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FB BetriebspolitikVorstand
Eine Handlungshilfe für Betriebsräte und Vertrauensleute
WIR MACHEN BETEILIGUNG
Impressum Vorwort
Herausgeber:
IG Metall Vorstand
FB Betriebspolitik
Wilhelm-Leuschner-Str. 79
60329 Frankfurt am Main
Konzeption und Text:
Tanja Fondel, Jürgen Ratayczak,
Jochen Schroth, Tobias Wölfle (IG Metall)
Ralf Ziegeweid (helex agentur)
Gestaltung:
helex agentur, Bochum
Fotos:
IG Metall, helex agentur
Stefan Nikolaus (Audi)
Karikaturen:
Thomas Plaßmann
Druckerei:
Neue Druckhaus Dresden GmbH
2. Auflage: Januar 2017
Produkt-Nr.: 36069-65064
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die betriebliche Interessenvertretung war nie Routine,
sondern war und ist immer geprägt durch konkrete
Herausforderungen im Alltag. Leiharbeit, Werkverträge,
Tarifbindung und Standortfragen. Diese und andere
Themen waren und sind große Aufgabenfelder. Und
wir wissen: Es wird nicht einfacher. Denn wieder wird
es große Veränderungen in den Betrieben geben,
etwa durch die Digitalisierung, Industrie 4.0 und die
Arbeitszeitdebatte.
In Politik und Gesellschaft wird der Wandel der Arbeits-
welt eifrig diskutiert. Jede Menge Strategien und
Konzepte kursieren, aber auch konkrete Vorschläge,
zum Beispiel für Gesetzesänderungen.
Unsere gemeinsame Aufgabe als Metallerinnen und
Metaller ist es, anstehende Veränderungen vom Betrieb
her zu denken. Sonst bestimmen Politiker, Wissen-
schaftler und vor allem die Arbeitgeber, wo, wie und
wann in Zukunft gearbeitet wird. Unsere Leitlinie ist, das
Arbeitsleben für eine größtmögliche Zahl der Menschen
sicher, gerecht und selbstbestimmt zu gestalten.
Klingt gut. Und heißt vor allem: Herauszufinden, was
das konkret für die Beschäftigten bedeutet.
Den Vertrauensleuten und Betriebsräten kommt dabei
eine Schlüsselrolle zu. Aus Erfahrung wissen wir: Ihre
Arbeit ist dann besonders erfolgreich, wenn sie die Kolle-
ginnen und Kollegen einbezieht. Und zwar ganz direkt,
durch neue Formen des Mitmachens, Mitdiskutierens
und Mitentscheidens. Die Methoden sind vielfältig und
reichen von regelmäßiger Kommunikation – in beide
Richtungen – über innovative Betriebsversammlungen
bis hin zu Befragungen. Nur so lassen sich die richtigen
Themen aufspüren, gemeinsam bearbeiten und unsere
Forderungen machtvoll durchsetzen.
Kurzum: Eine kompetente und durchsetzungsstarke
Betriebspolitik braucht Beteiligung. Mehr noch: Betei-
ligung bildet die Grundlage für mehr selbstbestimmtes
Arbeiten. Wie Beteiligungsprozesse gut gelingen können
– bei welchen Anlässen und mit welchen Methoden –,
zeigt diese Handreichung. Viel Erfolg!
Jörg Hofmann
Erster Vorsitzender der IG Metall
3
Inhalt
34 Betriebsvereinbarungen
mit und für die Belegschaft
34 Problemanalyse und
Lösungsvorschläge mit
der Belegschaft erarbeiten
34 Sachkundige Arbeitnehmer
35 Positionsbestimmung
des Betriebsrats
35 Übertragung von Aufgaben
auf Arbeitsgruppen
36 Praxisbeispiel Lindenfarb Aalen
38 Aktivierende
Befragung
39 Belegschafts befragungen
40 Durchsetzung mit Unterstützung
der Belegschaft
40 Beteiligungsorientierte
Umsetzung
41 Verbesserungs- und
Innovationsprozesse im
Betrieb – gemeinsam die
Zukunft gestalten
42 Das kann der Betriebsrat tun
43 Themen und beispielhafte
Handlungsansätze zur Verbesserung
43 Befragung mit Hilfe von InnoKenn
44 Praxisbeispiel Trilux Arnsberg
46 Beteiligung bei
betrieblichen Wahlen
46 Vertrauensleutewahl
49 Betriebsratswahl
50 Praxisbeispiel Thyssenkrupp Duisburg
52 Betriebspolitisches Arbeitspro-
gramm beteiligungsorientiert
erstellen 53 Weitere Beteiligungselemente
im Wahlkampf
54 Diese Materialien
helfen weiter ...
6 Was ist Beteiligung?
7 Stufen von Beteiligung
7 Gute Gründe für Beteiligung
8 Hürden für Beteiligung
9 Ressourcen für Beteiligung
10 Akteure von
Beteiligungsprozessen
im Betrieb
10 Betriebsräte11 Rechtliche Möglichkeiten der Beteiligung
12 Erste Hilfe: Checkliste zur
Beteiligung für Betriebsräte
13 Vertrauensleute 13 Gewerkschaftsrechte
14 Praxisbeispiel Audi Neckarsulm
16 Beteiligung im Gremium 17 Methode der
Kartenwandzeitung
18 Die Belegschaft für Beteiligung
gewinnen
18 Thema
19 Transparenz
19 Kommunikation
20 Gute Praxis im Betrieb –
Anlässe und Methoden
20 Kommunikation mit der
Belegschaft – Die Grundlage
von Beteiligung21 Informationen aktuell gestalten
22 Anregungen und Anliegen der Belegschaft
aufnehmen
22 Betriebsrats sprechstunden
23 Betriebsbegehungen
24 Praxisbeispiel Aleris Koblenz
26 Vertrauensleutestrukturen
als Scharnier zwischen Betriebsrat
und Belegschaft
27 Versammlungen beteiligungs-
orientiert gestalten
27 Themenfindung
27 Themensetzung
27 Betriebsversammlung
28 Feedback/Diskussion
28 Abteilungsversammlungen
28 Abstimmungen in der
Betriebsversammlung
29 Aufteilung der
Betriebsversammlung
30 Praxisbeispiel Bosch Salzgitter
32 Meinungsbilder erstellen
durch das „Punkten“
33 Mitgliederversammlungen Rechtskasten
Im roten Rechtskasten finden sich Hinweise zu den
rechtlichen Möglichkeiten bei der Interessenvertretung.
§ Methodenkasten
In den blauen Methodenkästen finden sich
viele hilfreiche Ideen für die tägliche Praxis.
Inhalt Inhalt
5
Beteiligung heißt: mitreden, mitgestalten, mitbestimmen und mitverant
worten. Die Erfahrungen zeigen: Wer beteiligt wird, engagiert sich – und
bringt eigene Ideen und Kompetenzen ein. So werden Forderungen und Ent
scheidungen mit dem Wissen vieler auf breitere Schultern verteilt. Das schafft
eine höhere Legitimation für die Themen und für Entscheidungsprozesse.
Die zentrale Aufgabe der IG Metall ist es, die Interessen ihrer Mitglieder zu
vertreten. Dazu muss sie ihre Arbeit eng an den Anliegen der Beschäftigten
und ihrer Interessenvertretungen ausrichten. Die Ansprüche der Beschäftig-
ten wahrnehmen – das gilt natürlich auch für die Betriebsräte und Vertrau-
ensleute vor Ort.
Organisierte Mitbestimmung ist ein gutes Recht. Betriebsräte und Auf-
sichtsräte sind rechtlich dazu legitimiert, mitzubestimmen. Damit ist Mit-
bestimmung – neben der Interessenvertretung in Tarifverhandlungen – das
wichtigste Mittel, die Interessen der Beschäftigten wirksam durchzusetzen.
Und: Mitbestimmung wird erst durch Beteiligung lebendig, insbesondere vor
dem Hintergrund immer komplexer werdender Arbeitswelten in zunehmend
globalisierten Unternehmen.
Was ist Beteiligung? Stufen von Beteiligung
Vereinfacht kann man drei Stufen der Beteiligung von
Beschäftigten nach ihrem Grad unterscheiden:
Info
rmat
ion
Dis
kuss
ion/
Feed
back
Mite
ntsc
heid
en
Grad der Beteiligung
Eine gute innerbetriebliche Informationspolitik (z. B.
Flugblatt, Präsentation, Gespräch) ist die beste Voraus-
setzung für die weitere Einbindung von Beschäftigten
bei einem betrieblichen Handlungsfeld oder einer The-
menfindung (siehe Kapitel: „Kommunikation mit der
Belegschaft“).
Gut gestreute Informationen regen zur Diskussion und
Meinungsbildung im Betrieb an, wenn z. B. eine neue
Betriebsvereinbarung verhandelt werden soll. Es gibt
viele Anlässe, Diskussionen strukturiert zu führen und
die Vorschläge und Ideen der Beschäftigten aufzuneh-
men: etwa im Rahmen von Abteilungs- oder Betriebs-
versammlungen oder durch eine Befragung. Das quali-
fizierte Mitentscheiden (etwa durch eine Abstimmung)
setzt immer zielgerichtete Informationen und entspre-
chende Diskussionsprozesse voraus.
Gute Gründe für Beteiligung
Beteiligung ist eine Machtressource im Betrieb:
Betriebsräte werden durchsetzungsfähiger, wenn sie
die Beschäftigten einbinden und ihre Forderungen mit
dem Arbeitgeber verhandeln. Beteiligung stärkt und le-
gitimiert somit die Vorgehensweise des Betriebsrates.
Das Mitwirken des jeweils betroffenen Beschäftigten
untermauert den Sinn, das Ziel und die Entstehung von
Vorhaben, da sie aus der Mitte der Belegschaft kom-
men. Zudem erhöht das Erfahrungswissen vieler die
Kompetenz bei einem Vorhaben. Das hilft, Optionen
auszuloten, auf die man allein nicht gekommen wäre.
Durch Beteiligung werden die Beschäftigten aktiv in die
Betriebsratsarbeit einbezogen.
Wer auf Zeit aktiv an einem Vorhaben mitwirkt, kann
möglicherweise auch als Kandidat für den Vertrauens-
körper oder Betriebsrat gewonnen werden.
Gewerkschaftsarbeit an
den Anliegen der Beschäf
tigten und Interessen
vertretungen ausrichten
Mitbestimmung wird
durch Beteiligung lebendig
Was ist Beteiligung?
7
Hürden für Beteiligung
Manchmal müssen schwierige Entscheidungen schnell
getroffen werden und erfordern spezifischen Sachver-
stand. Deshalb gilt es jeweils abzuwägen, welcher Grad
der Beteiligung zu einem erfolgreichen und zielgerichteten
Handeln führt.
Grenzen: Beteiligungsprozesse und die Umsetzung
der Ergebnisse haben ihre Grenzen. Diese müssen
klar kommuniziert werden, auch um keine falschen
Erwartungen zu wecken.
Zeitaufwand: Beteiligung kostet Zeit. Oft stellt sich
aber heraus: Der vermeintliche Zeitaufwand, den
Beteiligung braucht, wird an anderer Stelle wieder
eingespart.
Members only: Nicht bei jedem Thema kann jeder um-
fänglich mitbestimmen. So sollten bei gewerkschafts-
bezogenen Themen wie etwa bei Tariffragen die Mitglie-
der der IG Metall privilegiert beteiligt werden (z. B. durch
Mitgliederversammlungen). Eine solche Unterschei-
dung muss gut begründet und kommuniziert werden.
Dies unterstreicht den Nutzen der Mitgliedschaft.
Ziel erreichen: Nichts ist schlimmer, als ein ins Leere
laufender Beteiligungsprozess. Beispielsweise wenn
eine Mitarbeiterbefragung zwar mit großem Auf-
wand durchgeführt, aber nicht ausgewertet wird und
die Vorschläge der Beschäftigten anschließend nicht
berücksichtigt werden. Leicht steht hier der Vorwurf
im Raum, dass es sich nur um eine Alibi-Aktion mit
Scheinbeteiligung gehandelt hat.
Machtverlust: Auch die Angst, bei Vorhaben Macht
und Einfluss zu verlieren, verhindert Beteiligung.
Aber: Was können wir durchsetzen, wenn uns wegen
eines Alleingangs die Unterstützung aus der Beleg-
schaft fehlt?
Wissen ...
über das Thema des Beteiligungsprozesses und dessen Wahrnehmung in der Beleg-schaft
über die Durchsetzungsmöglichkeiten zur Bearbeitung des Themas
über mögliche Beteiligungsmethoden
Zeit ...
um alle Beschäftigten über das Thema des Beteiligungsprozesses zu informieren
um den Beteiligungsprozess zu organisieren
um die Interessen der Belegschaft umzusetzen
Macht ...
um die Interessen der Belegschaft durchzusetzen
über Rechtsansprüche
über die Mobilisierung der Kolleginnen und Kollegen
Wissen Zeit Macht
Beteiligung
Ressourcen für Beteiligung
Wenn es konkret wird: Neben den genannten Hürden
sollten die Interessenvertretungen auch immer die
Ressourcenfrage im Blick behalten.
Hier sind es vor allem die drei Ressourcen Wissen, Zeit
und Macht, die einen Beteiligungsprozess erfolgreich
machen. Diese sollten bei der Planung im Vorfeld be-
rücksichtigt werden.
Was ist Beteiligung? Was ist Beteiligung?
9
Betriebsräte
Betriebsräte sind die zwingende Voraussetzung einer beteiligungsorientier
ten Betriebspolitik. Erst durch die Wahl eines Betriebsrats verfügt die Beleg
schaft über eine rechtlich verankerte Interessenvertretung im Betrieb.
Betriebsräte sollten ihre Politik dabei konsequent an den Interessen der
Belegschaft ausrichten. D. h. die Belegschaft regelmäßig informieren und
anhören, wichtige Themen zur Diskussion stellen und bei zentralen Fragen
mitentscheiden lassen. Es gibt viele Anlässe, Beschäftigte zu informieren
und zu beteiligen. Zum Beispiel im Rahmen von Betriebsversammlungen
oder etwa bei der Erarbeitung von Betriebsvereinbarungen.
Betriebsräte haben dabei die Möglichkeit, die Rechte aus der Betriebsver-
fassung für eine umfassende Beteiligung der Beschäftigten zu nutzen. Die
Informations- und Mitwirkungsmöglichkeiten, um Arbeitnehmer an der Ar-
beit des Betriebsrates zu beteiligen, sind mit der letzten Novellierung des
Betriebsverfassungsgesetzes gestärkt worden. So können Beschäftigte
beispielsweise als sachkundige Auskunftspersonen hinzugezogen werden
(§ 80 Abs. 2 Satz 3 BetrVG), oder in Beschäftigten-Arbeitsgruppen zu mitbe-
stimmungspflichtigen Themen mitarbeiten (§ 28a BetrVG).
