Null haben.i-ter Einheitsvektor ~ei: Vektor, dessen i-te Komponente gleich Eins ist und dessen

andere Komponenten alle den Wert Null haben.

Definition 2.4 Sind ~a1, ...,~am ∈ Rn Vektoren und α1, ..., αm ∈ R reelle Zahlen, dann heißtder Vektor ~a ∈ Rn mit

~a = α1 · ~a1 + ...+ αm · ~ameine Linearkombination der m Vektoren ~a1, ...,~am.

Definition 2.5 Die Vektoren ~a1, ...,~am ∈ Rn mit m ≥ 1 heißen linear abhangig, wenn esZahlen α1, ..., αm ∈ R gibt, die nicht alle gleich Null sind und die Linearkombination

α1 · ~a1 + ...+ αm · ~am = ~0

erfullen. Gilt die Gleichung hingegen nur fur α1 = ... = αm = 0, dann heißen die Vektoren~a1, ...,~am linear unabhangig.

Bemerkung:

1) Der Nullvektor ist linear abhangig.

2) Die n Einheitsvektoren des Rn sind linear unabhangig und jeder Vektor des Rn isteine Linearkombination der Einheitsvektoren.

3) Je m > n Vektoren des Rn sind linear abhangig.

4) Eine Menge von n linear unabhangigen Vektoren im Rn heißt Basis des Rn.

5) Zwei vom Nullvektor verschiedene Vektoren im Rn sind genau dann linear abhangig,wenn der eine sich als Vielfaches des anderen darstellen lasst, d.h. sie liegen parallel.

Definition 2.6 Das Skalarprodukt zweier n-dimensionaler Vektoren ~a und ~b ist definiertdurch

~a ◦~b =

a1...an

◦b1...bn

= a1 · b1 + ...+ an · bn.

Im Fall ~a ◦~b = 0 nennt man die Vektoren ~a und ~b orthogonal.

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Rechenregeln: Fur beliebige Vektoren ~a,~b,~c ∈ Rn und beliebiges λ ∈ R gilt

1) ~a ◦~b = ~b ◦ ~a

2) ~a ◦ (~b+ ~c) = ~a ◦~b+ ~a ◦ ~c

3) (λ~a) ◦~b = λ(~a ◦~b) = ~a ◦ (λ~b)

Der Betrag eines n-dimensionalen Vektors ~a =

a1...an

ist definiert durch

|~a| =√a21 + ...+ a2n

und gibt im kartesischen Koordinatensystem die Lange von ~a an. Offenbar gilt |~a| =√~a ◦ ~a.

Den Abstand zweier n-dimensionaler Vektoren ~a =

a1...an

und ~b =

b1...bn

definiert man

durch|~a−~b| =

√(a1 − b1)2 + ...+ (an − bn)2.

Fur den durch die Vektoren ~a,~b ∈ Rn(n = 2, 3) eingeschlossenen Winkel ϕ = ∠(~a,~b) gilt

cosϕ =~a ◦~b|~a| · |~b|

.

Fur n = 2, 3 sind die Vektoren ~a,~b 6= ~0 genau dann orthogonal, wenn gilt cosϕ = 0, dasheißt wenn ϕ = 90◦ ist.

Definition 2.7 Das Vektorprodukt zweier 3-dimensionaler Vektoren

~a =

a1a2a3

und ~b =

b1b2b3

ist definiert durch

~a×~b =

a2b3 − a3b2a3b1 − a1b3a1b2 − a2b1

.

Rechenregeln: Fur beliebige Vektoren ~a,~b ∈ R3 und beliebiges λ ∈ R gilt

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1) ~a×~b = −(~b× ~a)

2) λ(~a×~b) = (λ~a)×~b = ~a× (λ~b)

3) Falls ~b = λ~a, gilt ~a×~b = ~0.

4) ~a ◦ (~a×~b) = ~b ◦ (~a×~b) = 0, das heißt, ~a×~b steht senkrecht auf den Vektoren ~a und~b.

Bemerkung: Das Vektorprodukt ist nur im R3 definiert.

2.3 Geraden und Ebenen

Bekanntlich ist eine Gerade eindeutig durch zwei verschiedene Punkte, durch die sie verlauft,festgelegt. Zur analytischen Betrachtung von Geraden im R2 bzw. R3 seien zwei verschie-dene Punkte P0, P1 durch ihre Ortsvektoren ~x0 = OP0 und ~x1 = OP1 gegeben, wobei Oden Ursprung des kartesischen Koordinatensystems bezeichne. Es sei ~r = ~x1 − ~x0 .

Geradendarstellung in Parameterform:

Es sei g die Gerade durch P0 und P1. Ein Punkt P mit dem Ortsvektor ~x = OP gehortgenau dann zur Gerade g, wenn gilt

~x = ~x0 + α · ~r mit α ∈ R.

Dabei heißen ~x0 Stutzvektor, ~r Richtungsvektor und α Geradenparameter von g.

Parameterfreie Darstellung einer Geraden im R2:

Eine Gerade im R2 kann ebenso beschrieben werden durch die Menge aller Punkte, derenOrtsvektorkoordinaten x, y die Gleichung

ax+ by = d

erfullen, wobei a, b, d feste reelle Zahlen sind.

Bemerkung:

1) Mit g : y = db− a

bx, b 6= 0 liest man fur die Gerade g den Anstieg m = −a

bund den

y-Achsendurchgang n = db

ab. Fur eine Gerade durch den Ursprung gilt also d = 0.

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2) Der Vektor ~N :=

(ab

)steht senkrecht auf der Geraden g und heißt Normalenvektor.

Fur jeden Ortsvektor ~x =

(xy

)von g gilt also die Gleichung ~N ◦ ~x = d = const.

(Hesseform)

3) Eine parameterfreie Darstellung der Geraden gibt es nur im R2.

Die folgenden Betrachtungen betreffen den R3. Eine Ebene ist eindeutig festgelegt durchdrei von ihr enthaltene Punkte, die nicht auf einer Geraden liegen. Es seien im R3 dreiverschiedene Punkte P0, P1, P2 durch ihre Ortsvektoren ~x0 = OP0, ~x1 = OP1 und ~x2 = OP2

gegeben sowie ~r1 = ~x1 − ~x0 und ~r2 = ~x2 − ~x0.

