Wachstumskritik (Externalitäten, Krisen, Ungleichheit) …Grundlagen+Wirtschaf… · Ungleichheit)...

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Prof. Dr. Martin Leschke Lehrstuhl für VWL V insb. Institutionenökonomik Veranstaltung im Rahmen der Vorlesung „Grundlagen der Wirtschaftspolitik“ von Prof. Dr. Andreas Freytag, FSU Jena Wachstumskritik (Externalitäten, Krisen, Ungleichheit) und Alternativkonzepte (Niko Paech und Christian Felber) Auszug aus „Governance, Wettbewerb und gesellschaftliche Entwicklung“, WS 2015/2016 11. Januar 2016, 10.15, HS 2, Carl-Zeiss-Str.3 1

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Veranstaltung im Rahmen der Vorlesung „Grundlagen der Wirtschaftspolitik“ von Prof. Dr. Andreas Freytag, FSU Jena

Wachstumskritik (Externalitäten, Krisen,

Ungleichheit) und Alternativkonzepte (Niko Paech und Christian Felber)

Auszug aus „Governance, Wettbewerb und gesellschaftliche

Entwicklung“, WS 2015/2016 11. Januar 2016, 10.15, HS 2, Carl-Zeiss-Str.3

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Gliederung

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1. Der Vorrang der Kollektiv- vor der Individualentscheidung: konstitutionelle Ökonomik vs Markt- und Wohlfahrtsökonomik

2. Homo Oeconomicus vs Verhaltensökonomik: Welches Modellbild benötigt man wofür? 3. Die Begründung von Wettbewerb und die Regeln der Wettbewerbsordnung

(Smith, Buchanan, Eucken, Hayek) 4. Schumpeters innovativer Unternehmer als Motor und Zerstörer in der Marktwirtschaft 5. Die Wachstumsspirale (Eigentum, Zins und Wachstum: Heinsohn/Steiger, Binswanger) 6. Keynes‘ Marktpessimismus: Diagnose und Therapie 7. Demokratieprobleme: Public Choice und die Bindung der Mehrheit (Eucken, Buchanan, Hayek) 8. Das Korruptionsproblem: Diagnose und Lösungen 9. Das „Good-Governance-Konzept“ der Weltbank und weitere Mess-Konzepte 10.Spielarten des Kapitalismus mit Blick auf die Governancestrukturen (Baumol) 11.Selbstzerstörungstendenzen der Marktwirtschaft nach Marx (und Schumpeter) 12.Wachstumskritik (Externalitäten, Krisen, Ungleichheit) und Alternativkonzepte

(Paech und Felber)

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Gliederungspunkt

12. Wachstumskritik (Externalitäten, Krisen, Ungleichheit) und Alternativkonzepte

(Niko Paech und Christian Felber)

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Übersicht

1. Einleitung: Inspiration

2. Das Problem der Endlichkeit der Ressourcen 3. Der Ansatz von Nico Paech 4. Der Ansatz von Christian Felber 5. Kritische Betrachtung der Ansätze aus Sicht der

konstitutionellen Ökonomik 6. Resümee

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• Inspiration Seit Fukuyamas „Ende der Geschichte“ im Jahr 1992 nach

der Transformation der MOE-Staaten hat sich der Widerstand gegen die Marktwirtschaft neu formiert: die Postwachstumsökonomen erleben einen zweiten Frühling. Viele Studenten des dem Mainstream kritisch gegenüberstehenden Netzwerks „Plurale Ökonomik“ stehen den Ideen der Postwachstumsökonomen positiv gegenüber.

1. Einleitung

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• Ein Wirtschaftssystem mit Wachstumszwang Heinsohn und Steiger (2008) sowie Binswanger (2009)

haben anschaulich dargelegt, dass ein kreditfinanziertes (Vorfinanzierung plus Zins), wettbewerbliches Wirtschaftssystem einen Wachstumszwang auslöst.

