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1 Wolfgang Hagen Trancemedien und Medientrancen. Zur Epistemologie eines zentralen Konzept der Medienforschung (‚Para-Sozialität‘)“ 1 Meine Damen und Herren! Trancemedien und Medientrancen. Ich überlasse es Ihnen zu entscheiden, an welchem Ende des Thema wir einsteigen, wenn ich Ihnen vorab einen kleinen Einblick gebe in einer der aktuellsten Medienstudien der USA. Es handelt sich um die so genannte „Video Consumer Mapping Study“, die im März 2009 von dem Medienforschungsunternehmen Nielsen und der Forschungsgruppe der Ball State University vorgelegt wurde. Sie ist die erste umfassende Multimediastudie der USA und behandelt vor allem die Frage der Nutzung der neuen Bildschirmwelten. Wir leben in einer Viele- Bildschirm-Welt, wie Sie gleich sehen werden. a)Der klassische TVBildschirm, der aber auch nicht mehr klassisch ist. Sondern zum Live- Erlebnis Fernsehen, das auch in den USA noch nicht ausgestorben ist, hinzugetreten sind die DVD und der Festplattenrecorder sowie die Möglichkeit, den TV-Schirm als Spielconsole zu verwenden. b) Eine weitere wichtige Bildschirmoberfläche des Medienkonsums ist der Laptop oder PC-Bildschirm. Surfen im WEB, Email, Softwarekonsum, und das Fernsehen über das WEB haben hier ihren Ort. Vortrag Studium Generale Lübeck, 21.01.2010 1

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�1

Wolfgang Hagen

Trancemedien und Medientrancen. Zur Epistemologie eines zentralen

Konzept der Medienforschung (‚Para-Sozialität‘)“ 1

Meine Damen und Herren!

Trancemedien und Medientrancen. Ich überlasse es Ihnen zu

entscheiden, an welchem Ende des Thema wir einsteigen, wenn ich

Ihnen vorab einen kleinen Einblick gebe in einer der aktuellsten

Medienstudien der USA. Es handelt sich um die so genannte „Video

Consumer Mapping Study“, die im März 2009 von dem

Medienforschungsunternehmen Nielsen und der Forschungsgruppe der

Ball State University vorgelegt wurde. Sie ist die erste umfassende

Multimediastudie der USA und behandelt vor allem die Frage der

Nutzung der neuen Bildschirmwelten. Wir leben in einer Viele-

Bildschirm-Welt, wie Sie gleich sehen werden.

a)Der klassische TVBildschirm,

der aber auch nicht mehr

klassisch ist. Sondern zum Live-

Erlebnis Fernsehen, das auch in

den USA noch nicht

ausgestorben ist, hinzugetreten

sind die DVD und der

Festplattenrecorder sowie die Möglichkeit, den TV-Schirm als

Spielconsole zu verwenden.

b) Eine weitere wichtige Bildschirmoberfläche des Medienkonsums

ist der Laptop oder PC-Bildschirm. Surfen im WEB, Email,

Softwarekonsum, und das Fernsehen über das WEB haben hier

ihren Ort.

Vortrag Studium Generale Lübeck, 21.01.20101

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c) Dritten und immer wichtiger werdender Bildschirm – der „Mobile

Screen“ in Gestalt der neuen Smartphones, mit Telefongespräch,

SMS und WEB-Anschluss sowie eigener Kamera und wiederum:

Mobiles Fernsehen, das hier auch vor allem als Podcast-

Fernsehen „im Kommen“ ist.

d) Und viertens die anwachsende Bildschirmwelt, die es sonst noch

so gibt, vor allem hier der Navigator, der immer intelligenter wird.

Aber auch, nicht zu vergessen, die öffentlichen „Sehen“ auf

großen Bildschirmwänden und die Zunahme der Beamer im

häuslichen Wohnzimmer, über dann Fernsehen und DVD auf

großer Leinwand laufen.

Das ist die neue „Vier Bildschirm“ – Welt, von Alaska bis Neuseeland im

Boom überall anwachsend und sich ausbreitend. Die Frage der Video

Mapping Studie in den USA war: Wer nutzt wie lange welchen dieser

Bildschirme?

Der Mensch hat auch in den

USA nur einen 24

Stundentag und wie

hierzulande schläft er 7

davon und arbeitet etwa 9,

so dass noch acht Stunden

für alles Sonstige übrig

bleiben. In diesen 9 Stunden

konsumiert er insgesamt 12

Stunden und 2 Minuten Medien – Wie geht das? Nun, das geht so,

dass er mindestens vier Stunden davon zwei oder mehr Medien

gleichzeitig konsumiert. Zumindest in der USA. Denn neben den vier

Bildschirmmedien gibt es ja noch Radio und die Musik aus allen

möglichen Playern, Medien ohne Bild also. Hier schon die erste

Vermutung: So ganz ohne Trance oder zumindest gewisse Absencen

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kann dieser Doppel- und Dreifachkonsum auf eine so lange Zeitstrecke

wohl nicht abgehen.