Ebenendarstellung in Parameterform:

Ein Punkt P mit dem Ortsvektor ~x gehort genau dann zur Ebene E, wenn gilt

~x = ~x0 + α · ~r1 + β · ~r2 mit α, β ∈ R.

Dabei sind ~x0 ein Stutzvektor, ~r1, ~r2 zwei Richtungsvektoren und α, β die Ebenenparametervon E.

Parameterfreie Darstellung einer Ebene im R3:

Eine Ebene E kann ebenso beschrieben werden durch die Menge aller Punkte, deren Orts-vektorkoordinaten x, y, z die Gleichung

ax+ by + cz = d

erfullen, wobei a, b, c, d feste reelle Zahlen sind.

Bemerkung:

1) Fur eine Ebene durch den Ursprung gilt also d = 0.

2) Der Vektor ~N :=

abc

steht senkrecht auf der Ebene E und heißt Normalenvektor.

Fur jeden Ortsvektor ~x =

xyz

von E gilt also die Gleichung ~N ◦ ~x = d = const.

(Hesseform)

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Schnittmenge zweier Ebenen:

Zwei Ebenen, die nicht identisch sind, schneiden sich in einer Geraden oder haben, wennsie parallel sind, keine gemeinsamen Punkte.

Nehmen wir nun etwa an, dass zwei Ebenen E1 und E2 in parameterfreier Form

E1 : a1x+ b1y + c1z = d1 und E2 : a2x+ b2y + c2z = d2

gegeben sind. Dann ist ihre Schnittmenge, das ist die Menge der gemeinsamen Punkte,gleich der Losungsmenge des LGS

a1x+ b1y + c1z = d1a2x+ b2y + c2z = d2.

Die Schnittmenge von drei oder mehreren Ebenen im R3 ergibt sich analog aus der Losungeines linearen Gleichungssystems mit drei oder mehreren Gleichungen.

2.4 Matrizen

Definition 2.8 Eine reelle Matrix A mit m Zeilen und n Spalten (kurz: (m,n)-Matrix)ist ein rechteckiges Schema

A = (aij) =

a11 a12 . . . a1na21 a22 . . . a2n...

......

am1 am2 . . . amn

mit m · n Elementen aij ∈ R.

Spezielle Matrizen:

Nullmatrix O : Matrix, deren samtliche Elemente gleich Null sindQuadratische Matrix, n-reihig : (n, n)-Matrix, d.h. Zeilen- gleich SpaltenanzahlZeilenvektor : (1, n)-Matrix, d.h. Matrix mit nur einer ZeileSpaltenvektor : (m, 1)-Matrix, d.h. Matrix mit nur einer Spalte

Definition 2.9 Fur reelle (m,n)-Matrizen A = (aij), B = (bij) und einen skalaren Wertλ ∈ R sind folgende Operationen erklart.

Addition von Matrizen: A+B = (aij) + (bij) = (aij + bij)

Produkt mit Skalar: λ · A = λ · (aij) = (λ · aij)

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Definition 2.10 Es seien A = (aik) eine (m,n)-Matrix und B = (bkj) eine (n, p)-Matrix.Die (m, p)-Matrix C = (cij) mit

cij = ai1 · b1j + ai2 · b2j + ...+ ain · bnj

heißt Produkt der Matrizen A und B mit der Schreibweise C = A ·B.

Bemerkung:

1) Das Element cij von C = A ·B ergibt sich als Skalarprodukt des i-ten Zeilenvektorsvon A mit dem j-ten Spaltenvektor von B .

cij =−−−−−−−−−→Zeile i von A ◦

−−−−−−−−−−−→Spalte j von B

2) Das Produkt A ·B ist nur fur Matrizen A und B erklart, wenn die Anzahl der Spaltenvon A gleich der Anzahl der Zeilen von B ist.

3) Das Matrizenprodukt ist nicht kommutativ.

Definition 2.11 Eine n-reihige quadratische Matrix A = (aij) mit

aij =

{1, falls i = j0, falls i 6= j

heißt n-reihige Einheitsmatrix und wird mit En bezeichnet.

Offenbar ist

En =

1 0 · · · 00 1 · · · 0...

.... . .

...0 0 · · · 1

und fur alle n-reihigen quadratischen Matrizen A gilt

A · E = E · A = A.

Ein LGS der Forma11x1 + a12x2 + ...+ a1nxn = b1a21x1 + a22x2 + ...+ a2nxn = b2

. . .am1x1 + am2x2 + ...+ amnxn = bm

15

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mit aij, bi ∈ R lasst sich nun wie folgt darstellen:a11 a12 . . . a1na21 a22 . . . a2n...

......

am1 am2 . . . amn

x1x2...xn

=

b1b2...bm

, kurz: A~x = ~b

oder in der Form

x1

a11a21...am1

+ x2

a12a22...am2

+ . . .+ xn

a1na2n...

amn

=

b1b2...bm

.

Aus der letzteren Darstellung ergibt sich:Ein LGS A~x = ~b ist genau dann losbar, wenn~b eine Linearkombination der Spaltenvektorenvon A ist.

Definition 2.12 Eine n-reihige quadratische Matrix A heißt invertierbar, wenn es einen-reihige quadratische Matrix B gibt, so dass gilt

A ·B = B · A = En.

Die Matrix B heißt dann inverse Matrix von A und wird mit A−1 bezeichnet.

Satz 2.13 Eine quadratische Matrix ist genau dann invertierbar, wenn ihre Zeilenvektorenbzw. Spaltenvektoren linear unabhangig sind. Dann gibt es zu A genau eine inverse MatrixA−1.

Berechnung der inversen Matrix:

Sonderfall n = 2:

Sei A =

(a bc d

), dann erhalt man die inverse Matrix als

A−1 =

(a bc d

)−1=

1

ad− bc

(d −b−c a

), falls ad− bc 6= 0.

Wie berechnet man allgemein die inverse Matrix?

16

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Schema allgemein:

A EnEn A

⇓ erweiterter Gauß-Jordan-Algorithmus

Erhalt man in der linken Seite des Tabulars eine Nullzeile, das heißt in mindestens einemder drei LGS einen Widerspruch, existiert die inverse Matrix nicht.