• … trifft auf endliche Ressourcen Die Ressourcen auf der Erde sind endlich (Öl, Gas, andere

Rohstoffe). Ein System mit Wachstumszwang, dass auf endliche Ressourcen trifft, wird nun „logischerweise“ zahlreiche Externalitäten auslösen: Klimawandel, Übernutzungen natürlicher Ressourcen, Umweltverschmutzungen … (v.a. wechselseitige Fremdschädigungen und damit letztlich Selbstschädigungen in der Zukunft).

2. Das Problem der Ressourcenendlichkeit

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2. Das Problem der Ressourcenendlichkeit

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2. Das Problem der Ressourcenendlichkeit

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• Insgesamt lassen sich einige besorgniserregende Verstöße gegen das Prinzip der Nachhaltigkeit erkennen:

• das Problem der ökologischen Übernutzung der Erde (Externalitätenproblem),

• das Problem der Überschuldung, • das Problem unkalkulierbarer Wirtschaftskrisen und des

wirtschaftlichen „Absturzes“, • das Problem zunehmender Ungleichheit und

Ungerechtigkeit.

Schlussfolgerung der Wachstumskritiker: Nur ein Systemwechsel hin zur Postwachstumsökonomie kann

Abhilfe schaffen!

2. Das Problem der Ressourcenendlichkeit

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• Wer ist Niko Paech? Niko Paech (* 9. Dezember 1960 in Schüttorf) ist ein deutscher

Volkswirt und seit 2010 Vertretungsprofessor am Lehrstuhl für Produktion und Umwelt („PUM“) an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem im Bereich der Umweltökonomie, der Ökologischen Ökonomie und der Nachhaltigkeitsforschung.

2014 wurde er mit dem Zeit-Wissen-Preis „Mut zur Nachhaltigkeit“

ausgezeichnet. Die Jury bezeichnete ihn als „weltweit eine der Lichtgestalten in der Postwachstumsdiskussion“.

3. Der Ansatz von Niko Paech

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3. Der Ansatz von Niko Paech

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3. Der Ansatz von Niko Paech

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• Der Ansatz von Paech basiert auf Überzeugung und Selbstbindung. • Paech versucht nicht nur, die Menschen von seinen Ideen zu

überzeugen, sondern er lebt auch nach seiner Überzeugung. • Dieselbe Selbstbindungsfähigkeit erhofft er sich auch von seinen

Zuhörern und Lesern: Sie sollen für die neue Idee eintreten und danach leben.

• So ergibt sich dann ein „bottom up“-Approach, der sich nach und nach durchsetzt, und zwar im Wirtschaftsleben und in der Politik.

3. Der Ansatz von Niko Paech

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• Wer ist Christian Felber? Christian Felber (* 9. Dezember 1972 in Salzburg) ist ein

österreichischer Autor und Referent zu Wirtschafts- und Gesellschaftsfragen. Er ist Gründungsmitglied von Attac Österreich, Initiator des Projektes „Demokratische Bank“ (nunmehr Projekt „Bank für Gemeinwohl“) und Entwickler des alternativen Wirtschaftssystems „Gemeinwohl-Ökonomie“.

2010 wurde er auf Initiative der Zeitschrift LEBENSART zum

Nachhaltigen Gestalter 2010 aus dem Bereich Zivilgesellschaft gewählt sowie vom Public Relations Verband Austria zum Kommunikator des Jahres 2010 nominiert (eine von drei Nominierungen).

4. Der Ansatz von Christian Felber

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• Eckpfeiler der Gemeinwohlökonomie I Ziel: Entwurf eines alternativen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems,

das die Werte zivilisierter Menschen zur Geltung bringen soll: Menschenwürde, Solidarität, Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und Mitbestimmung sollen belohnt werden.

Ethische Unternehmen sollen besser behandelt werden als unethische

– zum Wohl aller. Dasselbe soll mit ethischen Investitionen passieren. Wie?

