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Die Schweizerische Zahnärzte-Gesell-schaft SSO hat diesen Sommer nach 1981, 1994, 2001 und 2012 zum fünften Mal die in der Schweiz tätigen Zahn-ärztinnen und Zahnärzte befragt – lan-desweit wurden 5257 Behandler ange-schrieben. An der Umfrage nahmen insgesamt 1903 Zahnmediziner teil. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 36 Prozent. Von den Antwortenden sind 1643 Mitglieder der SSO, 260 sind Nichtmitglieder.Der Fragebogen wurde im Vergleich zu früheren Erhebungen nur unwesentlich verändert. Dadurch lassen sich Trends und Entwicklungen in der Schweizer Zahnmedizin nachvollziehen und aus-werten. Während in früheren Umfragen die Befragung mittels gedruckter Frage-bögen erfolgte, konnten die Teilneh-menden bei den letzten beiden Erhe-

bungen den Fragenbogen direkt am Computer ausfüllen. Onlineerhe bun gen haben unter anderem den Vorteil, dass sie Daten direkt erfassen und der zeit-aufwendige, fehleranfällige Import ent-fällt.

Schweizerisches StaatsexamenDie Anzahl von zahnärztlichen Fach-personen in der Schweiz, die das Staats-examen an einer Schweizer Universität abgelegt haben, nimmt laufend ab. Be-sassen bei der Umfrage im Jahr 2001 noch 91 Prozent der Befragten ein schweizeri-sches Staatsexamen, sank der Anteil bis im Jahr 2019 auf 74 Prozent, ein Minus von 17 Prozentpunkten. SSO-Mitglieder besitzen mit 80 Prozent mehr als doppelt so häufig einen schweizerischen Ab-schluss wie Nichtmitglieder (37%). In den letzten 18 Jahren stieg der Anteil

Zahnärztinnen und Zahnärzte mit aus-ländischem Diplom: Er hat sich seit 2001 von 14 Prozent auf 29 Prozent mehr als verdoppelt (Abb. 1).Auch 2019 absolvierten die meisten Zahnärztinnen und Zahnärzte das Staatsexamen in Zürich (33%). 29 Pro-zent promovierten an der Universität Bern, gefolgt von Basel (21%) und Genf (15%). Auffallend ist, dass sich seit 1994 zunehmend mehr Zahnmediziner an den Universitäten Bern und Basel ausbilden lassen, während die Zahlen für Zürich und Genf leicht rückläufig sind. Knapp jeder Dritte beendete sein Studium zwi-schen 2006 und 2011 (32%). Bei den Zahnärztinnen liegt der Abschluss acht Jahre weniger weit zurück als bei ihren männlichen Kollegen, auch weil sie im Durchschnitt acht Jahre jünger sind. Sie verfügen statistisch signifikant häufiger

Mehr Teilzeit-arbeit, mehr PersonalSSO-Umfrage 2019 bei Zahnärz-tinnen und Zahnärzten – Teil 1

Zahnärztinnen und Zahnärzte arbeiten heute durchschnittlich weniger, dafür beschäftigen sie mehr Personal als vor sieben Jahren. Dies zeigt die jüngste Umfrage der SSO, an der über 1900 Zahnärztinnen und Zahnärztenin der Schweiz teilgenommen haben.

Text: Olivier Marmy, Markus Gubler, Marco Tackenberg Grafiken: Demoscope

Abb. 1: In den letzten 18 Jahren stieg der Anteil Zahnärztinnen und Zahnärzte mit ausländischem Diplom von 14 Prozent auf 29 Prozent (Mehr-fachantworten mög-lich).

2001 (2164)

2012 (1428)

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0% 20% 40% 60% 80% 100%

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Ausländisches Diplom Schweizerisches Staatsexamen

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über ein ausländisches Diplom (34%) als Zahnärzte (27%).Besassen 2001 die über 60-jährigen Zahn-mediziner am häufigsten ein ausländisches Diplom, sind es heute Behandler im Alter zwischen 36 und 45 Jahren (40%). Zahn-ärztinnen und Zahnärzte mit ausländi-schem Diplom haben sich seit 2012 vor allem in der Westschweiz und im Tessin niedergelassen. Während die Zunahme in der Deutschschweiz mit drei Prozent-punkten moderat ausfiel, wuchs der An-teil an praktizierenden Zahnärzten mit ausländischen Diplomen in der Romandie um 18 und im Tessin gar um 25 Prozent-punkte. In den Zahnarztzentren stellen die Absolventen ausländischer Universi-täten mit 67 Prozent die deutliche Mehr-heit (2012: 58%). Sie haben im Schnitt weniger Berufserfahrung als ihre Schwei-zer Kollegen in Einzelpraxen und Praxis-gemeinschaften.Gemäss der Umfrage 2019 schlossen rund vier von zehn Zahnärzten (42%) mit ausländischem Diplom das Studium in Deutschland ab, ein leichter Rücklauf gegenüber 2012 (46%). Dagegen nahm der Anteil an ausländischen Diplomen aus anderen westeuropäischen Ländern seit 2012 von 4 auf 13 Prozent deutlich zu.

Eigene PraxisSechs von zehn Befragten arbeiten heute in einer Einzelpraxis (60%). Bei der letz-ten Erhebung im Jahr 2012 waren es noch 71 Prozent. Rund ein Viertel prak-tiziert in Praxisgemeinschaften (22%).

Sechs Prozent sind an einer Universität beschäftigt, fünf Prozent in einem Zahn-arztzentrum und drei Prozent in einer Schul- oder Volkszahnklinik (Abb. 2). Zahnärzte praktizieren signifikant häufi-ger in Einzelpraxen als Zahnärztinnen (64% vs. 51%). Dagegen ist in Praxisge-meinschaften und Zahnarztzentren der Frauenanteil mit rund 40 Prozent um mehr als zehn Prozentpunkte höher als in Einzelpraxen. Der Anteil an Praxis-inhabern ist in den letzten sieben Jahren deutlich gesunken (2019: 68%; 2012: 89%). Ein Grund: 70 Prozent der SSO-Mitglieder, aber nur 52 Prozent der Nichtmitglieder betreiben eigene Pra-xen. Allerdings gibt es sprachregionale Unterschiede: In der Deutschschweiz und der Romandie geben noch zwei von drei Zahnärztinnen und Zahnärzte an, eine eigene Praxis zu führen. Im Tessin praktizieren mit 79 Prozent deutlich mehr Behandler in eigenen Räumlich-keiten. Die meisten (69%) sind als Ein-zelfirmen organisiert. Auch Aktien-gesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) sind verbreitet (20%). Praxisinhaber in der Schweiz haben eine grosse Berufserfah-rung. Sie führen ihre Praxen im Durch-schnitt seit 15,6 Jahren (2012: 16,5 Jahre; 2001: 16,4 Jahre). Es fällt aber auf, dass sich Zahnärztinnen und Zahnärzte mehr Zeit mit der Praxisgründung las-sen: Gaben die Befragten 2001 noch an, nach durchschnittlich 4,8 Jahren eine eigene Praxis zu eröffnen, verstreichen heute im Schnitt 7,8 Jahre vom Staats-

examen bis zum Schritt in die berufliche Selbstständigkeit.

ArbeitsbeanspruchungDie durchschnittliche Arbeitsbelastung ist seit 2012 von 42,9 auf 40,8 Stunden pro Woche gesunken. Knapp zwei Drittel der praktizierenden Zahnmediziner ar-beiten zwischen 36 und 50 Stunden pro Woche. 1994 waren es noch 73 Prozent. Dass die durchschnittliche Arbeitsbean-spruchung weiter abnimmt, hängt unter anderem mit dem höheren Anteil an Teilzeitbeschäftigten zusammen. So arbeiten 47 Prozent der Zahnärztinnen höchstens 35 Stunden pro Woche. Jün-gere arbeiten länger als ältere. Unter 35-Jährige arbeiten 39,6 Stunden, wäh-rend die über 65-Jährigen im Schnitt 34,1 Stunden arbeiten. Die höchste Be-lastung weisen die 46- bis 55-Jährigen auf. Sie arbeiten im Schnitt über 42 Stun-den pro Woche.Die Arbeitsbeanspruchung ist von Arbeits-ort zu Arbeitsort unterschiedlich: Zahn-mediziner an Universitätskliniken arbei-ten mit 45 Stunden pro Woche deutlich mehr als ihre Kollegen in einer Einzelpra-xis (41,8 Stunden), in Zahnarztzentren (38,8 Stunden) oder in Praxisgemein-schaften (38,7 Stunden). Die Ergebnisse sind allerdings mit Vorsicht zu interpre-tieren, da manche Zahnmediziner an mehreren Orten praktizieren.Betrachten wir sämtliche Arbeitsorte zu-sammen, hat sich in den letzten 25 Jahren neben der durchschnittlichen Arbeits-belastung pro Woche auch die Behand-

2012 (1428) 2019 (1903)

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

71%

23%

5%3% 2%

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22%

6% 5%3%

Einzelpraxis Praxisgemeinschaft Universität Zahnarztzentrum Schul-/Volkszahnklinik

Abb. 2: Sechs von zehn Befragten arbei-ten in einer Einzelpra-xis. Rund ein Viertel praktiziert in Praxis-gemeinschaften (Mehrfachantworten möglich).

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lungszeit reduziert. 1994 gaben 48 Pro-zent der Befragten an, zwischen 36 und 40 Stunden am Patienten zu arbeiten, heute sind es noch 30 Prozent (2001: 45%, 2012: 36%). Auch die durchschnitt-lichen Behandlungsstunden sind von 35,7 Stunden (1994) auf 32,7 Stunden pro Woche gesunken (2001: 36 Stunden, 2012: 34,8 Stunden).

Aufteilung der PraxiszeitEin Drittel der Praxiszeit entfällt aktuell auf die allgemeinen zahnmedizinischen Fachbereiche (33%). Bei Zahnärztinnen (31%), in Einzelpraxen tätigen Zahnärz-ten (29%) und Behandlern in der Roman-die (31%) fallen die allgemeinen Fachbe-reiche etwas weniger ins Gewicht. Die übrige Arbeitszeit verteilt sich relativ gleichmässig auf verschiedene Fachge-biete und die Administration. Bei den Spezialgebieten sind Kieferorthopädie und Chirurgie leicht bedeutender als festsitzende Prothetik, abnehmbare Pro-thetik, Kronen/Brücken und Implanto-logie. Zahnärztinnen engagieren sich stärker in der Kinderzahnmedizin als Zahnärzte. Letztere bieten dafür mehr kieferorthopädische, chirurgische und endodontologische Behandlungen an als ihre weiblichen Kolleginnen. 30 Prozent der befragten Zahnärztinnen und Zahn-ärzte geben an, auch kieferorthopädische Eingriffe vorzunehmen. Fachzahnärzte für Kieferorthopädie arbeiten nicht selten als reine Spezialisten: 115 Befragte ver-richten ausschliesslich (zwischen 91 und

100 Prozent der Praxiszeit) kieferortho-pädische Arbeiten.

Schulzahnpflege und AlterszahnpflegeDer Anteil der Zahnärztinnen und Zahn-ärzte, die sich in der Schulzahnpflege engagieren, hat sich seit 1994 kaum verändert (2019: 52%, 2012: 52%, 2001: 51%, 1994: 50%). Rund die Hälfte der befragten Zahnmediziner setzt sich für die Förderung der oralen Gesundheit an Schweizer Schulen ein (Abb. 3). Es sind vor allem Behandler in Einzelpraxen oder Praxisgemeinschaften sowie solche aus Orten mit weniger als 50 000 Ein-wohnern, die sich für das zahnmedizini-sche Wohl von Schülerinnen und Schü-lern einsetzen. Markant weniger aktiv ist die Zahnärzteschaft von Universitäts-kliniken (24%) und Zahnarztzentren (23%). Es lassen sich auch sprachregionale Un-terschiede feststellen. In der Deutsch-schweiz (57%) leisten mehr Zahnärz-tinnen und Zahnärzte Einsatz für die Schulzahnpflege als in der Romandie (34%). Allerdings ist der Stellenwert der Schulzahnpflege hier in den letzten acht-zehn Jahren deutlich gewachsen (2019: 34%, 2012: 28%, 2001: 15%). SSO- Mit-glie der (55%) sind signifikant engagierter in der Schulzahnpflege als Nichtmitglie-der (33%). Rund die Hälfte der Befragten gibt an, in der Alterszahnmedizin tätig zu sein. Je jünger die Zahnmediziner sind, desto häufiger setzen sie sich für die Bedürfnis-

se der ältesten Patientengruppe und ihre zahnmedizinischen Probleme ein.

Technische EinrichtungenIn nahezu allen Zahnarztpraxen stehen heute Röntgenanlagen (93%). Die Anla-gen sind in den meisten Fällen digital (73%, analog: 29%). Generell beobachten wir ein technisches Aufrüsten: OPT-Ge-räte (74%), Lasergeräte (41%), optische Abdrucksysteme (24%), Cerec (23%) sowie Fernröntgen (24%) finden grössere Verbreitung als noch 2012. Mittlerweile verwalten gut sechs von zehn Zahnarzt-praxen ihre Patientendossiers elektro-nisch (2012: 42%). Jüngere Zahnärzte verfügen über mehr Apparaturen als ältere. Die Einzelpraxis ist spärlicher mit technischen Geräten ausgerüstet als das Zahnarztzentrum. Der Ausrüstungs-stand korreliert dabei mit der Grösse des Patientenstamms: je mehr Patienten, desto mehr Geräte. Interessant sind die sprachregionalen Unterschiede: Während in Deutsch schwei zer Zahnarztpraxen häufiger Lasergeräte, DVT und Cerec ins-talliert sind, setzen Zahnarztpraxen in der Romandie auf Fernröntgen und elek-tronische Patientendossiers. In Tessiner Praxisräumen stehen vergleichsweise mehr OPT-Geräte.

Beschäftigung von PraxispersonalEine durchschnittliche Schweizer Zahn-arztpraxis beschäftigt heute 7,8 Ange-stellte (ohne Praxisinhaber/Zahnarzt/-ärztin), was rund vier Vollstellen ent-

Abb. 3: Rund die Hälfte der befragten Zahn-mediziner setzt sich für die Förderung der oralen Gesundheit an Schweizer Schulen ein.

50 51 52 52

50 49 45 48

1994 (2013) 2001 (2164) 2012 (1428) 2019 (1903)0%

20%

40%

60%

80%

100%

Ja Nein keine Antwort

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spricht. Der durchschnittliche Personal-bestand ist damit in den vergangenen 25 Jahren weiter gestiegen (2012: 6,4 Per-sonen und rund 4 Vollzeitstellen; 2001: 4,2 Personen und 3 Vollstellen; 1994: 3,8 Personen und 2,8 Vollstellen). Am meisten Stellen, im Schnitt 3,3 pro Pra-xis, entfallen auf Dentalassistentinnen (DA). Sie sind heute in fast allen Praxen vertreten (96%). Ihr Beschäftigungsgrad ist – über alle Zahnarztpraxen betrach-tet – zwischen 2012 und 2019 nur noch leicht von 178 auf 185 Prozent gestiegen. Neben dem Zuwachs an DA werden heu-te auch mehr Dentalhygienikerinnen be-schäftigt. Nicht nur ihre Anzahl hat sich seit 1994 von 0,7 auf 1,4 Stellen verdop-pelt, sondern auch der Beschäftigungs-grad ist um 19 Prozentpunkte auf durch-schnittlich 55 Stellenprozente gestiegen. Bei den Prophylaxeassistentinnen hat sich das Anstellungsverhältnis weiter erhöht. Mittlerweile beschäftigen 46 Pro-zent der Praxen mindestens eine Pro-phylaxeassistentin, 1994 waren es erst sechs Prozent. Schweizer Zahnarztpra-xen stocken nicht nur ihr Praxispersonal auf, sie sind auch zuverlässige Ausbil-dungsstätten. Knapp sechs von zehn Zahnarztpraxen bilden heute Lernende aus. Die Lernen-den machen mit 0,9 Beschäftigten pro Praxis die drittgrösste Personalkatego-rie aus (2001: 0,7 Personen in 55% der Praxen; 2012: 0,9 Personen in 60% der Praxen). Zahntechniker dagegen sind nahezu aus den Zahnarztpraxen ver-schwunden. Nur noch drei Prozent der

Zahnarztpraxen beschäftigen heute Zahntechniker.