Bemerkung:Es sei A · ~x = ~b ein LGS mit einer quadratischen Koeffizientenmatrix A. Das LGS hatgenau dann eine eindeutig bestimmte Losung fur ~x, wenn A invertierbar ist. Dann gilt

~x = A−1 ·~b.

17

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3 Folgen und Reihen

3.1 Reelle Zahlenfolgen

Definition 3.1 Unter einer reellen Zahlenfolge versteht man eine Zuordnung N ⇒ R(oder einer unendlichen Teilmenge von N),d.h. jedem n ∈ N (oder einer unendlichen Teilmenge von N) ist ein an ∈ R zugeordnet.

Schreibweise:(an) = (a0, a1, a2, ..., an, ...)

Die Zahlen a0, a1, ... heißen die Glieder der Folge (an).

Spezielle Typen

Arithmetische Folge: an = a1 + nd mit a0, d ∈ R, n = 1, 2, ...

⇒ (an) = (a0, a0 + d, a0 + 2d, ...) = (a0, a0 + d, a1 + d, ...) und an+1 − an = d

Geometrische Folge: an = a0 · qn mit a0, q ∈ R, n = 1, 2, ...

⇒ (an) = (a0, a0 · q, a0 · q2, ...) = (a0, a0 · q, a1 · q, ...) undan+1

an= q

Definition 3.2 Eine reelle Zahlenfolge (an) heißt konvergent gegen den Grenzwert g, wennfur ein beliebiges (beliebig klein) ε > 0 ein nε ∈ N0 existiert, so dass fur alle n > nε gilt:Der Abstand |an − g| < ε. g heißt Grenzwert der Zahlenfolge (an).Schreibweisen:

limn→∞

an = g oder (an)→ g.

Eine Zahlenfolge, die keinen Grenzwert hat, heißt divergent.

Bemerkung:

1) Fur eine Zahlenfolge (an) mit dem Grenzwert g gilt:Ab einem n, was von ε abhangt, liegen alle nachfolgenden Elemente in einem ε −Schlauch

(g − ε < an < g + ε).

2) Eine konvergente Zahlenfolge besitzt genau einen Grenzwert.

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Definition 3.3 Eine reelle Zahlenfolge (an) heißtbestimmt divergent mit dem uneigentlichen Grenzwert ∞ (bzw. −∞),falls es fur jedes beliebig große S > 0 (bzw. beliebig kleine S < 0) ein nS gibt, so dass furalle n > nS gilt

an > S (bzw. an < S).

Rechnen mit Grenzwerten:

Fur konvergente Zahlenfolgen (an)→ a und (bn)→ b mit a, b, c ∈ R gelten folgende Regeln.

1) (c · an) → c · a

2) (an ± bn) → a± b

3) (an · bn) → a · b

4) (anbn

) → a

bfalls bn, b 6= 0

sowie5) (

”Sandwich-Kriterium “)

Seien (an), (bn), (cn), n ≥ 0 drei reelle Zahlenfolgen mit

an → g, cn → g und an ≤ bn ≤ cn ab einem bestimmten n,

dann gilt fur die Folge (bn): bn → g.

Die Eulersche Zahl e:

Ohne Beweis gilt limn→∞

(1 +

1

n

)n= 2, 718281828... = e

Satz: Fur alle a ∈ R gilt limn→∞

(1 +

a

n

)n= ea

Definition 3.4 Eine reelle Zahlenfolge (an) heißt monoton steigend / fallend,falls fur alle n gilt an ≤ an+1 / an ≥ an+1. Lasst man das Gleichheitszeichen nicht zu,heißt (an) streng monoton steigend/fallend.

19

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3.2 Reihen

Zu einer gegebenen reellen Zahlenfolge (an) = (a0, a1, ...) kann mandie Folge (sn) der Partialsummen bilden:

s0 := a0

s1 := a0 + a1

............

sn = a0 + a1 + ...+ an =n∑k=0

ak (n-te Partialsumme)

Definition 3.5

1) Die Folge (sn) der Partialsummen der Zahlenfolge (an) nennt man unendliche Reiheoder kurz Reihe.

Schreibweise:∞∑k=0

ak = a0 + a1 + ...+ an + ...

2) Die Reihe∞∑k=0

ak heißt konvergent / divergent, wenn (sn) konvergent / divergent ist.

3) Hat (sn) den Grenzwert s, so schreibt man∞∑k=0

ak = s und nennt s den Summenwert

der Reihe.

Spezielle Reihen:

Geometrische Reihe:∞∑k=0

qk = 1 + q + q2 + ...+ qn + ... = 11−q fur −1 < q < 1

Wegen (1 + q + ...+ qn)(1− q) = 1− qn+1 gilt im Fall q 6= 1 fur die Partialsumme sn

sn =n∑k=0

qk = 1 + q + ...+ qn =1− qn+1

1− q.

Fur −1 < q < 1 erhalt man wegen limn→∞

qn = 0

∞∑k=0

qk = limn→∞

sn = limn→∞

1− qn+1

1− q=

1

1− q.

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Harmonische Reihe:∞∑k=1

1k

= 1 + 12

+ 13

+ ...+ 1n

+ ...

Fur die ersten Partialsummen erhalt man s1 = 1, s10 ≈ 2, 93, s100 ≈ 5, 19, s1000 ≈ 7, 49und s1000000 ≈ 14, 34. Wegen

limn→∞

sn = limn→∞

n∑k=1

1

k=∞

(ohne Beweis) ist die harmonische Reihe jedoch divergent.

Wie kann man beurteilen, ob eine Reihe konvergiert oder nicht?

Einige wichtige Kriterien zur Untersuchung von Reihen auf Konvergenz sind:

1. Notwendiges Kriterium

Ist∞∑k=0

ak konvergent, dann ist die Folge (ak) eine Nullfolge, d.h. (ak)→ 0.

Bemerkung: Obige Bedingung ist ein notwendiges Kriterium, d.h.: Ist das Kriterium nichterfullt, ist die Reihe nicht konvergent, ist das Kriterium erfullt, weiß man noch nichts uberdie Konvergenz der Reihe.

2. Vergleichskriterium

Es seien∞∑k=0

ak und∞∑k=0

bk Reihen mit 0 ≤ ak ≤ bk fur alle k (also positive Reihen),

dann gilt:

• Ist∞∑k=0

bk konvergent, dann ist auch∞∑k=0

ak konvergent.