4. Der Ansatz von Christian Felber

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• Eckpfeiler der Gemeinwohlökonomie II Der rechtliche Anreizrahmen für die Wirtschaft wird umgepolt von

Gewinnstreben und Konkurrenz auf Gemeinwohlstreben und Kooperation. … Wirtschaftlicher Erfolg wird nicht länger mit an den Mitteln des Wirtschaftens gemessen (Geld, Kapital, Finanzgewinn), son-dern an den Zielen (Bedürfnisbefriedigung, Lebensqualität, Gemeinwohl).

Einführung einer Gemeinwohl-Prüfung für Kredite und einer

Gemeinwohl-Bilanz für Unternehmen. Die Unternehmen mit guten Gemeinwohl-Bilanzen erhalten rechtliche

Vorteile: niedrigere Steuern, geringere Zölle, günstigere Kredite, Vorrang beim öffentlichen Einkauf und bei Forschungsprogrammen et cetera. Ethische, ökologische und regionale Produkte und Dienstleistun-gen werden so billiger als unethische, unökologische und globale.

4. Der Ansatz von Christian Felber

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• Eckpfeiler der Gemeinwohlökonomie III Bilanzielle Überschüsse dürfen verwendet werden für: Investitionen (mit

sozialem und ökologischem Mehrwert), Rückzahlung von Krediten, Rücklagen in einem begrenzten Ausmaß; begrenzte Ausschüttungen an die MitarbeiterInnen sowie für zinsfreie Kredite an Mitunternehmen. Nicht verwendet werden dürfen Überschüsse für: Investitionen auf den Finanzmärkten (diese soll es gar nicht mehr geben), feindliche Aufkäufe anderer Unternehmen, Ausschüttung an Personen, die nicht im Unternehmen mitarbeiten, sowie Parteispenden. Im Gegenzug entfällt die Steuer auf Unternehmensgewinne.

Bei Großunternehmen gehen ab einer bestimmten Größe (zum Beispiel

250 Beschäftigte) Stimmrechte und Eigentum teil- und schrittweise an die Beschäftigten und die Allgemeinheit über. Die Öffentlichkeit könnte durch direkt gewählte ‚regionale Wirtschaftsparlamente‘ vertreten werden.

4. Der Ansatz von Christian Felber

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• Eckpfeiler der Gemeinwohlökonomie IV Demokratische Allmenden (auch ‚Commons‘) sind Gemeinwirtschafts-

betriebe im Bildungs-, Gesundheits-, Sozial-, Mobilitäts-, Energie- und Kommunikationsbereich: die ‚Daseinsvorsorge‘.

Die Einkommens- und Vermögensungleichheiten werden in

demokratischer Diskussion und Entscheidung begrenzt: die Maximal-Einkommen auf zum Beispiel das Zehnfache des gesetzlichen Mindestlohns; Privatvermögen auf zum Beispiel zehn Millionen Euro; das Schenkungs- und Erbrecht auf zum Beispiel 500.000 Euro pro Person; bei Familienunternehmen auf zum Beispiel zehn Millionen Euro pro Kind. Das darüber hinaus gehende Erbvermögen wird über einen Generationenfonds als „Demokratische Mitgift“ an alle Nachkommen der Folgegeneration verteilt: gleiches „Startkapital “ bedeutet höhere Chancengleichheit.

4. Der Ansatz von Christian Felber

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• Eckpfeiler der Gemeinwohlökonomie V Eine wichtige Demokratische Allmende ist die Demokratische Bank. Sie

dient wie alle Unternehmen dem Gemeinwohl und wird wie alle Demokratischen Allmenden vom demokratischen Souverän kontrolliert und nicht von der Regierung. Ihre Kernleistungen sind garantierte Sparvermögen, kostenlose Girokonten, kostengünstige Kredite und ökosoziale Risikokredite. Der Staat finanziert sich primär über zinsfreie Zentralbankkredite. Die Zentralbank erhält das Geldschöpfungsmonopol und wickelt den grenzüberschreitenden Kapitalverkehr ab, um Steuerflucht zu unterbinden.

Auf lokaler Ebene können Regiogelder die Nationalwährung ergänzen.

