Weltzeit 4 | 2012: Deutsch zum Hingucken – Jojo und andere Wege zur deutschen Sprache

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welt zeit Deutsch zum Hingucken Jojo und andere Wege zur deutschen Sprache Das Magazin der Deutschen Welle AUSGABE 4 | 2012

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Neue Wege zur deutschen Sprache – „Jojo sucht das Glück“ ist eine Telenovela für junge Deutschlerner in aller Welt. Die Serie, die im Internet läuft, hat eine große Fan-Gemeinde. Denn eine Sprache ist nur so attraktiv, wie das Angebot, das man zum Erlernen dieser Sprache bereit hält. Deshalb vermittelt man die Sprache Goethes heute am besten mit innovativen Projekten, die einen Bezug zur Lebenswelt der Lernenden haben. Die DW bietet solche neuen Wege zur deutschen Sprache – durch ein multimediales Angebot für Lernende und Lehrende. Sie vermittelt dabei zugleich Kultur aus Deutschland und schafft Verbindungen zwischen den Kulturen.

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Deutsch zum HinguckenJojo und andere Wege zur deutschen Sprache

Das Magazin der Deutschen Welle AusgAbe 4 | 2012

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KULTURAUSTAUSCHZeitschrift für internationale Perspektiven

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Heft 3 /2012:

Am MittelmeerMenschen auf neuen Wegen

In dieser Ausgabe:

Predrag Matvejević: Das geteilte Meer Giuliana Sgrena: Der Wind von Süden Tariq Ramadan im Interview: „Ist der Westen bereit für muslimische Demokratien?“ Elif Şafak und Ashur Etwebi: Istanbul und Tripolis. Zwei Städte Sihem Bensedrine: Europas Sicherheits-denken Bora Ćosić: Küstenlinien Tahar Ben Jelloun: Alter Groll Claus Leggewie: Generation Frust

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Wer bei der Deutschen Welle ei-nen der begehrten Plätze als Volontärin oder Volontär erhalten möchte, muss ein anspruchsvolles Auswahlverfahren erfolg-reich durchlaufen. Eine der grundlegenden Voraussetzungen sind Sprachkenntnisse – vor allem sehr gute Deutschkenntnisse. Das gilt nicht nur für den Nachwuchs, son-dern generell für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 60 Nationen. Wer für die Stimme Deutschlands in der Welt ar-beitet, muss die deutsche Sprache beherr-schen. Nur so können wir unseren gesetz-lichen Auftrag erfüllen: Deutschland in vielen Sprachen umfassend darstellen und deutsche Sichtweisen zu wichtigen globa-len Themen erläutern.

Und die Verbreitung der deutschen Sprache fördern. Auch das ist Teil unseres Auftrags. Wir erfüllen ihn mit multimedi-alen Informationsangeboten auf Deutsch. Und mit Deutschkursen – etwa in Kisuaheli und Haussa, Indonesisch und Bengali, Rus-sisch und Brasilianisch. Wer die Menschen motivieren will, Deutsch zu lernen, muss sie mit attraktiven Inhalten und Formaten gewinnen. Die Deutsche Welle verschafft Menschen in allen Weltregionen einen innovativen Zugang zum Deutschlernen.

Sie vermittelt dabei zugleich Kultur aus Deutschland und baut Brücken zwischen den Kulturen.

Ein Beispiel ist die erfolgreiche Teleno-vela „Jojo sucht das Glück“, die unter den jungen Deutschlernern in aller Welt eine große Fan-Gemeinde hat. Zum Start der zweiten Staffel aus Anlass der Internationa-len Deutscholympiade kürzlich in Frankfurt am Main stand natürlich Jojo, die Heldin der Serie, die auch die Titelseite dieser Weltzeit ziert, im Mittelpunkt des Interesses.

Langsam gesprochene Nachrichten – auch das gibt es nur bei der Deutschen Welle. Zielgruppe sind Menschen in aller Welt, die sich zum einen für die deutsche Sprache, zum anderen für das Geschehen in Deutschland und Europa interessieren. Das geplante Projekt „Deutsch lernen mit Mu-sik“ oder auch die Online-Reihe „Märchen aus aller Welt“ – im Original vorgetragen

von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der DW, ergänzt um Zeichentrickfilme in deut-scher Sprache – auch das ist Teil unseres vielfältigen Angebots.

Wie die DW und andere Mittler Interes-sierten in aller Welt neue, attraktive Wege zur deutschen Sprache eröffnen, das ist Schwerpunkt dieser Weltzeit.

Drei weitere Themen in diesem Heft möchte ich hervorheben: Wir stellen Ih-nen das Multimediaprojekt „Spurensuche – deutsch-jüdische Geschichte(n) in aller Welt“ vor. DW-Reporter reisen an ausgewähl-te Schauplätze und gehen dort den Spuren deutsch-jüdischer Einwanderer nach. Zum Beispiel in Schanghai, China. Das Projekt wird vom Auswärtigen Amt gefördert. Mit Blick auf das Anfang September startende Beethovenfest Bonn und den Besuch junger Musiker aus der Türkei fragen wir den Diri-genten Cem Mansur, warum sich Menschen in allen Kulturen für Beethoven begeistern. Und in der Reihe „Deutschlandbild“ hält uns eine junge Autorin aus Kolumbien den Spiegel vor.

Ich freue mich über Ihr Interesse.

Erik BettermannIntendant

Editorial

»Wir fördern die Verbreitung der

deutschen Sprache.«

3Deutsche Welle

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Fahimeh Farsaie erinnert sich: „Das The-ater hat mir geholfen, Deutsch zu lernen.“ Immer wieder hat sie Stücke gelesen, um die Feinheiten der Sprache zu begreifen. Jetzt hat die 1952 in Teheran geborene Schriftstellerin und Journalistin nach meh-reren Romanen und Erzählbänden ihr erstes Thea-terstück geschrieben: „Das giftige Grün des Herzens“ – entstanden im Rahmen des Projekts „In Zukunft“, eines bundesweiten Theaterworkshops für Auto-rinnen und Autoren mit Migrationshintergrund. Es ist die rätselhafte Geschichte einer Freundschaft zwi-schen zwei Frauen aus unterschiedlichen Kulturen,

der iranischen und der deutschen. Fahimeh Farsaie ist Mitarbeiterin der Farsi-Redaktion der Deutschen Welle. „Hier habe ich die Möglichkeit, zivile Aufklä-rung in Iran zu leisten.“ Während des Schah-Regimes hatte sie wegen einer kritischen Erzählung ein Jahr im Gefängnis verbracht. 1979 war sie an der Revolution in Iran beteiligt. Doch auch in der Islamischen Republik wurde die studierte Juristin und Kunsthistorikerin verfolgt. 1983 gelang ihr die Flucht in die Bundesrepu-blik. Heute lebt Fahimeh Farsaie in Köln.

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Welt AnschAuen

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Aktuelles erfAhren

6 Beethovenfest Bonn trifft Istanbul

6 Neues TV-MagazinTürkei und Europa

7 Medienförderung DW Akademie in Tunesien

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8 Schöne SpracheNeue Wege zur deutschen Sprache

11 Jojo-Fans im GlückNeue Staffel der Telenovela

12 Rappen auf DeutschTexter Tobias Baum im Interview

13 Deutsch lernen mit Musik Demnächst auf dw.de

14 Weil Sprache lebt Gastbeitrag von Jannis Androutsopoulos

16 Harry – gefangen in der Zeit E-Learning für Anfänger

16 Leichte Sprache Was Deutschlerner sagen

17 Kolumne: Wir sprechenDeutsch

heimAt erleben

18 Kolumne: Deutschlandbild Kolumbien – Laura Lizarazo über das Deutschlernen aus der Ferne

AnDere Verstehen

20 Kolumne: KulturtransferBruderschaft dank BeethovenGastbeitrag von Cem Mansur

21 Kolumne: Lesetipp Die Tandemokratie in Russland

unterWegs sein

22 Die letzte Zuflucht Rückkehr einer Jüdin nach Schanghai

23 Kolumne: Das läuft Deutsch-jüdische Geschichte(n) Ein Multimediaprojekt

meDienWelt einOrDnen

24 Werte und Globalisierung Deutsche Welle Global Media Forum Ein Rückblick

26 Staubfreies Archiv Virtuelles für die Nachwelt erhalten

gestern reflektieren

28 Vom Grußwort zur Radionovela 50 Jahre Französisch für Afrika

POsitiOn beZiehen

29 Aus der Traum in Mali Der Kommentar

menschen begegnen

30 Peter Foyse und die TelenovelaDer Fiesling aus „Jojo sucht das Glück“

Inhalt

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5Deutsche Welle

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Gemeinsam mit dem Beethovenfest lädt die DW jedes Jahr ein Jugendorchester aus einem ausgewählten Land ein und ver-gibt dorthin einen Kompositionsauftrag. Das so entstandene Werk wird im Rahmen des Festivals in Bonn uraufgeführt.

2012 ist die Türkei Partnerland dieses „Orchestercampus“. Am 20. August wird es für die jungen Musiker des „Turkish Natio-nal Youth Philharmonic Orchestra“ in Istan-bul ernst: Ihr künstlerischer Leiter, Cem Mansur, beginnt mit ihnen die Proben für Auftritte in der Türkei und in Deutschland. Am 17. September treten sie auf Einladung der DW beim Workshop-Konzert in Berlin im Sendesaal des Rundfunks Berlin-Bran-denburg (rbb) auf. Partner ist zudem die türkische Botschaft. Cem Mansur und Jean-Christophe Spinosi werden das Orchester dirigieren.

Am 19. September folgen das Orchester-campus-Konzert und die Uraufführung des

Werkes „Traffic“ beim Beethovenfest Bonn. Diese Auftragskomposition stammt aus der Feder des 23-jährigen türkischen Kompo-nisten Mehmet Erhan Tanman. Er macht in „Traffic“ das pulsierende Leben in Istanbul zum Thema. Wie immer steht beim Orches-tercampus-Konzert auch ein Werk Beetho-vens auf dem Programm.

Ein weiterer Termin zum Vormerken: Am 7. September beteiligt sich die DW am

„Public Viewing“ auf dem Bonner Münster-platz. Übertragen wird das Eröffnungskon-zert.

www.dw.de/beethoven

www.beethoven.de

lesen sie auch den gastbeitrag von

cem mansur auf seite 20.

Die wöchentliche Sendung behandelt Themen aus Politik, Wirtschaft und Kultur aus Deutschland und Europa. Beiträge aus den DW-Magazinen Europa aktuell, Made in Germany und Politik direkt ergänzt die Türkisch-Redaktion in Bonn um Stücke und TV-Porträts, die auf die regionalspezifischen Interessen der Zuschauer zugeschnitten sind.

Dieses Konzept gilt auch für die bereits laufenden Europa-Maga-zine für Mittel- und Südosteuropa – auf Polnisch, Rumänisch, Alba-nisch, Kroatisch, Bosnisch und Mazedonisch.

So unterschiedlich sich die Medienmärkte in der Region ent-wickeln, so deutlich bleiben die Defizite bei der Berichterstattung über die Europäische Union. Diese Informationslücke können Aus-landssender wie die Deutsche Welle schließen, wenn sie auf das

richtige Medium und auf fundierte Analyse setzen. Das machten die Leiterinnen und Leiter von fünf Redaktionen des Programm-bereichs Mittel- und Südosteuropa in einem Studiogespräch im Bonner Funkhaus deutlich. Anlass boten das bisherige Echo auf die neuen Europa-Magazine der DW und das 50-jährige Bestehen der Türkisch-, Polnisch-, Kroatisch- und Serbisch-Redaktion sowie das 20-jährige Bestehen der Albanisch-Redaktion.

hören sie Auszüge aus der gesprächsrunde:

www.dw.de/presse

Die DW begleitet das Beethovenfest Bonn auch 2012 als Kooperationspartner und macht das Festival zum Medienereignis für Kulturinteressierte in aller Welt.

Die DW hat jetzt auch ein TV-Angebot auf Türkisch: DW ile Avrupa. Das 26-minütige Europa-Magazin ist auf dem öffentlich-rechtlichen Sender TRT Türk landesweit und über Satellit auch weltweit zu sehen.

Beethovenfest: Bonn trifft Istanbul

TV-Magazin: Türkei und Europa

„Traffic“-Komponist:

Mehmet Erhan Tanman

Das neue Gesicht der DW

in der Türkei: Özlem Coskun

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Aktuelles erfAhren

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Sie arbeiten mit Managern und Poli-tikern, etwa an der Reform des ehemaligen Staatssenders. Zu den wichtigsten Partnern in Tunesien zählen die Verfassunggebende Versammlung und die öffentlich-rechtli-chen Radio- und Fernsehsender des Landes. „Gemeinsam denken wir außerdem darü-ber nach, wie wir die Parlamentsberichter-stattung ausbauen können, beispielsweise nach dem Vorbild des deutschen Kanals Phoenix“, erläutert Bereichsleiter Carsten von Nahmen.

