W ARSTEIN Montag, 17. Juni 2019 È Julian Gockel und Tabea ...

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Industriegeschichte kombiniert mit Naturkunde vermittelte Ortsheimatpfleger Willi Hecker beim Spaziergang, der mit 40 Interessierten auf eine große Resonanz stieß. FOTOS: INGIRD SCHMALLENBERG Vom Bunker bis zur Villa Andrang bei heimatkundlicher Wanderung mit Willi Hecker VON INGRID SCHMALLENBERG Sichtigvor – Ein Nilpferdske- lett aus Kamerun, Millionen Jahre alte Grauwackenbänke, eine schlossähnliche Fabri- kantenvilla mit Wänden aus reinem Marmor und eine ver- fallene Bunkeranlage – wenn Willi Hecker zum heimat- kundlichen Spaziergang ein- lädt, jagt eine Sensation die nächste. Zu alledem weiß der Ortsheimatpfleger spannen- de Geschichten zu erzählen, während er die Teilnehmer durch traumschöne Land- schaften führt. Das hat sich scheinbar herumgesprochen. Am Freitagabend kommen über 40 Interessierte zum Treffpunkt am Alten Bahn- hof. „Ich freue mich ja“, ge- steht Hecker, „aber ob wir al- le in die kleinen Räume des Hauses Dassel passen, müs- sen wir dann sehen“. Doch nach einem kühlen Getränk unter alten Kasta- nienbäumen geht es erstmal los in Richtung Allagen. Na- türlich hat der Wanderführer eine Karte für jeden Teilneh- mer dabei. Die wird auf dem Fahrradweg ausgiebig erklärt und studiert. Dass immer ei- ne Schneise für die vorbeiflit- zenden Zweiräder frei blei- ben muss, bemerken die auf- merksam lauschenden Zuhö- rer oft erst, wenn schrilles Klingeln sie aufschreckt. So ist es auch, als Hecker hinter dem Tennisplatz auf die Wirkungsstätte von Vik- tor Röper hinweist. Der Un- ternehmer hatte um 1837 das Handwerk des Kettenschmie- dens ins Möhnetal gebracht. „Ein irgendwie verrückter Mensch“, soll er nach den Worten Heckers gewesen sein. Tatsächlich leitete er, um ein Wasserrad betreiben zu können, das Wasser aus der Wanne durch den Hohl- weg, der damals als Dorfweg diente: „Dann fing er fröhlich an mit der Drahtzieherei.“ Das noch gut sichtbare Kanal- bett, beziehungsweise die ehemals zweckentfremdete Hauptverkehrsader des Or- tes, betrachteten die so aufge- klärten Teilnehmer nun mit anderen Augen. Dabei, so er- fuhren sie, war Sichtigvor nur eine Zwischenstation Rö- pers auf dem Weg nach Alla- gen. Bereits mit 25 Jahren hatte er dort Bauanträge zur Errichtung einer Wasser- kraftanlage mit Staustufe zum Betrieb einer Drahtrolle eingereicht. Weil die Hürden zu groß waren, die Planun- gen zu lange dauerten, wich er nach Sichtigvor aus, ver- folgte sein eigentliches Ziel aber unbeirrt weiter und rea- lisierte es mit der Errichtung des nach ihm benannten Vik- toriawerkes um 1842. „Das Haus Dassel müsste eigent- lich Röper-Haus heißen“, so Willi Hecker, denn der Indus- trielle aus Anröchte hat es er- baut und mit seiner Familie viele Jahre darin gewohnt. Nach dieser geballten La- dung Industriegeschichte hält Willi Hecker vor den Überresten eines Bunkers. Laut erinnert er sich, wie er dessen Bau als Schüler beob- achtet hat: „Die Invasion in Frankreich war schon weit fortgeschritten.“ Manch wei- tere Überraschung wartet noch entlang der Wegstre- cke. Zum Beispiel die Grau- wackenbänke, die gut sicht- bar aus dem angrenzenden Waldhang herausragen. Der Stein ist, so Hecker, viel älter als der Warsteiner Kalkstein. 300 Millionen Jahre habe er auf dem Buckel: „Der War- steiner hat nur 90 Millionen.“ Dem Ausflug in die Geolo- gie schließt sich ein fast me- ditatives Intermezzo an. „Wir schlagen uns jetzt in die Bü- sche“, fordert Hecker die Gruppe auf und biegt auf ei- nen dicht bewachsenen Waldweg ab. Im Gänse- marsch, einzeln und meist schweigend, erklimmen die Teilnehmer unwegsames Ge- lände bis sommerlicher Heu- duft die gemähten Wiesen des Dassel-Parkes ankündigt. Dort wartet bereits Rainer Kleeschulte. Er führt die Gruppe fachkundig durch das heutige „Heimatmuseum Haus Dassel“ und lässt dabei die Geschichte des einst welt- bekannten Marmorwerkes Revue passieren: „Wenn Sie zufällig mal in New York sind, denken Sie daran, dass die im Empire State Building verbauten Mamorplatten aus Allagen kommen.“ In Er- manglung eines Mikrofons schickt er die vielen Besucher schließlich allein auf Erkun- dungstour, verweist zuvor aber noch auf die unter- schiedlichen Exponate. Unter anderem auf das Nilpferd- Skelett in der oberen Etage. Es stammt aus der Hinterlas- senschaft von Josef Loag. Der war als Tabakbauer vom Möhnetal aus nach Papua- Neuguinea und später zum Aufbau neuer Plantagen nach Kamerun gereist und hatte auf abenteuerlichen Wegen eine Vielzahl von Exponaten in seine Heimat geschickt. „Ich sage immer – wir haben hier im Haus Dassel das ge- fährlichste Tier Afrikas“, er- klärt Kleeschulte augenzwin- kernd, bevor sich die Teilneh- mer auf den Weg machen – zunächst durch das Heimat- museum und später dann über die Fahrradtrasse wie- der zurück zum Ausgangs- punkt. Auch im und am Haus Dassel gab es vielfältige Informationen und Sehenswertes. Meditatives Intermezzo