Wenn wir uns nun anschauen, wie es in unserer Vier-Bildschirm-Welt

aussieht, dann ergibt sich folgendes Bild:

Alle Bevölkerungsgruppen in den USA verbringen über acht Stunden

vor den vier Bildschirmen und einige, nämlich gerade die aktivsten 45

bis 54 jährigen noch eine Stunde mehr. Was ja gar nicht geht, weil nur

acht Stunden zur Verfügung stehen, und also auch hier Doppelkonsum

von Bildschirm-Medien. In einzelnen sieht das dann so aus:

- Durchschnittlicher Medienkonsum vor dem klassischen TV-Gerät 353

min = 5 Stunden und 48 min

- Durchschnittlicher Medienkonsum vor dem PC-Bildschirm oder Laptop

143 min = 2 Stunden und 23 min

- Durchschnittlicher Medienkonsum vor dem Mobilen Bildschirm 20

Minuten

- Durchschnittlicher

Medienkonsum vor den

übrigen

Umgebungsbildschirmen

weitere 8 Minuten.

>> 9

So sieht dann das

Ergebnis unserer Vier-

Bildschrim-Welt aus:

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Durchschnittlich 8 Stunden und 43 Minuten täglicher Bildschirmkonsum

auf vier verschiedenen Ebenen.

Das sind die quantitativen Daten. In der Bildschirmnutzung handelt sich

nach wie vor ganz überwiegend um Fernsehkonsum, wenn auch

zunehmend nicht mehr in Fernsehen in Echtzeit und nicht mehr nur auf

dem klassischen Gerät. Die Zahlen mögen in Deutschland und Europa

etwas geringer sein, hier hat man sie so noch nicht erhoben. Bei so

vielen Bildschirm-Medien ist das auch methodisch kein einfaches

Unterfangen.

Warum dieser massive Bildschirmkonsum? Was sind die Gründe? Über

die Mechanismen, wie er zustande kommt, gibt es keine Angaben und

auch keine Erhebungen. Also wird extrapoliert, und es werden

Hypothesen und Vermutungen angestellt. Genau darüber will ich mit

Ihnen heute sprechen.

Es geht mir dabei um eine der wichtigsten Rezeptionsvermutungen, die

mit dem Fernsehen verbunden ist. Es handelt sich um die Hypothese,

dass zwischen dem Akteur auf der Mattscheibe einerseits und dem

Zuschauer vor der Mattscheibe eine extraordinäre Beziehung besteht.

Ich beziehe mich hier auf die anerkannten Grundsätze der empirischen

Medienforschung. Einer ihrer Grundthesen lautet: Die Beziehung

zwischen einem TV-Akteur und seinen Zuschauern ist para-sozial.

Schematisch ist der Mechanismus der Folgende. Günther Jauch sei der

Akteur auf der Mattscheibe, der den Zuschauern Aktionen anbietet. Die

reagieren mit der Einschaltquote, mit Anrufen, Emails, Fax und Briefen

darauf. Möglicherweise korrigiert Jauch dann seine Aktionen es entsteht

eine Feedback-Beziehung. Wie genau sie aussieht wissen wir nicht und

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als Feedback-Beziehung

stellt auch keine soziale

Beziehung dar. Die

Medienforschung nennt

deshalb eine solche

Beziehung „para-sozial“.

Für die Empiriker erklärt

diese Symptomatik der

Parasozialität völlig

zufriedenstellend, warum

so überwältigend große Teile der Bevölkerung täglich so überwältigend

lange Stunden oft äußerlich so gelähmt aussehend vor TV-Geräten,

Internet-Computern oder Smartphones ihre Zeit verbringen.

Ich erlaube mir aber weiter

zu fragen und möchte mit

Ihnen einen kurzen Blick

auf das

Gründungsdokument der

These von der

Parasozialität des

Medienkonsums werfen.

Der Text stammt aus der

1950ern, aber hat an

Bedeutung nicht verloren. Ich werde ihnen zeigen, dass das Konzept

Parasozialität des Medienkonsums im Kern auf C.G. Jungs Begriff der

Persona zurückgeht, wobei Jung selbst diesen Begriff aus seiner

Seancenforschung und seinen parapsychologischen Studien gezogen

hat. Was also hat die Parapsychologie einer mediumistischen Seance-

Sitzung mit der Parasozialität unseres heutigen Medienkonsums zu

tun? Auf diese Frage soll Ihnen mein Vortrag am Ende den Versuch

einer Antwort liefern.