Experten der DW Akademie trainieren zudem tunesische Journalisten – Themen sind unter anderem Wahlberichterstattung, journalistische Ethik und Nachrichtenjour-nalismus.

Und sie wirken für mehr Praxisorientie-rung in der Ausbildung. Die DW Akademie

arbeitet auch mit tunesischen Ministerien zusammen. In praxisorientierten Work-shops lernen Mitarbeiter den Umgang mit Journalisten in einer freiheitlichen Demo-kratie. Daniela Wiesler, Leiterin des Medien-trainings: „Vorbehalte gibt es auf beiden

Seiten. Deshalb ist es wichtig, dass Medien und Ministerien mehr voneinander wissen, denn sie sind auf einen professionellen Um-gang miteinander angewiesen.“

Finanziert werden die DW-Projekte in Tunesien vom Auswärtigen Amt und dem Ministerium für wirtschaftliche Zusam-menarbeit und Entwicklung (BMZ).

www.dw-akademie.de

Deutschland unterstützt die Demokratisierung Tunesiens unter anderem durch die Beratung und Professionalisierung von Medienschaffenden. Mitarbeiter der DW Akademie sind permanent vor Ort.

Medienförderung in Tunesien

Janin Reinhardt ist das neue Gesicht von PopXport. Seit Juni präsentiert sie das Musikmagazin im deutschen Aus-landsfernsehen. Im Wechsel mit Markus Schultze stellt die 30-Jährige herausra-gende Rock- und Popkünstler aus Deutschland vor. Die gebürtige Erfurte-rin startete beim Musiksender VIVA. Es folgten ProSieben, SAT.1, RTL und VOX.

Seit 2003 ist sie auch als Schauspielerin aktiv. Zuletzt stand sie für die Bestsellerverfilmung „Kein Sex ist auch keine Lösung“ und für die Krimireihe „Nachtschicht“ vor der Kamera.

Adelheid Feilcke ist seit 1. Juli Kul-turchefin. Die 50-Jährige war zuvor Lei-terin der Abteilung Internationale An-gelegenheiten. Sie kam 1992 zur DW und baute das Albanische Pogramm auf. Seit 1995 ist sie auch als Trainerin für die DW Akademie tätig. Die studierte Kultur-Anthropologin hat beim Schles-wig-Holsteinischen Zeitungsverlag vo-

lontiert und bis 1984 als Redakteurin gearbeitet. Feilcke stu-dierte Musik-, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft sowie Völkerkunde in Köln und war als DAAD-Stipendiatin in Tirana, Albanien. 1991 erwarb sie in einem Aufbaustudium an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg ein Diplom in Kulturmanagement.

Markus Reher hat zum 15. Juli die Lei-tung des DW-Studios in Moskau über-nommen. Er löst Alexandra von Nah-men ab, die nach Berlin zurückgekehrt ist und neue Aufgaben im Bereich Nach-richten/Chefredaktion übernommen hat. Reher (41) arbeitet seit 2006 als freier Korrespondent und TV-Autor in Russland. Ab 1990 studierte er Osteuro-

päische Geschichte, Politik und Russistik in Berlin. Nach einem Volontariat bei einer dortigen TV-Produktionsfirma war er für Arte und 3sat, für n-tv, SAT.1 und die Zeitung Die Welt tätig.

Klaus Bergmann (58) ist neuer Leiter der Abteilung Internationale Angele-genheiten. Seit 2009 leitet er die Euro-parepräsentanz der Deutschen Welle in Brüssel. Diese Funktion nimmt er in sein neues Aufgabengebiet mit. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Münster war er zu-nächst als Rechtsanwalt tätig. Ab 1987

arbeitete er als Personalreferent beim amerikanischen Aus-landssender Radio Free Europe in München. 1991 kam Berg-mann als Personalleiter zur Deutschen Welle nach Köln, zwei Jahre darauf wurde er zum Leiter der Verwaltung am Standort Berlin berufen.

menschen

Volkes Stimme: Training zur

Wahlberichterstattung

7Deutsche Welle

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Deutsche Sprache schöne SpracheRund 15 Millionen Menschen weltweit lernen Deutsch – an Schulen, Universitäten und in Kursen der Erwachsenenbildung. Wie lernt man heute die Sprache Goethes? Und wie motiviert man Menschen, Deutsch zu lernen? Am besten mit innovativen Projekten und einem engen Bezug zur Lebenswelt der Lernenden.

text AlexAndrA scherle, freie mitArbeiterin

Die Darsteller der Telenovela: (v. l.) Alexis Schvartzmann, Michael Behrendt,

Dorothea Kriegl, Tobias Baum, Elisa Thiemann, Peter Foyse und Simon Mehlich

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W er eine Sprache perfekt be-herrschen will, sollte sie möglichst schon als Klein-

kind erlernen. Von dieser Regel gibt es auch Ausnahmen: Diana Guncheva aus Bulgari-en zum Beispiel. Sie hatte mit 14 ihre erste Deutschstunde; heute spricht sie so gut Deutsch, dass sie die Sprache unterrichtet. Nach ihrem Studium in Bonn erhielt sie hier ein Jobangebot an einer Sprachschule: als Dozentin für Deutsch als Fremdsprache. Als schöne Sprache habe sie Deutsch zu-nächst nicht empfunden, erinnert sich die 31-Jährige. „Doch als wir am Gymnasium be-gannen, Werke von Brecht und Goethe im Original zu lesen, habe ich diese Schönheit entdeckt.“

Die meisten Jugendlichen sind allerdings nicht so fasziniert von Goethe oder Brecht. Erfolgreicher sind deshalb andere Ansätze: zum Beispiel das spielerische Lernen bei Grundschülern. Darauf setzt Boris Menrath, Leiter des Regionalbüros Südosteuropa der Zentralstelle für Auslandsschulwesen (ZfA), bei einem Projekt in der serbischen Stadt Subotica: „Die Schüler arbeiten mit einer interaktiven Tafel und hören ausschließlich

muttersprachliche Elemente“, erklärt er. „Alle Hörstücke der Lernsoftware sind von deutschen Kindern gesprochen worden, die serbischen Kinder ahmen die Aussprache nach. So gewöhnen sie sich gar nicht erst den Akzent und die kleinen Fehler der Leh-rer an.“ Eltern und Kinder seien begeistert, sagt Menrath. Die Schule „10. Oktober“ in Subotica ist die erste bilinguale Grundschu-le in Serbien – auch Musik, Kunst und Sport sollen hier in deutscher Sprache unterrich-tet werden.

Partnerschaft und Begegnung

Je mehr sich Schüler auf Deutsch über ein Fußballspiel oder ihre Lieblingsmusik un-terhalten, desto leichter wird die Sprache zu einem selbstverständlichen Bestandteil ihres Alltags. Didaktik-Experten gehen da-von aus, dass eine Sprache am besten gelernt werden kann, wenn sie in der Lebenswelt der Lerner verankert ist.

Besonders leicht fällt diese Kommuni-kation, wenn sich Schüler aus dem Ausland mit Gleichaltrigen aus der Bundesrepublik

persönlich auf Deutsch unterhalten können. Das ideale Lernfeld dafür sind Schulpartner-schaften, bei denen Schülergruppen einan-der besuchen. Solche Begegnungen fördert der Pädagogische Austauschdienst (PAD) im Rahmen der Initiative des Auswärtigen Amts „Schulen: Partner der Zukunft“ (PASCH).

Für erwachsene Deutschlerner ist das An-gebot des Goethe-Instituts besonders inte-ressant. Die Deutschkurse werden derzeit an 150 Instituten in 93 Ländern angeboten. 2011 stieg die Nachfrage wieder: 235.000 Inte-ressierte nutzten die Kurse. Goethe-Institut und Deutsche Welle sind Partner – auch des-halb, weil beide Einrichtungen darauf abzie-len, das Verständnis zwischen den Kulturen zu vertiefen. Unter anderem durch die Ver-mittlung der deutschen Sprache.

Liebe und Lernen

Gerade international agierende Medien können diese Lernformen aufgreifen und nutzen. Die Deutsche Welle verschafft Menschen in allen Weltregionen einen innovativen Zugang zum Deutschlernen.

Audiotrainer: ein viel gefragtes Element aus

dem Angebot der DW für Deutschlerner

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Beispielsweise bietet sie im Internet eine Telenovela für Deutschlerner. In „Jojo sucht das Glück“ geht es um eine Brasilianerin, die in Köln studiert, und ihre Freunde aus der Studenten-WG. Ergänzend gibt es Übungen zu Grammatik, Vokabeln und Landeskun-de, ebenfalls von Jojo und ihren Freunden begleitet.

Das Erfolgsrezept der Serie: „Über eine internationale Liebesbeziehung machen wir das Lernen attraktiv“, erklärt André Moeller, Redaktionsleiter Sprachkurse. „Die Lerner lassen sich schnell in den Bann un-serer Serie ziehen – sie wollen am Leben der Heldin Jojo hautnah teilhaben: Wie klappt es mit der WG, hat die Beziehung zu Marc eine Zukunft? Und schon ist man mitten-drin und lernt Deutsch.“

In das weit verbreitete Klagelied über Zu-stand und Verbreitung der deutschen Spra-

che mag Moeller nicht einstimmen. „Wir wollen Lerninhalte schaffen, die verführen. Denn eine Sprache ist nur so attraktiv wie das Angebot, das man zum Erlernen einer Sprache bereithält“, ist Moeller überzeugt.

Selbst in eine andere Rolle zu schlüpfen, auch das motiviert Sprachschüler. Das hat ZfA-Fachberaterin Krystyna Götz in Krakau erlebt. Bei ihrem Projekt „Mickiewicz meets Goethe“ haben polnische Schüler, die sich auf das Deutsche Sprachdiplom der Kultus-ministerkonferenz vorbereiten, ein fiktives Treffen zwischen dem deutschen und dem polnischen Schriftsteller gespielt. Kein tro-

ckener Literaturunterricht, sondern witzige Dialoge in deutscher Sprache. „Die Schüler hatten die schönste Bühne des Landes, den Krakauer Altmarkt, und ein buntes Publi-kum“, erzählt Krystyna Götz. Sogar das pol-nische Fernsehen habe berichtet. „Ein Er-folgserlebnis für die Gymnasiasten“, so die Beraterin.

Das kreative Potenzial spricht auch das Projekt „Deutschmobil“ in Kanada an. Deutschlehrer sind mit dem Bus durch Ka-nada gefahren, um als „Sprachbotschafter“ Schulen zu besuchen. Dort haben sie kleine Rap-Workshops angeboten. Fortgeschrit-tene Deutschlerner konnten ihre eigenen Verse schreiben, Anfänger probierten den „Deutschmobil-Rap“ aus, um spielerisch Deutsch zu sprechen. Das Mobil ist ein Pro-jekt der Initiative „Deutsch – Sprache der Ideen“ des Auswärtigen Amts.

Spaß am Lernen: Ob im „Deutschmobil“

oder beim Rollenspiel

»Und schon ist man mittendrin.«

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Sprache und Demokratie

Diese „Sprache der Ideen“ wird für ZfA-Fach-berater Hubert Gronen im rumänischen Sibiu zur Sprache der Demokratieförde-rung. Sein Projekt „Wagnis Demokratie“ mit Schülern der zehnten bis zwölften Klasse sei „auch eine Reaktion auf die Gleichgültigkeit der jungen Generation gegenüber der Po-litik“, so Gronen. Die Schüler inszenierten fiktive TV-Duelle zwischen deutschen Kanz-lerkandidaten und entwarfen Wahlplakate für rumänische Fantasie-Parteien. Dadurch konnten sie über ihre Wünsche an die Po-litik reflektieren – natürlich in deutscher Sprache. „Ein solches Projekt trägt dazu bei, dass Schüler nicht politischen Rattenfän-gern zum Opfer fallen“, erklärt Gronen.

Die Schüler besuchen deutsche Gymna-sien, die von Angehörigen der deutschen

Minderheit in Rumänien gegründet wur-den. Deutschstämmige Schüler gibt es kaum mehr; so lernen hier heute rumä-nische Schüler alle Fächer in deutscher Sprache. Deutsch wird zum selbstverständ-lichen Bestandteil ihrer Alltagswelt.