Quelle: Eigene Darstellung
Betätigung von AN für die Gewerkschaft nicht beschränkt Art. 9 GG
Information der AN: Infoblätter, Intranet, Schwarzes Brett, etc. § 40 Abs. 2 BetrVG
Persönlicher Kontakt, z. B. Rundgänge, Anregungen entgennehmen § 80 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG
AN kann BR-Sprechstunde wahrnehmen § 39 BetrVG
Belegschaftsbefragung im Betrieb
BR kann Aufgaben auf arbeitsorganisatorische Gruppen übertragen § 28a BetrVG
AN in Wirtschaftsausschuss berufen § 107 Abs. 2, 3 BetrVG
Beisitzer/in in der Einigungsstelle § 76 Abs. 2 BetrVG
AN können sich jederzeit vom BR beraten lassen, wenn erforderlich § 39 BetrVG
Einbeziehung sachkundiger AN als Auskunftspersonen § 80 Abs. 2 Satz 3 BetrVG
BR-Ausschüsse unter Einbeziehung sachkundiger AN § 28 in Verbindung mit § 80 BetrVG
AN können Themen für BR vorschlagen § 86a BetrVG
Betriebsversammlung einberufen (durch 1/4 der wahlberechtigten AN) § 43 Abs. 3 BetrVG
Anträge auf Betriebs- und Abteilungs-versammlungen unterbreiten § 45 Satz 2 BetrVG
Information und Austausch mit der Belegschaft auf Betriebs- und Abteilungsversammlungen § 43 BetrVG
Beschwerderecht der AN bei BR § 85 BetrVG
§
Rechtliche Möglichkeiten der BeteiligungDas folgende Schaubild gibt einen Überblick über die rechtlichen Ansatzpunkte
für eine beteiligungsorientierte Betriebspolitik.
Betriebsratssarbeit
eng an den Interessen der
Beschäftigten ausrichten
Novellierung des Betriebs
verfassungsgesetzes
Akteure von Beteiligungsprozessen im Betrieb
Akteure von Beteiligungsprozessen im BetrieB
11
Erste Hilfe: Checkliste zur Beteiligung für Betriebsräte
Die IG Metall in Nordrhein-Westfalen hat im Rahmen
eines Projektes eine Checkliste erarbeitet, die dabei
hilft die eigene Praxis von Beteiligung zu beurteilen.
Es geht darum zu prüfen, ob unterschiedliche Aspekte
von Beteiligung berücksichtigt sind: Bei allen diesen Aufgaben können sie sowohl auf
gewerkschaftliche Rechte zurückgreifen als auch
die Mittel der Betriebsverfassung nutzen:
Vertrauensleute
Die Vertrauensleute haben als Aktive der IG Metall eine
Schlüsselstellung bei der Beteiligung der Beschäftigten
an ihrer Interessenvertretung:
Als Vertreter der IG Metall im Betrieb sind Vertrau-
ensleute das Bindeglied zwischen den Mitgliedern
und der Organisation. Sie tragen Information aus
den Gremien der Gewerkschaft in die Belegschaft,
und bringen wiederum die Anliegen der Mitglieder in
die Gremien der Organisation ein.
Als Gewerkschaftsaktive organisieren sie die Ein-
bindung der Mitglieder in die Tarifbewegungen. Sie
beteiligen die Beschäftigten an der Erstellung der
Tarifforderung und setzen sich mit ihnen zusammen
für deren Umsetzung ein.
Diese Schlüsselstellung für die Beteiligung der Beschäf-
tigten in der Organisations- und Tarifpolitik gilt auch für
den Bereich der gewerkschaftlichen Betriebspolitik:
Als gewählte Vertrauensleute sind sie Sprecher ihres
Wirkungsbereiches und sorgen für die Verknüpfung
der Betriebsratsarbeit mit den Interessen der Be-
schäftigten in den Abteilungen. So bilden sie die
Schnittstelle zwischen Belegschaft und Betriebsrat
(siehe Kapitel: „Kommunikation mit der Belegschaft“).
Als Vertrauenskörper sind sie Initiatoren von betrieb-
lichen Beteiligungsprozessen im Interesse der Mit-
glieder (siehe „Praxisbeispiel Audi Neckarsulm“).
Als Vertrauenskörper organisieren sie unter Betei-
ligung der Mitglieder die Kandidatenaufstellung für
die Betriebsratswahl (siehe Kapitel: „Beteiligung bei
betrieblichen Wahlen“).
Quelle: IG Metall NRW 2011: BetriebsräteBeteiligungsCheck. Gemeinsam mehr erreichen, Düsseldorf, S. 25
Beteiligung zur Information der Belegschaft
Der Betriebsrat informiert mit eigenen schwarzen Brettern die Belegschaft über aktuelle Entwicklungen.
Die schwarzen Bretter sind in allen Abteilungen aufgehängt und auf dem neuesten Stand.
Wir denken bei der Information der Beschäftigten auch an die Kolleginnen und Kollegen, die nicht so gut deutsch verstehen können.
Wir erstellen regelmäßig (beispielsweise monatlich) eine Betriebsratsinfo, die überall im Betrieb verteilt wird.
Alle Informationen sind auch über das Intranet für Außendienstler und produktionsferne Beschäftigte zu erreichen.
Wir benutzen E-Mails, um möglichst die gesamte Belegschaft zu erreichen.
Beteiligung der Beschäftigten um Kompetenzen zu gewinnen
Die Themen der Betriebsversammlungen können von Beschäftigten vorgeschlagen werden.
Zu den Betriebsversammlungen können die Teilnehmenden Fragen schriftlich einreichen, die dann vorgelesen und beantwortet werden.
Bei fachlichen Fragestellungen werden sachkundige Fachleute aus den Abteilungen zu Rate gezogen.
Der Betriebsrat nutzt die Möglichkeit, Beschäftigten-Arbeitsgruppen zu mitbestimmungspflichtigen Themen zu bilden (§28a BetrVG).Der Betriebsrat nutzt das Instrument der Belegschaftsbefragung um Verbesserungspotenziale im Betrieb zu entdecken.
Beteiligung zur besseren Durchsetzung
Der Betriebsrat führt Abteilungsversammlungen durch, um im kleinen Kreis diskutieren zu können.
Betriebsratsmitglieder gehen systematisch durch alle Abteilungen, um den Dialog mit einzelnen Beschäftigten zu fördern.
Der Betriebsrat diskutiert Konzepte mit der Belegschaft bevor die entsprechenden Beschlüsse gefasst werden.
Der Betriebsrat pflegt strategisch Kontakte zu Fach- und Führungskräften in Schlüsselpositionen.
In der Betriebsversammlung wird auch in Kleingruppen gearbeitet, um möglichst viele Meinungen zu hören.
Beteiligung zur besseren Kommunikation
Der Betriebsrat hat Zuständigkeiten der Betriebsratsmitglieder zu den Abteilungen geregelt.
Der Betriebsrat ist umfassend in Kommunikation und Konfliktmanagement geschult.
Der Betriebsrat kontrolliert den Erfolg seiner Kommunikation.
Zu einzelnen Themen veranstaltet der Betriebsrat Sprechstunden, um den direkten Austausch zu fördern.
Diese Sprechstunden finden auch ganz gezielt in Abteilungen statt, in denen der Betriebsrat sonst weniger präsent ist.
Beteiligung hilft bei Entscheidungen
Der Betriebsrat lässt die Belegschaft über Vorhaben oder wichtige Entscheidungen abstimmen.
Der Betriebsrat diskutiert vor wichtigen Entscheidungen mit allen Betroffenen mögliche Auswirkungen.
Der Betriebsrat bezieht die Belegschaft schon bei der Vorbereitung der Entscheidung mit ein.
Der Betriebsrat nutzt das Instrument der Belegschaftsbefragung, um die Stimmung im Unternehmen aufzudecken.
§ Gewerkschaftsrechte
Vertrauensleute dürfen aufgrund § 9 Grundgesetz ihre
Kollegen vor- und nach der Arbeitszeit, in den Pausen,
in begrenztem Maße aber auch während der Arbeits-
zeit, über gewerkschaftliche Themen informieren.
In diesem Rahmen dürfen die Vertrauensleute auch
Informationsmedien wie Flugblätter und Broschüren
im Betrieb verteilen, aktuelle Informationen und Pla-
kate an Tafeln im Betrieb aushängen und Befragungen
im Betrieb durchführen.
§
Im Zusammenspiel mit dem Betriebsrat
ergeben sich weitere rechtliche Hand-
lungsmöglichkeiten:
So können die Vertrauensleute die Sprechstunde des
Betriebsrats nutzen, um während der Arbeitszeit den
Betriebsrat über Anliegen und Probleme aus ihrer
Abteilung zu informieren (§ 39 BetrVG).
(siehe Rechtskasten Betriebsratssprechstunde)
Sie können als ‚sachkundige Arbeitnehmer‘ durch
das Betriebsratsgremium benannt werden, um in
diesem Rahmen die Interessen ihrer Kolleginnen und
Kollegen einzubringen (§ 80 Abs. 2 Satz 3 BetrVG).
(siehe Rechtskasten sachkundige Arbeitnehmer)
Sie können aktiv an der Vorbereitung und Durchfüh-
rung der Betriebs- und Abteilungsversammlungen
mitwirken und dort gewerkschaftliche Positionen
einbringen (§ 45 BetrVG).
(siehe Rechtskasten Betriebsversammlungen)
Akteure von Beteiligungsprozessen im BetrieB Akteure von Beteiligungsprozessen im BetrieB
13
Wichtig bei einem World Café ist, dass viele Teilnehmer
in entspannter Atmosphäre miteinander reden können
und nicht nur zuhören, wenn einer redet, wie bei einem
Frontalvortrag. Mit jeder Diskussionsgruppe verviel-
facht sich dann die Redezeit, Zeit in der Ideen artikuliert
und gesammelt werden können. Deshalb wurde für das
World Café ein entsprechender Veranstaltungsort in
Neckarsulm gewählt. Für die Audianer standen ca. 20
Tische bereit, bestückt mit beschreibbaren Papiertisch-
decken und farbigen Markern.
»Beteiligung erlebbar machen für die, die es betrifft«Bevor es zur Sache ging, begrüßte Jürgen Mews alle
Anwesenden und erläuterte die Methode des World Ca-
fés. Dann wurden die Paten nacheinander auf die Bühne
gebeten, um kurz in die vier ausgewählten Strategiethe-
men einzuführen und Publikumsfragen zu beantworten.
Daraufhin starteten die Diskussionsrunden. An jedem
Tisch gab es einen festen Gastgeber, der die Ideen der
rotierenden Gruppen sammelte und später die zusam-
mengefassten Ergebnisse an Stellwänden präsentierte.
Die Resonanz der Beschäftigten zur gelungenen Veran-
staltung war äußerst positiv.
Zeitnah verabredeten sich die Vertrauensleute mit den
Paten zur Nachbereitung, um die Essenz aus dem World
Café herauszuarbeiten. „Schließlich sollen die Paten
das, was den Kolleginnen und Kollegen zu den Themen
eingefallen war – ihre Ideen, Änderungsvorschläge,
Anregungen und Wünsche – mitnehmen und in den Pro-
zess einarbeiten“, so der VK-Leiter. Für den Betriebsrat
ist die Vertrauensleutearbeit mittlerweile eine verläss-
liche Plattform, auf der ein Austausch mit den Beschäf-
tigten stattfindet – und Jürgen Mews abschließend:
„Da sind wir die Initiatoren, damit die Interessen der Be-
schäftigten berücksichtigt werden.“ Deshalb ist auch zu
den verbleibenden Strategiethemen das nächste World
Café bereits in Planung.
Kontakt:
Vertrauen ist gut, Beteiligung besser
Auf der Bühne des World Cafés stand ein rotes Sofa be
reit, dahinter die drei weitsichtbar aufgestellten Buch
staben „WIR“. Eingeladen hatten die Vertrauensleute
von Audi Neckarsulm zur Vollversammlung. Über 200
Beschäftigte waren gekommen, um an den runden Ti
schen des World Cafés in wechselnden Gruppen zu dis
kutieren und Gedanken auszutauschen.
Die betriebliche Beteiligung bei Audi brauchte zunächst
einen Anstoß. „Schon länger hatten wir festgestellt,
dass es Optimierungsbedarf bei der Schnittstelle zu
den Beschäftigten gab“, so der VK-Vorsitzende Jürgen
Mews. Da passte es gut, dass die IG Metall-Fraktion im
Betriebsrat ein umfassendes Standortstrategiepapier
mit zwölf klar definierten Zielen entwickelt hatte. Ein
wesentlicher Aspekt darin war die Einbindung der Ver-
trauensleute und Beschäftigten sowie eines sogenann-
ten ‚Paten‘, der jeweils ein Thema inhaltlich betreute.
„Um diesen Prozess zu unterstützen, wurden vier
Themen von den Vertrauensleuten für das World Café
ausgewählt.“ Das waren: die Arbeitsplatzsicherung,
der Strukturerhalt des Werkes, Fragen zu Qualifizierung
und Personalentwicklung sowie Ergonomie und alters-
gerechte Arbeitsplätze.
Praxisbeispiel Audi Neckarsulm
BetrieBliches PraxisBeisPiel BetrieBliches PraxisBeisPiel
15
Beteiligung im Gremium
Beteiligungsprozesse sind keine Selbstläufer. Sie müs-
sen gut geplant durchgeführt werden, um erfolgreich zu
sein. Die Zielvorstellungen müssen gut formuliert sein.
Ein strukturiertes Vorgehen im Betriebsratsgremium
und Vertrauenskörper ist Grundvoraussetzung für eine
kompetente, beteiligungsorientierte Gestaltung.
Dazu gehört auch, dass Betriebsräte und Vertrauens-
leute nicht nur Beteiligungsprozesse mit den Beschäf-
tigten organisieren, sondern auch in den Arbeitsweisen
der eigenen Gremien vorleben. So können die Ideen
vieler berücksichtigt werden und in die Arbeitsvorhaben
einfließen. Entscheidungsprozesse werden für alle Mit-
glieder transparent und Widerstände werden geringer.
Dadurch steigt die Handlungssicherheit und Durch-
setzungsmacht gegenüber dem Arbeitgeber.
!
VLSitzung am Freitag
1. sammeln
Worüber müssen wir reden?- Kollegen informieren- Mitgliederwerbung- Wer macht was?
2. auswählen (punkten)
Welches Thema sollte vorrangigbesprochen werden?- Kollegen informieren 3- Mitgliederwerbung 1- Wer macht was? 2
3. bearbeiten
Probleme und Ideen bez. auf Koll.Informationen
Problem Ideen
Diskussionen sind nicht transparent
Flugblatt
Meinungen von Koll. wer-den nicht einbezogen
Gespräche am Arbeitsplatz führen
4. Maß- nahmen
Maßnahmen
Wer? Was? Wann?
Kurt u. Lisa Flugblatt bis 43. KW
... ... ...
Quelle: IG Metall Vorstand 2015: Techniken und Methoden der Moderation mit Kartenwandzeitungen, S. 25
Methode der
KartenwandzeitungMit Kartenwandzeitungen können
Themen systematisch auf Karten
gesammelt,
ausgewählt (Welches Thema wollen wir zuerst
behandeln?),
bearbeitet sowie
konkret geplant werden (Wer macht was bis wann?).
Diese Vorgehensweise eignet sich für Sitzungen von
Betriebsräten und Vertrauensleuten gleichermaßen
und hilft die Arbeit zu strukturieren.