Um sich vor unfairem Handel zu schützen, initiiert die EU eine Fair-Handelszone („Gemeinwohl-Zone“), in der gleiche Standards gelten oder die Zollhöhe sich an der Gemeinwohl-Bilanz des Hersteller-Unternehmens orientiert. Langfristziel ist eine globale Gemeinwohl-Zone als UN-Abkommen.

4. Der Ansatz von Christian Felber

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• Eckpfeiler der Gemeinwohlökonomie VI Die repräsentative Demokratie wird ergänzt durch direkte und

partizipative Demokratie. Der Souverän soll seine Vertretung korrigieren, selbst Gesetze beschließen, die Verfassung ändern und Grundversorgungsbereiche – Bahn, Post, Banken – kontrollieren können. In einer echten Demokratie sind die Interessen des Souveräns und seiner Vertretung ident – Voraussetzung dafür sind umfassende Mitgestaltungs- und Kontrollrechte des Souveräns.

Folgen: Die Erwerbsarbeitszeit wird schrittweise auf das mehrheitlich

gewünschte Maß von dreißig bis 33 Wochenstunden reduziert. Dadurch wird Zeit frei für drei andere zentrale Arbeitsbereiche: Beziehungs- und Betreuungsarbeit (Kinder, Kranke, SeniorInnen), Eigenarbeit (Persönlichkeitsentwicklung, Kunst, Garten, Muße) sowie politische und Gemeinwesenarbeit. Andere Führungsqualitäten sind gefragt: Menschen, die sozial verantwortlich und kompetent handeln, mitfühlend und empathisch sind, und nachhaltig denken.

4. Der Ansatz von Christian Felber

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• Eckpfeiler der Gemeinwohlökonomie VII Die Umsetzung erfordert (nach Felber) - intrinsische Motivation und Eigenverantwortung, - rechtliche Anreize, einen ordnungspolitischen Rahmen sowie - eine entsprechende Bewusstseinsbildung. Insgesamt gesehen „arbeitet“ der Ansatz der Gemeinwohlökonomie viel

stärker mit Anreizen als der Postwachstums-Ansatz von Paech.

4. Der Ansatz von Christian Felber

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• Die Konstitutionelle Ökonomik (Buchanan, North) – trennt zwischen Spielregeln („rules of the game“) und

Spielzügen („choices within rules“), – sieht Marktversagen als Institutionenversagen an, – sieht Politikversagen als Institutionenversagen an. – Quelle des Wachstums sind Ideen (neue Produkte,

Verfahren, Organisationen, Institutionen). – Gute Ideen resultieren aus Wettbewerbsprozessen

(funktionsfähigem Leistungswettbewerb unter adäquaten Spielregeln).

5. Kritische Betrachtung aus Sicht der K.Ö.

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• Kritik am Ansatz von Paech – Paechs Konzept tritt für einen wirtschaftlichen Rückbau ein,

während die Konstitutionenökonomik für einen Umbau durch institutionelle Umsteuerung eintritt.

– Paech sieht eine Abkehr von der schuldgeld- und zinsbasierten Marktwirtschaft als unabdingbar an, um Nachhaltigkeit sicherzustellen.

– Ein „Mehr“ an Staatsaufgaben bzw. kollektivem Handeln (Wirtschaftslenkung, Geldlenkung, Investitionslenkung) überwindet keinesfalls Knappheit und Fehlallokationen.

– Es lässt sich als „Gegen-Befund“ darauf hinweisen, dass Planwirtschaften weder Gerechtigkeit, noch Wohlstand erzeugen konnten bzw. können. Insofern erscheint die Befürchtung, dass Paechs Gesellschaftsmodell ebenfalls Misswirtschaft oder sogar Korruption anzieht, nicht unrealistisch zu sein.

5. Kritische Betrachtung aus Sicht der K.Ö.

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• Kritik am Ansatz von Paech – Viele Elemente von Nico Paechs Postwachstumskonzept

erscheinen mir eher für kleinere Aussteigergruppen geeignet zu sein, die zusammen neue Lebensplanungen in Einklang mit der Natur ausprobieren möchten und diesbezüglich eine starke Selbstbindung besitzen.