Den Alltag auf Deutsch zu meistern, das ist für viele Anfänger in den Sprachkursen von Diana Guncheva in Bonn eine große Herausforderung. Die gebürtige Bulgarin verbindet die Sprache mit dem praktischen Leben, hilft den Kursteilnehmern auch bei Alltagssorgen in der neuen Heimat. „Da ich selbst aus dem Ausland komme, kann ich ihre Situation gut verstehen – auch das hilft bei der Kommunikation. Und beim Deutschlernen!“

www.dw.de/deutschkurse

www.pasch-net.de

www.goethe.de

Jojo-Fans im Glück

Nach dem großen Erfolg der ersten 33 Folgen von „Jojo sucht das Glück“ können die Fans weltweit seit An-fang Juli nun die zweite Staffel der Telenovela für Deutschlerner online verfolgen. Auf der Facebook-Seite be-richtet ihre Lieblingsprotagonistin, die Brasilianerin Jojo, Neues aus ihrer Studenten-WG in Köln.

In der zweiten Staffel gibt es einige neue Protagonisten, noch mehr Liebe, Intrigen und Eifersucht zum Mitfie-bern sowie tiefere Einblicke in die köl-sche Lebensart und die Arbeitswelt in Deutschland.

Die Telenovela erzählt nicht nur die Geschichte der brasilianischen Studentin Jojo in Köln – zum Beispiel, wie es weitergeht mit ihrer Beziehung zu Marc und ihrer Freundschaft zu Lena. Sie vermittelt auch ein leben-diges Bild der deutschen Sprache und des Alltags in Deutschland. Wie schon bei der ersten Staffel hat die Redaktion großen Wert auf Authen-tizität gelegt: Anglizismen, Dialekte und Slangbegriffe sind auch hier kein Tabu, denn sie gehören längst zur deutschen Alltagssprache. In den zahlreichen interaktiven Übungen werden sie aufgegriffen und erläutert.

Lerner können die Telenovela mit oder ohne deutschem Untertitel an-schauen. Rund um die Serie bietet die DW eine Vielzahl von Übungen und Materialien, mit denen Deutschler-nen noch mehr Spaß macht.

„Jojo sucht das Glück“ erfreut sich nicht nur bei jungen Leuten großer Beliebtheit, sondern wird auch häu-fig von Lehrerinnen und Lehrern im Deutschunterricht eingesetzt. Mit ihrer Telenovela hat die DW offenbar den Nerv der Zeit getroffen: Unter anderem zeigen zahlreiche, von Fans gedrehte Fortsetzungen der Serie auf YouTube den motivierenden Effekt, den die Serie hat.

www.dw.de/jojo

www.facebook.com/dw.jojo

Shirin Kasraeian

11Deutsche Welle

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Rap kommt ursprünglich aus den USA. Was hat Sie bewogen, diese Kunstform auf die deutsche Sprache anzuwenden?Ich habe den amerikanischen Hip-Hop ge-liebt, das war mein erster Kontakt mit der Musikform. Mit 16 habe ich angefangen, Rap auf Deutsch zu machen. Das war Ende der Neunziger, als der deutsche Hip-Hop groß raus kam. Fünf Sterne Deluxe, Blu-mentopf, später auch Samy Deluxe: eine tolle Szene, auf die ich damals eingehen konnte. Um hier ernst genommen zu wer-den, musste man so authentisch wie mög-lich sein. Für mich war klar: Als Deutscher, in Deutschland aufgewachsen, muss ich meine Texte auf Deutsch präsentieren. In englischer Sprache hätte ich mich unwohl gefühlt und zudem lächerlich gemacht.

Rappen auf Deutsch – passt das? Es hat lange gedauert, bis ich meinen Stil ge-funden hatte. Ich habe mit Freestyles ange-fangen – mit Improvisationen. Ich habe mir aus dem, was ich im deutschen Hip-Hop gehört habe, die Textform abgeschaut. Das habe ich dann mit dem Flow, also mit der Kombination von Betonung, Text, Ausspra-che und Musik, verbunden, wie ich es aus dem Amerikanischen kannte. Aus dieser Mischung ist mein Stil entstanden.

frAgen VOn michAel münz, reDAkteur

„Und schon schmelzen die Leute dahin“Die zweite Staffel der Teleno-vela „Jojo sucht das Glück“ beginnt mit einem Stück des Rap-Ensembles EINSHOCH6. Texter und MC Tobias Baum spricht im Weltzeit-Interview über Sprache, Grenzen und Authentizität.

Paketlösung: Deutschkurse der DW

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Sind Sie beim Texten auf Deutsch an Grenzen gestoßen? Deutsch ist eine tolle Sprache, um sich aus-zudrücken. Es gibt aber Momente, wo mir die einfachsten Wörter fehlen. Das Schöne am Englischen ist, dass man Dinge wie „I love you“, „I need you“ oder „I miss you“ sagen kann – und schon schmelzen die Leute dahin. Wenn ich das eins zu eins ins Deutsche übersetze, kommt es ein biss-chen peinlich und platt rüber. Man muss aber nur umdenken, um andere Wörter oder Metaphern zu finden. So kann man letztlich genau dasselbe – wenn nicht sogar mehr – ausdrücken.

Rappen auf Deutsch heißt: internatio-nale Karriere ausgeschlossen – oder?Wahre Künstler machen Musik, um sich zu verwirklichen, um authentisch Gefühle auszudrücken. Wenn man an die Karriere denkt, bevor man an die Musik denkt, dann wird man keinen echten Erfolg haben. Eine Band braucht Publikum und Fans, und die merken, wenn man ihnen etwas vormacht. Ich glaube, nur über Authentizität kann man sich mit dem Künstler und der Musik identifizieren und sie wirklich spüren.

Verstehen Sie sich mit Ihrem Musik-beitrag für „Jojo sucht das Glück“ als Bot-schafter der deutschen Sprache? Wir fanden die Idee, interaktiv Deutsch zu lernen, und das Projekt toll. Die Leute dahinter waren nett, wir experimentieren gern – das hat gut zusammengepasst. Spra-che mit Musik zu verbinden und mit Ge-fühlen Texte zu vermitteln, das ist eine ge-niale Sache. Durch die Arbeit an „Jojo“ habe ich selbst Lust gekriegt, in dieser interak-tiven Form mit Französisch anzufangen. Der Funke ist bei mir also übergesprungen, deswegen stehe ich voll dahinter.

Deutschsprachige Musik ist nicht erst seit dem großen Erfolg von Tokio Hotel im Ausland beliebt. Lehrer auf der ganzen Welt setzen gern deutschsprachige Musik im Unterricht ein. Ab 2013 macht die DW hier ein neues Angebot: Deutsch lernen mit Musik.

Für dieses Projekt haben wir die Münchner Band EINSHOCH6 verpflich-tet, die mit ihrer Mischung aus Klassik und Hip-Hop bereits international auf-getreten ist und auf mehrere Veröffent-lichungen zurückblicken kann. Im Rah-men einer Kooperation wird sie exklusive Songs und Videos für Deutschlerner er-stellen. Das Ziel: die deutsche Sprache mit Musik schmackhaft zu machen.

Jeden Monat wird ein neuer Song zum Herunterladen angeboten, darüber hinaus gibt es jede Woche ein Video zu einem bestimmten Thema. Ob die Band mit der Müllabfuhr mitfährt, den Alltag

eines Musikers in Deutschland zeigt oder auf dem Oktoberfest auftritt: Das neue Format der DW soll Land und Leute aus der Sicht von jungen Menschen ver-mitteln und den Klischees auf den Zahn fühlen.

Eine Redaktion für Sprachkurse trifft auf eine junge Hip-Hop-Band: Gemein-sam stellen sie sich der Herausforderung, Songs und Videos zu produzieren, die au-thentisch und mitreißend sind, ohne die Bedürfnisse der Lerner aus den Augen zu verlieren. Dazu ist eine enge Abstim-mung notwendig. Während sich die Band mit Begriffen wie „Wortschatz“ und „Lan-deskunde“ auseinandersetzt, muss die Redaktion sich ihrerseits auf die Beson-derheiten der Hip-Hop-Sprache einlassen.

Songs und Videos werden in Kürze auf den Sprachkursseiten der DW mit zusätz-lichen interaktiven Materialien für Lerner und Lehrer zugänglich gemacht.

EINSHOCH6

Die Gruppe verbindet Rap-Texte mit klas-sischen Instrumenten und Trommeln aus aller Welt. Seit 2004 hat die Band über 250 Konzerte im In- und Ausland gegeben, zahlreiche Tonträger eingespie-lt und eine Reihe von Auszeichnungen erhalten. EINSHOCH6 waren unter an-derem Newcomer-Preisträger in Öster-reich, sie erhielten den „Stern des Jah-res“ der Münchner Abendzeitung und waren „Hoffnungsträger des Jahres“ der Süddeutschen Zeitung. Für CD- und Kon-zertproduktionen arbeiteten sie unter anderem mit dem Münchner Rundfunk-orchester und den Dortmunder Philhar-monikern zusammen. www.einshoch6.de

Raphaela Häuser

Der Texter: Tobias Baum Die Band: EINSHOCH6

Ein Format, das rockt!

13Deutsche Welle

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text JAnnis Androutsopoulos, uniVersität hAmburg

M an lernt nie eine Sprache ganz, weil es keine „ganzen Sprachen“ gibt. Sprache ist

immer in Bewegung, nie unabgeschlossen und stets veränderlich. Und man lernt eige-ne oder fremde Sprachen nie aus, sondern verändert und entwickelt sich in ihnen.

Auf der Route des Sprachenlernens spie-len das Hin-und-Her, die Ausgangsbedin-gungen und Zielsetzungen des Lernpro-zesses, eine ebenso große Rolle wie das, was gelernt wird. Dazu gehört der Zusammen-hang zwischen Erstsprache der Lernenden

und den Strukturebenen der deutschen Sprache, genauer: der Standardsprache, die für gewöhnlich als Fremd- oder Zweitspra-che erlernt wird. Die Laute, Formen und Satzbaupläne des Deutschen können als mehr oder minder schwierig empfunden werden – je nachdem, wie sie sich zur eige-nen Erstsprache verhalten.

So habe ich mit meiner Erstsprache Grie-chisch Probleme mit manchen deutschen Präpositionen, die sich dort unterscheiden, wo das Griechische nur eine Form kennt. Auch die runden deutschen Vokale und

Das Her-und-Hin des Sprachenlernens

Die Schwierigkeit einer Sprache ist relativ. Sie bemisst sich immer im Vergleich zu einer anderen Sprache und im Verhältnis zu den Rahmenbedingungen des Lernens: wie, wozu, auf welcher Basis. Ein Gastbeitrag.

die Unterscheidung zwischen Kurz- und Langvokalen machen Griechen zu schaf-fen. Die Erstsprache Türkisch hat zwar mit den Umlauten keine Schwierigkeiten, dafür mit dem Genus, der wiederum Griechen weniger Probleme bereitet, weil es in ihrer Sprache genauso kompliziert ist wie im Deutschen. So lassen sich viele Lernschwie-rigkeiten im Sprachvergleich prognostizie-ren und vorbeugend behandeln.

Wo man herkommt

Sprachbiografie und soziale Lage hingegen können Lernschwierigkeiten darstellen, die nicht ursächlich auf das Verhältnis von Erst- und Fremdsprache zurückgehen und daher weniger durchschaubar sind. Fest steht: Je mehr Sprachen man spricht, desto leichter lassen sich weitere erlernen. Zweisprachig aufwachsende Kinder haben erhebliche Vor-teile, hat sich doch ihr Gehirn schon früh daran gewöhnt, Form-Inhalt-Verhältnisse

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zwischen zwei oder mehreren Sprachsyste-men zu verarbeiten.

Wie auch in sonstigen Lernprozessen spielt die frühe Vertrautheit mit Schrift-lichkeit insofern eine Rolle, als dass nicht nur die Sprachenvermittlung immer noch zu guten Teilen schriftbasiert erfolgt, son-dern die Schriftsprache weiterhin das ge-sellschaftliche Ideal der „guten Sprache“ darstellt. Man denke nur an die endlosen deutschen Schachtelsätze, die Mark Twain das Schrecken lehrten und immer noch vie-lerorts als „besseres Deutsch“ gelten.

Wo man hin will

Wo man herkommt, bedingt also ein gutes Stück mit, inwiefern Deutsch als „schwe-re Sprache“ empfunden wird. Mir kommt es auch auf das Ziel der Reise an – wo man mit dem Sprachenlernen hin möchte, was man damit tut. Sprachenlernen ist stets

verbunden mit dem biografischen Projekt, da jede neue Sprache neue Handlungsräu-me eröffnet. Man kann mit Sprachen reisen oder arbeiten, ihre Lebensräume besuchen und dort bleiben oder das Hin-und-Her zwi-schen den Sprachen zum eigenen Lebens-projekt ausgestalten. Erst beim Ankommen merkt man, dass die „ganze Sprache“ und die „perfekte Beherrschung“ Illusionen des Schulbuchs sind.