AssistenzstellenVier von zehn Zahnarztpraxen (2012: 32%) beschäftigen heute einen Assisten-ten oder eine Assistentin. Praxisgemein-schaften (50%), Universitäten (57%) und Zahnarztzentren (60%) stellen häufiger Assistenten an als Einzelpraxen (38%). Der sprachregionale Vergleich macht aber deutlich: Praxisinhaber aus der Deutsch-schweiz (2019: 41%, 2012: 36%, 2001: 30%) und der Romandie (2019: 40%, 2012: 28%, 2001: 12%) fördern den Nach-wuchs häufiger als ihre Kolleginnen und Kollegen aus dem Tessin (2019: 26%, 2012: 19%, 2001: 3%). Die aktuellen Resultate signalisieren aber, dass auch Praxisinhaber aus dem Tessin vermehrt auf den Nachwuchs setzen.Über die Hälfte der Praxisinhaber gibt heute an, keinen Assistenten zu beschäf-tigen. Als Hauptgrund nennen sie das reduzierte Arbeitsvolumen (2019: 57%, 2012: 40%, 2001: 31%, 1994: 38%). Gegen die Anstellung von Assistenten sprechen auch finanzielle Gründe, kein Bedarf oder fehlende Praxisräume. Er-freulicherweise scheinen sich die Re-krutierungsprobleme, die bei früheren Erhebungen vorgebracht wurden, zu verringern: Nur noch sechs Prozent der Befragten finden keine Assistenten, drei Prozent bemängeln die fachlichen Quali-täten und die Arbeitseinstellung, zwei Prozent haben schlechte Erfahrungen gemacht.

Wünsche betreffend PraxispersonalIn sechs von zehn Zahnarztpraxen ent-spricht der aktuelle Personalbestand den Vorstellungen des Praxisinhabers bzw. der Praxisinhaberin. Es wird kein zusätz-liches Personal gewünscht.Besonders ältere Zahnärztinnen und Zahnärzte äussern weniger Personal-wünsche. Sieben von zehn der über 56-Jährigen sind mit dem aktuellen Per-sonalbestand zufrieden. Jüngere Kolle-ginnen und Kollegen sehen beim Praxis-personal noch Optimierungspotenzial (bis 35-Jährige: 43%). Dentalhygienike-rinnen sind am meisten gefragt. Jeder vierte Praxisinhaber wünscht sich heute eine zusätzliche Dentalhygienikerin. Bei den weiteren Personalkategorien herrscht kaum mehr Bedarf. Nur eine Minderheit von Zahnarztpraxen fragen Prophylaxeassistentinnen (10%), Den-talassistentinnen (6%) und Zahn arzt-assis ten ten (6%) nach (Abb. 4). Doch der Blick in die Sprachregionen zeigt bemerkenswerte Unterschiede. Praxis-inhaber in der Romandie möchten ihr Personal signifikant häufiger (13% vs. Deutschschweiz: 4%, Tessin: 11%) künf-tig durch einen Praxisassistenten ergän-zen.

Wie bilden sich Zahnärzte in der Schweiz weiter? Welche Fortbildungsangebote fragen sie nach? Welche Anforderungen stellen Pa-tienten an ihre Behandler? Und wie beurtei-len die SSO-Mitglieder die SSO-Publikatio-nen? Darüber berichten wir in der nächsten Ausgabe des SDJ.

2019 (1287) 2012 (1273) 2001 (1865)

mehr DH

mehr Prophylaxe-Assistentinnen

mehr Dentalassistentinnen

mehr Assistenten

mehr SSO-Praxisadministratorinnen

mehr übriges administratives Personal

kein zusätzliches Praxispersonal

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80%

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39%

Abb. 4: Jeder vierte Praxisinhaber wünscht sich heute eine zu-sätzliche Dentalhygie-nikerin. Bei den weite-ren Personalkategorien herrscht kaum mehr Bedarf (Mehrfachant-worten möglich).

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Exklusives Treffen mit Bundesrat Ignazio CassisAn einem Seminar des Liberalen Instituts im Jahr 2017 zu Lenkungsstrategien im Ge-sundheitswesen konnte ich mich mit Ignazio Cassis, damals noch Nationalrat, unterhal-ten. Seine profunden Kenntnisse und sein Verständnis unseres historisch gewachse-nen Gesundheitssystems beeindruckten mich.Im Rahmen meines Engagements für die SSO konnte ich – als besonderes Privileg – ein informelles, persönliches Treffen mit Bun-desrat Ignazio Cassis organisieren. Dabei waren seine persönliche Mitarbeiterin Anna

Fazioli, drei Vertreter der SSO – Präsident Dr. Jean- Philippe Haesler, Generalsekretär Simon Gassmann und ich – sowie drei Dele-gierte des Liberalen Instituts, darunter des-sen Direktor Pierre Bessard.Der Austausch war faszinierend und bein-haltete philosophische Betrachtungen, etwa zur Rolle der liberalen Vision in der moder-nen Schweizer Gesellschaft und der politi-schen Landschaft, aber auch konkretere Fragen wurden diskutiert, insbesondere die Herausforderungen des freien Personenver-kehrs und wie man mit der automatischen

Anerkennung von Diplomen und der Attrak-tivität der Schweiz als Arbeitsort umgehen könnte.Für die SSO ist es eine grosse Chance, Kon-takte auf so hoher Ebene pflegen zu können und ihre Präsenz auf dem politischen Par-kett zu stärken. Zudem war das Gespräch in herzlicher und natürlicher Atmosphäre an sich eine Freude.

Text: Olivier Marmy Mitglied des SSO-Zentralvorstands, Departement Information

Von links nach rechts: Sandro Piffaretti (Liberales Institut), Olivier Marmy (SSO), Anna Fazioli (EDA), Bundesrat Ignazio Cassis, Jean-Philippe Haesler (SSO), Pierre Bessard (Liberales Institut), Loïc Hautier (Liberales Institut), Simon Gassmann (SSO)

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Christoph Senn, die SSO passt ihr Geschäftsmodell mit den digitalen Listen auf sso-jobs.ch an. Registrierte Stellensuchende können jetzt kostenlos Inserate aufgeben und Stellenangebote ansehen. Was hat die SSO zu diesem Schritt bewogen?Wir wollen sso-jobs.ch langfristig im Markt positionieren. Das bestehende Modell, so unsere Erfahrungen, wird heutigen Kun-denbedürfnissen zu wenig gerecht. Es haben sich Branchen-standards etabliert, denen sich auch die SSO nur schwer ent-ziehen kann. Dank der Anpassung soll das Portal dynamischer werden und Austauschprozesse beschleunigen. Damit dies ge-lingt, muss sso-jobs.ch bei den Zielgruppen noch sichtbarer werden und mehr Reichweite generieren. Eine Kommunika-tionskampagne ist in Planung.

Zahlreiche digitale Stellenportale buhlen um die Gunst der Inseren-ten. Wie will die SSO künftig bei den Zielgruppen punkten?Mit Branchenkenntnissen und massgeschneiderten Lösungen. Wir müssen unsere Wettbewerbsvorteile noch besser nutzen. SSO-Jobs ist das Stellenportal von Schweizer Zahnärzten für Schweizer Zahnärzte. Keiner kennt die Bedürfnisse der Zahn-ärzte und des Praxisteams so gut wie wir. Ideen, die aktuell dis-kutiert werden: Stellenangebote für Staatsexamensabsolventen speziell markieren sowie Angebote schaffen für die Zahnärzte, die ihre Praxis übergeben wollen.

Die SSO-Stellenvermittlung ist nur ein Angebot für Mitglieder unter vielen. Welche Strategie verfolgt die SSO mit ihrem Mitgliedermar-keting?Wir möchten unseren Mitgliedern, egal, wo sie sich in ihrer be-ruflichen Karriere befinden, attraktive Angebote unterbreiten. Für Studierende ist die Verbandsmitgliedschaft gratis. Assis-tenzzahnärzte kommen in den Genuss von günstigen Fortbil-dungen, und Praxisinhaber profitieren von Preisnachlässen bei ausgewählten Partnern – vom Autohersteller über Anbieter von Bürobedarf und Innenausstattungen bis hin zu Engros-Märkten. Zum Beispiel können SSO-Mitglieder – als Gewerbetreibende – bei Transgourmet eine Kundenkarte bestellen und damit in allen Prodega-Märkten in der Schweiz günstiger einkaufen.

Millennials, eine andere Bezeichnung für «Generation Y», stellen heute 35 Prozent der werktätigen Bevölkerung dar. Diese Entwick-lung wirkt sich auch auf Berufsverbände wie die SSO aus. Wie trägt die SSO den Bedürfnissen der jungen Zahnärztegeneration Rech-nung?Die nachkommende Zahnärztegeneration hat andere Bedürf-nisse und Vorstellungen als wir. Deshalb hören wir zu. Wir

laden junge Zahnärztinnen und Zahnärzte zu Workshops ein. Gemeinsam identifizieren wir aktuelle Herausforderungen und skizzieren künftige Lösungsansätze. Es zeigt sich: Die Jungen hinterfragen den Sinn der Verbandsmitgliedschaft stärker und wollen überzeugt werden.

Welches Angebot können Sie besonders empfehlen?Jeder SSO-Praxisinhaberin und jedem SSO-Praxisinhaber rate ich, sich Medisuisse anzuschliessen. Denn Verbandsmitglieder bezahlen bei unserer AHV-Ausgleichskasse vergleichsweise tiefe Beiträge. Die Einsparung entspricht in etwa der jährlichen SSO-Mitgliedschaftsgebühr! Dies ist noch viel zu wenigen Kol-leginnen und Kollegen bekannt.

«Wettbewerbs-vorteile besser nutzen»

Künftig können Stellensuchende SSO-Jobs kostenlos nutzen. Was sich die SSO von diesem Schritt verspricht und wie sie die Bedürfnisse ihrer Mitglieder künftig befrie-digen will, erklärt Christoph Senn, Verant-wortlicher für die SSO-Mitgliederangebote.

Interview und Grafik: Markus Gubler, Presse- und Informations-dienst SSO

SSO-Mitglieder profitieren von Preisnachlässen bei ausgewählten Partnern – vom Autohersteller über Anbieter von Bürobedarf und Innenausstattungen bis hin zu Engros-Märkten.

Die SSO: eine Mitgliedschaft, viele Vorteile

SSO-Mitglieder profitieren neben zahlreichen eigenen Services und Dienstleistungen von attraktiven Vorzugskonditionen bei Grosshändlern und ausgewählten Unternehmen. Weitere Infor-mationen finden Sie im Mitgliederbereich der SSO-Website unter: Unsere SSO > Angebote für Mitglieder.

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Eine Füllung legen, ein Implantat setzen, die professionelle Zahnreinigung mit Handinstrumenten oder eine Röntgen-aufnahme machen – jeder Zahnarzt ver-wendet täglich Medizinprodukte. Aber wer ist verantwortlich, dass diese Pro-dukte und Geräte in der Schweiz zugelas-sen sind und dass sie einwandfrei funk-tionieren?

Private Stellen prüfen die SicherheitZu den Medizinprodukten zählen gemäss Heilmittelgesetz (HMG) Produkte, die für die medizinische Verwendung bestimmt sind oder angepriesen werden, deren Hauptwirkung jedoch nicht durch ein Arzneimittel erreicht wird. Anders als Medikamente werden Medizinprodukte in der EU – und auf Basis bilateraler Ab-kommen auch in der Schweiz – nicht von den Behörden zugelassen. Sondern der Hersteller führt in Eigenverantwortung ein Konformitätsbewertungsverfahren durch, bei dem je nach Risikoklasse des Produkts noch eine Konformitätsbewer-tungsstelle beigezogen werden muss, die bei erfolgreicher Prüfung der Unterlagen des Herstellers dem Hersteller ein EG-Zertifikat ausstellt. Als konform beurteilte

Produkte erhalten durch den Hersteller eine CE-Markierung. Damit darf der Her-steller oder Vertreiber das Medizinpro-dukt in der Schweiz und in der EU ver-markten und verkaufen.Hierzulande ist das Schweizerische Heil-mittelinstitut Swissmedic zuständig für die Marktüberwachung der Medizinpro-dukte. Es bezeichnet und überwacht die Konformitätsbewertungsstellen und führt Inspektionen bei Medizinproduk-teakteuren durch. In der Schweiz gibt es ab dem 1. November 2019 nur noch eine Konformitätsbewertungsstelle für Medi-zinprodukte: SQS, Schweizerische Ver-einigung für Management-Systeme in Zollikofen.

Die Sorgfaltspflicht des ZahnarztesWorauf muss ein Zahnarzt achten, wenn er Medizinprodukte für seine Praxis ein-kauft? «Grundsätzlich trägt der Herstel-ler die Verantwortung für die einwand-freie Qualität und Konformität der Medi-zinprodukte», erklärt Lukas Jaggi von Swissmedic. Bei der Wahl der Lieferan-ten und der Produkte hätten Zahnärztin-nen und Zahnärzte aber eine Mitverant-wortung, gestützt auf die allgemeine

Sorgfaltspflicht im Heilmittelgesetz. Jaggi empfiehlt deshalb allen Praxis-inhabern regelmässig zu prüfen, ob die bestellten Produkte die geltenden re-gulatorischen Anforderungen erfüllen. Auch sollten Zahnärzte die Belege für die Produktekonformität prüfen und aufbe-wahren. Auf der Website von Swissmedic finden Interessierte Informationsdoku-mente für Gesundheitseinrichtungen, wie Spitäler, Arzt- oder Zahnarztpraxen (siehe Kasten).

Defekte Medizinprodukte meldenDer Arzt oder Zahnarzt hat noch eine weitere wichtige Pflicht: Gemäss Medi-zinprodukteverordnung muss jede Per-son, die ein Medizinprodukt weiter in Verkehr bringt, an der Überwachung der Sicherheit der in Verkehr gebrachten Pro-dukte mitwirken. Dazu sammelt sie Be-anstandungen und relevante Erfahrun-gen über Anwendung und Wirksamkeit und liefert diese an das Produktbeobach-tungssystem des Herstellers. Stellt der Arzt oder Zahnarzt (Fachperson) bei der Anwendung des Medizinproduktes ein schwerwiegendes Vorkommnis fest, so muss er dies Swissmedic melden (swiss-medic.ch > Medizinprodukte > Vorkomm-nisse & FSCA melden [Materiovigilance]). Dabei geht es zum Beispiel um Produkte, deren Sterilverpackung kaum erkenn-bare Schäden aufweist, oder um Geräte, die nicht gemäss Gebrauchsanweisung des Herstellers funktionieren. Diese Meldung kann auch durch eine Fach-gesellschaft erfolgen. 2018 wurden Swiss-medic insgesamt 2488 Vorkommnisse gemeldet.Die Meldung des schwerwiegenden Vor-kommnisses ist auch dann vorzunehmen, wenn offensichtlich das Leben oder die Gesundheit einer Vielzahl von Personen unmittelbar schwerwiegend gefährdet sein könnte.

Medizinprodukte: Welche Verant-wortung trägt der Zahnarzt?

Zahnmediziner setzen bei ihrer Arbeit täg-lich Medizinprodukte ein. Was viele nicht wissen: Es liegt auch in der Verantwortung des Zahnarztes, dass kein Patient durch ein fehlerhaftes Medizinprodukt zu Schaden kommt.