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Vor dreiundfünfzig Jahren, 1956, drei Jahre nach dem Durchbruch des

neuen Medium Fernsehens in den Ballungsgebieten der USA,

schreiben die beiden Mitglieder des interdisziplinären Komitees für die

menschliche Entwicklung an der University of Chicago, der Anthopologe

Donald Horton und der Soziologe Richard Wohl:

a) “One if the striking characteristics of the new mass media - radio,

television, and the movies - is that they give the illusion of face-to-face

relationship with the performer. … The most remote and illustrious men

are met as if they were in the circle of one's peers; … . We propose to

call this seeming face-to-face relationship between spectator and

performer a para-social relationship.” 2

Wie Sie wissen: Die Erforschung der Massenmedien ist keine

europäische Disziplin, sondern ein Kind der amerikanischen Soziologie.

In den Anfängen

herrschte die Vorstellung

von einem schlichten

Stimulus-Response-

Modell. Der Sender

sendet und die

Zuschauer reagieren auf

das Gesendete wie im

Reflex. Das war die

Vorstellung der ersten

Phase der Medienforschung, die in den 1930ern bis zu Beginn der

1950er Jahre vorherrschte.

Schon in den 1950er Jahren kamen an diesem Modell vor allem in den

Sendern selbst Zweifel auf, so eben auch bei Donald Horton, dem

Medienforscher der Fernsehgesellschaft CBS.

Horton, Donald / R. R. Wohl: Mass Communication and Para-Social Interaction, In: 2

Psychiatry, 1956, Vol. 19, Nr. 3, S. 215–229, 215,

�7

Horton hatte schon in den 1940er Jahren herausbekommen, dass die

Zuschauer in den Anfangsjahren des US-Fernsehens das entsetzliche

Sammelsurium abgründig schlecht fanden, aber trotzdem begeistert vor

dem Bildschirm blieben.

„They like video but look to

the future“ war seine 3

These, auf deutsch: Die

Menschen lieben die

Glotze und warten auf die

Zukunft. Also eben nicht:

Stimulus – Response.

Sondern auf der Seite der

Zuschauer: Aktivität,

Erwartung, Mitdenken und

Geduld. Horton war einer der ersten, der aus der empirischen

Programmbeobachtung der frühen Fernsehjahre den Schluss zog, dass

der Fernsehzuschauer ein aktiver und kein passiver Konsument ist.

In dieser Übersicht verorten

wir das „Stimulus

Response Modell“ noch

einmal im historischen

Kontext, wobei die Frage

ob das NS-Radio oder

auch die Rooseveltschen

Radiotalks so wirkungsvoll

waren, wie die damalige

Forschung meinte,

Donald Horton, “They Like Video But Look to the Future,” Broadcasting, 7 October 3

1946, 16.

�8

dahingestellt bleiben mag.

Die nachfolgenden 3

Jahrzehnte ab 1950 nahm

man ohnehin an, das die

Medien eher eine schwache

Direkt-Wirkung hätten,

während dann ab 1980 bis

heute ganz unterschiedliche

Medienwirkungstheorien in

die Diskussion gekommen

sind. In der mittleren

Periode sehen wir einige

wichtige Theoriekonzepte,

u.a. die

Kultivierungshypothese von

George Gerbner und Elisabeth Noelle Neumanns Schweigespirale.

Noelle Neumann vermutete ja, dass die Medienrezpienten eine völlig

andere und abweichende Meinung herausbilden als es ihnen ihre

Medien vermitteln, aber solange darüber schweigen, bis sich diese

Stimmung plötzlich und lawinenartig Bahn bricht. Dieses wie alle

anderen Konzepte der neueren Medienforschung gehen von dem Bild

eines aktiven Zuschauers aus, das Hohl schon so früh postuliert hat.

Zwei Modellen der Medienwirkung stehen heute im Mittelpunkt. Das

eine ist das „Uses And Gratification“ Modell, dessen Schema ich Ihnen

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hier am Beispiel von Big Brother

zeige. Der Zuschauer konsumiert

hier im Wesentlichen nach seinen

gegebenen Bedürfnissen. Bitte

beachten Sie auch hier die

Bedeutung der para-sozialen Aktion,

die auch die Grundlage für die

Identifikation des Zuschauers ist.

Ein weiteres Fundamentalmodell

der Medienwirkungsforschung ist

der „dynamisch transaktionale“

Ansatz. Er geht davon aus, dass

quasi-parallele Prozesse

zwischen Bildschirmakteur und

Zuschauer stattfinden und dass

der Zuschauer eine Art Vertrag

aushandelt, den der Akteur

gleichsam imaginär unterschreibt. Zuschauer von Ratgeber-Sendungen

oder WiSo im ZDF fallen unter diesen transaktionalen Ansatz. Die

Moderation ist so ausgerichtet, dass sie sich an die Zuschauer wendet

wie an die Vertragspartner eines Abonnements. Auch hier spielt die

parasoziale Bindung in Gestalt des „Para-Feedbacks“ eine große Rolle.

