Zeitgerechtes Controlling: Strategie — Innovation — Wertorientierung —...

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Sierke . Zeitgerechtes Controlling

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Sierke . Zeitgerechtes Controlling

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Bernt R. A. Sierke (Hrsg.)

Zeitgerechtes Controlling

Strategie - Innovation -Wertorientierung - -Virtualitat

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Prof. Dr. Bernt R. A. Sierke ist Inhaber des Lehrstuhls fUr Industrielles Management, Rechnungswesen und Controlling der PRlVATEN FACHHOCHSCHULE GOTTINGEN sowie Prasident der Hochschule. Er ist auBerdem Geschliftsfiihrender Partner der UNIC­consult Untemehmensberatung GmbH.

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Ein Titeldatensatz fUr diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhliltlich.

1 Auflage Oktober 2000

Aile Rechte vorbehalten

© Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden, 2000 Lektorat: Jutta Hauser-Fahr / Annegret Eckert

Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen der Fachverlagsgruppe BertelsmannSpringer.

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Hochste inhaltliche und technische Qualitlit unserer Produkte ist unser Ziel. Bei der Produktion und Verbreitung unserer BUcher wollen wir die Umwelt schonen. Dieses Werk ist deshalb auf siiure­freiem und chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Die EinschweiBfolie besteht aus Polyiithylen und damit aus organischen Grundstoffen, die weder bei der Herstellung noch bei der Verbrennung Schadstoffe freisetzen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wiiren und daher von jedermann benutzt werden dUrften.

Konzeption und Layout des Umschlags: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de

ISBN-13: 978-3-409-11709-8

DOl: 10.1007/978-3-322-82331-1

e-ISBN-13: 978-3-322-82331-1

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Vorwort

Der Controlling-Begriff als einer der "schillernsten Begriffe" in der Betriebswirtschafts­lehre hat sich in der betrieblichen Praxis nicht nor durchgesetzt, er verbirgt auch eine Reihe von erfolgssichernden Spielarten hinter sich.

Controlling-Funktion und Controlling-Institution sind in Unternehmen nicht nor unter­schiedlich ausgeprii.gt, auch die Entscheidungsinstrumente, Steuerungsindikatoren und Analysetechniken haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verii.ndert.

Nicht zuletzt das ist der Anla8, trotz der scheinbar unendlichen Plut der Veroffentli­chungen zum Thema Controlling mit dem vorliegenden Sammelband dazu beizutragen, neuere StrOmungen - vor allem aus der Praxis - ohne Anspruch auf Vollstll.ndigkeit zusammenzutragen.

Das die Beitrii.ge verbindende Thema "Zeitgerechtes Controlling" li16t sich clabei aus zwei Blickrichtungen interpretieren: "Zeitgerecht" sollte zum einen im Sinn von aktuell verstanden werden. Welche aktuellen Ansii.tze gibt es im Controlling? Welche zu losen­den Schwierigkeiten prii.gen clas Controlling heute aufgrund der globalen und aktuellen wirtschaftlichen Lage und der sich stll.ndig dynamisch verii.ndernden Rahmenbedingun­gen? Inhaltlich widmet sich das Buch dieser ersten Blickrichtung durch ein breites Spektrum, das von Ansii.tzen des wertorientierten Controlling bis zu Controlling virtuel­ler Strukturen reicht.

,,Zeitgerecht" li16t sich aber auch im Sinne von zeitbezogen interpretieren. Neuere Steu­erungsgraBen des Controlling richten sich nunmehr an Zeitgra8en, die den Kosten- und ErlosgraBen untergeordnet sind, aus. Entscheidungsvorbreitende Ma8nahmen ziehen die Prozesse, ProzeBablii.ufe und ProzeBzeiten in die Uberlegungen mit ein. Durchlaufzei­ten, Entwicklungszeiten oder Ma8zahlen dynamischer Verii.nderungen treten in den Vordergrund.

