Wirtschaftliche Effekte des Flughafens Köln Bonn · durch kommt es zu einer Überzeichnung der...

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1 Wirtschaftliche Effekte des Flughafens Köln Bonn Der Köln Bonn Airport als Wirt- schafts- und Standortfaktor Qualitätssicherung Friedrich Thießen

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Wirtschaftliche Effekte

des Flughafens Köln Bonn

Der Köln Bonn Airport als Wirt-

schafts- und Standortfaktor

Qualitätssicherung

Friedrich Thießen

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Prof. Dr. Friedrich Thießen

Technische Universität Chemnitz

Sitz: Thüringer Weg 7

09126 Chemnitz

Post: 09107 Chemnitz

Tel. 0371-531-26190

Fax. 0371-531-834174

Mail: [email protected]

Stand : 09.11.2010

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Aufgabe

Ziel dieser Qualitätssicherung ist es, die wirtschaftlichen Effekte

des Flughafens Köln Bonn, so wie sie sich in der Studie „Der Köln

Bonn Airport als Wirtschafts- und Standortfaktor – Die ökonomi-

sche Bedeutung von Passagier- und Luftfrachtverkehr“ (im Fol-

genden „die Studie“), erstellt von Booz Allen Hamilton GmbH,

Prognos AG und Airport Research Center GmbH (im Folgenden

„die Ersteller“) darstellen, einer Überprüfung zu unterziehen und

die Stärken und Schwächen der Studie sowie den Nacharbei-

tungsbedarf zu ermitteln.

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Zusammenfassung wichtiger Ergebnisse

Gesamteindruck

Die Studie ist einerseits ansprechend und übersichtlich aufge-

baut. In Bezug auf ihre wesentlichen Aussagen ist sie aber ande-

rerseits unbrauchbar. Es werden Aussagen auf eine unzuverlässi-

ge Art und Weise abgeleitet. Die an vielen Stellen angesproche-

nen umfangreichen empirischen Erhebungen werden an anderen,

entscheidenden Stellen durch unzureichend recherchierte und er-

hobene Daten entwertet. Es werden systematische Fehler ge-

macht, die zu einer Übertreibung von Aussagen führen. An meh-

reren Stellen wird die Verwendung einer bestimmten Methodik

angekündigt, dann aber eine ganz andere Methodik verwendet.

Dies täuscht den Leser über die Art der Datengewinnung. Es wird

Literatur missachtet.

Im Einzelnen

• Prognose. Die Verkehrsprognose stützt sich auf Arbeiten von

Intraplan. Dieses Unternehmen setzt Methoden ein, deren

wesentliche Teile von Intraplan geheim gehalten werden. Dies

haben bereits verschiedene Gerichte bemängelt. Auch hier

wieder sind die wichtigsten Parameter der Prognose nicht

veröffentlicht.

• Ergebnisdarstellung. Zu den Stärken der Studie gehört die

Art und Weise, wie Ergebnisse dargestellt werden. Diese fin-

den sich sehr übersichtlich eingangs der Gesamtstudie und

dann immer wieder bei den einzelnen Kapiteln, teils verbal er-

läutert, teils in Tabellen und Graphiken verzeichnet. Die Stu-

die ist im Hinblick auf die Ergebnisdarstellung vielleicht die

übersichtlichste, die für ein Flughafenprojekt je vorgelegt

wurde. Gleichzeitig ist die Studie aber auch eine der dünns-

ten, was die Dokumentation der Methodik anbetrifft. Die

mehrfache Wiederholung der Ergebnisse und die vielen Gra-

phiken und Tabellen mit Resultaten täuschen darüber hinweg,

dass die Dokumentation der Methodik unzureichend ist und

die Methodik selbst Fehler enthält.

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• Fragestellungen. Es gibt in den Fragebögen Fragestellun-

gen, durch welche Antworten in Richtung auf höhere Wachs-

tums- und Mengenkategorien gelenkt werden. Beispiel: Ant-

wortalternative 1: mein Wachstum verläuft parallel bzw. ü-

berproportional …. Antwortalternative 2: mein Wachstum ver-

läuft relativ parallel …. Antwortalternative 3: mein Wachstum

verläuft halb so hoch …. Eine solche Abstufung ist indiskuta-

bel.

• Suggestivfragen. An anderen Stellen werden Suggestivfra-

gen eingesetzt, die ebenso indiskutabel sind.

• Kurze Historie. Wichtige Aussagen werden aus Angaben ei-

nes einzigen Jahres abgeleitet. In der Studie wird versucht,

den Eindruck zu erwecken, die Aussagen stützten sich auf ei-

ne längere Periode. Das eine Jahr ist zudem, das extrem

wachstumsstarke Jahr 2007, das in die Subprimekrise geführt

hat. Dieses Jahr ist in keiner Weise repräsentativ.

• Fehlende Kausalitäten. Immer wieder wird behauptet, es

gebe Kausalitäten, bei denen der Flughafen den Antrieb dar-

stellt. So wird auf Basis einer Umfrage behauptet, Unterneh-

men seien wegen des Flughafens in die Region gekommen. In

der Umfrage lautet die entsprechende Frage aber nur: „In

welchem Jahr hat sich ihr Unternehmen in der Region

Köln/Bonn niedergelassen?“ Eine Kausalität kann daraus nicht

abgeleitet werden.

• Beeinflussbarkeit. Wesentliche Eingangsdaten stammen

vom Flughafen selbst und den Airlines. Die Angaben wurden

nicht veröffentlicht. Beispiele aus anderen Gutachten zeigen,

dass die Gefahr besteht, dass verzerrte Antworten gegeben

wurden. Deshalb ist eine Kontrolle der Angaben unerlässlich.

• Unvollständigkeit und fehlende Systematik. Die Kauf-

krafteffekte des Flughafens sind unvollständig abgehandelt. In

der Studie werden Kaufkrafteffekte berücksichtigt, welche

durch Reisende aus dem Ausland stammen, die ihr Geld im

Inland (d.h. in der Region Köln Bonn) ausgeben. Die Kauf-

kraftverluste, die dadurch entstehen, dass Inländer ihr Geld

im Ausland ausgeben, berücksichtigt die Studie nicht. Da-

durch kommt es zu einer Überzeichnung der Vorteile des

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Flughafens. Dies wird in der Studie dadurch verschleiert, dass

keine systematische Ableitung der notwendigerweise zu be-

trachteten Effekte erfolgt.

• Gesamtdeutsche Effekte. Gesamtdeutsche Effekte werden

an verschiedenen Stellen in der Studie behauptet. Sie können

mit der verwendeten Methodik aber nicht abgeleitet werden,

weil die Kaufkraftströme unvollständig sind.

• Fiskalische Effekte. Auch die genannten fiskalischen Effekte

sind weder gesamtdeutsche noch zusätzliche Einnahmen der

öffentlichen Hand.

• Alternativen zu Nachtflügen. Die Alternativen der Luft-

fahrtindustrie zu Nachtflügen wurden unvollkommen abge-

fragt. Die Befragten sind einseitig ausgewählt. Wichtige unab-

hängige Fachleute, wurden nicht befragt. Dadurch sind die

einbezogenen Alternativen unvollständig und die Wirkungen

eines Nachtflugverbotes überzeichnet.

• Regionale Wirkungen von Kostenersparnissen. Die Rei-

sekostenersparnisse, die durch den Airport möglich werden

sollen (94 Mio. Euro p.a.), werden nur in ihren Wirkungen auf

die Wettbewerbschancen heimischer Unternehmen im Ausland

untersucht. Dass die Reisekostenersparnisse genauso auch

ausländische Unternehmen in der Region Köln Bonn wettbe-

werbsfähiger machen und lokale Grenzanbieter verdrängen,

wird aber nicht angesprochen. Reisekostenersparnisse lösen

wechselseitige Prozesse aus, die mit dem Wachstum einiger

Branchen und dem Niedergang anderer Branchen in den Re-

gionen der Flughäfen einhergehen. Dies wird nicht behandelt,

obwohl die Literatur dazu leicht verfügbar ist und auch ein

Wissenschaftler, Paul Krugman, einen Nobelpreis genau zu

diesem Thema erhalten hat.

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Inhalt

Seite

1 Grundlagen 9

2 Verkehrsprognose 10

3 Wirtschaftliche Effekte 14

3.1 Arbeitsstättenbefragung 16

3.2 Art der Fragestellung 17

3.3 Größenprobleme 18

3.4 Input-Output-Struktur und weitere Daten 19

3.5 Katalytische Effekte 21

3.6 Art der behandelten Effekte 21

3.7 Inkonsistenzen bei Outgoing- und

Incoming-Reisenden 22

3.8 Weitere methodische Inkonsistenzen 24

3.9 Manipulation in der Gliederung? 29

3.10 Fehlerhafte Berechnung der Zusatzreisen 31

3.11 Bedeutung von Kostenersparnissen

der Geschäftsreisen 31

3.12 Gesamtdeutsche Effekte 33

3.13 Fiskalische Wirkungen 34

4 Die Begründung katalytischer Wirkungen 37

5 Wirkungen von Flughäfen auf die Arbeitsmärkte:

die empirisch belegten Auswirkungen 41

8

6 Nachtflugverbot Passagierverkehr 48

6.1 Ökonomie der Nachtflüge 48

6.2 Die Bestimmung des Bedarfs 50

6.3 Umlaufplanung 52

6.4 Hotelkapazitäten 53

6.5 Kundennachfrage 54

6.6 Saisonale Schwankungen 55

6.7 Arbeitsplatzverluste 55

7 Schlussbemerkungen 56

8 Quellen 58

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1 Grundlagen

Booz Allen Hamilton GmbH, Prognos AG und Airport Research

Center GmbH haben gemeinsam eine Studie vorgelegt („Der Köln

Bonn Airport als Wirtschafts- und Standortfaktor“), die im Folgen-

den einer qualitätssichernden Evaluation unterzogen werden soll.

Booz, Prognos und ARC nennen ihre Ausarbeitung nicht Gutach-

ten, sondern „Studie“. Diese Bezeichnung soll im Folgenden bei-

behalten werden.

Es soll insbesondere überprüft werden, welche Aussagen aus der

Studie als gesichert angesehen werden können und welche eher

ungesicherten Charakter haben. Es werden Vorschläge für Nach-

arbeiten gemacht.

• Die Studie besteht aus einer Verkehrsprognose, die we-

sentlich auf Arbeiten von ARC und Intraplan beruht.

• Unter der Verantwortung von Prognos wurden direkte, in-

direkte, induzierte und katalytische Standortwirkungen be-

rechnet.

• Schließlich gibt es eine gesonderte Untersuchung zu den

Auswirkungen eines Nachtflugverbotes für die Zeit von 0-5

Uhr (Kernnacht).

Rein formal besteht die Studie aus zwei Teilen. Der erste (Teil I)

befasst sich mit der ökonomischen Bedeutung von Passagier- und

Luftfrachtverkehr. Er hat insgesamt 90 Seiten. Der zweite (Teil II)

befasst sich mit den Auswirkungen eines Nachtflugverbotes und

hat 25 Seiten.

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2 Verkehrsprognose

In der Einleitung zu Teil I der Studie wird auf die umfangreichen

Arbeiten zur Erstellung der Verkehrsprognose hingewiesen. Aller-

dings sind diese offenbar nicht Teil der Studie. In der Studie fin-

den sich nur auf den Seiten 87 und 88 Anmerkungen zur Ver-

kehrsprognose. Die eingefügten Graphiken zeigen, dass es sich im

Wesentlichen um eine Trendfortschreibung handelt.

Es gibt auf diesen Seiten keinerlei Hinweise zum methodischen

Vorgehen der Prognoseerstellung. Insofern kann die Qualität der

Studie in Bezug auf die Prognoseerstellung nicht geprüft werden.

Die Prognose ist offenbar nicht Teil der Studie. Dies sollte deutli-

cher gesagt werden. Wenn doch, fragt sich, warum die Vorge-

hensweise bei der Prognoseerstellung nicht ausführlicher doku-

mentiert wird. Es drängt sich der Verdacht auf, die Daten seien

absichtsvoll nicht tiefer erläutert worden.

Wesentlich beteiligt an der Prognose ist dem ersten Satz auf Seite

87 zufolge Intraplan.

Dieses Unternehmen berechnet seit vielen Jahren Verkehrsprog-

nosen insbesondere für Flughafenausbauprojekte. Die Methodik

wird von Intraplan nicht im Detail veröffentlicht. Es wird behaup-

tet, diese sei Betriebsgeheimnis. Allerdings sind bei den jüngeren

Prognosen mehr und mehr Unplausibilitäten aufgetreten. Dies

wurde zuletzt von einigen Gerichten bemängelt.

So hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof die mangelnde

Transparenz der Eingangsdaten in den Prognosen von Intraplan

bemängelt. Der daraufhin eingeschaltete Qualitätsgutachter, der

eine Klärung herbeiführen sollte, erhielt von Intraplan ebenfalls

keine genauen Daten und formulierte für das Gericht: „Der Ab-

schlussbericht der Bedarfsprognose enthält im Analyseteil nur eine

Auswahl der tatsächlich verwendeten Daten und Annahmen. Inso-

fern ist das Prognoseergebnis aus sich heraus nur eingeschränkt

nachvollziehbar.“

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Nun legen die Ersteller der hier vorliegenden Studie wieder eine

Prognose vor, die wesentlich von Intraplan erstellt wurde und

wieder fehlen die Daten und Annahmen. Das ist kein wissen-

schaftlich akzeptables Verhalten und nicht hinnehmbar.

Ein wesentliches Problem des Modells von Intraplan ist seine

Grundstruktur. Das Modell von Intraplan ist im Kern ein sehr altes

Modell. Es stammt aus einer Zeit als die Infrastruktur weniger

ausgebaut war als heute und als es weniger attraktive Alternati-

ven zu einem Verkehrsträger gab. In einer solchen Umwelt konnte

man aus grundlegenden Strukturdaten (Bevölkerung, Wirt-

schaftswachstum etc.) auf den Flugbedarf schließen. Heute aber

gibt es vielfältige Alternativen. Die ausgebaute Infrastruktur weist

vielfache Redundanzen auf (alternative Flughäfen, Straße, Bahn).

Eine geringe Differenz an Reisezeit, Reisekosten reicht, Reisewilli-

ge von einer Modalität auf eine andere zu lenken oder sie auf eine

Reise ganz verzichten zu lassen. Die Elastizität des Verhaltens in

Bezug auf diese Parameter ist sehr hoch (Quelle: mkmetric Ge-

sellschaft für Systemplanung, Karlsruhe; s. RMI, 2002; siehe auch

Boon et al 2005, Mandel 1992). Diese neuen Mechanismen sind

im Modell von Intraplan nicht zureichend abgebildet, weil es im

Kern nach wie vor die Strukturdaten als Basis verwendet. Herr

Schubert hat versucht, sein Modell mit einigen zusätzlichen Glei-

chungen an moderne Verhältnisse anzupassen (u.a. Low Cost Car-

rier), aber es ist nicht gelungen, damit vernünftige Ergebnisse zu

erzielen. Im Fall der Prognose für den Flughafen Hahn hat sich

z.B. die Unzulänglichkeit des Modells von Intraplan mit einer gra-

vierenden Fehlprognose bereits gezeigt.

Mitte der 90er Jahre hatte Intraplan für den Rhein-Main-Flughafen

Frankfurt eine Steigerung des Bedarfs von 4-5% p.a. ermittelt

(Mediationsverfahren; s. Mediation 2000). Auf diese Weise war

damals für das Jahr 2005 ein Bedarf zur Bewältigung von 56,5

Mio. Passagieren prognostiziert worden. Tatsächlich lag der Bedarf

im Jahr 2005 aber bei 4,1 Mio. Passagieren weniger. Intraplan

hatte das Wachstum um das 5-fache überschätzt!

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Intraplan hat selbst eigene Untersuchungen angestellt, in wie weit

Prognosen und Ist-Zahlen voneinander abweichen. Die folgende

Graphik 1 zeigt die vom Modell errechneten Luftverkehrsanteile

am Mobilitätsbedarf der Bevölkerung (Y-Achse, senkrechte) und

die tatsächlichen Luftverkehrsanteile (X-Achse, waagrechte).

Wenn das Modell von Intraplan fehlerfrei prognostizieren würde,

lägen alle Werte auf der Winkelhalbierenden. Dies ist nicht der

Fall.

Graphik 1

Prognosefehler in Gutachten von Intraplan

Quelle: Intraplan, G 8 2004, S.80; Winkelhalbierende

Nun kann man prüfen, ob die Prognosen von Intraplan wenigstens

verzerrungsfrei sind, d.h. im Mittel richtige Prognosen ermögli-

chen. Verzerrungsfrei wären die Prognosen dann, wenn die Werte

gleichmäßig um die Winkelhalbierende streuten, d.h. zu gleichen

Teilen rechts und links von der Winkelhalbierenden liegen. Auch

dies ist nicht der Fall: die Werte liegen im Bereich oberhalb von

15% deutlich erkennbar links (s. Graphik 1). Nur sehr wenige

Werte liegen rechts von der Winkelhalbierenden.

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Das besagt, dass die Prognosen von Intraplan systematisch einen

zu hohen Luftverkehrsanteil enthalten, d.h. die Bedarfs-Prognosen

fallen systematisch zu hoch aus.

Im Bereich unterhalb von 15% findet sich eine Punktwolke, die

erheblich streut. D.h. in diesem Bereich hat das Modell von

Intraplan gar keine Prognosekraft.

Schlussfolgerung:

Es gibt eine Fülle von Indizien, die dafür sprechen, dass die Prog-

nose des Luftverkehrs für den Flughafen Köln Bonn nicht so be-

rechnet wurde, dass alle relevanten Effekte sachgerecht berück-

sichtigt wurden. Die verwendete Methodik ist dafür nicht geeignet.

Die konkreten Annahmen und Vorgehensweisen der Ersteller der

Studie bei der Prognose wurden nicht veröffentlicht, so dass die

Öffentlichkeit hier eine Nacharbeit verlangen sollte. So wie sie

vorliegt, ist die Studie in Bezug auf die Prognose inakzeptabel.

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3 Wirtschaftliche Effekte

Ziel der Studie ist es (S. 10),

(A) die Beschäftigungs- und Wertschöpfungseffekte des Flugha-

fens (Input-Output-Analyse)

(B) sowie die Standort- und Wettbewerbsvorteile, welche der

Flughafen durch seine Angebote (Fracht, Passage) dem Wirt-

schaftsraum bietet (Katalytische Effekte)

herauszuarbeiten.

Im Folgenden wird zunächst das Ziel (A) behandelt.

Grundlegende Methodik ist hier die Input-Output-Rechnung. Es

handelt sich dabei um eine Rechensystematik, die seit den 30er

Jahren des 20. Jahrhundertes bekannt ist und in den Wirtschafts-

wissenschaften nach dem 2. Weltkrieg, in Deutschland ab den

60er Jahren, intensiv erforscht wurde. Die Methode verlor aber

schnell an Akzeptanz, weil wichtige Probleme nicht gelöst werden

konnten, so dass die Rechenergebnisse keine Zuverlässigkeit be-

saßen. Seit einigen Jahren erlebt die Methode nun eine Revitalisie-

rung, allerdings nicht in der Wissenschaft, sondern bei Unterneh-

men, die der Öffentlichkeit gegenüber zukünftige Arbeitsplätze

nachweisen wollen.

Was leistet die Methode? Die Stärke der Input-Output-Methode

liegt darin, Anfangstatbestände durch die komplexe Struktur einer

Volkswirtschaft hinweg verfolgen zu können. Es wird deutlich, wie

sich Impulse über die verschiedenen Sektoren einer Volkswirt-

schaft verbreiten. So kann man z.B. feststellen, wie sich ein Öl-

preisschock über die Sektoren verbreitet oder eine neue Steuer

auf die verschiedenen Sektoren einer Volkswirtschaft auswirkt.

D.h. die Methode bietet einen Weg, um Anfangstatbestände in ih-

ren Wirkungen auf die Strukturen von Volkswirtschaften zu verfol-

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gen. Weniger geeignet ist die Methode, um Gesamteffekte abzu-

leiten. Genau dies ist aber meist das Ziel von Unternehmen, ins-

besondere auch Flughäfen, die gar nicht auf die sektoralen Wir-

kungen zielen, sondern nur – wie auch hier in der Studie von

Prognos, Booz und ARC – auf die Gesamteffekte an Einkommen

und Beschäftigung abzielen (siehe auch ACI 2000, ACI 2004). Die

Input-Output-Methode ist komplex und erfordert eine Reihe von

Nebenannahmen, die in den Gutachten meist nur am Rande oder

gar nicht erwähnt werden. Es gibt einfachere Verfahren, die Ge-

samteffekte zu berechnen, die viel deutlicher erkennen lassen, ob

sachgerecht gerechnet wurde, oder ob unhaltbare Annahmen ein-

geflossen sind. Alternativ kann auf die Kosten-Nutzen-Analyse zu-

rückgegriffen werden (vg. Hanusch u.a. 1994, oder als Praxisfall:

http://www.laum.uni-hannover.de/ilr/lehre/

Ptm/Ptm_BewKna.htm; Zugriff 30.9.2010).

In der vorliegenden Studie ist nun in Bezug auf die Details der

verwendeten Methodik sehr wenig zu finden. Die Gutachter stellen

zwar mehrfach heraus, wie intensiv und breit Befragungen und

sonstige Datenerhebungen durchgeführt worden seien. Aber zu

den Details, die notwendig sind, die Qualität der Untersuchungen

und die Richtigkeit und Unverzerrtheit der Weiterverarbeitung zu

beurteilen, findet sich kaum etwas.

Einen sehr großen Teil der Studie nimmt die Darstellung der er-

zielten Ergebnisse ein. Die ist auch einer der Stärken der Studie:

die Ergebnisse werden umfangreich und übersichtlich, graphisch

interessant unterstützt dargestellt. Die Art und Weise, wie die Er-

gebnisse erzielt wurden, d.h. die Methodik findet auf eine nicht

akzeptable, rudimentäre Weise statt.

Es sollte deshalb die Möglichkeit geschaffen werden, in die origi-

nären Aufzeichnungen und Berechnungen Einblick nehmen zu

können, um die Methodik mit ihren Stärken und Schwächen bes-

ser zu verstehen. Hierzu erkläre ich mich gerne bereit.

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3.1 Arbeitsstättenbefragung

Eine Quelle wichtiger Ausgangsdaten ist eine Arbeitsstätten-

befragung. Diese Befragung wurde der Öffentlichkeit nicht vorge-

legt. Der Ersteller der Befragung ist der Flughafen Köln Bonn

selbst (S. 12). Daraus wurden die Arbeitsstätten, Anzahl von Be-

schäftigten, Einkommen und Wohnorte entnommen.

Das bedeutet, dass diejenige Institution, die an den Ergebnissen

der Studie am meisten interessiert ist, die Eingangsdaten liefert,

die das Ergebnis am meisten beeinflussen.

Für die mit der Input-Output-Methode der Form, wie sie von den

Erstellern der Studie verwendet wird, berechneten Effekte, ist es

wichtig, welche Arbeitsstätten einbezogen wurden. Es gibt immer

mehr Arbeitsstätten auf den Flughafengeländen, die im Sinne der

Input-Output-Methode nicht in die Anstoßeffekte hineingerechnet

werden dürfen, weil sie zu den nachgelagerten Sektoren gehören.

Dazu trägt z.B. bei, dass Flughäfen das Geschäft mit Immobilien

als neue Nische entdeckt haben. Unternehmen verlagern ihre

Standorte an die Flughäfen, weil es dort günstige Büros und Ge-

werbeflächen gibt. Frachtunternehmen wählen ihre Lager- und

Umschlagplätze auf dem Flughafengelände, statt jenseits des

Zauns wie früher.

Ein Gewerbe (z.B. ein Lager- und Umschlagplatz) auf dem Flugha-

fengelände zählt nun üblicherweise zu den Anstoßeffekten. Der

gleiche Umschlagplatz jenseits des Zauns wird dagegen üblicher-

weise in die Folgewirkungen einbezogen. Eine einfache Standort-

verlagerung führt zu unterschiedlichen ökonomischen Wirkungen.

Dies ist ökonomisch falsch. Zudem kann das Wachstum des Flug-

hafens verzerrt werden: Verlagern Unternehmen ihre Standorte in

das Flughafengelände wächst der Flughafen scheinbar, aber für

die Region kommt es nicht zu einem Nettowachstum. Stattdessen

kommt es nur zu Verlagerungseffekten. Die Flughäfen kannibali-

sieren andere Standorte der Region.

Deshalb ist sehr genau zu prüfen, welche Unternehmen in die Ar-

beitsstättenbefragung einbezogen wurden. Dies ist aus den vorlie-

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genden Angaben nicht möglich. S. 12 ist der Satz zu finden, „un-

ter Einbeziehung aller am Köln Bonn Flughafen tätigen Unterneh-

men“. Dies deutet daraufhin, dass atypische Unternehmen nicht

herausgerechnet wurden, was zur Konsequenz hätte, dass die Er-

gebnisse der Studie insofern als überzeichnet gelten müssten.

3.2 Art der Fragestellung

Es wurden mittels einer Befragung der Unternehmen des Flugha-

fens ermittelt:

• die Zahl der Mitarbeiter,

• Umsätze,

• Vorleistungen,

• Investitionen mittels derer die direkten und indirekten Ef-

fekte im Sinne der Input-Output-Analyse berechnet wur-

den.

• Dann wurden Elastizitäten abgefragt, die zeigen, wie die

Unternehmen reagieren, wenn der Flughafen ausgebaut

wird.