Text: Andrea Renggli, Redaktorin SDJ/pd; Foto: Istock

Heilmittel, Arzneimittel und Medizinprodukte

Heilmittel werden in zwei Gruppen unterteilt: Arzneimittel und Medizinprodukte. Arznei-mittel sind Produkte chemischen oder biologischen Ursprungs, die zur medizinischen Einwirkung auf den menschlichen oder tierischen Organismus bestimmt sind oder an-gepriesen werden. Medizinprodukte sind ebenfalls für die medizinische Verwendung bestimmt, die Hauptwirkung wird jedoch nicht durch ein Arzneimittel erreicht. Zu den Medizinprodukten zählen auch Instrumente, Apparate, In-vitro-Diagnostika, Software und andere Gegenstände bzw. Stoffe. Mundpflegemittel wie Zahnpaste und Zahnbürste gelten in den meisten europäischen Ländern als Kosmetika, obwohl sie der Definition der Medizinprodukte entsprechen. Auch Zahnbleichmittel gehören gesetzlich gesehen zu den Kosmetika. Zahnbleichmittel mit einer Wasserstoffperoxidkonzentration ab 0,1 Prozent müssen jedoch mit Warnhinweisen versehen werden.

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Wer übernimmt die Verantwortung, wenn der Anwender des Medizinpro-dukts den Mangel nicht rechtzeitig be-merkt? Zum Beispiel, wenn fehlerhafte Implantate oder nicht richtig funktionie-rende Geräte einem Patienten Schaden zugefügt haben? «In diesem Fall haftet primär der Hersteller des Produkts oder das Unternehmen, das das Medizinpro-dukt in Verkehr gebracht hat, und nicht die medizinische Fachperson», erklärt Lukas Jaggi. «Haftungsfragen sind aber nicht Teil des Heilmittelgesetzes, sondern Teil anderer Rechtsvorschriften wie des Produktehaftpflichtgesetzes (PrHG) oder des Bundesgesetzes über die Produkte-sicherheit (PrSG).» Hat der Hersteller Kenntnis von einem schwerwiegenden Vorkommnis im Zusammenhang mit sei-nem Produkt, so trifft er die notwendigen internen Massnahmen sowie Sicherheits-massnahmen an dem in Verkehr befindli-chen Produkt, zum Beispiel einen Rück-ruf, zur Verminderung des Risikos. Aber auch die Behörde kann im Rahmen einer Verwaltungsmassnahme veranlassen, dass ein Medizinprodukt vom Markt genommen wird.

Verschärfung ist bereits beschlossenEnde 2018 schreckte eine journalistische Recherche über die Sicherheit von Medi-zinprodukten die Öffentlichkeit auf («Im-plant Files»). Investigative Journalisten aus 36 Ländern entdeckten Lücken bei der Kontrolle von Implantaten. Beispielsweise wurden nicht ausreichend klinisch ge-prüfte Vaginalnetze oder Bandscheiben-prothesen eingesetzt. Auch wurde die

Unabhängigkeit der Prüfstellen infrage gestellt, weil der Hersteller die Prüfung in Auftrag gibt und sie auch bezahlt.Die Veröffentlichung sorgte für einigen Wirbel. Allerdings hatte es bereits in den Jahren zuvor Vorkommnisse und Skan-dale um Medizinprodukte wie undichte Silikon-Brustimplantate oder fehlerhafte

Hüftprothesen gegeben. Deshalb ver-schärften die EU und die Schweiz bereits 2013 und 2017 ihre Überwachungsme-chanismen. Unter anderem wurden die Anforderungen für die Bezeichnung und Überwachung der Konformitätsbewer-tungsstellen verschärft – in der Folge ha-ben mehrere Prüfstellen ihre Tätigkeiten eingestellt. Im Rahmen der aktuell lau-fenden Revision des Medizinprodukte-rechts übernimmt die Schweiz weitere, strengere Vorschriften der EU.

Unabhängige Experten und eine zentrale DatenbankDie Anforderungen an die klinische Be-wertung werden dadurch deutlich er-höht. Gewisse Produkte der höchsten Risikoklassen werden zusätzlich durch ein unabhängiges internationales Exper-tengremium wissenschaftlich begutach-tet. Nach der Markteinführung muss der Hersteller die Sicherheit des Produkts kontinuierlich überprüfen, dokumentie-ren und Berichte erstellen. Alle Produkte müssen künftig zur Identifizierung mit einer UDI-Nummer (Unique Device Iden-tification) versehen sein. Diese wird in eine zentrale europäische Datenbank eingetragen. Die Anpassungen sollen ab 2020 in Kraft treten.

Grundsätzlich trägt der Hersteller die Verantwortung für die einwandfreie Qualität und Konformität der Medizinprodukte. Bei der Wahl der Lieferanten und der Produkte tragen Zahnärztinnen und Zahnärzte aber eine Mitverantwortung.

Bedeutender Wirtschaftsfaktor

Die Entwicklung und Herstellung von Medizinprodukten sind in der Schweiz ein bedeu-tender Wirtschaftsfaktor. Rund 1400 Unternehmen mit gut 58 000 Angestellten sind in diesem Sektor tätig. Fast die Hälfte der Exporte gehen in die EU. Insgesamt sind rund 500 000 Medizinprodukte und 40 000 In-Vitro-Diagnostika auf dem europäischen Markt.

Merkblätter für Behandler

Auf der Website von Swissmedic finden Interessierte viele Informationen, Dokumente und Erklärvideos: swissmedic.ch/md. Unter anderem ist auch ein Merkblatt mit Check-liste erhältlich, das Anwender im Beschaffungsprozess von Medizinprodukten unter-stützt: swissmedic.ch > Medizinprodukte > Beschaffung, Wiederaufbereitung & Instand-haltung > MB Beschaffung von Medizinprodukten in Gesundheitseinrichtungen.Um zu entscheiden, ob ein Mangel an einem Produkt schwerwiegend ist, stellt Swiss-medic ebenfalls Unterlagen zur Verfügung: swissmedic.ch > Medizinprodukte > Vor-kommnisse & FSCA melden (Materiovigilance) > Anwender & Betreiber.

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Vereinzelt stehen noch Umzugskartons in den Gängen, und es riecht nach neuen Möbeln. Das Universitäre Zentrum für Zahnmedizin Basel (UZB) wurde im Au-gust bezogen. Damit sind die soziale und die universitäre Zahnmedizin in Basel vier Jahre nach dem organisatorischen Zusam-menschluss auch räumlich vereint. Bereits zwei Wochen nach der Übernahme des Gebäudes wurden die ersten Patienten behandelt.

Moderne InfrastrukturDas UZB und die Universität Basel konn-ten den Neubau an der Mattenstrasse nach knapp dreijähriger Bauzeit termingerecht und deutlich unter dem Kostenvoranschlag von 95 Millionen Franken beziehen. Das

Gebäude bietet Platz für 89 zahnärztliche Behandlungseinheiten, Forschungslabo-ratorien für Mikrobiologie und Material-wissenschaften, eine moderne Ausbil-dungsinfrastruktur für die Studierenden sowie eine Zentralsterilisation nach neus-tem Standard. Dank Innenhöfen hat jeder Behandlungsraum Tageslicht. Die Univer-sität Basel hat weiter einen gros sen Hör-saal, Seminar- und Gruppenräume, eine Filiale der Universitätsbibliothek und eine öffentliche Cafeteria realisiert. Das UZB nutzt 73 Prozent, die Universität Basel (Departement Umweltwissenschaften) 27 Prozent der verfügbaren Flächen.85 Zahnärztinnen und Zahnärzte arbeiten in dem Neubau und über hundert Den-talhygienikerinnen, Prophylaxeassisten-

tinnen und Dentalassistentinnen. Wäh-rend der Semester werden rund 85 Stu-dierende der Zahnmedizin ausgebildet. 35 ausgebildete Zahnärztinnen und Zahn-ärzte verbringen ihre Assistenzzeit im UZB, ein Teil von ihnen absolviert eine Weiterbildung. Privatzahnärztinnen und -zahnärzte werden von einem attraktiven Fortbildungsangebot profitieren.

Zahnmedizin für die ganze BevölkerungRaymond Cron, Verwaltungsratspräsi-dent des UZB, sagte an der Eröffnungs-feier vor geladenen Gästen: «Der Bevöl-kerung der Region Basel steht nun eine moderne Zahnklinik zur Verfügung, die das gesamte zahnmedizinische Spektrum anbietet.» Die enge Zusammenarbeit mit

Happy End nach einer turbulen-ten Geschichte

In Basel sind die Volks- und Schulzahnklinik sowie die universitären Zahnkliniken organisa-torisch und neu auch räumlich unter einem Dach untergebracht. Seit Mitte August werden im neuen Gebäude des Universitären Zentrums für Zahn medizin Basel Patienten behandelt.

Text: Andrea Renggli, Redaktorin SDJ; Fotos: zvg

Das UZB vereint die soziale und die universitäre Zahnmedizin in Basel unter einem Dach. Es ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt im Besitz des Kantons Basel-Stadt.

UN INACHRICHTEN

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der Humanmedizin garantiere den Pa-tienten eine optimale Behandlung und mache das UZB zu einem wichtigen Be-standteil des Life-Science-Standortes Basel.

«Beschwerlicher Weg hat sich gelohnt»Andrea Schenker-Wicki, Rektorin der Universität Basel, erinnerte in ihrer Rede an den beschwerlichen Weg der Zahn-medizin in dieser Stadt. «Aber es hat sich gelohnt.» 1997 wollte der Universitätsrat die Zahnmedizin an der Universität Basel schliessen. Die Basler Bevölkerung jedoch sammelte Unterschriften für den Verbleib der universitären Zahnmedizin. «Dass wir heute hier stehen, ist eine späte Wie-dergutmachung», meinte Andrea Schen-ker-Wicki. «Dieses Gebäude zeigt, wel-che Bedeutung die universitäre Zahn-medizin in Basel geniesst. So findet eine turbulente Geschichte doch noch ein Happy End.»Auch der Basler Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger zeigte sich erfreut: «Das UZB kann mit der Eröffnung des Neubaus den gesetzlichen Auftrag einer ganzheitlichen Zahnmedizin im Interesse der gesamten Bevölkerung nun voll um-setzen. Es trägt damit wesentlich bei zur medizinischen Versorgung, Lehre und Forschung in Basel.»

Der Empfangsbereich im neuen Gebäude. Bereits zwei Wochen nach der Übernahme des Gebäudes wurden im UZB Patienten behandelt.

Dank Innenhöfen hat jeder Behandlungsraum Tageslicht.

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Das neue Zentrum Sitem-Insel in Bern fördert Erzeugnisse aus der industriellen Entwicklung und Grundlagenforschung, damit die Produkte rasch für die klinische Anwendung zugelassen werden. Will sich ein Unternehmen oder eine Forschungs-gruppe in Sitem-Insel einmieten, müssen sie die translationale (Übergang von For-schungsergebnissen oder Prototypen zu Produkten auf dem Markt) Ausrichtung ihrer Arbeit nachweisen. Ein wissen-schaftliches Gremium berät den Verwal-tungsrat diesbezüglich.Die Labors der ZMK, das sogenannte Dental Research Center (DRC), erfüllen diesen Anspruch. Geforscht wird in den Bereichen orale Mikrobiologie, orale Zell-biologie, orale Molekularbiologie, orale Histologie, Kariologie und dentale Ero-sionen sowie zahnärztliche Material-kunde.

Translation hat an den ZMK TraditionTranslation ist für die ZMK nichts Neues: «Bereits in den 1970er-Jahren führte die Universität Bern mit dem Institut Strau-mann AG experimentelle Tests zu Zahn-implantaten durch», erzählt Daniel Buser, emeritierter Professor der ZMK Bern und Verwaltungsratspräsident von Sitem-Insel. Von dieser Zusammenar-beit profitierten alle Seiten: die Univer-sität durch die Publikation von Studien, der Industriepartner durch die qualita-tiv hochstehende Forschung und die Patienten durch neu entwickelte Pro-dukte. Mit dem Einzug der ZMK-Labore in die Sitem-Insel wird diese Tradition fortgeführt.

Öffentlich-private PartnerschaftSitem-Insel ist als gemeinnützige öffent-lich-private Partnerschaft (PPP) von

öffentlicher Hand, Wissenschaft und In-dustrie organisiert. «Diese Zusammen-arbeit in einem Zentrum ist auch inter-national einzigartig», sagte der Berner Regierungspräsident und Volkswirt-schaftsdirektor Christoph Ammann an der Eröffnung. Rund 40 Prozent des Ge-bäudes werden durch private Plattfor-men genutzt, darunter Abteilungen des Pharmaunternehmens CSL Behring AG oder des Diabetes Center Berne. Weitere 40 Prozent sind durch öffentliche Platt-formen besetzt, etwa von der Insel-Gruppe oder der Universität Bern. Die verbleibenden 20 Prozent nutzt Sitem-Insel selbst für Schulungen und Promo-tion.Die insgesamt 22 000 Quadratmeter Fläche von Sitem-Insel sind bereits ver-geben, auch wenn erst in einem Drittel des Gebäudes gearbeitet wird. Bis 2020 wird das ganze Gebäude durch rund 600 Personen bezogen sein, erklärt Simon Rothen, CEO der Sitem-Insel AG.

Kommunikation und Transparenz«Spitzenleistungen sind nur im Team möglich», weiss Daniel Buser. Deshalb ist die Architektur des fünfstöckigen Glasbaus – der in der Rekordzeit von knapp zwei Jahren gebaut wurde – so angelegt, dass die Menschen sich begeg-nen und kommunizieren können. Trans-parenz, Offenheit und die Möglichkeit zur Verständigung widerspiegeln sich im Gebäude mit der Glasfassade gegen aus-sen und mit vertikalen und horizontalen Durchsichten im Innern.Beim Innenausbau wurden die Bedürf-nisse der künftigen Mieter berücksich-tigt. Das Gebäude enthält Labore, Werk-stätten, Büros, ein Restaurant, Schu-lungsräume und sogar Wohnräume für die Durchführung von klinischen Versu-chen.

Einzigartige Kooperation von Forschung und Industrie

Ende August öffnete Sitem-Insel, ein Zen-trum für translationale Medizin auf dem Areal des Inselspitals in Bern, seine Türen. Zu den Mietern gehören auch die fünf Labors der Zahnmedizinischen Kliniken (ZMK) der Universität Bern.

Text: Andrea Renggli, Redaktorin SDJ; Fotos: zvg

Die Verantwortlichen präsentieren das neue Zentrum für translationale Medizin (von links): Moderator Geri Staudenmann, Simon Rothen, CEO Sitem-Insel AG, der Berner Regierungspräsident Christoph Amman, Daniel Buser, Verwaltungsratspräsident von Sitem-Insel AG, Patrick Vogel, Gesamtprojektleiter, und Dan Hiltbrunner, Architekt

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Die Gesamtbaukosten von Sitem-Insel betrugen 130 Millionen Franken. Bund und Kanton haben das Projekt mit je 25 Millionen Franken als Anschubfinan-zierung unterstützt. Weitere Subventio-nen von 12 Millionen sind vorgesehen. Bis 2025 soll Sitem-Insel selbsttragend sein.

Medizinalstandort BernDer Kanton Bern will sich als führender Medizinalstandort der Schweiz mit inter-nationaler Ausstrahlung positionieren. Deshalb fördert er den Aufbau von neuen Forschungs- und Entwicklungszentren. Bern beherbergt mit dem Inselspital das grösste Universitätsspital der Schweiz, eine starke universitäre Forschung und ist ein Zentrum der Medtech-Industrie. Über 280 Unternehmen aus der Branche haben bereits heute ihren Sitz im Kanton Bern, dank Sitem-Insel sollen es bald noch einige mehr sein. «Das Zusammen-spiel von universitärer Forschung, Klinik und Wirtschaft in räumlicher Nähe auf dem Inselcampus ist entscheidend für den Erfolg des Berner Medizinalstandor-tes», sagt Christoph Ammann. «Sitem-Insel ermöglicht dies auf visionäre und effiziente Weise.»

Am Tag der offenen Tür besichtigten rund 2500 Besucherinnen und Besucher das neue Gebäude von Sitem-Insel AG.

