W o r t b i l d u n g Wortbildung vs. Wortschöpfung · Partikelverben sind sehr produktiv. Die...

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1 W o r t b i l d u n g Wortbildung vs. Wortschöpfung Wortbildung: - Lehre von der Bildung der Wörter - Produkte der Wortbildung - Bildung mit vorhandenem Material und Regeln Wortschöpfung: - „Schöpfen“ eines Wortes ohne Rückgriff auf Vorhandenes Okkasionelle Wortbildung: - Einmalbildungen, z. B. von Schriftstellern (zu lat. occasio ‚Gelegenheit’) Um was handelt es sich bei den unterstrichenen Wörtern? ... solche fetten Hausmeistertypen wie Grönemeyer ... natürlich gewinnt den ersten Echo Anastacia, sprich anästeyischia. Ein blutleerer Brüllelefant ... (SDZ 4.4.05, S. 15) Hausmeistertyp = Wortbildung Echo = Wortschöpfung Anästeyischia = Einmalbildung Brüllelefant = Einmalbildung

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1

W o r t b i l d u n g

Wortbildung vs. Wortschöpfung

Wortbildung:

- Lehre von der Bildung der Wörter

- Produkte der Wortbildung

- Bildung mit vorhandenem Material und Regeln

Wortschöpfung:

- „Schöpfen“ eines Wortes ohne Rückgriff auf Vorhandenes

Okkasionelle Wortbildung:

- Einmalbildungen, z. B. von Schriftstellern

(zu lat. occasio ‚Gelegenheit’)

Um was handelt es sich bei den unterstrichenen Wörtern?

... solche fetten Hausmeistertypen wie Grönemeyer ... natürlich gewinnt den

ersten Echo Anastacia, sprich anästeyischia. Ein blutleerer Brüllelefant ...

(SDZ 4.4.05, S. 15)

Hausmeistertyp = Wortbildung

Echo = Wortschöpfung

Anästeyischia = Einmalbildung

Brüllelefant = Einmalbildung

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Bausteine (Konstituenten) der Wortbildung

Wörter, die grammatisch kategorisiert sind,

Morpheme

Grammatische Wortklassen (Wortartenbestimmung)

Verb: +flektierbar, +konjugierbar

Nomen: +flektierbar, -konjugierbar, +genusfest

Adjektiv: +flektierbar, -konjugierbar, -genusfest, +komparierbar

Pronomen: +flektierbar, -konjugierbar, -genusfest, -komparierbar

Adverb: -flektierbar, +satzgliedfähig

Satzadverb: -flektierbar, -satzgliedfähig, -fügend, +satzwertig

Partikel: -flektierbar, -satzgliedfähig, -fügend, -satzwertig

Präposition: -flektierbar, -satzgliedfähig, +fügend, +kasusfordernd

Konjunkt.: -flektierbar, -satzgliedfähig, +fügend, -kasusfordernd

Partikeln

(-flektierbar), (-selbstständig), (+modifizierend)

·Abtönungspartikeln (Gab es etwa keinen Mann?)

(-flektierbar, (-selbstständig), (+Illokution modifizierend)

·Gradpartikeln (Nur eine Frau gab es.)

(-flektierbar), (-selbstständig), (+skalierend)

·Vergleichspartikeln (Ein Mann wie ein Baum.)

(-flektierbar), (-selbstständig), (+vergleichend)

·Negationspartikeln (Keineswegs darf es regnen.)

(-flektierend), (-selbstständig), (+negierend)

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Satzwörter

(-flektierend), (+selbstständig), (+Satzbezug)

·Modalwörter Dummerweise hat sie es geglaubt.

(-flektierend), (+selbstständig), (+Satzbezug)

·Reaktive Ihre Fahrkarte, bitte!

(-flektierend), (+selbstständig), (+Satzbezug)

·Interjektionen Huch, ist das kalt!

(-flektierend), (+selbstständig), (+Satzbezug)

Fügewörter (-flektierend), (-selbstständig), (+verbindend)

·Konjunktoren Es ist kalt und trocken.

(-flektierend), (-selbstständig), (+koordinierend verbindend), (-kasusfordernd)

·Subjunktoren Es ist kalt, denn es liegt Schnee.

(-flektierend), (-selbstständig), (+subordinierend verbindend), (-kasusfordernd)

·Präpositionen Die Blumen stehen auf dem Tisch.

(-flektierend), (-selbstständig), (+subordinierend verbindend), (+kasusfordernd)

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Morpheme

● Morpheme sind die kleinsten lautlichen oder graphischen Einheiten mit einer

Bedeutung oder grammatischen Funktion.

● Sie bilden die Konstituenten d. Wortstruktur.

● Durch Kombination von Morphemen entstehen neue Wörter und Wortformen.

Die Morphemarten

Basismorphem (BM): Sie bilden die Basis der Wortbildung.

Wortbildungsmorphem (WBM): Mit ihnen entstehen neue Wortbildungen

(Derivationen), indem ein Präfix oder

Suffix als WBM angefügt wir

Grammatische Morpheme (FM): Mit Hilfe von grammatischen Morphemen

oder Flexionsmorphemen werden

Wortformen gebildet.