Auf den Seiten 61 ff. findet sich der Fragebogen, der den Unter-

nehmen vorgelegt wurde. Hier wird offensichtlich, dass teilweise

sehr einfache Fragen gestellt wurden, aus denen sich dann im

Gutachten weitreichende Folgen ergeben. Es gibt Fragen, die so

formuliert sind, dass die Unternehmen aus der Fragestellung her-

aus in eine höhere Kategorie gedrängt werden. Beispiel:

• Alternative 1: „mein Wachstum verläuft parallel bzw. über-

proportional“

• Alternative 2: „mein Wachstum verläuft relativ parallel“

• Alternative 3: „mein Wachstum ist ca. halb so hoch wie am

Flughafen“

Der Sprung von Frage 2 zu Frage 3 ist augenfällig. Die Wirkung

der Fragestellung ist folgende: Der Sprung von Alternative 2 zu 3

ist hoch, so dass der überwiegende Teil der Unternehmen zu 2

tendieren dürfte. Da aber bei 1 die gleiche Formulierung „parallel“

auftaucht, ist sogar Alternative 1 in Reichweite.

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Zusammenfassend ergibt sich:

Der Fragebogen ist zurückzuweisen. Er enthält systematisch fehl-

leitende Fragen. Die Art der Fragestellung deutet darauf hin, dass

die Unternehmen verzerrt geantwortet haben.

Es wird dringend geraten, in die Originalakten Einblick zu nehmen,

um diesen Aspekt zu klären. Bis dahin muss davon ausgegangen

werden, dass die Anstoß- und Wachstumseffekte zu hoch ange-

setzt wurden.

3.3 Größenprobleme

Ein weiteres Problem ergibt sich aus den unterschiedlichen Größen

der Unternehmen. Die Gutachter weisen zwar darauf hin, dass

n=148 Unternehmen teilgenommen hätten. Aber diese sind un-

gleich groß, so dass die Gesamteffekte vermutlich letztlich auf

Angaben von wenigen Unternehmen beruhen. Darunter ist der

Flughafen selbst einer der wichtigsten, so dass wieder der Effekt

auftritt, dass die Angaben des wichtigsten Interessenten, welche

die Ergebnisse am meisten beeinflussen, wegen der Geheimhal-

tung der Daten aber nicht überprüfbar sind.

Es kann nicht sein, dass ein Unternehmen mit einem Gutachten

an die Öffentlichkeit tritt, wesentliche Eingangsdaten dazu selbst

geliefert hat und diese der Öffentlichkeit gegenüber geheim hält.

Die Interessenkonflikte sind unübersehbar.

Zusammenfassend ergibt sich:

Es ist dringend erforderlich, insbesondere die Angaben der größ-

ten der befragten Unternehmen im Original einzusehen.

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3.4 Input-Output-Struktur und weitere Daten

In der Studie werden die eigentliche Input-Output-Berechnung

und wichtige damit zusammenhängende Daten nicht abgebildet.

Seite 13 vermerken die Gutachter, dass sie eine öffentlich verfüg-

bare Grundstruktur verwendet und auf die Bedürfnisse des Gut-

achtens hin angepasst hätten.

Diese Anpassungen sind nicht unkritisch, und es erscheint not-

wendig, sie zu überprüfen. Der Grund ist Folgender: Die Gesamt-

wirkungen an Arbeitsplätzen und Einkommen in einer Region hän-

gen entscheidend von einigen wenigen Parametern in einer Input-

Output-Struktur ab. Es ist dringend erforderlich zu überprüfen, ob

diese Parameter mit plausiblen Werten angenommen wurden.

Es gibt genügend Beispiele, die zeigen, dass Gutachter mit un-

plausiblen, teilweise sogar mit manipulierten Werten rechneten.

Im Folgenden soll dies an einem Beispiel belegt werden:

• Bei der Input-Output-Analyse der Wirkungen des Ausbaus

des Flughafens Frankfurt ist es dazu gekommen, dass eine

Produktivitätskennzahl im Bereich Verkehr mit dem Drittel

des üblichen Wertes (!) angesetzt wurde (G 19.1 S. 81 und

S. 82) was zu einer fünfstelligen Zahl zusätzlich geschaffe-

ner Arbeitsplätze führte! Dies ist im Grunde eine ungeheu-

erliche Vorgehensweise, und es wurde der Verdacht geäu-

ßert, dass dies nicht unabsichtlich geschah. Im Fall des

fraglichen Gutachtens G 19.1 wurde dies bekannt, weil der

Gutachter die von ihm verwendeten Kennzahlen in seinem

Gutachten in langen Tabellen offengelegt hatte. Durch ei-

nen Vergleich zweier Tabellen, die nicht einmal direkt hin-

tereinander lagen, wurde der Fehler aufgedeckt.

Im Fall der vorliegenden Studie für den Flughafen Köln Bonn ist

eine derartige Überprüfung und Aufdeckung nicht möglich, weil

nicht alle verwendeten Zahlen offengelegt wurden.

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Zusammenfassend ergibt sich:

Es ist im Fall der Studie für den Flughafen Köln Bonn nicht über-

prüfbar, ob die für die sachgerechte Anwendung der Input-

Output-Analyse wichtigen Parameter ordnungsgemäß geschätzt

und eingesetzt worden sind.

In anderen Flughafengutachten haben Gutachter bereits mit feh-

lerhaften Zahlen und Methoden zigtausende an Arbeitsplätzen be-

hauptet, die den wahren Zahlen gar nicht entsprachen. Die erheb-

liche Zahl an berechneten Arbeitsplätzen im Fall der hier vorlie-

genden Studie zum Flughafen Köln Bonn erweckt Zweifel. Es wird

dringend geraten, eine detaillierte Prüfung der Eingangsparameter

vorzunehmen.

Zusammenfassung

Insgesamt ergibt sich Folgendes: die Ersteller der Studie legen ein

gut lesbares Konvolut vor, das übersichtlich die von den Erstellern

erzielten Ergebnisse präsentiert. Die Studie ist im Hinblick auf die

Ergebnisdarstellung vielleicht die übersichtlichste Studie, die für

ein Flughafenprojekt je vorgelegt wurde. Gleichzeitig ist die Studie

aber auch eine der dünnsten, was die Dokumentation der Metho-

dik anbetrifft.

• Der Ablauf der Rechenschritte ist nicht nachvollziehbar,

weshalb die behaupteten Ergebnisse zweifelhaft bleiben.

• Die vom Flughafen und den Airlines selbst gemachten An-

gaben sind nicht abgebildet, weshalb die Auswirkungen der

erheblichen Interessenkonflikte nicht überprüft werden

können.

• Die durchgeführte Befragung enthält Fragen, die unwissen-

schaftlich sind und die Befragten durch ein verzerrendes

Angebot von Alternativen zu unsachgemäßen Angaben

zwingen.

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3.5 Katalytische Effekte

Seite 14 wendet sich das Gutachten den katalytischen Effekten zu.

Diese wurden mittels einer Befragung von 268 Unternehmen der

Region berechnet. Die Befragung sei proportional zu den Be-

triebsgrößen der Unternehmen der Region vorgenommen worden.

„Strategisches Antwortverhalten“ sei überprüft worden. „Konser-

vative Untergrenzen“ seien gebildet worden. Qualitativ wurden 10

Interviews geführt, weitere Unternehmen wurden telefonisch kon-

taktiert zur „Bereinigung“ von Unklarheiten. Der Einfluss des

Flughafens auf das unternehmerische Verhalten sei dabei insbe-

sondere reflektiert und qualitativ beschrieben worden (S. 14).

Ergebnis dieser Befragung ist im Wesentlichen ein Einblick in das

Wachstumsverhalten von Unternehmen in Abhängigkeit von Akti-

vitäten des Flughafens.

Nicht erfasst sind damit die Kaufkraftströme des Fremdenver-

kehrs. Diese wurden aus Fluggastbefragungen „als Analysebasis“

gewonnen, die der Flughafen selbst vorgenommen hat (S. 14).

3.6 Art der behandelten Effekte

Die katalytischen Effekte werden in vier Segmente aufgespaltet

(S. 9):

1. Mehrbeschäftigte durch Unternehmen, die ihre Standort-

wahl in Abhängigkeit zum bzw. vom Flughafen getätigt ha-

ben.

2. Einspareffekte durch Geschäftsreisen.

3. Kaufkraftzufluss durch ausländische Incoming Reisende.

4. Zusatzreisen-induzierte Kaufkrafteffekte.

Die Wahl gerade der genannten Effekte ist kritisch. Eine Systema-

tik ist nicht zu erkennen. Die Aufspaltung der Gesamteffekte in

gerade die genannten vier ist unsystematisch und willkürlich. Prof.

Baum, der 2004 ein Gutachten für den Flughafen Köln Bonn ge-

schrieben hatte, berücksichtigt andere Effekte.

22

Für die Unterschiedlichkeit der berechneten Effekte gibt es keine

Begründung.

Unsystematisch ist z.B. Folgendes:

• Der Kaufkraftzufluss durch ausländische Incoming-

Reisende führt dann nicht zu zusätzlichen positiven Effek-

ten, wenn die Incoming-Reisenden auch ohne einen Flug-

hafen Köln-Bonn in die Region kommen würden. Dies ist

z.B. dann der Fall, wenn sie früher in Düsseldorf gelandet

und mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder Auto nach Köln

gefahren sind. Ein Ausbau von Köln kannibalisiert in die-

sem Fall außerdem Düsseldorf.

• Die Ticketkosten für Zusatzreisen wirken als Einnahmen

am Flughafen beschäftigungssteigernd, lösen aber in der

Region auch beschäftigungsmindernde Effekte aus, soweit

die Kaufkraft bis dahin in anderen Geschäften der Region

ausgegeben wurde.

• Einspareffekte bei Geschäftsreisen erhöhen die Wettbe-

werbsfähigkeit der Region, führen aber zu weniger Geldzu-

fluss bei den Flughäfen und verringern damit die Anstoßef-

fekte in der Input-Output-Rechnung.

Insgesamt fehlt eine systematische Ableitung der notwendiger-

weise zu erfassenden Effekte – notwendig zum Erreichen des Ziels

der Studie. Es gibt nicht einmal eine Begründung für die Auswahl

der einbezogenen Kaufkrafteffekte.

3.7 Inkonsistenzen bei Outgoing- und Incoming-Reisenden

Es fehlt die Einbeziehung der Kaufkraftabflüsse durch Outgoing-

Reisende. Die Kaufkraftzuflüsse durch Incoming-Reisende wurden

dagegen berücksichtigt. Dies ist eine Inkonsistenz, die in der Stu-

die nicht erklärt wird. Es kommt in der Konsequenz zu einer deut-

lich zu positiven Darstellung der ökonomischen Wirkungen des

Flughafens.

23

Diese Nichtberücksichtigung des Kaufkraftabflusses durch Out-

going-Reisende hat erhebliche Auswirkungen, weil der Flughafen

Köln Bonn zu drei Vierteln von Outgoing-Reisenden benutzt wird

(S. 75). Diese Outgoing-Reisenden entziehen der Region Kaufkraft

und führen insoweit zu einem negativen Multiplikatoreffekt.

Man kann aus diesen Kaufkraftabflüssen direkte, indirekte und in-

duzierte Arbeitsplätze berechnen, die durch den Kaufkraftentzug

in der Region vernichtet werden. Dies wird in der Studie nicht be-

rücksichtigt.

Um die Erheblichkeit dieses Effektes zu beleuchten, wird der Me-

chanismus im Folgenden anhand eines Beispiels dargestellt.

Beispiel

• Angenommen in einer Region werden Jahr für Jahr für

1000 Euro Leistungen produziert und die dabei erzielten

Einkommen in den verschiedenen Branchen verausgabt.

• Nun wird ein Flughafen installiert, und die Menschen be-

ginnen zu fliegen. Dadurch verändern sich die Kaufkraft-

ströme.

• Die Kaufkraft wird von den alten Branchen ganz oder teil-

weise abgezogen und zugunsten des Flughafens verlagert.

• Am Flughafen löst der Kaufkraftzufluss direkte Beschäfti-

gung aus. Es kommt im Weiteren zu indirekten und indu-

zierten Effekten. Dies haben die Gutachter in der Studie

berücksichtigt.

• In den Branchen aber, von denen sich die Kaufkraft ab-

wendet, weil sie nun am Flughafen ausgegeben wird,

kommt es zu Schrumpfung und zu negativen direkten, in-

direkten und induzierten Wirkungen. Diese Wirkungen ha-

ben die Gutachter nicht berücksichtigt.

Zusammenfassend ergibt sich:

Die Kaufkrafteffekte des Flughafens sind unvollständig abgehan-

delt.

24

In der Studie werden Kaufkrafteffekte berücksichtigt, welche

durch Reisende aus dem Ausland stammen, die ihr Geld im Inland

(d.h. in der Region Köln Bonn) ausgeben.