Die Architektur des modernen Glasbaus symbolisiert Transparenz und Kommunikation.

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«Mit dem Master der ZMK Bern halten Sie ein erstklassiges Diplom in den Händen», sagte Prof. em. Daniel Buser in seiner Rede für die 36 jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte. «Im Lauf der letzten 15 Jahre haben sich die ZMK Bern zu einer der zehn weltbesten Ausbildungsstätten für Zahn-medizin entwickelt. Und Sie waren Teil dieses Teams», fuhr Buser fort. Nun gelte es, das Gelernte umzusetzen. «Dabei müssen Sie immer das Wohl des Patienten ins Zentrum stellen.» Ausserdem riet er den Absolventinnen und Absolventen, immer auf Qualität zu setzen, sowohl bei der Behandlung als auch im Umgang mit den Patienten. «Als Zahnarzt muss man die Patienten gernhaben.»

Für eine freiheitliche BerufsausübungProf. Anton Sculean, geschäftsführender Direktor der ZMK Bern, und weitere Pro-fessorinnen und Professoren überreichten den Jungzahnärzten ihre Diplome. An-schliessend konnte Dr. Oliver Zeyer vom SSO-Zentralvorstand einmal mehr den SSO-Anerkennungspreis überreichen. Der Check im Wert von 2000 Franken ging an Daniel Toneatti aus Faulensee.«Bravo, ihr habts geschafft!», gratulierte Zeyer. Und er fuhr fort: «Die SSO setzt sich dafür ein, dass auch Sie künftig Ihren Beruf freiheitlich ausüben können. Das ist nicht selbstverständlich. In unseren Nach-barländern entscheiden nämlich nicht der Zahnarzt und sein Patient über die Be-

handlung, sondern ein Schreibtischtäter bei einer Versicherung.» Um dies in der Schweiz zu verhindern, bekämpfe die SSO kantonale Initiativen, die eine obligatori-sche Zahnversicherung einführen wollen.Erstmals vergab auch die ITI-Sektion Schweiz einen Preis an die Berner Nach-wuchszahnärzte. PD Dr. Simone Janner übergab den drei besten Absolventen des Jahrgangs, Carolin Mockenhaupt, Daniel Toneatti und Ronny Graf, eine Gratis-jahresmitgliedschaft der ITI.Mit der Übergabe der MAS-Diplome, der Einladung von Nino Tosches, sich doch als Mitglied im Alumniverein VEB einzu-schreiben, und einem Apéro im Kursaal Bern ging die Masterfeier zu Ende.

«Bravo, ihr habts geschafft!»

36 junge Zahnärztinnen und Zahnärzte nahmen im September ihr Masterdiplom der ZMK Bern entgegen. Festredner war Prof. em. Daniel Buser, der selbst mehr als 40 Jahre an den ZMK Bern studiert, geforscht und gelehrt hat.

Text: Andrea Renggli, Redaktorin SDJ; Fotos: Myriam Cibolini, Fotografin

Die Absolventinnen und Absolventen des Zahnmedizinstudiums an den ZMK Bern

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Kaffeinsäure-Phenethylester steigert die Hämoxygenase-1, schützt vor oxidativem Schaden und wirkt entzündungshem-mend in vitro

Ziel der UntersuchungPropolis, das Bienenharz, verbessert den Parodontalstatus bei Diabetikern. Die positive Wirkung von Propolis ist mög-licherweise auf die antioxidative und entzündungshemmende Wirkung von Kaffeinsäure-Phenethylester (CAPE) zurückzuführen. Inwiefern CAPE über die Induktion von Hämoxygenase-1 bei parodontalen Zellen einer oxidativen Schädigung vorbeugen kann und entzün-dungshemmend wirkt, ist weitgehend unbekannt und Ziel dieser In-vitro-Un-tersuchung.

Material und MethodenParodontale Zellen wurden mit CAPE inkubiert. Anschliessend erfolgte ein Screening anhand einer Microarray-Ana-lyse. Die Expression der Zielgene wurde mittels RT-PCR und Western Blot erfasst. Wasserstoffperoxid und Speichel wurden verwendet, um die antioxidative und entzündungshemmende Wirkung von CAPE zu testen. Die Aktivität von Häm-oxy ge nase-1 wurde mit Protoporphyrin (SnPP) blockiert und die Beteiligung von Nrf2 mit Zellen aus Knock-out-Mäusen untersucht. Verwendet wurden Makro-phagen, mesenchymale sowie epitheliale Zellen.

ErgebnisseCAPE bewirkte einen signifikanten Anstieg von Hämoxygenase-1 und der Hitze schockproteine Hspa1a, Hspa1b und Hspa5. Makrophagen aus Nrf2-Knock-out-Mäusen zeigten diesen Anstieg nicht. Auf funktioneller Ebene reduzierte SnPP die protektive Wirkung von CAPE bei oxidativer Schädigung durch Wasser-stoffperoxid. SnPP unterdrückte zudem die antiinflammatorische Wirkung von CAPE als Antwort auf Speichel, indem CAPE die Translokation von NF-kB in den Zellkern blockiert.

SchlussfolgerungCAPE steigert die Expression von Häm-oxygenase-1 in parodontalen Zellen und

bewirkt dadurch einen Schutz vor oxi-dativer Schädigung und eine Unterdrü-ckung der Entzündungsantwort in vitro. Diese Effekte sind zu einem Teil Nrf2-ab-hängig.

Die Studie wurde vom SSO-Forschungsfonds finanziell unterstützt. Gemäss den SSO-Richtlinien wird von jeder durch den SSO-Forschungsfonds unterstützten Studie eine Kurzfassung im SDJ publiziert. Die SSO un-terstützt und fördert die zahnärztliche For-schung. Sie unterhält zu diesem Zweck seit 1955 einen Fonds, aus dessen Beiträgen wissenschaftliche Projekte finanziert wer-den können. Der Fonds wird jährlich mit 125 000 Franken aus den SSO-Mitglieder-beiträgen gespeist.

SSO-Forschungsfonds

Eine In-vitro-Studie an der Universität Bern untersuchte die entzündungshemmende Wirkung von Kaffeinsäure-Phenethylester, einem Stoff, der in Bienenharz enthalten ist.

Alexandra Stähli1,2, Ceeneena Ubaidha Maheen1, Franz Josef Strauss1, Sigrun Eick2, Anton Sculean2, Reinhard Gruber1,2

1 Orale Biologie, Medizinische Universität Wien, Österreich

2 Klinik für Parodontologie, Universität Bern, Schweiz

Control Saliva Saliva+CAPE Saliva+CAPE+SnPP

Abb. 2: CAPE wirkt antiinflammatorisch: Speichel (Saliva) induziert die Translokation von p65, einer Untereinheit von NF-kB, einem Transkriptionsfaktor, der die Entzündungsantwort initiiert, in den Zell-kern. CAPE kann dessen Translokation inhibieren. Der entzündungshemmende Effekt von CAPE verläuft unabhängig von der Hämoxygenase-1; SnPP zeigt hier keine Wirkung.

Control H2O2 H2O2+CAPE H2O2+CAPE+SnPP

tryp

an b

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phas

e co

ntra

st

Abb. 1: CAPE schützt vor oxidativem Stress: Wasserstoffperoxid schädigt die Zellen und führt zu Zelltod. Tote Zellen werden blau gefärbt. CAPE zeigt zellprotektive Wirkung und schützt die Zellen vor H2O2. SnPP unterdrückt die Aktivität der Hämoxygenase, die durch CAPE hochreguliert wird, und wirkt daher dem CAPE-Effekt entgegen.

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Die European Academy of Orofacial Pain and Dysfunction (EAOPD; www.eaopd.org) wurde Ende 2017 gegründet. Sie tritt die Nachfolge der inzwischen aufgelösten European Academy of Craniomandibular Disorders (EACD; www.eacmd.org) an. Die Ziele sind indes dieselben geblieben: «The aim of the European Academy of Oro-facial Pain and Dysfunction is to improve the knowledge and skills of professionals work-ing in the field of Orofacial Pain and Dysfunc-tion (OPD). This aim will be achieved by promoting and co-ordinating clinical and

research activities in the field of OPD and by disseminating the results thereof.»Nach der letztjährigen EAOPD-Konfe-renz in London fand das diesjährige (zweite) Treffen im holländischen Noordwijk aan Zee statt. Das unmittel-bar am Meer gelegene luxuriöse Hotel van Oranje (Abb. 1) bot einen gediegenen Rahmen. Zehn je einstündige Vorträge international bekannter Referenten stan-den im Mittelpunkt des Geschehens. Das wissenschaftliche Programm wurde durch mündliche Kurzvorträge und Pos-

terpräsentationen jüngerer Kollegen komplettiert.

TaxonomieProf. Dr. Peter Svensson (Aarhus, Dänemark; Abb. 2) beschäftigte sich mit der Klassifi-kation orofazialer Schmerzen (Svensson P, May A: Cephalalgia 37: 609–612 [2017]). Der Referent beschrieb zunächst kurz den Weg von den (inzwischen legendären) Research Diagnostic Criteria for Temporo-mandibular Disorders (RDC/TMD, 1992) zu den Diagnostic Criteria for Temporomandibu-

Orofazialer Schmerz und Bruxismus

Die diesjährige Jahrestagung der European Academy of Orofacial Pain and Dysfunction bot eine breite Themenpalette und machte die rund 120 Konferenzteilnehmer auf hohem wissenschaftlichem Niveau mit den neuesten Entwicklungen in Klassifikation, Diagnostik und Therapie vertraut.

Text: Jens Christoph Türp, Basel; Fotos: Dr. Leon Verhagen, Lichten-voorde, Niederlande, Abb. 1–7; J. C. Türp, Abb. 8–9

KONGRESSE/FACHTAGUNGEN

Abb. 1: Das Kongresshotel

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lar Disorders (DC/TMD, 2014). Svenssonkam dann auf die neue Schmerzklassifi-kation der Internationalen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (IASP) zu sprechen (Treede R D et al.: Pain 160: 19–27 [2019]). In dieser umfassenden Taxonomie, die in die neue Version der Internationalen Klassi fikation der Krankheiten (ICD-11) auf genommen worden ist, sind auch die chronischen orofazialen Schmerzen berücksichtigt (Tab. 1 und 2).Chronische orofaziale Schmerzen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie an min-destens 50 Prozent der Tage der vergan-genen drei Monate auftreten und länger als zwei Stunden pro Tag dauern. Es wer-den primäre von sekundären Schmerzen unterschieden: Primäre Schmerzen per-sistieren länger als drei Monate und kön-nen nicht durch ein anderes chronisches Geschehen erklärt werden; sie stellen daher ein eigenständiges Krankheitsbild dar («Schmerzkrankheit»). Demgegen-über sind sekundäre Schmerzen Begleit-symptom einer zugrunde liegenden Grunderkrankung (symp tomatische Schmerzen).Svensson berichtete, dass das laufende Projekt «International Classification of Orofacial Pain» (ICOP) innerhalb der In-ternationalen Kopfschmerzgesellschaft (IHS) eine noch viel genauere Einteilung von Schmerzen im Mund-Kiefer-Ge-sichtsbereich erlauben wird. Ein Beispiel: Die ICOP-Kodierung 1.1 steht für Zahn-schmerz («Dental pain»), 1.1.1 für Pul-paschmerz («Pulpal pain»), 1.1.1.1 für Pulpaschmerz in Zusammenhang mit Hypersensitivität («Pulpal pain attri-buted to hypersensitivity»), 1.1.1.1.2 für hypersensitiven Pulpaschmerz in Zu-sammenhang mit freiliegendem Dentin («Pulpal pain attributed to exposed dentin»), 1.1.1.1.2.1 für hypersensitiven Pulpaschmerz in Zusammenhang mit durch Zahnabrieb bedingtem freiliegen-dem Dentin («Pulpal pain attributed to tooth wear or abrasion»). Für jede dieser Schmerzdiagnosen werden ausführliche diagnostische Kriterien angegeben. Auf die Veröffentlichung dieser Klassifikation dürfen Vertreter aller Fächer der Zahn-medizin daher gespannt sein.

DC/TMDProf. Dr. Thomas List (Malmö, Schweden; Abb. 5) und Prof. Dr. Justin Durham (New-castle upon Tyne, England) stellten in ih-ren Vorträgen die Entwicklung der DC/TMD detailliert dar und beschrieben die beiden Achsen der DC/TMD (Achse I: so-

matische Befunde; Achse II: psychosoziale Befunde). Die entsprechenden Erhebungs-bögen für die klinische Befundung sind kostenfrei auf der Website des Internatio-nal Network for Orofacial Pain and related Disorders Methodology ( InfORM) verfüg-bar (www.iadr.org/inform).

Bildgebende DiagnostikAngesichts der real existierenden Gefahr einer radiologischen Überdiagnostik stellte Prof. Dr. Daniele Manfredini (Siena, Italien) gleich zu Beginn seines Vortrags die Schlüsselfrage: Wann beeinflussen die Durchführung bzw. die Ergebnisse einer bildgebenden Untersuchung den Be-handlungsplan grundlegend? Manfredinirief dazu eine rund 30 Jahre alte Publika-tion in Erinnerung (Fryback D G &Thorn-bury J R: Med Decis Making 11: 88–94

Tab. 1 Neue IASP-Klassifikation der chronischen primären orofazialen Schmerz-erkrankungen mit ihrem jeweiligen ICD-10-Code, sofern vorhanden (nach Benoliel R et al.: Pain 160: 60–68 [2019])

– Chronic primary temporomandibular disorder pains• Myalgia (M79.1)• Myofascial pain with referral• Arthralgia (M26.62)

– Chronic burning mouth• Glossodynia (K14.6)

– Chronic primary orofacial pain• Orofacial pain as a presentation of primary headaches• Persistent idiopathic dentoalveolar pain

˚ Atypical facial pain (persistent idiopathic facial pain) (G50.1)

Tab. 2 Neue IASP-Klassifikation der chronischen sekundären (symptomatischen) orofazialen Schmerzen mit ihrem jeweiligen ICD-10-Code, sofern vorhanden (nach Benoliel R et al.: Pain 160: 60–68 [2019])

– Chronic orofacial pain attributed to trauma or injury to the head and/or neck– Chronic orofacial pain attributed to cranial or cervical vascular disorder– Chronic orofacial pain attributed to nonvascular intracranial disorder– Chronic orofacial pain attributed to infection– Chronic orofacial pain attributed to disorders of homeostasis or their nonpharmacological

treatment– Chronic orofacial pain attributed to disorder of the cranium, neck, eyes, ears, sinuses,

salivary glands, and oral mucosa

– Chronic dental pain• Diseases of pulp and periapical tissues (K04)• Other diseases of hard tissues of teeth (K03)

– Chronic neuropathic orofacial pain• Pain attributed to a lesion or disease of the trigeminal nerve including trigeminal neuralgia

(primary parent: chronic peripheral neuropathic pain)• Other cranial and regional neuralgias and neuropathies

– Chronic secondary temporomandibular disorder pain• Chronic secondary orofacial muscle pain

˚ Systemic disorders or trauma• Chronic secondary temporomandibular joint pain

˚ Systemic disorders, trauma, or infection

Abb. 2: Prof. Dr. Peter Svensson

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[1991]), in der sechs zu berücksichtigende Aspekte (von der technischen Qualität des Bildes bis zum Kosten-Nutzen-Ver-hältnis aus einem gesellschaftlichen Blickwinkel) hierarchisch dargestellt werden, um zu entscheiden, ob eine Bild-gebung sinnvoll ist.Die Mitnehmbotschaft des Referenten?– Kenne die Anatomie.– Lese das Bild.– Bringe es in Zusammenhang mit den

klinischen Symptomen: «Wir behan-deln Patienten … keine Bilder!»