• Ist∞∑k=0

ak =∞ , dann gilt auch∞∑k=0

bk =∞ .

Um das Vergleichskriterium anwenden zu knnen, benotigt man Reihen, von denen manweiß, ob sie konvergieren oder nicht. Es gilt

∞∑k=1

1

{konvergent, falls α > 1,

=∞, falls 0 ≤ α ≤ 1

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4 Reelle Funktionen

4.1 Funktionsbegriff

Definition 4.1 Es seien X und Y mit X, Y ⊆ R. Eine Teilmenge f des kartesischen Pro-duktes X × Y heißt Funktion aus X in Y, wenn aus (x, y1) ∈ f und (x, y2) ∈ f stets folgt:y1 = y2. Die Teilmenge D ⊆ X mit D = {x|(x, y) ∈ f} heißt Definitionsbereich von f. DieTeilmenge W ⊆ Y mit W = {y|(x, y) ∈ f} heißt Wertebereich von f.f(x) heißt Funktionswert von x oder Bild von x.Die Menge aller Punkte (x, y = f(x)) in der x, y-Ebene heißt Graph von f.Schreibweise: f : D → Y mit x→ y = f(x) oder kurz y = f(x).

Bemerkung:

1) Zu f gibt es also eine Zuordnungsvorschrift, die jedem x ∈ D genau ein y = f(x)zuordnet. (Demselben x-Wert konnen nie zwei oder mehr verschiedene y-Werte zu-geordnet werden).

2) f ist eine Menge geordneter Paare reeller Zahlen.

Definition 4.2 x0 ∈ D heißt Nullstelle einer reellen Funktion f , wenn f(x0) = 0 ist.

4.2 Beschranktheit, Monotonie, Verkettung von Funktionen, Um-kehrfunktionen

Definition 4.3 Eine reelle Funktion f heißt

1) nach oben beschrankt, wenn eine Zahl S ∈ R existiert mit f(x) ≤ S fur alle x ∈ D,und S heißt obere Schranke von f(x).

2) nach unten beschrankt, wenn eine Zahl s ∈ R existiert mit f(x) ≥ s fur alle x ∈ D,und s heißt untere Schranke von f(x).

3) beschrankt, wenn f nach oben und nach unten beschrankt ist.

Definition 4.4 Es seien f eine reelle Funktion und I ⊆ D ein Intervall. f heißt

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1) monoton wachsend (bzw. streng monoton wachsend) auf I, wenn fur alle x1, x2 ∈ Imit x1 < x2 giltf(x1) ≤ f(x2) (bzw. f(x1) < f(x2)).

2) monoton fallend (bzw. streng monoton fallend) auf I, wenn fur alle x1, x2 ∈ I mitx1 < x2 giltf(x1) ≥ f(x2) (bzw. f(x1) > f(x2)).

Definition 4.5 Es seien f : Df → R und g : Dg → R zwei reelle Funktionen, wobei furden Wertebereich Wg von g gilt: Wg ⊆ Df . Die Funktion

f ◦ g : Dg → R mit f ◦ g(x) := f(g(x))

heißt Zusammensetzung von f und g oder Verkettung von f und g .

Eine auf ganz D streng monoton wachsende bzw. streng monoton fallende Funktion hatdie folgende Eigenschaft:

Aus f(x1) = f(x2) mit x1, x2 ∈ D folgt x1 = x2, d.h. zu jedem Funktionswert yexistiert genau ein x ∈ D mit y = f(x). Damit ist die Gleichung y = f(x) eindeutignach dem Argument x auflosbar.(Verschiedene x-Werte durfen nicht denselben Funtionswert besitzen,jeder Funktionswert darf nur einmal erscheinen,jede Parallele zur x-Achse darf den Graph von f nur einmal schneiden.)

Definition 4.6 Es sei f : D → R eine auf D streng monotone Funktion. Die Funktion

f−1 ⊆ W ×D, wobei f−1 = {(y, x)|(x, y) ∈ f}

heißt Umkehrfunktion von f.

Bemerkungen:

1) f−1 ist diejenige reelle Funktion, fur die fur alle x ∈ D gilt

y = f(x)⇐⇒ x = f−1(y).

2) Offenbar gilt:

f−1(f(x)) = x, und f(f−1(y)) = y, sowie(f−1)−1

= f

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3) Der Wertebereich von f ist der Definitionsbereich von f−1, und der Wertebereich vonf−1 ist der Definitionsbereich von f .

4) Im kartesischen Koordinatensystem erhalt man den Graph der Funktion f−1(x) durchSpiegelung des Graphen von f(x) an der Geraden y = x. (x und y vertauschen dieRollen.)

4.3 Elementare Funktionen

Elementare Funktionen sind solche reellen Funktionen, die sich als Summe, Produkt, Quo-zient bzw. durch Bildung der Umkehrfunktionen aus rationalen Funktionen, trigonometri-schen Funktionen und Exponentialfunktionen gewinnen lassen.

1) Potenz- und Wurzelfunktionen

Definition 4.7 Die reelle Funktion f : R→ R mit

f(x) = a · xn,

wobei a ∈ R und n ∈ Z heißt Potenzfunktion.

Spezielle Potenzfunktionen:

f(x) = a (n = 0, Konstante)f(x) = ax (n = 1, Gerade)f(x) = ax2 (n = 2, Parabel)f(x) = ax−1 = a

x(n = −1, Hyperpel)

Die Potenzfunktion f(x) = xn ist im Intervall [0,∞) fur alle n ∈ N \ {0} streng mono-ton wachsend und folglich umkehrbar, das heißt, die Gleichung y = xn ist dann nach xauflosbar.

Definition 4.8 (a) Seien a, b ∈ R mit a, b ≥ 0 und n ∈ N\{0}. Die n-te Wurzel aus a, n√a

ist diejenige nichtnegative reelle Zahl b, fur die gilt bn = a.

(b) Sei f : [0,∞) → [0,∞) mit f(x) = xn. Die Umkehrfunktion f−1 : [0,∞) → [0,∞)mit

y = f−1(x) = x1n = n√x

heißt Wurzelfunktion.