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Kriterien der Erfassung von Morphemen nach Schippan:

a) nach ihrer Bedeutung/Funktion

b) nach dem Grad ihrer Selbstständigkeit

c) nach ihrer Position

d) nach ihrer Reproduzierbarkeit

Bedeutung und Funktion

1. Basismorpheme (BM) tragen die lexik.-begriffliche Bedeutung

2. Wortbildungsmorpheme vermitteln lexikalisch-begriffliche u.

(WBM) grammatische Informationen

3 Flexionsmorpheme (FM) tragen die grammatische Bedeutung

4. Fugenelemente (FE) sind wortinterne fakult. Verknüpfungselemente

Grad der Selbstständigkeit

1. Freie Morpheme: - Basismorpheme (Berg, Maus, Tisch)

- Konfixe als Kurzwort (Mini tragen, zur Disko

gehen)

2. Gebundene Morpheme: -Wortbildungsmorpheme (un-frei)

-Flexionsmorpheme, an BM gebunden (Tür-en)

-Verbale Basismorpheme, an ein FM gebunden

(nehm-en, les-en, wein-en)

-Unikale Morpheme, nur aus der Wortgeschichte

zu deuten (Sint-flut/mhd. sin(e) ‚gewaltig’; Un-

flat/mhd. vlāt ‚Sauberkeit, Schönheit’

Position

Additive Morpheme: -Wortbildungsmorpheme oder Affixe (dem BM

hinzugefügt) /Präfixe/links vom BM/ver-binden,

Suffixe/rechts vom BM/wasch-bar,

Zirkumfixe/umschließen das BM/ be-leid-ig(en)

-Flexionsmorpheme, die dem BM hinzugefügt

werden (leg-te, ge-leg-t)

Einsetzbare Morpheme: -implizite Morpheme/mit grammatischer

Funktion (sang, Väter)

Allomorphe/ ohne grammatische Funktion

(Gesang, mütterlich)

Reproduzierbarkeit Morpheme sind in der Regel reproduzierbar,

wiederholbar und im Gedächtnis für neue

Kombinationen abrufbar.

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Zur Semantik von Wortbildungskonstruktionen (WBK)

● WBK stellen meist Morphemkonstruktionen dar.

● Jedes Wort ist hirarchisch strukturiert, es besteht aus unmittelbaren und

mittelbaren Konstituenten.

● Deutsche Wörter sind binär und rechtsköpfig strukturiert.

Konstituentenstruktur von Langkornreis:

Langkornreis

Langkorn reis

Lang korn

► Kompositionalitätsprinzip:

Die Bedeutung einer WBK ergibt sich aus der Bedeutung der Bestandteile und

der Bedeutung der Relation zwischen den Bestandteilen.

Das Kompositionalitätsprinzip wird mit dem Verfahren der Paraphrasierung

umgesetzt, d. h. die Bedeutungsbeziehung zwischen den Bestandteilen einer

WBK wird durch eine semantisch mehr oder weniger äquivalente Wortverbin-

dung erhellt (z.B. Langkornreis ‚Reis mit länglicher Kornform’).

WBK Paraphrasierung

Schichtarbeit ‚Arbeit in Schichten’

Schieferdach ‚mit Schieferplatten gedecktes Dach’

breitschultrig ‚breite Schultern habend’

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Hauptwortbildungsarten:

Komposition (Wort+Wort): Wahrheitsliebe

‚Liebe (der) Wahrheit’

Derivation (Wort+ WBM) Wahrheit = Wahr+heit

Arten der Derivation

Explizite Derivation:

Präfigierung Präfixbildung (Präfix + Wort): un+wahr

Suffigierung Suffixbildung (Wort + Suffix): glaub+haft

Kombinatorische Derivation Kombinatorisches Derivat

(Präf. + Wort + Suff)

Ge–lüg–e

Implizite Derivation: Implizites Derivat

(Wort + Nullmorphem /Ø)

(der) Raub = raub– Ø

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Konstituentenanalyse

Strukturelle Charakteristika von Wortbildungen

● Morphemkombinationen

● Hierarchisch aufgebaut (UKs und MKs)

● In der Regel binär und rechtsköpfig strukturiert

Morphembäume: Darstellung der Morphemstruktur der Wortbildung

(oder Morphemdarstellung, Morphemschreibung)

Kategorienbäume: Darstellung der Struktur der Wortkategorien

(oder Kategoriendarstellung, Kategorienschreibung)

Klammerstrukturen: Darstellung der Klammerstruktur der Wortbildung

(oder Klammerdarstellung, Klammerschreibung)

Die Klammerschreibung ist die lineare Variante der Kategorienschreibung.

Morphembaum von Regenbogen:

Wort

Stamm

Wurzel

BM BM

Regen bogen

Kategorienbaum von Regenbogen:

N

N N

Regen bogen

Klammerstruktur von Regenbogen:

[N [N Regen] [N bogen] ]

Stamm: Kombination aus mindestens zwei Basismorphemen bzw.

Basismorphem(en) u. Wortbildungsmorphem(en)

Wurzel: Das BM, welches Grundlage der Wortbildung ist. Teil, der nach

Abstreichen von WBM oder determinierenden Basismorphemen übrig bleibt.

