weltzeit 2_2011: Arabische Welt im Umbruch: Das Volk hat das Wort

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Das Magazin der Deutschen Welle 02 April 2011 Arabische Welt im Umbruch: Das Volk hat das Wort

description

Der Umbruch in der arabischen Welt ist Schwerpunkt der neuen „weltzeit“. Die junge Bevölkerung verjagt die Diktatoren, erkämpft sich neue Freiheiten und will demokratische Strukturen. Doch welches Bild zeichnen die Medien – hierzulande und in der Region? Welche Rolle spielen internationale Stimmen wie die DW? Was kann Deutschland tun für die Fortbildung von Journalisten und die Medienentwicklung in den arabischen Ländern? Weitere Themen im neuen Magazin: Der deutsche Film auf internationaler Bühne und die Bedeutung von Online-Mediatheken und TV auf Abruf. Meinungsjournalismus in den USA und das Deutschlandbild einer Indonesierin. Und ein Ausblick auf das Deutsche Welle Global Media Forum im Juni in Bonn.

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Das Magazin der Deutschen Welle 02—April 2011

Arabische Welt im Umbruch:

Das Volk hat das Wort

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23. MedienforuM.nrw // 20.–22. Juni 2011, Köln

eine Veranstaltung der Landesanstalt für Medien nrw (LfM), gefördert mit Mitteln des Landes nordrhein-westfalen. Verantwortlich für Konzeption und durchführung ist die LfM nova GmbH.

www.medienforum.nrw.de

Von Medien, MacHt und MenscHen.

MedienforuM.nrW, 20.–22. Juni 2011, Köln

Jede MenGe diSKuSSionSSToff.

320.195_AZ_210x297_Motto.indd 1 25.03.11 15:34

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vorspann —3weltzeit 02_2011

04-05 nachrichten

06-23 titel»���Arabische�Welt�im�Wandel:�

Gegenseitige�Wahrnehmung�»���Intendant�Erik�Bettermann:�

„Unsere�Stimme�muss�klar�erkennbar�sein“

»���Neue�Chancen:�Partner-bindung�in�Nahost

»���Gastbeitrag:�Staatssekretär�Hans-Jürgen�Beerfeltz

24 spot

25-26 partner»��KINO:�Der�deutsche�Film�

international

28-31 profil»��USA:�Medien�im��

Glaubenskrieg?»��Deutschlandbild:��

Ziphora�Robina

32 neue medien»����Alles�auf�Abruf:��

DW�Media�Center

33 schlaglichter

34-35 zoom»��Nahla�Elhenawy:��

Von�Kairo�über�Tokio��nach�Berlin

Liebe Leserinnen und Leser,die Berichterstattung hierzulande wird derzeit von zwei Themen dominiert – zu Recht: Die Katastrophe in Japan und die Umwälzungen in der arabischen Welt – sie bestimmen auch die Agenda der Deut-schen Welle. Sie hat ihre Informations-angebote angepasst, unternimmt viele zusätzliche Anstrengungen, um den Men-schen Einschätzungen und Analysen aus deutsch-europäischer Perspektive zu lie-fern. In Zeiten wie diesen ist es besonders wichtig, dass Deutschland eine Stimme hat, die an der Meinungsbildung der Welt-öffentlichkeit mitwirkt und die Positionen unseres Landes vermittelt. Besonders gefordert sind die Arabisch-Redaktionen. Es ist gut, dass DW-Jour-

nalisten, die aus der Region kommen, auch bei Inlandsmedien als Experten gefragt sind. Das dialogische Prinzip des Auslandsrundfunks, es wirkt auch nach Deutschland hinein.Die Entwicklungen in Nordafrika und Nahost sind auch Schwerpunkt dieser�weltzeit. Sie widmet sich Aspekten der ge-genseitigen Wahrnehmung in den Medien, zeigt auf, wo Partnerschaften sinnvoll sind und wie sich die DW in die journalistische Fortbildung in der Region einbringt. Ausgehend vom arabischen Raum – einer Kernregion für den deutschen Auslands-rundfunk – erfahren Sie zudem aus erster Hand mehr über den künftigen Kurs der Deutschen Welle. Intendant Erik Better-mann erläutert die Reformpläne. Rund-

funkrat und Intendanz haben ein Ziel: die DW neu zu positionieren, um den veränderten Bedingungen auf den inter-nationalen Medienmärkten einerseits und der schwierigen Finanzlage des Senders andererseits Rechnung zu tragen. Ich wünsche der Deutschen Welle viel Er-folg bei der Gestaltung des Prozesses, ihre Zukunft als kraftvolle Stimme Deutsch-lands in der Welt zu sichern.

Ihnen wünsche ich eine anregende Lektüre.

Ihr Valentin Schmidt, Vorsitzender des Rundfunkrats

Impressum

Deutsche�WelleUnternehmenskommunikation53110 BonnT. 0228.429.2041F. [email protected]/presseblogs.dw-world.de/weltzeit Verantwortlich: Dr.�Johannes�HoffmannRedaktion:�Berthold�StevensGestaltung:��Alexandra�Schottka,�Lisa�FlanakinTitelfoto:�Sarah�MerschDruck:�Brandt�GmbH�·�Bonn

Anzeigen T.�0228.429.2043F.�[email protected]

Werbung im ProgrammT.�0228.429.3507F.�[email protected]

In dieser Ausgabe

Editorial ©�D

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4— nachrichten

Das Votum für „The BOBs“ Bonn/Berlin – Die besten Blogs weltweit zeichnet die Deutsche Welle wieder im Rahmen ihres internationalen Blog-Awards „The BOBs“ aus. Internetnutzer aus aller Welt stimmen über ihre Favoriten in elf Sprach- und sechs Fachkategorien ab und vergeben somit die Publikumspreise.

Parallel dazu gibt es ein Votum der Jury. Alle Gewinner werden am 12. April in der Deut-schen Welle in Bonn bekanntgegeben und auf www.thebobs.com veröffentlicht.

Zur Jury gehören in diesem Jahr unter ande-ren der chinesische Blogger Isaac Mao und die Journalistin und Bloggerin Amira Al Husseini aus Bahrain. Sie wird auf einer Veranstaltung der DW am 13. April auf der Konferenz re:publica in Berlin sprechen. Dabei geht es um die Frage: „Tunesien, Ägypten, Libyen – ein Fanal für ganz Afrika?“ Am selben Tag diskutieren dort außer-dem die BOBs-Juroren Rosana Hermann aus Brasilien und Vanina Berghella aus Argentinien über das Internet in Lateinamerika.

Bei den Fachkategorien ihres Blog-Awards legt die DW den Fokus auf Menschenrechte: Gesucht werden Weblogs und Videoformate, die sich zum Beispiel mit dem Recht auf Mei-

01 Mitglied�der�BOBs-Jury:�die�

Journalistin�und�Bloggerin�Amira�Al�

Husseini�aus�Bahrain

Ein Bild für die Menschenrechte Bonn – Im Vorfeld des Deutsche Welle Global Media Forum vom 20. bis 22. Juni ruft der deutsche Auslandssender zu einem internatio-nalen Fotowettbewerb auf: „Klick! – Your View of Human Rights and

Globalization“.

Interessierte in aller Welt sind eingeladen, Motive zum

Thema Menschenrechte und Glo-balisierung einzusenden; Menschen

sollen dabei eine entscheidende Rolle spielen. Die DW stellt die eingereichten Fotos

unter www.dw-gmf.de/KLICK!/de ein, wo sie über eine interaktive Weltkarte

angesehen werden können. Am 25. April startet

das Online-Voting für die 30 besten Fotos. Aus dieser Auswahl bestimmen die Teil-nehmer des Deutsche Welle Global Media Forum im Juni die Gewinner.

Bilder mit Motivbeschreibung bis 20. April an [email protected].

Zur internationalen Konferenz erwartet die DW wieder 1.500 Teilnehmer aus der ganzen Welt im World Conference Center in Bonn. Menschenrechte und Globalisie-rung – Herausforderungen für die Medien,

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ler

nungsfreiheit, auf Bildung oder Gesundheit beschäftigen. Erstmals wird die beste „Social Activism“-Kampagne ausgezeichnet, also eine Initiative, die in beispielhafter Weise Soziale Netze und andere digitale Kommunikations-möglichkeiten zur Stärkung von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten nutzt. Darüber hinaus werden die derzeit weltbesten Blogs in elf Sprachen ermittelt – dieser Teil des Wettbewerbs ist themenübergreifend. ——

www.thebobs.com • www.re-publica.de

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weltzeit 02_2011 nachrichten —5

Die westlichen Staaten sind davon überzeugt, dass bei ihnen alles zum Besten bestellt ist. Re-porter ohne Grenzen (ROG) zufolge hat sich aber im vergangenen Jahr auch die Lage der Me-dienfreiheit in Europa verschlechtert. Nicht nur bei den „jüngeren“ EU-Mitgliedern in Süd- und Südosteuropa, auch in Frankreich und Italien. Wie glaubwürdig kann Europa da noch in ande-ren Regionen wie Nordafrika, China oder Iran die Freiheit der Presse einfordern? Wie wünschen sich die Menschen im Nahen Osten ihre Medien-landschaft? Bestehen gar andere Modelle, die Eu-ropa fremd erscheinen, aber dennoch akzeptiert werden sollten?

In der Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen bei der EU in Brüssel diskutieren am

2. Mai ab 17 Uhr unter anderem Gemma Pörz-gen, Vorstand Reporter ohne Grenzen, Aktham Suliman, Deutschland-Korrespondent von Al-Dschasira, und Károly Vörös, Chefredakteur der ungarischen Tageszeitung „Népszabadság“. Mit-veranstalter ist das medienforum.nrw.

Am 28. April geht es ab 18 Uhr im Funkhaus Bonn in einer Expertenrunde ebenfalls um die Perspektiven der Medienfreiheit. Loay Mudhoon, Redaktionsleiter des Online-Portals Qantara.de, und Adrienne Woltersdorf, Leiterin der Chine-sisch-Redaktion der DW, richten den Blick auf den arabischen Raum und auf China – eine ge-meinsame Veranstaltung von Bonner Medienclub und Deutsche Welle. ——www.dw-world.de/veranstaltungen

Brüssel/Bonn – Kann die Pressefreiheit in Europa als Vorbild für Nordafrika dienen? Darüber diskutieren am 2. Mai Vertreter aus Politik und Medien in Brüssel. Am Vorabend des Internationalen Tags der Pressefreiheit. Im Zeichen der Medienfreiheit steht auch eine weitere DW-Veranstaltung am 28. April in Bonn.

Die Blaupause für Pressefreiheit

so lautet das Thema der vierten Auflage des Kongresses. Mit dabei unter anderem Mar-kus Löning, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung, Thorbjørn Jagland, Gene-ralsekretär des Europarats und Vorsitzender des Norwegischen Nobelkomitees, Morten Kjaerum, Direktor der Agentur der Europä-ischen Union für Grundrechte, Frank Appel, Vorstandsvorsitzender Deutsche Post DHL, und Aidan White, Generalsekretär der Inter-national Federation of Journalists.

Zu den Partnern des interdisziplinären Kongresses zählen in diesem Jahr unter an-derem die OSZE, der Europarat, Amnesty International, Politische Stiftungen, das Deutsche Institut für Menschenrechte,

Reporter ohne Grenzen, der European Coun-cil on Foreign Relations, die European Union Agency for Fundamental Rights und die Stif-tung Entwicklung und Frieden (SEF). ——

www.dw-gmf.de

weltzeit-Blog

Ägypten:� „Die� letzten� Wochen�

waren� die� besten� meines� Lebens�

und� ich� werde� sie� nie� vergessen“,�

sagt�die�ägyptische�Bloggerin�Eman�

Hashim…

Weißrussland:�Für�viele�Weißrussen�

ist�das�Internet�die�einzige�Alterna-

tive,� um� an� freie� und� kritische� Be-

richterstattung�zu�gelangen…�

Iran:� Über� den� „Krieg� im� Cyber-

space“�spricht�Jamsheed�Faroughi.�

Hören�Sie�ein�Interview�mit�dem�Lei-

ter�der�Farsi-Redaktion�der�DW.

Im�weltzeit-Blog�finden�Sie�Fakten,�

Analysen,�Meinungen�zur�Rolle�und�

Entwicklung� der� Medien� weltweit� –�

als�Text,�Audio�und�Video.�Schauen�

Sie�rein�–�diskutieren�Sie�mit!�

blogs.dw-world.de/weltzeit�

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6— titel

Soziales�Netz�im�realen�Straßenbild�in�Tunis:�„Wir�sterben�

für�unser�Vaterland“�und�andere�Bekenntnisse�und�Namen�

in�weniger�als�140�Zeichen

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titel —7weltzeit 02_2011

Die arabische Welt ist im Umbruch. Die junge Bevölkerung verjagt die Diktatoren, erkämpft sich neue Freiheiten und will demokratische Strukturen. Oppositionelle wollen Teilhabe an der Macht. So weit sind sich alle Stimmen einig – Medien hierzulande wie in der arabischen Welt. Oder doch nicht? Welches Bild erhalten wir, welches Bild erhält die Bevölkerung in den betroffenen Regionen? Und welche Rolle spielen inter-nationale Stimmen? Für die Deutsche Welle ist der arabische Raum ein Schwerpunkt im Zeichen des Dialogs.

Es sollte lediglich ein normaler Heimaturlaub werden – die Familie besuchen. Stattdessen ist Mona Hefni unvermittelt mittendrin im Gesche-hen. Ende Januar dieses Jahres protestieren Tau-sende Ägypter auf den Straßen Kairos gegen das Regime Hosni Mubaraks. Teilweise herrschen chaotische Zustände in der ägyptischen Haupt-stadt. Die Situation ist unübersichtlich – so auch die Nachrichtenlage.

Jeden Abend sitzt Mona Hefni – sonst als Vo-lontärin bei der Deutschen Welle in Bonn oder Berlin im Einsatz – mit ihrer Familie vor dem Fernseher, um sich zu informieren. Sie verfolgen Al-Dschasira und Al-Arabiya. „Staatliche Medien gelten als Propagandaplattform der Regierung und ausländische Sender können nicht so schnell sein“, sagt sie. Die pan-arabischen Medien sind ihre Hauptquellen für Informationen: Fernsehen und Internet gleichermaßen. Erst dann kommen BBC Arabic, CNN oder Deutsche Welle.

Es ist die Zeit der Umbrüche in der arabischen Welt. Das Bild der Menschenmassen auf dem Kairoer Tahrir-Platz steht symbolisch für die junge Demokratiebewegung in der Region. Wo-chen zuvor wurde Tunesiens langjähriger Macht-haber Ben Ali aus dem Land gejagt. Auch in Libyen, Bahrain und im Jemen begehrt das Volk gegen die Herrscherschicht auf.

Die pan-arabischen Medien berichten „fast euphorisch“ von den Geschehnissen im Nahen Osten, meint Ibrahim Mohamad aus der Ara-bisch-Redaktion in Bonn. „Al-Dschasira hat sich von Anfang an auf die Seite der Demonstranten gestellt.“ Eine Berichterstattung, die in hohem Maße von Emotionen getrieben sei. Gezeigt wer-den junge Araber, die für mehr Demokratie und Freiheit auf die Straße gehen.