So sind wir alle dem Glauben ausgesetzt, die Hochsprache sei die bessere Sprache, an der sich alle Spielarten des Deutschen zu messen haben. Dies verschleiert, dass geschriebenes Deutsch einheitlicher ist als gesprochenes; dass gesprochene regionale Umgangssprachen erst gelernt werden müssen; und dass ihre kommunikative Macht nicht zu unterschätzen ist. In der Sprachwirklichkeit kann die Fähigkeit, als Zugezogener einen Regionaldialekt zu be-herrschen, viel wichtiger sein als ein falsch-er Artikel.

Wie man mit Sprache lebt

Erst beim Ankommen in der Sprache wird weiterhin deutlich, dass „gutes Deutsch“ eine relative Größe ist – „gut“ bedeutet stets „gut genug“ für die Umstände, in denen man mit und in der Sprache lebt. Wichtig ist dies insbesondere für Menschen, die im Zuge von Mobilität und Migration mit Spra-che, Land und Leuten in nachhaltigen Kon-takt kommen. Integration ist aufs Engste mit Sprache verwoben: Sprache eröffnet In-tegrationsräume, die wiederum definieren, welches Sprachvermögen „gut“ und „gut genug“ ist. Darum ist die im politischen Diskurs oft herbeigeredete Gleichung von Integration mit „guten Kenntnissen der deutschen Sprache“ insofern irreführend, als sprachliche Güte in der gelebten Wirk-lichkeit nicht an einem einheitlichen Raster gemessen, sondern stets im gesellschaft-lichen Umfeld ausgehandelt wird.

Gelebte Sprachkompetenzen sind im-mer asymmetrisch. Wir erstreben Perfek-tion in bestimmten Bereichen unseres Sprachvermögens, lassen andere verküm-mern. Gute Schriftlichkeit in der Fremd- oder Zweitsprache ist manchmal nicht so wichtig wie der gesprochene Fachjargon oder einfach das Gespür für die passende Reaktion im richtigen Moment, was wir „kommunikative Kompetenz“ nennen.

Für die Praxis der Sprachvermittlung folgt daraus, sich in der Reflexion über Vielfalt zu üben: Vielfalt des Deutschen; Vielfalt der sprachlichen Hintergründe, die beim Lernen einer neuen Sprache die Messlatte für Lust und Frust bilden; Viel-falt der Motive, die das Lernen individuell vorantreiben, sowie der Kompetenzen, wie sie in der realistischen Sprache ausgehan-delt werden.

Jannis Androutsopoulos

ist Professor für linguistik des Deutschen

und medienlinguistik an der universität

hamburg. Der gebürtige grieche, Jahrgang

1967, studierte germanistik an der univer-

sität Athen und promovierte an der univer-

sität heidelberg. er forscht und lehrt in den

fachgebieten medien- und soziolinguistik

mit gegenwärtigen schwerpunkten auf

mehrsprachigkeit sowie sprache in neuen

medien. er ist mitglied im „beirat sprache“

des goethe-instituts.

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15Deutsche Welle

Page 16: Weltzeit 4 | 2012: Deutsch zum Hingucken – Jojo und andere Wege zur deutschen Sprache

»An Deutsch mag ich vor allem die Aussprache. Die ist ganz anders als die polnische. Viele sagen, dass Deutsch so hart ist. Das denke ich nicht. Deutsch ist eher fließend und weicher als Polnisch.« Michalina Pankych aus Polen (15)

»Später würde ich gern als Journalis-tin arbeiten und dafür braucht man Fremdsprachen. Außer Deutsch kann ich noch weitere Sprachen. Deutsch ist toll, weil es in der Europäischen Union viele Menschen sprechen.« Aziza Sultanova aus Usbekistan (18)

»Ich lerne seit sechs Monaten Deutsch. Die Sprache finde ich super, denn es fällt mir nicht schwer, sie zu lernen. In der Zukunft möchte ich in Deutsch-land Medizin studieren.« Silas Dzampah aus Ghana (15)

Deutsche Sprache leichte Sprache 100 Schüler aus 50 Ländern – alle haben eines gemein-sam: die Leidenschaft für Deutsch. Auf der Internationalen Deutscholympiade Anfang Juli in Frankfurt am Main er-zählten uns einige, warum es sich lohnt, Deutsch zu lernen.

»Deutsch finde ich einfacher als Eng-lisch. Es gibt zwar viele Grammatik- regeln, aber die sind nicht so unregel-mäßig wie im Englischen. Ich war schon zweimal in Deutschland. Land und Leute haben mir gut gefallen, auch die Sprache.« Le Yuan aus China (18)

»Es gibt viele Gründe, warum ich Deutsch lerne. Meine Mutter kann Deutsch und ich kann mit ihr auf Deutsch sprechen. Außerdem finde ich diese Sprache einfach und die Aus-sprache gefällt mir.« Arjun Kumar aus Indien (17)

»Mir gefällt, dass man so lange Wörter bilden kann. Wenn man die Wörter zu-sammensetzt, entsteht ein neues: Tier und Arzt ergibt Tierarzt. Das ist toll.« Luka Goles aus Kroatien (17)

Zitatesammlung und Fotos: Hanna Grimm

Sengende Hitze im April: Harry radelt mit seiner deutschen Freundin Julia durch den Schwarzwald – rechts Bäume, links Bäume und dazwischen Rentner. Er hat die Nase voll! Und es kommt noch schlimmer: Auf einmal ist Julia weg, Harry wird vom Blitz getroffen und sein Tag beginnt sich zu wiederholen! Um aus dieser Zeitschlei-fe zu entkommen, muss er wohl oder übel versuchen, Deutsch zu sprechen. So begibt er sich auf eine abenteuerliche Reise durch Deutschland, bei der Pinguine im Schwarzwald noch das kleinste Problem darstellen …

Was sich liest wie ein Science-Fiction-Roman ist ein E-Learning-Kurs: Die Online-Plattform „Harry – gefangen in der Zeit“ bietet An-fängern die Chance, mit viel Spaß und Humor Deutsch zu lernen. In 100 spannenden und aufwendig animierten Folgen begleiten sie Harry auf seiner verrückten Irrfahrt durch Deutschland und lernen nicht nur gemeinsam mit ihm Deutsch, sondern auch Land und Leute kennen. Zu jeder Folge gibt es interaktive Übungen, Gramma-tik, Vokabeln sowie 100 kreative Ideen für Lehrer mit Karten und Arbeitsblättern zum Ausdrucken. Der Kurs deckt die Niveaustufen A1 bis B1 des Europäischen Referenzrahmens ab.

„Harry – gefangen in der Zeit“ startet im Herbst, zunächst in ei-ner englischen Version. Weitere Sprachenversionen, darunter Spa-nisch, Türkisch und Russisch, werden folgen.

www.dw.de/harry

Shirin Kasraeian und Raphaela Häuser

Harry – gefangen in der Zeit

Am effektivsten lernt man eine Fremdsprache mit Spaß und positiven Gefühlen. Stimmt das? Der Sprachmuffel Harry Wal-kott jedenfalls kommt zu dem Ergebnis, dass auch aus anfäng-lich negativen Gefühlen einer Sprache und dem dazugehörigen Land gegenüber eine ewige Liebe entstehen kann.

16 Weltzeit 4 | 2012

titelthemA

Page 17: Weltzeit 4 | 2012: Deutsch zum Hingucken – Jojo und andere Wege zur deutschen Sprache

wir sprechen

text Berthold stevens

Deutsch

Ein oft in der Welt gesehenes, aber selten gehaltenes Ver-sprechen lautet: Man spricht Deutsch. Weshalb es sich für uns Rei-seweltmeister lohnt, wenigstens ein paar alltagstaugliche Brocken in der Sprache unseres jeweiligen Gastlandes parat zu haben. Es muss ja nicht gleich zum Aushängeschild reichen.

Aber bleiben wir bei Deutsch. Wie stehen wir selbst zu unserer Sprache? Sprechen wir (noch) Deutsch? Oder ketzerisch gefragt: (Wo) brauchen wir noch Deutsch?

Nein, der Autor dieser Zeilen gehört nicht zu den Don Quijotes unserer Tage, die ihr Schwert erheben gegen die vermeintliche An-gloamerikanisierung des Deutschen. Ich möchte eine Lanze bre-chen für Fantasie und Kreativität, Toleranz und Gastfreundschaft!

Letztere Tugenden sind gefragt, wenn es um „Wörter mit Migra-tionshintergrund“ geht. So nennt sie auch das Goethe-Institut. Seit jeher wandern Wörter in alle möglichen Sprachen ein, auch in die deutsche. Nur deshalb sind heute so klangvolle Begriffe wie Fisi-matenten (aus dem Französischen) und Tohuwabohu (Hebräisch) Teil unserer Sprachkultur. Nur deshalb kennen wir so herrliche Vo-kabeln wie Tollpatsch (Ungarisch) und Hallodri (Griechisch). Und wer wollte uns Kaffee (Arabisch) und Tee (Chinesisch) verleiden? Oder einer – ansonsten ja dem Alkohol verfallenen – Jugend am Milchshake rütteln?

Seien wir tolerant und heißen Wanderwörter grund-sätzlich willkommen. Umgekehrt sind viele deutsche Wörter ausgewandert. Kindergarten und Butterbrot teilen wir mit anderen. Auch die Heimat ist in vielen Sprachen zu Hause. Übrigens völlig unverkrampft.

In der Sprachbar serviert die Redaktion Sprachkurse mehr von diesen weichen Import- und Exportartikeln und an-dere „Feinheiten der deutschen Sprache“.

Fantasie und Kreativität sind gefragt, wenn Neues einen Namen braucht. Keineswegs müssen wir immer und überall Anglizismen unreflektiert Einlass gewähren. Lassen wir uns nicht weismachen, dass wir ohne Life Coaching ins Hintertreffen geraten. Dass jede Veranstaltung zum Event werden muss, damit jemand hingeht. Dass ein Young Professional den Berufsanfänger vernebelt oder nur ein Managing Director auf der Visitenkarte Führungskompe-tenz ausweist.

Lassen wir also Fantasie und Kreativität walten beim Umgang mit unserer Sprache. Auch junge Menschen – zumal eingewanderte – tun eben dies, wenn sie Kiezdeutsch und Ethnolekte schaffen, wenn sie spielerisch mit Sprache umgehen, sie verkürzen und ver-ballhornen. Sie bereichern das Deutsche auch dann, wenn sie lieber jobben als arbeiten und es albern finden, ihr Notebook zum Klapp-rechner zu machen. Sie sprechen Deutsch, auch wenn es nicht jeder als solches (an)erkennen mag.

Die vielen regionalen Sprachfärbungen sind schließlich ebenso Ausdruck unserer Sprachkultur. Bei mir persönlich ist es das Platt-deutsche. Die Deutsche Welle dokumentiert diese Vielfalt in ihrem Dialektatlas. So können auch Menschen in Sydney, Kapstadt und Rio erfahren, was Friesisch, Sächsisch oder Bairisch ist.

Die DW spricht Deutsch. Auch, damit ein „Man spricht Deutsch“ an immer mehr Orten der Welt hält, was es verspricht.

www.dw.de/sprachbar

www.dw.de/dialektatlas

17Deutsche Welle

Page 18: Weltzeit 4 | 2012: Deutsch zum Hingucken – Jojo und andere Wege zur deutschen Sprache

M an erzählt, in meinem Land gebe es keine Jahreszeiten. Es sei immer warm oder kalt. Man erzählt von riesigen Bergen und endlosen Ebenen, von unermesslich gro-

ßen, menschenleeren Urwäldern, von großen Städten mit chaoti-schem Verkehr. Dieses Land, so wird berichtet, habe zwei Küsten mit wunderschönen Stränden. Unermessliche Vulkane. Weißge-fleckte Stiere. Aus diesem Land komme ich, aus Kolumbien. Dort wird Spanisch gesprochen. Und Deutsch gelernt. Das tun hier der-zeit laut „Netzwerk Deutsch“ rund 10.000 Menschen.

Eine fremde Sprache zu lernen ist nicht immer leicht. Es aus der Ferne zu versuchen kann noch schwieriger sein. Weit schwieriger noch, wenn es eine eher unpopuläre ist. Das merkte ich vor allem daran, dass die Leute mich verblüfft anschauten, wenn ich erfreut erzählte, ich wolle Deutsch lernen – nicht Englisch, nicht Franzö-sisch oder Italienisch. Dass Deutsch eben keine romanische Spra-che ist, gehört ohne Zweifel zu den vielen Vorbehalten in meinem kulturellen und sprachlichen Kontext hier. Und die Gewissheit, dass es geradezu unmöglich sein muss, sie zu erlernen, zu üben und dann am Ende auch noch zu beherrschen. Mich persönlich reizte die Herausforderung. So begann ich mein Studium der Deut-schen Philologie in Bogotá.