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Bemerkung: Unter einer Potenzfunktion mit rationalem Exponenten versteht man eineFunktion

f(x) = xmn = (xm)

1n = n√xm, x ≥ 0

mit mn∈ Q.

2) Rationale Funktionen

Definition 4.9 Ein Polynom (ganzrationale Funktion) ist eine reelle Funktion

p : R→ R : p(x) = anxn + an−1x

n−1 + ...+ a1x+ a0,

mit dem Polynomgrad n ∈ N und den Koeffizienten a0, a1, ..., an ∈ R, wobei an 6= 0 ist.

Satz 4.10 Ein Polynom p(x) n-ten Grades besitzt hochstens n reelle Nullstellen. Ist x1eine reelle Nullstelle von p(x), dann existiert genau ein Polynom r(x) (n− 1)-ten Gradesmit der Darstellung

p(x) = (x− x1) · r(x).

Folgerung:Ein Polynom p(x) n-ten Grades mit n reellen Nullstellen x1, x2, ..., xn besitzt die Linear-faktorzerlegung

p(x) = an · (x− x1) · (x− x2) · ... · (x− xn).

Definition 4.11 Eine gebrochenrationale Funktion f(x) ist definiert als Quotient aus zweiPolynomen g(x) und h(x):

f(x) =g(x)

h(x)=anx

n + ...+ a1x+ a0bmxm + ...+ b1x+ b0

Ist n < m, dann heißt f(x) echt anderfalls unecht gebrochenrational.

Sei f : D → R : f(x) = g(x)h(x)

eine gebrochenrationale Funktion.

Falls fur x0 ∈ D gilt: g(x0) = 0 und h(x0) 6= 0, ist x0 eine Nullstelle von f .

Falls fur xp ∈ R gilt: g(xp) 6= 0 und h(xp) = 0, dann ist xp eine Polstelle von f .

Gelten g(x0) = 0 und h(x0)=0, so sind g(x) und h(x) durch x− x0 teilbar. Kurzt man solange, bis g(x) und h(x) keine gemeinsamen Teiler mehr besitzen, und ist x0 keine Null-stelle des verbliebenen Nennerpolynoms, so ist x0 eine Lucke.

3) Exponential- und Logarithmusfunktionen

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Definition 4.12 Die reelle Funktion f : R→ R, wobei

f(x) = ax

mit der reellen Basis a > 0 und a 6= 1 heißt Exponentialfunktion.

Grundsatzlich gilt ax > 0, das heißt die Exponentialfunktion f(x) = ax hat keine Nullstel-len. Sie ist im Fall a > 1 streng monoton wachsend und im Fall 0 < a < 1 streng monotonfallend und folglich umkehrbar. Die Gleichung y = ax ist demnach nach x auflosbar.

Definition 4.13 (a) Seien x, y, a ∈ R mit a, y ≥ 0, a 6= 1. Der Logarithmus von y zur Basis a, logayist diejenige reelle Zahl x, fur die gilt ax = y.

(b) Sei f : R → (0,∞) mit f(x) = ax, a > 0. Die Umkehrfunktion f−1 : (0,∞) → Rmit

y = f−1(x) = logax

heißt Logarithmusfunktion.

Die Exponentialfunktion f(x) = ex zur Basis e = 2, 7182818... (Eulersche Zahl) hat mitf−1(x) = loge x =: lnx, x > 0, den naturlichen Logarithmus als Umkehrfunktion.

4) Trigonometrische Funktionen

Im rechtwinkligen Dreieck mit der Hypotenusenlange 1 werden die Langen der Gegenka-thete und Ankathete bezuglich eines Winkels α als Sinus(α) = sin(α) und Cosinus(α) =cos(α) bezeichnet und fuhren zu den trigonometrischen Grundfunktionen

f : R→ R : f(x) = sin(x) und g : R→ R : g(x) = cos(x)

mit den Wertebereichen Wf = Wg = [−1, 1].

Definition 4.14 Eine reelle Funktion f : R→ R heißt periodisch mit der Periode T > 0,wenn fur alle x ∈ R gilt

f(x+ T ) = f(x).

Die kleinste Periode T einer reellen Funktion f : R→ R nennt man ihre primitive Periode.

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Die Sinus- und Cosinusfunktion sind 2π-periodische reelle Funktionen, denn fur alle x ∈ Rgilt sin (x+ 2π) = sin x und cos (x+ 2π) = cos x, und 2π ist hier die primitive Periode.Damit ist jede Periode T von sinx und cosx ein Vielfaches von 2π, d.h. T = k · 2π mitk ∈ N.

Die trigonometrischen Funktionen Tangens und Cotangens sind definiert durch

tan : R \ {(2k + 1)π

2} → R, tanx =

sinx

cosx,

cot : R \ {(2k)π

2} → R, cotx =

1

tanx=

cosx

sinx, k ∈ Z

und haben die primitive Periode π.

Trigonometrischer Pythagoras:

Fur x ∈ R gilt sin2(x) + cos2(x) = 1.

4.4 Grenzwert und Stetigkeit einer Funktion

Bei den Grenzwertbetrachtungen von reellen Funktionen f an einer Stelle a ∈ Df in-teressiert das Verhalten von f in einer Umgebung von a, nicht an der Stelle a. Manuntersucht das Verhalten von f , wenn sich x ∈ Df der Stelle a nahert. Dabei beruht derGrenzwertbegriff fur reelle Funktionen auf dem in Abschnitt 2 bereits fur reelle Zahlenfol-gen eingefuhrten Grenzwertbegriff.

Definition 4.15 Es seien f : D → R eine reelle Funktion, I ⊆ R ein Intervall und a ∈ I.f sei auf I \ {a} definiert.f hat an der Stelle a ∈ R den Grenzwert g ∈ R (bzw. g = ±∞), wenn fur jede Folge (xn)mit xn ∈ D und lim

n→∞xn = a gilt:

limn→∞

f(xn) = g.

Schreibweise:limx→a

f(x) = g.

Bemerkung: Die Stelle a kann, muss aber nicht zum Definitionsbereich von f gehoren.

Einseitiger Grenzwerte:

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Definition 4.16 Seien f : D → R eine reelle Funktion und (xn) eine beliebige Folge mitxn ∈ D sowie xn → a unda) xn < a fur alle n ∈ N bzw. b) xn > a fur alle n ∈ N.Gilt

limn→∞

f(xn) = g,

dann heißt g im Fall a) linksseitiger bzw. b) rechtsseitiger Grenzwert von f(x) an derStelle a.