Im Gegensatz dazu stehen die deutschen Me-dien. Als Mona Hefni wieder in Deutschland ist, versucht sie, über Freunde auf Facebook und

»Eine Wahr-

nehmung aus

geo-kultureller

Distanz«

Zwischen Abbild und Zerrbild

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8— titel

01 Das�Bild�von�der�sich�wan-

delnden�arabischen�Welt�klarer�

zeichnen:�ein�Appell�an�Medien�in�

Deutschland�

über Al-Dschasira-Online auf dem Laufenden zu bleiben. Ab und zu schaltet sie den Fernseher ein, schaut Tagesschau und andere Nachrichten: Pho-enix, NTV, N24. Gut informiert fühlt sie sich nicht. Zu oberflächlich und nicht aktuell genug seien viele Informationen der deutschen Kollegen – und das seit Beginn der Unruhen im Maghreb.

„Es gab eine gewisse Dynamik, vor allem was Tunesien angeht. Die deutschen Medien waren ein bisschen langsam, das alles aufzunehmen“, will Torsten Matzke, Politikwissenschaftler an der Universität Tübingen, beobachtet haben. „Erst ab dem Zeitpunkt, als die Regierung in Tunesien gestürzt war und man über mögliche Auswirkungen in der Region diskutierte, wurde es mehr.“ Dabei versuchten die Medien hierzu-lande stets, direkte Auswirkungen der gewaltigen Umwälzungen in der arabischen Welt auf deut-sche Interessen zu finden – sei es der Tourismus, sei es der Ölpreis, so Matzke. Zudem gebe es die Furcht vor einer Welle nordafrikanischer Flücht-linge, die auf Europa zu rollt.

Die ägyptische Medien- und Kommunika-tionswissenschaftlerin an der Universität Erfurt, Hanan Badr, nennt dies „geo-kulturelle Distanz“. Im Vergleich zu den arabischen Leitmedien würde man in Deutschland die Sache anders angehen. „Hier fragt man sich: Was kommt nach der Revolution? Wer wird das Land regieren? Wie verändert sich die Beziehung der Länder zu Israel?“, erklärt Badr. Auch ihr ist eine an-fängliche Zurückhaltung der deutschen Medien während der tunesischen Jasmin-Revolution aufgefallen. Angst vor dem Unbekannten sei der Grund für diese Zaghaftigkeit.

Allgemein lasse sich zunächst ein gewisses Erstaunen und Argwohn gegenüber den Umwäl-zungen in Nordafrika und der Golfregion erken-nen. „Man war wohl überrascht, dass dort seit Jahrzehnten autoritäre Herrscher an der Macht waren, Menschenrechte stark eingeschränkt waren. Gerade Tunesien war in der deutschen Wahrnehmung eher ein Musterland denn Schur-kenstaat gewesen“, meint Matzke.

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titel —9weltzeit 02_2011

Medien in der arabischen Region

Es�gibt�zahlreiche� länderspezifische�Unterschiede� in�der�Medienlandschaft� innerhalb�der�

arabischen�Welt,�die�zudem�durch�die�Umbrüche�in�einigen�Ländern�in�Bewegung�geraten�

ist.�Trotzdem�lassen�sich�einige�allgemeine�Aussagen�über�die�Rolle�der�Rundfunkanstalten�

und�Printmedien�in�Nordafrika�und�dem�Nahen�Osten�treffen.�In�der�ganzen�Region�steht�

Fernsehen� als� meist� genutztes� Medium� an� erster� Stelle.� Zugleich� werden� Online-Medien�

und�Soziale�Netze�immer�wichtiger.�Auch�Hörfunk�und�Print�sind�weiterhin�von�Bedeutung.

Staatsmedien:�Ob�Fernsehen,�Radio,�Zeitung�oder�Online�–�sitzt�ein�Beamter�auf�dem�Stuhl�

des�Chefredakteurs,�gilt�das�Medium�als�verlängerter�Arm�der�Regierung�und�genießt�in�der�

Bevölkerung�nur�wenig�Glaubwürdigkeit.�Das�gilt�bis�heute.�Ob�sich�die�staatlichen�Sender�

in�Ägypten�und�Tunesien�nach�den�politischen�Umbrüchen�in�Richtung�demokratisch�kon-

trollierter,�öffentlich-rechtlicher�Modelle�weiterentwickeln�werden,�ist�derzeit�noch�nicht�

abzuschätzen.

Private Medien:�Sie�gelten�–�sofern�zugelassen�–�je�nach�Land�nur�sehr�eingeschränkt�als�

Gegenpol� zu� den� staatlich� kontrollierten� Medien.� Einige� TV-Sender,� Webportale� und� Zei-

tungen�gelten�zwar�als�objektiv.�Die�Programminhalte�bestimmt�aber� im�Zweifel�der�Be-

sitzer.�Private�Medien�werden�zudem�oft�eher�als�Unterhaltungsmedium�wahrgenommen�

–�ob�Radio�oder�TV.

Pan-arabische Medien:�Prominentester�und�erfolgreichster�Vertreter�ist�Al-Dschasira.�Der�

TV-Sender,�der�seit�2006�aus�Katar�sendet,�gilt�als�populistisch�ausgerichteter�und�zugleich�

zuverlässiger� überregionaler� Nachrichtensender� –� auch� auf� Englisch.� Nicht� zuletzt,� weil�

dort�zahlreiche�ehemalige�BBC-Mitarbeiter�tätig�sind.�Kritische�Berichte�über�Katar�kom-

men�aber�praktisch�nicht�vor.�Als�Gegengewicht�sendet�Al-Arabiya�aus�Dubai.�Das�arabische�

Programm�ist�ein�Medienprojekt�der�Saudis�und�wird�von�Kritikern�in�der�Region�mit�Skep-

sis�betrachtet.�Auch�Al-Arabiya�gilt�insgesamt�als�kritischer�Sender�–�außer�gegenüber�dem�

saudischen�Herrscherhaus.�Beide�Sender�verfügen�über�ein�umfangreiches�Online-Angebot.�

Ergänzend�zu�den�TV-Sendern�sind�überregionale�Zeitungen�wie�Al-Hayat�zu�erwähnen,�die�

in�London�herausgegeben�wird.�Sie�wird�auch�in�Europa�gelesen,�gilt�als�pro-saudisch�und�

wird�hauptsächlich�von�der�Bildungselite�konsumiert.�

Auslandsmedien:�Ausländische�Medien�wie�BBC�Arabic,�CNN�oder�France�24��liegen�hinter�

den�Konkurrenten�Al-Dschasira�und�Al-Arabiya,�was�die�Gunst�der�arabischen�Zuschauer��

angeht.�Die�Deutsche�Welle�mit�ihren�arabischsprachigen�Angeboten�in�Fernsehen,�Internet�

und� Radio� wird� als� ergänzendes� Medium� insbesondere� für� die� deutsch-europäische��

Perspektive�genutzt.

Schnell wurde in einigen deutschen Medien Angst vor Islamisten verbreitet, die von den Protesten profitieren könnten. „Die Demonstrationen wurden nicht immer deutlich genug als Aufstand des Volkes wahrgenommen, nicht als eine Bewegung, die sich aus dem Volk gebildet hat“, meint DW-Redakteur Mohamad. Das Beispiel der Muslimbrüder zeige dies deutlich. „Dass mehrheitlich ge-bildete, junge Ägypter für eine liberale und säkulare De-mokratie einstehen, wird da oft vernachlässigt. Die eigene Wahrnehmung ist diesbezüglich verzerrt“, so Badr.

Beide Experten, Hanan Badr und Torsten Matzke, klagen über eine zu kurze Aufmerksamkeitsspanne der deutschen Medien. Während die arabischen Kollegen die weitere Entwicklung in Ägypten genau verfolgen, geht der Blick in deutschen Medien hin zu Guttenberg, Gorch Fock und Gaddafi. „Gerade jetzt ist das eine kritische Phase, in der sich Ägypten befindet. Denn erst jetzt wird sich he-rausstellen, in welche Richtung es gehen wird“, ist Badr überzeugt.

Mehr EmotionalitätAuch unter den arabischsprachigen Leitmedien gibt es Unterschiede im Tenor der Berichterstattung. Das TV-Programm des in Dubai ansässigen Senders Al-Arabiya positionierte sich schnell. Wie das aus Katar kommende Al-Dschasira unterstützte der Fernsehsender die Demokratie-bewegung in der arabischen Welt. Nur schafft Al-Dschasira durch zahlreiche Augenzeugenberichte mehr Nähe und Emotionalität.

Allerdings sind bei beiden Sendern zugleich Einflüsse und Interessen ihrer Besitzer zu erkennen. Im Gegensatz dazu bietet BBC Arabic eine sachliche und rationale Dar-stellung der Vorkommnisse.

Die DW hat ihrerseits ausführliche Hintergrundberichte zur Jasmin-Revolution in Tunesien und zu den Umwäl-zungen in Ägypten geliefert. Ebenso zu den Entwick-lungen in Libyen und weiteren arabischen Ländern. Für den deutschen Auslandssender steht eine Rund-um-die-Uhr-Berichterstattung mit eingeblendeten Eilmeldungen zwar nicht im Vordergrund. Gleichwohl schöpft die DW in Krisensituationen auch in dieser Hinsicht alle Möglich-keiten aus – und zwar trimedial. So gab es beispielsweise eine Ausweitung der Journal-Sendungen, zusätzliche Talkrunden und eine Vielzahl von Experten-Stimmen im Arabisch-Programm von DW-TV. Im Internet gab es parallel dazu einen massiven Anstieg der Zugriffe auf die arabischen Seiten der DW. „Die Deutsche Welle gilt in der Region als unabhängige und verlässliche Quelle. So

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10— titel

01 Der�Freiheit�entgegen:�Pro-

teste�auf�dem�Tahrir-Platz�in�Kairo

werden wir auch von denen wahrgenommen, welche die Demokratisierungsbewegung tragen, den Zivilgesellschaften. Diese Glaubwürdigkeit erzielen wir vor allem, weil wir über Soziale Netze jüngere Zielgruppen ansprechen“, sagt Ute Schaeffer, Leiterin der Afrika/Nahost-Redakti-onen der DW in Bonn.

DW-Expertise gefragtDie Vorteile von Al-Dschasira und Al-Arabiya lägen auf der Hand, erklärt Ibrahim Mohamad. „Diese Sender haben ein dichtes Netz an Korres-pondenten vor Ort – und das in jeder Stadt. Von der sprachlichen und regionalen Kompetenz ganz zu schweigen.“ Letzteres zeichnet auch die DW aus. Nicht umsonst war die arabische Expertise der Deutschen Welle bei Sendern und Zeitungen hierzulande gefragt. Denn in der Arabisch-Redaktion – in Berlin und Bonn – arbeiten Re-dakteure, die aus den Krisenregionen kommen und dort über zahlreiche Kontakte verfügen. Das sind authentische Quellen, über die andere deut-sche Sender nicht oder nur in begrenztem Maße verfügen. Deshalb wünscht sich Mohamad, dass deutsche Medien künftig noch mehr auf das Wissen der in Deutschland lebenden Araber zu-rückgreifen. Das würde dazu beitragen, das Bild von der sich wandelnden arabischen Welt noch klarer zu zeichnen.

Und den Dialog mit der islamischen Welt zu stärken. Dies ist das Ziel von Qantara.de, dem mehrsprachigen Online-Portal der DW. „Wir verzeichnen seit Beginn der Umbrüche ein wachsendes Interesse, die Klickzahlen sind enorm angestiegen“, berichtet Redaktionslei-ter Loay Mudhoon. „Wir haben unser Angebot ausgeweitet und durch Essays und Analysen

DW vor Ort

Multimediales Angebot:�DW-TV�ist�zwischen�Marokko�und�

Oman�über�den�Satelliten�Nilesat� 102�zu�empfangen�und�

sendet�täglich�zwölf�Stunden�auf�Arabisch�und�zwölf�Stun-

den�auf�Englisch.�Täglich�zwei�Stunden�ist�DW-Radio/Ara-

bisch� in�der�Region�zu�hören�–�über�Partner,�etwa�Voice�

of� Lebanon,� Radio� Bethlehem,� Palestine� News� Network�

und�Arabesque�FM�(Syrien),�auf�UKW.�Verstärkt�auf�inter-

aktive�Elemente�setzt�die�DW�im�arabischen�Online-Ange-

bot�(dw-world.de/arabic).�Der�Internetmarkt�in�der�Regi-

on�zeichnet�sich�durch�besonders�hohe�Wachstumsraten�

bei�einem�überdurchschnittlich�jungen�Publikum�aus.�Die�

DW�wendet�sich�beispielsweise�mit�Podcasts�insbesonde-

re�an�diese�Zielgruppe.�

Ergänzt�wird�das�Online-Angebot�der�DW�um�das�dialogo-

rientierte�Portal�Qantara.de�–�ein�Gemeinschaftsprojekt�

mit�dem� Institut� für�Auslandsbeziehungen,�dem�Goethe-

Institut�und�der�Bundeszentrale�für�Politische�Bildung.�

Mobil in Ägypten:� Mit� dem� Portal� LinkOnLine,� das� zehn�

der� wichtigsten� Webseiten� Ägyptens� generiert,� arbei-

tet�die�DW�eng�zusammen.�Sie�ist�dort�mit�Angeboten�aus�

Politik,� Wirtschaft� und� Sport� auf� Arabisch,� Englisch� und�

Französisch�vertreten.�Die�Partnerschaft�soll�ausgebaut�

werden.� Starkes� Interesse� besteht� am� Austausch� von�

multimedialen�Angeboten�für�die�mobile�Kommunikation.�

Auch�im�Bereich�Video�und�Podcast�sehen�die�Partner�ein�

enormes� Potenzial� künftiger� Zusammenarbeit.� Dies� gilt�

ebenso� für� die� Partnerschaft� mit� der� Universität� Kairo,�

die�seit�2008�besteht,�und�die�Kooperation�mit�dem�Sawy-

Center.�Das�Jugend-�und�Kulturzentrum�ermöglicht�der�DW�

seit�drei�Jahren�Veranstaltungen�vor�Ort.

Ausbau im Irak:�Einer�der�größten�und�beliebtesten�pri-

vaten�TV-Sender�unter�rund�200�Anbietern� ist�Al�Hurrya�

in�Bagdad.�Seit�2010�kooperiert�die�DW�mit�dem�Sender,�

der� an� einem� Ausbau� der� Beziehungen� interessiert� ist.�

Ebenfalls�in�Bagdad�ansässig:�der�DW-Partner�Radio�Djilya.�

Fortbildung in Marokko:� Mit� dem� Institut� Supérieur� de�

l’Information�et�de�la�Communication�(ISIC),�der�einzigen�

renommierten� Einrichtung� für� die� Aus-� und� Fortbildung�

von�Journalisten�in�Marokko,�soll�die�seit�2009�bestehen-

de�Kooperation�ausgebaut�werden.�Dazu�gehört�die�För-

derung�begabter�Journalisten:�Die�zwei�Jahrgangsbesten�

des�ISIC�kommen�als�Gastredakteure�zur�DW.�

Premiere in Syrien:�Gemeinsam�mit�der�Universität�in�Da-

maskus� und� zwei� syrischen� Sendern� (Addounya� TV� und�

Arabesque�FM)�sowie�dem�Portal�Syria.Nobles.com�rich-

tet�die�DW�in�diesem�Frühjahr�einen�trimedialen�Wettbe-

werb�aus.�Nachwuchsjournalisten�aus�den�Bereichen�TV,�

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renommierter arabischer, deutscher und anderer Autoren bereichert. Denn für Qantara.de ist die arabische Perspektive sehr wichtig, schließlich können wir diese Ereignisse ohne sie nicht rich-tig einordnen. Zudem erfreut sich unser Dossier über den arabischen Frühling großer Beliebt-heit“, erläutert Mudhoon. Das Qantara-Angebot sei ein Mosaikstein für ein klareres Bild in der gegenseitigen Wahrnehmung zwischen Orient und Okzident.