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Zur Wortbildungsart Komposition

► in der Regel binär strukturiert

BM+BM Haus+Tür=Haustür

MK+MK Bildung+Bedürfnis=Bildungsbedürfnis

► 2 Kompositionstypen:

Determinativkomposita (DK) hypotaktische Relation zwischen den UK

Kopulativkomposita (KK) parataktische Relation zwischen den UK

Das Determinativkompositum im engeren Sinn

► 1. UK (Determinans) determiniert die 2. UK (Determinatum)

► Nominale DK: 2. UK ist ein Nomen

NN-Kompositum Nomen (1. UK)+Nomen (2. UK) Garten-zaun

AN-Kompositum Adjektiv (1. UK)+Nomen (2. UK) Früh-beet

VN-Kompositum Verb (1. UK)+Nomen (2. UK) Such-hund

Die Zusammenbildung

1. UK ist eine Wortgruppe (WG) Wortgruppe-Wort-Relation:

(Achtstunden-tag)

a) Zusammenbildung mit hypotaktischer Relation zwischen den WG-

Konstituenten: nur das Kernwort der WG ist Wurzel

Dreiraum(Wurzel)wohnung WG: drei Räume

Rundtisch(Wurzel)gespräch WG: runder Tisch

b) Zusammenbildung mit parataktischer Relation zwischen den WG-

Konstituenten: alle Bestandteile der WG sind Wurzel

Hell(Wurzel)-Dunkel(Wurzel)-Effekt WG: hell und dunkel

Arzt(Wurzel)-Patienten(Wurzel)-Verhältnis WG: Arzt und Patient

Das Konfixkompositum

► Determinativkompositum (DK) mit fremdem gebundenen BM

Bio-gas 1. UK mit fremdem BM

Astro-nom Beide UK mit fremdem BM

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Das endozentrische Determinativkompositum (DK im engeren Sinn)

► 2. UK ist nicht nur morphologischer, sondern auch semantischer Head:

Kühlschrank ‚Schrank zum Kühlen von Lebensmitteln’

► Zwischen den UK besteht eine Modifikator-Kopf-Relation, d.h. die 2. UK

wird durch die erste modifiziert: Garten-zaun, Schönheits-farm

Das exozentrische Determinativkompositum oder Possessivkom-

positum

► Possessivkomposita sind immer Nomen

► Possessivkomposita liegt eine pars-pro-toto-Relation zugrunde, d. h. ein

Teil steht für das Ganze.

Rotkäppchen: ein Kleidungsstück (Käppchen) steht als Ganzes für

Mensch, ‚Mädchen mit roter Kappe als Märchenfigur’

Grünrock ein Kleidungsstück (Rock) steht als Ganzes für Mensch

‚Förster in grüner Uniform’

- Der grammatische Kopf liegt im Wort, d.h. die rechte UK bestimmt die

grammatische Kategorie des Gesamtwortes.

- Der semantische Kopf liegt außerhalb des Wortes (Bedeutungsübertragung: ein

Teil steht für ein Ganzes)

► Exozentrische DK ohne pars-pro-toto-Relation, d. h. ein Objekt als Ganzes

steht metaphorisch für ein anderes Objekt als Ganzes.

Angsthase Tier (Hase) steht als Ganzes für ‚ängstlicher Mensch’

Schluckspecht Tier (Specht) steht als Ganzes für ‚Mensch, der viel trinkt’

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Das Rektionskompositum

► Zwischen den UK besteht eine Argument-Prädikat-Relation

- Die semantische Relation ist grammatisch vorhersagbar:

Postzusteller Head-Konstituente ist ein Derivat des Verbs zustellen:

Zusteller jmd. (Agens) stellt jemandem (Adressat) etwas (Thema) zu

Es besitzt aufgrund seiner Rektionseigenschaft eine Argumentstruktur

(Argumente sind Agens, Adressat und Thema):

Postzusteller ‚Person, die Post zustellt’

Autofahrer ‚Person, die Auto fährt’

Mathematiklehrer ‚Lehrer, der Mathematik lehrt’

Die rechte UK muss nicht unbedingt ein Verbderivat sein.

Auch andere Wortarten können eine Argumentstruktur besitzen:

keimfrei ‚frei von etw., nämlich von Keimen’

einbruchsicher ‚sicher vor etw., vor Einbrüchen’

Das Nichtrektionskompositum

► 1. UK ist nicht Argument innerhalb der Argumentstruktur der Head-

Konstituente:

Unfallfahrer ist nicht ‚jmd., der Unfall fährt’

Hochschullehrer ist nicht ‚jmd., der Hochschule lehrt’

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Das Kopulativkompositum

► Zwischen den UK besteht eine semantisch-parataktische Relation

Da semantische Gleichrangigkeit besteht, sind die UK prinzipiell vertauschbar

(süßsauer vs. sauersüß)

Bei Zahlenkomposita und lexikalisierten Bildungen ist die Reihenfolge

festgelegt: (dreizehn, taubstumm)

► Beide UK sind Wurzel

► Beide UK gehören der gleichen Wortkategorie an

taubstumm taub und stumm

Fürstbischoff Fürst und Bischoff

Hassliebe Hass und Liebe

► Der Akzent dient als Merkmal zur Unterscheidung zwischen Determinativ- u.