KiefergelenkarthritisProf. Dr. Per Alstergren (Malmö, Schweden; Abb. 3) unterschied zwischen lokalen und systemischen Arthritiden der Kieferge-lenke (Tab. 3). Er ging dann auf die klini-sche Diagnostik (chronischer) Kieferge-lenkarthritiden ein. Kiefergelenkschmerz bei maximaler Kieferöffnung und einem kontralateralen Seitschub von weniger als 8 mm kommt nach Aussagen des Re-ferenten ein hoher diagnostischer Wert zu. Eine sichere Diagnose lässt sich aber erst mit dem Nachweis einer pathologisch erhöhten Konzentration inflammatori-scher Mediatoren in der Synovialflüssig-

keit stellen (Alstergren P et al.: J Oral Rehabil 45: 269–281 [2018]).Alstergren berichtete, dass (entgegen weit verbreiteten Annahmen) keine über-zeugenden Belege vorliegen, dass intra-artikulär verabreichte Kortikosteroide (z. B. Triamcinolonhexacetonid) zur Zer-störung von Gelenkknorpel oder -kno-chen führen (die entsprechende systema-tische Übersicht seiner Arbeitsgruppe um Duraku ist noch nicht publiziert).

Trigeminale neuropathische SchmerzenProf. Dr. Lene Baad-Hansen (Aarhus, Däne-mark; Abb. 4) widmete sich unter Bezug auf die Ergebnisse des ICOP-Projekts schwerpunkthaft dem posttraumatischen trigeminalen neuropathischen Schmerz. Dieser kann beispielsweise nach konven-tioneller endodontischer Therapie, nach Nervverletzung in Zusammenhang mit Implantatchirurgie oder nach ortho-gnather Chirurgie auftreten. Mithilfe einer qualitativen (QualST) oder quanti-tativen (QST) Testung (Berührungs-, Schmerz-, Vibrations-, Druckreize) las-sen sich die somatosensorischen Funk-tionen beurteilen; bei vielen betroffenen Patienten besteht eine Allodynie.

Auf unnötige invasive Eingriffe ist zu ver-zichten; zudem muss der Patient zu sei-nem eigenen Schutz über die damit ver-bundenen Gefahren aufgeklärt werden. Baad-Hansen riet, bei der Behandlung auf internationale Leitlinien zurückzugrei-fen. Eine starke Empfehlung besteht da-bei für eine pharmakologische Therapie, speziell für die Antikonvulsiva Gabapen-tin und Pregabalin, für die selektiven Sero to nin-Noradrenalin-Wie der auf-nahme hem mer Duloxetin und Venlafaxin sowie für trizyklische Antidepressica (Finnerup N B et al.: Lancet Neurol 14: 162–173 [2015]).

Orofazialer Schmerz und OkklusionProf. Dr. Ambra Michelotti (Neapel; Abb. 5) betonte, dass prinzipiell jede okklusale Veränderung, selbst wenn diese indiziert war und korrekt ausgeführt wurde, die Anpassungsfähigkeit des stomatognathen Systems des Patienten überfordern und iatrogen myoarthropathische Beschwer-den auslösen kann. Michelottis Arbeits-gruppe konnte darüber hinaus zeigen, dass Personen mit ausgeprägten Para-funktionen eine verstärkte okklusale Taktilität aufweisen, was gemäss den

Abb. 3: Prof. Dr. Per Alstergren

Abb. 4: Prof. Dr. Lene Baad-Hansen

Tab. 3: Lokale und systemische Arthritiden der Kiefergelenke

Lokal Systemisch

Traumatische Arthritis Rheumatoide Arthritis

Arthritis als Folge einer Arthrose Psoriasis-Arthritis

Arthritis einer Diskusverlagerung Andere rheumatische Erkrankungen ( Sjögren-Syndrom u. a.)

Infektiöse Arthritis Reaktive Arthritis

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Autoren zu allfälligen Anpassungsstörun-gen nach Eingliederung neuer dentaler Restaurationen beitragen könnte (Bucci R et al.: J Prosthet Dent 122: 119–122 [2019]). Eng damit verbunden sind die Themen Hypervigilanz, okklusale Dysästhesie (Hara E S et al.: J Oral Rehabil 39 [8]: 630–638 [2012]) und Neuroplastizität.Michelottis Quintessenz:– Jeder Mensch ist ein Unikat.– Die individuelle Adaptionsfähigkeit

beeinflusst, was unter «normaler» Okklusion zu verstehen ist.

– Man sollte sich von der ausschliess-lichen Fokussierung auf die Frage «Was ist mit dem Patienten los?» lösen und stattdessen die Frage stellen: «Was ist für den Patienten wichtig?»

BruxismusProf. Dr. Frank Lobbezoo (Amsterdam) ver-wies in einer aktuellen Übersicht darauf, dass man unter dem Begriff Bruxismus heute eine repetitive Aktivität der Kau-muskulatur versteht, die sich durch Kie-ferpressen (engl.: clenching) oder Zäh-neknirschen (engl.: grinding) äussert oder – und dies ist eine Erweiterung der traditionellen Definition – durch Anspan-

nen (engl.: bracing) oder Verschieben (engl.: thrusting) des Unterkiefers ohne Zahnkontakte (Lobbezoo F et al.: J Oral Rehabil 40: 2–4 [2013] sowie 45: 837–844 [2018]). Unabhängig davon ist zu diffe-renzieren zwischen Schlaf- und Wach-bruxismus.Die neue Bruxismus-Definition wurde bereits in der Internationalen Klassifi-kation der Schlafstörungen (ICSD-3) der American Academy of Sleep Medi-cine (AASM, 2014) und in der aktuellen Ausgabe des Standardwerks «Orofacial Pain: Guidelines for Assessment, Dia-gnosis, and Management» der American Acad emy of Orofacial Pain (De Leeuw R & Klasser D.: Quintessence, Chicago 2018) berücksichtigt. Es wird erwartet, dass sie auch Eingang in die nächste (die 10.) Version des Glossary of Prosthodontic Terms (derzeit: GPT-9 von 2017) finden wird.Bruxismus ist weitverbreitet. Daten zur Prävalenz fussen in der Regel auf Eigen-berichten nach Befragung. Grosse Popu-lationsstudien sind rar, aber die Ergebnis-se einer kanadischen (2019 Teilnehmer; Lavigne G J, Montplaisir J Y: Sleep 17: 739–743 [1994]) und einer europa-

weiten Untersuchung (13 057 Teilnehmer; Ohayon M M: Chest 119: 53–61 [2001]) wei-sen darauf hin, dass rund 8 von 100 Men-schen (keine Geschlechtsunterschiede) von klinisch relevantem Bruxismus be-troffen sind. Die mit Abstand grösste, in Brasilien durchgeführte Schlaflaborstudie (1042 Teilnehmer; Maluly M: J Dent Res 92 [Suppl 1]: 97S–103S [2013]) stützt diese Einschätzung: Die Prävalenz betrug nach alleiniger PSG 7,4%, nach alleiniger Be-fragung 12,5% und nach Befragung plus PSG 5,5%.Standen in der Vergangenheit okklusale und andere morphologische Faktoren als vermutete Ursachen für Bruxismus im Mittelpunkt des Interesses, so haben neuere Forschungsergebnisse gezeigt, dass zentralen Faktoren eine Schlüssel-rolle zukommt. Darunter finden sich bio-logische (z. B. Genetik; Neurochemie), psychosoziale (z. B. emotionaler Stress; Persönlichkeit) und exogene Einflüsse (z. B. Medikamente; Rauchen).Beim Bruxismus handelt es sich um ein zweischneidiges Schwert; er wird nicht mehr ausschliesslich negativ gesehen: Einerseits ist er ein Risikofaktor für eine Reihe gesundheitsbeeinträchtigender

Abb. 5: Geburtstagsüberraschung für Prof. Dr. Ambra Michelotti, rechts neben ihr Tagungspräsident Prof. Dr. Michail Koutris (Amsterdam) und Prof. Dr. Thomas List (Malmö)

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Ereignisse (vgl. Kuhn M & Türp J C: Swiss Dent J 128: 118–124 [2018]), andererseits kommt ihm eine schützende Wirkung zu. So liegen Hinweise dafür vor, dass eine bruxismusassoziierte Kiefermuskelaktivi-tät möglicherweise kognitionserhaltende Wirkungen entfaltet (Weijnberg R A F et al.: Gerodontology 36: 2–7 [2019]). Auch kann sich Bruxismus bei Patienten mit obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom positiv auswirken.Die Diagnostik bezüglich der An- oder Abwesenheit von Bruxismus erfolgt kli-nisch auf folgende Weise:a) Befragung, verbal und mittels eines

standardisierten Fragebogens, im

deutschen Sprachraum zum Beispiel mit dem «Bruxismusstatus» (Lange M:J Craniomand Funct 9: 57–69 [2017]);

b) extraorale Inspektion (Hypertrophie des M. masseter);

c) intraorale Inspektion (z. B. Hyperkera-tosen in der Wange; Abnutzung von Zahnhartsubstanz; Frakturen an Zäh-nen oder Implantaten).

Darüber hinaus lässt sich die Diagnose in klinisch begründeten Fällen durch Elek-tromyografie (preiswert; gut verfügbar) sowie Polysomnografie (teuer; im Schlaf-labor, daher nur beschränkt verfügbar) sichern.

Eine Behandlung ist nur dann indiziert, wenn deutliche klinische Folgezustände anzutreffen sind, wie ausgeprägte Attritio-nen (bzw., wenn Kronen auf Zähne tref-fen, Abrasionen) oder orofaziale Schmer-zen. Lobbezoo: «If bruxism is associated with severe negative consequences, it is the patient’s and dentist’s foe.»Unter den zur Verfügung stehenden the-rapeutischen Möglichkeiten, die in der Regel eine interdisziplinäre Zusammen-arbeit erfordern (Übersicht in: Manfredi-ni D: J Oral Rehabil 42: 862–874 [2015]), sind – neben Aufklärung – orale Schienen empfehlenswert. Bezüglich der Frage nach der Wirksamkeit von Biofeedback

Abb. 6: abendliches geselliges Beisammensein der Kongressteilnehmer, hier Dr. Dr. Nenad Lukic (Zürich, links) und Prof. Dr. Jens C. Türp (Basel)

Abb. 7: Prof. Dr. Antoon de Laat (Löwen, Belgien) während der Diskussion eines Vortrags

Abb. 8: EAOPD-Präsident PD Dr. Dr. Dominik Ettlin (Zürich)

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und Verhaltenstherapie bei Schlafbruxis-mus bestehen Zweifel; dessen ungeachtet wird ein Einschluss dieser Massnahmen als Zusatz zu weiteren Behandlungsmass-nahmen als sinnvoll erachtet.Durch das per Injektion verabreichte Neurotoxin Botulinumtoxin kann die In-tensität, durch das Benzodiazepin Clona-zepam und das Antihypertonikum Cloni-din die Häufigkeit von Schlafbruxismus reduziert werden. Aufgrund der Neben-wirkungen sollte der Einsatz dieser Phar-maka aber nur bei strenger Indikation und lediglich für eine kurze Zeit erfolgen, sofern die anderen Behandlungsmass-nahmen erfolglos blieben.Wenn ein bestehender Bruxismus zu kei-nen schwerwiegenden negativen Auswir-kungen geführt hat, empfiehlt Lobbezoo,wegen der möglichen positiven Folgen (siehe oben) keine Behandlung durch-zuführen: «In that case, bruxism is the patient’s and dentist’s friend.»

ZahnabriebEine grosse Erhebung in den Niederlan-den (n = 1125) ergab, dass 13 Prozent der 25- bis 74-jährigen Personen geringen, 80 Prozent mittelmässigen und 6 Prozent starken Zahnabrieb aufwiesen (Wetse-

laar P et al.: Caries Res 50: 543–550 [2016]) – es handelt sich bei diesem Be-fund daher keineswegs um eine quantité négligeable. Dr. Peter Wetselaar (Amster-dam) erläuterte unter anderem das mass-geblich von ihm entwickelte, modular aufgebaute tooth wear evaluation system (TWES) (Wetselaar P, Lobbezoo F: J Oral Rehabil 43: 69–80 [2016]). Es verfolgt das Ziel, die Diagnostik und die Strategien für die Versorgung geschädigter Zähne zu verbessern. Verbunden damit ist ein Vorschlag für ein Klassifikationssystem des Zahnabriebs, das unterscheidet nach Verbreitung (lokal oder generalisiert), Schwere (gering, mittel, stark oder ex-trem) und Ursache (mechanisch oder chemisch; intrinsisch oder extrinsisch: «Die Windmühle des Zahnabriebs hat vier Windräder»).Zu differenzieren ist zwischen einem physiologischen und einem pathologi-schen Abrieb. Es wird geschätzt, dass beim physiologischen Zahnabrieb pro Jahr Schmelz in einer Grössenordnung zwischen > 15 μm (Prämolaren) und > 29 μm (Molaren) verlorengeht, also zwi-schen zwei und vier Shimstock-Folien-stärken. Berechnungen ergaben, dass der bei einem 70-Jährigen im Laufe seines

Lebens eingetretene abriebbedingte Ver-lust bei einem oberen Schneidezahn rund 1 mm beträgt (Lambrechts P et al.: J Dent Res 68: 1752–1754 [1989]; Ray D S et al.:J Oral Rehabil 42: 460–466 [2015]).Zum Umgang mit ausgeprägtem abrieb-bedingtem Verlust von Zahnhartsubstan-zen verwies der Referent auf bestehende Leitlinien (Loomans B: J Adhes Dent 19: 111–119 [2017]).

FazitEs hat sich viel getan in den vergangenen 30 Jahren. EAOPD-Konferenzen sind da-her eine exzellente Möglichkeit, auf dem Gebiet der Funktionsstörungen des Kau-systems à jour zu bleiben. Die Noord-wijker Zusammenkunft bestach durch erstklassige, zudem klinikbezogene Vor-träge und eine kollegiale Atmosphäre (Abb. 6). Die Diskussionsbeiträge zeug-ten von dem lebhaften Interesse des Auditoriums (Abb. 7), sehr zur Freude des EAOPD- Prä si den ten PD Dr. Dominik Ettlin (Zürich, Abb. 8). Die nächste EAOPD-Kon fe renz wird am 4. und 5. September 2020 in Lissabon stattfinden (Abb. 9). Genauere Informationen findet man zu gegebener Zeit auf der Website der EAOPD (www.eaopd.org).

Abb. 9: Tot ziens Noordwijk! Bem-vindo a Lisboa!

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Seit 2012 werden die onkologisch er-krankten Kinder im Kinderspital Basel (UKBB) in ein spezielles Mund- und Zahnpflegeprogramm integriert. Um Impulse zu geben und Know-how zu vermitteln, werden alle zwei Jahre Zahn-ärztinnen und Zahnärzte, Prophylaxe-assis ten ten, Pädiater und Pflegefach-kräfte aus der Onkologie zu einem inter-disziplinären Symposium nach Basel eingeladen. Dies würdigte Andreas Stutz,CEO des Universitären Zentrums für Zahnmedizin Basel (UZB), in seiner Ansprache. Er nannte diese Zusammen-arbeit ein gutes Beispiel, wie er sich die künftige Entwicklung in der Zahnmedi-zin des UZB vorstellt. Die Koordination der Human- und Zahnmedizin führe zu einer Verbesserung der Lebensquali-tät. Damit übergab er die Führung durch das Programm den Organisatorinnen Dr. Tamara Diesch, Spezial ärztin Pädiatri-sche Onkologie/Hämatologie (UKBB), und Dr. Cornelia Filippi, Zahnärztin und Leiterin Prophylaxe Allgemeine Kinder- und Jugendzahnmedizin (UZB).