Den Prozess begleitenIn Zukunft werden zudem die Sozialen Netze weiter im Blickpunkt aller Medien bleiben. „Sie waren bei den bisherigen Umwälzungen so etwas wie der kommunikative Motor. Sie sorgten für Verbreitung und Verstärkung der Botschaften. Und zeigten, dass sich Meinungen erst dann festigen, wenn politische Themen zum Bestand-teil sozialer Kommunikation werden“, ist Ute Schaeffer überzeugt. Auf einer Veranstaltung Mitte März in Berlin versicherte der Dekan der US-amerikanischen Universität in Kairo, Nabil Fahmy: „Wir werden den Prozess des Aufbaus öffentlicher Institutionen, auch die Gründung von Parteien und die Diskussion um eine neue Verfassung in Ägypten online in Sozialen Netzen begleiten, damit möglichst viele Menschen die-sen Prozess verfolgen können.“ ——

Weitere Fakten, Analysen, Meinungen:

blogs.dw-world.de/weltzeit

www.dw-world.de/arabic • www.qantara.de

von Chi Viet Giang DW-Mitarbeiter

Radio�und�Internet�können�sich�mit�Beiträgen�bewerben.�

Hauptpreis�ist�ein�vierwöchiges�Praktikum�bei�der�DW�ein-

schließlich�Flug�und�Unterkunft.�Unterstützt�wird�die�Ak-

tion�vom�Goethe-Institut�und�der�deutschen�Botschaft�in�

Damaskus.

In� der� nordsyrischen� Stadt� Aleppo� wird� in� diesem� Som-

mer� ein� DW-Punkt� im� Goethe-Institut� eröffnet.� Das�

Multimedia-Terminal� bietet� Interessenten� künftig� die�

Möglichkeit,�sich�über�Programmangebote�zu�informieren.�

Zuversicht in Tunesien: In Tunesien bestand bisher be-

reits eine Partnerschaft mit einem Radiosender in der

Stadt Sousse. In diesen Wochen hat die DW nun erst-

mals TV-Verträge abgeschlossen – zum einen mit dem

tunesischen Marktführer Hannibal TV und zum anderen

mit dem staatlichen TV Tunesiens. Zusätzlich zur Pro-

grammübernahme aus Deutschland sieht die Vereinba-

rung mit Hannibal TV eine großzügige Unterstützung der

DW beim Aufbau eines speziellen Nachrichtenprogramms

beim Partner vor. Schließlich ermöglicht ein IP-Vertrag

mit dem Internet-basierten Dienst von Maroc Télécom,

das Programm von DW-TV im Paket mit anderen Sendern

zu abonnieren.

Anfänge in den VAE:�Die�Kabelplattform�E-Vision� in�den�

Vereinigten� Arabischen� Emiraten� bietet� Nutzern� unter-

schiedliche�Sender-Pakete�an.�DW-TV�ist�in�allen�Paketen�

verfügbar.�

02 „Europa�befürchtet�eine�

Welle�von�nordafrikanischen�Flücht-

lingen“:�Politikwissenschaftler�

Torsten�Matzke�sieht�eigene�Interes-

sen�im�Vordergrund

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? Der arabische Raum erfährt einen tief-greifenden Wandel. Eine Herausforde-

rung für international präsente Medien. Ist die DW hierfür gerüstet? Die Länder zwischen Marokko und Oman ge-hören seit 2002 zu den Kernregionen des deut-schen Auslandsrundfunks. Damals gingen wir als erster europäischer Auslandssender mit einem arabischen TV-Programm auf Sendung. Gleich-zeitig haben wir die Hörfunk- und Internetakti-vitäten verstärkt. Die langjährige Präsenz in der Region kommt uns in der aktuellen Krisensitua-tion zugute. Die Menschen kennen und schätzen unsere Angebote als verlässlich, unabhängig und glaubwürdig. In den vergangenen Wochen

haben alle Redaktionen sehr professionell auf die Herausforderung reagiert und ihre Berichterstat-tung fokussiert, allen voran die Arabisch-Redak-tionen. Sie sind derzeit als Kompetenzzentrum innerhalb der DW gefordert und darüber hinaus als Experten bei Inlandsmedien gefragt.

? Gerade in den arabischen Staaten ist die Medienkonkurrenz besonders stark.

Welche Rolle kann die DW hier spielen?Mit den internationalen Nachrichtenkanälen CNN oder BBC wollen wir uns nicht messen. Auch die pan-arabischen Sender Al-Dschasira und Al-Arabiya können nicht unser Maßstab sein. Über die Nachricht hinaus sind Einschät-zungen gefragt, gerade auch aus deutscher und europäischer Perspektive. Das zeigen viele Rückmeldungen, die wir erhalten. Die Men-schen wollen wissen, wie Deutschland zu den Entwicklungen steht, wie wir sie auf ihrem Weg in Freiheit und demokratische Strukturen un-terstützen. Das ist der rote Faden, an dem wir unsere Angebote ausrichten. Wir vermitteln die Werte, für die Deutschland in der Welt steht. Unser Selbstverständnis ist es, Bewusstseins-prozesse anzustoßen. Als international präsente Stimme trägt die Deutsche Welle mit Fernsehen und Hörfunk, Internet und mobilen Diensten zur Meinungsbildung der Weltöffentlichkeit bei.

„Unsere Stimme muss klar erkennbar sein“ Im Zeichen des Wandels und der Reformen steht auch die Deutsche Welle. Konzentration auf Kernaufgaben und Kernregionen, zu denen der arabische Raum zählt – das ist das Leit-motiv. Fragen an DW-Intendant Erik Bettermann.

01 Auf�dem�Weg�zur�Demokratie:�

Tunesier�blicken�mit�Stolz�nach�vorn�

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»Wir tragen zur

Meinungsbildung

der Weltöffent-

lichkeit bei.«

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titel —13weltzeit 02_2011

„Unsere Stimme muss klar erkennbar sein“

Für eine Partnerschaft auf Augenhöhe

Jahrzehntelang haben viele arabische Demokraten vergeblich auf europäische Un-terstützung gewartet. Stattdessen wurden ihre heimischen Tyrannen von westlichen Politikern hofiert.

Für diese Politik gab es teilweise durchaus nachvollziehbare Gründe: In der realen Welt der Staaten und ihrer Interessen kann sich auch Europa seine Partner nicht immer völlig frei aussuchen – etwa allein nach moralischen Kriterien. Dennoch hat diese „Realpolitik“ die Glaubwürdigkeit des Westens in der Region zusätzlich ge-schwächt. Den Vorwurf doppelter Standards bei der Gewichtung von Menschen-rechtsfragen in unterschiedlichen Ländern müssen die Europäer sich gefallen lassen – übrigens auch wir Journalisten. Europäische Medien haben zwar immer wieder auch über Folterpraktiken unter dem „pro-westlichen“ Mubarak berichtet. Aber haben sie dies wirklich oft und deutlich genug getan?

Anlass zu kritischer Selbstreflexion gibt es aus europäischer Perspektive allemal. Zugleich verdienen die Freiheitsbewegungen in der arabischen Welt unsere Bewun-derung und höchsten Respekt: Die „Generation Facebook“ kämpft dort aus eige-ner Kraft und mit großem Mut für Demokratie, Freiheit und mehr Gerechtigkeit. Damit beweist die arabische Jugend eindrücklich, dass dies eben nicht bloß „west-liche“, sondern universelle Werte sind. Dauerhaft werden sie sich in dieser Region aber nur dann durchsetzen können, wenn eine neue Stabilität entsteht und die wirt-schaftliche Lage der Menschen sich bessert.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat als einer der ersten erkannt, dass Eu-ropa hier auch im eigenen Interesse Unterstützung anbieten muss. Bei wichtigen symbolkräftigen Gesten wie dem Händeschütteln mit Bloggern in Tunis und Kairo darf es jedoch nicht bleiben. Die arabische Welt ist Europas Nachbar. Verglichen mit anderen Ländern hat Deutschland dort einen guten Ruf, den es zu nutzen gilt.

So könnte Berlin in der EU eine führende Rolle bei der Initiierung von Hilfsan-geboten übernehmen – angefangen bei Stipendien für arabische Studenten über den Abbau von Handelzöllen bis hin zur Beratung beim Aufbau demokratischer Insti-tutionen. Die EU muss dabei freilich einen Balanceakt bewältigen: Für kostspielige Hilfen muss sie Bedingungen stellen, etwa im Bereich „Gute Regierungsführung“. Zugleich darf Europa aber niemals den Eindruck erwecken, sich als „Lehrmeister“ in Sachen Demokratie aufzuspielen. Jeder Anschein westlicher Einmischung erzeugt Abwehrreflexe und stärkt extremistische Kräfte. Gefragt ist eine Partnerschaft auf Augenhöhe.

von Rainer Sollich, Leiter Arabisch-Redaktion, Hörfunk und Online

Hinzu kommt die Medienförderung durch un-sere Akademie als Teil der deutschen Entwick-lungszusammenarbeit. Unsere Stimme muss im Konzert der Mitbewerber mit klaren Akzenten erkennbar sein. Das gilt nicht nur für den ara-bischen Raum, sondern auch für andere Welt-regionen.

? Wie kann die DW das angesichts ihrer schwierigen Etatlage leisten?

Die Deutsche Welle muss sich neu positionie-ren, um den veränderten Bedingungen auf den internationalen Medienmärkten einerseits und der schwierigen Finanzlage des Senders ande-rerseits Rechnung zu tragen. Wir müssen uns künftig auf Kernaufgaben und Kernregionen konzentrieren. Kernaufgaben sind die Vermitt-lung eines umfassenden Deutschlandbilds, die Vermittlung von Werten wie Demokratie und Menschenrechte sowie die Förderung der deut-schen Sprache. Kernregionen sind Nordafrika und Subsahara-Afrika, Nahost, Russland, Iran und China, Südasien, Afghanistan und Latein-amerika. Dies bedeutet nicht, dass wir uns aus anderen Regionen komplett zurückziehen. Wir bleiben beispielsweise in Mittel- und Südosteu-ropa präsent. Allerdings ist hier zu klären, mit welchen Medien und welchen Angeboten. In ei-nigen Ländern und Regionen sollen künftig ta-gesaktuelle Inhalte nicht mehr in allen Sprachen produziert werden. Parallel vollziehen wir eine interne Strukturreform. Sie dient dazu, Dop-pelstrukturen abzubauen, eine straffere redakti-onelle Koordination zu erreichen und Prozesse noch effizienter zu organisieren. Das alles hilft,

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01 Gestern�noch�verboten�–�

heute�im�Schaufenster:�Begehrte�

Lektüre�in�einer�Buchhandlung�in�

Tunis�

Kosten zu reduzieren und Mittel frei zu machen, um in anderen Regionen – beispielsweise Latein-amerika – Schwerpunkte setzen zu können. Mit der Politik besteht Einvernehmen, was die Fest-legung unserer Kernaufgaben und Kernregionen betrifft.

? Welche Kriterien legen Sie dem zugrunde?

Die Kernfrage ist: Wie können wir den gesetz-lichen Programmauftrag bestmöglich erfüllen und die entscheidenden Zielgruppen erreichen? Dabei orientieren wir uns an einem Bündel von Kriterien. Dazu zählen außenpolitische Erwägungen ebenso wie kulturpolitische, dazu zählen die Anforderungen in den jeweiligen Medienmärkten. Nehmen Sie Lateinamerika:

Hier werden wir unsere TV-Präsenz auf Spanisch deutlich ausweiten, von derzeit zwei auf voraus-sichtlich 18 Stunden täglich. Die Menschen haben uns immer wieder gesagt: Macht mehr! Deutschland und Lateinamerika verbinden inten-sive Beziehungen. Deutschland ist in Lateiname-rika frei von kolonialer Vergangenheit und gilt als seriöse, wertegestützte Gesellschaft, an der man sich orientieren kann. Auch im arabischen Raum werden wir Angebote und Übertragungs-wege an die gewandelte gesellschaftliche und politische Situation anpassen. Denn wir müssen zusehen, dass wir gegenüber unseren Mitbewer-bern den Anschluss halten. Das kann auch hei-ßen, den Umfang der Angebote zu reduzieren, um das Profil zu schärfen.

? Gehört zu den Kernaufgaben auch wei-terhin, Menschen in aller Welt in deut-

scher Sprache zu erreichen? Ja, die Förderung der deutschen Sprache ist Teil unseres gesetzlichen Auftrags. Das macht sich schon an dem vielfach ausgezeichneten multime-dialen Sprachkursangebot fest. Die deutschspra-chigen Angebote in unseren drei Medien richten sich heute an Menschen im Ausland mit deut-schen Sprachkenntnissen, an Deutschlernende und Deutschlehrende. Mit dem Internetzeitalter hat die DW ihre frühere Monopolstellung bei der weltweiten Verbreitung aktueller Informationen aus Deutschland in deutscher Sprache verloren. Sie können heute in Seoul oder Kapstadt über Breitband eine Vielzahl von Programmen aus Deutschland in bester Qualität empfangen. Deut-sche, die kurzzeitig oder auf Dauer im Ausland leben, sind somit eine nachrangige Zielgruppe für uns. Gleichwohl stärken wir die Angebote auf Deutsch, vor allem im Fernsehen. Unser Ziel ist es, einen rein deutschsprachigen Kanal zu etablieren. Dazu werden wir die Kooperation mit ARD-Landesrundfunkanstalten, ZDF und Deutschlandradio ausbauen.

? Das geht doch nur mit Unterstützung durch die Politik?

Das ist richtig. Ich erfahre in meinen Gesprächen mit Vertretern von Bund und Ländern viel Zustimmung für unsere Pläne. Die Bundesre-gierung hat schon im Koalitionsvertrag das Ziel formuliert, die mediale Präsenz Deutschlands in der Welt durch die Deutsche Welle zu stär-ken. Sie unterstützt, ebenso wie der Bundestag,

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von Fabian Pianka Internationale Angelegenheiten

Schmelztiegel der Kulturen Tunis – Nach der Jasmin-Revolution in Tunesien entsteht Raum für Meinungsfreiheit und eine von Offenheit geprägte Medienlandschaft. Eine Entwicklung, die auch die „Arab States Broadcasting Union“ (ASBU), den Verband arabischer Rundfunkunter-nehmen mit Sitz in Tunis, betrifft. Innenansichten eines Stipendiaten.