Kopulativkomposita:

Akzent auf der 1. UK=DK ’rotbraun ‚ein zu Rot tendierendes Braun’

Akzent auf der 2. UK=KK rot’braun (rot-braun) ‚rot und braun (gestreift)’

► Farbadjektive mit kopulativer Beziehung zwischen den UK bezeichnen

farblich abgrenzbare Teile von Objekten:

schwarz-weiß ‚schwarz und weiß gestreift’

rot-grün ‚rot und grün gestreift’

► Farbadjektive mit determinativer Beziehung zwischen den UK

bezeichnen eine Farbmischung oder Farbabstufung:

blaugrün ‚bläuliches Grün’

dunkelrot ‚dunkles Rot’

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Die Zusammenrückung

Die Zusammenrückung ist ein besonderer Typ des Kompositums.

► Die UK der Zusammenrückung sind ebenfalls Basismorpheme, die allerdings

in keiner Verwendungsweise trennbar sind.

- Zusammenrückungen weichen in einigen Merkmalen deutlich von anderen

Komposita ab:

► Zusammenrückungen mit primär exozentrischer semantischer Relation wie

bei possessivischen DK, d.h. der semantische Kopf liegt außerhalb des Wortes:

Gernegroß ‚Person mit der Eigenschaft, im Mittelpunkt stehen zu wollen’

Vaterunser ‚Gebet mit Namen...’

► Die rechte UK ist nicht morphologischer Head und hat somit keinen Einfluss

auf die Kategorie des Gesamtwortes.

D.h. neben dem semantischen liegt auch der grammatische Kopf außerhalb des

Wortes, wodurch sich die Zusammenrückung eindeutig vom Possessiv-

kompositum unterscheidet:

Taugenichts Nomen, aber 2. UK = Pronomen

Nimmersatt Nomen, aber 2. UK = Adjektiv

► Zusammenrückungen sind häufig nicht binär strukturiert.

Sie können aus drei und mehr UK bestehen, die auf Syntagmen, imperativische

Sätze oder Wortgruppen zurückgehen.

Vergissmeinnicht imperativischer Satz

(ebs. Rührmichnichtan, Stelldichein, Tunichtgut)

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Zusammenfassung zur Komposition (Wort + Wort): dreizehn

Semantische Beziehung:

►hypotaktisch: Determinativkompositum(Haustür)

►parataktisch: Kopulativkompositum (taubstumm)

►nicht trennbare Glieder: Zusammenrückung (Taugenichts)

nicht binär: (Rührmichnichtan)

Besonderer Typ der Komposita

im Unterschied zu den Possessivkomposita liegen grammatischer u.

semantischer Kopf außerhalb des Wortes

Unterarten des DK

1. DK im engeren Sinn: produktivste Art unter den DK (Sonnenschirm)

2. WG-Wort-Relation = Zusammenbildung

hypotaktische Beziehung zwischen den Konstituenten der WG

(Dreiraumwohnung)

parataktische Beziehung zwischen den Konstituenten der WG

(Schwarz-Weiß-Aufnahme)

3. fremdes gebundenes BM = Konfixkompositum (Biogas)

4. Possessivkompositum:

mit besitzendem Merkmal u. als Ganzes metaphorisiert

Z. B. (der) Hinkefuß: grammatischer Kopf im Wort

‚Person mit Hinkefuß’ semantischer Kopf außerhalb

- mit pars-pro-toto-Relation (Teil/ Ganzes): Rotkäppchen ‘Mädchen, das ein

rotes Käppchen besitzt’ / Kleidungsstück als Teil für Mensch als Ganzes

- ohne pars-pro-toto-Relation (Ganzes/Ganzes): Metapher verkörpert bereits ein

Ganzes: Angsthase ‘ängstlicher Mensch’/ Tier steht für Mensch

5. Rektionskompositum: mit Argument-Prädikat-Relation zwischen den

Konstituenten

Postzusteller: ‘Postbeamter (Agens) stellt jmd. (Adressat) die Post (Thema) zu’

6. Nichtrektionskompositum: ohne Argumentstruktur: Unfallfahrer

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Zur Wortbildungsart Derivation

Wort + WBM (Derivationsaffix)=Derivat

►Derivate sind binär strukturiert.

►Das WBM ist phonetisch-phonologisch realisiert oder nicht realisiert.

Explizite Derivation

(mit phonetisch-phonologisch realisiertem WBM)

Derivationsaffix Subklasse

Präfix Präfigierung

Suffix Suffigierung

Präfix u. Suffix gleichzeitig Kombinatorische Derivation

(Zirkumfix) (Zirkumfixderivation)

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Präfigierung

1. UK gebunden (Präf) – 2. UK prinzipiell frei (Wortstatus):

(un + freundlich = unfreundlich)

2. UK = freies BM – Un + glück

2. UK = freie MK – Miß + verhältnis

Morphologischer Head und Präfix

►Der morphologische Head ist rechts positioniert und prägt die Wortkategorie.