Die Grundlage aller dieser modernen Medienwirkungstheorien ist

Horton und Wohls Begriff der Parasozialität der Mediennutzung. Je

mehr er verwendet wird, umso weniger fragt man sich, wo er herkommt.

Also lassen Sie uns klären, was Horton meinte und wie er diesen

Begriff geprägt hat.

„In television … the 'actor … often … faces the spectator, uses the

mode of direct address, talks as if he were conversing personally and

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privately. The audience, for its part, responds with something more than

mere running observation; it is, as it were, subtly insinuated into the

program's action and internal social relationships … . The more the

performer seems to adjust his performance to the supposed response

of the audience, the more the audience tends to make the response

anticipated. This simulacrum of give and take may be called para-social

interaction.” 4

Was Horton und Wohl hier beschreiben, ist die Intimität eines

Simulacrums. Simulacrum, das ist das Scheinbild, das Trugbild, das

Phantom, der Schatten und der Schein, aber eben auch das Götter-

oder Götzenbild. Ich denke an Günther Jauch oder meinen gehassten

Johannes Kerner und mit fällt Jean Baudrillard ein. Der hätte an dieser

Begrifflichkeit seine Freude gehabt. Aber wir lesen nicht Baudrillard

1980, sondern einen der Gründungstexte der modernen

Medienforschung aus der Mitte der 1950er Jahre.

Vor einer fiktiven Kulisse fremder

Menschen auf dem Fernsehschirm,

so Horten und Wolf, reagiert der

Rezipient nicht „orthosozial“ wie in

der U-Bahn z.B. Dort ist es

bekanntlich verpönt, Mitreisende

anzuglotzen oder eine gegenüber

sitzende Person auszulachen.

Solche sozialen Akte sind vor dem Fernsehschirm völlig o.k, so die

These. Das sind nämlich aktiv fiktionale, „fantasy“ gesteuerte

Handlungen in einer Art „Para“ -Zustand.

Parallelzustände parasozialer Art lassen sich durch Fragebögen gut

indizieren und deshalb auch empirisch messen; Beispiel: „My favoured

Horton / Wohl, 215.4

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actor in the show

reminds me of myself“

oder „I enjoyed trying to

predict what he would

do“ oder „Ich würde den

gern mal kennenlernen,

ich mag seine Stimme“. 5

Fünfzehn solcher

Fragen sind seit

Jahrzehnten patentiert

und gelten als der Standardnachweis einer PSI-Kommunikation, wobei

PSI hier für nichts Außerirdisches, sondern für Para Soziale Interaktion

steht. Die Antworten erweisen sich als statistisch konsistent. Das reicht

den empirischen Medienforschern, die an der Erörterung

epistemologischer Tiefenstrukturen in der Regel kein Interesse haben.

Umso mehr lohnt ein Blick auf die

ursprüngliche Definition der „para-

social relationship“. Horton und Wohl

machen sich nämlich sehr eingehende

Gedanken, wie es dazu kommen kann,

dass in der kalten technologischen

Distanz des Fernsehens eine para-

soziale Bindung entsteht. Das einzige, was Sie nicht aufklären, ist ihre

Wortwahl – die Kombination von Para und Sozial. Para ist eine

griechische Präposition, bedeutet so viel wie: bei, neben her, darüber

hinaus, aber auch entgegen.

a- Wortfügungen mit Para gab es im 19ten Jahrhundert kaum, das

Grimmsche Wörterbuch von 1860 kennt gerade mal das Paradox, die

Vgl. Auter, Philip J. / Palmgreen, Philip: Development and Validation of a Parasocial 5

Interaction Measure: The Audience-Persona Interaction Scale, Communication

Research Reports/Winter 2000 Volume 17, Number 1, pages 79-89.

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Parallele und den Paragraph. Die Paranoia, die Paraphanie, oder

Parästhesie, alle diesen schweren Gefühlsstörungen, oder die

Paralyse, also der Begriff für Lähmung blieben sehr lange rein

medizinische Begriffe, von denen erst im letzten Jahrhundert der eine

oder andere in den allgemeinen Sprachschatz gewandert ist. Alles

Begriffe mit negativem Beigeschmack, die irgendetwas Missliches oder

zumindest Dubioses bezeichnen. Eine Paranomie ist zum Beispiel eine

Gesetzeswidrigkeit und eine Paraphasie beschreibt eine

Sprachstörung. So verhält es sich eigentlich auch mit dem Begriff Para-

psychologie, mit dem man ein dubioses Grenzgebiet bezeichnet,

„okkulte Phänomene“, „mediumistische“ durch in Trance fallende

Medien paragnostisch artikulierte Wahrnehmungen, parakinetische

Effekte, Tischerücken, Ektoplasmen und Materialisationen aller Art.

1889 hat Max Dessoir, ein Zeit- und Weggenosse Rudolf Steiners,

vorgeschlagen, alle diese okkultistischen Dinge unter dem Namen

„Parapsychologie“ zu versammeln, ein Wort, das es vorher gar nicht

gab.