Durch ein Stipendium des Instituts für Aus-landsbeziehungen (ifa), geknüpft an das Ziel, den deutsch-arabischen Dialog zu stärken, erhielt ich die Möglichkeit zu einem dreimonatigen Intermezzo bei der ASBU. Es war ein aufschluss-reicher Einblick in die arabische Medienpolitik.

Die ASBU-Zentrale ist ein eigener Kosmos, ein Schmelztiegel der Kulturen: Die Beleg-

schaft reicht vom säkularen Marokkaner bis zum tief religiösen Kollegen aus dem Sudan; die Mitgliedssender von Saudi-Arabian Radio bis Al-Dschasira. Eine perfekte Andockstelle also, um die medienpolitischen Herausforderungen in Tunesien, einem Land mit bis vor kurzem strengster Medien-Zensur, zu beobachten. In dem hochmodernen Gebäude am Stadtrand der

unseren strategischen Kurs für die nächsten Jahre. Wir müssen die Verantwortung für den deutschen Auslandssender im Inland auf eine breitere Basis stellen. Darauf zielt die noch en-gere Kooperation mit ARD-Landesrundfunkan-stalten, ZDF und Deutschlandradio. Deutschland hat ein hervorragendes Rundfunksystem mit leis-tungsstarken öffentlich-rechtlichen und pri-vaten Medienunternehmen. Die Vielfalt, Breite und Qualität ihrer elektronischen Angebote gilt es, noch effektiver für die Außendarstellung

zu nutzen. Dabei sollten die unterschiedlichen Zuständigkeiten für Inlands- und Auslands-rundfunk – hier die Länder, da der Bund – kein Hindernis sein. Ich begrüße daher die Auffor-derung des Bundestags an die Bundesregierung, mit den Ministerpräsidenten der Länder für eine Ausweitung der Kooperation zwischen DW und den öffentlich-rechtlichen Inlandssendern zu sor-gen. Nur so kann die Deutsche Welle in Zukunft ihrem Auftrag gerecht werden. ——

01 Mit�Facebook�auf�dem�Lau-

fenden�bleiben�und�die�neue�Freiheit�

nutzen:�Soziale�Netze�als�kommuni-

kativer�Motor�der�Umbrüche�

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nordafrikanischen Millionenmetropole stechen die soziokulturellen Eigenheiten und die pan-arabische Kultur der ASBU-Zentrale sofort ins Auge. Obwohl Tunesien ein laizistischer Staat ist, dessen Religionsfreiheit sich an Frankreich und Europa orientiert, herrscht bei der ASBU ein spürbarer Gruppenzwang zum täglichen Gebet. So erschallt während der Arbeitszeit täglich mehrmals der Gebetsruf, dem die männ-lichen Mitarbeiter in der hauseigenen Moschee nachgehen, während die Frauen, teils westlich gekleidet, teils im traditionellen Hidschab, in ihren Büros verweilen.

Im Gegensatz zur alten Kolonialmacht Frank-reich, deren Interessen im heutigen Tunesien oft mit gemischten Gefühlen betrachtet werden, fliegen Deutschland viele Sympathien zu. Das wird im Gespräch mit ASBU-Kollegen und an-deren medienpolitischen Akteuren deutlich. So wird Deutschland als ein verlässlicher Partner geschätzt, der zu einem Dialog auf Augenhöhe bereit ist. Im gesellschaftspolitischen Transforma-tionsprozess in der arabischen Welt bietet dieser Vertrauensvorschuss, den man generell in der Region findet, eine große Chance für Deutsch-land.

Inspirierend sind für mich die Diskussionen mit meinem Zimmerkollegen Ridha Khelifi, dem Leiter der Abteilung Information und Dokumentation, der sich an westlichen Wer-ten orientiert. Umso mehr bereiten mir andere Kollegen in Gesprächen über Politik und Gesell-schaft Kopfschmerzen – durch ihre indirekte Art zu kommunizieren. Dies liegt nicht an sprach-lichen Problemen, denn innerhalb der ASBU wie auch im Großraum Tunis sprechen die meisten Menschen sehr gut Französisch. Vielmehr ist es die seit Jahrzehnten antrainierte Art, sich zu politischen Themen nur sehr ausweichend zu äußern, aus Angst vor Repression. Als Europäer hatte man kaum Grund, selbst Maßnahmen des Polizeistaates Ben Alis fürchten zu müssen. Doch bis vor wenigen Wochen war es an der Tages-

ordnung, dass man mit Korruption und Bespit-zelung indirekt konfrontiert wurde: Polizisten stoppen das Taxi, in dem man gerade unterwegs ist, und lassen den Fahrer erst nach Zahlung von „Bakschisch“ passieren; man beobachtet, wie Sicherheitskräfte gezielt Journalisten öffentlich nachstellen. Die Macht des autokratischen Re-gimes und die damit einhergehende Einschüch-terung der Bevölkerung waren allgegenwärtig. Diese Einschüchterung zeigt deutliche Nach-wirkungen.

Die aktuellen gesellschaftspolitischen Verän-derungen in Tunesien und anderen arabischen Ländern sind sicherlich ein Befreiungsschlag für die Region. Bei Kollegen und neu gewonnenen Freunden aus der ASBU ist großer Enthusiasmus und Stolz auf das Erreichte zu spüren. Aller-dings machen sich auch Ungewissheiten über die Zukunft bemerkbar. Niemand hätte davon zu träumen gewagt, dass ein derartiger Umbruch praktisch über Nacht ins Rollen kommt und un-umkehrbar wird.

Um die Entwicklung in der arabischen Welt nachhaltig zu gestalten, ist nun die Kooperation Europas von großer Bedeutung. Es gilt, die bis-herige Einstellung zu der Region kritisch zu re-flektieren und neu zu definieren – aus Solidarität zu den Nachbarstaaten, auch zu Europas eigenem Wohl. ——

Die ASBU

ist�der�Dachverband�der�arabischen�

Rundfunksender�mit�Sitz�in�Tunis.�Sie�

ist� ein� Instrument� der� Arabischen�

Liga� und� bezeichnet� sich� selbst� als�

eine�der�ältesten�pan-arabischen�Or-

ganisationen.�Traditionell�sind�in�der�

ASBU�vor�allem�die�Staatssender�ver-

bunden,�doch�schon�seit�einigen�Jah-

ren�hat�sich�der�Verband�angesichts�

des� wachsenden� Drucks� der� kom-

merziellen�Medien�auch�für�diese�ge-

öffnet.�Die�Deutsche�Welle� ist�asso-

ziiertes� Mitglied� und� profitiert� da-

durch� vom� Informationsaustausch�

zwischen�den�Sendern.�

Die�ASBU�kooperiert�eng�mit�der�eu-

ropäischen� Rundfunkunion� (EBU)�

sowie� den� anderen� internationa-

len�Rundfunkverbänden.�Sie�verfügt�

über�ein�Nachrichten-�und�Informati-

onszentrum�in�Algier,�Algerien,�sowie�

ein� Trainingsinstitut,� das� in� Damas-

kus,�Syrien,�angesiedelt�ist.�Die�DW-

Akademie�war�viele�Jahre�einer�der�

wichtigsten� Partner� des� Trainings-

zentrums.�

An�der�Spitze�des�Verbands�steht�seit�

der� jüngsten� Generalversammlung�

der� ASBU� der� Sudanese� Mohamed�

Hatim� Suliman.� Er� sieht� besonders�

die�engere�Vernetzung�zwischen�der�

arabischen� Welt� und� den� Nachbar-

regionen� als� wichtiges� Ziel� seiner�

Amtszeit.��

www.asbu.net

01 „Ja�zum�Islam,�nein�zum�

Islamismus“:�Demonstrant�in�

Tunis�mit�einer�Botschaft�auch�

an�Europa

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weltzeit 02_2011 titel —17

Starke Partner – feste Bande Amman/Ramallah – Mit Partnerprojekten verbessert die DW die Reichweite, die Partner-bindung und die Qualität des journalistischen Nachwuchses. Zum Beispiel in Jordanien und Palästina.

Zur Verbreitung ihrer journalistischen Inhalte ist die Deutsche Welle auf die Unterstützung von Partnern in aller Welt angewiesen. Häufig ist eine Kooperation mit lokalen Anbietern der einfachste und effektivste Weg zum Publikum. Ein starker Partner kann dem DW-Angebot eine Präsenz ermöglichen, deren Aufbau sonst Jahre in Anspruch nehmen würde. In einigen Märkten – wie zum Beispiel in China, das der DW keine TV-Lizenz erteilt – wird ausländischen Sendern der Zugang ganz verwehrt. In solchen Fällen sind Kooperationen eine der wenigen Möglich-keiten, die Zielgruppen im Land dennoch zu erreichen.

Die Bandbreite der Zusammenarbeit reicht vom Einbinden einer Info-Box auf der Websei-te des Partners über die Ausstrahlung einzelner Programme bis hin zu internationalen Kopro-duktionen von Magazinen und Talkshows. Diese Art der engen Zusammenarbeit ist vor allem in den Kernregionen der DW sehr wichtig, zu denen auch der Nahe und Mittlere Osten zählen.

Um hier die langfristige Bindung zu stärken und die Bekanntheit der DW zu erhöhen, trat die Deutsche Welle vor einigen Monaten in

Jordanien und Palästina mit einer besonderen Aktion an die Partnersender heran. Mit einem journalistischen Wettbewerb für Studentinnen und Studenten, ausgerichtet und multimedial be-worben von der DW und begleitet von den an-sässigen Partnern: Normina TV, Radio Al-Bald und das Internetportal Jordandays.tv wurden in Jordanien einbezogen, in Palästina waren es der Fernsehsender Wattan TV, die Internetplattform PNN.PS sowie acht Community-Radiosender. Außerdem waren zwei wissenschaftliche Ein-richtungen dabei, die Yarmouk Universität in der Stadt Irbid und die Universität Birzeit in Ramallah, die sich an der Bewerbung des Wett-bewerbs sowie an der Auswertung der Beiträge beteiligten.

Für Naser Shrouf, für die Distribution der DW-Angebote in Afrika und in Nah- und Mittelost zuständig, steht dieser Ansatz stellver-tretend für eine Vertriebsstrategie, die darauf ausgerichtet ist, wichtige Partner zu halten und langfristig an die DW zu binden: „Durch der-artige Projekte, die vor allem die vielen jungen, gebildeten Menschen im Land ansprechen, erzie-len wir eine Menge Aufmerksamkeit für uns und

01 Demonstrationen�als�Auf-

stand�des�Volkes�wahrnehmen�–�

wie�hier�in�Kairo:�Medien�mit�neuen�

Perspektiven

von Dominik Ahrens Auslandsmarketing

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01 Neue�Freiheiten�für�die�Presse:�

Leserin�in�Kairo

02 Keine�Angst�mehr�ab�heute:�

Richtungweisende�Botschaft�in�Tunis

unsere Partner. Neben den finanziellen Erträgen durch Werbeeinheiten konnten die beteiligten Sender einen großen Imagegewinn verzeichnen. Nachwuchsförderung macht sich überall gut – auch bei den Partnern“, so Shrouf.

Dem Aufruf, einen Audio-, Video-, Bild- oder Textbeitrag zu einem aktuellen Thema einzureichen, folgten weit mehr Studierende als erwartet. Die Einbindung von lokalen Sen-dern, Universitäten und Studenten ist nach der Erfahrung von Naser Shrouf sehr effektiv: „Ein nachhaltiges Engagement der Deutschen Welle muss nicht nur eine Medienarbeit für die Regi-on, sondern auch mit der Region umfassen. In der gemeinsamen Ausrichtung des Wettbewerbs hat die DW nicht nur ihr Profil als verlässlicher Anbieter von Informationen gestärkt und junge Journalisten unterstützt. Sie hat auch die Grund-

lage für eine dauerhafte Kooperation mit einigen der wichtigsten Sender vor Ort gestärkt.“

Diese Einschätzung bestätigen nicht zuletzt die begeisterten Rückmeldungen der beteiligten Partner. Aus der erfolgreichen Zusammenarbeit sollen nach dem Willen aller Beteiligten mög-lichst schnell weitere gemeinsame Projekte ent-stehen. Nicht zuletzt hat die Initiative der DW auch die lokalen Akteure untereinander besser vernetzt.

Der Siegerbeitrag, ein aufwendig produzierter 3D-Film mit einer ebenso eindringlichen wie augenzwinkernden Botschaft zum Klimaschutz, wurde von drei Studenten aus Amman, Jorda-nien, konzipiert. Stellvertretend für die Gruppe hat Anas Shashieh soeben seinen Preis eingelöst: Er absolvierte ein vierwöchiges Praktikum bei der Deutschen Welle in Bonn und Berlin. ——

03 Einer�dreht�und�der�andere�hält�

ihm�den�Rücken�frei:�Die�Wut�wächst�

unter�den�Flüchtlingen�an�der�libysch-

tunesischen�Grenze

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von Birgitta Schülke und Jaafar Abdul Karim

Videojournalisten bei DW-TV

Welchen Informationen können wir trauen? Eindrücke eines Reportage-Einsatzes an der libysch-tunesischen Grenze. Deutsch-ara-bische, multimediale Teamarbeit im Krisengebiet.

Das Geschrei ist groß, die Lage unüber-sichtlich: Wir sind im Flüchtlingslager an der tunesisch-libyschen Grenze und filmen eine Demonstration von etwa 100 Sudanesen. Dem Gaddafi-Regime entflohen, wollen sie endlich zurück nach Hause. Die Wut wächst, wir wer-den angerempelt. Zum Glück sind wir zu zweit. Einer dreht und der andere hält ihm den Rücken frei.

Seit einer Woche arbeiten wir jetzt in der Grenzregion als deutsch-arabisches Team für DW-TV. Als Videojournalisten (VJ) – jeder von uns ist nicht nur Reporter, sondern kann auch drehen und schneiden. Das macht uns fle-xibel und schnell. Immer wieder wechseln wir die Rollen. Während der eine noch eine Live-Schalte macht, beginnt der andere schon zu schneiden.

Unser mobiler Arbeitsplatz ist ein Minibus, den wir nahe der Grenze abgestellt haben. Hier schneiden, texten und vertonen wir. Von hier schicken wir unsere Beiträge mit Hilfe eines

Satelliten-Telefons nach Berlin. Es sind Nach-richtenstücke zur Situation an der Grenze und im Camp, Einzelschicksale von Flüchtlingen und Reportagen über die Opposition.

Die Deutsche Welle ist für viele unserer Ge-sprächspartner ein Begriff. Sie verfolgen die DW-Berichterstattung über den Umbruch in der arabischen Welt.

Viele unserer Beiträge schicken wir in unter-schiedlichen Versionen – für jede der DW-TV-Sendesprachen eigene Interviews und Aufsager. Dazu kommen Live-Schalten für Fernsehen und Radio auf Deutsch, Englisch und Arabisch und Beiträge für das Online-Angebot.

Unsere größte Herausforderung ist es, an ver-lässliche Informationen zu kommen. Zum Glück können wir auf Kontakte zurückgreifen, die die Arabisch-Redaktionen der DW in der Ver-gangenheit in vielen Städten Libyens aufgebaut haben. Sie sind in dieser Situation von unschätz-barem Wert – ebenso wie die Tatsache, dass einer von uns Arabisch spricht. »

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Am Grenzübergang befragen wir Flüchtlinge: Wo gab es Kämpfe in Libyen, wie viele wollen noch raus? Viele sind verängstigt, wollen nicht vor der Kamera sprechen. Später erzählen sie von Kämpfen und illegalen Checkpoints, an denen sie ausgeraubt, manchmal verprügelt wurden.