Akteure von Beteiligungsprozessen im BetrieB Akteure von Beteiligungsprozessen im BetrieB
17
Die Belegschaft
für Beteiligung gewinnen
Beteiligung braucht Teilnehmer. Beteiligungsprozesse,
an denen nur wenige teilnehmen, laufen Gefahr, nicht die
Interessen der Mehrheit der Kollegen widerzuspiegeln.
Deshalb sollten bei der Gestaltung eines Beteiligungs-
prozesses einige Punkte berücksichtigt werden, die die
Teilnahme an Beteiligungsprozessen beeinflussen.
ThemaWichtiges Motiv für die Teilnahme an einem Beteiligungs-
prozess ist das zugrunde liegende Thema. Die entspre-
chenden Merkmale für aktivierende Themen sind:
Kollektive Themen: Das dem Beteiligungsprozess
zugrunde liegende Problem betrifft möglichst viele
Kolleginnen und Kollegen oder ist zumindest für alle
im Betrieb nachvollziehbar.
Bewegende Themen: Das Gerechtigkeitsempfinden
der Kolleginnen und Kollegen wird angesprochen,
das Thema liegt den Leuten am Herzen.
Durchsetzbare Themen: Die Problemlösung sollte
grundsätzlich realistisch sein. Ziel von Beteiligung
ist es, dass eine Forderung am Ende vom Betriebs-
rat/Vertrauenskörper auch umgesetzt werden kann.
Nur wenn absehbar ist, dass die eigene Beteiligung
zu einer Veränderung im eigenen Interesse führen
kann, ist auch die Motivation zur Teilnahme hoch.
Handelt es sich bei dem Thema, an dem sich be-teiligt werden soll, um ein für die Betroffenen wich-tiges Anliegen?
Welcher Grad der Beteili-gung ist mit Blick auf die Bearbeitung des Themas aus Sicht von Interessen-vertretung sinnvoll?
Welcher Grad der Betei-ligung wird von den Be-schäftigten bei diesem Thema gewünscht?
Prüfschema für Beteiligungsprozesse:
TransparenzBeteiligungsprozesse sind kein Selbstzweck. Deshalb
sollte den Beteiligten immer auch klar sein, mit welchen
Auswirkungen der Prozess verbunden ist.
Zum Beispiel muss bei einer Befragung den Beschäftig-
ten vermittelt werden, was mit den Ergebnissen passiert
und welche Relevanz sie für die eigenen Interessen ha-
ben. In diesem Zusammenhang spielt die Glaubwürdig-
keit der Interessenvertretung eine zentrale Rolle. Eine
Mitarbeiterbefragung, die – aus welchen Gründen auch
immer – ergebnislos versandet, wird in der Regel nega-
tive Folgen auch für zukünftige Beteiligungsprozesse
nachsichziehen.
KommunikationDie dem Beteiligungsprozess zugrunde liegenden The-
men sollten „in aller Munde“ sein. Wie eine hohe Auf-
merksamkeit und damit eine gute Beteiligung erreicht
wird, hängt auch von der Wahl der Kommunikations-
mittel des Betriebsrats/Vertrauenskörpers ab. Neben
den klassischen Möglichkeiten der Kommunikation wie
Aushänge am schwarzen Brett, Informationsflugblätter
usw., kann eine größere Aufmerksamkeit für das Thema
durch kreative Kommunikationsformen erreicht werden.
Beispiele für solche „Kommunikationsanreger“ sind:
Bodenpunkte, bei denen Forderungen oder (provo-
kante) Fragen auf beschreibbare Bodenpunkte aufge-
tragen werden und im Betrieb am Boden fixiert werden.
Treppen-Aktionen, bei denen Textblöcke mit entspre-
chenden Forderungen oder Fragen an Treppenstufen
befestigt werden.
Post-it-Aktionen, bei denen Post-it‘s mit darauf be-
schriebenen Aussagen im Betrieb, z. B. in Sanitär-
bereichen und Kantinen angebracht werden.
Seminare zum Thema BeteiligungDas Bildungsprogramm der IG Metall bietet mit Seminaren wie dem
Vertrauensleute-Kompaktseminar „Belegschaften wirkungsvoll beteiligen“
und dem Betriebsratseminar „Offensiv im Betrieb – Verhandlungen beteiligungsorientiert und strategisch führen“
Angebote zur Weiterbildung von Vertrauensleuten und Betriebsräten. Alle Informationen zur Anmeldung, zu Frei-stellungsmöglichkeiten, Seminaren, Ter-minen, Seminarorten gibt es außerdem im Extranet unter www.extranet.igmetall.de > Praxis > Seminare.
Tipp
Eine nähere Beschreibung der Methoden und weitere Ideen finden sich im Beteili-gungsportal im Extranet unter www.extra-net.igmetall.de > Praxis > Beteiligung
Tipp
Akteure von Beteiligungsprozessen im BetrieB Akteure von Beteiligungsprozessen im BetrieB
19
Kommunikation mit der Belegschaft –
Die Grundlage von Beteiligung
Die regelmäßige Kommunikation zwischen Betriebsrat, Vertrauenskörper und
der Belegschaft ist das verbindende Element für beteiligungsorientierte Inte
ressenvertretung in der Gewerkschaftsarbeit. Kommunikation hat dabei zwei
Richtungen: Zum einen werden die Beschäftigten gut über die aktuelle Be
triebsrats bzw. VertrauenskörperArbeit informiert, zum anderen die Anlie
gen aus der Belegschaft an den Vertrauenskörper bzw. Betriebsrat herange
tragen. Dabei hat es sich als sehr hilfreich erwiesen, durch regelmäßige Ter
mine oder Anlässe stabile „Kommunikationskanäle“ zwischen Betriebsrat/
Vertrauenskörper und der Belegschaft herzustellen.
Ein kontinuierlicher Informationsfluss sorgt dafür, dass sich gut informierte
Beschäftigte ein besseres Bild von der Situation im Betrieb machen können.
Das bietet eine solide Grundlage, um bei wichtigen betrieblichen Themen
mitreden und mitentscheiden zu können.
Nicht zuletzt entlastet eine gut informierte Belegschaft auch die Arbeit von Be-
triebsrat und Vertrauenskörper. Zeitraubende Einzel anfragen oder nachträgli-
che Erklärungen werden durch die vorangegangene Information reduziert.
Die zwei Richtungen von
Kommunikation zwischen
Betriebsrat, Vertrauensleuten
und Belegschaft
Informationen aktuell gestaltenEs sollte über alle relevanten Fragestellungen und
Themen, mit denen sich der Betriebsrat und Vertrauens-
körper gerade beschäftigt oder in Zukunft beschäftigen
will, informiert werden.
Für die regelmäßige Information bieten sich folgende
Kanäle an:
Schwarzes Brett: Aushänge an schwarzen Brettern
sind nach wie vor ein bewährtes Mittel, um die
Belegschaft über aktuelle Entwicklungen zu infor-
mieren. Am besten gleich mehrere schwarze Bretter
sollten so im Betrieb platziert sein, dass möglichst
viele Beschäftigte erreicht und auf dem neuesten
Stand gehalten werden. Um die Aktualität der Infor-
mationsbretter immer zu gewährleisten, sollte es
Zuständige für die Aushänge geben.
Betriebsratsinfo: Der Betriebsrat gibt eine kurzge-
fasste und einfach gedruckte Betriebsratsinfo heraus.
Sie sollte regelmäßig erscheinen (beispielsweise
monatlich) und die aktuellsten Informationen für die
Belegschaft beinhalten. Im Idealfall erfolgt die Ver-
teilung an die Beschäftigten durch die persönliche
Überreichung im Rahmen von Betriebsrundgängen.
Das schafft Nähe und die Möglichkeit für Gespräche
mit den Kolleginnen und Kollegen den Bereichen.
Intranet, E-Mails: Intranetmeldungen oder regelmä-
ßig versendete Info-E-Mails sind die z. Zt. gängigsten
Formen, auf digitalem Weg zu informieren. Der Vor-
teil von digitalen Informationskanälen besteht in der
ortsungebundenen Verfügbarkeit. Das bietet Vorteile
für z. B. schwer erreichbare Beschäftigtengruppen
wie Monteure oder Mobilarbeitende.
Über diese Informationskanäle können schnell und ohne
größeren Aufwand Informationen an die Kolleginnen
und Kollegen vermittelt werden.
Die IG Metall bietet verschiedene Gestaltungsvorlagen
an, mit denen ganz leicht selbst Informationen anspre-
chend aufbereitet werden können. Die Vorlagen sind
ideal, weil sie extra für das Intranet, die E-Mail oder als
Flugblatt gestaltet sind und Struktur sowie Textlänge
vorgeben. Dadurch wird man automatisch gezwungen,
sich kurz und knapp auszudrücken. Denn darauf kommt
es bei einer regelmäßigen Informationsschrift an:
Eine klare Struktur, die mit einem Blick zu erfassen ist
Prägnante Überschriften, welche die Botschaft auf
den Punkt bringen
Eine verständliche und knappe Zusammenfassung
der Informationen
Um eine höhere Aufmerksamkeit zu erlangen, sollten
die Informationen mit Bildern verbunden werden: Ideal
sind dabei Fotos von Kolleginnen und Kollegen in Ak-
tion, ihr Einverständnis vorausgesetzt. Daneben finden
sich auf dem IG Metall Medienportal zahlreiche Fotos,
Infografiken und Cartoons, die für die Gestaltung der
regelmäßigen Betriebsrats- oder Vertrauenskörper-Info
verwendet werden dürfen.
Gute Praxis im Betrieb – Anlässe und Methoden
Vorlagen und Bilder für die Gestaltung gibt es im Extranet der IG Metall unter www.extranet.igmetall.de > MedienportalTi
pp
Gute Praxis im BetrieB – anlässe und methoden
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Anregungen und Anliegen der Beleg-schaft aufnehmen
Eine gut informierte Belegschaft ist der erste Schritt
für eine erfolgreiche Beteiligung. Ebenso wichtig ist die
Rückkopplung von Anregungen und Themen aus der Be-
legschaft in die Interessenvertretung. Auf diese Weise
erfährt der Betriebsrat/Vertrauenskörper, wo in der Be-
legschaft der Schuh drückt und kann so seine Betriebs-
ratsarbeit entsprechend ausrichten.
Einfach miteinander Reden: Aus persönlichen Gesprä-
chen mit Kolleginnen und Kollegen können sich neue
Ideen und Standpunkte entwickeln. Der Betriebsrat
sollte daher ansprechbar sein und Gesprächsbereit-
schaft signalisieren, also offen sein für Anregungen,
Kritik und Vorschläge.
Hierfür bieten sich folgende Ansätze an:
Bereichszuständigkeit: Gerade in größeren Betrieben
macht es für den Betriebsrat Sinn, für verschiedene
Betriebsteile bestimmte Ansprechpartner zu benen-
nen. Dies ermöglicht dem Betriebsratsmitglied, sich
tiefgehender mit den Anliegen und Problemen seines
Bereichs auseinanderzusetzen. Meist entwickelt sich
dabei auch ein engeres Verhältnis zu den Beschäf-
tigten des Bereichs. Eine feste Zuständigkeit gibt den
Beschäftigten Klarheit darüber, wer für sein Anliegen
die erste Ansprechperson bildet. Desweiteren sollte
darauf geachtet werden, dass alle Bereiche in etwa
gleich groß sind, um für alle Beschäftigtengruppen im
Betrieb ansprechbar zu sein. Damit wird auch die da-
raus resultierende Arbeitsbelastung für alle Betriebs-
ratsmitglieder im Rahmen gehalten.
Sprechstunden: Der Betriebsrat sollte die Möglich-
keit nach § 39 BetrVG nutzen, im Betrieb im regelmä-
ßigen Abstand (z. B. wöchentlich) Sprechstunden an-
zubieten. In (flächenmäßig) großen Betrieben kann
der Betriebsrat gleichzeitig oder zeitlich versetzt
Sprechstunden an verschiedenen Orten anbieten,
um so die Wege für die Beschäftigten kurz zu halten.
Statt die Sprechstunde traditionell im Betriebsrats-
büro abzuhalten, kann der Betriebsrat dabei seine
Sprechstunde auch zu den Arbeitnehmern einer Ab-
teilung oder eines bestimmten Bereichs verlegen. Er
wartet also nicht mehr, ob Beschäftigte zu ihm in die
Sprechstunde kommen, sondern bringt die Sprech-
stunde zu den Beschäftigten. Sprechstunden sollten
möglichst zu Zeiten angeboten werden, in denen es
für die meisten Beschäftigten üblicherweise ruhiger
zugeht. Die Termine der Sprechstunden werden
durch ständigen Aushang und andere verfügbare
§ Betriebsrats-
sprechstunden
Jeder Arbeitnehmer ist berechtigt, die Sprechstunden
aufzusuchen, aber auch den Betriebsrat außerhalb
der Sprechstunden in Anspruch zu nehmen, wenn dies
erforderlich ist. Der Arbeitnehmer hat sich lediglich ord-
nungsgemäß bei seinem Vorgesetzten abzumelden so-
wie nach Rückkehr wieder zurückzumelden. Den Anlass
seines Besuches braucht er dem Arbeitgeber bzw. Vor-
gesetzten nicht mitzuteilen. Der Arbeitsentgeltanspruch
besteht weiter.
Von einer kollektiven Inanspruchnahme des Betriebsrats
wird gesprochen, wenn mehrere Arbeitnehmer zur glei-
chen Zeit den Betriebsrat aufsuchen. Das ist zulässig,
wenn es z. B. um die Information über den Stand wichti-
ger betrieblicher Fragen geht oder um Angelegenheiten
einer Abteilung. Die im Betrieb vertretene IG Metall kann
in die Sprechstunden einbezogen werden, um z. B. bei
der Auslegung von Tarifverträgen behilflich zu sein.
Medien bekannt gemacht. Die Betriebsräte sollten
auch jenseits der Sprechstunden als Ansprechpart-
ner zur Verfügung stehen und dies z. B. durch den
Aushang von Kontaktmöglichkeiten (interne Rufnum-
mern, E-Mail- Adressen) bekannt machen.
Betriebsbegehungen: Rundgänge im Betrieb sind
in der Regel die beste Form, um mit einer möglichst
großen Zahl von Beschäftigten in einem Bereich
über ihre Probleme und Anliegen ins Gespräch zu
kommen. Hier geht der Betriebsrat proaktiv auf die
Kollegen zu. Dies hat darüber hinaus den Vorteil,
auch themenbezogen mit entsprechenden Fragen
und Informationen auf die Beschäftigten zugehen zu
können. Dadurch erhält man ein gezieltes Feedback
zu einem aktuellen Thema des Betriebsrat-Gremiums
aus der Belegschaft.
§ Betriebsbegehungen
Auf Grundlage von § 80 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG können
Betriebsratsmitglieder regelmäßig Rundgänge im
Betrieb durchführen.
Der Betriebsrat kann im Rahmen von Betriebsbegehun-
gen alle Arbeitsplätze – auch in „Hochsicherheitsab-
teilungen“ – verdachtsunabhängig aufsuchen. Das gilt
auch, wenn keine bestimmten Verdachtsmomente eines
drohenden oder erfolgten Verstoßes gegen Arbeitneh-
merschutzvorschriften vorliegen.
Der Arbeitgeber ist zudem verpflichtet, dem Betriebsrat
jederzeit ohne Begleitung durch den Arbeitgeber nach
erfolgter Abmeldung beim jeweiligen Vorgesetzten
durch das Betriebsratsmitglied Zugang zu allen Arbeits-
plätzen zu gewähren.