– Paech definiert ein Stück weit vor, was glücklich machen soll: wenig arbeiten, wenig konsumieren, viel Soziales. Dies soll ja auch von der Glücksforschung „bewiesen“ sein (erscheint aber zweifelhaft).

– Aus konstitutionenökonomischer Sicht ist das Individuum seines Glücks Schmied (Eigenverantwortung!).

– Paechs Ansatz ist so, wie er formuliert ist, ein idealistischer Ansatz für Aussteiger, aber kein überzeugendes gesellschaftliches Konzept.

5. Kritische Betrachtung aus Sicht der K.Ö.

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• Kritik am Ansatz von Felber – Felbers Ansatz arbeitet mit Anreizen: Belohnungssystem „pro

nachhaltiges Wirtschaften“, mehr Basisdemokraqtie – Aber: Die unsichtbare Hand des wettbewerblichen Marktes soll

durch die sichtbare Hand der Planung abgelöst werden. Kooperation statt Wettbewerb ist die entscheidende Idee.

– Anreizfunktionen des Wettbewerbs weitgehend zu stoppen (Gehälterdeckelung, Gewinn und Einkommen als lenkende Faktoren weitgehend abschaffen, Verstaatlichung von vielen großen Betrieben), bedeutet jedoch, die Innovation nicht als unintendierte Resultate intentionalen Handelns (Intention=Einkommensmehrung, Instrument=Innovation und Investition) zu begreifen, sondern sie als eine planbare Größe anzusehen.

– Durch das Aushebeln der „unsichtbaren Hand“ wird jedoch das Innovationspotential einer Volkswirtschaft drastisch reduziert.

5. Kritische Betrachtung aus Sicht der K.Ö.

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• Kritik am Ansatz von Felber – Ein differenziertes Belohnungssystem für Gemeinwohlhandeln

in die Besteuerung zu integrieren, scheint mir weitaus schwieriger und komplexer zu sein, als die „Grenzen der Freiheit“ strenger zu definieren, um Externalitäten einzudämmen.

– Komplexe Systeme mit hohen Prüfansprüchen sind nicht selten Einfallstore für Rent-Seeking und Korruption; insofern scheint mir der traditionelle Weg der Konstitutionenökonomik (durch Regelreform Externalitäten verteuern) „sicherer“.

– Auch eine internationale Einheitswährung dürfte problematisch sein. Selbst in Wirtschaftsräumen, die unter strengeren Nachhaltigkeitsregeln agieren dürfte es asymmetrische Schocks geben, die leichter durch Wechselkursanpassungen abgefedert werden können als durch reale Anpassungen.

5. Kritische Betrachtung aus Sicht der K.Ö.

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– Wenn es richtig ist, dass Schwächen der Regelsetzung und -

durchsetzung im demokratischen Prozess (ganz zu schweigen von der Regelsetzung in nicht-demokratischen Staaten) für Nachhaltigkeitsprobleme verantwortlich sind, wird der Vorschlag „mehr kollektives Handeln unter Rückführung marktlicher Bereiche“ keine Lösung sein.

– Vielmehr muss es das Ziel sein, sich durch „kluge“ Regelsetzung das Innovationspotential von Märkten zunutze zu machen und unerwünschte Externalitäten möglichst zu vermeiden.

– Aus Sicht der konstitutionellen Ökonomik sind radikale Gegenentwürfe zur Markt- bzw. Wettbewerbswirtschaft, die auf mehr kollektives Handeln setzen, mit Vorsicht zu genießen.

6. Resümee

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– Leschke, M.: Alternativen zur Marktwirtschaft: Ein kritischer

Blick auf die Ansätze von Niko Paech und Christian Felber aus Sicht der konstitutionellen Ökonomik, im E-Learning

Dort sind viele Original-Quellen (v.a. auch online-Quellen) der Protagonisten angegeben. Bitte selbst nachsehen und lesen!

Literatur

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