Horton und Wohl bilden auch ein Wort, das es zuvor nicht gab, den

Neologismus des Para-Sozialen. Vielleicht wollten sie damit sogar

explizit an die Tradition des Para-Psychologischen anschließen. In

einem Abschnitt „The Role of the Persona“ überschrieben, heißt es

gleich zu Beginn:

„The persona is the typical and indigenous figure of the social scene

presented by radio and television. … The spectacular fact about such

personae is that they can … achieve an intimacy with what are literally

crowds of strangers, and this intimacy, even if it is an imitation and a

shadow of what is ordinarily meant by that word, is extremely influential

with, and satisfying for, the great numbers who willingly receive it and

share in it.” 6

Horton/Wohl, 216.6

�13

Persona ist ein Begriff aus der Psychologie (oder sollte ich sagen:

Parapsychologie?) von C.G. Jung. In seinen 1923 erstmals auf Englisch

erschienen „Psychological Types“ schreibt Jung:

“The persona expresses the personality as it appears to oneself and

one's world; but not what one is.” “Thus, the persona is a function-7

complex which has come into existence for reasons of adaptation or

necessary convenience, but by no means is it identical with the

individuality. The function-complex of the persona is exclusively

concerned with the relation to the object.” 8

Genauso verhält es sich bei der persona in der Parasozialität der

Fernsehrezeption. Sie ist ebenfalls ein Funktionskomplex und vor der

Kamera ausschließlich auf das Objekt, nämlich den Zuschauer

ausgerichtet. Die persona ist gestaltbar, sie ist, wie Jung sagt, die

intellektuelle Seite des Ego, ganz im Unterschied zur Anima-Seite des

Ego oder zu seinem Schatten. Mit unserer persona können wir spielen,

agieren, ein Format-Konzept realisieren, wie Horton sagt. Ganz anders

der Zuschauer:

„The spectator must be able to play the part demanded of him; and this

raises the question of the compatibility between his normal self—as a

system of role-patterns and self-conceptions with their implicated norms

and values—and the kind of self postulated by the program schema and

the actions of the persona.“

Auf der einen Seite Jauch, die persona. Auf der anderen Seite ich, mit

meinem Selbst. Alles kommt hier auf meine Anpassungen an, auf

Anpassungen des Selbst gemäß den Vorgaben des persona-Akteurs.

Jung, C. G.: Psychological Types, Hopetoon: Constable Ltd 1953, 268.7

5918

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Das Selbst – ebenfalls ein zentraler Begriff der C.G. Jungschen

Psychologie.

“Hence I discriminate between the ego and the Self, since the ego is

only the subject of my consciousness, while the Self is the subject of my

totality: hence it also includes the unconscious psyche. In this sense the

Self would be an (ideal) factor which embraces and includes the ego.” 9

Das Selbst ist Alles: es umschließt

mein Ego, seinen Schatten, die

persona und das Unbewußte, das

ja nach C.G.Jung immer einer

Kollektives, ein gemeinsames

Unbewusstes ist. The Self is an

ideal factor und in diesem Sinne

funktioniert es in der parasozialen

Aktion. Das Selbst kann in der Bildschirm-Persona sein eigenes

Selbstideal erblicken.

Bei dieser Bedeutung von C. J.

Jung für einen der wichtigsten

Gründungstexte der us-

amerikanischen

Medienforschung wird man

sich fragen, wie Jung, dieser

eingesessene Züricher, nach

Amerika kam. Sehr früh schon.

Seinen ersten Trip nach New

York machte er sogar mit Freud zusammen im Jahre 1907, er hielt

Vorträge in Boston und New York, wo in der zweiten Jahrhunderthälfte

ziemlich ausgeprägte spiritistische Gewohnheiten Gang und Gäbe und

5409

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deshalb Psychologen aus Europa, wie Kraepelin oder Pierre Janet,

heiß begehrt waren. Es warteten zahllose ebenso hysterisierte wie gut

zahlende Patientinnen auf Behandlung. Da wollten Freud und Jung

nicht zurückstehen. Alle Bücher C.G.Jungs erschienen ab 1911 in steter

Reihenfolge auch in den USA, weshalb ich hier stets die englischen

Fassung zitiert habe.

In Europa geriet Jung nach dem zweiten Weltkrieg wegen seines

deutlichen Antisemitismus, vor allem aber wegen seiner unklaren Rolle

als Mitläufer in Miskredit. Nicht so in England und den USA. Hier war,

ist Jungs Archetypenlehre seit den 1930er Jahren ein anerkanntes

Theorem.