Speichel: Das Gute daran ist das Gute darinGrosse und kleine Speicheldrüsen stellte Prof. Dr. med. dent. Andreas Filippi vor. Die kleinen Speicheldrüsen werden nach seiner Aussage unterschätzt. Gerade bei onkologischen Patienten seien sie wich-

tig, weil sie in der Summe 6 bis 7 Prozent des stimulierten und unstimulierten Spei-chels sezernieren. Klebrige Substanzen im Speichel tragen zur Wundheilung bei. Im Durchschnitt findet Nahrungsaufnahme und Kauen ca. eine Stunde pro Tag statt. In dieser Zeit geben diese Drüsen das Zehnfache des Ruhespeichels ab. Die Bestandteile haben u. a. antibakterielle und antivirale Wirkung. Zudem bieten sie einen Schutz vor Pilzinfektionen. Pilze vermehren sich bevorzugt auf trockener Schleimhaut. Durch Abwischen kommt es zur lokalen Blutung – ein spezielles Pro-blem bei onkologischen Patienten.Ursachen für Mundtrockenheit gibt es jedoch nicht nur bei dieser Patienten-gruppe. Auch Alter, diverse Erkrankun-gen, Mundatmung, zu geringe Flüssig-keitsaufnahme (Wassermangel) und Polypharmazie können Mundtrockenheit bewirken. Ein trockener Mund tritt mit zunehmendem Alter verstärkt auf, Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Es kommt zum Abbau von Speicheldrüsen-gewebe und zum Nachlassen des Ge-schmackssinns.Produktedegustation und Information

Kinderonkologie und Kinder-zahnmedizin

Am vierten interdisziplinären Symposium zur Kinderonkologie und Kinderzahnmedizinbetrachteten die Referenten und Teilnehmer «Gut und Böse» im jeweiligen Zusammen-hang.

Text und Fotos: Dr.Cornelia Filippi

Andreas Stutz, CEO Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel

Prof. Dr. Andreas Filippi sprach über Speichel-drüsen.

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Über 1800 verschiedene Medikamente werden in der Schweiz verordnet. Die am häufigsten verordneten sind mit oraler Nebenwirkung Mundtrockenheit ver-knüpft.Zur Diagnostik der Speichelfliessrate ste-hen neue Referenzwerte auch für Kinder zur Verfügung. Bei den 6- bis 15-jährigen Kindern findet sich eine physiologische Menge unstimulierten Speichels von 0,87 ml/min bei männlichen Kindern und 0,65 ml/min bei weiblichen Kindern. Es gibt zusätzlich Speicheltests zur Messung von Melatonin, Testosteron, Stress, Burn-out und Drogen. Mit αMMP8-Tests könn-te künftig noch vor Auftreten klinischer Symptome, z. B. Periimplantitis, thera-piert werden. Diese Tests sind jedoch noch nicht klinisch einsetzbar, und weitere Forschung findet statt.

Einflüsse von KeimbesiedlungenAls Kinderärztin und leitende Ärztin der Infektiologie (UKBB) sprach PhD Dr. Nicole Ritz über die Keimbesiedlung ab der Geburt. Auch wenn sich in den ersten Le bens monaten die Keime von unter-suchten Säuglingen stark voneinander unterschieden, konnte nach zwölf Lebensmonaten festgestellt werden, dass die Keime bei allen Säuglingen in der Zusammensetzung annähernd gleich sind.Zusätzlich zu den bekannten Organen wird das Mikrobiom als weiteres Organ betrachtet. Über zwei Kilogramm wiegt die Summe der Keime, die uns besiedeln. Sie stellen damit mit ihren Stoffwechsel-produkten und ihrem genetischen Po-tenzial die Weichen für viele gesundheit-liche Entwicklungen. Die Weichen für die Erforschung stellte 1670 der Naturfor-scher Antoni van Leuwenhook. Durch die Kunst, Linsen schleifen zu können, beobachtete er in seinem Speichel Bakte-rien und legte somit den Grundstein zur Erforschung dieser Kleinstlebewesen. Seit 1980 die Sequenzierung in die For-schung einzog kann nun auch die Be-siedlung genauer definiert werden. Seit 2008 wird weltweit am Mikrobiom ge-forscht. Zu den Ergebnissen gehört die Erkenntnis, dass es im Mund die höchste Diversität von Keimen gibt. Im Speichel sind alle Keime vorhanden, zur Selektion bedarf es dann jedoch keimspezifischer Nischen. So unterscheiden sich die Kei-me beim selben Individuum im Speichel von denen in Belägen der Zunge, in sup-ra- und subgingivaler Plaque und auf den unter schied lichen Gebieten der Mund-schleimhaut. Einfluss auf das Mikrobiom

nehmen Alter, Genetik, Immunsystem, Diät und Gewohnheiten.Die Hygiene hat, laut Ritz, einen grossen Einfluss auf die Modulation des Mikro-bioms im Mund. Dabei ist beachtenswert, dass es Parallelen zwischen oraler Patho-genität und Organerkrankungen gibt. Spezielle Keimzusammensetzungen im Mund werden wissenschaftlich belegt mit Alzheimer, Diabetes, kardiovaskulären Erkrankungen, oralen und colonorectalen Erkrankungen und Karzinomen, respira-torischen Infektionen und schwanger-schaftsbedingten pathogenen Verläufen in Zusammenhang gebracht.Die Einnahme von Antibiotika wirkt sich auf alle Keime aus. Zur Rehabilitation des Mikrobioms benötigt der Körper zwei bis vier Monate. Onkologische Patienten sind davon immer betroffen. Häufig kommt es durch Chemotherapie noch zusätzlich zum Verlust der Intaktheit von Schleim-hautoberflächen. Dies macht sich im Mund dann durch das Auftreten von Mu-kositis bemerkbar. Gerade Pilze vermeh-ren sich an diesen Stellen bevorzugt und wirken invasiv und pathogen. Aus diesem Grund ist der Wiederherstellung einer Balance und einer Vielzahl von Keimen eine besondere Bedeutung beizumessen.

Low-Level-Lasertherapie für die Mund-schleimhaut?Als Oberarzt und behandelnder Pädiater der Onkologie und Hämatologie am Kan-tonsspital Aarau diskutierte Dr. Andreas Klein-Franke den Einsatz von Low-Level-Lasertherapie (LLLT) bei Mukositis patien-ten. Je nach onkologischer Erkrankung kann es nach Einsatz von Chemotherapie sowie nach kombinierter Chemo- und

Radiotherapie zur Mukositis kommen. Klein-Franke spricht von einer Inzidenz der Mukositis von 60 bis 90 Prozent. Diese unerwünschte Nebenwirkung ist mit Einschränkung in der Lebensqualität, Schmerzen, Infektionen, Verzögerung der onkologischen Therapie, zusätzlichen Spitalaufenthalten und – im schwersten Fall – mit Mortalität verknüpft.Aus diesem Grund wird nach Möglich-keiten der Prävention und Therapie ge-sucht. Der Einsatz der Low-Laser-The-rapie verspricht eine Verbesserung der subjektiven Schmerzwahrnehmung, Pa-tienten kommen freiwillig zur Behand-lung ins Spital, berichtet Klein-Franke. Die Datenlage ist jedoch spärlich. Die Wir-kungsweise verspricht man sich durch die Bündelung der frei werdenden Proto-nen im Resonator des Hilaris®-FL- Low-

Dr. Andreas Klein-Franke diskutierte den Einsatz von Low-Level-Lasertherapie (LLLT) bei Mukosi-tispatienten.

Ausstellung und Austausch

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Level-Lasers, der in Aarau eingesetzt wird. In einem parallelen Strahl wird Wangenschleimhaut mit einer Wellen-länge von 630 bis 670 nm durchquert. Die Patienten werden 5 bis 10 Minuten ein- bis zweimal pro Tag behandelt. Eine Be-schleunigung der Wundheilung und eine subjektive Wahrnehmung der Schmerz-reduktion für einen begrenzten Zeitraum werden in Aarau beobachtet. Messungen zeigen, dass es maximal eine Tempera-turanhebung von 0,1° Celsius gibt. In der Folge geht man von einer Freisetzung reaktiver Sauerstoffradikale aus, die den Zellzyklus der Fibroblasten und Myozy-ten verkürzen, damit die Wundheilung beschleunigen und zur Freisetzung von antiinflammatorischen Zytokinen beitra-gen.In seiner kritischen Auseinandersetzung stellt Klein-Franke die Studienlage vor. So gebe es viele unkontrollierte Studien, jedoch wenige verwertbare und noch we-niger Studien bei Kindern. Bei den acht verwertbaren Studien werde eine Verkür-zung der Mukositiszeit gemessen.Die Multinational Association of Sup-portive Care in Cancer (MASCC) als mul-tidisziplinäre Organisation für Lehre und Forschung gibt eine starke Empfehlung für den Einsatz bei Chemotherapie und eine schwache Empfehlung für den Ein-satz bei Radiotherapie im Kopf-Hals-Be-reich heraus. Die starke Empfehlung geht auf die präventive Wirksamkeit bei der Mukositis in Schweregrad und Verlauf sowie bei der Schmerzreduktion zurück. Die schwache Empfehlung bei Kopf- und Halsbereich- Erkrankungen ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass der Ein-

fluss auf Krebs zel len durch LLLT noch eine relevante Sicherheitslücke darstellt. Neben einer Reduktion des Wachstums von Krebszellen wurde auch eine Anre-gung des Wachstums dieser Zellen beob-achtet.

Zahnärztliche Behandlung nach abgeschlos-sener onkologischer BehandlungNach abgeschlossener onkologischer Behandlung kommen die Patienten mit vielen Arzterfahrungen in die Zahnarzt-praxis. Nicht selten entwickelt sich eine Zahnarztphobie. Aus diesem Grund sprach Dr. Pierro Dillena, Privatpraktiker in Basel mit Weiterbildung in zahnärztli-cher Hypnose, über seine Erfahrungen und Techniken in der Patientenführung. Grundsätzlich gibt es auf Patientenseite Ängste vor Schmerz, Überbehandlung und Kosten, die sich in Verweigerung, Trotz, Unruhe und Aggressivität ausdrü-cken können. Auf der Zahnarztseite gibt es die Angst vor Behandlungen (durch eigene Unsicherheiten), Stress, Zeitdruck und wirtschaftlichem Druck. An Patien-tenbeispielen demonstriert er ein behut-sames Vorgehen mit Achtsamkeit und Wertschätzung. Bei Patienten mit Würge-reiz kann lockerndes Klopfen auf die Schläfen und der Einsatz von Hypnotech-niken zur Entspannung führen. Atmung durch die Nase habe sich immer bewährt. Auch Behandlungsdruck zu nehmen und persönliche Betroffenheit zu äussern, sind hilfreiche Elemente, um die Grundlage für eine Beziehung zwischen Behandler und Patient oder Patientin aufzubauen. Nichtsdestotrotz müssen manche Be-handlungen mit Kompromissen durch-

geführt werden. Mit Aufmerksamkeits-übungen und Entspannungsbildern für das Auditorium wurde der Vortrag abge-rundet.

Schwellung bei Kindern: Gutartiger oder bösartiger Tumor?Aus der Praxis der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie zeigte der doppelt approbierte Facharzt Benito Benitez drei Fälle aus der Praxis. In zwei Fällen stellten sich die Kinder in Zahnarztpraxen mit Schwellungen im Mund vor. Die Schwel-lungen nahmen rasch an Volumen zu bei kariesfreien Gebissen und ohne Schmer-zen. Die Weiterbehandlung durch Fach-ärzte ergab durch Biopsie ein eindeutiges Bild. Bei Fall 1 wurde eine akute B-Zell-Leukämie mit Anteilen eines Burkitt-Lymphoms diagnostiziert, bei dem zwei-ten Fall ein Burkitt-Lymphom Stage II.

Der voll besetzte Vortragsraum

Dr. Dr. Benito Benitez zeigte Fallbeispiele aus der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie.

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Bei B-Zell-Non-Hodgkin-Leukämie ist innerhalb von 25 Stunden eine Verdop-pelung der Tumorzellen zu beobachten. Auch Burkitt-Lymphome können sehr schnell wachsen. Werden die Patienten nicht frühzeitig und richtig triagiert und einer Weiterbehandlung zugewiesen, kann es im frühen Stadium zur Verle-gung der Atemwege und damit zu einem lebensbedrohlichen Verlauf kommen. Einen diagnostischen Pfad für ein zeit-nahes Management in der Praxis zu erar-beiten, hält Benitez daher für dringend notwendig. Auch wenn nicht jede Schwellung unbekannter Genese bös-artig ist. Dies zeigt er an Fall 3, einem achtjährigen Jungen, der seit fünf Tagen eine zunehmende Schwellung am Un-terkiefer rechts bemerkte. In der spe-ziellen Anamnese zeigen sich keine Schmerzen in Ruhe, jedoch Zahn-schmerzen auf Druck auf den Zahn. Beim Tastbefund ist der Unterkiefer durchtastbar, eine Schwellung und Rö-tung paramandibulär erkennbar, nicht fluktuierend. Sensibilität des N. trigemi-nus seitengleich, Mundöffnung ohne Einschränkung, Lymphknoten blande, Vestibulum rechts erhaben, leicht do-lent, Zähne fest, Perkussion indolent, CO₂-positiv. Die Pathologie zeigt ein eitriges granulozytäres Entzündungs-infiltrat ohne Anzeichen für einen neo-plastischen Prozess. Die interradikuläre Zyste wurde entfernt, und der Zahn konnte erhalten werden. Mit einem Zitat erinnert Benitez daran, dass die meisten intraossären Lymphome das Zahnfleisch durchdringen und falsch interpretiert werden können, was zu Fehlbehandlun-gen führt. Bei ausbleibender Heilung auf zahnärztliche Interventionen sollte zeit-nah eine interdisziplinäre Zusammen-arbeit gesucht werden.

Zahnpflegeprodukte vor, während und nach onkologischer TherapieIn einem Degustationsworkshop gingen der Facharzt für Oralchirurgie Dr. Fabio Saccardin (UZB) sowie die Pflegefach-frauen Sybille Chettata, Edith Corneo und Marina Haas der Frage nach, was den Pa-tienten zumutbar ist. Durch Ge schmacks-tests wurden Unterschiede im Empfinden deutlich, was den einzelnen Teilnehme-rinnen und Teilnehmern schmeckte. Durch Chemotherapie verändert sich je-doch auch die Wahrnehmung für Reize. Gewohnte Geschmäcke können abstos-send wahrgenommen werden und vorher unbeliebte oder für Gesunde als scharf empfundene Geschmäcke zu einer höhe-

ren Akzeptanz in der Anwendung führen. Augenmerk ist auch auf die Inhaltsstoffe zu legen. Neben dem Geschmack sollen Speichelersatzmittel im bleibenden Ge-biss so ausgewählt werden, dass sie auch eine Mineralisation der Zähne begünsti-gen. Hier gibt es viele Produkte auf dem Markt, die die Zahngesundheit nicht be-rücksichtigen oder sogar gefährden. Auch für die Auswahl der Zahnpasten und Mundspüllösungen gab es Musterpräpa-rate und die nötigen Hintergrundinfor-mationen, um eine Betreuung zu opti-mieren.

Tipps und Tricks in der KommunikationDie als Kommunikationstrainerin in selbstständiger Praxis tätige Msc. Dr.

Stephanie Czernin konnte als Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie aus dem Vollen schöpfen. In ihrem Work-shop verglich sie die Arbeit mit Kindern mit jener mit Erwachsenen. Erwachsene dürfen wählen, ob und zu welchem Arzt sie gehen. Sie verstehen auch komplexe Vorgänge. Kinder sollen hingegen in einer ungewohnten Umgebung mit nicht nahestehenden, teilweise völlig fremden Personen kooperieren. Bei chronischen Schmerzen treten Verän-derungen in der Psyche auf. So entste-hen Stimmungsveränderungen wie eine ängstlich-bedrückte und/oder traurig-gereizte Stimmungslage. In der Folge kommt es zu erhöhter Reizbarkeit, un-vorhersehbar starken Reaktionen z. B. auf Reize oder Interaktionen mit Fach-kräften sowie Verschiebungen und Ein-engungen von Interessen und Erlebnis-fähigkeiten. Für den ärztlichen und zahnärztlichen Kontext sollte in der verbalen Kommunikation mit Kindern immer auf kindgerechte Sprache geach-tet werden. Das bedeutet Verzicht bzw. Übersetzung von Fachwörtern in eine Laiensprache, kurze, einfache Sätze und Verzicht auf Konjugationen. Jedoch fin-det die menschliche Kommunikation zu 78 Prozent auf der nonverbalen Ebene statt. Wohlwollender Augenkontakt ist immer ein Zeichen der Wertschätzung. Bei zu langem Augenkontakt hingegen entwickeln sich Unsicherheiten und Unwohlsein.In der Pause und beim reichhaltigen Ab-schlussapéro gab es anregende Gespräche mit den zahlreichen Ausstellern und un-ter Kolleginnen.