Die Kaufkraftverluste, die dadurch entstehen, dass Inländer ihr

Geld im Ausland ausgeben, berücksichtigt die Studie nicht.

Dadurch kommt es zu einer Überzeichnung der Vorteile des Flug-

hafens, denn der durch abfliegende Passagiere verursachte Kauf-

kraftverlust übersteigt die durch ankommende Passagiere ausge-

lösten Kaufkraftzuwächse um mehr als 700 Mio. Euro.

Dies wird im Gutachten dadurch verschleiert, dass eine Ableitung

der notwendigerweise zu betrachteten Effekte nicht erfolgt.

3.8 Weitere methodische Inkonsistenzen

Nur 1 Jahr Stützzeitraum

Auf S. 33 werden Behauptungen über Wirkungen des Flughafens

aufgestellt, die sich aus der durchgeführten Unternehmensbefra-

gung ergeben. Als Stützzeitraum wird mehrfach „2006-2007“ an-

gegeben. Dies erweckt den Eindruck, als handele es sich um zwei

Jahre. Tatsächlich zeigt der Fragebogen aber, dass nur die Wachs-

tumsraten des Jahres 2007 abgefragt wurden. Es ist methodisch

ganz unhaltbar, wichtige Aussagen auf ein einziges Jahr zu stüt-

zen, zumal das Jahr 2007 das letzte und stärkste Boomjahr vor

der Subprimekrise gewesen ist. Die Untersuchung sollte mit Daten

mehrerer Jahre wiederholt werden.

Suggestivfragen

Der Fragebogen enthält einige Suggestivfragen (12a, 12b, 18a,

18b), aus denen keine wissenschaftlich haltbaren Aussagen abge-

leitet werden können.

25

Fehlerhafte Kausalitäten

Auf Seite 33 wird behauptet, dass sich seit 1980 aufgrund des

Flughafens eine bestimmte Zahl von Unternehmen in der Region

niedergelassen hätte. Diese Erkenntnis soll aus der Unterneh-

mensbefragung stammen. Allerdings enthält der Fragebogen kei-

ne einzige Frage oder keine Kombination von Fragen, aus denen

diese Aussage abzuleiten wäre. Die einzige Frage, die wenigstens

näherungsweise in die genannte Richtung geht, lautet ganz

schlicht: „In welchem Jahr hat sich ihr Unternehmen in der Region

Köln/Bonn niedergelassen?“

Insgesamt zeigt sich, dass eine Kausalität behauptet wird, die sich

aus der Befragung überhaupt nicht ergibt. Die Ersteller der Studie

deuten an einer hinteren Stelle der Studie an, sie hätten in ge-

sonderten Interviews tiefer nachgefragt. Das aber ist methodisch

ein nicht haltbares Vorgehen, weil diese Interviews nicht die Brei-

te erreichen, welche notwendig ist, um Aussagen über Kausalitä-

ten abzuleiten. Offenbar wurde nur eine geringe Zahl von Inter-

views geführt. Was dabei zur Sprache kam, ist unbekannt.

Insgesamt muss festgestellt werden, dass die Art der Darstellung

der Ergebnisse den Vorwurf der Manipulation rechtfertigen könn-

te, weil immer wieder auf die breite Unternehmensbefragung hin-

gewiesen wird und auch immer wieder die Kausalitäten behauptet

werden, die sich aus der Befragung ergeben hätten, während die

Befragung tatsächlich dazu gar nichts hergibt.

Teils Multiplikator-Wirkungen, teils reine Kaufkraftzahlen

Die Studie zeichnet sich durch eine Unsystematik dahingehend

aus, dass bei einigen Aspekten die Multiplikatorwirkungen (direk-

te, indirekte, induzierte Effekte) berechnet werden, bei anderen

werden nur die Anstoßeffekte genannt, aber keine Multiplikator-

wirkungen berechnet.

Für die Ausgaben der ausländischen Reisenden in der Region wird

nur die Kaufkraftsumme genannt (S. 9, 270 Mio. Euro), ohne die

direkten, indirekten und induzierten Arbeitsplatzwirkungen zu be-

rechnen.

26

Schließlich haben die Ersteller der Studie noch Zusatzreisen be-

rücksichtigt. Hier haben sie wieder auf die Berechnung der Ar-

beitsplatzwirkungen verzichtet.

Bei den Zusatzreisen haben sie sowohl Incoming- als auch Out-

going-Reisen berücksichtigt und diese saldiert, während sie bei

den oben erwähnten Ausgaben der ausländischen Reisenden in

der Regionen (Incoming-Reisen) keine Saldierung mit den Ausga-

ben der inländischen Reisenden im Ausland (Outgoing-Reisen)

durchführten.

D.h. einmal betrachten die Ersteller der Studie die Reisen als sol-

che. Hier betrachten sie aber nur die Incoming-Reisen. Dann be-

trachten sie noch zusätzlich Zusatzreisen. Hier saldieren sie Inco-

ming- und Outgoing-Reisen.

Alles in allem zeigt sich:

Es gibt methodische Brüche, die durch nichts berechtigt sind.

Um zu zeigen, in welchem Maße die methodischen Brüche die Er-

gebnisse verzerrt haben, wird im Folgenden eine Tabelle vorge-

stellt, die systematisch diejenigen Effekte auflistet, welche die ö-

konomischen Wirkungen von Ausgaben der Bevölkerung für Flug-

reisen erfasst. Es wird in der dritten Spalte gezeigt, in welche

Richtung der jeweilige Effekt wirkt und ob er in der Studie berück-

sichtigt wurde oder nicht.

27

Kaufkrafteffekt

Art der Wirkung

Richtung der Wirkung

A) Kaufkraftzufluss bei Unternehmen am Flughafen (d.h. Umsatzeinnahmen, welche dann von diesen Unternehmen wieder verausgabt werden und die Mul-tiplikatoreffekte auslösen); Anstoßeffekt 800 Mio. Euro p.a.1

Direkte, indirekte, indu-zierte Effekte

Gesamteffekt positiv (in der Studie berücksich-tigt)

B) Korrespondierender Kaufkraftabfluss in anderen Branchen (dies sind die Op-portunitätskosten, die dadurch entste-hen, dass Menschen ihre Kaufkraft nur entweder den Flughäfen oder anderen Branchen zuleiten können. D.h. ein Kaufkraftzufluss an den Flughäfen führt zu einem Abfluss in anderen Branchen und löst dort negative Multiplikatoref-fekte aus); Anstoßeffekt 800 Mio. Euro p.a. 2

Direkte, indirekte, indu-zierte Effekte

Gesamteffekt negativ (in der Studie nicht be-rücksichtigt)

C) Kaufkraftabfluss durch Verausga-bung von Einkommensteilen der Out-going-Passagiere in anderen Regionen; Anstoßeffekt 1 Mrd. Euro p.a.

Direkte, indirekte, indu-zierte Effekte

Gesamteffekt negativ (nicht berücksichtigt)

D) Kaufkraftzufluss durch Verausga-bung von Einkommensteilen der Inco-ming-Passagiere in der Region; Anstoß-effekt 270 Mio. Euro p.a.3

Direkte, indirekte, indu-zierte Effekte

Gesamteffekt positiv (berücksichtigt)

1 Der Anstoßeffekt wird in der Studie von Booz, Prognos und ARC mit 800 Mio. Euro beziffert; siehe dort S. 9. 2 In den meisten Gutachten wird der Faktor B fälschlicherweise nicht berücksichtigt. Deshalb soll der Faktor hier anhand eines Beispiels erläutert werden:

* In der Ausgangslage verfügt eine Region über keinen Flughafen, und die Bevölkerung gibt 1000 Euro ihres Einkommens bei verschiedenen Unternehmen der Region aus.

* Nun wird ein Flughafen eröffnet (man kann auch annehmen, ein bestehender expandiert). Die Bürger schich-ten ihre Ausgaben zugunsten des Flughafens um (Ticketkosten und sonstige flughafenbezogene Dienstleis-tungen). Diese Ausgaben stellen beim Flughafen die Einnahmen dar, die von ihm als Löhne oder Beschaf-fungsmaßnahmen für Vorleistungen wieder verausgabt werden. Dadurch wird ein positiver Multiplikator-prozess (A) ausgelöst, und es entsteht die entsprechende Gesamtbeschäftigung. Dieser Effekt wurde in der Studie einbezogen.

* Diese von den Flughafenausgaben ausgelöste Beschäftigung stellt aber nicht den Beitrag der Flughafenex-pansion für die Region dar. Denn das Geld, das nun dem Flughafen zufließt, wird anderen Verwendungen entzogen und löst dort negative Beschäftigungseffekte aus, die berücksichtigt werden müssen und mit der Input-Output-Rechnung auch gut erfasst werden können (B). Dieser Effekt wurde in der Studie nicht be-rücksichtigt.

* Ob der Gesamtbeschäftigungseffekt aus den Effekten A und B für eine Region positiv oder negativ ist, hängt u.a. von den relativen Arbeitsproduktivitäten und einigen weiteren Faktoren ab. Wenn die Kaufkraft in Branchen fließt, die eine vergleichsweise niedrige Arbeitsproduktivität haben, werden netto Arbeitsplätze geschaffen. Nur diese wären insoweit dem Flughafen zuzurechnen.

3 Diese Zahl stammt aus der Studie von Booz, Prognos und ARC; ebendort S. 37.

28

Wie die Tabelle deutlich zeigt (A und B können sich neutralisieren,

C ist bedeutender als D), ist es also für eine Region nicht in jedem

Fall vorteilhaft, über einen Flughafen zu verfügen.

Dies lässt sich auch an den Daten der regionalen Wirtschaftssta-

tistik in Deutschland für viele Flughafenstandorte ablesen. Diese

Daten zeigen ganz deutlich, dass Regionen mit Flughäfen im

Durchschnitt über keine besseren Arbeitsmärkte, keine bessere

Beschäftigung, kein höheres Wachstum und keine höheren Ein-

kommen pro Kopf verfügen als Regionen ohne Flughäfen. Über

diese empirischen Ergebnisse kann man nicht hinweggehen.

Ergebnis:

Indem der Flughafen Kaufkraft auf sich zieht, verdrängt er die

Verausgabung der Kaufkraft in anderen Bereichen. Er schafft

durch die auf ihn zukommende Kaufkraft Arbeitplätze und ver-

drängt gleichzeitig Arbeitsplätze in den anderen Bereichen, von

denen die Kaufkraft abgezogen wird.

Nur der Nettoeffekt aus den verdrängten und den geschaffenen

Arbeitsplätzen kann als Beitrag des Flughafens zur regionalen Be-

schäftigung gewertet werden. Dieser Nettobeitrag kann positiv

aber auch negativ sein.

In der Studie wurde der Nettoeffekt nicht ermittelt.

Nur in Bezug auf Zusatzreisen befasst sich die Studie mit Nettoef-

fekten (diese sind im Übrigen negativ). In Bezug auf alle anderen

behandelten Effekte werden nur die Bruttoeffekte berechnet. Die-

se sagen aber über die regionalen Gesamtbeschäftigungswirkun-

gen nichts aus.

Die ausgewiesenen Beschäftigungseffekte übertreiben deshalb die

tatsächlichen Beschäftigungseffekte erheblich.

Es wäre mit der Input-Output-Rechnung nicht schwer gewesen,

die vollständigen Nettoeffekte zu berechnen. Die notwendigen Da-

29

ten liegen den Gutachtern vor. Sie haben dies in ihrer Studie aber

unterlassen, was zu einer Überzeichnung der Zahl der geschaffe-

nen Arbeitsplätze führt.

3.9 Manipulation in der Gliederung?

In der Studie ist es zu einem interessanten Gliederungsfehler ge-

kommen, der die Vermutung nahelegt, absichtlich erfolgt zu sein,

um die Auseinandersetzung mit einem kritischen Problem zu ver-

meiden. Die Ersteller der Studie sollten zu dem Gliederungsfehler

Stellung nehmen und die fehlenden Analysen nachreichen.

Was ist der Fall? Wie oben gezeigt, fehlt in der Studie die Begrün-

dung für die Berücksichtigung des Kaufkraftzuflusses in Höhe von

270 Mio. Euro p.a. durch Incoming-Reisende bei gleichzeitigem

Weglassen der Kaufkraftabflüsse durch Outgoing-Reisende.

Die Ersteller der Studie haben gesehen, dass eine solche Begrün-

dung erfolgen muss, weil die Nennung nur des Kaufkraftzuflusses

bei gleichzeitigem Weglassen der Kaufkraftabflüsse unsystema-

tisch ist und die Vorteile des Flughafens in einem falschen, zu po-

sitiven Licht erscheinen lässt.

Die Ersteller der Studie wollten die Berücksichtigung nur der Zu-

flüsse deshalb erläutern, was sie zunächst in einer Übersicht auf

Seite 76 ankündigen, dann aber doch nicht wahrmachen. Statt-

dessen behandeln sie an der entsprechenden Stelle andere Effek-

te.