Als zum Beispiel in den 1970er Jahren die europäische Filmtheorie auf

die junge amerikanische Filmschool-Generation um Georg Lucas,

Stephen Spielberg und Francis Coppola herüberschwappte, und dort

auf unbändige Experimentierlust traf, entdeckten die jungen

bilderhungrigen Fernseh- und Filmregisseure unter anderem auch

Joseph Campbell, Mythenforscher und wichtigster Propagandist der

Jungschen Lehre im angelsächsischen Raum. Joseph Campbells Buch

„A Hero with a tousand Faces“ ist ein durch und durch jungeanisches

Buch. Es dekliniert die Kulturgeschichte aller Heldenepen von

Odysseus bis zu der Gefiederten Schlange der Atzteken nach dem

Muster der Archetypen durch. Aufbruch, Initiation, Emanation,

Verwandlung und Auflösung, diese archetypischen Phasen C.G.Jungs

findet Joseph Campbell in diesen Heldensagen wieder und wieder

bestätigt.

Georg Lucas hat immerhin zugegeben, dass er erst nach der Lektüre

von Campbell und C.G. Jung seine Weltraumsaga-Drehbücher habe

schreiben können. Wie tief archetypisierend die Star Wars Filme des

Georg Lucas dann geworden sind, kann man erstens dann ja selber

�16

sehen und zweitens bei James

Jaccino nachlesen: „Jungian

reflections within the cinema”,

Westport 1998. 10

Ich komme zum Schluss: Dass die

moderne Medienforschung an

Psychologische Theorie C.G. Jung

anschließt, in der wir uns gespalten

finden in Ego, persona, anima und

zumal unserem Schatten, dem tiefen

Abgrund, kaum gehalten vom

archetypischen Unbewussten und

dem Selbst, habe ich ihnen zu skizzieren versucht. Die Frage, die sich

allerdings nun stellt ist: Wo hat C.G. Jung selbst seine Konzepte und

sein Wissen her?

Antwort: Er hat sie seinerseits den Medien entnommen.

C. G. Jung begann um die

Jahrhundertwende 1900 zu schreiben.

Bei seinen Medien geht es also nicht

um technische Medien, sondern die

mediumistische Medien. Diese Medien

waren im 19ten Jahrhundert äußerst

Iaccino, James F.: Jungian reflections within the cinema : a psychological analysis 10

of sci-fi and fantasy archetypes, Westport, Conn. (u.a.) : Praeger, 1998/Iaccino

1998/4143IaccinoJungianCinema

�17

zahlreich und behaupteten, in Trancezuständen Kontakt mit

Verstorbenen aufnehmen zu können, Tische tanzen zu lassen und in

fremden außerirdischen Sprachen zu sprechen.

Heute wissen wir: In diesen Tausenden und Aberzehntausenden von

mediumistischen Medienseancen, wie sie in den USA und Europa

zwischen 1850 und 1914 stattfanden, wurden ganz überwiegend die

Ängste und Ungewissheiten ihrer Teilnehmer ausgebeutet. Erklärliche

Ungewißheitsängste waren das. Für einen, der 1875 geboren war, hieß

das: In kaum zwei Generationen waren grundstürzende

Weltveränderungen geschehen. Um 1840 die Telegrafie, die in einer

Generation informationell alle Kontinente verband. Ab 1860 konnte die

Fotografie, kaum zwanzig Jahre alt, Bilder zeigen, die nie ein Mensch

zuvor sah, mit Auslösezeiten von weniger als einer Zehntelsekunde.

Das ermöglichte künbstliche Bewegtbildprojektion, also den Film, ab

1890 folgt das Kino. 1875 das Telefon, 1877 das Grammophon. Ferne

Stimmen, fremde Stimmen, die eigene Stimme fremd wieder gehört.

Die Radiowellen von 1888 nicht zu vergessen und die Entdeckung des

Röntgenlichts ab 1895. Kurzum: die zweite Jahrhunderthälfte des 19ten

Jahrhunderts wird erschüttert von Revolutionen der Wahrnehmung und

Kommunikation.

C.G.Jung, Jahrgang 1875, beschäftigt sich in jungen Jahren

ausschließlich nur mit diesen Entwicklungen.

Ab den 1850er Jahren entsteht –

ganz eindeutig als Reaktion auf die

neuen Techniken der Nachrichten

gebenden Elektrizität – der so

genannte moderne Spiritismus der

mediumistischen Medien.

Zum großen Teil sind es Frauen,

nur einige wenige Männer darunter.

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Sie verfallen, wie gesagt, vorgeblich oder tatsächlich in eine Art

autosuggestiven Trancezustand. In dieser Entrückung vermitteln sie

Botschaften von Geistern oder anderen Planeten. Da erscheinen auch

schon mal schemenhafte Gestalten oder seltsame Hände aus den

Faltungen eines Vorhangs. Nüchterne Beobachter erkennen den einen

oder anderen Gauklertrick sofort. Medien, die über Klopf-Codes sich mit

Geistern verständigen können, sind besonders berühmt und begehrt,

wie Madame Blavatsky, die Begründerin der Theosophischen

Gesellschaft und zugleich mehrfach überführte Betrügerin in ihren

Seancen. Betrug und Suggestion, unglaubliche Leistungen der in

Trance Verfallenen und eindeutige dumm-dreiste Betrüger und

Betrügerinnen – das ist die Mischung, die hunderte von

mediumistischen Medien der zweiten Jahrhunderthälfte bieten.