Gute Praxis im BetrieB – anlässe und methoden Gute Praxis im BetrieB – anlässe und methoden
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Jeden letzten Mittwoch im Monat ist es soweit. Dann teilt
sich das 15köpfige Betriebsratsteam von Aleris in drei
Gruppen auf und startet zum Betriebsrundgang durch die
Abteilungen am Standort Koblenz. Am eigenen Arbeits
platz wird der Betriebsrat zum direkten Ansprechpartner
und damit eine Form direkter Beteiligung möglich.
Der Betriebsrundgang des Betriebsrats wird seit Dezem-
ber 2014 durchgeführt und ist mittlerweile eine feste Ins-
titution bei Aleris. „Damit wir so viele Bereiche wie mög-
lich erreichen können, planen wir die Begehungen das
gesamte Jahr im voraus. So kann jeder Mitarbeiter sehen,
wann die BR-Delegation in die eigene Abteilung kommt“,
erklärt Bernd Feuerpeil, Koblenzer Betriebsratsvorsitzen-
der beim international aufgestellten Aluminiumwalzwerk.
Mit dabei ist immer auch das Klemmbrett zum Proto-
kollieren, denn die Themen sind meist sehr vielfältig.
Um sich ein Bild zu machen: Bei diesem Rundgang gab
es – neben vielen anderen Themen – das Anliegen eines
Zeitvertragsarbeitnehmers zu seiner Weiterbeschäfti-
gungsmöglichkeit sowie die Anfrage eines leistungsge-
wandelten Mitarbeiters zu Kränen als Hebehilfe.
Bei allen Gesprächen wird ein wichtiger Grundsatz immer
beachtet: Es werden keine Versprechungen gegeben.
„Im Anschluss an den Rundgang treffen wir uns zur
Beteiligungsorientierte Betriebs-ratsarbeit, die die Runde macht
Praxisbeispiel Aleris Koblenz
Betriebsratssitzung. Die einzelnen Betriebsratsgruppen
berichten aus den besuchten Abteilungen und wir gehen
Punkt für Punkt die Protokolle durch.“ Und Bernd Feuer-
peil weiter: „So sind die gesammelten Themen noch ganz
warm. Dann werden mögliche Maßnahmen besprochen
und die Zuständigkeiten innerhalb des Gremiums verteilt.
Auch vorangegangene Maßnahmen werden dabei nicht
vergessen, alles wird nach dem Ampelprinzip behandelt:
‚Grün‘ gleich ‚erledigt‘.“
Den direkten Kontakt mit den Kollegen zu suchen, das hat
bei Aleris bereits Tradition. Schon seit vielen Jahren wird
die Schutzkleidung für alle Mitarbeiter ausschließlich
vom Betriebsrat ausgegeben. „Das erscheint auf den ers-
ten Blick ungewöhnlich, hat aber den Vorteil, dass wir so
jeden Kollegen mindestens einmal persönlich zu Gesicht
bekommen“, so Bernd Feuerpeil. Mit den Rückmeldun-
gen zur Betriebsratsarbeit kann man zufrieden sein.
Die Arbeit kommt super an, nicht nur in den klassischen
Vertretungsbereichen des Betriebsrats, auch in den In-
genieurs- und Verwaltungsbereichen beginnt man sich
verstärkt für die Betriebsratsarbeit zu interessieren. Und
auch das Anliegen des Zeitvertragsarbeitnehmers konnte
mittlerweile auf ‚grün‘ gesetzt werden.
Kontakt: [email protected]
BetrieBliches PraxisBeisPiel BetrieBliches PraxisBeisPiel
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Vertrauensleutestrukturen als Scharnier zwischen Betriebsrat und Belegschaft
Gerade in größeren Betrieben gestaltet es sich für den
Betriebsrat schwierig, einen engen Kontakt zur Beleg-
schaft zu pflegen. Zum einen sind die Betreuungsberei-
che der einzelnen Betriebsratsmitglieder größer. Zum
anderen findet ein Großteil der Betriebsratsarbeit in
Ausschüssen und anderen Gremien statt. Oft fehlt ihnen
einfach die Zeit, mit der Belegschaft zu kommunizieren.
Gerade in diesen Fällen ist der Betriebsrat auf die enge
Zusammenarbeit mit den Vertrauensleuten in den Abtei-
lungen angewiesen, als Bindeglied zur Belegschaft.
Hinweise zur Organisation einer Regelkommunikation
zwischen Betriebsräten und Vertrauensleuten:
Regelmäßige Treffen: Es sollte ein regelmäßiger
Austausch zwischen Vertrauensleuten und Betriebs-
räten stattfinden. In einigen Betrieben finden ent-
sprechende Treffen im wöchentlichen Rhythmus und
im Anschluss an die Betriebsratssitzungen statt, in
anderen auch nur in einem monatlichen Rhythmus.
In größeren Betrieben lassen sich solche Treffen
auch nach Bereichen unterteilen. Wichtig ist dabei
ein kontinuierlicher Informationsfluss: Anregungen
und Probleme aus den Abteilungen und Bereichen
sollten zeitnah an den Betriebsrat vermittelt werden.
Andersherum sollten wesentliche Informationen aus
den Betriebsratssitzungen ohne größeren Zeitab-
stand an die Vertrauensleute weitergegeben werden.
Verschriftlichung: Neben regelmäßigen Treffen kön-
nen auch kurze schriftliche Zusammenfassungen der
wichtigsten Information aus der Betriebsratssitzung
erstellt werden. Solche schriftlichen Kurzinfos kön-
nen helfen, dass auch zwischen den regelmäßigen
Treffen eine aktuelle Information der Vertrauensleu-
te über die Betriebsratsarbeit gewährleistet wird.
Zudem können komplexere Informationen für die
Vertrauensleute so aufbereitet werden, dass diese
bei der Kommunikation mit ihren Kolleginnen und
Kollegen in den Bereichen gezielt unterstützen.
Betriebliche Regelung: In vielen Betrieben gibt es Re-
gelungen, die Vertrauensleuten den Regelaustausch
mit den Betriebsräten im Rahmen einer Freistellung
während der Arbeitszeit ermöglichen. Vertrauens-
körper, die solch eine Regelung anschieben wollen,
sollten die geplanten Inhalte erst einmal intern dis-
kutieren und sich anschließend an die IG Metall vor
Ort wenden. Die Durchsetzung einer betrieblichen
Regelung zur Vertrauensleutearbeit ist meist nicht
leicht – und bedarf der gemeinsamen Anstrengung.
Vertreterregelung: In einigen Betrieben wird zudem
mit einer Vertreterregelung gearbeitet. Das soll
gewährleisten, dass durch den Ausfall einer Ver-
trauensperson oder eines Betriebsrats (z. B. durch
Urlaub, Krankheit oder sonstiger Abwesenheit) kein
Riss im Informationskreislauf der betrieblichen Inte-
ressenvertretung entsteht.
Versammlungen beteiligungs-
orientiert gestalten
Jeder Betriebsrat hat nach § 43 Abs. 1 BetrVG einmal in
jedem Kalendervierteljahr eine Betriebsversammlung
einzuberufen. Sie dient dabei nicht nur dazu, dass der
Betriebsrat hier Rechenschaft über seine Tätigkeit gibt,
sondern vor allem auch der Kommunikation mit und der
Meinungsbildung in der Belegschaft.
Die Betriebsversammlung lässt sich in diesem Zusam-
menhang für alle Ebenen von Beteiligungsprozessen
nutzen: Neben der Information der Belegschaft vor
allem für Diskussionsprozesse, das Einholen von Feed-
back, aber auch für Mitentscheidungen über betriebli-
che Angelegenheiten.
ThemenfindungThemen für die Betriebsversammlung lassen sich vorher
in Vertrauenskörper-Sitzungen, Betriebsrundgängen
und Sprechstunden sammeln. Anschließend kann im
Vertrauenskörper und/oder Betriebsrat geklärt werden,
ob das Thema auf der Betriebsversammlung behandelt
werden soll. Idealerweise äußern sich Beschäftigte, die
von dem Thema in besonderer Weise betroffen sind, auf
der Betriebsversammlung selbst dazu. Hier haben sie
die Möglichkeit, direkt zu Wort zu kommen (dies wirkt
wesentlich authentischer und zeigt dem Arbeitgeber
die Dringlichkeit des Anliegens). Öffentliches Spre-
chen kann aber für einige Kolleginnen und Kollegen ein
Problem sein, und es ist oft sinnvoller, die Form einer
Gruppen präsentation oder eines Interviews zu wählen.
ThemensetzungUm bereits gesetzte Themen der Betriebsversammlung
prominent zu platzieren bzw. insgesamt für die Be-
triebsversammlung zu werben, bieten sich verschiedene
Aktivitäten an. Die üblichen Methoden wie Aushänge
am Schwarzen Brett, Flugblätter, Intranetmeldungen
oder Info-E-Mails lassen sich sehr gut mit z. B. Boden-
plakaten, Treppenaktionen oder auch Botschaftswürfeln
kombinieren. Mit diesem Mix lässt sich gezielt auf die
Wichtigkeit eines Themas auf der Betriebsversammlung
aufmerksam machen (siehe Kapitel: „Die Belegschaft für
Beteiligung aktivieren“).
§ Betriebsversammlung
Alle Arbeitnehmer des Betriebs haben das Recht, an
Betriebsversammlungen teilzunehmen. Grundsätzlich
müssen alle regulären Betriebsversammlungen während
der Arbeitszeit stattfinden. Von dieser Regelung kann nur
abgewichen werden, wenn es dafür zwingende technische
oder organisatorische Gründe gibt. Die Zeit der Teilnahme
an der Betriebsversammlung muss so bezahlt werden, als
hätten die Beschäftigten zu dem Zeitpunkt gearbeitet.
Die Leitung der Betriebsversammlung liegt grundsätz-
lich beim Betriebsratsvorsitzenden. Er kann diese Auf-
gabe aber auch ganz oder für einzelne Tagesordnungs-
punkte an andere Betriebsratsmitglieder delegieren. Der
gewerkschaftliche Vertrauenskörper kann unter geson-
dertem Tagesordnungspunkt einen eigenen Bericht in
Abstimmung mit dem Betriebsrat abgeben.
Die Arbeitnehmer haben die Möglichkeit, zu den Be-
schlüssen und zur Tätigkeit des Betriebsrates Stellung
zu nehmen und dabei dem Betriebsrat Anträge zu unter-
breiten (§ 45 Satz 2 BetrVG). Auch wenn der Betriebsrat
an die Anträge der Betriebs- oder Abteilungsversamm-
lung nicht gebunden ist, erhält er dadurch jedoch einen
Überblick über die Meinungen der Arbeitnehmer sowie
Impulse für seine Arbeit.
Gute Praxis im BetrieB – anlässe und methoden Gute Praxis im BetrieB – anlässe und methoden
27
Feedback/DiskussionAuf vielen Betriebsversammlungen gibt es oft nur eine
geringe Diskussionsbeteiligung. Häufig liegt der Grund
in der Größe der Betriebsversammlung. In der Regel wa-
gen nur wenige im großen Kollegenkreis und bei anwe-
sender Geschäftsleitung ihre Gedanken frei zu äußern.
Um diese Hemmschwelle zu senken, hilft die Metho-
de der Kartenabfrage. Dabei werden im Vorfeld Mo-
derations-Karten und Stifte an die Teilnehmer verteilt
und ihnen im Rahmen der Versammlung die Mög-
lichkeit gegeben, darauf Anmerkungen und Ideen zu
schreiben. Diese werden anschließend eingesam-
melt und öffentlich verlesen. Die Teilnehmer bringen
auf diese Weise eigene Ideen und Anmerkungen in
die Versammlung ein, ohne selbst vor einer großen
Versammlung sprechen zu müssen.
Zum unkomplizierten Meinungsaustausch regen
auch „Wandzeitungen“ an. Diese können im Vorfeld
der Betriebsversammlungen in allgemein zugäng-
lichen Bereichen des Betriebes wie am Eingang
zur Kantine oder zum Pausenraum aufgestellt
werden. Die Beschäftigten erhalten dadurch vorab
die Möglichkeit, ihre Anregungen, Meinungen und
Wünsche zu vorgesehenen Themen aufzuschreiben.
Interessante Beiträge können zudem im Verlauf der
Betriebsversammlung aus der Wandzeitung heraus-
gegriffen werden, um die Beiträge der Beschäftigten
zu einem Thema zu verdeutlichen und die Diskussion
zum Thema anzuregen.
Auch die Aufteilung der Betriebsversammlung in
mehrere kleinere Versammlungen oder Gruppen ist
eine gute Methode, um Diskussionen anzustoßen. Im
Kreis von bekannten Kolleginnen und Kollegen fällt
der Austausch wesentlich leichter. Zudem besteht
der Vorteil, dass mehr Beschäftigte zu Wort kommen
können, als in einer großen Versammlung.
Abteilungsversammlungen Bezüglich kleinerer Versammlungen bietet das BetrVG
hier die Möglichkeit, die Betriebsversammlung regel-
mäßig als Abteilungsversammlung abzuhalten (§ 42
BetrVG). D.h. statt einer Versammlung für den gesamten
Betrieb, finden aufgeteilt nach den verschiedenen Be-
triebsbereichen, mehrere Versammlungen statt.
Nach dem BetrVG sollen sogar zwei der vier Betriebs-
versammlungen im Jahr als Abteilungsversammlungen
in organisatorisch oder räumlich abgrenzbaren Be-
triebsteilen durchgeführt werden, „wenn dies für die
Erörterung der besonderen Belange der Arbeitnehmer
erforderlich ist“ (§ 43 Abs. 1 Satz 2 BetrVG).
Abstimmungen in der Betriebsversammlung
Um die Meinung der Belegschaft im Anschluss an
eine Diskussion festzuhalten, kann der Betriebsrat in
Betriebs- oder Abteilungsversammlungen auch über
Fragestellungen abstimmen lassen. Grundsätzlich ist
dabei zu beachten, dass solche Abstimmungen für den
Betriebsrat rechtlich nicht bindend sind. Deshalb sollte
der Betriebsrat im Vorfeld der Abstimmung klarstellen,
mit welchen Folgen die Abstimmung verbunden ist.
In diesem Zusammenhang kann der Betriebsrat natür-
lich auch entscheiden, das Beschäftigtenvotum auf
einer Betriebsversammlung für seine Entscheidungsfin-
dung als bindend anzusehen.
Für die praktische Umsetzung einer solchen Abstim-
mung bieten sich verschiedene Methoden an. Neben
einer Abstimmung mit Stimmkarten oder Stimmzetteln,
die im Rahmen der Versammlung zur offenen oder ver-
deckten Abstimmung genutzt werden können, bietet
sich die Methode des „Punktens“ an (siehe Methoden
kasten „Meinungsbilder erstellen durch das Punkten“).
Aufteilung der Betriebsversammlung
Um eine Diskussion innerhalb einer Betriebs- oder Abteilungsversammlung
zu befördern, bieten sich zwei Methoden der Großgruppenmoderation an.
Zum einen der ‚Markt der Möglichkeiten‘ und zum anderen das ‚World Café‘.