Auch die zweite Blickrichtung prii.gt durch eine Reihe von Aufsii.tzen den vorliegenden Sammelband.

Als Einstieg gelten die AusfUhrungen des Herausgebers, die auf pragmatische Weise zu klii.ren versuchen, wie ein Outsourcing des Controlling strategisch angegangen werden kann. Der Fragestellung, ob Wertorientierung des Controlling als Trend oder Modeer­scheinung gelten muB, geht P. Lorson nacho

Es folgen drei Beitrii.gen zum Controlling von (ehemaligen) Mitarbeitern der heutigen TUI-Group. Die Aufsii.tze sind innerhalb einer Zeitspanne von ca. zwei Jahren entstan­den und spiegeln daher unterschiedliche Entwicklungsphasen eines sich wandelnden Unternehmens wieder. So schreibt der ehemalige Finanzvorstand H. Roland von spezi­fischen Anforderungen einer wertorientierten UnternehmensfUhrung am Beispiel TUI. M. Dusemond stellt seine Uberlegungen zum Aufbau einer Konzernkostenrechnung im Rahmen des Konzernrechnungswesen allgemeingUltig vor. Balanced Scorecard­Anwendungen in der TUI-Group beschreiben S. Baumert und F. Albe.

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VI VORWORT

Die strategische Ebene biIdet den Rahmen der sich anschlieBenden zwei Beitrage. Die Ausruhrungen von U. G6tze und B. Mikus zeigen Moglichkeiten der Risikobewiiltigung im strategischen Management. H.-C. Riekhof stellt die Strategieumsetzung auf den Priifstand. Er pladiert fiir ein strategisches ProzeBcontrolling.

Die Prozessorientierung greift H. Schtile auf, in dem er die Verrechnung von IV-Kosten diesbezUglich aufzeigt.

Virtuelle Untemehmen biIden thematisch den Zusammenhang der folgenden zwei Auf­satze. Wahrend M. Almstedt und G. Wissel sich dem Innovationscontrolling in virtuel­len Untemehmungen widmen, greift B. Rohlfing die daraus resultierenden rechtlichen Probleme auf. B. von Velsen-Zerweck rat Dienstleistungsuntemehmen, an einem zeit­nahen Controlling der Kundenzufriedenheit zu arbeiten.

AbschlieBend beschreiben S. Odenthal und B. R. A. Sierke den Weg vom Total Quality Management zum Total Quality Environment Management.

Das damit kurz skizzierte Werk lebt von der Vielseitigkeit des beruflichen Spektrums seiner Autoren. Allen bin ich als Herausgeber zu groBem Dank verpflichtet. Besondere Anerkennung verdienen diejenigen Autoren, die ihre ersten Skripte schon 1998 abgege­ben haben. Sie muBten viel Verstandnis aufbringen, daB aufgrund des aktuellen Tages­geschiiftes, der sich oftmals verandemden freien VerfUgbarkeit der Zeit von einigen Au­toren und nicht zuletzt einiger redaktioneller Verzogerungen der urspriinglich sehr ehrgeizige Zeitplan nicht einzuhalten wahr.

FUr die wie immer gute und konstruktive Zusammenarbeit mit den Mitarbeitem des Gabler-Verlages mochte ich mich ebenso bedanken wie fiir die UnterstUtzung durch das Verwaltungsteam der Privaten Fachhochschule Gottingen. Besonderem Dank gilt Frau Claudia Henne, die - trotz ihrer oftmals sehr urnfangreichen Arbeiten im Back-Office der UNICconsult Untemehmensberatung GmbH - die Ruhe und die Zeit gefunden hat, sich intensiv urn das Manuskript zu kiimmem.

BERNT R. A. SIERKE

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

BERNT R. A. SIERKE: Outsourcing des Controlling als strategisches Problem meistern

PETER LoRSON:

Entfeinerung und wertorientierte Ausrichtung des Rechnungswesens -Mode oder Controlling-Trend?