Diese Trancemedien und die zahllosen Versuche ihrer möglichst

wissenschaftlichen Beschreibung – das sind die Themen von C.G. Jung

in seinen jungen Jahren. Wie bei Pierre Janet und William James: Die

psychologische Theorie folgt aus den intensiven Beobachtungen und

Beschreibungen der mediumistischen Medien seiner Zeit.

C.G. Jungs medizinische

Dissertation aus dem Jahre

1903 trägt den Titel: „Zur

Psychologie und Pathologie

sogenannter okkulter

Phänomene“. Sie erschien

im Mutze Verlag in Leipzig,

ein Verlag, der auf die

Publikation spiritistischer

Texte spezialisiert war.

In dieser Arbeit berichtet Jung von den mediumistischen Sitzungen mit

seiner damals noch blutjungen Cousine Helly. Seit ihrem 14ten

�19

Lebensjahr konnte dieses junge Mädchen eindrucksvoll in Trance

verfallen und verblüffte ihre Umgebung mit allen Merkmalen eines

klassischen und ausgereiften mediumistischen Mediums. Jung

verschweigt, dass es sich um seine Cousine handelte und beschreibt

umso empathischer, wie das angeblich unbedarfte Mädchen in Ekstase

geriet, ihre Stimme einen anderen Tonfall bekam, ihre Diktion gelehrt

und elaboriert wurde, und sie „dann irgend eine andere Person

dar[stellte], entweder bekannte Verstorbene oder frei erfundene

Personen, deren Rolle sie nach den Charakteristika, die sie selber gab,

in konsequenter Weise durchführte.“ Jung schreibt von der 11

„ungeteilten Verehrung und Bewunderung seitens ihrer näheren

Verwandten und Bekannten“, die Helly oder eben das „Fräulein S.W.“

bekam. „Sie sieht und hört ihre Geister, sie sieht, wie dieselben im

Zimmer unter den Zirkelteilnehmern herumgehen, wie sie bald bei

diesem, bald bei jenem stehen. (…) Sie empfindet schmerzhaft den

großen Unterschied zwischen ihrer nächtlichen idealen Welt und der

rauhen Alltäglichkeit. Dieser Zustand steht in schroffem Gegensatz zu

ihrem wachen Dasein: Es findet sich darin keine Spur von jenem

unsicheren und unharmonischen Wesen, von jenem sprunghaften,

nervösen Temperament, das für ihr sonstiges Verhalten so

charakteristisch ist.“ (27).

1846 hatte es in den USA die ersten Trance-Veranstaltungen der

beschriebenen Art gegeben. Ein von Edgar Allan Poe tief gehasstes

Medium namens Andrew Jackson Davis hielt tagelang Vorlesungen in

Trance und entwarf in diesem betrügerischen Rausch ein spekulatives

und spirituell überladenes Weltsystem. Jung berichtet in seiner

Dissertation, dass „nach Schluß der Sitzungen“ mit Fräulein S.W.

allgemein „über zahlreiche und verschiedenartige Gegenstände

naturwissenschaftlicher und spiritistischer Art gesprochen und

debattiert“ (43) worden sei. In einer der nächsten Trance-Sitzungen

erweist Helly auch hier den mediumistischen Trance-Traditionen des

Jung, C. G.. ZUR PSYCHOLOGIE SOGENANNTER OKKULTER PHÄNOMENE, 2211

�20

19ten Jahrhunderts die Ehre. Das inzwischen gerade mal 16 jährige

Mädchen diktiert dem staunenden C.G. Jung ihr Weltsystem, das der

junge Mediziner in seiner Doktorarbeit ganzseitig wiedergibt.

Die Frage ist für C.G.

Jung ist: Woher hat ein

fünfzehn,

sechzehnjähriges

Mädchen dieses

Wissen, diese

Kenntnisse? Einfachster

Verhältnisse, ein wenig

Bürohilfe gelernt. Jungs

Antwort: Das kollektive

Unbewusste. Sie weiß es schon bevor sie es weiß. Es ist in ihr es ist

ein archetypisches Wissen. Jung gibt das Beispiel der Helene Smith,

untersucht von seinem großen Vorbild in Genf, Professor Theodore

Flournoy. Helene Smith Ebenfalls eine einfache Frau – aber in Trance

schreibt Sie arabisch.

Aber wieso kann Sie arabisch? Es gibt, sagt Jung in seiner Dissertation,

es gibt „Fälle von somnambuler Mehrleistung, welche (…) die Annahme

einer hoch entwickelten intellektuellen Tätigkeit des Unbewußten

�21

voraussetzen.“ (97).