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Nordrhein-Westfalen

Noch

Tage!

Mülheimer legen an auf„Hennes, der jecke Narrenaar“

Julian Gockel und Tabea Döben taufen Schützenfestvogelmen traditionell auffädeltenund den Vogel damit deko-rierten. Die blau-roten Kettenstehen für die Vereinsfarbendes Juka-Karnevals und dierot-weiße Kombination ist so-wohl dem Kölner FC als auchder Karnevalsgeselschaft Mü-SiWa gewidmet.

In zwei Wochen, am Sonn-tag, 30. Juni, wird sich dasamtierende Königspaar nocheinmal im Festumzug durchMülheim präsentieren, bevordie Amtszeit zu Ende gehtund der nächste MülheimerKönig am Montag, 1. Juli, un-ter der Vogelstange beimSchießen auf „Hennes“ anle-gen wird.

Zuvor steht allerdings amkommenden Samstag, 22. Ju-ni, um 17 Uhr das Buschauf-setzen im Kalender der St. Pe-ter und Paul-Schützen. Dasdreitägige Fest startet dannam Samstag, 29. Juni, um 17Uhr mit dem Antreten zumKirchgang (17.30 Uhr) undden abendlichen Ehrungen.Am Sonntag, 30. Juni, tretendie Schützen um 14.30 Uhrzum Abholen des noch amtie-renden Königspaares an. Ge-stärkt durch den Frühschop-pen (ab 8.30 Uhr) geht esdann am Montag, 1. Juli, um9.30 Uhr unter die Vogelstan-ge. Nachmittags kann danndas neue Königspaar (16 UhrAntreten) im Festzug bewun-dert werden. jif

prangt. Weil König Julian Go-ckel begeisterter Fan des 1.FC Köln und Mitglied im Fan-club „Kölsche Klüngel Möh-netal“ ist, ist der Holzaar istin diesem Jahr ein richtiger„kölsche Jung“. Parallel zurVorliebe für den rheinischenFußball sind beide Majestä-ten im heimischen Karnevalaktiv. Königin Tabea tanzt inder Juka-Damengarde Bele-cke und König Julian ist inder Prinzengarde MüSiWa ak-tiv. Dazu passen auch die Far-ben der Eier, die die Hofda-

Mülheim – Kurz vor demSchützenfest und im Beiseinseines Hofstaats hat das am-tierende Mülheimer Königs-paar Julian Gockel und TabeaDöben am Freitag den vonBernd Heinze gebautenSchützenvogel getauft.

„Hennes, der jecke Narre-naar“ heißt der außerge-wöhnliche Holzvogel, der indiesem Jahr Geißbockhörnerunter der Krone trägt und ei-nen Fußball als Apfel in denKrallen hält, an dem zudemeine Figur des Kölner Doms

Tabea Döben und Julian Gockel tauften den neuen Mülhei-mer Schützenfestvogel auf den Namen „Hennes, der jeckeNarrenaar“. FOTO: FRENZ Industriegeschichte kombiniert mit Naturkunde vermittelte Ortsheimatpfleger Willi Hecker beim Spaziergang, der mit

40 Interessierten auf eine große Resonanz stieß. FOTOS: INGIRD SCHMALLENBERG

Vom Bunker bis zur VillaAndrang bei heimatkundlicher Wanderung mit Willi Hecker

VON INGRID SCHMALLENBERG

Sichtigvor – Ein Nilpferdske-lett aus Kamerun, MillionenJahre alte Grauwackenbänke,eine schlossähnliche Fabri-kantenvilla mit Wänden ausreinem Marmor und eine ver-fallene Bunkeranlage – wennWilli Hecker zum heimat-kundlichen Spaziergang ein-lädt, jagt eine Sensation dienächste. Zu alledem weiß derOrtsheimatpfleger spannen-de Geschichten zu erzählen,während er die Teilnehmerdurch traumschöne Land-schaften führt. Das hat sichscheinbar herumgesprochen.Am Freitagabend kommenüber 40 Interessierte zumTreffpunkt am Alten Bahn-hof. „Ich freue mich ja“, ge-steht Hecker, „aber ob wir al-le in die kleinen Räume desHauses Dassel passen, müs-sen wir dann sehen“.