HELMuT ROLAND:

Wertorientierte Unternehmensftihrung in der Praxis

MICHAEL DUSEMOND:

Aufbau einer Konzemkostenrechnung zur UnterstUtzung des internen und externen Konzemrechnungswesens

STEFAN BAUMERT UND FRANK ALBE:

Strategie im Wandel-Einftihrung der Balanced Scorecard bei der TUI Deutschland

UWE GOTzE UND BARBARA MIKus: Strategisches Management und die BewaItigung von Risiken

HANs-CHRISTIAN RmKHOF: Strategieumsetzung auf dem PrUfstand: Strategisches ProzeBcontrolling in der Praxis

HUBERT ScHOLE: ProzeBorientierte Verrechnung von N-Kosten

MATI1IIAS ALMsTEDT UND GERAlD WISSEL:

Innovationscontrolling in virtuellen Unternehmungen

BERND ROHLFING:

Rechtliche Probleme bei Virtuellen Unternehmen im Lichte eines zeitgerechten Controlling

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vrn INHALTSVERZEICHNIS

BEAlE VON VELSEN-ZERWECK:

Zeitnahes Controlling der Kundenzufriedenheit in Dienstleistungsuntemehmen 201

STEFAN ODENTHAL UNO BERNT R. A. SIERKE:

Darstellung okologischer Komponenten im Total Quality Management -Auf dem Weg zum Total Quality Environmental Management 209

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Outsourcing des Controlling als strategisches Problem meistem

Prof. Dr. Bernt R. A. Sierke*

1. Das Dilemma des Controlling

2. Controlling im Wandel

3. Lean-Controlling oder "wie man sich zu Tode hungert"

4. Einteilung der Controllingaufgaben

5. Positionierung in einem Outsourcing-Portfolio

6. Kriterien und Bedingungen des Outsourcing

* Prof. Dr. Bernt R. A. Sierke, geb. 1959 in G6ttingen, Studium der Betriebswirtschaftslehre in G6ttin­gen, Diplom-Kaufmann 1985, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut fUr Betriebswirtschaftliche Produktions- und Investitionsforschung, Promotion 1990, Akademischer Rat am selben Institut, Trai­ning und Consulting, MitbegrUnder und Vizekanzler der PRIV ATEN FACHHOCHSCHULE GOTTINGEN, seit 1995 Geschiiftsftlhrender Partner der UNICconsult Unternehmensberatung GmbH, 1998 Berufung zum Professor an der PRIV ATEN FACHHOCHSCHULE GOTTINGEN. Lehrstuhl Industrielles Management, Rechnungswesen wid Controlling. seit 1999 Priisident der Hochschule.

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2 BERNT R. A. SIERKE

1. Das Dilemma des Controlling

Das Controlling hat sich mit seinen entscheidungsvorbereitenden Serviceaufgaben -trotz aller unterscbiedlichen Ausprilgungen in der Praxis - nunmehr seit zwei Jahrzehn­ten auch in deutschen Untemehmen bewiihrt. Zwei Kemaufgaben haben sich dabei her­auskristallisiert: Zum einen entwickelt das Controlling stilndig den Anforderungen der Zeit entsprechende Planungs- und Kontrollmechanismen, mit denen die operativen und strategischen Ergebnisse transparent gemacht werden konnen: das Controlling arbeitet systemschaffend. Zum ande~n ist das Wesen des Controlling ergebnisorientiert, in dem es innerhalb der geschaffenen Systeme zur Untemehmenssteuerung relevante Kennzah­len ermittelt: das Controlling arbeitet kennzahlenbildend.