12

Letzte Bemerkung:

Die Suggestivkraft

von mediumistischen

Medien war es, die

C.G. Jung zu der

Annahme verführt

hat, es gebe

kollektive Archetypen,

die uns allen stecken, und von diesen mediumistischen Medien

hervorgebracht würden. Es ist erstaunlich, was C.G: Jung dabei alles

übersieht.

Zum Beispiel: Alle weiblichen Medien des 19ten Jahrhunderts sind

irgendwann des Betruges überführt worden. Übrigens auch Helly, das

Wenige Jahre später trifft er auf den Patienten Emil Schwyzer, den 12

Sonnenphallus-Mann. In seinem wahnhaften Trancezuständen

behauptet dieser Mann zu wissen, wenn die Sonne mit Ihrem großen

Phallus wackle, nehme der Wind zu. Jung findet heraus, dass diese

Wahnfigur auf einen tatsächlichen Sonnenmythos aus der Liturgie des

Mithras Kultes zurückgeht. Da aber Schwyzer die entsprechende

Veröffentlichung dazu nicht kennen könne, müsse es also ein

kollektives Unbewußtes geben, durchsetzt mit kollektiven Archetypen,

aus denen die Menschengeschichte sich immer wieder neu nähre. Die

C. G. Jungsche Theorie der Archetypen und des kollektiven

Unbewussten basiert wissenschaftshistorisch demnach auf nichts

anderem als einem Mind-Screening besonderer Art, nämlich auf der

Beschreibung von okkulten Clairvoyancen und mediumistischen

Trance-Zuständen.

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Medium C.G. Jungs. Sie hat

vermutlich ihr Wissen bei Jung

selbst angeschöpft, ohne dass er

es merkte. Das aber schmälert

nicht im Geringsten Ihre schier

unglaublichen Leistungen. In

einem Zustand solch extremer

autosuggestiver Ekstasen, in den

sich diese Frauen versetzen

konnten, dennoch klug und kaltblütig zu betrügen, das bleibt eine

Leistung von Helene Smith, von Eusapia Paladino genauso wie von

dem Nietzsche-Medium Madame Esperance wie von Jungs Medium

Helly, genannt Fräulein S.W. - Jung verkennt ihren Betrug und verfehlt

damit ihre wahre Stärke.

Aber das hat ja seinen Grund.

Jungs Theorie des Kollektiven

Unbewussten basiert auf

diesem Betrug, oder besser:

auf dem Betrug, den Betrug

nicht aufzudecken. Jung muss

uns im Glauben halten, dass

Frau S.W. alias Helly nicht

betrügt. Denn sonst wäre die

Annahme hinfällig, dass Sie in Trance etwas weiß, was Sie sonst nicht

wüsste. Würde Sie betrügen, bräuchte es keine Annahme, dass es ein

Kollektives Unbewusstes gäbe, aus dem Sie in der Trance schöpft. Da

betrügt uns C.G.Jung dann schon lieber selbst und verschweigt nicht

nur, dass es sich um seine Cousine, sondern auch, dass sie überführt

wurde.

Mit dem Konzept der Parasozialität führen Horton und Wohl die C.G.

Jungschen Konzepte dahin zurück, wo sie herkommen: Aus den

mediumistischen Medien in die technischen Medien. Dass die persona

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auf dem Bildschirm versucht, bei den Selbst-Instanzen der

ZuschauerInnen Bindung zu finden und dass diese ihrerseits in der

persona die Idealisierung ihres eigenen Selbst ausmachen können, -

das alles basiert, wie wir gesehen haben, auf Jungschen

Strukturkategorien.

Und damit, nebenbei bemerkt, auch auf der Annahme eines Kollektiven

Unbewussten. Ohne diesen Bindungsrahmen ist das Ego, die Persona,

die Anima und das Selbst bei C.G. Jung nicht zu haben.

Wenn ich also gelähmt von der Glotze sitze und meinen Jauch

anhimmele, bin ich in parasozialen Selbst an ein kollektives

Unbewusstes angekabelt. Und wo ist hier der Betrug?

Die Antwort wäre: In den Massenmedien gibt es keinen Betrug. In

gewisser Weise ist ja dort alles, was geschieht, Betrug und zugleich

auch keiner, denn nichts von dem, was Betrug wäre, ließe sich nach der

Seite der Wahrheit hin auflösen. Strukturell bieten nämlich

Massenmedien weder Betrug noch Wahrheit. Was wir an analytischen

Werkzeugen haben, um diese Szene überhaupt zu verstehen, beruht

auf Mutmaßungen. So gesehen ist die Projektion einer Psychoanalyse,

die aus den Medien kommt für das Verständnis der Medien noch die

beste Wahl; und zwar vielleicht gerade deshalb, weil es sich, wie ich

zeigen konnte, um ein Nullsummenspiel der Begriffe handelt.