Das links positionierte Präfix ist demzufolge nicht kategorieprägend:

(A un + treu; N Un + treue, V miß + trauen)

►Die Präfigierung ist ein wichtiges Mittel zur Differenzierung der Aktionsart

bei Verben:

er+blühen, ent+ brennen (ingressiv) Beginn, Ansatz eines Prozesses

ver+blühen, zer+stören (perfektiv) Verlauf u. Ende eines Prozesses

►Präfixe können Transitivierung bewirken:

(auf den Berg) steigen (den Berg) er+steigen

(in dem Haus) wohnen (das Haus) be+wohnen

schlafen (den Termin) ver+schlafen

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Präfixverben vs. Partikelverben

►Präfixverben werden mit Präfixen gebildet:

(be+kommen, ent+rinnen, er+zählen, ver+gehen, zer-reißen)

Verbpräfixe

-sind gebundene Morpheme ohne freie Entsprechung

-sind unbetont

-sind weder morphologisch noch syntaktisch trennbar

►Partikelpräfixverben werden mit Partikelpräfixen gebildet.

Ihnen entsprechen (im Gegensatz zu echten Präfixen) freie Morpheme:

(über+fordern, unter+zeichnen, hinter+fragen, voll+strecken, wider+rufen)

Ansonsten weisen sie die gleichen Merkmale wie Verbpräfixe auf (unbetont u.

nicht trennbar)

►Partikelverben werden mit Partikeln gebildet.

Sie unterscheiden sich deutlich von Präfixen und Partikelpräfixen:

(ab+fahren, aus+stellen, zu+binden, an+kommen)

Partikeln

-besitzen freie Entsprechungen

-werden generell betont

-sind sowohl morphologisch als auch syntaktisch trennbar

Partikelverben sind sehr produktiv.

►Die Partikelkonstituente kann unterschiedlichen Wortkategorien entsprechen:

Präposition ab+nehmen, an+weisen, auf+laden, zu+schneiden

Adverb zusammen+brechen, fort+setzen, zurück+weisen

Adjektiv fest+nageln, still+legen, tot+lachen

Substantiv preis+geben, wunder+nehmen, heim+gehen

►Das Partikelpräfix kann je nach Akzent Bestandteil eines Partikelverbs oder

eines Partikelpräfixverbs sein:

Partikelverb Partikelpräfixverb

’umfahren um’fahren

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►Partikel können Verben semantisch modifizieren:

schlafen ein+schlafen

fahren los+fahren

setzen um+setzen

►Doppelpartikelverben

a) Wortbildung erfolgt in einem Schritt Doppelpartikel + Verb

gegen/über+sitzen (übersitzen nicht möglich)

vor/aus+eilen (auseilen nicht möglich)

b) Wortbildung erfolgt in zwei Schritten Partikel + (Partikel+Verb)

mit/an+sehen (mit+ansehen)

ein/her+gehen (ein+hergehen)

Möglich ist auch die Kombination Partikel + (Präfix+Verb)

an/er+ziehen (an+erziehen)

ab/er+kennen (ab+erkennen)

um/ver+teilen (um+verteilen)

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Präfigierung oder Partikelverbbildung?

erblühen, entbrennen, aufblühen, abfahren

erblühen: Sie erblüht (nicht trennbar, unbetont): Präfigierung

entbrennen: Sie entbrennt (nicht trennbar, unbetont): Präfigierung

aufblühen: Sie blüht auf (trennbar, betont): Partikelverb

abfahren: Er fährt ab (trennbar, betont): Partikelverb

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Suffigierung

BM + Suffix Druck+erei

MK + Suffix Weltrekord+ler

WG + Suffix (Zusammenbildung) langhaar+ig, Dreimast+er

►Das Suffix ist morphologischer Head und prägt die Kategorie des

Gesamtwortes.

a) Suffigierung mit Änderung der Wortkategorie:

►Suffixe zur Bildung von Nomen:

(Leit+ung, Helf+er, Freundlich+keit, Klug+heit, Hemm+nis)

►Suffixe zur Bildung von Adjektiven:

(wasch+bar, kind+lich, furcht+sam, neid+isch)

►Suffixe zur Bildung von Adverbien:

(ehren+halber, bäuch+lings, viel+mals, mittag+s)

►Suffixe zur Bildung von Verben:

(sätt+ig(en), wild+er(n), kränk+el(n))

b) Suffigierung ohne Änderung der Wortkategorie:

Lehrer (N) Lehrerin (N)

Vogel (N) Vögelchen (N)

Tisch (N) Tischler (N)

arm (A) ärmlich (A)

tropfen (V) tröpfeln (V)

►Semantische Oppositionen –ig/-lich:

vierzehntägig (14 Tage lang) vierzehntäglich (alle 14 Tage)

fremdsprachig (in einer Fremdsprache) fremdsprachlich (über eine

Fremdsprache)

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Kombinatorische Derivation (Zirkumfixderivation)

- Präfix und Suffix bilden eine nichtwortfähige diskontinuierliche UK.

- Kombinatorische Derivate sind binär strukturiert.