Schreibweise: a) limx→a−0

f(x) = g bzw. b) limx→a+0

f(x) = g

Bemerkung: Der Grenzwert von f(x) an der Stelle a ∈ R existiert genau dann, wennlinksseitiger und rechtsseitiger Grenzwert existieren und gleich sind.

Verhalten von f(x) im Unendlichen:

Gilt fur jede reelle Folge (xn) mit (xn)→∞ bzw. (xn)→ −∞

limn→∞

f(xn) = g

(wobei g ∈ R oder g = ±∞), dann hat f(x) den Grenzwert

limx→∞

f(x) = g bzw. limx→−∞

f(x) = g.

Die Rechenregeln fur Grenzwerte von Funktionen

ergeben sich aus den Rechenregeln fur Genzwerte von Zahlenfolgen.

Ferner gilt: Sind f und g zwei reelle Funktionen, wobei limx→a

g(x) = 0 und f(x) beschrankt

ist, dann gilt limx→a

f(x)

g(x)=∞ bzw. −∞ je nachdem, ob f(x) und g(x) fur alle x in einer

Umgebung von a gleiches oder verschiedenes Vorzeichen haben.

Bemerkung: Die Regeln sind auch auf die Falle x→ a− 0 und x→ a+ 0 ubertragbar.

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Sei nun f : D → R eine reelle Funktion, die an der Stelle a ∈ D definiert ist. Man vergleichtim Falle der Frage nach der Stetigkeit nun das Verhalten von f in der Nahe von a mit demFunktionswert f(a).

Definition 4.17 Eine reelle Funktion f : D → R heißt

1) stetig an der Stelle a ∈ D, wenn limx→a

f(x) = f(a) gilt.

2) uberall stetig, wenn sie in jedem Punkt von D stetig ist.

Bemerkung:

1) Der Graph einer in einem Intervall I ∈ R uberall stetigen Funktion lasst sich in Izeichnen, ohne abzusetzen. (Es gibt keine Sprunge, keine Lucken...)

2) Ist f stetig an der Stelle a, so gilt mit xn → a

limn→∞

f(xn) = f(a) = f( limn→∞

xn)

bzw.limx→a

f(x) = f(a) = f(limx→a

x)

d.h. Zuordnungsvorschrift und Grenzwert sind vertauschbar.

Satz 4.18 Seien f und g reelle Funktionen mit den Definitionsbereichen Df und Dg.Sind f und g an der Stelle a ∈ Df ∩Dg stetig, dann sind auch die Funktionen

c · f(x) (c : Konstante), f(x)± g(x), f(x) · g(x),f(x)

g(x)(g(a) 6= 0)

an der Stelle a stetig.Ist a ∈ Df◦g, so ist auch die Verkettung f ◦ g in a stetig.

Folgerung: Polynome sind uberall stetige Funktionen.

Satz 4.19 (Nullstellensatz) (ohne Beweis) Ist f(x) eine auf einem Intervall I = [a, b]definierte und stetige reelle Funktion und gilt f(a)f(b) < 0 (d.h. f(a) und f(b) habenentgegengesetzte Vorzeichen), dann gibt es mindesten eine Nullstelle im Intervall (a, b),d.h. es existiert ein x0 mit a < x0 < b und f(x0) = 0.

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Anwendung/Beispiel: Bisektionsverfahren

Sei f : R → R eine auf I = [a, b] stetige Funktion und gelte f(a)f(b) < 0, d.h. dieExistenz mindestens einer Nullstelle x0 mit a < x0 < b ist gesichert.

Man setzt nun a0 := a sowie b0 := b und bestimmt mit M0 = a0+b02

den Mittelpunkt desIntervalls [a0, b0].

Jetzt werden die Produkte f(a0)f(M0) und f(M0)f(b0) auf negatives Vorzeichen getestet:

Gilt f(a0)f(M0) < 0 und f(M0)f(b0) < 0, so setzt man a1 = a0 sowie b1 = M0.Gilt f(a0)f(M0) > 0 und f(M0)f(b0) > 0, so setzt man a1 = M0 sowie b1 = b0.

Jetzt bestimmt man M1 = a1+b12

und wiederholt die Schritte.

Mit jedem Schritt wird das in Frage kommende Intervall halbiert und somit nahert mansich einer Nullstelle.

Fur den Fehler gilt dann:

|Mk − x0| <b0 − a0

2k+1→ 0

und somit konvergiert die Folge (Mk), k ≥ 0 gegen x0.

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5 Differentialrechnung

5.1 Differenzierbarkeit und Ableitung einer Funktion

Definition 5.1 Es sei f : D → R, y = f(x) eine reelle Funktion, die in einer Umgebungvon x0 definiert ist.

1) f(x) heißt an der Stelle x0 differenzierbar, wenn der Grenzwert

limh→0

f(x0 + h)− f(x0)

h

(der sogenannte Differentialquotient) existiert und endlich ist. Der Grenzwert heißtAbleitung von f(x) an der Stelle x0.

Symbole: f ′(x0) oder dydx

∣∣x0

2) f(x) heißt differenzierbar, wenn f(x) fur jedes x ∈ D differenzierbar ist.

Symbole: y′, f ′(x), dydx

Geometrische Deutung der Ableitung: Tangentenanstieg

Der Quotientf(x0 + h)− f(x0)

h

gibt den Anstieg der Sekante durch die Punkte des Graphen von f

P = (x0, f(x0)) und Q = (x0 + h, f(x0 + h)) von f(x) an.

Die Sekante geht fur h → 0, das heißt fur Q → P , in die Tangente an den Graphen vonf(x) im Punkt P uber.

Damit erhalt man die Gleichung der Tangente y = T (x) von f(x) in P = (x0, f(x0)) aus

T (x)− T (x0)

x− x0=T (x)− f(x0)

x− x0= f ′(x0).

Gleichung der Tangente: y = T (x) = f(x0) + f ′(x0)(x− x0)

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Physikalische Deutung der Ableitung: Geschwindigkeit

Sei s = s(t) der in der Zeit t ≥ 0 zuruckgelegte Weg (gleichformige Bewegung mit s(0) = 0)eines Massepunktes.