Zum Prozess, diese Sprache so weit weg von ihrer Heimat zu erlernen, zählte auch die erzwungene Notwendigkeit, sich immer wieder vor anderen dafür zu rechtfertigen. Wie schwierig war das, solange man weder die Sprache noch das Land gut kannte!

Meine populärste Antwort auf die Frage nach dem „Warum?“ verband alte und neue Klischeevorstellungen und umfasste jeden

Deutsch aus der Ferne erlernen – in einem Land, über 9.000 Kilometer weit weg, jenseits des Atlantiks, drei Mal größer als Deutschland, aber mit nur halb so vielen Menschen. Ein Erfahrungsbericht aus Kolumbien.

Berichte einer Augenzeugin

deutschlAndBildtext lAurA lizArAzo bOgOtá, kOlumbien

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18 Weltzeit 4 | 2012

heimAt erleben

Page 19: Weltzeit 4 | 2012: Deutsch zum Hingucken – Jojo und andere Wege zur deutschen Sprache

Bereich: von Literatur und Philosophie bis Fußball und Bier. Oft habe ich den Scherz gehört, Deutsch sei die Sprache der Hunde. Was wohl daran liegt, dass tatsächlich viele Wachhunde hier aus Deutschland kommen – und deutschen Befehlen gehorchen: Sitz, Platz, Aus!

Aber zwischen ausgeliehenen Büchern und manchmal geschmacklosen Witzen haben viele in Kolumbien den Weg und die Motivation gefunden, eine Fernbezie-hung zur deutschen Sprache aufzubauen. Oft fragte man sich allerdings, ob es nicht besser gewesen wäre, die Sprache in dem

Land zu lernen, wo sie gesprochen wird: kulturelle, alltägliche und linguistische Ele-mente in Deutschland selbst zu erleben. Es hätte wohl den Lernprozess beschleunigt, mündliche Kommunikation flüssiger ge-macht und falsche Vorstellungen schnell korrigiert.

Ich hatte erst später die Möglichkeit, das Land, dessen Sprache ich gelernt hatte, mit eigenen Augen kennenzulernen, dort eine Zeit lang zu leben und zu studieren.

Seit ich angefangen habe, Deutsch zu lernen, hat sich in meinem Umfeld einiges verändert. Ich wundere mich, warum sich die meisten Leute nun nicht mehr wun-

dern, sondern freuen, wenn man erzählt, man spreche Deutsch. Sie freuen sich, die Berichte einer Augenzeugin zu hören, ei-ner, die dort gewesen ist. Man stellt nun auch konkrete Fragen: Was es denn hei-ße, Deutsch zu lernen. Fragen nach dem Schwierigkeitsgrad und dem Zeitaufwand. Auch Fragen nach Leben, Alltag, Studium und Arbeit in Deutschland. Heute sind es weniger falsche oder irreale Vorstellungen, die das Deutschlandbild in Kolumbien prägen. An ihre Stelle sind re-ale und konkrete Pläne getreten, Lebens-entwürfe und Projekte, die Deutschland oder die deutsche Sprache einschließen. Kulturelle und akademische, von kolumbi-anischen und deutschen Institutionen an-gebotene Veranstaltungen werden immer wichtiger: literarische Lesungen, Konzerte, Theaterstücke und Ausstellungen. Auch die politische Kooperation und insbesondere der akademische Austausch haben den Ko-lumbianern erlaubt, eigene Interessen und Ziele mit Deutschland zu verbinden und dem Land, seiner Kultur und Sprache aus der Ferne näherzukommen.

Besonders wichtig in diesem Prozess ist die Arbeit deutscher Institutionen wie des Deutschen Akademischen Austausch-dienstes (DAAD) in Kolumbien. Nicht nur die Veranstaltungen, Beratungen und Ko-operationen zwischen kolumbianischen und deutschen Universitäten haben viele Menschen in Kolumbien tatsächlich näher an Deutschland gebracht. Auch die Stipen-dienprogramme in allen Bereichen haben die Pläne und Wünsche kolumbianischer Studenten, Dozenten und Wissenschaftler

konkreter und realer werden lassen. Sie be-reiten sich wie viele in der Ferne darauf vor, eines Tages in Deutschland zu studieren, zu forschen oder zu arbeiten. Und sie lernen dafür Deutsch.

Ich freue mich, heute meine eigenen Er-fahrungen weitergeben zu können und zu erzählen, wie sehr ich es mag, meine Stim-me in zwei Sprachen zu hören.

text lAurA lizArAzo bOgOtá, kOlumbien

Deutschland stellt sich vor:

Veranstaltungen beim DAAD in Bogotá

Laura Lizarazo

ist seit 2011 mitarbeiterin des DAAD-

informationszentrums in bogotá,

kolumbien. sie hat zwischen 2007

und 2011 Deutsche Philologie an der

universidad nacional de colombia

in bogotá studiert. 2010 war sie als

Austauschstudentin an der europa-

universität Viadrina in frankfurt

an der Oder. laura lizarazo ist 23

und arbeitet zurzeit auch an eige-

nen Projekten als Übersetzerin und

redakteurin.

»Hunde gehorchen deutschen Befehlen:

Sitz, Platz, Aus!« ©

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19Deutsche Welle

Page 20: Weltzeit 4 | 2012: Deutsch zum Hingucken – Jojo und andere Wege zur deutschen Sprache

Im September kommen wir nach Bonn, an den Geburtsort des Meisters. Doch schon jetzt nimmt Beethovens Musik, als großes Zeichen der Versöhnung, in meinem Leben und im Leben der Musikerinnen und Musiker des von mir geleiteten Jugendor-chesters einen wichtigen Platz ein.

Beethovens Musik inspiriert sogar Nati-onen, zwischen denen ungelöste Konflikte schwelen; sie bringt sie dazu, eine friedliche Koexistenz, ja Bruderschaft einzugehen. Das ist der Grund dafür, dass ich das Projekt mit Beethovens Musik ins Leben gerufen habe. Denn ich weiß: Nichts kann zwischen jungen Menschen eine so gute Verbindung

schaffen und sie auf eine Kultur gegensei-tigen Verstehens vorbereiten, wie gemein-sam mit anderen jungen Musikern und Mu-sikerinnen aus aller Welt seine Musik auf derselben Bühne zu spielen.

Beethoven wird oft als der „direkteste“ aller Komponisten bezeichnet. Seine Musik steckt voller intellektueller, technischer und moralischer Kodizes. Und doch reagieren Menschen aller Altersklassen und Kulturen, wenn sie beispielsweise zum ersten Mal die Fünfte Sinfonie hören, unmittelbar auf die-se Musik. Denn an ihr zeigt sich, dass man keineswegs entsprechend gebildet oder einer bestimmten Tradition und Kultur

Bruderschaft dank Beethoven

Im Rahmen des Orchestercampus beim Beethoven-fest Bonn kommt im September das „Turkish National Youth Philharmonic Orchestra“ nach Deutschland. Dirigent Cem Mansur blickt in seinem Gastbeitrag auf die verbindende Botschaft der Musik Beethovens.

text cem mAnsur, Dirigent, istAnbul

KulturtrAnsfer

AnDere Verstehen

Cem Mansur

Der britisch-türkische komponist

stammt aus istanbul, aus einer multi-

nationalen und vielsprachigen familie.

er studierte musik in london, wo er

sowohl einen Abschluss an der city

university als auch an der guildhall

school of music and Drama machte.

er gewann den ricordi-Preis und stu-

dierte bei leonard bernstein in los

Angeles.

cem mansur ist chefdirigent des tur-

kish national Youth Philharmonic Or-

chestra, einem jungen klangkörper von

über 100 mitwirkenden. 2008 gab das

Orchester unter seiner leitung erst-

mals konzerte in Deutschland, unter

anderem in berlin. 2011 standen lever-

kusen, essen, bad Wörishofen, linz

und Wien auf dem tournee-kalender.

2012 nun die teilnahme am Orchester-

campus von Deutsche Welle und bee-

thovenfest bonn.

www.beethovenfest.de/kuenstler/

cem-mansur/

Zeitloser Glanz: Beethoven

überwindet kulturelle Hürden

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20 Weltzeit 4 | 2012

Page 21: Weltzeit 4 | 2012: Deutsch zum Hingucken – Jojo und andere Wege zur deutschen Sprache

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Über die Tandemokratie

Um es gleich zu sagen: Ich kenne Erik Albrecht seit unserem gemeinsamen Volontariat bei der Deutschen Welle. Das war vor mehr als zehn Jahren. Seitdem hat sich Albrecht, der schon immer lieber zugehört hat als selbst zu reden, zu einem profun-den Russlandkenner gemausert. Für die Nachrichtenagentur dpa, das Deutschlandradio und das Fernsehen der Deutschen Welle berichtete er seit Mitte der 2000er-Jahre aus Moskau, unternahm Reisen in die Weiten der ehemaligen Sowjetunion – immer auf der Suche nach interessanten Gesprächspartnern, nach Menschen, die ihm bereitwillig Auskunft über „ihr“ Russ-land geben wollten.

Diese Interviews, eigene Recherchen und öffentlich zugäng-liche Quellen bilden die solide Basis von „Putin und sein Prä-sident“. Auf knapp 200 Seiten schildert der Autor den Aufstieg Dimitri Medwedews von Putins handverlesenem Kronprinzen zum russischen Präsidenten, der mit seinem einstigen Ziehva-ter in einer Art „Tandemokratie“ verbunden gewesen sei. Das Buch ist bereits vor der Wiederwahl Putins zum russischen Prä-sidenten im Frühjahr dieses Jahres erschienen. Dennoch bleibt es lesenswert. Denn die politische Machtverteilung zwischen den beiden Akteuren bleibt bestehen, wenn auch wieder mit umgekehrt verteilten Rollen.

Der Autor, heute Regionalko-ordinator der DW Akademie für Zentralasien mit Wohnsitz in Ber-lin, bewertet die Kooperation des konservativen Hardliners Putin mit dem konservativen Moderni-sierer Medwedew als machtstra-tegisch erfolgreich. Beide hätten einander das politische Überle-ben gesichert. Den Wahrheitsge-halt der Behauptung, dass Medwedew stets nur eine Marionet-te seines politischen Ziehvaters gewesen sei, nimmt Albrecht ausgiebig unter die Lupe. Was war Inszenierung, was reale Po-litik in der im Ausland oft mit Befremden betrachteten Tande-mokratie? Viel Platz räumt der Autor den Befindlichkeiten der russischen Mittelschicht ein. Russen kommen zu Wort, die von sich sagen, sie säßen auf gepackten Koffern, zermürbt von Still-stand, Wahlfälschungen und Reformstau in ihrem Land.

Wenn man Kritik üben will, dann einzig, dass sich Albrecht zuweilen nicht entscheiden kann zwischen wissenschaftlicher und journalistischer Herangehensweise. Im Buch finden sich viele Reportage-Elemente, aber auch viele Fußnoten. Das ver-leitet zum Blättern und stört zuweilen den Lesefluss. Dennoch: ein lesenswertes Buch, die Tandemokratie als „Reportagolyse“ sozusagen.

Ellen Schuster

erik Albrecht: Putin und sein Präsident. Orell füssli Verlag,

Zürich 2011. 19,90 euro.

lesetipp

Botschafter ihres Landes: Musiker

des türkischen Jugendorchesters

verpflichtet sein muss, um klassische Mu-sik mit Genuss hören zu können. Schon gar nicht, wenn es sich um Beethoven handelt.

Musik wird als „die universelle Sprache“ bezeichnet; angesichts von Beethovens Wirkung auf Jung und Alt, die sich unge-achtet aller äußeren Unterschiede entfaltet, enthält kein Klischee mehr Wahrheit.

Beethovens Musik kann uns den Zu-gang zu tieferen Realitäten erschließen. Sie enthält großartige Beispiele dafür, dass Kontraste nicht nur nebeneinander existie-ren können, sondern sich auf wunderbare Weise ergänzen: Wut und Vergebung, Ag-gression und Mitgefühl, Unbekümmertheit und Kontrolle, Gewalt und Güte, Verzweif-lung und Hoffnung. Ganz abgesehen von all den anderen Ebenen des Ausdrucks, die wir nicht in Worte fassen können und von denen wir keine Ahnung haben, weil die Musik uns daran erinnert, dass es sie gibt. Junge Menschen können damit auf dem kürzesten Weg die Werte und Emotionen des Erwachsenseins erfahren; ältere Men-schen wiederum lassen sich von ihr mit der Energie, Freude und Leidenschaft der Jugend erfüllen.