- Das Suffix kann phonetisch-phonologisch realisiert oder nicht realisiert sein.

Explizites Präfix und Suffix als diskontinuierliche Konstituente

►Präfix und Suffix (=UK) umschließen ein BM oder eine MK.

(Ge+renn+e ver+unrein+ig+en)

►Das Suffix als rechter Teil des Zirkumfixes ist morphologischer Head und

bestimmt somit die Wortkategorie.

►Das Präfix wirkt semantisch modifizierend.

Präfix-Suffix-Kombinationen bei Zirkumfixen:

zur Bildung von Nomen: Ge...e Gelaufe, Gesinge

zur Bildung von Adjektiven: ge/be...t geblümt, benachbart

ge...ig geräumig

un...lich unausweichlich

zur Bildung von Verben: be...ig beschönigen

ver...ig vereidigen

►Kombinatorische Derivate gehen häufig auf historische Bildungen, auf alte

suffigierte Verben zurück:

bewilligen mhd. willigen

anschuldigen mhd. schuldigen

anheimeln mhd. heimeln

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Nullsuffix als rechter Teil der diskontinuierlichen Konstituente

Es gibt zwei Klassen von Nullsuffixen:

1. Nominalisierendes Nullsuffix

mit verbaler Basis: knistern → Ge+knister+ Ø

betteln → Ge+bettel+ Ø

brauen → Ge+bräu+ Ø

rauschen → Ge+räusch+ Ø

wachsen → Ge+wächs+ Ø

2. Verbalisierendes Nullsuffix

mit nominaler Basis: A matt → er+matt+Ø+en

fähig → be+fähig+Ø+en

flach → ver+flach+Ø+en

N Rente → be+rente+Ø+n

Fleck → be+fleck+Ø+en

Mutter → be+mutter+Ø+n

Schlüssel → ver+schlüssel+Ø+n

►Kombinatorische Derivate mit Nullsuffix sind Basis für weitere

Ableitungsprozesse:

be+fähig+Ø+en → Be+fähig+Ø+ung

ver+netz+Ø+en → Ver+netz+Ø+ung

Partikelpräfix + Nullsuffix

um+garn+Ø+en

über+brücke+Ø+n

unter+keller+Ø+n

Partikel + Nullsuffix

aus+boot+Ø+en

an+feind+Ø+en

ein+sarg+Ø+en

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Implizite Derivation

► Struktur:

-Wort (bzw. Wurzel) + Nullmorphem (Ø) (Flexionsmorphem)

-Ø ist der morphologische Kopf

► 2 Hauptarten:

1. Implizite Derivation mit nominalisierendem Nullsuffix

(N (V Fall) (Aff/Suff Ø))

V → N: fallen – Fall Ø

A → N: blau – Blau Ø

2. Implizite Derivation mit verbalisierendem Nullsuffix

(V (A kühl) (Aff/Suff Ø) ) F en

N → V: Leim – leim Ø (en)

A → V: kühl – kühl Ø (en)

Zu 1.) Implizite Derivation mit nominalisierendem Nullsuffix

Muster: V → N

►Bildungen, bei denen das FM des V nicht mit in das N eingebracht wird=

Bildungen mit Substanzverlust = „R ü c k b i l d u n g“

1. UK=BM 2. UK Ø (Fall Ø)

1. UK=MK (aus Präfix/Partikelpräfix/Partikel + BM)

(Erwerb Ø, Unterhalt Ø, Abwasch Ø)

Weit verbreitet sind komplexe Nomen aus starken Simplexverben in

Verbindung mit Präfix, Partikelpräfix oder Partikel mit verändertem

Stammvokal

(Präf./Partikelpräf./Part. + starkes Verb):

(Bewuchs Ø, Widerspruch Ø, Ausstieg Ø)

►Bildungen, bei denen das FM des V mit in das N eingebracht wird =

Bildungen ohne Substanzverlust = „K o n v e r s i o n“

(Lachen Ø, Gehen Ø, Schauen Ø)

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Muster: A → N

►Bildungen, bei denen das adjektivische Deklinationsmorphem nicht mit in

das N eingebracht wird:

(Grün Ø, Zwei Ø)

►Bildungen, bei denen das adjektivische Deklinationsmorphem mit in das N

eingebracht wird:

starkt flektiert: (ein, eine) Grün Ø er

schwach flektiert: (der, die, das) Grün Ø e

Zu 2) Implizite Derivation mit verbalisierendem Nullsuffix

Muster: N → V: (leim Ø en, salz Ø en, feil Ø en)

Muster: A → V: (kühl Ø en, weit Ø en, leer Ø en)

Ableitungsrichtung – Erkennungskriterien

► Semantisches Kriterium:

Ein Wort A ist aus einem Wort B abgeleitet, wenn A seine Semantik erst durch

den Bezug auf B erhält:

(fischen)A ist abgeleitet von (Fische)B fangen → fisch Ø en

►Strukturelle Kriterien:

-Präfixverben (Ertrag Ø → von ertragen)

(Präfixe verbinden sich nur mit Verben, demzufolge Ableitung vom Verb)

-Nomen mit abgelautetem Stammvokal können nur vom Verb abgeleitet sein

(Fund Ø →von finden, Griff Ø →von greifen)

-Adjektive werden nicht aus Verben abgeleitet, Verben dagegen aus Adjektiven

(kürz Ø en →von kurz, leer Ø en →von leer)

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Die Kurzwortbildung

Kurzwörter sind im Vergl. zu Komposita und Derivaten nicht binär strukturiert.