Nach langen Gesprächen in verrauchten Kneipen, Telefonaten und Ortswechseln haben wir außerdem Kontakt zu Oppositionellen be-kommen, die von Tunesien aus die Rebellen unterstützen. Sie schmuggeln Medikamente über die Grenze. „Nur Medikamente?“, fragen wir und bekommen keine Antwort.

Sie zeigen uns Videos von grausam verstüm-melten Leichen und erklären, was wir da ver-meintlich sehen. Uns ist klar: Auch sie haben ihre Agenda, versuchen Politik über die Presse zu betreiben. Welchen Informationen können wir also trauen? Dies vor Ort mit einem Kolle-gen diskutieren zu können hilft sehr.

Zwei Wochen lang waren wir an der tune-sisch-libyschen Grenze. Es war ein Einsatz, der uns – zwei Journalisten aus unterschiedlichen Redaktionen – näher gebracht hat. Diese Zu-sammenarbeit war ideal: mehrsprachig, flexibel und vielseitig – ein Modell für Krisen-Berichter-stattung der Deutschen Welle. ——

01 Falschparker:�Militärpräsenz�

vor�dem�Frauen-�und�Familienministe-

rium�in�Tunis�

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Der „Wind of change“ weht durch Nord-afrika und den Nahen Osten. Jetzt orga-nisieren sich die zivilgesellschaftlichen Kräfte in Tunesien, Ägypten und in ande-ren Ländern der Region neu. Sie sind al-lerdings organisatorisch und institutionell für ihre bevorstehenden Aufgaben und Rollen noch wenig vorbereitet.

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Es riecht nach Jasmin

Um die Transformationsprozesse jetzt mög-lichst schnell und wirksam unterstützen zu können, hat das Bundesministerium für wirt-schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) deshalb kurzfristig drei regionale Fonds in den Bereichen Demokratieförderung, Bil-dung und Wirtschaftsförderung mit einem Ge-samtvolumen von zunächst 34 Millionen Euro bereitgestellt.

Der Demokratiefonds richtet sich im We-sentlichen an die politischen Stiftungen und andere zivile Kräfte. Wir bieten jetzt schnelle und unbürokratische Beratung und Unter-stützung für Reformkräfte an. Der Beschäfti-gungsfonds soll vor allem für junge Menschen Perspektiven schaffen, er wird sich auf Ange-bote der beruflichen Bildung konzentrieren. Der Wirtschaftsfonds soll Finanzierungsmög-lichkeiten für kleinste, kleine und mittlere Unternehmen schaffen und den Zugang zu Krediten verbessern. Er richtet sich zum Bei-spiel an Existenzgründer.

Die Medien sind zentraler Akteur im Trans-formationsprozess. Demokratische Partizipation der Zivilgesellschaft ist ohne Pressefreiheit nicht möglich. Die Präsenz unabhängiger, kri-tischer Medien ist für die Etablierung von Mei-nungsvielfalt sowie einer Kultur des politischen Pluralismus und der Toleranz entscheidend. Die Rolle der Neuen Medien in diesem Prozess kann gar nicht überbewertet werden, wie die jüngsten Entwicklungen in Nordafrika ein-drucksvoll unter Beweis gestellt haben. Internet und Mobilfunk, Bürgernetze, Diskussionsforen, soziale Plattformen wie Twitter, YouTube und Facebook eröffnen qualitativ und quantitativ neue Möglichkeiten der politischen Teilhabe und des demokratischen Diskurses. So kann

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titel —21weltzeit 02_2011

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02 Satellitenschüsseln�

als�Verbindung�zur�Welt:��

über�den�Dächern�von�Kairo

Ein Gastbeitrag von Hans-Jürgen Beerfeltz, Staatssekretär im BMZ und

Mitglied des DW-Rundfunkrats

»Die Medien sind zentraler

Akteur im Transformations-

prozess.«

der sich über diese Art der Medien immer weiter verbreitende Bürgerjournalismus ein wichtiges Medium der Transformation sein, gerade in au-toritären Staaten.

Wir unterstützen deshalb die Schaffung eines Umfeldes, in dem eine pluralistische Medien-landschaft bestehen kann und Medienschaffen-de frei von Angst und Repressalien tätig sein können. Kern ist und bleibt dabei die Aus- und Fortbildung, denn professionell ausgebildete Journalisten sind für die Bildung eines demo-kratischen Staates, für die politische Bildung der Bevölkerung sowie für eine pluralistische und kritische Zivilgesellschaft weltweit von zentraler Bedeutung. Medienförderung in der Entwick-lungspolitik heißt heute aber nicht mehr nur „Media for Development“ sondern auch „Media Development“. Medienförderung in den Part-nerländern geht deshalb längst über Ausbildung hinaus und umfasst auch die Förderung adäqua-ter rechtlicher und politischer Rahmenbedin-gungen und transparenter Lizenzvergaben, die Vermittlung von Informations- und Kommuni-kationstechniken sowie Medienwirtschaft und

weltweit vernetzt. Ihr breiter Förderansatz eignet sich natürlich besonders gut für die Umbruch-phase in Nordafrika.

Seit vielen Jahren arbeitet die deutsche Ent-wicklungspolitik in Nordafrika und im Nahen Osten. Auch der Koalitionsvertrag der amtie-renden Bundesregierung macht das „überra-gende Interesse Deutschlands und Europas an Frieden, Stabilität und demokratischer Entwick-lung im Nahen und Mittleren Osten“ deutlich. Gerade in Zeiten des Umbruchs kommt es darauf an: Wir werden auch weiter verlässliche Partner sein, und zwar Partner der Menschen in unserer Nachbarregion, die für Freiheit und Reformen streiten. Wir müssen alles tun, damit es weiter nach Jasmin riecht und nicht nach Schießpulver. ——

Organisationsberatung von Medienhäusern als Teil von Wirtschaftsförderung. In Autokratien ist Fingerspitzengefühl gefordert, um einen an-gemessenen Umgang mit staatlichen Medien zu finden und zugleich unabhängige private Medien zu fördern.

Um die angehenden Journalisten auf die an sie gestellten Anforderungen bestmöglich vorzu-bereiten, hat das BMZ den bilingualen Master-studiengang „International Media Studies“ bei der Akademie der Deutschen Welle ins Leben gerufen. Im September 2010 haben 23 Studie-rende aus 16 Ländern ihre Journalistenausbildung begonnen. Die DW-Akademie unterstützte im letzten Jahr weltweit fast 2.000 angehende Jour-nalistinnen und Journalisten in 144 Trainings- und Beratungsprojekten. Sie ist als Global Player in der Medien-Entwicklungszusammenarbeit

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01 Begutachten�das�Modell:��

Lothar�Köhn,�Gebäudetechnik�(l.),��

und�Casinoleiter�Herrmann�Müller

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Auch nach dem friedlichen Sturz von Diktator Zine El Abidine Ben Ali kommt Tunesien nicht zur Ruhe. Helmut Osang und Michael Tecklenburg, Mitarbeiter der DW-Akademie, haben das zu spüren bekommen. Sie waren vom 25. Februar bis 2. März in Tunis. „Als wir ankamen, hatte sich die Lage zugespitzt“, berichtet Osang, Leiter Medien-entwicklung. „Wir sind mit dem Taxi in die Innenstadt gefahren, um die Avenue Bourguiba zu besuchen, den Ort, an dem die Menschen vor wenigen Wochen noch zu Tausen-den für den Umsturz demonstriert hatten. Es lag beißender Tränengasnebel über dem Viertel. Am Ende des Boulevards sahen wir Rauchschwaden aufsteigen und immer wieder überholten uns Polizisten mit Helmen und Schutzwesten. Es herrschte eine beklemmende Stimmung. Es flogen Steine und es fielen Schüsse.“ Was an diesem Tag als friedliche De-monstration begann, endete in Gewalt. Das Ergebnis: vier Tote, zahlreiche Verletzte und wenige Tage später der Rück-tritt von Premierminister Mohammad Ghannouchi, dem Kopf der Übergangsregierung.

Revolution in den MedienDie Tunesier haben ereignisreiche Wochen und Monate hinter sich. Viele Medien des Landes haben in dieser Zeit ihre eigene Revolution durchgemacht. Sie haben sich befreit von der Staatskontrolle und von ihren politisch eingesetzten Chefredakteuren. Entstanden ist eine für Tunesien neue Art der Berichterstattung, auch ein Vakuum, das jetzt möglichst schnell gefüllt werden soll.

Helmut Osang und Michael Tecklenburg haben sich in Tunis mit Vertretern der Friedrich-Ebert-Stiftung getroffen und gemeinsam einen zweitägigen Workshop für 16 tune-sische Journalisten, Medienwissenschaftler und Menschen-rechtler organisiert. „Vertreten waren Fernsehen, Radio, Online und Print. Eine solche Veranstaltung hat es bislang in Tunesien noch nicht gegeben“, betont Tecklenburg, Koordi-nator für die Maghreb-Region. Ziel der Veranstaltung war es, gemeinsam einen Plan für eine grundlegende Umorien-tierung und Umgestaltung des Staatsrundfunks hin zu einem öffentlich-rechtlichen Sender zu entwerfen und herauszufin-den, wo Hilfestellung gewünscht wird.

Handfeste ForderungenWie ersetzt man die Staatskontrolle durch Selbstregulierung? Wie schafft man eine neue Form des Medienbewusstseins? Wie etabliert man einen staatsfreien Medienraum? „Es

Tunis – Die Jasmin-Revolution in Tunesien war der Anstoß für die Umwälzungen in der arabischen Welt. Dabei stehen auch Journalisten und andere Medienmacher vor einem Neuanfang. Die DW-Akademie hat reagiert. Eine Delegation war unmittelbar nach der Revolution in Tunis, um sich mit möglichen Partnern zu treffen.

von Gunnar Rechenburg, Freier Mitarbeitern

Befreit von der Staatskontrolle

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weltzeit 02_2011 titel —23

Befreit von der Staatskontrolle

Ägypten:� Derzeit� setzt� die� Akademie� vor� allem�

auf� Trainings� zu� den� Themen� Wahlberichterstat-

tung,�Medienethik�und�journalistische�Standards.�

Nach�den�Parlamentswahlen�sollen�Medienmacher�

bei� der� Entwicklung� eines� Pressekodex’� und� der�

Medienselbstregulierung�unterstützt�werden.�Be-

reits�in�den�kommenden�Monaten�gibt�es�Trainings�

für� Reporter,� Redakteure� und� Führungsperso-

nal�mit�dem�Schwerpunkt�Wahlberichterstattung.�

Auch� Journalismusstudenten� werden� gefördert:�

Mehrere�Universitäten�in�Kairo�haben�bereits�Inte-

resse�an�einer�Kooperation�mit�der�DW-Akademie�

vor�allem�bei�der�Online-Ausbildung�signalisiert.

Südsudan:�In�dem�neuen�Staat�unterstüzt�die�DW�

lokale�Netze�bei�der�Einführung�von�bürgernahem�

Lokal-Radio.�Gleichzeitig�wird�ein�Prozess�in�Gang�

gesetzt,� der� Mitarbeiter� regionaler� Radiostati-

onen�mit�Akteuren� lokaler�Verwaltungen�und�der�

organisierten�Zivilgesellschaft�zusammenbringt.�

Syrien:�Im�Frühjahr�und�Sommer�2011�bietet�die�DW�

Workshops� für� Videojournalisten� beim� syrischen�

Fernsehen.�Zudem�wird�das�2010�ins�Leben�geru-

fene� TV-Umweltmagazin� „Ahdar� Ahla“� (Grün� ist�

besser)�fortgesetzt�und�verbessert.�Ebenso�sollen�

Radioprogramme�für�Jugendliche�und�der�private�

TV-Sender�Addounia�unterstützt�werden.�

Tunesien/Maghreb:�In�Zukunft�wird�die�DW-Akade-

mie� gemeinsam� mit� der� Friedrich-Ebert-Stiftung�

und�anderen�Organisationen�die�Entwicklung�des�

tunesischen� Rundfunks� hin� zu� einem� Sender� des�

öffentlichen�Rechts�fördern.�Noch�im�ersten�Halb-

jahr�2011�wird�die�DW�in�verschiedenen�Städten�des�

Landes� Trainings� organisieren,� die� Fernseh-,� On-

line-�und�Radiojournalisten�auf�die�bevorstehende�

Parlamentswahl� vorbereitet.� In� Kooperation� mit�

der�Konrad-Adenauer-Stiftung�werden�die�Ausbil-

dung� von� Nachwuchsjournalisten� verbessert� und�

Workshops� zur� Politischen� Kommunikation� ange-

boten.� Fortbildungsmaßnahmen� für� Journalisten�

sind�auch�in�Algerien�und�Marokko�geplant.�

Im�Rahmen�einer�Konferenz�für�Blogger�bringt�die�

DW�Aktivisten�aus�Tunesien,�Algerien,�Mauretanien�

und�–�abhängig�von�der�politischen�Situation�–�aus�

Libyen� mit� Bloggern� aus� Europa� zusammen.� Die-

ser�Young�Media�Summit�in�Tunis�soll�die�Rolle�der�

nordafrikanischen�Blogger�stärken�und�sie�länder-

übergreifend�vernetzen.

DW-Akademie vor Ort

war eine energiegeladene Diskussion über die Grundsatzfrage: Wohin soll der Weg der Medien führen?“, so Osang. „Wir haben die Ergebnisse der Diskussion sortiert und ein Positionspapier mit handfesten Forderungen entwickelt.“

Ein sofortiges Ende des Staatsmonopols, die Einrichtung eines öffentlich-rechtlichen Rund-funks und einer Selbstkontrollinstanz – ver-gleichbar mit dem deutschen Presserat – sind zentrale Punkte. Ebenso soll die tunesische Nachrichtenagentur der Öffentlichkeit und nicht länger dem Staat verpflichtet sein. Und die künf-tige Lizenzbehörde soll unabhängig werden.

Aber Freiheit sei nicht alles, mahnt Michael Tecklenburg. „Während der Revolution haben die Reporter erstmals live von Demonstrationen berichten können, ohne Zensur und Einschrän-kung. Dabei ist vielen zugleich klar geworden, dass sie sich professionalisieren müssen, um eine Berichterstattung zu gewährleisten, die der De-mokratie zugutekommt.“

Aus diesem Grund haben Deutsche Welle, Friedrich-Ebert-Stiftung und eine fünfköpfige Gruppe aus Workshopteilnehmern erste Trai-nings für Journalisten vereinbart. „Wir werden im Mai mit Workshops zur Wahlberichterstat-tung in Tunesien beginnen“, so Osang. Es folgen Veranstaltungen für Blogger und Journalisten

aus dem gesamten nordafrikanischen Raum und Hilfe beim Aufbau eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

„Die Veranstaltung wird Früchte tragen“, ist sich Michael Tecklenburg sicher. „Ich habe nach dem Workshop mehrere Sender in Tunis be-sucht. Dort lag unser Positionspapier bereits auf dem Tisch.“ —— www.akademie.de

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von Gunnar Rechenburg Freier Mitarbeiter

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01 Revolutionäres�Déjà-vu:��

Freiheit,�Demokratie,�Laizismus�

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Cinema fairbindet: Filmpreis für „Wind und Nebel“ Berlin – Bundesminister Dirk Niebel hat am 20. Februar in Kooperation mit der Berlinale erstmals den entwicklungspolitischen Filmpreis „Cinema fairbindet“ verliehen. Mit dem Preis zeichnet das Bundes-ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Filme aus, die in besonderer Weise den Dialog zwischen Nord und Süd fördern. Die Jury, der auch Gerda Meuer, Direktorin der DW-Akademie, angehörte, entschied sich für „Bad o meh“ („Wind und Nebel“) des iranischen Regisseurs Mohammad Ali Talebi. Sein Film schildert aus der Perspektive eines Jungen, wie der Krieg das Leben einer Familie beeinflusst.