Markt der Möglichkeiten
Beim ‚Markt der Möglichkeiten‘ werden die einzelnen
Themen oder Berichte der Betriebsversammlung vorbe-
reitet und auf Stellwänden visualisiert. Dabei sollte
weniger mit Texten und mehr mit Grafiken und Schaubil-
dern gearbeitet werden. Den einzelnen visualisierten
Themen wird jeweils eine sachkundige Person zugeordnet,
die Auskunft über das vorbereitete Thema geben kann.
Die Teilnehmer der Betriebs- oder Abteilungsversamm-
lung verteilten sich vor den verschiedenen Stellwänden,
an denen die Themen parallel jeweils für 5 Minuten prä-
sentiert werden. Dann stehen 10 Minuten für Rückfragen
und Diskussionen zur Verfügung. Nach den 15 Minuten
erhalten alle ein Signal, die Station zu wechseln und sich
an einer anderen Station über das nächste Thema zu in-
formieren, bis sie alle Wände einmal besucht haben.
Durch die Zeittaktung und Aufteilung in mehrere Klein-
gruppen erhöht sich die Aufmerksamkeit und sinkt
die Redeschwelle der Teilnehmenden. Dadurch wird es
auch leichter, zu den einzelnen Themenpunkten und
Berichten der Betriebsversammlung eine Rückmeldung
von den Teilnehmenden zu erhalten. Zudem bietet die
Methode den Vorteil, mehrere Betriebsräte und Vertrau-
ensleute als sachkundige Referenten in die Gestaltung
der Versammlung einzubinden.
World Café
Das ‚World Café‘ eignet sich demgegenüber vor allem
dazu, tiefergehende Diskussionsprozesse und Ideen-
sammlungen zu initiieren. Die Teilnehmer der Versamm-
lung werden hier in kleinere Tischgruppen aufgeteilt.
Hier setzen sie sich mit einem konkreten Thema bzw.
mit gestellten Fragen auseinander, und dokumentieren
ihre Ergebnisse auf einer beschreibbaren Tischdecke,
die später zur Wandzeitung wird.
Nach der ersten Gesprächsrunde verlassen die Teil-
nehmenden ihren Tisch und mischen sich an anderen
Tischen neu. Ein Tischgastgeber bleibt jeweils am Tisch
zurück und gibt den neu ankommenden die wesent-
lichen Gedanken der Vorrunde in das Gespräch mit.
Auf diese Weise entsteht die Möglichkeit, in wechseln-
den Gruppenzusammensetzungen im kleineren Kreis
über verschiedenen Fragen und Themen zu diskutieren.
Die Ergebnisse der einzelnen Gruppen werden an-
schließend aufbereitet und der gesamten Versammlung
präsentiert.
Gute Praxis im BetrieB – anlässe und methoden Gute Praxis im BetrieB – anlässe und methoden
29
Der Standort Salzgitter der Robert Bosch Elektronik
GmbH ist das Leitwerk im Konzern. Von hier werden welt
weit mehr als ein Dutzend BoschStandorte betreut.
Trotzdem standen Arbeitsplätze auf der Kippe, die Wett
bewerbsfähigkeit wankte. Der dazu vereinbarte Standort
sicherungsvertrag lief nach fünf Jahren aus. „Da war Un
sicherheit bei den Mitarbeitern zu spüren“, so der VKLei
ter und stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Günther
Gehrmann. Die Frage war: Was bringt uns die Zukunft?
Die ‚Zukunft des Standorts‘ war das zentrale Thema,
als sich die Vertrauensleute zu einem VL-Wochenende
einfanden. Dabei hinterfragte man auch die Veranstal-
tungsform ihrer Betriebsversammlungen mit den vielen
gehaltenen Frontalvorträgen. Das erschien als nicht
mehr zeitgemäß und das Gegenteil von Beteiligung. Viel
wichtiger war, wie die Themen transportiert bzw. vermit-
telt werden konnten. Die moderierenden Gewerkschafts-
sekretäre hatten dazu gleich mehrere Ideen und boten
ihre Unterstützung an.
Die nächste Betriebsversammlung wurde als World Café
veranstaltet und stand ganz im Zeichen ‚Zukunft des
Standorts‘. Mit rund 800 Teilnehmern war das ein gelun-
gener Auftakt der nun beteiligungsorientierten Betriebs-
versammlungen bei Bosch Salzgitter. „Unser World
Café hat den Nerv bei den Beschäftigten getroffen“, und
Günther Gehrmann weiter: „Damit war ein Anfang ge-
macht, hinter den wir nicht zurückfallen wollten.“ Daher
entschied man sich für den Markt der Möglichkeiten als
nächste Betriebsversammlung.
Für den Markt der Möglichkeiten wurden im Vorfeld
kreative Marktstände erarbeitet und Stellwände visuell
ansprechend mit Schaubildern und Grafiken bestückt.
Zu Beginn der Versammlung fanden sich die neugieri-
gen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zunächst an dem
‚Marktstand‘ ein, der sie als erstes interessierte. Nach
jeweils 15 Minuten ertönte ein Signal, und die Gruppen
wechselten an den nächsten Stand. Diese rotierende
Methode ermöglichte, dass sich alle Gruppen gleichzei-
tig mit einem neuen Thema befassten. Das strenge Zeit-
limit gewährleistete zudem, dass die Aufmerksamkeit
immer wieder angeregt wurde.
Markt der Möglichkeiten als Betriebsversammlung
Praxisbeispiel Bosch Salzgitter
Der Entgeltausschuss stellte beispielsweise die Neu-
erungen in der elektronischen Zeitwirtschaft vor. Ein
anderer Stand thematisierte die geplante elektronische
Zutrittskontrolle am neugebauten Werkschutzgebäude
und welche Forderungen der Betriebsrat zur Verhinde-
rung des ‚gläsernen Mitarbeiter‘ bereits durchsetzen
konnte. Günther Gehrmann, selbst aktiv im Ausschuss
‚Neue Technologien‘, hatte seinen Stand zur Einführung
der neuen hocheffizienten Endmontage gemeinsam mit
dem zuständigen Planer vorbereitet. „Bezeichnend war
dabei für mich“, so der VK-Leiter, „dass der Planer weni-
ger an die Menschen gedacht hatte, sondern in techni-
schen Kategorien.“ Den Menschen in den Mittelpunkten
rücken, das war natürlich Kernthema bei den Ausschüs-
sen zur Erstausbildung und zu den Qualifizierungs-
konzepten am Standort.
Auf dem Markt der Möglichkeiten erhielten die Teilneh-
mer somit einen umfassenden Einblick in die aktuelle
Betriebsratsarbeit bei Bosch Salzgitter. Die Rückmel-
dungen waren überwiegend positiv. Mit einer roten oder
grünen Karte konnte die Veranstaltung visuell an einer
großen Stellwand bewertet werden. Die Karten dienten
auch dazu, eigene Stellungnahmen, Ideen und auch Kri-
tik zur Veranstaltung zu äußern. Wertvolle Anregungen,
um auch in Zukunft die Betriebsversammlungen noch
interessanter zu gestalten.
Kontakt: [email protected]
BetrieBliches PraxisBeisPiel BetrieBliches PraxisBeisPiel
31
Quelle: Eigene Darstellung
Meinungsbilder
erstellen durch das
„Punkten“
Eine Abfrage mit Klebepunkten bildet ein einfaches
Abstimmungs-, Meinungs- und Bewertungsinstrument.
Dabei wird eine feste Anzahl von Klebepunkten an die
Versammlungsteilnehmer ausgeteilt, die diese auf vor-
bereiteten Abstimmungsflächen auf Stellwände, Wand-
zeitungen oder ähnlichem verteilen, um ihre Meinung zu
den darauf dargestellten Fragestellungen auszudrücken.
Auf diese Weise können die Ergebnisse der Abstimmung
schnell visuell dargestellt werden. Die Moderation der
Versammlung stellt anschließend das Ergebnis vor.
Durch die Ausgabe von mehreren Klebepunkten pro
Teilnehmer lassen sich mit dieser Methode auch gut
Schwerpunkthemen oder Priorisierungen vornehmen,
etwa wenn es um die Frage geht welche Themen vom
Betriebsrat in nächster Zeit vordringlich angegangen
werden sollen.
Neben der Möglichkeit einer offenen Abstimmung durch
„Punkten“ kann mithilfe der Klebepunkte auch nicht-
öffentlich abgestimmt werden. Durch das Umdrehen der
für das Punkten vorgesehenen Tafel und das Aufstellen
in separaten Räumen oder nicht einsehbaren Bereichen
eines Raumes, kann verhindert werden, dass die Ab-
stimmung durch Anwesenheit der Geschäftsleitung be-
einflusst wird.
Wichtig ist, dass die Methode von der Moderation im
Vorfeld den Teilnehmern erläutert und auch die
weitere Vorgehensweise in Bezug auf die Ergebnisse
der Befragung kommuniziert wird.
Mehrpunkt- abfrage
Welche Themen sind für uns wichtig?
Thema 1 2
Thema 2 6
Thema 3 1
Thema 4 3
Skalen
++ + - --
Wieviel liegt mir am Thema?
viel mittel wenig
Matrix
+
-
- +
Bet
eilig
ung
Erfolg
MitgliederversammlungenAuf Mitgliederversammlungen sind alle IG Metall
Mitglieder eines Betriebes eingeladen, gemeinsam zu
diskutieren, sich zu beteiligen und in der IG Metall mit-
zuwirken – insbesondere bei betrieblichen Konflikten,
in der Vorbereitung der Tarifrunde, bei den Vertrauens-
leutewahlen und der Aufstellung der IG Metall-Liste für
die Betriebsratswahlen. Damit verfügt der Vertrauens-
körper neben den Betriebs- und Abteilungsversammlungen
über ein Instrument, um exklusiv mit den Mitgliedern
des Betriebes zu kommunizieren.
Auf einer Mitgliederversammlung sollten vorrangig alle
Themen mit wichtigen tariflichen Fragestellungen be-
sprochen werden. Damit wird der besonderen Stellung
der Mitglieder Rechnung getragen: Als Unterstützer der
Gewerkschaft und Träger der Tarifbewegungen genießen
sie ein besonderes Mitspracherecht bei gewerkschaft-
lichen Themen wie dem Tarifvertrag.
So ist es etwa möglich, eine Betriebsversammlung für
die Information und Resonanz über ein bestimmtes tarif-
liches Thema zu nutzen, dann aber die vertiefende Dis-
kussion und Entscheidung über das tarifliche Thema
den Mitgliedern auf einer gesonderten Mitgliederver-
sammlung vorzubehalten. Diese Unterscheidung sollte
dabei offen in der betrieblichen Öffentlichkeit kommu-
niziert werden. Noch nicht organisierten Kollegen steht
es jederzeit offen, durch ihren Beitritt sofort an der Ent-
scheidungsprozess zum tariflichen Thema teilzuhaben.
Die für die Betriebsversammlung beschriebenen Metho-
den zur beteiligungsorientierten Gestaltung einer Ver-
sammlung, sind genauso auch auf Mitgliederversamm-
lungen anwendbar.
Unterstützt wird der Vertrauenskörper bei der Organisation
einer Mitgliederversammlung von der IG Metall vor Ort.
Bei der Organisation sollte folgendes beachtet werden:
Mitgliederversammlungen frühzeitig ankündigen und
die Mitglieder mit Aushängen, Flyern, über digitale
Medien und in persönlichen Gesprächen einladen.
Den Termin festsetzen, wenn möglichst viele Mitglieder
Zeit haben, da Mitgliederversammlungen häufig außer-
halb der Arbeitszeit veranstaltet werden müssen.
Die Versammlung wenn möglich im Betrieb oder zu-
mindest ortsnah am Betrieb stattfinden lassen. Kur-
ze Wege bedeuten mehr Teilnehmende.
Mitgliederversammlungen müssen auch mal kurz-
fristig durchgeführt werden. Gerade in der heißen
Phase von betrieblichen Konflikten oder Tarifrunden
kann es wichtig sein, sich auch mal spontan zusam-
menzufinden.
Gute Praxis im BetrieB – anlässe und methoden Gute Praxis im BetrieB – anlässe und methoden
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Betriebsvereinbarungen
mit und für die Belegschaft
Die Initiative zum Abschluss von Betriebsvereinbarun-
gen geht in vielen Fällen vom Arbeitgeber aus. Er möchte
die Arbeitszeit verändern, die Leistungszulagen neu ord-
nen oder ein neues IT-System einführen. Ohne eine Eini-
gung mit dem Betriebsrat kann er dies nicht. Aber auch
der Betriebsrat sollte von sich aus aktiv werden und die
Regelung eines Themas verlangen.
Der Betriebsrat hat bei vielen Themen Initiativrecht und
kann auch schon bestehende Regelungen eventuell kün-
digen und neu verhandeln. Diese Möglichkeiten sollte er
im Interesse seiner Belegschaft aktiv nutzen. Ausgangs-
punkt sollten dabei die Anliegen der Beschäftigten sein.
Wenn es Vertrauensleute im Betrieb gibt, sollte die Frage
der Regelung eines betrieblichen Themas im Vertrauens-
körper beraten werden.
Wichtig ist es dabei, sich nicht zu verzetteln. Da die Aus-
arbeitung und Durchsetzung einer Betriebsvereinbarung
viele Ressourcen bindet, sollten unter mehreren Themen
diejenigen Priorität haben, die aus Sicht der Belegschaft
besonders drängend sind.
Problemanalyse und Lösungsvorschläge mit der Belegschaft erarbeiten
Der erste Schritt zur Regelung eines Themas in einer Be-
triebsvereinbarung besteht in der Regel zunächst in einer
vertieften Sammlung von Informationen zum Thema. Bei
dieser Bestandsaufnahme sollte auf das Fachwissen der
Kollegen zurückgegriffen werden.
Siehe Diskussion/Resonanz und Abstimmungen auf BetriebsversammlungenTi
pp
§ Sachkundige
Arbeitnehmer
Die rechtliche Grundlage bildet hier § 80 Abs. 2 Satz 3
BetrVG, der die Freistellung betrieblicher „Auskunfts-
personen“ für diese Tätigkeit ermöglicht. Damit hat der
Betriebsrat die Möglichkeit, den internen Sachverstand
der Arbeitnehmer zu nutzen und bei der Suche nach
Problemlösungen diese mit einzubeziehen. Das kann
ein einzelner Arbeitnehmer im Rahmen einer Einzel-
falllösung sein. Betriebsratsmitglieder können auch mit
einem oder mehreren sachkundigen Arbeitnehmer/n
zusammen Arbeitskreise bilden. Das ermöglicht, eigene
fundierte Vorschläge zu wichtigen komplexen Themen
wie z. B. Qualifizierung, Beschäftigungssicherung oder
Gesundheitsschutz im Betrieb erarbeiten zu können.