Der Differenzenquozient∆s

∆t=s(t0 + h)− s(t0)

hbeschreibt dann die Durchschnittsgeschwin-

digkeit im Zeitintervall t0 bis t0 + h, also berechnet sich die Momentangeschwindigkeitv(t0) im Zeitpunkt t0 ≥ 0 als Ableitung des Weges s nach der Zeit t aus dem Differential-quotienten

v(t0) = s(t0) =ds

dt

∣∣t0

= limh→0

s(t0 + h)− s(t0)h

.

Die Ableitungen elementarer Funktionen ergeben sich aus direkter Berechnung des Diffe-rentialquotienten.

Ubersicht von Ableitungen einiger elementarer Funktionen:

f(x) f ′(x)c= const. 0xn, n ∈ Q n · xn−1sinx cosxcosx − sinxex ex

lnx 1x

Differentiationsregeln

Sind f(x) und g(x) in xdifferenzierbare reelle Funktionen, dann gelten folgende Ableitungs-regeln.

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1) Konstanter Faktor: [c · f(x)]′ = c · f ′(x) (c ∈ R)

2) Summenregel: [f(x)± g(x)]′ = f ′(x)± g′(x)

3) Produktregel: [f(x) · g(x)]′ = f ′(x) · g(x) + f(x) · g′(x)

4) Quotientenregel:

[f(x)

g(x)

]′=f ′(x) · g(x)− f(x) · g′(x)

(g(x))2g(x) 6= 0

Sind g in x und f in g(x) differenzierbare reelle Funktionen, dann gilt fur die Ableitungder Verkettung f ◦ g die

5) Kettenregel: [f ◦ g(x)]′ = [f(g(x))]′ = f ′(g(x)) · g′(x),

Sei f nun in einem Intervall I = (a, b) ⊆ Df differenzierbere steng monotone reelle Funk-tion. Dann ist die Umkehrfunktion f−1 in x = f(y) mit y ∈ (a, b) differenzierbar und esgilt die Regel fur die Ableitung der

6) Umkehrfunktion:[f−1(x)

]′=

1

f ′(f−1(x))f ′(f−1(x)) 6= 0

Satz 5.2 Ist eine reelle Funktion f : D → R an der Stelle x0 differenzierbar, dann ist fan der Stelle x0 stetig.

Bemerkung:

1) Ist f in x0 nicht stetig, dann ist f nicht differenzierbar in x0.

2) Die Umkehrung dieser Aussage gilt nicht, d.h. eine an einer Stelle x0 stetige Funktionf(x) muß nicht notwendig bei x0 auch differenzierbar sein.

Definition 5.3 Eine reelle Funktion f : D → R heißt k-mal differenzierbar fur k > 1,

wenn die (k − 1)-te Ableitung f (k−1)(x) existiert und differenzierbar ist.f (k)(x) = (f (k−1)(x))′ bezeichnet die k-te Ableitung von f(x).

Beispiel: Sei f : R→ R mit f(x) = 2x3 − 4x2 + 3x− 10 , dann sind

f ′(x) = 6x2 − 8x+ 3, f ′′(x) = 12x− 8, f ′′′(x) = 12, f (4) = 0.

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5.2 Taylorpolynom

Fur praktische Anwendungen ist es haufig sinnvoll, eine reelle Funktion f : D → R durchein Polynom anzunahern. Gesucht ist ein Polynom vom Grad n mit der Eigenschaft, dassan einer Stelle x0 (der sogenannten Entwicklungsstelle) die Funktionswerte und die Ablei-tungen bis zur Ordnung n von f und dem Polynom ubereinstimmen.Setzt man

Tn(x, x0) =n∑k=0

ak(x− x0)k = a0 + a1(x− x0) + a2(x− x0)2 + ...+ an(x− x0)n,

so ergeben sich aus obiger Forderung die Koeffizienten von Tn(x, x0) aus direktem Vergleich:

Funktionswerte:Tn(x0, x0) = a0 = f(x0), also:

a0 = f(x0)

erste Ableitungen:T ′n(x, x0) = a1 + 2 · a2(x− x0) + 3 · a3(x− x0)2 + ...+ n · an(x− x0)n−1,T ′n(x0, x0) = a1 = f ′(x0) also:

a1 = f ′(x0)

zweite Ableitungen:T ′′n (x, x0) = 2a2 + 2 · 3 · a3(x− x0) + 3 · 4 · a3(x− x0)2 + ...+ (n− 1) · n · an(x− x0)n−2,T ′′n (x0, x0) = 2a2 = f ′′(x0) also:

a2 =f ′′(x0)

2

n-te Ableitungen:T

(n)n (x, x0) = 1 · 2 · ... · (n− 1) · n · an(x− x0)(n−n), T

(n)n (x0, x0) = n!an = f (n)(x0) also:

an =f (n)(x0)

n!

Definition 5.4 Ist f : D → R eine n mal differenzierbare reelle Funktion, dann heißt

Tn(x, x0) =n∑k=0

f (k)(x0)

k!(x− x0)k

das Taylorpolynom n-ten Grades von f(x) an der Entwicklungsstelle x0.

Bemerkungen:

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1) Taylorpolynom vom Grad n = 0: T0(x, x0) = f(x0),

2) Taylorpolynom vom Grad n = 1: T1(x, x0) = f(x0) + f ′(x0)(x− x0),Tangente an der Stelle x0,

3) Taylorpolynom vom Grad n = 2: T2(x, x0) = f(x0) + f ′(x0)(x−x0) + f ′′(x0)2

(x−x0)2,Schmiegeparabel an der Stelle x0

5.3 Regel von Bernoulli und l’Hospital

Wendet man bei der Untersuchung von Definitionslucken einer Funktion und ihres Ver-haltens im Unendlichen die Rechenregeln fur Grenzwerte an, dann konnen wie z.B. beimGrenzwert

limx→a

f(x)

g(x)

die unbestimmten Ausdrucke”∞∞“und

”00

“entstehen.