Wir leben in einer Zeit, in der Versöh-nung zwischen Ländern, Völkern, Religi-onen und Ethnien auf allen Ebenen drin-gend nötig ist. Beethovens Musik ist der überzeugendste Beweis dafür, dass die Lied-zeile „Alle Menschen werden Brüder“ aus der von ihm vertonten „Ode an die Freude“ keine hohle Phrase sein muss.

21Deutsche Welle

Page 22: Weltzeit 4 | 2012: Deutsch zum Hingucken – Jojo und andere Wege zur deutschen Sprache

unterWegs sein

A m dritten Tag sind die Nachbarn bereits informiert. „Gell, Ihr seid Juden und habt früher hier

gewohnt“, sagt ein älterer Herr. Zwei Tage sind wir da schon durch den Schanghaier Stadtteil Hongkou gezogen, mal mit Fern-sehteam, mal mit Aufnahmegerät und Fo-toapparat. Nun sind wir in einem Park. Eine Gruppe Rentner steht um eine Bank herum. „Das sind Juden, die früher hier gewohnt haben“, ruft einer dem Ältesten unter ihnen ins Ohr. Die rüstigen Herren können sich selbst nicht mehr an die Zeit erinnern, in der zwischen 15.000 und 20.000 Juden in ihrem Stadtteil lebten. Aber gehört haben sie von den Flüchtlingen. Und dass nun eine der „Schanghailänderinnen“ zurückge-kommen ist, das hat sich erst recht herum-gesprochen.

Sonja Mühlberger plaudert auf Englisch drauflos und zieht ein Foto aus der Tasche. Es zeigt das Haus ihrer Kindheit: eines der zweistöckigen Häuser, bei denen der obere Stock bis weit über den Bürgersteig vor-steht. Ein Zimmer haben sie und ihre El-tern hier während des Zweiten Weltkriegs bewohnt – als Schanghai für viele Juden die letzte Zuflucht vor den Konzentrations-lagern der Nazis war, der letzte Hafen, der noch Flüchtlinge ohne Visum aufnahm.

Er erinnere sich noch an das Haus, sagt einer der alten Männer. Inzwischen sieht man dort die Glasfassade der Zentrale von China Tobacco, dem staatlichen Tabak-konzern. Hongkou, das alte Quartier am nördlichen Ufer des Huangpu, ist längst zu einem Teil der boomenden Innenstadt geworden.

Offen für Zuwanderer

Damals war es ein Randgebiet. Schanghai war eine internationale Stadt, die auch ein französisches Konzessionsgebiet und das „international Settlement“ umfasste, das vor allem von Briten und US-Amerikanern verwaltet wurde. Die Stadt stand Zuwande-rern aus aller Welt offen und Hongkou war der Ort, wo die ärmsten unter ihnen lande-ten. Hierhin verschlug es mittellose Chine-sen, verarmte Bürgerkriegsflüchtlinge aus Russland und Ende der 1930er-Jahre auch viele deutsche und österreichische Juden. Später, als die Japaner die Stadt übernom-men hatten, mussten alle jüdischen Flücht-linge in einem Teil von Hongkou wohnen, der bald Ghetto genannt wurde. Zum Ver-lassen brauchten sie einen Passierschein.

Sonja Mühlberger wurde in Schanghai geboren. In der Metropole, die Ende der 1930er-Jahre als letzte Stadt der Welt noch Juden aufnahm. Nun kehrt sie zurück. Eine Reise zu den Erinnerungen der Kindheit – im Rahmen des Multimediaprojekts „Spurensuche“.

text unD bilD mAthiAs Bölinger, rePOrter

Die letzte Zuflucht

Eine „Schanghailänderin“ kehrt zurück:

Das hat sich im Viertel herumgesprochen

22 Weltzeit 4 | 2012

Page 23: Weltzeit 4 | 2012: Deutsch zum Hingucken – Jojo und andere Wege zur deutschen Sprache

SpurensucheVon Lissabon bis Czernowitz, von Buenos Aires bis Kapstadt, von Schanghai bis Tel Aviv: DW-Reporter reisen an zehn Schauplätze rund um den Globus und gehen dort den Spuren deutsch-jüdischer Einwanderer nach.

Wir erzählen Geschichten von Menschen, die in Amerika, Asien, Afrika oder Europa eine neue Heimat gefunden haben. Wir sprechen mit Künstlern und Historikern, mit Architekten und Fotografen, mit Schriftstellern und Filmemachern – und vor allem mit Zeitzeugen und ihren Angehörigen. Was haben sie von ihrer Kultur mitgebracht? Wie haben sie damals Wur-zeln geschlagen in der neuen Umgebung? Spielt die deutsch-jüdische Vergangenheit für ihre Nachkommen noch eine Rolle? Welche Spuren hat die Einwanderergeschichte in der Gegenwart hinterlassen?

Das Multimediaprojekt „Spurensuche – deutsch-jüdische Geschichte(n) in aller Welt“ wird durch Mittel des Auswärtigen Amts gefördert.

Partner bei unserer journalistischen Arbeit ist das Moses Mendelssohn Zentrum an der Universität Potsdam. Dort be-treut ein Historikerteam um Elke-Vera Kotowski unter den Stichworten „Erkennen, Erfassen und Bewahren“ ein wissen-schaftliches Projekt mit dem Ziel, das deutsch-jüdische Kultur-erbe zu erforschen. Es ist ein sehr vielfältiges Erbe, das sich in Archiven, Nachlässen und Bibliotheken ebenso widerspiegelt wie in Bauwerken, Kunst, Dokumenten, Clubs und Vereinen, in persönlichen Briefen oder auch mündlichen Überlieferungen und handwerklichen Traditionen. Es gibt noch viele nicht ge-hobene Schätze – manches kommt erst während der wissen-schaftlichen Recherche und durch persönliche Kontakte in den Ländern ans Tageslicht. Das Moses Mendelssohn Zentrum will dieses Kulturerbe dokumentieren und in einer Datenbank für alle Interessierten aufbereiten.

Unsere Reporter-Tandems bringen von ihren Reisen Fernsehreportagen, Textbeiträge, Interviews zum Anhören und Lesen sowie Fotos für Bildergalerien mit. „Roter Faden“ der deutsch-jüdischen Geschichte(n) in aller Welt ist jeweils ein Objekt, das in den Familien der Einwanderer eine Rol-le gespielt hat und von dem die Protagonisten erzählen. Ein Brief, geschrieben auf dem Schiff, das die Emigranten nach Südafrika brachte. Eine Suppenschüssel, die seit Generationen auf dem Wohnzimmertisch steht. Ein Gedicht, ein Buch, das mit in die Fremde genommen wurde. Ein Dokument, das für die Zeitzeugen wichtig war.

Die Filme zeigt die DW im Kulturprogramm des Fernse-hens, das gesamte Material ist als aufwendig gestaltetes Multi-mediaprojekt – ab Anfang Dezember – auf dw.de abrufbar.

www.dw.de/kultur

Cornelia Rabitz, Kultur-Redaktion, Projektleiterin

dAs läuftWenn Sonja Mühlberger sich an Schang-hai erinnert, dann ist die Armut nicht das Erste, was ihr einfällt. „Ich kannte ja nichts anderes“, sagt sie. Als ihre Mutter und ihr Vater buchstäblich im letzten Moment in Genua an Bord eines Schiffs gingen, war ihre Mutter schwanger. Sonja Mühlberger war eines der ersten Flüchtlingskinder, die in Schanghai geboren wurden. Als die Fa-milie nach dem Krieg nach Deutschland zu-rückging, war sie sieben Jahre alt.

Nicht mehr zu rekonstruieren

Die Stadtregierung von Schanghai hat in-zwischen erkannt, dass die Geschichte des Viertels touristisches Potenzial hat. Wäh-rend rundherum ein großer Teil Neubauten weicht, wurde die alte Synagoge zum Muse-um umgebaut. Einzelne Straßenzüge wur-den restauriert und Gedenktafeln an Häu-ser angebracht, etwa dort, wo der Direktor des Jüdischen Museums in Berlin, Michael Blumenthal, seine Exiljahre verbracht hat.

Auf das Schanghai, das ein siebenjähri-ges Mädchen damals kannte, weisen kei-ne Schilder hin: auf den Hydranten zum

Beispiel, der einbetoniert zwischen den Neubauten steht und an dem damals die Rikschafahrer immer Wasser tranken. Oder die Wand, an die sich die Arbeiterinnen der Zigarettenfabrik während eines Taifuns drückten, damit sie nicht wegwehten.

Als wir gegen Abend zu dem Parkplatz kommen, wo einmal ihre Schule stand, sprudeln wieder die Erinnerungen: wie es auf dem Nachbargrundstück brannte und sie zurück ins verrauchte Schulhaus rann-te, um ihr rotes Mäntelchen zu retten. Der neue Buntstiftkasten, aus dem sie ihre Stifte an die Mitschüler verlieh. Der Zeichenleh-rer, der mit den Kindern Deutsch sprach, obwohl an der Schule nur Englisch gespro-chen werden durfte.

Übrig sei nur noch das Eingangshäus-chen, sagt der Parkplatzwächter und zeigt auf ein Ensemble von einstöckigen Gebäu-den. „Es kann sein“, überlegt Sonja Mühl-berger, „dass hier das Büro der Direktorin war.“ Aber es lässt sich nicht mehr rekon-struieren.

www.dw.de/kultur

www.dw.de/kultur21

»Ich kannte ja nichts anderes.«

23Deutsche Welle

Page 24: Weltzeit 4 | 2012: Deutsch zum Hingucken – Jojo und andere Wege zur deutschen Sprache

D er Wettbewerb der Bildungssyste-me werde darüber entscheiden, „wer in der Welt der Zukunft zu den

führenden Gesellschaften und Nationen zählen wird“, sagte Westerwelle. Weil Bildung für derzeitige und künftige Generationen diese herausragende Bedeutung habe, müs-se Globalisierung „eine Globalisierung der Werte“ sein. In einer weltumspannenden Umbruchsituation wie der aktuellen seien die Medien als Kulturmittler besonders ge-fragt: „Gemeinsam mit der Deutschen Welle wollen wir den Aufbau freier Medien för-dern. Pressefreiheit und Meinungsfreiheit sind zwei Seiten derselben Medaille. Sie sind Früchte vom selben Baum“, so Westerwelle im World Conference Center.

Franz-Josef Radermacher, Informatik-professor und Mitglied des Club of Rome, wies auch auf den „manipulativen Cha-rakter“ hin, den Medienberichterstattung annehmen könne. Diese These wurde im Verlauf der Konferenz mehrfach aufge-griffen und diskutiert. So machte Ashraf Ghani, Vorsitzender des Instituts für Regie-rungseffektivität in Kabul, auf die Risiken am Beispiel seines Landes aufmerksam: In Afghanistan sei der Bildungssektor in den vergangenen Jahrzehnten stark instrumen-talisiert worden.

Taugen Medien als Vermittler von Bil-dungsinhalten und werden sie in dieser Wahrnehmung akzeptiert? Diese Fragen warf nicht nur Radermacher auf. Der stell-

vertretende Intendant der Deutschen Welle, Reinhard Hartstein, betonte den Bildungs-auftrag der Medien. Dazu gehöre auch, „Be-wusstsein und Transparenz hinsichtlich der Defizite zu schaffen“.

Als erfolgreicher Medienunternehmer verkörpert Traver Ncube aus Südafrika die-se Strategie und vertritt sie überzeugend. Er kritisierte, Afrika werde von westlichen Me-dien nach wie vor ausschließlich mit Armut, Hunger und Sklaverei assoziiert. Deshalb sei es Aufgabe der Journalisten im Land, „sich für das Volk zu engagieren, für das Pu-blikum relevant zu sein und mit den Men-schen zusammenzuarbeiten. Das ist eine riesige Verantwortung.“ Der Zusammen-hang zwischen mangelnder Bildung, Armut

„Bildung spielt die zentrale Rolle in der Globalisierung.“ So eröffnete Bundesaußen-minister Guido Westerwelle seinen Beitrag auf dem diesjährigen Deutsche Welle Global Media Forum Ende Juni in Bonn. Rund 2.000 Teilnehmer aus 100 Ländern diskutierten über „Kultur. Bildung. Medien – Zukunft lebenswert gestalten“.

Für Globalisierung der Werte

Impulse für Bildungsthemen: Eine der 50 Diskussionsrunden BOBs-Preisträger Boukary Konaté

text susAnne nicKel, freie mitArbeiterin bilDer KorneliA dAnetzKi unD mAtthiAs müller

24 Weltzeit 4 | 2012

meDienWelt einOrDnen

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Und der Wunsch nach mehr Möglich-

keiten zur Kommunikation

Das Deutsche Welle Global Media Forum 2012 war erneut Treffpunkt für Journa-listen, Politiker, Ökonomen und Wissen-schaftler aus aller Welt. Ihre Diskussions-freude schlug sich auch im Netz nieder: Das Kongress-Schlagwort #dwgmf befand sich unter den herausragenden Twitter-Trends in Deutschland.