Als sachkundige Arbeitnehmer kommen alle Arbeitneh-
mer in Frage, einschließlich so genannter AT-Angestell-
ter oder auch leitender Angestellter. Die Aufgabe des
sachkundigen Arbeitnehmers besteht im Wesentlichen
darin, dem Betriebsrat mit seinen besonderen Kenntnis-
sen oder Fähigkeiten fachlich zur Seite zu stehen. Er ist
dabei verpflichtet, den Betriebsrat nach bestem Wissen
und Gewissen zu beraten. In Betrieben mit einer Vertrau-
enskörper-Struktur macht es Sinn, die Vertrauensleute der
das Thema betreffenden Bereiche als Auskunftspersonen
zu benennen. Das stellt sicher, dass die Interessen der
von ihnen vertretenden Kollegen in die Bearbeitung des
Themas einbezogen werden. Wichtig ist zudem, dass
sachkundige Arbeitnehmer nach § 80 Abs. 2 Satz 3
BetrVG vor Nachteilen geschützt werden. Sie dürfen in
der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört, benachteiligt
oder behindert werden.
Übertragung
von Aufgaben
auf Arbeitsgruppen
Der § 28a BetrVG bietet Betriebsratsgremien die Mög-
lichkeit der Übertragung von Aufgaben auf Arbeitsgrup-
pen und Beschäftigte. In Betrieben mit mehr als 100
Arbeitnehmern kann der Betriebsrat nach Maßgabe
einer mit dem Arbeitgeber abzuschließenden Rahmen-
vereinbarung Aufgaben auf eine Arbeitsgruppe über-
tragen, wenn sie im Zusammenhang mit den von der
Arbeitsgruppe zu erledigenden Tätigkeiten stehen. So
können Arbeitnehmer, denen an ihrem Arbeitsplatz in
zunehmendem Maße Selbständigkeit, Eigeninitiative
und Mitverantwortlichkeit abverlangt wird, auch bei der
Wahrnehmung von betriebsverfassungsrechtlichen Auf-
gaben und Rechten beteiligt werden, die sich auf ihren
Arbeitsplatz und die Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen
Tätigkeiten beziehen. In Verbindung mit § 75 Absatz 2,
der die Betriebsparteien verpflichtenden Regelung, die
Selbständigkeit und Eigen initiative der Arbeitnehmer und
Arbeitsgruppen zu fördern, kann § 28a als Grundlage ge-
nutzt werden, um weitere Freiräume für selbstbestimm-
tes Arbeiten zu schaffen.
Positionsbestimmung des Betriebsrats
Manchmal ist es für den Betriebsrat bzw. Vertrauens-
körper wichtig, die eigene Position zu einem Thema zu
überdenken, zu aktualisieren und neu zu bestimmen.
Eine genauere Positionsbestimmung hilft dabei, die
wesentlichen Forderungen für die anzustrebende Rege-
lung festzulegen.
Dem vorgelagert sollte eine umfassende Information
und ggf. auch Diskussion mit den Beschäftigten auf
Basis der im ersten Schritt vollzogenen Informati-
onssammlung sein. Ein Instrument zur Einbeziehung
der Beschäftigten in die Positionsbestimmung bietet
sich durch Belegschaftsbefragungen zu verschiede-
nen Lösungsoptionen.
Das Ergebnis der Befragung gibt dem Betriebsrat
einen klaren Handlungsauftrag seitens der Be-
legschaft. Gleichzeitig stärkt der Rückhalt seine
Durchsetzungs fähigkeit in den Verhandlungen mit
dem Arbeitgeber.
§
Gute Praxis im BetrieB – anlässe und methoden Gute Praxis im BetrieB – anlässe und methoden
35
Nicht alles lief rund, darüber war sich der Betriebsrat
von Lindenfarb einig. „Wir wollten etwas ändern, wir
wussten nur nicht, wie wir es angehen sollten und wa
ren festgefahren“, beschreibt Katja Kalkreuter, neuge
wählte Betriebsratsvorsitzende beim alteingesessenen
Textilhersteller aus Aalen in BadenWürttemberg die Si
tuation.
Der IG Metall Klausur-Workshop sollte Abhilfe schaffen.
Dabei wurde deutlich, dass das Gremium in wichtigen
Zukunftsfragen keine einheitlichen Standpunkte hatte.
Die legitim gewählten Vertreter wollten wissen, wo die
Beschäftigten der Schuh drückte. Wie also vorgehen?
Eine Mitarbeiterbefragung war die Lösung.
Im Februar 2015 wurde die Befragung durchgeführt.
Die Betriebsratsmitglieder zogen persönlich durch die
Abteilungen, so konnten Verständnisfragen direkt vor
Ort geklärt werden. Das war insbesondere für die Kol-
leginnen und Kollegen mit Migrationshintergrund sehr
hilfreich. Der kurz gehaltene Fragebogen war sehr di-
rekt formuliert, in wenigen Minuten konnten prägnante
Aussagen wie „Die Gleitzeitregelung finde ich gut“ oder
„Meine Arbeitsbelastung ist viel zu hoch“ bewertet wer-
den. Auch die Fragen zur persönlichen Einschätzung der
Betriebsratsarbeit waren markant formuliert. Noch in
der selben Schicht wurde alles wieder anonymisiert und
in verplombten Kisten eingesammelt. Der Aufwand hatte
sich gelohnt, der Rücklauf lag bei 70 %.
Die Auswertung wurde auf der kommenden Betriebsver-
sammlung öffentlich gemacht und wie zu erwarten war,
fielen die Ergebnisse mehrheitlich eher kritisch aus.
Doch nun hatte der Betriebsrat von den Beschäftigten
einen Hebel an die Hand bekommen, um aktiv zu werden
und gezielte Lösungsstrategien zu erarbeiten. „Wir ha-
ben alle Kritikpunkte und Kommentare Ernst genommen
und haben viele Themen sofort angepackt“, führt Katja
Kalkreuter weiter aus. „Beispielsweise wurde vielfach
angemerkt, dass der Betriebsrat zu wenig informiert.
Dafür ist jetzt ein neu eingerichteter Öffentlichkeits-
ausschuss zuständig.“
Mit Beteiligung zur Positionsbestimmung
Praxisbeispiel Lindenfarb Aalen
Weitere Ausschüsse wurden gebildet, wie der Aus-
schuss für Familien- und Frauenthemen, der Be-
triebs- und Wirtschaftsausschuss sowie der Weiterbil-
dungsausschuss. Und nicht zuletzt der Prämien- und
Flexi-Ausschuss, der für die Einführung der flexiblen Ar-
beitszeit bei Lindenfarb zuständig ist, denn: „Seinerzeit
war ein anderes Schichtmodell seitens der Geschäftslei-
tung angedacht, eine ‚6 Tage, 6 Stunden‘-Regelung. Das
wurde aber mit überwiegender Mehrheit aller aus der
Produktion abgelehnt.“ Dagegen hatte der Betriebsrat
zwei Jahre erfolgreich gekämpft und konnte seine For-
derungen mit der dazu abgeschlossenen Betriebsver-
einbarung umsetzen. Die zufriedene Betriebsratsvorsit-
zende zieht ein Fazit: „Wir sind in der Betriebsratsarbeit
wieder bestens aufgestellt und das wird auch von der
Belegschaft positiv wahrgenommen.“
Kontakt: [email protected]
BetrieBliches PraxisBeisPiel BetrieBliches PraxisBeisPiel
37
Aktivierende
Befragung
In einer aktivierenden Befragung werden die Beschäf-
tigten nach ihren Meinungen und Einstellungen gefragt
und gleichzeitig dazu angeregt und ermutigt, für ihre
Interessen einzutreten und bei der Lösung mitzuwirken.
Die Befragung wird hier also mit einer Botschaft zur Ak-
tivierung verbunden.
Die aktivierende Befragung erfolgt zu diesem Zweck in
Verbindung mit einer direkten Ansprache der Beschäf-
tigten zum Thema der Befragung. Dabei soll vermittelt
werden, inwieweit die Befragung Teil eines Prozesses
der Interessenvertretung ist, der weiteres Engagement,
etwa im Rahmen einer betrieblichen Unterstützungs-
aktion erfordert.
Fragebogen oder Abstimmungspapier erstellen
Die Beantwortung des Fragebogens sollte nicht
mehr als 5 Minuten dauern.
Die Fragen müssen leicht verständlich und
eindeutig sein.
Ein Fragebogen ist gut strukturiert, wenn vom
Allgemeinen zum Besonderen gefragt wird.
Um einen möglichst umfassendes und vertieftes
Bild über Meinungen, Einstellungen und Ideen der
Beschäftigten zu erhalten, können neben Fragen mit
vorgegebenen Antwortmöglichkeiten, auch Fragen
mit offenen Antwortmöglichkeiten gestellt werden.
Dabei sollte aber unbedingt berücksichtigt werden,
dass offene Fragen einen wesentlich höheren Aus-
wertungsaufwand mit sich bringen.
Wie geantwortet werden soll, muss genau
erklärt werden.
Befragung/Abstimmung durchführen Man kann die Befragung zentral (z. B. vor dem
Werkstor) oder dezentral (Aufsuchen der Mitglieder/
Beschäftigten in den Abteilungen) durchführen.
Wichtig: Der Abstimmungs-/Befragungszettel sollte
persönlich ausgeteilt und auch wieder eingesammelt
werden. Das bietet einerseits die Möglichkeit zum
Gespräch und erhöht andererseits die Teilnahme.
Es kann auch ein Gesprächsleitfaden im Vorfeld er-
stellt werden, in dem man festgelegt, warum die Be-
fragung stattfindet und welche Kernbotschaft über-
mittelt werden soll. So stellt man sicher, dass alle
die gleiche Aussage transportieren. Der „Nutzen“ für
die Zielgruppe und die Bedeutung für den Betrieb
sollten dabei klar erkennbar sein.
Es ist oft sinnvoll, die Fragebogen-Aktion im Vorfeld
anzukündigen, z. B. mit einem Plakat oder Flugblatt.
Nach der Befragung Es sollte schon im Vorfeld der Befragung geklärt
sein, wie die Ergebnisse der Befragung später auf-
bereitet und präsentiert werden. Das hilft zum einen
die dafür nötigen Arbeitskapazitäten zu planen, zum
anderen die Beschäftigten bei der Verteilung des
Fragebogens über die weitere Vorgehensweise infor-
mieren zu können.
Die Ergebnisse müssen allen Beteiligten bekannt
gemacht werden. Hierzu bieten sich Formate wie
Riesenplakate, Treppenaktionen oder Bodenpunkte an,
um eine hohe Aufmerksamkeit zu gewinnen und die
Aussagen der Befragung im Betrieb zum Gesprächs-
thema zu machen (siehe Kapitel: „Die Belegschaft für
Beteiligung gewinnen“).
Die Befragung ist nicht das Ende, sondern der An-
fang eines gemeinsamen Prozesses. Das sollte den
Kolleginnen und Kollegen deutlich gemacht werden.
Daher macht es Sinn, schon im Vorfeld der Befra-
gung die Beschäftigten über mögliche Umsetzungs-
strategien und Unterstützungsansätze zur weiteren
Bearbeitung des jeweiligen Thema zu informieren.
§ Belegschafts-
befragungen
Belegschaftsbefragungen des Betriebsrats sind im
Betrieb immer dann zulässig, wenn sie der Erfüllung
betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben dienen.
Möchte er diese wahrnehmen, kann er aus eigener Initia-
tive heraus auch Belegschaftsbefragungen durchführen.
Aber auch der Vertrauenskörper kann grundsätzlich von
sich aus Befragungen initiieren, um die Meinung der Mit-
glieder/Beschäftigten zu erfragen.
Gute Praxis im BetrieB – anlässe und methoden Gute Praxis im BetrieB – anlässe und methoden
39
Verbesserungs- und
Innovationsprozesse im
Betrieb – gemeinsam die
Zukunft gestalten
Ohne neue Produkte und verbesserte Prozesse, kreative
Ideen und Zukunftskonzepte sind Unternehmen nicht
überlebensfähig. Gerade deshalb müssen Betriebsräte
und Vertrauensleute die Innovationsfähigkeit ihres Be-
triebs in den Blick nehmen. Mit ihren Ideen und deren
Umsetzung können sie entscheidend dazu beitragen,
Beschäftigung zu sichern, Mitbestimmung zu stärken und
Arbeit sicher, gerecht und selbstbestimmt zu gestalten.
Eine ganze Reihe von Faktoren ist mitentscheidend, ob
das gelingen kann. So ist die Voraussetzung für ein er-
folgreiches betriebliches Vorschlagswesen vor allem eine
Unternehmenskultur, die Verbesserungen auch fordert
und zulässt. Häufig mangelt es zudem an einer unbüro-
kratischen und schnellen Umsetzung der Vorschläge,
transparenter Prozesse oder fairer Prämienregelungen.
Vor allem aber erfordern gelungene Innovationspro-
zesse eine lebendige Beteiligungskultur im Betrieb.
Denn die Beschäftigten sind die Expertinnen und Ex-
perten, wenn es um ihr konkretes Arbeitsumfeld geht.
Betriebsräte und Vertrauensleute sollten sich deshalb
bereits zu Beginn von arbeits- und innovationspoliti-
schen Projekten darüber klar sein, wann und in welcher
Form die Belegschaft mit ins Boot geholt wird. Auch gilt
es vorher die eigene Rolle und Ziele im Innovationspro-
zess zu verdeutlichen. Erfolgt dies nicht, besteht die
große Gefahr, dass Betriebsräte und Vertrauensleute
ihre Legitimation bei den Beschäftigten verlieren und
vom Management vereinnahmt werden.
Das heißt: Der Betriebsrat muss die Beschäftigten
darüber aufklären, wie ein Verbesserungsprozess funk-
tioniert und warum er für sie und das Unternehmen
sinnvoll ist. Er sollte sie darüber informieren, wovon
es abhängt, dass ein Verbesserungsprozess zustande
kommt und wie wichtig es ist, dass die Beschäftigten
Erfolge und Misserfolge bewerten und sich mit eigenen
Aktivitäten an ihm beteiligen.
Durchsetzung mit Unterstützung der Belegschaft
Sobald die Vorschläge für eine Betriebsvereinbarung in
die Verhandlungsphase gehen, sollten die Beschäftig-
ten regelmäßig über aktuelle Verhandlungsstände infor-
miert werden. Gleichzeitig ist es in vielen Fällen notwen-
dig, die Verhandlungsführung durch beteiligungsorien-
tierte Aktionen der Belegschaft zu unterstützen.
Beispiele hierfür sind:
Unterstützende Aktionen
Unterschriftenlisten
Das Tragen von T-Shirts, Buttons,
Pins mit einer Forderung
Öffentliche Abstimmungen
(z. B. mit Klebepunkten auf Wandzeitungen)
Vermittelnde Aktionen
Infostände
Verbreitung der Forderungen über Bodenplakate, Bot-
schaftswürfel, Transparente, Haftzettel, Türhänger
Darstellende Aktionen
Selbstproduzierte Filme
Theater
Flashmobs an belebten Orten usw.
Weitere Ideen finden sich im Beteiligungspor-tal im Extranet unterwww.extranet.igmetall.de > Praxis > BeteiligungTi
pp
Beteiligungsorientierte Umsetzung
Auch bei der Umsetzung der abgeschlossenen Betriebs-
vereinbarungen kann beteiligungsorientiert vorgegan-
gen werden:
Schon bei der Formulierung der Betriebsvereinba-
rung sollte darauf geachtet werden, dass sie gut ver-
ständlich ist. Beispielsweise kann es sinnvoll sein,
einen Anhang mit Begriffserklärungen der Betriebs-
vereinbarung beizufügen. Nur wenn die Beschäf-
tigten die Sachverhalte verstehen, können sie später
auch eventuelle Verstöße erkennen.