Satz 5.5 (Regel von Bernoulli und l’Hospital)

Sind f : Df → R und g : Dg → R differenzierbare reelle Funktionen und fuhren dieGrenzwerte

limx→a

f(x)

g(x)bzw. lim

x→∞

f(x)

g(x)

zu einem unbestimmten Ausdruck der Form”∞∞“oder

”00

“, dann gilt

limx→a

f(x)

g(x)= lim

x→a

f ′(x)

g′(x)bzw. lim

x→∞

f(x)

g(x)= lim

x→∞

f ′(x)

g′(x).

Unbestimmte Ausdrucke der Form

”0 · ∞ “,

”∞−∞ “,

”00 “,

”∞0 “,

”1∞ “

lassen sich haufig durch elementare Umformungen auf einen der bereits behandelten Aus-drucke

”∞∞“,

”00

“zuruckfuhren.

5.4 Monotonieverhalten, Krummungsverhalten, Extremwerte undWendepunkte einer reellen Funktion

Seien f : D → R eine reelle Funktion und I ⊆ D ein Intervall.

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Gilt fur alle x ∈ I:f ′(x) ≥ 0, (bzw. f ′(x) > 0),

dann ist die Funktion f in I monoton wachsend (bzw. streng monoton wachsend).Gilt fur alle x ∈ I:

f ′(x) ≤ 0, (bzw. f ′(x) < 0),

dann ist die Funktion f in I monoton fallend (bzw. streng monoton fallend).

Definition 5.6 Seien f : D → R eine reelle Funktion und I ⊆ D ein Intervall. f sei in Izweimal differenzierbar. Gilt fur alle x ∈ I:

f ′′(x) ≥ 0, (bzw. f ′′(x) > 0),

dann ist die Funktion f in I konvex (bzw. streng konvex).Gilt fur alle x ∈ I:

f ′′(x) ≤ 0, (bzw. f ′′(x) < 0),

dann ist die Funktion f in I konkav (bzw. streng konkav).

Bemerkung: Gilt f ′′ > 0 in I, dann ist f ′ in I streng monoton wachsend, d.h. der Anstiegvon f wird immer großer.Gilt f ′′ < 0 in I, dann ist f ′ in I streng monoton fallend, d.h. der Anstieg von f wirdimmer kleiner.

Definition 5.7 Seien f : D → R eine stetige reelle Funktion, I = (a, b) ∈ D ein Intervallund xE ∈ I. Gilt fur alle x ∈ I

f(x) ≤ f(xE) bzw. f(x) ≥ f(xE),

dann hat f(x) in x0 ein lokales Maximum bzw. lokales Minumum. x0 heißt lokale Maximalstellebzw. lokale Minimalstelle von f(x).

Die Bestimmung von lokalen Extremstellen einer differenzierbaren (und damit stetigen)Funktion kann mit Hilfe ihrer Ableitungen erfolgen.

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Notwendige Bedingung fur lokale Extremstellen:Ist xE eine lokale Extremwertstelle von f und f in xE differenzierbar, dann gilt f ′(xE) = 0.

Extremwertverdachtige Stellen von f sind folglich alle reellen Werte xE, die Losungender Gleichung f ′(x) = 0 sind. Die Uberprufung erfolgt

a) mithilfe der ersten Ableitung: Erfolgt fur f ′ zusatzlich bei xE ein Vorzeichenwechsel,dann andert f dort ihr Monotonieverhalten, d.h. xE ist eine Extremwertstelle, oder

b) mithilfe der zweiten Ableitung: Gilt zusatzlich f ′′(xE) 6= 0, dann andert f dort ihrKrummungsverhalten nicht, d.h. xE ist eine Extremwertstelle.

Hinreichende Bedingungen fur lokale Extremstellen:

Ist I ⊆ D ein Intervall mit x, xE ∈ I, dann gilt:xE ist eine lokale Maximalstelle von f , wennf ′(x) > 0 fur x < xE, f ′(xE) = 0 und f ′(xE) < 0 fur x > xE.xE ist eine lokale Minimalstelle von f , wennf ′(x) < 0 fur x < xE, f ′(xE) = 0 und f ′(xE) < 0 fur x > xE.

oder

xE ist eine lokale Maximalstelle von f , wenn f ′(xE) = 0 und f ′′(xE) < 0.xE ist eine lokale Minimalstelle von f , wenn f ′(xE) = 0 und f ′′(xE) > 0.

Bemerkung: Im Fall f ′(xE) = f ′′(xE) = 0 muß man weitere Ableitungen von f(x) be-stimmen und nach der fur xE ersten von Null verschiedenen Ableitung suchen. Ist dieOrdnung dieser Ableitung eine gerade Zahl, dann ist xE eine Extremwertstelle von f(x).

Definition 5.8 Sei f : D → R eine reelle Funktion. Andert f an der Stelle xW ihrKrummungsverhalten, dann heißt der Punkt (xW , f(xW )) Wendepunkt von f .

Fur die Bestimmung der wendepunktverdachtigen Stellen einer mehrmals differenzierba-ren Funktion f bedeutet das:

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Notwendige Bedingung fur Wendepunkte:Hat f an der Stelle xW einen Wendepunkt, dann gilt f ′′(xW ) = 0.

Ist xW zusatzlich eine lokale Extremwertstelle von f ′, dann ist (xW , f(xW )) ein Wendepunktvon f . Folglich gilt

Hinreichende Bedingung fur Wendepunkte:f hat an der Stelle xW einen Wendepunkt, wenn gilt f ′′(xW ) = 0 und f ′′′(xW ) 6= 0.

Bemerkung: Im Fall f ′(xW ) = f ′′(xW ) = f ′′′(xW ) = 0 muß man weitere Ableitungenvon f(x) bestimmen und nach der fur xE ersten von Null verschiedenen Ableitung suchen.Ist die Ordnung dieser Ableitung eine ungerade Zahl, dann ist xW eine Stelle mit einemWendepunkt von f(x).

5.5 Kurvendiskussionen und Extremwertaufgaben

Kurvendiskussion: Zum Studium des Kurvenverlaufs einer reellen Funktion f(x) disku-tiert man diese insbesondere nach folgenden Gesichtspunkten:

a) Definitionsbereich

b) Nullstellen

c) Stetigkeit

d) Monotonieintervalle, lokale Extremwerte,

e) Wendepunkte, Krummungsverhalten

f) Polstellen, Verhalten im Unendlichen (Grenzwerte)

g) Darstellung des Graphen

h) Wertebereich

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