Serbische Medien: Diskussion auf der Leipziger Buchmesse Leipzig – Die Lage der Medien in Serbien, Partnerland der diesjährigen Leipziger Buchmesse, war am 17. März Thema eines DW-Panels auf der Literaturschau. Die Medien seien vielen Einflussfaktoren ausgesetzt und den Journalisten fehle es oft an kritischer Selbstreflexion, so Sreten Ugricic, Schriftstel-ler und Direktor der Nationalbibliothek Serbiens. Sanja Blagojevic, Leiterin der Serbisch-Redaktion der DW, verwies auf die hohe Arbeitslosigkeit als mögliche Ursache. Michael Martens (Foto), FAZ-Korrespondent in Südosteuropa, sagte, guter Journalismus habe mit Geld und Zeit zu tun. Das gelte in Serbien ebenso wie in Deutschland. www.buchmesse-leipzig.de

Messe in Moskau: Studieren in Deutschland beliebt Moskau – Bei der internationalen Messe „Education and Career“ Anfang März erfuhr der Infostand der DW große Aufmerksamkeit. Dort wollten rund 1.000 interessierte Schüler und junge Fachkräfte mehr wissen über die Online- und Audioangebote der Russisch-Redaktion der DW. Es ging um Studium, Karriere und Unternehmenskultur in Deutschland. Am Eröffnungstag sendete der TV-Sender „Stoliza“ in seinem Nachrichtenprogramm ein Interview mit DW-Vertreterin Marina Borisowa (Foto) aus der Russisch-Redaktion und berichtete über die Messepräsenz. Die DW nahm zum fünften Mal an der internationalen Messe in der russischen Hauptstadt teil.

Tag der Muttersprache: Initiativen in Wort und Bild Bonn – Mosud Mannan, Botschafter der Volksrepublik Bangladesch, eröffnete im DW-Funkhaus die Ausstellung „Always get connected – Sprache verbindet“. Anlass war der Tag der Muttersprache, zu dem die UNESCO jährlich am 21. Februar aufruft. Er geht zurück auf die Proteste im Jahr 1952, als Studenten für ihre Muttersprache Bangla gekämpft hatten. Nach der Vernissage mit dem Künstler Maraf Ahmed (Foto) diskutierten Mannan, Abdullah Al-Farooq von der Bengali-Redaktion, Edda Kirleis vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) und Ingo Ritz, Geschäftsführer der Nichtregie-rungsorganisation NETZ aus Wetzlar, über die Bedeutung der Sprache Bangla für Bangladesch.

DW-Punkt: Nummer 36 für Kolumbien Bogotá – Im Beisein des deutschen Botschafters Jürgen Christian Mertens wurde Mitte Februar ein DW-Punkt im Goethe-Institut Bogotá eingeweiht. Bereits kurz nach der Einweihung war der DW-Punkt von jungen Kolumbianern umlagert, die sich für das Nachrichtenangebot und vor allem für die große Sprachkursauswahl der DW interessierten. Das Multimedia-Terminal in der kolumbianischen Hauptstadt ist das 36. weltweit, nach den DW-Punkten in São Paulo und Buenos Aires das dritte in Lateinamerika. Die Einweihung erfolgte im Rahmen des Tags der offenen Tür im neuen Gebäude des Goethe-Instituts, das 2008 wegen Erdbebengefahr umziehen musste und bis 2010 geschlossen blieb.

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weltzeit 02_2011 partner —25

Es war ein Auf und Ab mit dem deutschen Film: Auf die goldene Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als die Bilder aus „Nosferatu“ und „Metropolis“ um die Welt gingen, folgte der Krieg, auf den Krieg folgte die Ära der Heimatfilme und Komödien, die keiner außer den Deutschen sehen wollte. Dann machte sich eine Gruppe junger Regisseure bemerkbar, erklärte „Papas Kino“ für tot und schuf den „Neuen Deutschen Film“, der auch im Ausland überzeugte. Mit dem Tod Rainer Werner Fass-binders 1982 jedoch war auch diese Blütezeit wieder vorbei und Kino made in Germany auf der Weltbühne so schwer verkäuflich wie noch nie. Beziehungskomödien dominierten die Lein-wand, mit denen man anderswo wenig anfangen konnte.

Dann kam Lola, das Mädchen mit feuerrotem Haar, minzgrüner Hose und ausgewaschenem graublauem Top. Rannte und rannte und rannte durch die Straßen Berlins. Und als sei ein Bann gebrochen worden: Die Werke deutscher Film-künstler, die nun mit neuer Energie in ihren Filmen universelle Themen aufgriffen und sie in deutschem Kleid der Welt präsentierten, wurden

mit Auszeichnungen auf nationalen und interna-tionalen Festivals überhäuft.

Endlich wurde offenbar der richtige Ton getroffen, in dem der deutsche Film weder langweilig noch schwer verdaulich vermittelt werden konnte und trotzdem seine Charakteris-tika nicht einbüßte. Welche das sind? Ich wollte es vom Publikum wissen und habe in einem Online-Forum für Filminteressierte nachgefragt: „Viel Realitätsbezug und harte Fakten“, findet Parikshit aus Indien, „dazu viel menschliches Innenleben“, darum gehe es in der Regel in deutschen Filmen. Richi aus Malta pflichtet ihm bei und ergänzt: „Deutsche Filme – zum Bei-spiel ‚Sophie Scholl‘, ‚Good Bye, Lenin!‘ oder ‚Nikolaikirche‘ – vermitteln historische Fakten und trotzdem ‚echte‘ Emotionen. Darüber hinaus gefällt mir der deutsche Humor, der oft subtil ist und an die deutsche Kultur, die deutsche Le-bensart oder die deutsche Lebenswirklichkeit anknüpft.“

Ein Problem sei jedoch die Distribution. Während sich deutsche Produktionen in den USA inzwischen bis in Kinosäle und Wohn-zimmer vorgekämpft haben, berichten Parikshit

Seit 1980 hatte es keinen deutschen Film mehr gegeben, dem die Ehre des Oscars für den besten fremdsprachigen Film zuteil geworden war, als Caroline Link 2003 mit „Nirgend-wo in Afrika“ die begehrte Trophäe erhielt. Und damit unter Beweis stellte, was man sich in der Filmwelt schon seit „Lola rennt“ zuraunte: Deutsches Kino spielt wieder eine internationale Rolle.

And the winner is… der deutsche Film

von Elisabeth Becker DW-Mitarbeiterin

01 Lief�auch�international:��

„Lola�rennt“�von�Tom�Tykwer

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26— partner

und Richi, dass es in ihren Ländern kaum eine Gelegenheit gebe, deutsches Kino zu erleben. Auch Danny aus Mexiko schreibt, dass „Das weiße Band“ und „Soul Kitchen“ erst in diesen Tagen in die mexikanischen Kinos gekommen seien: „Ich wusste nicht, dass es so lange dauert. Und natürlich sind das nur die großen Filme aus Deutschland – die meisten kleineren werden hier nie laufen.“

Ins Rennen um einen OscarDoch es gibt sie, die Botschafter des deutschen Films, die sich darum bemühen, die Infrastruktur auszubauen: Allen voran das Goethe-Institut und die „German Films Service und Marketing GmbH“. Den Goethe-Instituten weltweit geht es bei ihren Film-vorführungen, Workshops und Podiumsdiskussionen nicht nur um Neues aus der deutschen Filmlandschaft, sondern auch um die Vermittlung deutscher Filmgeschichte. Die Arbeit von German Films hingegen konzentriert sich auf Gegenwart und Zukunft des deutschen Films. German Films ist auf allen wichtigen Filmfesti-vals vertreten und veranstaltet eigene Festivals, bietet Sichtungs- und Informationsveranstaltungen für ausländische Journalisten und Einkäufer aus der Filmbranche. Die Gesellschaft organisiert nicht zuletzt die Auswahl des deutschen Beitrags, der ins Rennen um den Oscar geschickt wird.

Sie hat in der Vergangenheit offensichtlich gut ausgewählt: Sechs Nominierungen in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ innerhalb von zehn Jahren und Oscars für „Nirgendwo in Afrika“ und „Das Leben der Anderen“ sind eine stolze Bilanz. Der Erfolg in Los Angeles bestätigte nicht nur den neuen Wind, der im deutschen Film zu wehen begonnen hatte, sondern erwies sich darüber hinaus als ausgezeichnete Werbung für Deutschland als Filmland.

Nach Deutschland zum DrehZudem kommen seit einigen Jahren vermehrt ausländische Fil-memacher und Produzenten nach Deutschland. Wesentliche Gründe: Die deutschen Studios seien professioneller geworden und es gebe enorme wirtschaftliche Unterstützung durch den deutschen Filmförderfond (DFFF), erläutert Hans Christoph von Bock, verantwortlich für das DW-Filmmagazin KINO. „Man stellt sich jetzt bei vielen Filmen, die in Louisiana oder in England spielen könnten, die Frage: Können wir das nicht auch in Deutschland drehen?“ Beispiele für Produktionen und Ko-produktionen in Deutschland sind Kassenschlager wie Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ oder Jaume Collet-Serras „Unknown Identity“ – Actionthriller, die komplett in Deutsch-land gedreht wurden. Auch Roman Polanski, Stephen Daldry und Tom Cruise realisierten den „Ghostwriter“, den „Vorleser“ beziehungsweise die „Operation Walküre“ mithilfe der Studios in Babelsberg und hatten damit internationalen Erfolg. Und Erfolg gibt nun mal recht. ——

„Früher�wusste�ich�nicht�viel�über�deutsches�Kino�und�deutsche�Schauspieler.�

Nun,� dank� Ihrer�Sendung,� bin� ich� immer�gut� informiert.“� Mails�wie� diese�von�

Solomon�Sintayehu�aus�Äthiopien�erreichen�Hans�Christoph�von�Bock,�der�bei�

DW-TV�in�Berlin�das�Filmmagazin�KINO�verantwortet,�nicht�selten.�Immerhin�ist�

KINO�„das�einzige�TV-Filmmagazin,�das�sich�ausschließlich�dem�deutschen�Film�

und�internationalen�Koproduktionen�mit�deutscher�Beteiligung�widmet“,�so�die�

Macher.�Es�richtet�sich�an�ein�internationales�Publikum�–�in�Ausgaben�auf�Eng-

lisch,�Deutsch�und�mit�arabischen�Untertiteln.

Seit�Juni�2003�führt�Moderatorin�Ute�Soldier�durch�das�Programm:�Berichte�und�

Filmkritiken,�Porträts�von�und�Gespräche�mit�Filmschaffenden�–�Regisseuren,�

Schauspielern�und�Maskenbildnern.�Trifft�sich�die�Filmwelt�zu�einem�der�groß-

en�internationalen�Festivals�oder�zu�Preisverleihungen,�ist�KINO�vor�Ort.�Peter�

Mbwago�aus�Tansania,�dessen�Bewerbung�zum�„Berlinale�Talent�Campus“�leider�

erfolglos�verlief,�schreibt,�dass�er�„bei�der�Berlinale�2011�zwar�nicht�persönlich,�

aber�dank�KINO�dennoch�dabei�sein�konnte.�KINO�hat�meinen�Tag�gerettet“.�Auch�

deutsche�Filmwochen�und�-feste�im�Ausland�sind�Gegenstand�des�Magazins.�

KINO�ist�ein�partnerschaftliches�Projekt.�Die�enge�Zusammenarbeit�mit�German�

Films�ist�einer�der�Grundpfeiler.�German�Films�ist�als�nationales�Informations-�

und�Beratungszentrum�für�die�internationale�Verbreitung�deutscher�Filme�zu-

ständig.�Weitere�Partner�der�Sendung�sind�das�Deutsche�Filminstitut�in�Frank-

furt� am� Main� mit� dem� Filmportal.de� und� die� Filmförderungsanstalt� FFA.� Ge-

meinsames�Ziel�ist�es,�den�deutschen�Film�im�Ausland�bekannter�zu�machen�und�

seine�internationale�Bedeutung�zu�fördern.�„Im�deutschen�Kino�herrscht�eine�

große�Vielfalt�an�Themen�und�Genres.�Eine�Aufbruchsstimmung�ist�in�der�neuen�

Generation�der�Filmkünstler�zu�spüren.�Das�soll�auch�im�Ausland�ankommen“,�

sagt�Hans�Christoph�von�Bock.�

Rückmeldungen�von�KINO-Zuschauern�zeigen:�Es�kommt�an!�So�schreibt�Barbara�

Slockbower�aus�den�USA:�„Ich�bemerke,�dass�sich�in�den�vergangenen�Jahren�

etwas�verändert�hat:�Mehr�europäische�Filme�werden�verbreitet�und�die�Situa-

tion�wird�sich�hoffentlich�weiter�verbessern.“

Elisabeth�Becker

In den Kinos der Welt

Welche deutschen Filme werden bald starten? Wie kommen sie auf den in-

ternationalen Festivals an? Wer sind die Gesichter vor und hinter der Ka-

mera? Das DW-Filmmagazin KINO informiert Zuschauer auf der ganzen Welt

einmal im Monat über Neues aus dem Filmgeschäft. Und zwar von deutschen

Produktionen und Koproduktionen.

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Bundesweiter AktionstAg Am 21. mAi 2011 An diesem Tag werden Aktionen, Veranstaltungen, Ausstellungen, Lesungen, Konzerte, Tage der offenen Tür, Demonstrationen und vieles andere mehr stattfinden.

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Weckruf für das Adrenalin Washington – Der viel gepriesene Qua-litätsjournalismus made in USA gerät in Gefahr. Medien ziehen geradezu in einen Glaubenskrieg. Kritiker beklagen Mei-nungsjournalismus, parteiisch, ja martia-lisch gehe es zu. Alles übertrieben? Alles seit jeher ganz normal jenseits des Atlan-tiks? Zwei Einschätzungen zum Thema.

Eilmeldung!� FOX� � NEWS� ALERT!!!� Trommelwirbel,� Bläser,�

Flackern�auf�dem�Bildschirm.�Was�ist�passiert?�Etwa�ein�

Anschlag� auf� den� Präsidenten?� Ist� Bin� Laden� gefangen�

worden?�Stürzt�die�Börse�ab?�

Nichts�von�alldem.�Ein�Moderator�von�FOX�News,�dem�po-

pulärsten� –� ich� scheue� mich,� das� Wort� zu� verwenden� –�

„Nachrichtenkanal“�Amerikas�verkündet:�Sarah�Palin,�re-

publikanische�Politikerin�und�Ikone�der�sogenannten�Tea-

Party-Bewegung,�hat�getwittert.