Der Arbeitgeber hat die abgeschlossene Betriebs-
vereinbarungen im Betrieb an geeigneter Stelle aus-
zulegen (§ 77 Abs. 2 BetrVG). Diese Vorschrift allein
wird in der Regel aber nicht dafür sorgen, dass die
Inhalte der Betriebsvereinbarung den Beschäftigten
tatsächlich bekannt sind. Der Betriebsrat sollte da-
her seine Informationskanäle aktiv nutzen, um die
wesentlichen Inhalte in der Belegschaft bekannt zu
machen. Ohne dieses Vorgehen läuft die Regelung
sonst Gefahr, ins Leere zu laufen.
Angesichts der hohen Zahl und Komplexität von Be-
triebsvereinbarungen im Betrieb kann es hilfreich
sein, kurze und verständliche Zusammenfassungen
der wichtigsten Betriebsvereinbarungen in einer Art
„betrieblichen Ratgeber“ festzuhalten. Dieser kann
dann an die Vertrauensleute verteilt werden, die damit
in den einzelnen Abteilungen die Beschäftigten über
ihre Rechtsansprüche informieren. Darüber hinaus
macht es Sinn, die wesentlichen Inhalte wichtiger
Betriebsvereinbarungen in Schulungsveranstaltungen
für (neugewählte) Vertrauensleute aufzunehmen.
Gute Praxis im BetrieB – anlässe und methoden Gute Praxis im BetrieB – anlässe und methoden
41
Das kann der Betriebsrat tunEs gibt viele Möglichkeiten, die Beschäftigten in Verbes-
serungsprozesse einzubeziehen. Ein guter Weg besteht
darin, gemeinsam Handlungsfelder für Verbesserungen
zu finden.
Es ist sinnvoll, zunächst die Handlungsfelder systema-
tisch zu identifizieren, dann eigene Vorschläge zu entwi-
ckeln und zu bewerten. Grundsätzliche Fragestellungen
helfen weiter:
Was könnte im Betrieb besser laufen?
In welchen Bereichen gibt es die meisten Potenziale?
Wo besteht der größte Handlungsbedarf?
Welche Verbesserungsmaßnahmen will der
Betriebsrat einfordern?
Wofür soll man sich im Betrieb einsetzen?
Welche Auswirkungen haben die Verbesserungs-
vorschläge?
Um einen Innovationsprozess anzustoßen, gibt es
verschiedene Wege, z. B. mit den Beschäftigten oder
bestimmten Beschäftigtengruppen Strategie-Work-
shops oder Zukunftswerkstätten durchzuführen. Auch
die Befragung mit Inno-Kenn ist eine gute Vorgehens-
weise. Die IG Metall bietet unterschiedliche betriebs-
politische Instrumente an, um einen Innovationsprozess
beteiligungsorientiert zu gestalten.
Viele Tipps, Methoden und Werkzeuge sind in der
Broschüre „Anpacken statt abwarten. Mit ‚besser
statt billiger-Strategien‘ Beschäftigung und Gute
Arbeit sichern“ zu finden (siehe Materialien im
Anhang der Broschüre).
Themen und beispielhafte Handlungsansätze zur Verbesserung
Folgende Ansatzpunkte ... ... tragen zur Verbesserung im Unternehmen bei.
Aufbau- und Ablauforganisation verbessernAuftragsbearbeitung und -durchfluss optimieren, Termintreue und Lieferflexibilität erhöhen, Fehlerquote reduzieren
Neue Marktpotenziale erschließen Produktionskapazitäten besser auslasten oder ausbauen
Qualifizierung und Kompetenzentwicklung ausbauen
Mitarbeiter binden, Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen, Produktionsausschuss vermindern
Strategische Unternehmensplanung verbessernVerlässliche Basis für Unternehmensentscheidungen schaffen: Nachhaltigkeit, Risikomanagement, Sicher-heit und Transparenz
Qualitätsmanagement optimieren Produktqualität verbessern, Fehlerquote vermindern, Produktionsabläufe optimieren
Neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln
Zusätzliche Absatzmöglichkeiten schaffen, neue Produkte und Dienstleistungen am Markt platzieren, Produktionskapazitäten besser auslasten oder ausbauen
Arbeitszeitmodelle optimierenArbeitszeit selbstbestimmter gestalten, Verfall von Arbeitszeit verhindern, Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen
Neue Vergütungsformen einführen
Mehr Transparenz schaffen, für gleichen Lohn für gleiche Arbeit sorgen, Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen, berufliche Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen
Betrieblichen Arbeits- und Umweltschutz verbessern
Betriebliche Unfälle und Krankenstand reduzieren, Gesundheitsvorsorge aktiv betreiben
Quelle: IG Metall Vorstand 2011: Anpacken statt abwarten! Mit „besser statt billigerStrategien“ Beschäftigung und Gute Arbeit sichern
Befragung mit Hilfe
von InnoKenn
Der Betriebsrat möchte die Innovationsfähigkeit des
Unternehmens detaillierter beurteilen, dessen Stärken
und Schwächen erkennen und daraus Ansätze für Ver-
besserungen ableiten. Mit Hilfe von InnoKenn können
die wichtigsten Faktoren für die Innovationsfähigkeit
eines Unternehmens bewertet werden. InnoKenn ist ein
arbeits- und beschäftigungsorientiertes Diagnosewerk-
zeug, das Betriebsräte, Vertrauensleute und Beschäf-
tigte dabei unterstützt, Innovationen im Unternehmen
zu beurteilen, anzuregen und umzusetzen.
Es eignet sich darüber hinaus, Verbesserungen im
Unternehmen zu initiieren und auf den Weg zu bringen,
indem es betriebliche Stärken und Schwächen offenlegt.
Die CD-ROM mit Handbuch, Auswertungsmöglichkeit
und zahlreichen Hintergrundmaterialien bis hin zu
Musterbausteinen einer Betriebsvereinbarung zum
Einsatz von InnoKenn kann kostenlos beim Ressort
Vertrauensleute und
Betriebspolitik des
IG Metall Vorstands
oder im Intra- und
Extranet der IG Metall
bestellt werden.
Gute Praxis im BetrieB – anlässe und methoden Gute Praxis im BetrieB – anlässe und methoden
43
Der Siegeszug energiesparender LEDs hat die Leuch
tenbranche entscheidend verändert. Während der neue
Markt boomte, sank der Absatz konventioneller Leuch
ten. Gleichzeitig markierte das erst den Anfang des
Wandels in der digitalen Beleuchtungstechnik. Das hat
auch der Betriebsrat von Trilux im westfälischen Arns
berg erkannt und durch eine Mitarbeiterbefragung den
Qualifizierungsbedarf der ca. 1300 Beschäftigten am
Standort erhoben.
Bis 2010 ergänzte der Investitionssicherungs-Tarif-
vertrag den IG Metall-Flächentarifvertrag. Mit einem
zweiten Ergänzungstarifvertrag sollte bis 2013 verstärkt
in Modernisierung, Forschung und Weiterbildung inves-
tiert werden. Betriebsratsvorsitzender Thomas Bause
erinnert sich: „Mit der Umstellung auf die LED-Techno-
logie war klar, dass ganz andere Anforderungen an die
Kolleginnen und Kollegen gestellt werden. Wir mussten
wissen: wo stehen wir überhaupt?“
Beteiligen, bevor die Lichter ausgehen
Praxisbeispiel Trilux Arnsberg
Auf dieser Basis entschied man sich für eine Mitar-
beiterbefragung zum Qualifikationsstand. „In vielen
persönlichen Gesprächen mussten wir Überzeugungs-
arbeit leisten, immer mit dem Appell: Es geht um unsere
Arbeitsplätze!“ Die Durchführung der Befragung war gut
organisiert: Jedes Betriebsratsmitglied half mit, verteilte
die Fragebögen und holte die anonymen Sammelboxen
wieder ab. Der Rücklauf lag bei erstaunlichen 95 %.
»Je mehr Ihr euch einbringt, um so höher ist die Chance, dass wir das Richtige tun.«„Aus der Analyse der Befragung und den Anforderun-
gen der neuen Arbeitsbeschreibungen konnten gezielte
Trainings- und Qualifizierungsmaßnahmen für die Be-
schäftigten abgeleitet werden. Das hatten wir alles im
Ergänzungstarifvertrag zum Technologiewandel bei
Trilux vereinbart“, so Wolfgang Werth, IG Metall-Bevoll-
mächtigter und seit vielen Jahren Betriebsbetreuer in
Arnsberg. Auch die Gründung der Trilux-Akademie für
die Weiterqualifizierung lässt sich darauf zurückführen.
Die Initiative zur Beteiligung geht bei Trilux vom Be-
triebsrat aus, und das hat mittlerweile System: „Bei
komplexen Betriebsvereinbarungen richten wir einen
Steuerkreis mit Vertretern aus den Fachbereichen und
dem Betriebsrat ein. Die Steuerkreisprotokolle sind
später wesentlicher Teil der Betriebsvereinbarung. Wenn
Beschlüsse gefasst werden, dann immer einstimmig.
Das hat den Vorteil, dass keine Seite überstimmt wer-
den kann“, erläutert Thomas Bause.
Ob Trilux gut für die Zukunft aufgestellt sei, Stichwort
Industrie 4.0? „Ja“, meint Erich Bullmann, „insbeson-
dere mit Blick auf die neuen und rasant fortschreitenden
‚smarten‘ Beleuchtungstechnologien. Wie die Jobs von
Morgen aussehen, wird eine ganz große Herausfor-
derung für uns als Betriebsrat sein.“ Wolfgang Werth
stimmt zu, schließlich sei der Trilux-Betriebsrat in das
Zukunftsprojekt „Arbeit 2020“ der IG Metall aufgenom-
men worden.
Kontakt: [email protected]
BetrieBliches PraxisBeisPiel BetrieBliches PraxisBeisPiel
45
Beteiligung bei
betrieblichen Wahlen
VertrauensleutewahlDie regelmäßigen Vertrauensleutewahlen entscheiden
darüber, welche Reichweite, aber auch welche Durchset-
zungsfähigkeit die gewerkschaftliche Interessenvertre-
tung im Betrieb in den nächsten vier Jahren haben wird.
Vertrauensleutewahlen
In einem Betrieb, in dem es noch keinen Vertrauenskörper gibt, kann jederzeit ein neuer Vertrauens-
körper gegründet werden – denn eine erstmalige Wahl ist immer möglich. Die IG Metall vor Ort unter-
stützt dabei natürlich. Kandidieren können alle IG Metall Mitglieder, die ihre Kolleginnen und Kollegen
als Ansprechpartner und Stimme für betriebliche und IG Metall Themen aktiv unterstützen wollen.
Wahlberechtigt sind alle IG Metall Mitglieder im Betrieb. Wenn die Kandidatinnen und Kandidaten auf-
gestellt wurden, wird gewählt: Vertrauensleute werden in den Wirkungsbereichen gewählt. Es gilt die
Faustformel: 20 Mitglieder eines Bereichs wählen ihre Vertrauensfrau oder ihren Vertrauensmann. Ist
diese Form der Wahl im Bereich nicht möglich, findet die Wahl in einer Mitgliederversammlung statt.
Das Wahlverfahren kann von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich sein: Gewählt werden kann geheim
(per Stimmzettel) oder aber auch offen (per Handzeichen) in einer Versammlung.
Tipp
Beteiligungsorientierte Vertrauensleutewahlen sollten
zwei Punkte im Blick haben:
Erstens sollte angestrebt werden, dass alle Betriebs-
bereiche und Beschäftigtengruppen in den Wahlpro-
zess einbezogen werden. Nur so kann gewährleistet
werden, dass der Vertrauenskörper die Interessen
aller Belegschaftsgruppen vertritt und keine Gruppe
im Betrieb vernachlässigt wird.
Zweitens sollte darauf geachtet werden, dass die
Kandidaturen die Wahlpräferenzen der Beschäftigten
in den einzelnen Wirkungsbereichen widerspiegeln.
Die Beschäftigten sollten also diejenigen unter ihren
Kolleginnen und Kollegen zu ihren Vertrauensleuten
wählen können, die sie für am besten geeignet halten.
Erschließung von Wirkungsbereichen
Für die Einbindung von neuen oder bisher nicht im Ver-
trauenskörper vertretener Betriebsbereiche oder Abtei-
lungen sollten grundsätzlich die Themen und damit die
Interessen der dort Beschäftigten im Mittelpunkt der
gewerkschaftliche Interessenvertretung stehen. Auch
hier gilt: die richtige Themenauswahl bildet die Voraus-
setzung für eine aktive Beteiligung der Beschäftigten.
Für das Kennenlernen von Themen bisher unerschlosse-
ner Bereiche bieten sich verschiedene Methoden an
durch Gespräche mit Mitgliedern aus den Bereichen,
im Rahmen einer Diskussion auf einer Mitgliederver-
sammlung oder Abteilungsversammlung im Bereich
oder
im Rahmen einer kleinen Umfrage.
Um einen Überblick über die unterschiedlichen Problem-
lagen in den verschiedenen Bereichen zu erhalten bietet
sich an, mit einer Betriebslandkarte zu arbeiten. Auf ihr
Themenauswahl in den Bereichen z. B.: Forschung & Entwicklung = Überstunden Lager = Eingruppierung Bandmontage = Schichtarbeit
IG-Metall-Mitglieder Nicht-Mitglieder
LagerForschung & Entwicklung
Versand
Kontrolle
Bandmontage
Beispiel für eine Betriebslandkarte
werden die unterschiedlichen Bereiche des Betriebes
aufgezeichnet und Beschäftigtengruppen sowie die
entsprechenden Themen passend zugeordnet. Auf diese
Weise verfügt der Betriebsrat/Vertrauenskörper über
eine gute Grundlage, um seine Arbeit an den Interessen
aller Belegschaftsteile auszurichten.
Zur Erschließung von Wirkungsbereichen stellt die IG Metall im Extranet verschie-dene Materialien zur Verfügung: Extranet > Praxis > Wahlen > VL-Wahlen
Tipp
Gute Praxis im BetrieB – anlässe und methoden Gute Praxis im BetrieB – anlässe und methoden
47
In größeren Betrieben macht es Sinn, in diesem Zusam-
menhang mit dem Instrument des gewerkschaftlichen
Betriebsplans zu arbeiten.
In einem zweiten Schritt besteht die Aufgabe darin,
die vor Ort ermittelten Themen mit der Vertrauensleute-
arbeit zu verknüpfen. Für die Beschäftigten muss deutlich
werden, dass ihre Anliegen durch ihre Beteiligung am
betrieblichen Vertrauenskörper wirksam bearbeitet wer-
den. Deshalb sollte bereits bei der Themenfindung darauf
geachtet werden, nur solche Themen aufzunehmen,
die vom Vertrauenskörper auch tatsächlich erfolgreich
behandelt werden können. Auf Grundlage der so identifi-
zierten Themen können Beschäftigte aus den jeweiligen
Abteilungen auf ein Engagement im Vertrauenskörper
angesprochen werden. Dies gibt ihnen die Möglichkeit,
als künftige Vertrauensleute für die Lösung bestehender
Probleme in ihrer Abteilung aktiv werden zu können.