Konkret ist die Studie folgendermaßen aufgebaut:

Auf Seite 76 kündigen die Ersteller der Studie zunächst an, sich

auf den folgenden Seiten mit den folgenden Themen befassen zu

wollen:

1 Abgrenzung der Flughafenaffinität

2 Quantifizierung der Einsparung durch Flughafeneffekte

3 Quantifizierung der geschaffenen Arbeitsplätze durch den

Flughafen als entscheidenden Standortfaktor

30

4 Quantifizierung der Kaufkraftzuflüsse durch Incoming-

Reisende

Die ersten drei Abschnitte werden auf den folgenden Seiten auch

entsprechend der Ankündigung abgehandelt. Der 4. Abschnitt a-

ber fehlt.

Im 4. Abschnitt sollten die Kaufkraftzuflüsse von 270 Mio. Euro

p.a. und ihre Wirkungen sowie das Weglassen der Kaufkraftab-

flüsse durch Outgoing-Reisenden in Höhe von 2 Mrd. Euro p.a.

begründet werden. Tatsächlich gibt es einen solchen Abschnitt 4

aber nicht. Stattdessen findet sich an der Stelle ein Abschnitt, der

sich mit einem ganz anderen Thema befasst, nämlich Zusatzrei-

sen, wobei Incoming- und Outgoing-Reisen saldiert werden. Die

Überschrift lautet:

„Quantifizierung des Zusatzeffektes durch Zusatzreisen“

Das ist eine ganz andere Überschrift als die auf S. 76 für den 4.

Abschnitt angekündigte Überschrift. Eine Begründung für die auf

Seite 9 behaupteten Kaufkrafteffekte durch ausländische Inco-

ming Reisende von 270 Mio. Euro und das Weglassen der Kauf-

krafteffekte durch inländische Outgoing-Reisende von über 2 Mrd.

Euro (!) fehlt.

Angesichts der erheblichen Zahl der Outgoing-Reisenden, die den

Flughafen Köln Bonn benutzen und der erheblichen Ausgaben,

welche diese im Ausland tätigen, und die der inländischen Ver-

wendung dadurch entzogen werden, trägt der Flughafen erheblich

zu einer Minderung der in der Region verfügbaren Kaufkraft bei.

Zusammengenommen liegt in der Ankündigung und dann aber

Nichtbehandlung eines sehr kritischen Problems ein schwerwie-

gender Fehler vor, der möglicherweise sogar absichtsvoll vorge-

nommen sein könnte, um der Auseinandersetzung mit dem Prob-

lem aus dem Weg zu gehen.

31

3.10 Fehlerhafte Berechnung der Zusatzreisen

Die Berechnung der flughafeninduzierten Zusatzreisen bei den

Outgoing-Passagieren basiert nicht auf empirischen Erhebungen,

sondern auf eigenhändigen Schätzungen.

Diese Schätzungen widersprechen den empirischen Erhebungen,

die Prof. Baum in seinem 2004er Gutachten für den Flughafen

Köln Bonn durchgeführt hat.

Prof. Baum hatte auf der Grundlage einer gründlichen empirischen

Erhebung den Anteil von Zusatzreisen an allen Reisen mit 27%

ermittelt. Die Ersteller der vorliegenden Studie setzen nun statt

dieser empirisch begründeten Zahl ohne jede eigene Erhebung ei-

nen Wert von 7,5% an.

Dies sollte korrigiert werden oder eine eigene Erhebung nachge-

reicht werden.

Zusammenfassend gilt:

Das Vorgehen ist indiskutabel. Eine wichtige und sehr einflussrei-

che Kenngröße kann nicht einfach gegen empirische Beweise mit

¼ des üblichen Wertes angesetzt werden. Dies ist methodisch in-

diskutabel.

3.11 Bedeutung von Kostenersparnissen der Geschäftsreisen

Auf Seite 36 wird auf die Kostenersparnisse hingewiesen, welche

Unternehmen der Region durch die Angebote des Flughafens er-

zielen können. Diese summieren sich auf 94 Mio Euro jährlich. Ur-

sachen sind ersparte Arbeitszeit (bessere Wege und Verbindun-

gen), niedrigere Ticketkosten und ersparte Spesen (S. 36). Weiter

wird auf die verbesserten Kundenkontakte hingewiesen. Schließ-

lich wird gesagt (S. 37), dass 17% der Unternehmen „beim Auf-

bau von Kunden-/Lieferantenkontakten durch den Airport einen

Wettbewerbsvorteil erzielen.“

32

Damit brechen die Ausführungen ab. Die Ersteller der Studie ver-

folgen die Wirkungen der „durch den Airport“ sinkenden Kosten

der Unternehmen nicht weiter.

Deshalb soll dies im Folgenden nachgeholt werden:

Der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Paul Krugman hat

einen Nobelpreis für seine regionalwirtschaftlichen Studien erhal-

ten. Er hat sich mit der Frage befasst, welche Wirkungen sinkende

Transportkosten haben. Durch sinkende Transportkosten werden

entfernt domizilierende Anbieter auf den lokalen Märkten wettbe-

werbsfähiger. Dies kommt im Fall des Flughafens Köln Bonn den

Unternehmen des Raums Köln Bonn zugute, da sie mit den durch

den Flughafen ermöglichten Kostenersparnissen nun auch im Aus-

land wettbewerbsfähiger werden. Dadurch kann es bei transport-

kostensensitiven Produkten zu einem Aufschwung kommen.

Aber die niedrigeren Transportkosten kommen genauso gut auch

den entfernt domizilierenden ausländischen Anbietern zugute. De-

ren Produkte werden nun auf den heimischen Märkten wettbe-

werbsfähiger. Die Nachfrager wenden sich den nun billiger gewor-

denen ausländischen Produkten zu. Dadurch kommt es zu einer

Verdrängung lokaler Anbieter. Dies ist empirisch hinreichend oft

belegt worden.

Wie Krugman zeigt, sind die dadurch ausgelösten Strukturverän-

derungen nicht mehr reversibel. Die einmal verdrängten Unter-

nehmen und Branchen kommen nicht mehr wieder.

Insgesamt zeigt sich, dass eine Transportkostensenkung, wie sie

von den Erstellern der Studie von den Aktivitäten des Flughafens

Köln Bonn erwartet wird, der Region nicht nur Vorteile bringt (ei-

nige der heimischen Unternehmen werden auf den Auslandsmärk-

ten wettbewerbsfähiger), sondern auch Nachteile, weil einige der

heimischen Unternehmen und Branchen dem zunehmenden Wett-

bewerb nicht gewachsen sind und aufgeben müssen.

Diese Wirkungen sind von den Erstellern der Studie nicht behan-

delt worden. Es mutet merkwürdig an, dass diese auch durch die

33

Berühmtheit von Paul Krugman weithin bekannten Wirkungen in

der Studie nicht berücksichtigt wurden. Insgesamt ist eine gewis-

se Einseitigkeit in der Argumentation der Studie deutlich erkenn-

bar.

3.12 Gesamtdeutsche Effekte

An mehreren Stellen in der Studie wird davon gesprochen, dass

der Flughafen Köln Bonn gesamtdeutsche Effekte auslöse. Zusätz-

liche Flüge in Köln Bonn hätten positive gesamtdeutsche Wirkun-

gen.

Die in der Studie verwendeten Input-Output-Tabellen zeigen, dass

die Wirtschaft im Bereich Köln Bonn mit der Wirtschaft in ganz

Deutschland verknüpft ist. Ein Anstoßeffekt am Flughafen verbrei-

tet sich damit über ganz Deutschland.

Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass die Flughafentä-

tigkeit gesamtdeutsch positive Wirkungen entfaltet. Man braucht

nur zu sehen, dass es Passagiere gibt, die früher über Düsseldorf

geflogen sind und nun Köln Bonn benutzen. Hier kommt es nicht

einmal zu positiven Effekten innerhalb eines Bundeslandes.

Die fehlende gesamtdeutsche Wirkung sei an folgendem Beispiel

erläutert:

Beispiel:

Eine Dortmunderin beschließt, ihr Wochenende nicht in Dort-

mund zu verbringen, sondern mittels eines Fluges ab Köln

Bonn in Paris. Ihre Kaufkraft wird nun Dortmunder Geschäften

entzogen, die deshalb keinen Geldzufluss erhalten und daher

keinen Multiplikatoreffekt anstoßen, den sie alternativ ange-

stoßen hätten. Stattdessen fließt die Kaufkraft nach Köln-Bonn

und Paris, wo die Multiplikatoreffekte angestoßen werden.

Deutschlandweit ergibt sich kein positiver Effekt durch die E-

xistenz von Köln-Bonn – hier möglicherweise sogar ein negati-

ver, weil Kaufkraft nach Paris abfließt.

34

Zusammenfassend ergibt sich:

Deutschlandweite positive Effekte sind mit der verwendeten Me-

thodik nicht nachweisbar. Die Berechnung in der Studie beruht auf

einer Vernachlässigung eines Teils der Wirkungen von Kaufkraft-

verlagerungen.

3.13 Fiskalische Wirkungen

In der Studie wird auf die fiskalischen Wirkungen des Flughafens

hingewiesen. Diese werden deutschlandweit mit 239 Mio Euro p.a.

und regional mit über 100 Mio Euro p.a. angegeben. Dabei wer-

den die Steuern sämtlicher Unternehmen der Wertschöpfungsket-

te einbezogen (S. 26f).

Was will die Studie mit diesen Zahlen sagen?

Dies wird nicht so klar ausgesprochen. Eine naheliegende Inter-

pretation ist die Vermutung, die Ersteller der Studie wollten mit

den Zahlen ausdrücken, es handele sich um zusätzliche gesamt-

deutsche Steuereinnahmen, die ohne Betrieb und Ausbau des

Köln Bonner Flughafens nicht erzielt werden würden.

Wenn diese Behauptung richtig sein soll, dann müssten folgende Bedin-

gungen gelten:

• sämtliche Kapazitäten aller beteiligten Unternehmen in ganz

Deutschland sind für alle Jahre des Betrachtungszeitraums unter-

ausgelastet.

• Zu der Erhöhung der Umsätze, Gewinne und in Folge Steuerzah-

lungen kommt es ausschließlich deshalb, weil am Köln Bonner

Flughafen Passagiere Flugzeuge benutzen.

• Ohne den Köln Bonner Flughafen entfalten die Menschen keinerlei

Aktivitäten. Sie geben ihr Geld für keinerlei Zwecke aus und füh-

ren es auch nicht via Banken in den Geldkreislauf ein.

Dies sind offensichtlich keine realistischen Annahmen.

35

Glücklicherweise behaupten die Ersteller der Studie dies auch gar

nicht. Man muss den Text nur genau lesen. Sie schreiben: „Für

Bund, Land und Kommunen summieren sich die Steuereinnahmen

aufgrund der Tätigkeit der Unternehmen am Flughafen sowie der

Zulieferbetriebe auf 239 Mio Euro.“ (S. 26) Man muss sich klar-

machen, dass dieser Satz nichts anderes heißt, als dass eine Akti-

vität am Flughafen mit den entsprechenden Leistungen der Wert-

schöpfungskette auch mit Steuerzahlungen verbunden ist. Dies ist

praktisch tautologisch und selbstverständlich. Die Ersteller der

Studie behaupten an keiner Stelle, dass die öffentliche Hand nur

durch den Flughafen zu diesen Steuern kommt und nicht auch oh-

ne den Flughafen gleich hohe Steuereinnahmen erzielen könnte.

Warum kann die öffentliche Hand auch ohne Flughafen Köln Bonn

praktisch mit den gleichen Steuereinnahmen rechnen? Dies liegt

in Folgendem begründet:

Wenn Menschen ihre Kaufkraft, d.h. die ihnen verfügbaren Gelder,

so umlenken, dass sie mehr für Flugreisen ausgeben, dann müs-

sen sie diese Gelder irgendwo abziehen. Die Mehrausgaben am

Flughafen induzieren in der dort beginnenden Wertschöpfungsket-

te mehr Steuereinnahmen. Aber dort, wo die Menschen die Gelder

abziehen, machen die Unternehmen weniger Umsatz und Gewinn,

und in der Folge sinken auch die Steuern.

D.h. den Steuern, welche die Flughafenindustrie erwirtschaftet,

sind die Steuern entgegenzustellen, welche diejenigen Industrien

nicht mehr erwirtschaften, von denen die Menschen ihre Gelder

abziehen, um mehr für das Fliegen auszugeben.

Zusammenfassende Schlussfolgerung

In Bezug auf die fiskalischen Effekte zeigen die Autoren auf, wel-

che Steuereinnahmen für die öffentliche Hand mit dem geplanten

Wachstum des Flughafens unter Berücksichtigung einiger direkter,

indirekter und induzierter Effekte verbunden sind. Die Autoren

behaupten nicht, es handele sich um Zusatzeinnahmen, was öko-

nomisch auch eine unhaltbare Behauptung wäre.