Leider�habe� ich� inzwischen�den�Inhalt�vergessen.�Wahr-

scheinlich� kritisierte� sie� wieder� mal� Präsident� Obama.�

Auf�jeden�Fall�war�die�Nachricht�weder�neu�noch�wichtig.�

FOX�News�verbreitet�–�oder�besser:�produziert�–�laufend�

Eilmeldungen�dieser�Art.�Dabei�handelt�es�sich�nicht�um�

Nachrichten�im�klassisch-journalistischen�Sinne,�sondern�

um�Meinungsäußerungen�prominenter�Politiker,�die�–�und�

das�macht�es�für�einen�Europäer�besonders�anstößig�–�oft�

auf�der�Gehaltsliste�von�FOX�News�stehen.�Palin�bekommt�

für�ihre�Kommentare�eine�Million�Dollar�im�Jahr.�Genau-

so� viel� erhielt� bis� vor� kurzem� Newt� Gingrich,� ein� Vor-

denker�der�Republikaner.�Mit�einer�halben�Million�Dollar�

muss�sich�Mike�Huckabee�zufrieden�geben,�ein�möglicher�

konservativer� Präsidentschaftskandidat� im� Jahr� 2012.�

Für�dieses�Geld�redet�er�schlecht�über�Barack�Obama.�Er�

behauptet�offenbar�wider�besseres�Wissen,�dass�Obama�

in�Kenia�aufgewachsen�sei.�Er�sagt,�der�Präsident�sei�„un-

amerikanisch“.�Andere�TV-Kanäle�–�etwa�MSNBC�oder�CNN�

–�halten�dagegen,�verteidigen�progressive�Kräfte.

Meinungsmache,� wohin� man� im� amerikanischen� Fern-

sehen� auch� sieht.� So� mancher� deutsche� Journalist� in�

Washington� rümpft� da� die� Nase.� Das� Vorurteil� von� den�

ungebildeten�Amerikanern�lässt�sich�so�pflegen.�Doch�ich�

halte�das�für�einen�Fehler.�Denn�den�privaten�US-amerika-

nischen�TV-Kanälen�geht�es�gar�nicht�um�die�Verbreitung�

von�Information.�Sie�wollen�vor�allem�Geld�verdienen.�FOX�

News�beweist:�Das�Geschäftsmodell,�den�Unzufriedenen�

in�der�Gesellschaft�ein�Sprachrohr�zu�geben,�funktioniert.

Die� USA� sind� ein� freies� Land.� Es� hat� mit� der� New� York�

Times�oder�der�Washington�Post�Zeitungen�von�einer�Qua-

lität,�die�in�Deutschland�ihresgleichen�sucht.�Wer�sich�in�

den� USA� wirklich� über� das� Weltgeschehen� informieren�

will,�kann�dies�ohne�Probleme�tun.�Niemand�wird�gezwun-

gen,�FOX�News�einzuschalten.�

von Miodrag Soric Leiter DW-Studio Washington

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profil —29weltzeit 02_2011

Eine� befreundete� Journalistin� erzählte� mir� neulich,� dass�

sie�beim�Frühstück�den�Kabelsender�FOX�News�anschaltet.�

Ich� war� irritiert.� War� sie� politisch� ebenso� extrem� einge-

stellt�wie�die�Promi-Kommentatoren�Sarah�Palin�und�Mike�

Huckabee?� Oder� empfindet� sie� die� täglichen� Hasstiraden�

und� Verschwörungstheorien� des� Moderators� Glenn� Beck�

(Obama�habe�einen�tief�sitzenden�Hass�gegen�weiße�Men-

schen�und�die�nationale�Krankenversicherung�sei�faschis-

tisch)� vielleicht� sogar� unterstützenswert?� Nein,� meine�

Freundin�braucht�FOX�„News“,�wie� ich�einen�starken�Kaf-

fee� brauche:� als� Weckruf� für� das� Adrenalin.� Der� Sender�

erinnert�sie�täglich�daran,�warum�sie�Journalistin�gewor-

den�ist:�um�das�Recht�auf�freie�Meinungsäußerung�zu�ver-

teidigen.�

Der�pointierte�Meinungsbeitrag�hat�eine�lange�Tradition�in�

den� USA.� Am� Anfang� des� 20.� Jahrhunderts� wollten� Jour-

nalisten� überzeugen,� nicht� ausgewogen� berichten.� Es�

gab�eine�große�Vielfalt�an�Zeitungen,�die�offen�politische�

Meinungen� vertraten.� Erst� durch� die� Journalismusschu-

len�setzte�sich�die� Idee�der�objektiven�Berichterstattung�

mit�der�klaren�Trennung�zwischen�Nachricht�und�Meinung�

durch.� Heute� setzt� sich� diese� Tradition� in� den� Tageszei-

tungen� fort.� Kommentare� erscheinen� gesondert,� aufge-

führt�in�der�Rubrik�„Editorials“.

Durch�die�Popularität�von�Talk-Radio,�Kabelsendern�und�vor�

allem�durch�die�digitale�Revolution�erlebte�der�Meinungs-

journalismus�in�den�USA�eine�neue�Blüte.�Jeder�hatte�eine�

Meinung�und�konnte�sie�mit� relativ�einfachen�Mitteln�mit�

der� Öffentlichkeit� teilen.� Die� subjektive� Sichtweise� auf�

politische�und�gesellschaftliche�Ereignisse� tauchte�über-

all�neben�den�Nachrichten�auf;�und�in�manchen�Fällen�ver-

drängte� die� Kommentierung� die� eigentliche� Berichter-

stattung.�

Der� ungeschminkte� Meinungsjournalismus� gehört� zu�

Amerika,� gehört� zu� jeder� gesunden� Demokratie,� denn�

er� spiegelt� die� Meinungsvielfalt� des� Landes� wider.� In�

pluralistischen�Gesellschaften�ist�die�Existenz�von�Sendern�

wie� FOX� News� und� dem� linksliberalen� MSNBC� wichtig� für�

den�öffentlichen�Diskurs.�Es�gibt�einen�Spruch�in�den�USA,�

der� leider� in�dem�tief�gespalteten�Land,�wo�Republikaner�

und�Demokraten�sich�so�verfeindet�haben,�etwas�in�Verges-

senheit�geraten�ist:�„Ich�mag�vielleicht�nicht,�was�du�sagst,�

aber�ich�verteidige�mit�aller�Kraft�dein�Recht,�es�zu�sagen.“�

Ich� gebe� zu,� die� Äußerungen� dieser� Sender� entsprechen�

nicht� meinem� Verständnis� von� Journalismus.� Aber� ich�

akzeptiere,� dass� viele� Millionen� Amerikaner� ihr� eigenes�

politisches�Weltbild�dort�bestätigt�sehen.�Alternativen�wie�

ein�Verbot�von�extremen�Positionen�à�la�Glenn�Beck�–�wie�

es�manche�Bürger�im�Sinne�von�„politically�correct“�ver-

langen�–� ist�keine�Option� in�einer�Demokratie.�Wie�meine�

Freundin�mir�eingestand:� In�China�wäre�es�nicht�möglich,�

ein�so�breites�Meinungsspektrum�im�Morgenfernsehen�zu�

sehen�und�dann�gleich�seine�eigenen�Betrachtungen�dazu�

in�einem�Blog�zu�verfassen.�

von Kristin Zeier Leiterin Englisch-Redaktion Bonn

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30— profil

Ich habe viele Karl-May-Romane gelesen, aber Der blaurote Methusalem war und ist mein Lieblingsband. Ich erhielt ihn 1986. Mein Vater hatte gerade seine Promotion an der Ludwig-Maximilians-Universität in München erfolgreich abgeschlossen. Nach sieben Jahren in Deutsch-land kehrten wir zurück nach Bali, Indonesien. Für meine Eltern war es die langersehnte Rück-kehr in die Heimat. Ich dagegen kehrte der ein-zigen Heimat, die ich bis dahin gekannt hatte, nämlich Deutschland, den Rücken.

Um den Übergang für mich einfacher zu machen, schickten Münchner Freunde meiner Eltern mir deutschsprachige Bücher: Mär-chen und Fabeln, Enid-Blyton-Serien, Alfred Hitchocks „Die drei Fragezeichen“ und Karl

Mays Abenteuerromane. Das erste deutsche Buch, das ich in Bali zugeschickt bekam, war Der blaurote Methusalem. Er war meine Ver-bindung zu München, zu Deutschland und zu meinem Traum: irgendwann einmal nach Deutschland zurückzukehren, um dort zu studieren.

In den darauffolgenden Jahren habe ich Teile des Orient-Zyklus und der Winnetou-Serie verschlungen. Karl Mays Abenteuererzählungen waren mein Fenster zu anderen, fremden Län-dern, sie weckten meine Reiselust und Neugier auf Unbekanntes.

Indonesien ist das größte Inselreich der Welt. Rund 17.000 Inseln erstrecken sich über drei Zeitzonen. Zum Vergleich: Legt man die

Karl May und die Insel der Götter

Am Anfang war ein Karl-May-Roman: Der blaurote Methusalem. Karl May erzählt die Geschichte eines ewigen Münchner Studenten, der im Reich der Mitte nach einem Öl-erben, einer chinesischen Familie und einem Schatz sucht – und auf wundersame Weise auch findet. Für Ziphora Robina Ausgangspunkt eigener Abenteuer zwischen Deutsch-land und Indonesien.

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dung�zu�Deutschland:�Karl�May�und�der�

Traum�vom�Studium�in�der�„Heimat“

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profil —31weltzeit 02_2011

Indonesische Landkarte über eine Karte Euro-pas, deckt die Fläche Indonesiens fast die ge-samte Europäische Union ab. Um Indonesien zu verlassen, nimmt man entweder eine lange Schiffsfahrt auf sich oder man fliegt. Karl May beflügelte meine Fantasie. Durch seine Bücher erforschte ich die Vereinigten Staaten und reiste durch Teile Afrikas. Die deutsche Sprache eröff-nete mir Türen, fantastische Länder und Welten zu besuchen. Und, ohne dass ich es merkte, hal-fen mir die Bücher, die deutsche Sprache nicht zu verlernen.

Bilaterale ÜberraschungenSo konnte ich knapp neun Jahre später mei-nen Kindheitstraum verwirklichen – und in Deutschland studieren. Im Herbst 1995 war ich an der Ludwig-Maximilians-Universität Mün-chen eingeschrieben.

Über die Jahre war die enge Verbindung zu Deutschland lebendig geblieben. Die Neugier auf fremde Länder auch. Umso überraschender war es für mich, dass eines der ersten Länder, das ich durch meinen Aufenthalt in Deutschland besser kennenlernte, ausgerechnet mein Her-kunftsland war. Deutschland und Indonesien

pflegten eine langjährige Freundschaft. Offiziell begannen die diplomatischen Beziehungen im Jahr 1952. Aber schon im 16. Jahrhundert gab es deutsche Reiseberichte über Indonesien. Deut-sche Wissenschaftler, Abenteurer, Schriftsteller und Künstler bereisten das Inselreich und ließen sich von der außerordentlichen Naturlandschaft, den Hunderten von Sprachen und Völker-stämmen inspirieren. Einige blieben, wie zum Beispiel der Maler Walter Spies, der sich in den 1930er-Jahren auf Bali niederließ.

Im 20. Jahrhundert prägten Wissenschaft und Wirtschaft die deutsch-indonesischen Bezie-hungen. Aus indonesischer Sicht steht „Made in Germany“ für qualitativ hochwertige Produkte, Hightech und Maschinenbau. Aus diesem Grund

kommen viele junge Indonesier nach Deutsch-land, um zu studieren. Der bekannteste unter ihnen ist wohl Indonesiens ehemaliger Präsident Habibie, der 1954 mit einem Stipendium nach Deutschland kam und in Aachen Luft- und Raumfahrtechnik studierte.

Gewandelte AufmerksamkeitUmgekehrt kennen viele Deutsche Indonesien hauptsächlich als Reiseland. Unter den Son-nenliebhabern ist besonders Bali, die Insel der Götter, gefragt. Wie wenig der Rest Indonesiens bekannt ist, lässt sich aus der häufig gehörten Frage erkennen: Indonesien – liegt das in der Nähe von Bali?

Das änderte sich erst nach 2004. Nach der Tsunami-Katastrophe am zweiten Weihnachtstag rückte Indonesien ins internationale Rampen-licht. Das Reise- und Tauchland erfuhr eine gewandelte Aufmerksamkeit, Wiederaufbau und Entwicklungszusammenarbeit waren das Gebot der Stunde. Deutschland stand Indonesien bei und übernahm die Federführung bei der Um-setzung eines Tsunami-Frühwarnsystems. Die Hilfsbereitschaft der deutschen Regierung und der deutschen Bevölkerung haben sich einge-

prägt. Aus indonesischer Sicht wurde dadurch die jahrelange Freundschaft zwischen beiden Ländern noch verstärkt.

Meine persönliche Sicht auf Deutschland hat sich in den letzten Jahren auch verändert. Als zehnjähriges Mädchen auf Bali war Deutschland ein faszinierendes, fernes Land, ein Land der Abenteurer und Dichter, mein Fenster in die Welt. Mit 20 war Deutschland mein Studienziel. Aus dem Fenster zur Welt wurde ein Tor und dahinter lag die ganze Welt, die es zu entdecken galt. Heute habe ich das Tor durchschritten und lebe nun in zwei Welten; in Indonesien, meinem Herkunftsland, und Deutschland, meiner adop-tierten Heimat. ——

Ziphora Robina wurde�am�21.�Juli�1976�in�Bali�geboren�und�kam�mit�ihren�Eltern�1978�nach�Deutschland.�In�München�besuchte�sie�die�Grund-

schule�bis�zur�vierten�Klasse.�1986�kehrte�sie�zurück�nach�Bali.�Nach�dem�Abitur�1995�zog�sie�wieder�nach�Deutschland.�Sie�stu-

dierte�in�München�und�Augsburg,�wo�sie�einen�Magisterabschluss�für�Deutsch�als�Fremdsprache,�Anglistik�und�Kommunikati-

onswissenschaft�erlangte.�Für�ein�Jahr�war�sie�anschließend�in�Stuttgart�in�der�Abteilung�Kommunikation�einer�kleinen�kirch-

lichen�Organisation.�2005�kam�sie�zur�Deutschen�Welle,�machte�zunächst�ein�Volontariat�und�arbeitet�seit�2007�als�Redakteu-

rin�in�der�Asien-Abteilung.�

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32— neue medien

Ein denkwürdiges Datum der bundesdeut-schen TV-Geschichte ist der 17. Januar 1962. Als an jenem Abend die letzte Episode der Reihe „Das Halstuch“ lief, sollen ganze Innenstädte verwaist und Dorfplätze entvölkert gewesen sein. Das Krimifinale erreichte eine Einschaltquote von sagenhaften 89 Prozent. Damit gilt „Das Halstuch“ als Paradebeispiel des Straßenfegers – eines Phänomens, das heutige Programmchefs mit Begriffen wie TV-Event nur allzu gern wie-derbeleben würden.