Dr. Fabio Saccardin im Workshop

Sowohl im ärztlichen als auch im zahnärztlichen Kontext sollten Fachpersonen mit Kindern immer auf kindgerechte Sprache achten, betonte Msc. Dr. Stephanie Czernin.

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Was ziehe ich heute bloss an? Diese Frage stellt sich Zahnärzten und Praxismitarbeitern an einem normalen Arbeitstag kaum. Sie tragen meistens funktionale Praxiskleidung. Diese sieht idealerweise auch nach einem langen Arbeitstag noch gut aus, ist bequem und einfach zu reinigen.

Praxiskleidung vermittelt ein ImageAuch aus Sicht des Praxismarketings spielt die Berufskleidung eine wichtige Rolle. Kleidung vermittelt ebenso wie die Ein-richtung oder das Logo der Praxis eine Botschaft. Deshalb sollte der Stil der Kleider zur Praxis passen: zum Beispiel jung, tradi-tionell, modern, edel usw. Eine einheitliche Kleidung stärkt auch das Zusammengehörigkeitsgefühl des Praxisteams. Wobei einheitlich nicht identisch bedeutet. Schnitt und Farbe können durchaus variieren. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen ihre Vorlieben einbringen, falls sie mit dem Praxiskonzept ver-einbar sind. Denn wer sich in seiner Arbeitskleidung nicht wohlfühlt, wird das auch den Patienten gegenüber ausstrahlen.

Das Erscheinungsbild des Arztes ist wichtigWie die Kleidung des Arztes auf die Patienten wirkt, untersuch-ten kürzlich Forscher der Universität Zürich. Sie befragten über 800 Patientinnen und Patienten von drei Ambulatorien im Uni-versitätsspital Zürich. Die Patienten sahen Bilder von Ärztinnen und Ärzten in verschiedenen Kleiderkombinationen und füllten anschliessend einen standardisierten Fragebogen aus.Das Erscheinungsbild ihres Arztes oder ihrer Ärztin ist für Pa-tienten wichtig; mehr als ein Drittel der Befragten stimmte dieser Aussage zu. Ein Viertel war sogar der Meinung, dass die Kleidung auch ihr Urteil über die Behandlung beeinflusst. Am besten kommt die Kombination aus einem weissen Oberteil und dem traditionellen Ärztekittel an. Diese Kleidung vermittelte den Patienten am stärksten die Eigenschaften Vertrauen, Zu-gänglichkeit, Fürsorglichkeit und Fachkompetenz.Die Studie erhärtet die Resultate von 30 vergleichbaren Studien, die das Forscherteam zusätzlich systematisch untersuchte. Auch dort zeigte sich, dass die Kleidung grossen Einfluss auf die Be-ziehung von Arzt und Patient hat.

Haus- und Zahnärzte treten lockerer aufIn Hausarzt- und Zahnarztpraxen ist der weisse Arztkittel nur noch selten zu sehen. Stattdessen tragen die Ärzte informellere Kleidungsstücke wie ein T-Shirt, Poloshirt oder einen Kasack – oft auch in anderen Farben als Weiss. Es wird vermutet, dass sich diese Art von informeller Kleidung positiv auf das Verhält-nis zum Patienten auswirkt. Viele Patienten verbinden den Be-such beim Zahnarzt mit einem unguten Gefühl oder sie haben sogar Angst. Trägt der Zahnarzt eher lockere Kleidung, kann er eine entspannte Atmosphäre vermitteln. Studien zu diesem Zusammenhang gibt es allerdings nicht.

LiteraturZollinger M, Houchens N, Chopra V et al.: Understanding patient preference for physician attire in ambulatory clinics: a cross sectional observational study. BMJ open 2019; 9: e026009. doi: 10.1136/bmjopen-2018-026009

Weiss ist Trumpf Forscher an der Universität Zürich haben untersucht, in welcher Praxiskleidung die Patienten ihren Arzt am liebsten sehen. Die Antwort überrascht nicht.

Text: Andrea Renggli, Redaktorin SDJ; Foto: Istock

Das Erscheinungsbild des Arztes und des Praxispersonals ist für Patienten wichtig.

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Nach vielen Jahren findet der Kongress der Schweizerischen Gesellschaft für Endo-dontologie wieder einmal in Zürich statt. Mit dem Technopark im Kreis 5 wurde eine attraktive Lokalität gefunden, die alle Anforderungen erfüllt, um eine vielver-sprechende Jahrestagung durchführen zu können. Unter dem Motto Challenges in Endo haben wir ein abwechslungsreiches Programm zusammengestellt. Wie immer war der Bezug zur täglichen Praxis wich-tig. Hierfür konnten wir internationale Referenten aus den USA und Europa ge-winnen.

Schwierige Situationen im PraxisalltagFlare-ups, also Schmerzen und/oder Schwellungen nach endodontischen Behandlungen, stellen für Zahnarzt und Patient immer eine besondere Herausfor-derung dar. Dr. Adham A. Azim (USA) wird über die Ursachen sprechen und darüber, wie diese in manchen Fällen zu vermeiden sind, sowie über das Management dieser im Praxisalltag schwierigen Situation. Des Weiteren wird Dr. Azim das Thema End odon tic Microsurgery behandeln und die Teilnehmer auf den neusten Stand bringen.Intern, extern, idiopathisch? Auch nach Revision des KVG 2018 ist das idiopathi-sche interne Zahngranulom Teil des KVG (Art. 17 lit. a Ziff. 1). Die Differenzialdia-gnose zur externen zervikalen Wurzel-resorption ist oft nicht einfach zu stellen, und deshalb haben die Organisatoren zum Themenkomplex Resorptionen am dies-jährigen Kongress mehrere Vorträge ein-geplant. Zunächst spricht Prof. Paul Lam-brechts (B) über die Pathogenese, Ursache und Behandlung von invasiven zervikalen Wurzelresorptionen. Er verfügt über jahr-zehntelange Erfahrung auf diesem Gebiet, und seine Vorträge sind immer sehr infor-mativ und unterhaltsam. Anhand vom

Fallbeispielen wird er dieses Thema so-wohl von der wissenschaftlichen als auch von der therapeutischen Seite beleuchten. Prof. Kurt Ebeleseder (AUT) widmet sich dem Thema der internen Wurzelresorptionen. Auch hier werden Ursache und Pathoge-nese besprochen und neue Behandlungs-ansätze erwähnt. Somit sollte die Diffe-renzialdiagnose zwischen internen und externen Wurzelresorptionen in der Praxis sicherer gestellt werden können.In der anschliessenden Diskussion wird auf die Forderung «idiopathisch» unter Art. 17 lit. a Ziff. 1 eingegangen – denn nur wenige interne Zahngranulome erfüllen diese Forderung. Wenn man diese Anfor-derungen kennt, kann man sich und sei-nen Patienten Frustrationen im Hinblick auf die Kostenübernahme der Behandlung durch die Krankenkasse ersparen.

Karies oder präeruptive ResorptionDr. Beat Suter (Bern/CH) wird sich der Frage stellung «Karies oder präeruptive Resorption?» widmen. Da präeruptive Resorptionen sehr selten sind, stellt diese Differenzialdiagnose eine besondere Her-ausforderung dar. Dr. Suter wird dieses Thema dem Publikum mit Fallbeispielen aus der Praxis näherbringen.Kann ein Zahn durch eine Revision der Wurzelkanalbehandlung noch erhalten werden? Diese Frage stellt sich in der Pra-xis immer häufiger, denn die Patienten möchten heutzutage ihre eigenen Zähne möglichst lange erhalten. Prof. Hagay Shemesh (NL) wird mit dem Thema Retreat-ment decisions auf die Faktoren eingehen, die eher für oder gegen eine Revision der Wurzelkanalbehandlung sprechen und massgeblich Einfluss auf die Prognose der Revisionsbehandlung haben – schliesslich gehört eine gute Aufklärung über Risiken und Erfolgsquote zur Informationspflicht gegenüber dem Patienten.

Nicht immer lassen sich Perforationen im Rahmen einer Wurzelkanalbehandlung vermeiden. Dr. Martin Brüsehaber (D) wird bezüglich Diagnostik und Therapie seinen klinischen Behandlungsansatz darlegen.Da es sich im Fachbereich Endodontologie um die Behandlung einer mikrobiellen Infektion handelt, wird sich Prof. Serge Bouillaguet (Genf/CH) dem wichtigen The-ma Mikrobiologie und Endodontie wid-men und über neue wissenschaftliche Erkenntnisse informieren.Paro-Endo oder schwere Parodontitis? Auch dieses für die Praxis relevante Thema soll zur Sprache kommen. Mit Dr. Daniel Engler-Hamm (D) konnte die SSE einen Parodontologen als Referenten gewinnen, der sowohl in der Privatpraxis als auch an der Universität tätig ist.

Endodontische Probleme im WechselgebissAm Ende des zweiten Kongresstages liegt ein Schwerpunkt auf der Endodontologie bei Kindern und Jugendlichen. Endodon-tische Probleme im Wechselgebiss umfas-sen nicht nur die rein dentalen Probleme, auch die Compliance der jungen Patienten stellt oft eine Herausforderung dar – und dann gibt es ja auch noch kieferorthopädi-sche Aspekte zu beachten. Dr. Juliane Erb (Zürich/CH) wird hierzu ihre Einschätzun-gen und Empfehlungen geben.Kann ein Zahn beim Jugendlichen nicht erhalten werden und wird eine prothethi-sche Lösung notwendig, wird die Situa-tion nicht leichter. Dr. Daniel Thoma (Zürich/CH) wird über seinen Therapieansatz und verschiedene Lösungsmöglichkeiten spre-chen.

Noch nicht angemeldet? Dann ist jetzt noch Zeit dazu! Frühbucherrabatt bis 30. Oktober 2019. Die SSE freut sich über zahlreiche Teil-nehmer.Anmeldung über www.endodontology.ch

Challenges in Endo

Die Schweizerische Gesellschaft für Endodon-tologie (SSE) lädt am 17./18. Januar 2020 zur 27. Jahrestagung in Zürich ein. Referenten aus dem In- und Ausland werden aktuelle Themen aus dem Bereich Endodontologie erörtern.

Text: Birgit Lehnert, Vorstand SSE

NEUES VON DEN FACHGESELLSCHAFTEN

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Digitaler Implantat-Pass der Schweizerischen Gesellschaft für orale Implantologie (SGI)

Die Schweizerische Gesellschaft für orale Implantologie (SGI) hat sich zum Ziel gesetzt, die zahnärztlich im-plantologische Tätigkeit zu fördern und weiterzuentwi-ckeln. Insbesondere engagiert sich die SGI für die Infor-mation der Bevölkerung über die Chancen und Möglich-keiten der Implantologie. Vor diesem Hintergrund hat die SGI neu einen digitalen Zahnimplantat-Pass entwickelt, der es Patienten lebenslang ermöglicht, die bei ihnen eingesetzten Implantate und Biomaterialien kostenfrei und sicher zu speichern.Die SGI wird dieses für die Schweiz einzigartige Register an ihrem Jahreskongress am 1. und 2. November in Burg-dorf erstmals vorstellen. Mitglieder der SGI genies sen den grossen Vorteil, dass sich ihre Patienten einfach und ohne Mehraufwand für den digitalen SGI-Zahnimplantat-Pass registrieren können.Alle weiteren Informationen sowie die Möglichkeit, sich für den Jahreskongress zu registrieren, finden Sie auf der neuen Website www.sgi-ssio.ch.

Schweizerische Gesellschaft für orale Implantologie (SGI) Geschäftsstelle Stadtbachstrasse 42a 3012 Bern Telefon: +41 31 382 20 10 E-Mail: [email protected]

Text: zvg

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In Batken mussten Menschen mit Augen-problemen noch bis vor Kurzem bis zu 1000 Kilometer zurücklegen, um eine an-gemessene medizinische Versorgung zu erhalten. Die Kosten für diese Reise und die medizinische Behandlung konnte die Mehrheit der Bevölkerung nicht aufbrin-gen. Also blieben Augenerkrankungen meist unbehandelt. Die Folge: Viele pfle-gebedürftige Menschen, die den Alltag nicht mehr selbst bewältigen und ihren Beitrag zur Gesellschaft nicht mehr leis-ten konnten. Dies obwohl es in der Re-gion über 40 Augenärzte pro Million Ein-wohner gab. Doch nur wenige dieser Ärzte verfügten über die Möglichkeit, Operationen und wirksame Behandlun-gen durchzuführen.Über die Hälfte der Bevölkerung in Bat-ken lebt unterhalb der Armutsgrenze. Die Bevölkerung besteht zum Grossteil aus älteren Personen, was einen höheren Be-

darf an Leistungen in der Augenmedizin erfordert. Ausserdem leben mehr als 70 Prozent der Bevölkerung in ländli-chen, zum Teil sehr abgelegenen und schlecht erschlossenen Gebieten.

Zugang zu medizinischer Versorgung für alleDank dem Augenmedizinprogramm des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) hat sich die Situation für die 470 000 Ein-wohner der Region Batken markant ver-bessert. Die Stadtklinik in Batken verfügt nun über eine voll ausgerüstete und funktionsfähige Augenklinik, in der am-bulante Patienten richtig behandelt und Operationen durchgeführt werden kön-nen. Eine Studie zeigt, dass 85 Prozent der Erblindungen in Kirgistan vermeidbar sind. Um das Bewusstsein der Bevölke-rung zu schärfen und die Früherkennung von Augenerkrankungen zu verbessern, arbeitet das SRK daran, die Gesundheits-

kompetenz in der Öffentlichkeit mit Informationskampagnen zu fördern. Dazu gehört weiter, das Überweisungs-system zu stärken, angefangen bei den Hausärzten über die Familienarztzentren bis hin zu den Krankenhäusern.Der Kirgisische Rote Halbmond, der lokale Umsetzungspartner des SRK, schätzt die Expertise des SRK sehr, war die Augen-heilkunde doch Neuland für die Organisa-tion. Ziel ist es, das Gesundheitsministe-rium bei der Entwicklung einer Augen-heilstrategie für das Land zu unterstützen und das Augenheilungssystem auf allen Ebenen des Gesundheitssystems zu ver-bessern.

Von Erfolg gekröntDie Auswertung der ersten Pilotphase des SRK-Augenmedizinprogramms in Kirgis-tan (2016–2018), die sich auf die Region Batken beschränkte, spricht eine klare

Kirgistan: Zugang zu Augenmedizin auch in abgelegenen Regionen

Mit dem Erlös von geschmolzenem Zahn-gold rettet das Schweizerische Rote Kreuz das Augenlicht von Menschen in benach­teiligten Regionen wie zum Beispiel Kirgistan. Viele SSO­Mitglieder sammeln in ihren Praxen das ausgediente Edelmetall und spenden es für diesen guten Zweck.