36

Insofern sind die Ausführungen nicht zu kritisieren.

Die Intention des Abschnitts erscheint aber trotzdem nicht ganz

fair, denn die Art der Darstellung scheint so gewählt zu sein, dass

zumindest ein oberflächlicher Leser den Eindruck bekommt, der

Staat können mit 239 Mio. Euro Zusatzeinnahmen p.a. rechnen.

Das dies nicht der Fall ist, sollte klarer herausgestellt werden.

37

4 Die Begründung katalytischer Wirkungen

Welche katalytischen Wirkungen kann man realistischerweise von

einem Flughafen erwarten?

Zu den katalytischen Wirkungen zählen die Ersteller der Studie

positive Wirkungen, die durch „direkte räumliche Nähe“ (S. 32) zu

einem internationalen Flughafen zustande kommen. Dazu gehören

Produktivitätssteigerungen, Kosteneinsparungen, bessere Märk-

teerschließungen, im weiteren Sinne vorteilhafte Netzwerk- und

Clustereffekte etc.

Die Existenz derartiger Effekte wird seit vielen Jahren vermutet

und mit Flughäfen in Verbindung gebracht. Ein empirischer Beweis

ist noch nicht gelungen. Gleichwohl glauben viele, dass es solche

Effekte geben muss. Dies wird vielfach aus der Evidenz abgeleitet,

dass dynamische Wirtschaftsregionen in einer globalisierten Welt

international verbunden sein müssen, woraus zu schließen ist,

dass es ohne Flugmöglichkeiten nicht geht (siehe OECD 2007,

Jahn u.a. 2005, Momberg 2000, Simonis 1977, Jochimsen 1966).

Warum aber kann man dann keinen empirischen Beweis dafür fin-

den, dass sich Flughafenregionen besser entwickeln als andere?

Die Antwort lautet: Dies ist ein Indiz dafür, dass bis heute noch

nicht genau genug verstanden wurde, wie Flughäfen und die regi-

onale Entwicklung miteinander verbunden sind.

• Der Prototyp eines erfolgreichen industriellen High Tech

Clusters, das Silicon Valey in den USA, wurde nie mit der

Existenz des nächstgelegenen internationalen Flughafens in

Verbindung gebracht oder darauf zurückgeführt.

• Die Region München hat sich in den 90er Jahren schneller

entwickelt als andere Wirtschaftsräume in Deutschland. In

den letzten Jahren hat sich die Region langsamer entwi-

38

ckelt. Ein Zusammenhang mit dem Flughafen ist nicht zu

erkennen.

• Dasselbe gilt für die Region Rhein-Main um Frankfurt: die

Wachstumsrate der Region des Rhein-Main-Gebietes korre-

liert nicht mit dem Flughafen.

Betrachtet man die Region Köln Bonn, dann stellt man fest, dass

drei internationale Flughäfen in leicht erreichbarer Nähe liegen:

• Köln Bonn

• Düsseldorf und

• Frankfurt.

Keine andere Region in Deutschland ist derart von internationalen

Flughäfen umgeben.

Die Fahrtzeiten von Köln bzw. Bonn zu den Flughäfen mit öffentli-

chen Verkehrsmitteln lauten wie folgt:

Von Köln zum Flughafen Köln Bonn 15 Min.

Von Köln zum Flughafen Düsseldorf 30 Min.

Von Köln zum Flughafen Frankfurt 80 Min.

Von Bonn zum Flughafen Köln/Bonn 50 Min.

Von Bonn zum Flughafen Düsseldorf 65 Min.

Von Bonn zum Flughafen Frankfurt 90 Min.

Von Leverkusen zum Flughafen Köln Bonn 31 Min.

Von Leverkusen zum Flughafen Düsseldorf 23 Min.

Von Leverkusen zum Flughafen Frankfurt 80 Min.

Von Erftstadt zum Flughafen Köln Bonn 50 Min.

Von Erftstadt zum Flughafen Düsseldorf 70 Min.

Von Erftstadt zum Flughafen Frankfurt 94 Min.

Von Bergisch Gladbach zum Flughafen Köln Bonn 42 Min.

Von Bergisch Gladbach zum Flughafen Düsseldorf 55 Min.

Von Bergisch Gladbach zum Flughafen Frankfurt 81 Min.

39

Bildet man Durchschnitte über alle Teilregionen, dann stellt man

fest, dass aus der Region heraus der Flughafen Köln Bonn im Mit-

tel nach 37,6 Minuten erreicht wird, während der Flughafen Düs-

seldorf im Mittel nach 48,6 Minuten erreicht wird. Das heißt, aus

der Betrachtungsregion heraus ist der Flughafen Köln Bonn im

Schnitt 11 Minuten schneller erreichbar als der Flughafen Düssel-

dorf.

Ich glaube, es erübrigt sich eine weitere Diskussion der katalyti-

schen Effekte eines Ausbaus des Flughafens Köln Bonn, wenn die-

ser gerade einmal zu einer Anreisezeitersparnis von im Mittel 11

Minuten beiträgt. Selbst der Flughafen Frankfurt kann im Mittel in

36 zusätzlichen Minuten erreicht werden.

Versucht man nun die katalytische Wirkung von 11 Minuten Reise-

zeitersparnis aus der Literatur heraus abzuleiten, erhält man ein

eindeutiges Ergebnis: Es gibt keine belastbare Theorie, der zufol-

ge ein Flughafen katalytische Effekte beisteuert, wenn er die Rei-

sezeit um im Schnitt 11 Minuten verringert.

Man könnte nun argumentieren, dass die Wettbewerbsfähigkeit

des Flughafens Düsseldorf sich vor allem in den nördlichen Regio-

nen des Untersuchungsgebietes bemerkbar macht und weniger in

den südlichen. Auch das würde die Reisezeitdifferenzen nicht we-

sentlich erhöhen. Es würde vor allem auch bedeuten, dass in der

Studie die Größe der betrachteten Region auf den südlichen Be-

reich des Raumes Köln Bonn einzuschränken ist mit der Folge,

dass die behaupteten regionalen Effekte entsprechend kleiner

ausfallen.

Zusammenfassend kann gesagt werden:

Der Raum Köln Bonn ist mit internationalen Flughäfen gesegnet

wie kaum ein anderer Raum in Deutschland. Die Evidenz legt nahe

anzunehmen, dass es für eine moderne Wirtschaft zwar einerseits

notwendig ist, Flugmöglichkeiten zu haben, dass aber andererseits

die Flughäfen nicht zwingend in einem so engen Abstand von den

40

Unternehmen vorhanden sein müssen, dass 11 Minuten Reisezeit

eine Rolle spielen. Diese These wäre allein deshalb nicht aufrecht-

zuerhalten, weil es dafür zu viele sehr erfolgreiche Regionen in

Deutschland gibt, die weit von einem internationalen Flughafen

entfernt sind.

Ein Ausbau von Köln Bonn kann deshalb so nicht begründet wer-

den. Alternativ müsste eine ganz neue Theorie katalytischer Effek-

te von den Erstellern der Studie entwickelt werden.

41

5 Wirkungen von Flughäfen auf die Arbeitsmärkte: die empirisch

belegten Auswirkungen

Abschließend möchte ich auf die tatsächlichen Wirkungen von

Flughäfen auf die Arbeitsmärkte der Regionen eingehen. Es gibt

mittlerweile seit über 15 Jahren Studien zu den Wirkungen von

Flughäfen auf die Arbeitsmärkte von Regionen. Der Großteil dieser

Studien wird von Flughäfen in Auftrag gegeben und berechnet mit

Hilfe der Input-Output-Methodik zigtausende von Arbeitsplätzen,

die in den Regionen (angeblich) geschaffen würden.

Es ist bisher in keinem einzigen Fall gelungen, diese behaupteten

Arbeitsplätze tatsächlich nachzuweisen. Das muss bei den Gerich-

ten, in der Politik und in der Öffentlichkeit zu einer Kritik an der

Methodik der Gutachter führen (zur Kritik an der typischerweise

gewählten Methodik siehe den Kölner Professor Johannes Eekhoff

2002).

Die Ersteller der Studie zum Flughafen Köln Bonn stützen sich, wie

das Literaturverzeichnis zeigt, neben einigen Erhebungen der

Prognos AG fast ausschließlich auf Studien, die im Auftrag von

Flughäfen entstanden sind und welche die Input-Output-Analyse

in einer sehr speziellen Form verwenden, die ökonomisch lücken-

haft ist (s. Boon u.a. 2004). Der Vorteil dieser speziellen Form ist

es, dass rein rechnerisch immer positive Zahlenwerte (für Ein-

kommen und Beschäftigung) resultieren (siehe Boon u.a. 2004).

Ein einziges Gutachten wird im Literaturverzeichnis der Studie er-

wähnt, das nicht im Auftrag eines Flughafens entstanden ist und

infolgedessen auch zu abweichenden Ergebnissen kommt. Dieses

Gutachten ist von einer neutralen Stelle beauftragt worden, näm-

lich den Mediatoren im Ausbauverfahren des Flughafens Frankfurt.

Ersteller der Studie war das renommierte Rheinisch-Westfälische

Institut für Wirtschaftsforschung aus Essen (RWI). Das Gutachten

des RWI aus Essen wird zwar im Literaturverzeichnis der Studie

verzeichnet, aber es wird kein einziges Mal in der Studie erwähnt!

42

Es bleibt deshalb unklar, ob sich die Ersteller der Studie mit den

Ergebnissen des RWI befasst haben.

A) Das Gutachten des RWI aus Essen für das Mediations-

verfahren zum Ausbau des Flughafens Frankfurt von

1999

Das Gutachten des RWI aus Essen (siehe W 3 1999) weist empi-

risch anhand einer ausreichend großen Stichprobe von Flughafen-

regionen nach, wie viele Arbeitplätze Flughäfen in den Regionen,

in denen sie liegen, schaffen.

Das empirisch fundierte Ergebnis des RWI lautet: es gibt keine

belastbaren Erkenntnisse, dass Flughäfen die Arbeitsmärkte der

Regionen positiv beeinflussen.

Die Erklärung liegt in Folgendem: Flughäfen schaffen einerseits in

ihrem unmittelbaren Umfeld und auf dem Flughafengelände Akti-

vitäten mit Arbeitsplätzen und Wertschöpfung. Aber diese Aktivi-

täten tragen für die Regionen insgesamt zu keiner Schaffung zu-

sätzlicher Arbeitsplätze bei. Flughafenaktivitäten führen nur zu ei-

ner Verlagerung von Arbeitsplätzen vom verarbeitenden Gewerbe

hin zum Dienstleistungsgewerbe. Das ist der Beitrag der Flughä-

fen zu den Arbeitsmärkten.

B) Das Gutachten G 19.2 neu im Ausbauverfahren des

Flughafens Frankfurt von 2007

Ein sehr interessantes Ergebnis über den Zusammenhang von

Flughäfen und Arbeitsmärkten stammt aus dem Gutachten von

Baum et al., das im Planfeststellungsverfahren zum Ausbau des

Flughafens Frankfurt eingereicht wurde (siehe G 19.2 2004 und G

19.2-neu 2006 sowie RMI 2007, Führ u.a. 2005).

Der Gutachter hatte ein von der Vorhabensträgerin (Fraport) be-

stelltes Gutachten mit Daten eingereicht, die Mitte der 90er Jahre

abbrachen. Dies lag daran, dass diese Daten schon im Mediati-

43

onsverfahren verwendet worden waren. Im Planfeststellungsver-

fahren wurde nun von der Behörde die fehlende Aktualität der Da-

ten bemängelt. Es wurde eine Aktualisierung verlangt. Die Gut-

achter sollten die Arbeitsplatzeffekte mit aktualisierten Daten er-

neut prognostizieren.

Wenn ein Wissenschaftler Hypothesen an Daten misst, die er zum

Aufstellen der Hypothese nicht verwendet hat, spricht man von

Out-of-sample-Tests. Solche Tests haben einen hohen wissen-

schaftlichen Stellenwert. Sie eignen sich dazu, die Qualität der

behaupteten Hypothesen zu überprüfen: Erbringen nämlich der

Out-of-sample-Test und der ursprüngliche Test keine überein-

stimmenden Ergebnisse, müssen die Hypothesen verworfen wer-

den (siehe Bortz u.a. 2006, Hauff u.a. 2000).

Die Resultate der Neuberechnung waren nun katastrophal (aus

Sicht des Flughafens). Denn es ergab sich, dass der Flughafen

keinerlei Arbeitsplätze schaffte. Aus der früheren Funktion

(1) RWI = 0,99 NWI + 0,2 LVI

wurde mit den neuen vom Gericht vorgegebenen Ausgangsdaten

die neue Funktion

(2) RWI = 1,13 NWI – 0,1 LVI,

wobei RWI ein Indikator der regionalen Wirtschaftskraft ist, aus

der sich die Arbeitsplätze im Rhein-Main-Gebiet ableiten ließen,

NWI einen Indikator der allgemeinen (bundesweiten) wirtschaftli-

chen Entwicklung darstellt und LVI ein Indikator der Flughafen-

größe ist, der im Gutachten wesentlich durch die Zahl der Direkt-

flugverbindungen dominiert wird.