Etwas unterscheidet die begeisterten Massen des Jahres 1962 allerdings von den Zuschauern der Gegenwart: Sie hatten keine Wahl. Zum einen war der Krimi an jenem Abend eines von zwei überhaupt verfügbaren Programmen, zum zweiten stand selbstverständlich auch die Sen-dezeit fest wie in Stein gemeißelt. Wer nicht ab 20.15 Uhr vor der Mattscheibe saß, hatte das Großereignis unwiederbringlich verpasst.

Seither hat nicht nur die Einführung von Kabel-, Satelliten- und IP-TV das Angebot der Kanäle vervielfacht. Mit Video- und Festplat-tenrecordern können Zuschauer selbst über die „Sendezeit“ bestimmen. Viele Sender haben den Trend zum individuellen Fernsehkonsum in-zwischen erkannt und bieten ihre Programme in Online-Mediatheken an. Hier können einzelne

Sendungen jederzeit „on demand“, also „auf Abruf“ angesehen werden.

Auch die Deutsche Welle versammelt seit ei-nigen Monaten TV- und Radiobeiträge sowie ergänzende Fotogalerien auf einer zentralen Oberfläche, dem DW Media Center. Projektleiter Björn Rosenthal ist überzeugt, dass die neue Prä-sentation viele Menschen einlädt, die Angebote der DW neu zu entdecken: „Durch diese Platt-form hat der Nutzer erstmals die Möglichkeit, das audiovisuelle Angebot auf einen Blick zu er-fassen. Zudem fällt es nun leichter, in komplexe Themen tiefer einzusteigen. Denn das DW Media Center zeigt zu jedem Inhalt automatisch pas-sende Videos, Audiobeiträge und Fotos an.“

Auch wenn Fernsehen für die meisten Men-schen heute noch auf dem Fernseher und nicht auf einem Computerbildschirm stattfindet, könnte die Unterscheidung zwischen „TV“ und „PC“ schon bald vergessen sein, meint Björn Rosenthal. „Immer mehr Flachbildschirme haben heute schon einen eingeschränkten Zu-gang zum Netz. Ob man von solchen Geräten aus auf Mediatheken zugreifen kann, muss oft mit den Herstellern verhandelt werden.“ Die BBC ist da schon einen Schritt weiter, ihr Media Center namens „iPlayer“ ist nicht nur auf neue-ren Samsung-Fernsehern, sondern auch auf den

01-02 Fernsehen�nach�Wunsch�

und�persönlichem�Zeitplan�statt�im�

Würgegriff�des�„Halstuchs“,�wie�in�den�

Sechzigerjahren:�das�DW�Media�Center�

und�ein�Ausschnitt�aus�dem�Straßen-

feger

Die Tagesschau läuft um acht, die Kochshow um halb vier, und wer beim Tatort erst um 20.18 Uhr einschaltet, hat den Mord verpasst. „Fernsehzuschauer“ der nächsten Generation werden darüber wohl nur den Kopf schütteln. Denn die Bedeutung von Online-Mediatheken und TV auf Abruf wächst.

Alles auf Abruf

von Dominik Ahrens Auslandsmarketing

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schlaglichter —33

Al-Dschasira baut auf „Stream“

Schlechte Nachrichtfür die Nachricht „Der klassische Nachrichtenartikel

ist tot.“ Das behauptete der Journa-

list und Wissenschaftler Jeff Jarvis

(USA) im Herbst 2008 in seinem Blog.

Im Lichte der Berichterstattung über

die Unruhen in Tunesien, Ägypten

und Libyen wird seine Aussage wie-

der lebhaft diskutiert. Denn manche

Medienanbieter haben neue Formen

der Informationsbeschaffung und

-aufbereitung genutzt: Live-Blogs,

die Einbindung von User Generated

Content via YouTube, Facebook und

Twitter. Darüber hinaus gab es zahl-

reiche Experimente, zum Beispiel

mit dem Werkzeug Storify. Damit

lassen sich Inhalte verschiedener

Quellen komponieren und kommen-

tieren. Allerdings: Wird der Beitrag

veröffentlicht, ist er meistens schon

wieder veraltet. Medienexperten

plädieren deshalb für einen prozes-

sualen Zugang zu Nachrichten, die

sich fortlaufend aktualisieren.

Silicon Valleyauf chinesischDas Technologiezentrum Zhongguan-

cun in Peking soll in zehn Jahren zum

Synonym für weltweite IT-Innovation

werden. Das sieht der Mitte März

verabschiedete Fünfjahresplan der

chinesischen Regierung vor. Wie die

staatliche chinesische Nachrichten-

agentur Xinhua berichtete, wollen

die Chinesen bis 2016 50 Milliarden

Yuan (5,44 Milliarden Euro) inves-

tieren. 2020 soll die IT-Zone einen

Umsatz von zehn Billionen Yuan (1,1

Billionen Euro) erwirtschaften, so die

Der arabische Nachrichtensender

Al-Dschasira plant ein neues TV- und

Internet-Format: Für „Stream“

sollen nicht Journalisten oder TV-

Produzenten, sondern die Nutzer von

Twitter, Facebook und YouTube die In-

halte liefern. Die rasante Entwicklung

der Nutzerzahlen bei Al-Dschasira

Online stand Pate: Innerhalb weniger

Wochen hatten sich die Zugriffe mehr

als zweitausendfach erhöht. Die Be-

richterstattung über die Aufstände in

Ägypten, Tunesien und Libyen dürfte

wesentlich dazu beigetragen haben.

Der arabische Sender will den Einsatz

von „User Generated Content“ (Inhal-

ten, die von Nutzern erstellt wurden)

noch verstärken. „Stream“ sei erst

ein Anfang, heißt es bei Al-Dschasira.

Guter Tipp von derSuchmaschineAuf der Suche nach einem italie-

nischen Lokal? Oder nach einem neu-

en Auto? Viele Entscheidungen basie-

ren auf persönlichen Empfehlungen.

Und die könnten künftig Google oder

Microsoft via Bing liefern. Google

und Bing wollen Ergebnisse aus dem

persönlichen Umfeld in Sozialen

Netzen bevorzugt anzeigen. Eine He-

rausforderung für Unternehmen, die

sich bislang gute Platzierungen durch

Suchmaschinen-Optimierer erkaufen

konnten. Sie müssen sich bald stär-

ker bei Sozialen Medien engagieren,

wollen sie ihre Positionen im Netz

auch künftig behaupten. Microsofts

Suchmaschine Bing integriert bereits

Ergebnisse, die von befreundeten

Nutzern mit einem sogenannten

„Like“ versehen wurden.

hochgesteckten Erwartungen. Das

Großprojekt dürfte sich am Vorbild

des kalifornischen Sillicon Valley

(USA) orientieren.

„Just Do It…“ auch in MyanmarNach dem Vorbild der Demokratie-

Bewegung in Ägypten hat eine Grup-

pe Aktivisten in Myanmar (Birma)

eine Anti-Regierungs-Webseite bei

Facebook gestartet: „Just Do It

Against Military Dictatorship“ hat

bereits 1.500 Unterstützer. Das ist

angesichts der 400.000 Internet-

nutzer unter den rund 36 Millionen

Einwohnern beachtlich. „Reporter

ohne Grenzen“ bezeichnet Myanmar

und neun andere Staaten aufgrund

sehr eingeschränkter Möglichkeiten

der Internetnutzung als „Feinde des

Internets“.

40 Prozent mehrDeutsche mobil Über vier Millionen Bundesbürger

gehen inzwischen per Smartphone

oder Internet-fähigem Handy on-

line. Jeder Zweite von ihnen nutzt

den mobilen Internetzugang täglich

oder mehrmals pro Woche. Im Ver-

gleich zum Vorjahr ein Anstieg um

40 Prozent. Das geht aus der Studie

„Mobile Internetnutzung 2011“ des

Marktforschungsinstituts Nordlight

Research in Kooperation mit der

Webfrager GmbH hervor. 1.000

Verbraucher ab 16 Jahren hatten

sich im Februar ausführlich zu ihrem

Nutzungsverhalten im mobilen und

stationären Internet sowie im Be-

reich Mobilfunk geäußert.

populären Spielekonsolen Play-station 3 und Wii verfügbar.

Ein sozialer Aspekt des DW Media Centers ist für Ro-senthal besonders wichtig: die Empfehlungsfunktion, mit der Nutzer ihre Freunde in So-zialen Netzen wie Facebook und Twitter auf einen Beitrag aufmerksam machen können. Damit wird ein Online-Clip zwar noch nicht zum Straßen-feger – doch Fernsehen bietet immer noch Gesprächsstoff.

Die echten Straßenfe-ger der frühen Fernsehjahre sind inzwischen übrigens als DVD-Reihe erschienen. Nostalgische Krimifreunde können sie also jederzeit „auf Abruf “ genießen. ——

mediacenter.dw-world.de

weltzeit 02_2011

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34— zoom

„Je unbekannter etwas ist, desto neugieriger macht es mich“, sagt Nahla Elhenawy. Wohl auch deshalb entschied sich die heute 28-jäh-rige Ägypterin früh, außergewöhnliche Wege zu gehen. Mit 17 begann sie, in Kairo Japa-nologie zu studieren, von Asien wusste sie be-sonders wenig. Mit 19 dann der Sprung nach Tokio, erst zum Studium, später immer wieder für journalistische Praktika.

In Kairo und Tokio recherchiert und über-setzt sie für japanische Journalisten, die einen Dokumentarfilm über islamischen Fundamen-talismus anfertigen. „Ich wollte Journalistin werden, weil ich so viel mit Journalisten zu tun hatte“, erinnert sich Nahla. Sie schreibt erste Berichte über „die Japaner“ für ägyp-tische Zeitungen, will die so fremden Kul-turen ein Stück näher zusammenbringen. Dass Freunde sie fortab scherzhaft nur noch „Japan-

Freak“ nennen, ihr Großvater sie am Telefon sogar mit „Hey, Suzuki, wie geht’s dir?“ be-grüßt, darüber muss sie noch heute lachen.

„Deutschland habe ich in Japan kennen-gelernt“, antwortet Nahla, wenn Kollegen sie löchern, wie eine Ägypterin in Tokio den Weg zur Deutschen Welle findet. 2005 war Deutschlandjahr in Japan; sie besuchte Konzerte, Ausstellungen und Diskussionen. Noch kann sie der harten, wenig melodiösen deutschen Sprache wenig abgewinnen, ver-steht Kinofilme wie „Lola rennt“, „Goodbye Lenin“ oder „Das Experiment“ nur mit japa-nischen Untertiteln. Doch je mehr sie über Land und Leute erfährt, desto neugieriger wird sie. „Ich fand es faszinierend, wie gut die Deutschen ihre Geschichte aufgearbeitet haben, insbesondere auch im Vergleich mit Japan.“ Als Touristin und Sprachschülerin

„Hey, Suzuki, wie geht’s dir?“Ihre Neugier hat sie weit gebracht. Nahla Elhenawy entdeckte erst Japan, später Deutschland und den Nahen Osten. Seit 2010 arbeitet die junge Ägypterin in der Arabisch-Redaktion von DW-TV. Die Revolution in ihrem Heimatland weckt ihre Neugier wieder – dieses Mal auf ein Land, das sie nicht wiedererkennt.

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von Richard FuchsFreier Journalist

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zoom —35weltzeit 02_2011

reist sie nach Berlin, in „eine Stadt, die man sein Leben lang nicht vergisst, wenn man sie im Sommer sieht“, meint Nahla. Von Tokio aus bewirbt sie sich für ein Volontariat, übt parallel Deutsch mit einem Auslandsschweizer. Es klappt.

„Das Volontariat bei der Deutschen Welle war mein Fenster zu Europa“, sagt Nahla über die 18 Monate in Bonn und Berlin, die ihr Leben verändert und den Blick auf Europa ge-schärft haben. Als Auslandsstation – Bestand-teil des Volontariats – wählte die Ägypterin das ZDF-Studio Tel Aviv, um über Israel oder Palästina nicht nur zu schreiben, sondern um die Lage der Menschen auch zu verstehen.

Schwierige WochenDem Journalismus, den sie bei der DW gelernt hat, attestiert sie ein hohes Maß an Selbstkritik und Selbstreflexion. Das gelte auch und be-sonders bei der Berichterstattung der aktuellen Revolutionen in der arabischen Welt, wie sie es in der Arabisch-Redaktion von DW-TV erlebt hat. „Wir haben unglaublich viel gear-beitet seit Beginn der Revolution“, sagt Nahla – nicht ohne Stolz auf das eigene Team. Dabei erinnert sie sich an die tagelange Internet-sperre in Ägypten Ende Januar. In dieser Zeit nahm sie tagsüber Korrespondentenberichte aus Kairo telefonisch entgegen, nachts stellte sie für ägyptische Freunde ohne Internet-zugang Facebook-Nachrichten ein. „Das waren schwierige Wochen für mich, denn ich wollte in Ägypten bei meinen Freunden und meiner Familie sein, aber auch in Deutschland meine Arbeit machen.“

Nahla arbeitet als Übersetzerin, Planerin und dreht als Videojournalistin auch eigene Reportagen. Für DW-TV beobachtet sie zudem, was sich junge Araber in Blogs, Twit-ter und sozialen Netzen mitteilen. Auch wenn die Revolution ohne die Generation Facebook so wohl nie stattgefunden hätte: „Die Zutaten für eine Revolution, also explodierende Prei-se, Armut und die Ohnmacht gegenüber der Korruption, die waren längst da“, sagt sie.

Störende KlischeesAm Umgang westlicher Medien mit dem Sturz der arabischen Diktatoren stört sie nur dies: dass immer wieder auf Klischees zurück-

gegriffen werde. Eines ihrer Beispiele ist: der Umgang mit der ägyptischen Muslimbruder-schaft, die zum Schreckgespenst hochstilisiert werde. „Warum sollte die Muslimbruderschaft keine Partei haben in einem demokratischen Ägypten?“, fragt sie und verweist darauf, dass es schließlich auch hierzulande religiös geprägte, christliche Parteien gebe. Politische Ausgrenzung erzeuge nur Aggressionen auf allen Seiten, da ist sie sich sicher.

Die Revolution in ihrem Heimatland hat Nahlas Neugier wieder geweckt. Manchmal träumt sie davon, die DW hätte ein umfas-senderes Nachrichtenprogramm auf Hoch-arabisch. Darin müssten noch mehr Berichte aus der arabischen Welt laufen, aber ebenso noch mehr Reportagen über muslimisches und arabisches Leben in Deutschland. „Ich glaube, viele Araber haben ein völlig falsches Bild davon, wie Muslime hier in Deutschland leben“. Anregungen für Reportagen bekommt sie in ihrem Berliner Lieblingsstadtteil Kreuzberg jeden Tag. Sie genießt es, wenn dort die kulturellen Grenzen, Essenstraditionen und Lebensweisen verschwimmen. Ein demokratisches Ägypten sollte genau so sein. Dann würde Nahla ihr Heimat-land zwar nicht mehr auf Anhieb wiedererkennen, aber neugierig wäre sie darauf schon. ——

»Ich genieße

es, wenn kultu-

relle Grenzen

verschwimmen.«

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