Hier gilt nicht die Regel X – YX.

Die Wortkategorie ändert sich nicht und auch semantisch treten keine

Modifizierungen auf.

Kurzwörter: sind die einzigen Wortbildungsprodukte, die ausschließlich durch

den Prozess der Kürzung aus anderen (bedeutungsäquivalenten)

Wortschatzelementen entstehen.

Sie sind phonemisch-phonetisch realisiert.

Kürzel wie usw., bzw., vgl., ebd., Dr., Abb., Hrsg. ... sind nicht phonemisch-

phonetisch realisiert. D.h. sie werden nicht ausgesprochen, existieren nur

graphisch und zählen daher nicht zu den Kurzwörtern.

Sie vertreten den Bereich der Abkürzungen.

Ausgangsform (Vollform):

-Einzelwort (Transformator – Trafo)

-lexikalisierte Wortgruppe (Mitteldeutscher Rundfunk – MDR)

(Häufig in der fachsprachlichen Kommunikation)

-Bei fremdsprachigen Kurzwörtern wird die entsprechende Vollform im

Deutschen meist nicht gebraucht: PIN / Personal identification number)

1. Klassifizierung der KW nach der Zahl ihrer Segmente:

Kurzwort

(1) unisegmentale (2) partielle (3) multisegmentale Kurzwörter

zusammenhängender einzige Gruppe nicht zusammenhängende Teile

Teil ihrer Vollform mit UK-Struktur der Vollform

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(1) Das unisegmentale KW

Nach Position des zusammenhängenden Teils in der Vollform werden

unterschieden:

Kopfwörter – Endwörter (Schwanzwörter) – Rumpfwörter

Das Kopfwort

Eine Vollform wird auf ihren Anfang gekürzt:

Abi(tur), Akku(mulator), Demo(nstration), Abo(nnement), Jumbo(jet)

Das Endwort

Eine Vollform wird auf ihr Ende verkürzt:

(Jo)achim, (Omni)bus, (Violon)cello

Das Rumpfwort

Eine Vollform wir auf einen mittleren Teil verkürzt:

(E)lisa(beth), (Se)basti(an)

Kombination aus Wortkürzung und expl. Derivation:

Gleichzeitig Kürzung + Suffigierung

Pullover: Pull+ Suff i (*Pull), Gorbatschow: Gorbi (*Gorb); engl. Profesional:

Profi (*Prof)

Alle KW, die aus mehr als einem Segment ihrer Vollform bestehen, gehören zu

den partiellen oder multisegmentalen KW.

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(2) Das partielle KW:

Es ist die einzige Gruppe mit UK-Struktur.

Die Vollform ist ein Determinativkompositum, bei dem nur der

determinierende Teil (die 1. UK) gekürzt wird, die 2. UK wird nicht gekürzt:

Untergrundbahn = U-Bahn

Verbindungsmann = V-Mann

Electronic Mail = E-Mail,

Schutzkontaktstecker = Schukostecker

(Altmann, Kemmerling:

Folgen in einer Wortbildungskonstruktion zwei identische Elemente unmittelbar aufeinander,

wird die Bildung um eine dieser Konstituenten gekürzt:

U-Bahn-Bahnhof = U-Bahnhof

S-Bahn-Bahnsteig = S-Bahnsteig

Bei partiellen KW darf die gekürzte Form nicht als isoliertes KW gleicher Bedeutung

existieren. Ist dies der Fall, handelt es sich nicht um Kürzung, sondern um ein Kompositum:

OP-Schwester = KW OP + Nomen Schwester = Determinativkompositum

Uni-Leitung = KW Uni + Derivat Leitung = Determinativkompositum

In der Literatur werden Bildungen wie Ku(rfürsten)damm oder Deo(dorant)spray häufig als

„Kopf-Schwanz-Wörter“ bezeichnet (Altmann u. Kemmerling 2000, 41).

Diese Bildungen würden hier als partielles Kurzwort oder als

Determinativkompositum eingeordnet:

Kurfürstendamm (Vollform = DK) = Ku + Nomen Damm = Kudamm /DK mit

Kürzung der 1. UK (denn Ku gibt es nicht als isoliertes KW) = partielles

Kurzwort

Deospray/Deoroller = KW Deo + Roller/Spray = Kompositum (1. UK ist

isoliertes KW)

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(3) Das multisegmentale Kurzwort

Kurzwörter, die aus mehreren, nicht zusammenhängenden Segmenten der

Vollform bestehen.

Deren komplexe Vollform (Wort, Wortgruppenlexem) ist nicht nur teilweise,

sondern in allen Bestandteilen gekürzt.