Der Nutzen und die Moglichkeiten des Controlling scheinen sich dabei jedoch oftmals zu widersprechen. Sind es nicht die Entscheider, die manchmal sogar lauthals bekunden, daB in der Regel einige pragmatische Eckdaten - moglichst farbig aufbereitet - ausrei­chen, um das Untemehmen zu ftihren, und stehen ihnen gegenUber nicht die Analytiker, die aus Uebe zum Detail bereit sind, in immer ausgefeilteren Systemen Zahlenfriedhofe zu produzieren, wohl wissentlich, daB diese nicht gebraucht werden? Was ist los mit dem Controlling? Brauchen wir es tlberhaupt noch in der bisherigen Form oder konnen wir uns davon trennen bzw. lllSt es sich wie viele andere, nicht zum Kemgeschlift gehO­rende Untemehmensbereiche einfach outsourcen? Es stellt sich damit die Frage, welche Normstrategien fUr ein mogliches Outsourcing des Controlling abzuleiten sind und wel­che inhaltliche und organisatorischen Verilnderungen fUr das Controlling damit verbun­den wilren.

2. Controlling im Wandel

Die Entwicklung des Controlling und damit der Wandel lllSt sich sinnvollerweise in zwei Komponenten erfassen: einerseits kann eine Verilnderung der Controllingaufgaben festgestellt werden und anderseits lllSt sich ein Wandel der Controllinginstitution auf­zeigen.

Letzteres zeigt sich insbesondere in jtlngerer Zeit. Anfang der 90er Jahre - im Zeitalter der Lean-Euphorie - machte der Gedanke des Verschlankens auch vor Controllingabtei­lungen keinen Halt. Die Notwendigkeit der Umstrukturierung und damit des Personlab­baus in zentralen und dezentraIen Controllingschaltstellen ergab sich aus der Tatsache, daB auch bier ein in Frage zu stellendes Aufblilhen von Aufgaben und Strukturen offen­sichtlich war.

Grtlnde fUr die oftmals iibertriebene Erweiterung der Controllinginstanz und der damit einhergehenden Steigerung deren innerbetrieblicher Bedeutung, lassen sich auf die drei wesentlichen Komponenten "Aufgabenerweiterung", "Arbeitserleichterung" und "Orga­nisationsverilnderung" zuriickfUhren:

1. Die notwendigen Aufgaben haben sich wesentlich vergrBBert. Insbesondere durch das Bediirfnis, zunehmend auch strategische Fragestellungen controllinggerecht zu bearbeiten ist das Spektrum des Instrumentenkastens gewachsen. 1m Controlling lllSt sich somit Arbeitserweiterung aufgrtmd eines Bedarfs feststellen.

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OUTSOURCING DES CONTROllING ALS STRATEGISCHES PROBLEM MEIS1ERN 3

2. Die Voraussetzung fiir genauere Analysen haben sieh verbessert. Nieht nur die e­lektronisehe Datenverarbeitung und damit die wesentliehe Zeitverminderung bei der Bereehnung von aussagekriiftigen Managementdaten fUhrte dazu, sieh heute Fragen zuzuwenden, die frUher nieht gestellt und damit nieht bearbeitet wurden. Vielmehr aueh das Instrumentarium selbst hat sieh erweitert und verbessert, ohne das dabei - wie unter Ziffer 1 aufgeftibrt - der Bedarf der Impulsgeber war. Man denke dabei z.B. an die oftmals neben den herkommliehen Methoden der Kosten­reehnung eingeftihrte ProzeSkostenrechnung, die zu oft redundante Informationen liefert. Es mag paradox klingen, wenn durch Arbeitserleiehterung Arbeitserweite­rung entsteht.

3. Die Organisation zur Bewliltigung innerbetrieblieher Aufgaben hat sieh vermdert. Aile mit der Leistungserstellung mittelbar und unmittelbar verbundenen Ma6nah­men werden zunehmend im Rahmen von Prozessen und Projekten bewliltigt. Da sowohl Prozesse als aueh Projekte ControllingunterstUtzung erfordem, induziert die Organisationsverllnderung eine Aufgabenerweiterung fiir das Controlling. Lei­der lassen sieh meSbare Gegenwirkungen in der Praxis oftmals nieht feststellen, da die traditionell vielmals historiseh gewachsenen Organisationsstrukturen in den Hauptkomponenten in der Regel weiterhin bestehen bleiben und dureh das her­kommliehe Controllingberiehtswesen versorgt werden mUssen.