Mit den von der Planfeststellungsbehörde angeordneten Out-of-

sample-Daten ergab sich mit Gleichung (2) eine Beziehung, die

besagt, dass die Flughafengröße praktisch nicht mit der regiona-

len Wirtschaftskraft und den Arbeitsplätzen verbunden ist. Es

konnten mit den neuen Daten keinerlei Wirkungen des Flughafens

auf den Arbeitsmarkt des Rhein-Main-Gebietes mehr nachgewie-

44

sen werden (höchstens ein negativer, weil das Vorzeichen vor LVI

in der neuen Gleichung negativ ist).

Damit hatten die Gutachter letztlich genau dasselbe Ergebnis er-

zielt, wie das Rheinisch Westfälische Institut für Wirtschaftsfor-

schung aus Essen für das Mediationsverfahren.

Das von den Behörden erzwungene Gutachten G 19.2-neu der

Gutachter Baum et al. hat große allgemeine Relevanz, weil es

zeigt, dass die von Flughäfen beauftragten Gutachter die von ih-

nen prognostizierten Arbeitsplätze offenbar dann nicht mehr auf-

rechterhalten können, wenn sie dazu unbeeinflusste Daten, also

Daten, die sie nicht selbst zusammengestellt haben, verwenden

müssen.

C) Die Studie des Rhein-Main-Instituts, Darmstadt, von

2009

Die Studie des RWI aus Essen stammt von 1999. Mittlerweile hat

das Rhein-Main-Institut aus Darmstadt eine Analyse der Wirkun-

gen von Flughäfen auf die BIP-Wachstumsraten von Kreisen und

kreisfreien Städten in Deutschland mit neueren Daten angefertigt.

Einbezogen wurden sämtliche Kreise und kreisfreien Städte in

Deutschland sowie sämtliche großen Flughäfen und die Mehrzahl

der kleineren Flugplätze. Es wurde akribisch für jeden Kreis die

mittlere Entfernung (gemessen in Reisezeit) zum nächsten großen

und kleinen Flughafen bzw. Flugplatz erfasst. Damit konnten die

katalytischen regionalen Effekte so gründlich und umfassend fest-

gestellt werden, wie bisher in keiner anderen Studie.

Die Ergebnisse sind statistisch hochsignifikant: Es gibt keinen Zu-

sammenhang zwischen regionalen Wachstumsraten und Flughä-

fen.

45

Die Ergebnisse für Westdeutschland werden im Folgenden gra-

phisch anhand der Originalgraphiken aus der Studie wiedergege-

ben.4

4 Die Quelle lautet: Claudia Salow, Der Flughafen als regionale Wachstumsdeterminante, Diplomarbeit, TU Chemnitz, Chemnitz 2009. Die Ergebnisse für Ostdeutschland sind identisch. Sie werden der Platzersparnis wegen hier nicht abgedruckt, sind aber in der Arbeit von Claudia Salow einsehbar.

46

Die Graphiken zeigen durch die langgestreckten Punktwolken und

die waagrecht verlaufenden Regressionsgeraden, dass kein Zu-

sammenhang zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung von Regi-

onen und der Nähe des nächsten Flughafens vorhanden ist.

47

Oder anders formuliert: Die Flughafennähe ist kein Faktor, der ei-

ner Region überdurchschnittliche Wachstumsraten bringt.

Zusammenfassend ergibt sich:

Die empirische Erhebung von Claudia Salow für das Rhein-Main-

Institut zeigt deutlich, dass es in Deutschland keinen Zusammen-

hang zwischen den Wachstumsraten von Regionen und der Nähe

zu großen internationalen oder kleineren regionalen Flughäfen

gibt. Das sind die empirischen Fakten, die mit den behaupteten

Effekten aus Input-Output-Analysen und konstruierten katalyti-

schen Wirkungen von Gutachten, die im Auftrag von Flughäfen

entstehen, kontrastieren.

Es wird deshalb geraten, die Ersteller der Studie und den Gutach-

ter dieser Qualitätssicherung zusammenzubringen und ein Kon-

sensgespräch zu führen, in dem die vorliegenden Fakten gesichtet

und gemeinsam bewertet werden.

Insgesamt gesehen liegen nun drei empirische Studien vor, die

übereinstimmend zum selben Ergebnis gelangen, dass Flughäfen

keine positiven Wirkungen auf die Arbeitsmärkte der Regionen

ausüben:

A. Gutachten des RWI, Essen, von 1999

B. Überarbeitetes Gutachten von Baum et al., Köln, G 19.2

neu von 2006

C. Erhebung von Claudia Salow, Chemnitz, für das Rhein-

Main-Institut von 2009

Die Gutachten, die Gegenteiliges behaupten, sind m.W. sämtlich

von Flughäfen oder unter enger Mitwirkung von Flughäfen in Auf-

trag gegeben worden.

48

6 Nachtflugverbot Passagierverkehr

Der zweite Teil der Studie „Der Köln Bonn Airport als Wirtschafts-

und Standortfaktor“ befasst sich mit den „Auswirkungen eines

Nachtflugverbotes im Passagierverkehr (0-5 Uhr)“.

Ziel der Studie ist es, die Auswirkungen einer absoluten Be-

schränkung der nächtlichen Passagierverkehre im Zeitraum zwi-

schen 0 Uhr und 5 Uhr in Bezug auf zu erwartende Umsatz- und

Beschäftigungsverluste zu bewerten (S. 6).

Grundlage ist eine Erhebung bei den am Flughafen tätigen Unter-

nehmen (n=148). Abgefragt wurden

• Mitarbeiter,

• Umsätze,

• Vorleistungen und

• Investitionen zur Berechnung von direkten und indirekten

Effekten sowie

• Elastizitäten zur Entwicklung der Unternehmen in Abhän-

gigkeit von der Entwicklung des Flughafens am Tag und in

der Nacht.

Mit einer begrenzten Zahl von Unternehmen wurden persönliche

und Telefoninterviews getätigt. Dabei wurden u.a. auch Reakti-

onsszenarien besprochen. „Entsprechend wurde mit den Airlines

abgestimmt, ob der betroffene Nachtflug als Reaktion auf ein

Flugverbot zeitlich verschoben, örtlich verlagert oder ganz gestri-

chen werden soll“ (S. 7).

Die Untersuchung wurde offenbar getrennt von der Arbeitsstät-

tenbefragung (s.o.) vorgenommen.

6.1 Ökonomie der Nachtflüge

Das Bundesverwaltungsgericht hat Flüge in der Kernnacht nicht

generell verboten. Zwar ist der Schutz der Gesundheit der Bevöl-

49

kerung ein hohes Gut. Aber besondere Erfordernisse des Luftver-

kehrs können Ausnahmen rechtfertigen.

In der Studie werden folgende Ausnahmegründe diskutiert:

• Express-Luftfracht.

• Flugzeug-Umlaufplanung inkl. Rückflüge zu Wartungsflug-

häfen.

Als weitere Gründe bzw. in detaillierterer Ausführung der Gründe

werden genannt:

• „Logistische Abhängigkeit des Fluges von der marktbeding-

ten Abfolge einer (Pauschal-)Reise“ (S. 10).

Als diese „marktbedingten“ Gründe werden genannt (S. 10 ff.)

• Beschränkte Start- und Landekapazitäten in touristischen

Zielgebieten.

• Abstimmung der Kapazitätsplanung der Hotels im Zielge-

biet.

• Kundennachfrage und Saisonalität des Tourismusgeschäf-

tes.

• Zwang, zugeteilte Slots zu 80% auszunutzen (S. 11).

Die genannten Gründe sind rein ökonomischer Natur und eine

Funktion von im Prinzip austauschbaren Geschäftsmodellen von

Unernehmen.

Mangelnde Investitionen an den Zielorten sind Ausdruck von Ge-

schäftsmodellen, die oft das Ziel haben, den Betreibern eine hohe

Auslastung zu ermöglichen. Würde man deutsche Flugzeiten nach

den Geschäftsmodellen spanischer Unternehmer u.a. richten, hie-

ße das letztlich, dass mangelnde Investitionen in „Madrid, Barce-

lona, Palma, Alicante, Ibiza, Kos und Heraklion“ (S. 11) zu einer

Lärmbelästigung in der gesundheitlich kritischen Lärmnacht bei

völlig unbeteiligten Menschen im Raum Köln-Bonn führen würden.

50

Hier nun zieht der deutsche Gesetzgeber eine deutliche Schranke.

Als Gründe zur Berechtigung, in der Kernnacht Lärm zu emittie-

ren, reicht nicht einfach die Vorlage eines Geschäftsmodells, das

Flüge in der Kernnacht vorsieht. Nur wenn sich aus dem Bedarf

des Fliegens von Köln Bonn an die Destinationen dieses Bedarfs

eine fast zwingende Notwendigkeit zu Starts- und Landungen in

der Kernnacht ergeben, müssen diese genehmigt werden, weil die

Befriedigung des Bedarfs eine hohe rechtliche Relevanz hat.

6.2 Die Bestimmung des Bedarfs

Es besteht in Bezug auf das Fliegen eine anhaltende Debatte zur

Frage, was ein rechtlich relevanter Bedarf ist, auf den die Landes-

regierungen mit der Genehmigung von Flughafenerweiterungen

reagieren müssen.

Die Unklarheit resultiert daraus, dass der Begriff des Bedarfs in

der Rechtsprechung eine große Rolle spielt, während aus ökono-

mischer Sicht so etwas wie ein absolut gegebener „Bedarf“ nicht

existiert. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Ökonomie vom

Denken in Preis-Leistungsverhältnissen geprägt. Die Menschen

besitzen Bedürfnisse. Sie ordnen alle verfügbaren Güter in eine

Präferenzstruktur ein. Daraus kann in Abhängigkeit von Preisen

und Einkommen eine Nachfragefunktion errechnet werden. Eine

Nachfrage wird nicht per se ausgeübt, sondern nur dann, wenn

der Preis im Verhältnis zur Leistung adäquat ist.

Anmerkung: Es werden Güter und Ungüter unterschieden. Zu letzte-

ren gehört die Verlärmung. Menschen streben danach, Verlärmung zu

vermeiden und haben eine positive Zahlungsbereitschaft. D.h. sie ha-

ben einen Bedürfnis an der Lärmvermeidung und sind auch bereit,

dafür zu bezahlen. In einigen Fällen ist dies möglich (z.B. höhere Mie-

ten für lärmarme Wohnungen). In anderen Fällen verhindert der Ge-

setzgeber, dass die Bürger ihr Bedürfnis für die Lärmvermeidung zah-

lungswirksam ausüben können. Flughäfen haben z.B. per Gesetz ge-

nehmigte Verlärmungsrechte. Insgesamt gesehen ist es inkonsistent,

dem zahlungswirksamen Bedarf an verlärmenden Flugbewegungen

nachzukommen, gleichzeitig aber den zahlungswirksamen Bedarf am

Verzicht auf Flugbewegungen nicht nachzukommen. Die Menschen

51

werden dann auf Alternativstrategien gelenkt, die z.B. in einem Weg-

zug oder in einer Inkaufnahme von Krankheiten bestehen und öko-

nomisch wesentlich teurer sein können, als wenn der Gesetzgeber

den Fluggesellschaften Alternativstrategien vorschreiben würde (lei-

seres Fluggerät, Verzicht auf Nachtflüge etc.).

Man kann zusammenfassen: Ein Gesetzgeber, der einer Branche per

Gesetz Verlärmungsrechte zugesteht und die Bürger daran hindert,

ihre Bedürfnisse an einer Verhinderung von Lärm direkt auszuüben,

sollte sich dazu verpflichtet fühlen, dafür zu sorgen, dass diese Bran-

che ihre Rechte nicht über Gebühr ausnutzt, sondern zumindest alle

diejenigen Strategien ergreift, die kostengünstiger sind als die indi-

rekten Strategien (wie Wegzug, Inkaufnahme von lärmbedingten

Krankheiten), welche die verlärmten Bürger alternativ ergreifen, um

dem Lärm auszuweichen.

Die Entwicklung des Luftverkehrs in den letzten Jahren ist nun

dadurch gekennzeichnet, dass sich ein wachsendes Verkehrsauf-

kommen eingestellt hat, das wesentlich durch die gesunkenen

realen Preise des Fliegens (u.a. Low Cost Verkehre) determiniert

war (Studie S. 10). D.h. die am Markt geäußerte Nachfrage ent-

spricht nicht einem per se gegebenem Bedarf, sondern wird durch

die niedrigeren Preise erst induziert. Die Luftfahrtindustrie spricht

selbst von den „induzierten“ Passagieren. Wären die Preise höher,

würde die Nachfrage gar nicht ausgeübt werden.