Er sei überzeugt, dass die rund 500 journalistischen Teilnehmer des Forums „viele Impulse mitnehmen, welche The-men es besonders lohnen, Bewusstsein

für die Bedeutung von Bildung zu schaf-fen“, sagte Intendant Erik Bettermann am Abschlusstag. Er lud die Teilnehmer ein, 2013 wieder mit dabei zu sein. Vom 17. bis 19. Juni lautet das Thema:„Die Zukunft des Wachstums – Neue Wirtschaftsformen und die Medien“.

Das Deutsche Welle Global Media Fo-rum 2012 stand unter der Schirmherr-schaft der Deutschen UNESCO-Kommis-sion e. V. Mitveranstalter war die Stiftung Internationale Begegnung der Sparkasse

in Bonn. Unterstützt wurde die Konfe-renz zudem vom Auswärtigen Amt, dem Europäischen Fonds für regionale Ent-wicklung, der Ministerin für Bundesan-gelegenheiten, Europa und Medien des Landes Nordrhein-Westfalen, der Stadt Bonn, DHL, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-wicklung und der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung.

www.dw-gmf.de

und Krieg war ein wesentlicher Aspekt der Konferenz, wobei der Bildungsbegriff einer umfassenden Prüfung unterzogen wurde. Folgt man dem südafrikanischen Bürger-rechtler Denis Goldberg, so beschränkt sich Bildung nicht nur auf akademisches und technisches Wissen, sondern ist in seiner Komplexität das Fundament für das friedliche Zusammenleben der Menschen – „nicht mehr und nicht weniger“. Dafür lohne es, „die Welt zu ändern“. Und Thomas Pogge, Professor an der Yale University, USA, mahnte: „Wir brauchen bessere globale Re-gierungsinstitutionen, die die Stimmen der Armen berücksichtigen. Und wir brauchen bessere globale Regeln, die deren Interessen berücksichtigen.“

Eine weitere Diskussion entwickelte sich um die Suche nach geeigneten Wegen zur Überwindung globaler Spannungspotenzi-

ale, die auf mangelnder Bildung beruhen. Zur Rolle des Internets und der Funktion von Suchmaschinen für den Zugang zu Informationen stellte die Bloggerin und Kulturwissenschaftlerin Mercedes Bunz fest: „Sie verwalten das Wissen der Welt.

Wenn wir wollen, können wir uns für viele Themen interessieren, was in dieser Form früher nicht möglich war.“ Offen blieb, welche Macht aus den algorithmischen Verknüpfungen erwächst, mit denen Such-

maschinen den Fluss der Informationen strukturieren.

Regisseur Tom Tykwer betrachtet die Vermittlung von Kunst als einen wichtigen Beitrag: „Ohne gute Filme, ohne Kunst lei-det eine Gesellschaft.“ Er plädierte für eine nachhaltige Medienförderung in den Ent-wicklungsländern.

Boukary Konaté aus Mali hat sich zum Ziel gesetzt, die digitale Kluft in seinem Heimatland zu überwinden. Er stehe „mit einem Bein in der Vergangenheit und mit einem in der Zukunft“, so der Blogger. Kona-té wurde im Rahmen der BOBs-Verleihung mit dem Spezialpreis „Education and Cul-ture“ ausgezeichnet. Die Preisträger des Blog-Awards der DW wurden auch 2012 wie-der auf dem Deutsche Welle Global Media Forum geehrt.

Teilnehmer aus 100 Ländern Im interkulturellen Dialog

Thema 2013: Die Zukunft des Wachstums

»Bildung als Funda-ment für friedliches

Miteinander«

25Deutsche Welle

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Crowdfunding boomt: Seit Februar wurden 37 Pro-jekte auf Kickstarter.com mit mehr als einer Million US-Dollar finanziert. http://tcrn.ch/Mfu9DT

Twitter im Bundestag: Mehr als ein Drittel der Ab-geordneten hat einen Account, besonders aktiv sind die Grünen. http://bit.ly/RF2LS7

BBC probiert „Perceptive Media“: Medieninhalte passen sich automatisch den Zuschauern und ih-rem Vorwissen an. http://tnw.co/LkyedH

Skandal beim Lokaljournalismus-Start-Up Jour-natic: Gefälschte Beiträge stoßen Diskussion über Outsourcing in Medien an. http://bit.ly/O5kCht

Web-App des Monats: Mit Picmonkey lassen sich Fotos schnell, einfach und kostenlos bearbeiten, di-rekt im Browser. http://bit.ly/wknep9

Briten nutzen Smartphones häufig, aber zum Tele-fonieren erst an fünfter Stelle. Zeit, die Geräte ganz anders zu nennen? http://bit.ly/MxZZhW

Kampf der Giganten: Der IT-Experte Horace Dediu erklärt, wie und warum Microsoft zunehmend Ein-fluss an Apple verlor. http://bit.ly/LmAAsz

Fair und ausgewogen? – Ob Journalismus als poli-tisch voreingenommen gesehen wird, hängt nicht nur vom Inhalt ab. http://bit.ly/MWJEhN

Wie es sein könnte: HBO zeigt in „The Newsroom“ eine fiktive US-Redaktion mit Ethos und ohne Quo-tendruck. http://gaw.kr/LkNoZZ

Deutschland auf Platz zehn in der EU: Weniger als 58 Prozent haben Computerkenntnisse, so der Branchenverband Bitkom. http://bit.ly/NVxF8k

Facebook versus Adress Book: Bei der Zwangsum-stellung aller E-Mail-Adressen ist Facebook übers Ziel hinaus geschossen. http://bit.ly/QX8PoS

Eine Ära geht zu Ende: In Frankreich wird „Minitel“ abgeschaltet. Der Internet-Vorgänger war 1982 ge-startet. http://bit.ly/NRM6Hq

Getwitter

Flüchtigkeit, Schnelllebigkeit. Diese Assoziationen weckt das Internet. Papier hingegen ist geduldig, heißt es nicht ohne Grund. Ein Buch kann ich nach Jahren wieder in die Hand nehmen und werde kaum Veränderungen feststellen. Von Stoßkanten und vergilbten Seiten einmal abgesehen.

Das Internet vergisst nichts? Mag sein, doch was einmal hochge-laden wurde, hat nicht unbedingt in gleicher Form Bestand. Einträ-ge werden verändert oder kommentiert, gelöscht und neu zitiert, Links führen ins Leere. Wissen entsteht und vergeht im Web 2.0: Aktuelles verbreitet sich dank Twitter und Facebook in Windeseile. Wer aber versucht, einen vergangenen Post oder Tweet wiederzu-finden, stößt bald an Grenzen.

Die kulturelle Bedeutung des Internets wird heute anerkannt. Die Deutsche Nationalbibliothek etwa hat seit 2006 den Auftrag, „unkörperliche Medienwerke“ zu archivieren. Doch die Umsetzung ist schwierig. Nicht zuletzt sind hier rechtliche Fragen zu klären. Ein Grund, warum beispielsweise die Deutsche Welle bei der Archivie-rung den Fokus auf das eigene Angebot richtet.

Momentaufnahmen sammeln

Den Blick des Historikers bedient die „Snapshot“-Methode, die eine Eins-zu-eins-Abbildung bestimmter Webangebote zum Ziel hat. Ein „Crawler“ bewegt sich systematisch durch das Netz und speichert gefundene Seiten im Html-Format. Michael Hafner, Leiter des DW-Pilotprojekts zu diesem Thema, erläutert die Herausforderungen: „Archive denken in langen Zeiträumen.“ So müssten für eine feh-lerfreie Darstellung nicht nur die Webseiten und verwendete Pro-gramme, sondern letztlich auch Browser und Betriebssysteme archiviert werden. „Dies zeigt, dass Snapshots tatsächlich nur Mo-mentaufnahmen liefern können“, so Hafner. Um Daten wieder-verwenden zu können, empfiehlt sich ein Verfahren, das sich an

Das staubfreie Archiv

Wie können wir Netzinhalte archivieren? Was kann, was darf archiviert werden? Wie lässt sich eine Archivierung virtueller Inhalte umsetzen? Fragen, auf die Archivare Antworten brauchen.

text philipp sAndnerfreier mitArbeiter

26 Weltzeit 4 | 2012

meDienWelt einOrDnen

Page 27: Weltzeit 4 | 2012: Deutsch zum Hingucken – Jojo und andere Wege zur deutschen Sprache

Mindestens so wichtig wie die Archivie-

rung ist die Auswahl: Das Plakatmotiv

zum Film „Messies“

Inhalten orientiert. Das Erscheinungsbild ist hier zweitrangig. Über das DW-interne Content-Management-System und die Pro-duktionssysteme wird auf Quelltexte zuge-griffen; so bleiben die Inhalte in Originalqua-lität erhalten – gleich, ob es sich um Text, Bild oder Ton handelt. Die Archive hierzu beste-hen bereits, getrennt nach Medien. Neu ist, dass nicht nur die Daten, sondern auch ihre Verknüpfungen gespeichert werden müs-sen, was eine neue Struktur erfordert. Ein ARD-Projekt zur „trimedialen Archivierung“ steht in den Startlöchern. Die DW ist auch hier beteiligt.

Netzgemeinde einbeziehen

Mindestens so wichtig wie die Archivierung selbst ist die Auswahl, die zu treffen ist – was uns wieder zu den Sozialen Netzen führt. Die Deutsche Welle pflegt dort eine rege

Kommunikation mit Nutzern. Doch wie ist zu verfahren mit „nutzergenerierten Inhal-ten“? Wer hat die Rechte an Stellungnah-men Dritter? Und welche Rolle spielen die Betreiber solcher Plattformen?

Diesen Fragen stellt sich ein DW-Team im Rahmen des EU-Projekts „Archive Com-munity Memories“, kurz ARCOMEM. Un-ter der Leitung des DW-Experten Cosmin Cabulea arbeitet das Team unter anderem gemeinsam mit dem SWR an Werkzeugen für Dokumentare und Journalisten, die das Recherchieren und Archivieren von Inhal-ten in Sozialen Medien erleichtern. Denn viele Themen, beispielsweise der Arabische Frühling, ergeben nur unter Einbeziehung von Inhalten in Sozialen Netzen ein voll-ständiges Bild.

www.arcomem.eu

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Der Weltzeit-Blog

Zusammenarbeit international agie-render Sender, die Lage für Journa-listen in Mexiko, Twitter in Äthiopien, Zensur in China, Blogs in Ägypten, Medienkonzentration in Russland – Themen, die hierzulande zu wenig Beachtung finden. Wir liefern im Weltzeit-Blog Fakten und Einschätzungen zu Entwick-lungen auf den Medienmärkten welt-weit. Wir stellen Perspektiven und Meinungen zur Diskussion. Es geht um die gesellschaftliche Rolle der Me-dien, um Medienfreiheit und die Be-deutung von Medien in der Auswärti-gen Kulturpolitik. Schauen Sie rein. Diskutieren Sie mit.

blogs.dw.de/weltzeit

27Deutsche Welle

Page 28: Weltzeit 4 | 2012: Deutsch zum Hingucken – Jojo und andere Wege zur deutschen Sprache

Staatskrise und islamistischer Terror in Mali, Parlamentswahlen im Senegal, 50 Jahre Unabhängigkeit Algeriens – die The-menpalette des Französischen Programms ist groß. In der Redaktionskonferenz wird oft heiß diskutiert, welches Thema wich-tiger ist. Unstrittig ist: Afrika spielt die ent-scheidende Rolle – und das seit inzwischen 50 Jahren. Denn das Programm ist ebenso alt wie die afrikanischen Länder, in die es sendet.

40 Minuten dauerte die erste Radio-sendung am 1. August 1962, einschließlich eines „Grußworts an die Afrikaner“ von In-tendant Hans Otto Wesemann. In Spitzen-zeiten wurden daraus bis zu vier Stunden und 15 Minuten. Im Jubiläumsjahr sind es

nun zwei Stunden Radio und multimedi-ale Aktivitäten im Internet. Dort können die Hörerinnen und Hörer die Sendungen mitverfolgen oder auch zeitversetzt herunterladen. Zudem werden viele Maga-zine als Podcast bereitgestellt. Das Interesse wächst, was die Facebook-Seite einschließt. Rege nutzen unsere Hörer die Möglichkeit, aktuelle Ereignisse und das Programm zu kommentieren und so mit der Redaktion in Kontakt zu treten.