Nach dem Grad der Kürzung wird diese Gruppe weiter differenziert in

●Initialkurzwort (auch Acronym)

●Silben kurzwort

●Mischkurzwort

Initialkurzwort (häufigste Gruppe)

mit alphabetischer Aussprache:

BND (Bundesnachrichtendienst/Wort)

EG (Europäische Gemeinschaft/WG)

IOK (Internationales Olympisches Komitee/WG)

IQ (Intelligenzquotient/Wort)

mit phoentisch gebundener Aussprache:

TÜV (Technischer Überwachungs-Verein)

UNO (engl. United Nations Organization)

Silbenkurzwort

Die Segmente des KW entsprechen dessen Silben.

Juso (Jungsozialist)

Kripo (Kriminalpolizei)

Stasi (Staatssicherheit)

Mischkurzwort

Diese sind weniger produktiv.

Sie stellen eine Kombination aus Initialkurzwort und Silbenkurzwort dar:

Edeka (Einkaufgenossenschaft deutscher Kolonialwarenhändler)

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Nicht zu den Kurzwortbildungen zählen:

Morphemkonstruktionen mit Konfixen.

Sie werden den Komposita oder expl. Derivaten zugeordnet.

Biochemie, Psychothriller

Ebs. Wortkreuzungen (-kontaminationen, -mischungen).

Sie sind nicht Kurzform zu einer bedeutungsäquivalenten Vollform.

Es sind Neubenennungen (oft expressive Wirkung):

Kurlaub = Kur + Urlaub, Milka = Milch + Kakao

Medizyniker = Mediziner + Zyniker (expressiv)

------------------------------------------------------------------------------------------------

Altmann/Kemmerling:

Wortkreuzungen sind insbes. in der Werbe- und Pressesprache produktiv.

Ihr Anteil an den Wortbildungen ist sehr gering.

Viele Strukturen sind semantisch durchsichtig, einige nicht, z.B.

Persil (Perborat u. Silikat)

Zugrundeliegende Strukturen:

-Kopulative Strukturen: Milka (Milch u. Kakao)

-Determinative Struktur: Cybernaut (Astronaut im Cyberspace)

-Bildungen, die beide Interpretationen zulassen: Kurlaub (Kur u. Urlaub =

kopulativ, ein Urlaub, der gleichzeitig eine Kur ist = determinativ)

Weitere Wortkreuzungen:

Brunch (breakfest + lunch)

Wortkreuzungen imitieren häufig Versprecher, mit der Absicht, witzig zu sein:

Hotelführer/Verführer = Hotelverführer

Orientexpresszug/erpressen = Orienterpresszug

Literatur/Tour = Litera-Tour

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Zusammenfassung:

Kurzwortbildung

1. Unisegmentales KW (aus einem zusammenhängenden Teil der Vollform)

1.1 Kopfwort Abi – (tur)

1.2 Endwort (Omni)-bus

1.3 Rumpfwort (E)-lisa-(beth)

2. Partielles KW (einzige Gruppe mit UK-Struktur, 1.UK gekürzt)

V-Mann (Verbindungsmann): V (1.UK)-Mann (2.UK)

3. Multisegmantales KW (aus nicht zusammenhängenden Teilen der Vollform)

3.1 Initialkurzwort

IQ (Intelligenzquotient) mit alphabetischer Aussprache

TÜV (Technischer Überwachungs-Verein) mit phonetisch gebundener

Aussprache

3.2 Silbenkurzwort

Kripo (Kriminalpolizei)

3.3 Mischkurzwort (Kombination von Initial- u. Silbenkurzwort)

Edeka (Einkaufsgenossenschaft deutsche Kolonialwarenhändler)

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Altmann/Kemmerling:

Wortkürzungen auf –i

Abi(tur), Krimi(nalfilm), Nazi(onalsozialist), Promi(nenter), Sozi(alist)

(im Sinne von Römer/Matzke unisegmentales Kurzwort, Kopfwort)

Diese bilden den Kern einer größeren Gruppe auf –i:

Einzelne Beispiele sind nicht mehr als Wortkürzungen zu interpretieren:

Pulli, Ami, Knasti, Profi, Schwuli, Softi, Spasti, Taxi (neologistisches i-Suffix)

Parallell dazu existieren Wortkürzungen auf –o:

Auto(mobil), hetero(sexuell), Demo(nstration), momo(sexuell), Info(rmation),

Kilo(gramm), Klo(sett), Mikro(phon), Makro(skop), Repro(graphie),

Photo(graphie), Tacho(meter)

Auch hier gibt es Bildungen mit einem o-Bestandteil, der ebs. als

neologistisches Suffix zu interpretieren ist: logo, Realo, Prolo.

Weitere Literatur:

Altmann, Hans und Kemmerling, Sike: Wortbildung fürs Examen. Vandenhoeck

& Ruprecht. Göttingen 2005.

Donalies, Elke: Die Wortbildung des Deutschen. Ein Überblick. 2. Aufl., Narr

Verlag. Tübingen 2005.

Kobler-Trill, Dorothea: Das Kurzwort im Deutschen. Eine Untersuchung zu

Definition, Typologie und Entwicklung. (=Germanistische Linguistik, Nr. 149).

Max Niemeyer Verlag. Tübingen 1994.