Die meisten Branchen sind ständig auf der Suche nach neuen

Strategien, mit denen sich Kosten und damit Preise senken las-

sen, um mehr Nachfrage zu induzieren. Der Luftfahrtindustrie ist

dies u.a. dadurch gelungen, dass sie größere Maschinen benutzt,

von kleinen, subventionierten Flughäfen aus fliegt oder die Nacht

zu Hilfe nimmt, wodurch verdichtete Umläufe, d.h. eine höhere

Kapitalnutzung möglich wird, u.v.m.

Es leuchtet unmittelbar ein, dass derartige preisinduzierte Strate-

gien nicht ausreichen, Eingriffe in Persönlichkeitsrechte wie die ei-

ner ungestörten Nachtruhe zu rechtfertigen.

Viele Branchen wünschen, die Kapitalnutzung zu steigern. Die

Transportunternehmen möchten nachts durch Ortschaften fahren.

52

Kraftwerke sollen dicht bei den Stromverbrauchern errichtet wer-

den dürfen, um Leitungsnetze zu sparen. Die Chemieindustrie

wünscht weniger strenge Schutzgesetze, um in ihren Anlagen wei-

tere Chemikalienarten herstellen zu können. Überall werden „Er-

leichterungen“ gewünscht, welche zu einer besseren Kapitalnut-

zung der entsprechenden Unternehmen, damit zu niedrigeren

Preisen und höherer Nachfrage führen würden. Es gibt keinen

Grund, gerade den Wünschen der Luftfahrtindustrie über Gebühr

nachzukommen.

6.3 Umlaufplanung

Ein „unabwendbarer“ Bedarf wird häufig auch aus der Flugzeug-

Umlaufplanung und der Slotplanung abgeleitet.

Die internationale Slotplanung ist in der Tat eine logistische Meis-

terleistung und verdient allerhöchste Bewunderung. Aber eine

Slotplanung mit Beschränkungen des Fliegens in der Kernnacht ist

nicht schwieriger als eine ohne diese Beschränkungen.

Die Studie enthält versteckte Drohungen wie „Marktzugang insge-

samt verloren“ (S. 11), „dringende Notwendigkeit“, die zugeteil-

ten Zeitschnischen auch auszunutzen. Die Airlines seien „darauf

angewiesen“, Mehrfachrotationen zu betreiben (S. 14).

Solche Drohungen einer Branche können für den deutschen Ge-

setzgeber und die deutschen Gerichte nicht relevant sein.

Es gibt vielfältige Alternativen.

In der Studie wird z.B. auf S. 21 die Strategie genannt, die Um-

läufe der Flugzeuge „umzudrehen“ und nachts an den Destinatio-

nen zu starten und zu landen, um tagsüber die deutschen Flughä-

fen zu benutzen. Das ist eine der Alternativstrategien. Es gibt a-

ber vielfältige weitere.

Warum aber enthält die Studie diese weiteren Alternativen nicht?

53

Dies liegt an der unzureichenden Erhebungsmethode, mit der die

verfügbaren Alternativen ermittelt wurden. Die Ersteller der Stu-

die schreiben, dass die ökonomischen Effekte nur auf „Einzelflug-

basis mit den wesentlichen Airlines am Standort abgestimmt“ und

in den sehr begrenzten Alternativen „streichen“, „wegverlagern“,

„verschieben“ gesehen wurden (S. 17). Es verwundert nicht, dass

die befragten Airlines „mauerten“ und kaum Möglichkeiten für

Verschiebungen zugaben, sondern vielmehr dem Flughafen droh-

ten, indem sie überwiegend ein Streichen und ein Wegverlagern

von Köln-Bonn ankündigten.

Hier nun liegt ein eklatanter methodischer Fehler der Studie vor.

Befragt wurden die am Flughafen tätigen Luftverkehrsunterneh-

men. Es ist völlig selbstverständlich, dass diese nicht umfänglich

über alle Alternativen berichten. Die Befragung ist rechtlich völlig

unverbindlich. Die Airlines können ohne Konsequenzen beliebige

Antworten geben.

Die Gutachter hätten Unabhängige befragen müssen.

In der Studie wird der (negative) Wert des Nachtflugverbotes aus

der Differenz des Wertes der Situation mit Nachtflügen und des

Alternativszenarios gebildet.

Wenn man aber das Alternativszenario aus den Angaben befange-

ner und interessegeleiteter Institutionen ermittelt, ist das Bewer-

tungsergebnis wertlos.

Fazit: Die Studie ist zu wiederholen unter Heranziehung unabhän-

giger Fachleute, die Auskunft über die Alternativen der Luftfahrt-

industrie geben.

6.4 Hotelkapazitäten

In der Studie wird behauptet, dass in den von deutschen Urlau-

bern typischerweise angeflogenen Destinationen die Hoteliers sol-

che Strategien betrieben, bei denen an einem einzigen Tag in der

Woche der sog. „Bettenwechsel“ stattfindet. Dies habe zur Folge,

54

dass an diesem Tag alle Verkehre abgewickelt werden müssen,

was bei den beschränkten Verkehrskapazitäten vor Ort die Not-

wendigkeit zur Hinzunahme der Kernnacht in Deutschland auslöse

(S. 12).

Tatsächlich ist das Verhalten der Hoteliers aber nicht zwingend. Es

handelt sich um eine Geschäftsstrategie dieser Branche, die für

die ausländischen Hoteliers Vorteile hat. Sie ist einfach und sim-

pel. Es gibt aber auch Alternativen. In Kroatien ist zunehmend zu

beobachten, dass Anbieter von Hotelzimmern und Wohnungen

den „Bettenwechsel“ an unterschiedlichen Wochentagen anbieten.

Dies ist eine einfache Lösung des Problems knapper Straßenkapa-

zitäten und der Weigerung der Regierung, diese in absehbarer

Zeit zu erhöhen. Urlauber, die sich das Stehen im Stau an Sams-

tagen nicht antun wollen, suchen Wohnungen, bei denen z.B.

donnerstags gewechselt wird. Dieses Beispiel zeigt, dass es aus

Sicht des Staates sinnvoll sein kann, die Kapazitäten staatlicher-

seits gerade nicht zu erhöhen (was den Steuerzahlern auch Geld

spart), um die Privatwirtschaft zu leicht erreichbaren Alternativ-

konzepten zu zwingen.

Fazit: Es gibt leicht erreichbare Alternativstrategien, deren Exis-

tenz es nicht rechtfertigt, die gesundheitlich kritische Kernnacht in

Deutschland zu verlärmen. Die Ersteller der Studie haben es ver-

säumt, Alternativstrategien sachgerecht zu ermitteln.

6.5 Kundennachfrage

Auf S. 13 behaupten die Ersteller der Studie, es gäbe eine Nach-

frage nach Flügen in der Kernnacht, weil dadurch der Urlaub ver-

längert und verbilligt werden könne.

Für dieses Argument wird keine Quelle herangezogen. Das Argu-

ment ist m.E. auch nicht stichhaltig. Lufthansa hat bei ihren Pas-

sagieren festgestellt, dass das Fliegen in der Kernnacht unbeliebt

ist und nur als Notlösung akzeptiert wird. Es können deshalb nicht

viele Passagiere sein, auf die das Argument zutrifft.

55

Fazit: Es wäre notwendig, die Wünsche der Flugreisenden objektiv

zu erfragen und die eigentlichen Gründe für die Wahl eines Nacht-

fluges zu ermitteln.

6.6 Saisonale Schwankungen

Auf S. 14 behaupten die Ersteller der Studie, es gäbe starke sai-

sonale Schwankungen des Bedarfs. Es sei den Luftverkehrsgesell-

schaften nicht zuzumuten, für das ganze Jahr Fluggerät vorzuhal-

ten, nur um dieses an ein oder zwei Spitzenwochenenden pro Jahr

auszulasten.

Diese Aussage widerspricht nun der Graphik auf Seite 9, aus wel-

cher hervorgeht, dass mehr als ein halbes Jahr die Auslastung er-

höht ist.

Wenn die Ersteller der Studie aber vielleicht nur die 25. und 26.

Woche meinen, in der kleine Spitzen erkennbar sind, dann könnte

ich mir vorstellen, dass in der Bevölkerung Akzeptanz für eine

Störung der Kernnacht an ein oder zwei Wochenenden pro Jahr

vorhanden sein könnte.

6.7 Arbeitsplatzverluste

Die möglichen Arbeitsplatzverluste auszurechnen, die ein Flugver-

bot in der Kernnacht hätte, ist nicht Aufgabe dieser Qualitätssi-

cherung. Es liegt aber eine Abschätzung der Lärmschutzgemein-

schaft Flughafen Köln/Bonn e.V. vor, die mit sehr plausiblen An-

nahmen zu einer Größenordnung kommt, die weit mehr Relevanz

hat als die in der Studie genannten Verluste von 1690 Arbeitsplät-

zen.

Den in der Studie genannten Verlusten sind zum einen die aus der

Input-Output-Methodik stammenden Probleme entgegenzuhalten,

die in dieser Qualitätssicherung ausführlich behandelt wurden.

Zum anderen ist der Ausgangswert (die direkten Arbeitsplatzver-

luste), auf dem die Input-Output-Rechnung aufsetzt, aufgrund der

56

überzeichnenden Angaben der einseitig befragten Interessenten

zu hoch.

Solche Plausibilitätsüberprüfungen, wie sie die Lärmschutzge-

meinschaft vorgenommen hat, können helfen, methodische Fehler

in Gutachten aufzudecken, weil es bei den Arbeitsplatzfragen auf-

grund der grundsätzlich bekannten Abhängigkeiten und Wirkun-

gen auch mit vereinfachten Methoden möglich ist, in die Nähe der

„richtigen“ Werte zu gelangen.

7 Schlussbemerkungen

Was hat diese Qualitätssicherung an Erkenntnissen über die Stu-

die von Prognos et al. gebracht? Die sehr schöne Präsentation und

die übersichtliche Anordnung der Ergebnisse stehen in keinem

Verhältnis zur mangelnden Sorgfalt, mit welcher die Ergebnisse

gewonnen wurden. Es werden in der Studie dieselben methodi-

schen Fehler gemacht, die schon häufiger in der Literatur kritisiert

wurden.

Die Kaufkrafteffekte werden unsystematisch behandelt, und es ist

der unbedingte Versuch erkennbar, die Vorteile des Flughafens

möglichst groß erscheinen zu lassen.

Ein Teil der Zahlungsströme wird einer Input-Output-Rechnung

unterworfen. Bei einem anderen Teil der Zahlungsströme erfolgt

dies nicht, obwohl es keinen triftigen Grund gibt, nur bestimmte

Zahlungsströme mit der Input-Output-Rechnung in ihren Wirkun-

gen zu verfolgen. Es ist ein deutliches Bemühen in der Studie

festzustellen, zu verschleiern, dass Menschen, die eine Flugreise

machen, viel Geld ins Ausland oder andere inländische Regionen

tragen und damit der heimischen Wirtschaft entziehen. Auch wird

missachtet, dass Kostenersparnisse im Flugverkehr nicht nur den

heimischen Unternehmen nutzen, sondern ihnen auch schaden,

weil sie deren Wettbewerber aus dem Ausland wettbewerbsfähiger

machen. Auf diese Weise werden Unternehmen der Region, die

sich ohne Flughafen noch halten konnten, nach einem Ausbau ei-

57

nes Flughafens durch den zunehmenden Wettbewerb durch Aus-

landsunternehmen verdrängt. Dies betrifft oft gerade angestamm-

te Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes. Dieser Mechanis-

mus ist hinreichend oft beobachtet worden.

Besonders kritisch muss der fehlgeschlagene Versuch gesehen

werden, Kausalitäten abzuleiten. Der Flughafen wird als der Motor

der regionalen Entwicklung dargestellt. Dies widerspricht mehre-

ren unabhängigen empirischen Erhebungen. Die Ersteller der Stu-

die nutzen vorgegebene verzerrende Antwortkategorien in den

Befragungen, um Angaben über solche Kausalitäten zu bewirken.

Ein Teil der Befragungen wird darüber hinaus ausschließlich mit

Interessenten der Luftfahrtindustrie geführt. Andere Experten

werden systematisch nicht einbezogen. Schließlich bleibt es an

mehreren Stellen zweifelhaft, ob die präsentierten Ergebnisse

wirklich aus den empirischen Erhebungen resultieren. Es muss

dringend geraten werden, die Erhebungsbögen und sonstigen Un-

terlagen im Original einzusehen und einer externen Kontrolle zu

unterziehen.

Alles in allem liegt eine Studie vor, in der manche Zahl zum Luft-

verkehr der Region zusammengetragen wurde, die aber keine be-

lastbare Angabe über die Wirkungen des Flughafens für die Region

Köln Bonn zulässt.

58

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