Doch nach einem kühlenGetränk unter alten Kasta-nienbäumen geht es erstmallos in Richtung Allagen. Na-türlich hat der Wanderführereine Karte für jeden Teilneh-mer dabei. Die wird auf demFahrradweg ausgiebig erklärtund studiert. Dass immer ei-ne Schneise für die vorbeiflit-zenden Zweiräder frei blei-ben muss, bemerken die auf-merksam lauschenden Zuhö-rer oft erst, wenn schrillesKlingeln sie aufschreckt.

So ist es auch, als Heckerhinter dem Tennisplatz aufdie Wirkungsstätte von Vik-tor Röper hinweist. Der Un-ternehmer hatte um 1837 dasHandwerk des Kettenschmie-dens ins Möhnetal gebracht.„Ein irgendwie verrückterMensch“, soll er nach denWorten Heckers gewesensein. Tatsächlich leitete er,um ein Wasserrad betreibenzu können, das Wasser ausder Wanne durch den Hohl-weg, der damals als Dorfwegdiente: „Dann fing er fröhlichan mit der Drahtzieherei.“Das noch gut sichtbare Kanal-bett, beziehungsweise dieehemals zweckentfremdete

Hauptverkehrsader des Or-tes, betrachteten die so aufge-klärten Teilnehmer nun mitanderen Augen. Dabei, so er-fuhren sie, war Sichtigvornur eine Zwischenstation Rö-pers auf dem Weg nach Alla-gen. Bereits mit 25 Jahrenhatte er dort Bauanträge zurErrichtung einer Wasser-kraftanlage mit Staustufezum Betrieb einer Drahtrolleeingereicht. Weil die Hürdenzu groß waren, die Planun-gen zu lange dauerten, wicher nach Sichtigvor aus, ver-folgte sein eigentliches Zielaber unbeirrt weiter und rea-lisierte es mit der Errichtungdes nach ihm benannten Vik-toriawerkes um 1842. „DasHaus Dassel müsste eigent-lich Röper-Haus heißen“, soWilli Hecker, denn der Indus-trielle aus Anröchte hat es er-baut und mit seiner Familieviele Jahre darin gewohnt.

Nach dieser geballten La-dung Industriegeschichtehält Willi Hecker vor denÜberresten eines Bunkers.Laut erinnert er sich, wie erdessen Bau als Schüler beob-achtet hat: „Die Invasion inFrankreich war schon weitfortgeschritten.“ Manch wei-

tere Überraschung wartetnoch entlang der Wegstre-cke. Zum Beispiel die Grau-wackenbänke, die gut sicht-bar aus dem angrenzendenWaldhang herausragen. DerStein ist, so Hecker, viel älterals der Warsteiner Kalkstein.300 Millionen Jahre habe erauf dem Buckel: „Der War-steiner hat nur 90 Millionen.“

Dem Ausflug in die Geolo-gie schließt sich ein fast me-ditatives Intermezzo an. „Wirschlagen uns jetzt in die Bü-sche“, fordert Hecker dieGruppe auf und biegt auf ei-nen dicht bewachsenenWaldweg ab. Im Gänse-marsch, einzeln und meistschweigend, erklimmen dieTeilnehmer unwegsames Ge-lände bis sommerlicher Heu-duft die gemähten Wiesendes Dassel-Parkes ankündigt.

Dort wartet bereits RainerKleeschulte. Er führt dieGruppe fachkundig durchdas heutige „HeimatmuseumHaus Dassel“ und lässt dabeidie Geschichte des einst welt-

bekannten MarmorwerkesRevue passieren: „Wenn Siezufällig mal in New Yorksind, denken Sie daran, dassdie im Empire State Buildingverbauten Mamorplatten ausAllagen kommen.“ In Er-manglung eines Mikrofonsschickt er die vielen Besucherschließlich allein auf Erkun-dungstour, verweist zuvoraber noch auf die unter-schiedlichen Exponate. Unteranderem auf das Nilpferd-Skelett in der oberen Etage.Es stammt aus der Hinterlas-senschaft von Josef Loag. Derwar als Tabakbauer vomMöhnetal aus nach Papua-Neuguinea und später zumAufbau neuer Plantagen nachKamerun gereist und hatteauf abenteuerlichen Wegeneine Vielzahl von Exponatenin seine Heimat geschickt.„Ich sage immer – wir habenhier im Haus Dassel das ge-fährlichste Tier Afrikas“, er-klärt Kleeschulte augenzwin-kernd, bevor sich die Teilneh-mer auf den Weg machen –zunächst durch das Heimat-museum und später dannüber die Fahrradtrasse wie-der zurück zum Ausgangs-punkt.

Auch im und am Haus Dassel gab es vielfältige Informationen und Sehenswertes.

MeditativesIntermezzo

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