Gewinnung von Kandidaten
Wahlen leben davon, den Wählern eine „Auswahl“ zu
bieten. Gerade in kleinen Betrieben oder Betriebsbe-
reichen ist es häufig schwierig, mehrere Kandidaten zu
gewinnen. In der Praxis kommt es daher in vielen Fällen
nur zu einer Kandidatur für einen Wirkungsbereich.
Um zu erreichen, dass im Rahmen dieses Prozesses die
Wahlmöglichkeiten der Kolleginnen und Kollegen erhöht
werden, kann man auf Kandidatenvorschlagkarten zu-
rückgreifen. Hierbei handelt es sich um Karten, die im
Vorfeld der Wahl in den Wirkungsbereichen ausgeteilt
werden und den Kollegen ermöglichen, selber Kandida-
ten für die Wahl zur Vertrauensperson zu benennen. Auf
diese Weise kann man gewährleisten, dass von vielen
Kolleginnen und Kollegen im Bereich favorisierte poten-
zielle Kandidaten nicht unberücksichtigt bleiben.
Die genannten Kandidatenvorschläge können von der
Vertrauenskörper-Leitung bzw. den für die Wahl zustän-
digen Kollegen anschließend auf eine Kandidatur ange-
sprochen werden.
BetriebsratswahlWie bei der Wahl der Vertrauensleute sollten auch bei
der Betriebsratswahl alle relevanten Betriebsbereiche
und Beschäftigtengruppen auf der Kandidatenliste der
IG Metall vertreten sein. Damit wird sichergestellt, dass
die Anliegen und Themen möglichst vieler Gruppen von
Beschäftigten im Betriebsrat vertreten sind.
Gerade im Zuge einer Listenwahl, bei der nicht zwischen
einzelnen Personen, sondern nur zwischen Personenlis-
ten gewählt werden kann, ist es wichtig, eine ausgewo-
gene Kandidatenliste zu erstellen. Die Liste sollte nicht
nur die wesentlichen Bereiche abdecken, sondern auch
die tatsächlichen Wahlpräferenzen der Beschäftigten
aus möglichst vielen Bereichen widerspiegeln.
Aber auch bei einer Personenwahl deckt die Kandida-
tenliste manchmal nur zum Teil die Wahlpräferenzen der
Beschäftigten ab. Deshalb sollte beiden Wahlformen
– und somit dem eigentlichen Wahlprozess – ein betei-
ligungsorientierter Prozess der Kandidatenbenennung
vorgeschaltet werden.
Beteiligungsorientierte Prozesse
der Kandidatenbenennung
Der Prozess der Kandidatenfindung und -aufstellung für
die gewerkschaftliche Liste obliegt dabei dem Vertrau-
enskörper des Betriebes. In diesem Rahmen schlagen
die Vertrauensleute Kandidatinnen und Kandidaten aus
den jeweiligen Bereichen vor und diskutieren und be-
schließen anschließend über die Wahlvorschlagsliste.
Ergänzend gibt es verschiedene Möglichkeiten auch die
Mitglieder in diesen Prozess einzubeziehen:
Die Vertrauensleute diskutieren ihre Wahlvorschläge
mit den Beschäftigten ihres Wirkungsbereichs. Dies
kann im Rahmen von kleinen Versammlungen oder von
persönlichen Gesprächen im Wirkungsbereich erfolgen.
Die Beschäftigten bekommen ein Vorschlagsrecht
für Kandidaten, wobei die abschließende Aufstellung
der Liste vom Vertrauenskörper vorgenommen wird.
Dazu kann auch hier auf Kandidatenvorschlagskar-
ten zurückgegriffen werden um potentielle Kandi-
daten zu finden, die von sich aus nicht unbedingt
eine Kandidatur in Erwägung gezogen hätten.
Die Vorschlagsliste des Vertrauenskörpers wird den
Mitgliedern vorgelegt, die im Rahmen eines Rating-
verfahrens die endgültige Reihenfolge der Liste be-
stimmen. Hierzu sollte jedes IG Metall-Mitglied einen
Stimmzettel erhalten, auf dem es die Vorschlagsliste
des Vertrauenskörpers, in der gewünschten Reihen-
folge anpassen kann. Die Ergebnisse werden an-
schließend ausgewertet.
In jedem Fall sollte eine breite Information über den
Zweck sowie über den groben Ablauf der Betriebsrats-
wahl vorangestellt werden. Auch über Arbeitsaufwand
und Verantwortung für die kommende Wahlperiode
sollte kommuniziert werden. Alles zusammen ermög-
licht den Beschäftigten die Antwort auf die Frage: soll
ich kandidieren oder nicht.
Beteiligungsorientierte Prozesse
der Kandidatenbenennung
Kandidaten-
vorschlag
Vorschlag
Listenplatz
( ) Max Müller
( ) Silvia Schneider
( ) Daniela Domke
( ) Markus Meyer
………
……
…
Der Gewerkschaftliche Betriebsplan –
das Navigationssystem für
betriebliche Prozesse
Der Gewerkschaftliche
Betriebsplan ist eine gute
Basis für erfolgreiche Be-
triebspolitik. Ihr erhaltet
detaillierte Informationen über Beschäf-
tigte und Mitglieder, für alle Bereiche
und Abteilungen sowie umfassend für den
ganzen Betrieb. Mit dem Betriebsplan
könnt Ihr Eure Arbeit beteiligungs-, wir-
kungs- und zukunftsorientiert organisie-
ren und passgenaue Strategien und Maß-
nahmen für eine proaktive Betriebspolitik
und eine systematische Mitgliederan-
sprache entwickeln.
Tipp
Beispiel für eine Kandidatenvorschlagkarte
Gute Praxis im BetrieB – anlässe und methoden Gute Praxis im BetrieB – anlässe und methoden
49
Bestens aufgestellt zur Betriebsratswahl
Praxisbeispiel Thyssenkrupp Duisburg
„Diese direkte Form der betrieblichen Beteiligung“, so
Wilfried Müller, „ist sehr gut angekommen, nicht nur bei
unseren Mitgliedern. Wir wollten ja eine höchstmögliche
Bindungskraft für unsere Liste erreichen. Jeder kennt
uns schon im Vorfeld der Betriebsratswahl. Und da die
Belegschaft die Liste mit erstellt hat“, folgert der Ver-
trauenskörperleiter etwas verschmitzt, „warum später
bei der Betriebsratswahl eine andere Liste wählen?“ Kontakt: [email protected]
Die thyssenkrupp Steel Europe AG ist ein Schwerge
wicht im Ruhrgebiet. Die stählerne Tochter des Weltkon
zerns macht Duisburg zum größten Stahlstandort Euro
pas. Wo 15 Mio. Tonnen Stahl im Jahr bewegt werden,
sind rund 12.500 Belegschaftsmitglieder aufgerufen,
turnusmäßig ihren Betriebsrat zu wählen. Dabei ist in
der Regel mit einer Listenwahl zu rechnen. An der Auf
stellung der IG MetallListe war bei den letzten Wahlen
die gesamte Belegschaft beteiligt.
Die Nominierung der Betriebsratskandidaten war in der
Vergangenheit immer die Aufgabe des Vertrauenskör-
pers. „Frühzeitig haben wir eine IG Metall-Sicherheitsliste
aufgestellt, um für die Listenwahl gewappnet zu sein“,
holt Vertrauenskörperleiter Wilfried Müller aus. Doch mit
der Betriebsratswahl im Jahr 1998 kam es zu Problemen:
Einzelne Kandidaten, die den Rückhalt in ihren Abteilun-
gen verloren hatten, konnten über ihren Listenplatz ihr
Mandat behalten. Das kam bei Belegschaft schlecht an.
Warum, erklärt Dieter Lieske, 1. Bevollmächtigte der IG
Metall Verwaltungsstelle Duisburg: „Das ist die Tücke mit
der Listenwahl, da hat jeder Beschäftigte eben nur eine
Stimme für die Liste, und nicht für die einzelnen Kandi-
daten, wie bei einer Persönlichkeitswahl.“
Erstmals zur Betriebsratswahl 2002 wurde von den
Vertrauensleuten eine Rangierungskommission einge-
richtet. Die Kandidaten der IG Metall-Liste sollten mit
Hilfe der gesamten Belegschaft ermittelt und rangiert
werden. In einen ersten Schritt wurden Vorschlagslisten
ausgelegt und jedes IG Metall Mitglied konnte darin
eingetragen werden. Die Kandidaten wurden porträ-
tiert und mit Foto im Intranet vorgestellt. Nun stand die
erste Rangierungsliste zur Wahl. „Wir mussten sehr viel
kommunizieren und informieren, denn es handelte sich
schließlich nicht um die Betriebsratswahl selbst“, so
der Vertrauenskörperleiter. Dann waren die Wahllokale
geöffnet und in einem kontrollierten Verfahren alle Be-
schäftigten aufgerufen, die IG Metall-Liste zu rangieren.
Sogar an eine Briefwahl und andere Beschäftigungs-
gruppen war gedacht. Die Wahlbeteiligung lag bei 50 %
der Belegschaft.
BetrieBliches PraxisBeisPiel BetrieBliches PraxisBeisPiel
51
Betriebspolitisches Arbeitspro-
gramm beteiligungsorientiert
erstellen
Sowohl der Betriebsrat als auch der Vertrauenskörper
kann für seine Amtszeit ein Arbeitsprogramm be-
schließen. Ein Arbeitsprogramm bietet ein hohes Maß
an Transparenz für die Beschäftigten. Sie erfahren so
schon im Vorfeld, mit welchen Inhalten die Wahl einer
Person, bzw. einer Liste verbunden ist. Ein Arbeitspro-
gramm schafft somit die Grundlage für qualifizierte Ent-
scheidungsprozesse. Die Beschäftigten sind informiert,
was die IG Metall in ihrem Betrieb in den nächsten vier
Jahren angehen will.
Auch das Arbeitsprogramm lässt sich beteiligungsori-
entiert entwickeln. Die Vorhaben und Schwerpunktset-
zungen sowie Prioritäten können mit der Belegschaft im
Vorfeld abgestimmt werden. Hierfür sollte ein ausrei-
chend langer Zeitraum zwischen Veröffentlichung des
Programmvorschlags und der Entscheidung über die
Priorisierung vorgesehen werden. In dieser Zeit können
die Vertrauensleute das Programm in ihren Abteilungen
vorstellen und diskutieren. Dadurch erhält die betriebli-
che Gewerkschaftsarbeit ein Feedback der Beschäftig-
ten und kann ihr Programm entsprechend ausrichten,
bzw. anpassen.
Es ist auch möglich, die Inhalte und Schwerpunkte des
Arbeitsprogramms den Mitgliedern/Beschäftigten zur
Entscheidung zu stellen. In diesem Fall geht der Prozess
über die Information und Diskussion mit der Belegschaft
hinaus und ermöglicht eine unmittelbare Beteiligung
der Belegschaft an der Zielsetzung der Gewerkschaft im
Betrieb.
Dies kann auf unterschiedlichen Wegen vorgenommen
werden:
Weniger aufwendige Verfahrensweise: Die Zielstel-
lungen des Arbeitsprogramms werden in einer Be-
triebsversammlung/Mitgliederversammlung vorge-
stellt und durch die Methode des „Punktens“ votiert.
Die Zielstellungen des Arbeitsprogramms werden
im Rahmen einer schriftlichen Befragung vorgestellt
und bewertet.
Beispiel-Umfrage zum
betriebspolitischen Arbeitsprogramm
Bitte ankreuzen:
( ) Wir wollen eine neue Regelung zu den
Arbeitszeitkonten umsetzen, die sowohl …
( ) Wir wollen Kernkompetenzen im Unterneh-
men sichern und dem Outsourcing durch
Fremdvergabe durch eine Vergaberegelung
entgegenwirken …
( ) Wir wollen in allen Bereichen eine umfas-
sende Gefährdungsbeurteilung umsetzen, die
auch psychische Belastungen berücksichtigt.
………………………
…………………
……………
Eine schriftliche Befragung bietet die Gelegenheit, beim
Austeilen und Einsammeln der Fragebögen mit den
Beschäftigten ins Gespräch zu kommen. Dies schafft
nicht nur die Möglichkeit, Anliegen und Ansichten der
Beschäftigten kennenzulernen, sondern auch unorgani-
sierte Kolleginnen und Kollegen auf eine Mitgliedschaft
in der IG Metall anzusprechen und auf die mit jedem
Mitglied erhöhte Durchsetzungkraft der Gewerkschaft
hinzuweisen.
Arbeitsprogramme können dabei sowohl im Vorfeld von
Betriebsratswahlen als auch im Zusammenhang mit den
Vertrauensleutewahlen eingesetzt werden.
Weiterhin ist es auch denkbar, die unterschiedlichen
Zeiträume der Betriebsrats- und Vertrauensleutewahlen
für ein Halbzeitstand-Programm zu nutzen. Dabei wird
bilanziert, welche Vorhaben des damaligen Arbeitspro-
gramms erreicht werden konnten und welche Punkte
noch offen sind. Zudem kann diskutiert bzw. entschie-
den werden, ob eine Neuausrichtung/Anpassung gegen-
über dem ursprünglichen Arbeitsprogramm vorgenom-
men werden sollte.
Im Zusammenhang mit dem Arbeitsprogramm sollten
gleichzeitig auf die Erfolge der betrieblichen Gewerk-
schaftsarbeit der vergangenen Amtsperiode aufmerk-
sam gemacht werden. Dadurch wird die Durchsetzungs-
fähigkeit auch in Bezug auf das aktuelle Arbeitspro-
gramm unterstrichen.
Weitere Beteiligungselemente im Wahlkampf
Neben der Erstellung der Kandidatenliste und des
Arbeitsprogramms, bietet auch der Wahlkampf selbst
Möglichkeiten zur Beteiligung:
Im Rahmen des Betriebsratswahlkampfs besteht
die Möglichkeit, die nach dem BetrVG vorgesehene
Sammlung der Stützunterschriften zu nutzen, und
über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus mit
den Beschäftigten über das Arbeitsprogramm des
Betriebsrats ins Gespräch zu kommen sowie die Kan-
didaten den Wählern persönlich vorzustellen.
Zur Betriebsratswahl können auch Informationsstän-
de im Betrieb, z. B. in der Kantine oder an anderen
viel besuchten Orten im Betrieb eingerichtet werden.
Hier bietet sich dem Wähler die Möglichkeit sich im
Rahmen einer Art Sprechstunde über die IG Metall
und ihre Kandidaten zu informieren.
Zur Bekanntmachung des Programms und zur
Einbindung der Beschäftigten können auch Un-
terstützer-Plakate eingesetzt werden. Auf diesen
stellen Unterstützer oder Unterstützergruppen aus
der Belegschaft ihre Unterstützung von einzelnen
Forderungen des Arbeitsprogramms zur Wahl dar.
Der Wiedererkennungswert der Unterstützer in der
Belegschaft sorgt dabei in der Regel für eine hohe
Aufmerksamkeit solcher Plakate.
Solche Aktionen bieten darüber hinaus die Möglichkeit,
sich Feedback der Beschäftigten zu Kandidaten und zum
Programm einzuholen und ggf. den Wahlkampf darauf-
hin entsprechend nachzusteuern.
Gute Praxis im BetrieB – anlässe und methoden Gute Praxis im BetrieB – anlässe und methoden
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