In 50 Jahren gab es so manchen Höhe-punkt. „Der Fall der Berliner Mauer war ein großer Einschnitt“, erzählt Marie-Ange Pioerron, die der Redaktion seit 42 Jahren angehört. Eine Zeitspanne, die tiefgreifen-de Veränderungen in der Produktions- und

Das Französische Programm für Afrika besteht seit 50 Jahren. Vieles hat sich gewandelt, manches bleibt bis heute gültig. Etwa der Fokus auf Afrika.

text dirKe Köpp leiterin frAnZösisch-reDAktiOn

Vom Grußwort zur Radionovela

Sendetechnik mit sich brachte. Und innova-tive Formate wie das edukative Programm „Learning by Ear“. Hier wird jungen Leuten in Radionovelas Wissen zu Menschenrech-ten und Demokratie, Umwelt und Gesund-heit vermittelt.

All die Jahre erlaubte es die Kurzwelle, unzensiert Beiträge nach Afrika zu sen-den: ein wichtiges Kriterium angesichts des gesetzlichen Auftrags der DW und der politischen Situation in den oft autoritär geführten afrikanischen Ländern – deren Staatschefs nicht gern kritisiert werden. Auch heute bleibt in Afrika die Kurzwelle ein wichtiger Verbreitungsweg, neben Satel-liten und Partnersendern. Mehr als 150 Sen-der im frankophonen Afrika und weitere in Europa übernehmen unsere Sendungen aus Deutschland. Gerade in ländlichen Be-reichen verlassen sich viele Hörer weiter auf den Direktempfang via Kurzwelle.

Die rund 20 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter der Redaktion kommen aus un-terschiedlichen Ländern Afrikas, einige aus Frankreich oder Deutschland. Das Netz der Korrespondenten ist gut ausgebaut. Und es ist eine schöne Tradition, dass junge Jour-nalisten aus dem frankophonen Afrika zum Praktikum nach Bonn kommen. Das bringt einerseits frischen Wind in die Redaktion und bietet andererseits den Nachwuchs-journalisten eine Chance zur Weiterbildung.

Der weitere Ausbau des Internetange-bots und der Video-Aktivitäten – das sind die aktuellen Herausforderungen für die Redaktion.

www.dw.de/french

28 Weltzeit 4 | 2012

gestern reflektieren

Page 29: Weltzeit 4 | 2012: Deutsch zum Hingucken – Jojo und andere Wege zur deutschen Sprache

Bis vor wenigen Monaten noch haben Experten Mali gute Chancen auf dem Weg zum Musterstaat eingeräumt: eine sich erho-lende Wirtschaft, eine einigermaßen stabile politische Lage und die wohl freieste Presse in Afrika.

Der Traum vom Vorbild in Westafrika ist vorerst ausgeträumt. Mali ist von der Realität eingeholt worden und entwickelt sich zu einem in-ternationalen Konfliktschauplatz höchster Brisanz.

Diese Entwicklung reicht weit über Malis Grenzen hinaus. Jahrelang schon sind Al Qaida, deren Verbündete und Gegenspieler in der Regi-on aktiv – bislang mehr oder weniger im Verborgenen und unbeachtet von den westlichen Medien. Jetzt wird der Konflikt öffentlich ausgetra-gen – mit massiven Folgen für Mali, das Land, das für Al Qaida derzeit offenbar optimale Voraussetzungen bietet.

Ende März hatte eine Gruppe junger Offiziere die Regierung in Bamako aus dem Amt gejagt – als Reaktion auf die schwache Haltung der Regierung gegenüber den Tuareg-Rebellen im Norden des Lan-des. Die Wüstenkämpfer nutzten dann ihrerseits das Chaos im Süden, um gemeinsam mit Anzar Dine und AQMI – beides radikalislamische Gruppen mit engsten Verbindungen zu Al Qaida – den Norden zu be-setzen. Mittlerweile haben die Tuareg dort nichts mehr zu melden, aus ihrem Tuareg-Staat wurde ein Al-Qaida-Gottesstaat.

Bei Recherchen vor Ort war eines deutlich spürbar: Seit dem Um-bruch weht ein anderer Wind im Land, auch für die Medien. Die Jour-nalisten bekommen die Auswirkungen des Konflikts direkt zu spüren, in Bamako wurden immer wieder Reporter gezielt angegriffen und eingeschüchtert. Das berichten mehrere Partner der DW Akademie. Auch in Armeestandorten wie Mopti, im Osten Malis, haben die Mili-tärs sofort neue Spielregeln für die Medien eingeführt und die heißen: senden ja, aber nichts Politisches und schon gar nichts über die Armee.

Im Norden ist die Lage auch nicht besser: Dort kontrollieren die Kämpfer von Anzar Dine und AQMI, was über den Äther geht. Und nicht nur das. Journalisten berichten aus den besetzten Städten Tim-buktu, Gao und Kidal, dass die islamistischen Kämpfer die Medien dort für ihre Propaganda nutzen.

Etlichen Journalisten in Mali reicht es jetzt: Ende Juli haben sie zum Medienstreik aufgerufen. Anlass war einmal mehr ein Übergriff auf eine Redaktion – diesmal einer Zeitung. Zahlreiche Reporter und Redakteure haben vor dem Sitz der Übergangsregierung in Bamako protestiert.

Drucken und senden dürfen sie nicht mehr, demonstrieren bislang noch. Dass die Medienschaffenden auf diese Weise jetzt für ihre Frei-heit eintreten, ist derzeit vielleicht das Einzige, was in Mali Mut macht für die Zukunft.

Senden ja, aber nichts Politisches

Impressum

Deutsche WelleUnternehmenskommunikation 53110 Bonn T 0228.429-2041 F 0228.429-2047 [email protected]/presse

blogs.dw.de/weltzeit flickr.com/photos/deutschewelle issuu.com/deutsche-welle facebook.com/dw.unternehmen

VerAntWOrtlich Dr. Johannes Hoffmann

reDAktiOn Berthold Stevens

gestAltung

Alexandra SchottkaLisa FlanakinMatthias Müller (Fotograf)Titelfoto: Jojo-Darstellerin Dorothea Kriegl

Druck Brandt GmbH, Bonn

AnZeigen T 0228.429-2043 F 0228.429-2047 [email protected]

Werbung im PrOgrAmm

T 0228.429-3507 F 0228.429-2766 [email protected]

text gunnAr rechenBurg freier mitArbeiter

»Im Norden Malis kontrolliert Al Qaida,

was über den Äther geht.«

29Deutsche Welle

POsitiOn beZiehen

Page 30: Weltzeit 4 | 2012: Deutsch zum Hingucken – Jojo und andere Wege zur deutschen Sprache

typ schwiegersohn wird zum fiesling:

Peter foyse alias Philipp

30 Weltzeit 4 | 2012

menschen begegnen

Page 31: Weltzeit 4 | 2012: Deutsch zum Hingucken – Jojo und andere Wege zur deutschen Sprache

P hilipp, Jojos neuer Mitbewohner, entpuppt sich im Laufe der zwei-ten Staffel von „Jojo sucht das

Glück“ als Psychopath. Kein Wunder, dass die Heldin der Telenovela, die junge Brasili-anerin Jojo, und ihr Mitstudent Reza beim WG-Casting auf Philipp reinfallen und ihm ein Zimmer vermieten: Der Typ wirkt näm-lich verdammt sympathisch mit seinem Jungengesicht und dem verschmitzten Grinsen.

Das ist im wahren Leben, in dem dieser Philipp Peter Foyse heißt, nicht anders: Der 27-jährige Schauspieler lächelt viel, wenn er redet. Auch wenn er, anders als der BWL-Student Philipp in der Serie, privat keine brave Föhnfrisur trägt. Den Fiesling nimmt man ihm da erst recht nicht ab – eher den netten Schwiegersohn. Das hat auch beruf-lich Konsequenzen: „Als Schauspieler wirst du schnell nach deinem Look besetzt, weil das der erste Eindruck ist. Für mich war die Rolle in Jojo deshalb grandios. Ich habe hier zum ersten Mal einen richtigen Bösewicht gespielt.“

Dabei läuft es gut mit den netten Rollen für Peter Foyse. So gut, dass er nur wenig Zeit an einem seiner Lieblingsorte ver-bringen kann: im bunten Klappstuhl auf dem Balkon mit Spreeblick seiner Berliner Wohnung. Gerade steht er meistens als Lars Winter in der ARD-Telenovela „Rote Rosen“ in Lüneburg vor der Kamera. Dazu kommen Rollen in Kurzfilmen und Enga-gements an Theatern in ganz Deutschland. Seinen Urlaub verbringt er deshalb am liebsten zu Hause, zusammen mit Freundin und Schauspielkollegin Katharina Küppers. Dann ist Entspannung angesagt – und es geht zum Joggen an die Spree oder ins Fit-nessstudio. Vor kurzem ist noch ein echtes

Männerhobby dazugekommen: „Mit einem Freund, der das schon länger macht, schrau-be ich an einer alten Vespa herum.“

Wenn er von seinen Interessen erzählt, kommt das Gespräch schnell wieder auf die Arbeit am Set – wohl doch Foyses größte Leidenschaft. Dabei war das Schauspielen für den gebürtigen Münchner kein lang-gehegter Kindheitstraum, obwohl er seine erste Hauptrolle schon im Kindergarten hat-te, als Prinz bei Schneewittchen. Der Sohn eines Arztes und einer Krankenschwester wollte eigentlich in die Fußstapfen seines Vaters treten. Während eines Praktikums

im Krankenhaus nach dem Abitur wurde aber schnell klar: „Das ist nichts für mich!“ Stattdessen bewarb er sich an der Schau-spielschule und bekam nach einem Vor-sprechen sofort einen Platz. Zunächst gegen den Willen seines Vaters: „Der war gar nicht begeistert“, erzählt Peter Foyse, „er machte sich Sorgen wegen der unsicheren Jobsitu-ation.“ Inzwischen sei der Vater aber treuer Zuschauer von „Rote Rosen“ – und Kriti-ker. „Er ruft mich oft an und sagt mir, wie er mich fand und wo ich mich verbessert habe“, schmunzelt Foyse.

Selbst sieht er sich übrigens gar nicht gern im Fernsehen. „Ich bin ziemlich selbst-kritisch und denke dann oft: Warum guckst du da so dämlich? Aber inzwischen geht es

schon besser. Vom Anschauen lerne ich ja auch, was vor der Kamera funktioniert und was nicht.“ Denn seinen Job habe er immer dann gut gemacht, wenn die Zuschauer ihm seine Rolle abnehmen. Das sei ihm viel wichtiger, als etwa von Fans auf der Stra-ße angesprochen zu werden. Obwohl auch das zu seinem Job gehört: „Dann erkennen mich die Leute aber eigentlich immer in der Rolle. Sie sagen zum Beispiel: Lars, geht es Ihnen nach dem Unfall wieder besser?“

Als Philipp aus „Jojo“ wird Peter Foyse da-gegen in Deutschland eher selten erkannt. Denn die Fans der Serie sind Deutschlerner überall auf der Welt. Für dieses Publikum zu spielen, war eine besondere Herausfor-derung: „Wir hatten einen Sprach-Coach dabei und mussten darauf achten, die Wortendungen nicht zu verschlucken und langsamer zu sprechen – ein Problem für mich, da ich eher ein schneller Sprecher bin.“ Die Idee, eine Telenovela zum Erlernen der deutschen Sprache zu machen, gefiel Peter Foyse auf Anhieb. Er selbst sei in der Schule kein „Fremdsprachen-Crack“ gewe-sen: „Mittlerweile spreche ich aber relativ fließend Englisch, vor allem, da ich Bücher gelesen und Filme und Serien auf Englisch gesehen habe.“

Für die Zukunft wünscht Peter Foyse sich, dass es für ihn so gut weiterläuft wie bisher. Und vielleicht irgendwann mal eine Hauptrolle in einem Film. „Privat habe ich aber vor allem Bock darauf, eine größere Reise zu machen, zum Beispiel nach Aus-tralien, Neuseeland und Indonesien.“ Da könnte es ihm dann ja passieren, dass es auf der Straße heißt: Hey Philipp, wohnst du immer noch in der WG von Jojo?

»Als Schauspieler wirst du schnell

nach deinem Look besetzt.«

text unD bilD gönnA Ketels freie mitArbeiterin

Peter Foyse ist Schauspieler, Typ Schwiegersohn. Jedenfalls in der ARD- Serie „Rote Rosen“. In der Telenovela „Jojo sucht das Glück“, der Online-Serie der Deutschen Welle für Deutschlerner, ist er der Fiesling.

Endlich mal Bösewicht

31Deutsche Welle

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B e e t h o v e n f e s t B o n n 7 . 9 . B i s 7 . 1 0 . 2 0 1 2

e i g e n s i n n

t i c k e t s 0 2 2 8 - 5 0 2 0 1 3 1 3w w w . B e e t h o v e n f e s t . d e

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