Text: Isabel Rutschmann, Schweizerisches Rotes Kreuz Fotos: Red Crescent Society of Kyrgyzstan

«Vor fünf Jahren hatte ich plötzlich Augenpro­bleme, ich konnte nicht mehr richtig sehen. Nach der Behandlung im Augenzentrum des Roten Kreu­zes sind meine Probleme wie durch ein Wunder verschwunden. Jetzt treffe ich sogar das Nadel öhr wieder problemlos und kann meine Näharbeiten erledigen.»Kazakova Bunsa, Batken

«Als junger Mann kamen meine Augen mit einer giftigen Substanz in Berührung. Als sich vor ein paar Jahren die Spätfolgen dieses Unfalls bemerk­bar machten, brauchte ich einen Augenspezialis­ten und eine professionelle Behandlung. Ich bin überaus dankbar, dass ich in der Augenklinik des Roten Kreuzes medizinische Hilfe bekam, dank der ich mein Augenlicht nicht verloren habe.»Mahamadshakir Abdrahmanov, Batken

«Wir führen ein bis zwei Operationen pro Tag durch, also etwa 30 pro Monat. Damit behandeln wir mit sehr erfreulichen Ergebnissen den grauen und den grünen Star. Es ist immer wieder ein schönes Erlebnis, wenn wir Menschen mit einem vergleichsweise kleinen Eingriff helfen können.»Burulai Asanbaeva, Augenärztin im Batken Oblast Spital, Batken

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Sprache: Der Bedarf an augenmedizini-schen Behandlungen ist gross und wird künftig mit dem demografischen Wandel einen immer höheren Stellenwert einneh-men. Dies und die Resultate einer reprä-sentativen Studie haben die Regierung überzeugt, Augengesundheit mehr Bedeu-tung beizumessen. So konnte in einem

ersten Schritt das SRK-Programm auf den gesamten Süden des Landes ausgeweitet werden. In einem weiteren Schritt ist geplant, die Regierung in der Strategie-entwicklung für das ganze Land zu unter-stützen, um landesweit die augenmedi-zinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.

Zwei Fragen an Brigitte Müller, Programmverantwortliche Kirgistan

Brigitte Müller, wie stehen die Chancen, vermeidbare Blindheit in Kirgistan in Zukunft zu reduzieren?Die Chancen stehen sehr gut, und die ersten Auswertungen der Ergebnisse zeigen Erfolg. Das Augenmedizinpro-gramm wird das lokale Gesundheits-system als Ganzes stärken und Augen-ärzte im ganzen Land vernetzen, um zusammen auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten.

Was heisst das für die Bevölkerung?Viele Menschen haben ein Frühstadium des Glaukoms, das unbehandelt ist, da sie nicht wissen, dass dies zu Blindheit führen wird. Wir müssen mehr in Infor-mationskampagnen und Gesundheits-förderung für Menschen in abgelegenen Gebieten investieren, damit sie ver-stehen, dass sie so früh wie möglich diagnostiziert und behandelt werden müssen.

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3 41) Nurlan Saliev, Direktor des Batken Oblast Spitals, Batken. 2–4) Wegen der grossen Armut in dieser Region gibt es in Batken sehr viele Menschen mit Augenproblemen. Es gab zwar einen Augenarzt, der konnte aber nur beraten und nicht behandeln. Seit der Inbetriebnahme der Augenklinik wurden schon 353 Operationen durchgeführt.

Zahngold spenden

Informieren Sie Ihre Patienten über die Möglichkeit der Zahngoldspende. Senden Sie das Extrakt im Spezialkuvert mit Absender an das Schweizerische Rote Kreuz, oder geben Sie dem Patienten das Kuvert mit. Kuverts bestellen unter redcross.ch/altgold

So hilft das Schweizerische Rote Kreuz

Das SRK sorgt in Ghana, Togo, Bangladesch, Kirgistan und Nepal für Zugang zur Augen-medizin. Im letzten Jahr konnten durch die Operation des grauen Stars 5400 Men-schen das Augenlicht zurückerlangen und 87 960 Kinder einem Sehtest unterzogen werden. 728 900 Menschen lernten, wie sie ihre Augen schützen und Krankheiten vermeiden können.

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Immer wieder wurden in dieser Ko-lumne ganz hervorragende Medika-mentenapps vorgestellt, die den zahn-ärztlichen Alltag erleichtern und vor allem sicherer machen. Zu den Besten

gehören sicher Embryotox und LactMed(Kolumne 29). Zunehmend weisen jedoch bei erforderlicher Medikation Patientinnen und Patienten zu Recht darauf hin, dass sie diesbezügliche

individuelle Einschränkungen haben: Laktose-, Fruktose- und Gluten into-leranz oder ein veganer Lebensstil vertragen sich nicht mit bestimmten Medikamenten. Eine neue App soll

Smartphone-Apps für Zahn-ärztinnen und Zahnärzte

Die App WhatsIn My Meds bietet Menschen mit Lebensmittelintoleranzen oder Allergien nützliche Hinweise über die Inhaltsstoffe von Medikamenten.

Text und Bilder: Prof. Andreas Filippi

ONL INE

Abb. 1: WhatsIn My Meds: Startbildschirm Abb. 2: WhatsIn My Meds: umfangreiche, aber zeitgemässe Auswahlliste

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hier für Transparenz und Sicherheit sorgen.

Teil 63 – WhatsIn My MedsWhatsIn My Meds (Abb. 1) ermöglicht eine gezielte Selektion von Medikamenten, die nach Angabe von Prädispositionen und Intoleranzen aller Art dargestellt werden. Zunächst muss daher eine ent-sprechende Auswahl getroffen werden. Gefragt wird nach wirklich vielen Ein-flussfaktoren: von diversen Intoleran-zen (Lactose, Fructose, Gluten, Hista-min, Sorbitin) über zahlreiche Allergien (von Hühnerei bis Soja), Alkoholver-zicht, Zuckerverzicht, muslimischen Glauben, vegane Lebensweise bis Leis-tungssportler und Drogentest-Kreuz-reaktionen (Abb. 2). Diese zunächst überraschend lange Auswahlliste ergibt Sinn und betrifft einen immer grösser werdenden Teil unserer Patienten und der Bevölkerung. Dank der App können alle (noch) infrage kommenden Medi-

kamente ohne einen bestimmten In-haltsstoff angezeigt werden.Dies geschieht über eine Eingabemaske (Abb. 3), in der Wirkstoffe oder Präpa-rate eingegeben oder nach Anwen-dungsgebieten wie «Husten» gesucht werden kann. Schliesslich erscheint eine Liste mit allen Medikamenten, die den angegebenen Stoff nicht enthalten (Abb. 4). Um individuellere Informatio-nen zu erhalten, muss man (leider) die Premiumversion abonnieren. Sie kostet zurzeit unter zehn Franken pro Jahr, was auch für betroffene Patienten inte-ressant sein kann (Abb. 5).

LiteraturFilippi A: iPhone- und iPad-Apps für Zahnärzte, Quintessenz-Verlag (2013).

Abb. 3: WhatsIn My Meds: Auswahlmaske zur Eingabe von Wirkstoffen oder Handelsnamen

Abb. 4: WhatsIn My Meds: Beispiel Penicillin. Die Darstellung unerwünschter Inhaltsstoffe ist (leider) kostenpflichtig.

Abb. 5: WhatsIn My Meds: Kosten in Abhängigkeit von der Art des Abonnements

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Qualität der Diagnostik verschlechtert sich unter Zeitdruck

Plessas A, Nasser M, Hanoch Y, O’Brien T, Delgado M B, Moles D: Impact of time pres-sure on dentists’ diagnostic performance.J Dent 2019; 82: 38–44

Die Zahnmedizin ist als stressvolle Tätig-keit anerkannt. Arbeitsbedingter Stress wurde mit der Entstehung von psychi-schen Problemen wie Depressionen und einem erhöhten Burn-out-Risiko bei Zahnärzten in Verbindung gebracht. Die Prävalenz von Burn-out unter den Be-rufsgruppen variiert von Studie zu Stu-die.Einigen Untersuchungen zufolge leiden 2,5 Prozent der Zahnärzte unter einem Burn-out, während andere berichten, dass 26 Prozent ein hohes Risiko sowohl für emotionale Erschöpfung als auch für Depersonalisierung haben.Zahnärzte treffen auf zahlreiche Stress-quellen. Dies beginnt im Studium, setzt sich in der weiteren Ausbildung fort und nimmt im Berufsleben nicht ab, sondern eskaliert unter Umständen sogar. Die am häufigsten aufgeführten Stressfaktoren sind schwierige und anspruchsvolle Pa-tienten, Verspätungen und Zeitdruck, gefolgt von Personalfragen und dem Druck von Dritten. Obwohl Zahnärzte den Zeitdruck als wichtigen Stressfaktor wahrnehmen, der ihre klinischen Ent-scheidungen potenziell beeinflussen kann, hat eine systematische Überprü-fung der zahnärztlichen Literatur keine experimentellen Studien identifiziert, die die Auswirkungen von Stress oder verschiedenen Stressfaktoren auf die Leistung der Zahnärzte bewerten. Im Gegensatz dazu gibt es zahlreiche Belege aus anderen medizinischen Bereichen, welche zeigen, dass der Zeitdruck die Entscheidungsfindung und die diagnos-tische Genauigkeit von Gesundheits-experten sowie deren psychomotorische Leistungs- und Handlungskompetenz beeinflusst.Obwohl Stress bei Zahnärzten weitver-breitet ist, gibt es nur wenige Daten über

die Auswirkungen von Stressfaktoren auf die klinische Leistungsfähigkeit von Zahnärzten. Das Ziel der vorliegenden Studie war es, die Rolle des häufigen Stressfaktors Zeitdruck bei der radiologi-schen Diagnoseleistung von Zahnärzten zu untersuchen. 40 Zahnärzte wurden zufällig ausgewählt, um zwei Sätze von Röntgenbildern (sechs Bissflügelaufnah-men in jedem Satz) unter Zeitdruck bzw. ohne Zeitdruck auf Crossover-Basis zu be-funden und einen radiologischen Bericht zu erstellen. Der Röntgenbericht eines er-fahrenen Beraters fungierte als Goldstan-dard, anhand dessen die diagnostischen Entscheidungen der Teilnehmer vergli-chen wurden, um die Sensitivität und die Spezifität zu berechnen. Die Teilnehmer bewerteten ihren Stress nach jeder expe-rimentellen Bedingung mit einer visuellen Analogskala (VAS).Die VAS-Werte für Stress waren unter Zeitdruck signifikant höher als ohne Zeit-druck (Mittelwert: 55,78 versus 10,73, p < 0,0001), was darauf hinweist, dass der Zeitdruck eine Stressquelle darstellt. Die diagnostische Leistungsfähigkeit der Zahnärzte war beeinträchtigt und die Sensitivität unter Zeitdruck deut-lich geringer (Median: 0,50 versus 0,80, p < 0,0001), aber im Gegensatz dazu be-trug die mediane diagnostische Spezifität unter beiden Bedingungen 1,00.Der Zeitdruck beeinflusst einen Aspekt der Diagnoseleistung von Zahnärzten negativ, nämlich die Sensibilität (erhöhte Diagnosefehler und Übersehen von Pa-thologien), was sich potenziell auf die Patientensicherheit und die Qualität der erbrachten Leistungen auswirken kann. Es wurde jedoch festgestellt, dass der Zeitdruck weniger Einfluss auf die dia-gnostische Spezifität hat.

SchlussfolgerungDie vorliegende Studie hat gezeigt, dass sich die diagnostische Leistungsfähigkeit (Sensitivität) von Zahnärzten bei der Un-tersuchung von Bissflügel-Röntgenauf-nahmen unter Zeitdruck signifikant ver-schlechtert. Diagnosefehler können die Sicherheit des Patienten gefährden, denn diese nehmen unter Umständen Schaden, wenn eine bestehende Pathologie nicht

erkannt wird. Solche Fehler können me-dizinisch-rechtliche Folgen für die be-handelnden Zahnärzte haben.Dr. med. dent. Alessandro Devigus, Bülach

Dieser Artikel erschien erstmals in Quint-essenz 70 (4): 474–475 (2019)

Wie Kinder den Zahnarzt wahrnehmen

Celine G, Cho V, Kogan A, Anthonappa R, Kin N: Eye-tracking in dentistry: What do children notice in the dentist? J Dent 2018; 78: 72–75

Die Begriffe Zahnarztangst oder Zahn-arztphobie werden oft verwendet, um starke negative Gefühle zu beschreiben, die bei Kindern und Jugendlichen mit der Zahnbehandlung verbunden sind. Derar-tige Ängste haben in dieser Gruppe eine geschätzte Prävalenz von etwa 9 Prozent, wobei der Wert bei jüngeren Patienten noch höher ausfällt. Umgekehrt stellen zahnärztliche Verhaltensmanagement-probleme, die durch die Erfahrung des Zahnarztes bei der Kinderbehandlung definiert sind, einen Sammelbegriff für unkooperative und störende Verhaltens-weisen dar, die zu einer Verzögerung der Behandlung führen oder diese unmöglich machen, und zwar ohne Rücksicht auf die Art des Verhaltens oder den zugrunde lie-genden Mechanismus.Die Bedeutung von Faktoren wie Schmer-zen oder wahrgenommene mangelnde Kontrolle während der Behandlung, wel-che die Durchführung invasiver Massnah-men, die Verabreichung von Injektionen oder das Arbeiten mit scharfen Schnei de-instrumenten umfasst, wurde bereits ausführlich beschrieben. Es wurde fest-gestellt, dass bei Kindern schon vor dem ersten Besuch in einer zahnärztlichen Praxis eine Zahnarztangst besteht. Zu den Gründen zählen u. a.: grosse Variation in Alter, Kompetenz, Reife, Persönlich-keit, intellektueller Kapazität, Tempera-ment und Emotionen, Erfahrung, Mund-gesundheit, Familienhintergrund, Erzie-

Wissenschaft in Kürze

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hungsstile, Kultur oder elterliche Model-lierung.In der vorliegenden Studie sollte mithilfe der Eye-Tracking-Technologie unter-sucht werden, was Kinder am meisten registrieren, wenn sie den Zahnarzt auf-suchen. Insgesamt 40 Kinder (21 weib-lich, 19 männlich) betrachteten auf einem Computerbildschirm zehn Bilder von Zahnärzten unterschiedlichen Ge-schlechts und unterschiedlicher eth-nischer Herkunft, die unterschiedliche Kleidung trugen. Die Probanden waren zwischen 4 und 12 Jahre alt. Zum Einsatz kam die Eye-Tracking-Kamera Tobii X2–60, die die Blickrichtung der Kinder bei der Betrachtung der auf einem Bild-schirm angezeigten Bilder verfolgte.Auf jedem Bild wurden Interessengebiete wie z. B. Augen, Mund oder Hemd vor-

definiert. Zwischen den Zahnarztbildern wurden andere Bilder angezeigt. Gemes-sen wurden die Anzahl der Fixierungen durch die Probanden und die mittlere Fixationslänge für jedes Interessenge-biet.Die visuelle Beurteilung ergab, dass das Gesicht des Zahnarztes die höchste Kon-zentration an Fixierungen erzielte, gefolgt von der Kleidung. Für den Mundbereich wurden deutlich mehr Fixierungen als für die Augen gemessen. Neben der Anzahl der Fixierungen war auch die mittlere Fixationslänge für das Gesicht höher als für die Kleidung und für den Mundbe-reich höher als für die Augen. Bei Bildern mit ablenkenden Objekten (Distraktoren) wie Stiften und Krawatten ergaben sich mehr und längere Fixierungen als bei Bil-dern ohne Distraktoren.

SchlussfolgerungenDie Kinder fixierten am meisten das Gesicht des Zahnarztes, vor allem den Mundbereich, gefolgt von der Kleidung. Die Distraktoren konnten den Blick der Probanden auf sich ziehen. Wichtig ist, dass Eye-Tracking ein effektives Instru-ment zur Beurteilung der Blickrichtung von Kindern auf die Zahnarztbilder war. Die Studie sollte Informationen darüber liefern, worauf Kinder sich konzentrie-ren, wenn sie einen Zahnarzt aufsuchen. Dies war bisher nicht bekannt und kann dazu beitragen, dass Zahnärzte ihre Art der Präsentation und Interaktion mit kindlichen Patienten modifizieren.Dr. med. dent. Alessandro Devigus, Bülach

Dieser Artikel erschien erstmals in Quint-essenz 70 (5): 632 (2019)

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