3. Lean-Controlling oder "wie man sich zu Tode hungert"

Das Handeln naeh Lean-Gesiehtspunkten hat zu einer massiven Infragestellung von Strukturen und Prozessen in allen Unternehmensbereiehen geftibrt. Ausgehend von ei­ner grundlegenden UberprUfung und Neustrukturierung der Organisation ftihrte der Ge­danke der Versehlankung vor allem zu einer Eliminierung von unnotigen Hierarchiestu­fen und radikalem Personalabbau. Daneben ermogliehte die Optimierung von Ge­sehiiftsprozessen, wertschaffende Aktivitiiten von nieht wertsehaffenden oder gar wert­verniehtenden zu trennen, letztere besonders in Frage zu stellen und aus dem ProzeS zu entfernen.

Der Erfolg der Versehlankung in Verbindung mit der Prozessausriehtung stellte sieh zunehmend in den Unternehmen hierzulande ein; allen voran war es die deutsche Auto­mobilindustrie, die sieh damit aus ihrer wohl stiirksten Krise der Nachkriegszeit erholte. Warum sollte das, was bei allen anderen Unternehmensbereiehen offensiehtlieh in der Regel zu Erfolgen ftihrte nieht aueh im Controlling erfolgreieh sein?

Oberflik:hlieh betrachtet mag es daher verblUffen, daB Unternehmen, die ihr Controlling unreflektiert einer Versehlankung unterzogen haben, nunmehr schlechtere operative Ergebnisse schreiben und es hier an strategisehen Impulsen mangelt, zukUnftige Krisen­situationen zu meistern. Bei niiherer Betrachtung wird offensiehtlieh, daB ei,ne systema­tische und betriebswirtsehaftlieh sinnvolle Verschlankung aller Unternehmensbereiehe unweigerlieh zu einer Aufgabenerweiterung des Controlling fUhren muS. Die logische Folge wlire, gerade diese Abteilung durch zusiitzliches Know-how und modernster Inf­rastruktur zu erweitern. Da jedoch das Controlling als eine nieht wertschaffende Instanz angesehen wird, besteht auch hier der Wunsch zur Kosteneinsparung. Falls diesem Trend unreflektiert gefolgt wird, besteht jedoch die Gefahr, vor lauter Kosteneinsparung die kritisehen operativen und strategischen Entwicklungen eines Unternehmens nieht

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mehr zu hinterfragen. Krisensituationen werden nunmehr schlechter oder gar nicht er­kannt, Verschlankung verbirgt so die "Gefahr des Todes".

Um nicht in diese Falle des Lean-Gedankens zu tappen, erfordert die Verschlankung des Controlling eine systematische Begleitung. Das Controlling selbst muB im Sinne von Kosten-/ NutzenUberlegungen innerhalb strategischer Rahmenbedingungen Betrach­tungsgegenstand des Controlling werden. Es ergeben sich dabei Fragestellungen, bei deren Beantwortung sich ein Untemehmen sinnvollerweise den neutralen Rat von einem Extemen holen sollte. Dieser wird aus strategischer Sicht beurteilen, wie sinnvoll das Controlling in seiner spezifischen Untemehmensauspriigung ist und ob es Moglicbkei­ten des Verzichts oder der Ausgliederung von Aufgaben gibt. Dabei werden die fUr ein Outsourcing geeigneten Bereiche fokussiert und Strategien fUr sinnvolle Outsour­cingprozesse erarbeitet.

4 Einteilung der Controllingaufgaben

Der exteme Berater wird zunlichst die Clusterung der Controllingaufgaben vomehmen. Dabei werden zwei Dimensionen zur Einteilung der Aufgabenbereiche herangezogen:

1. Grad der Kontinuitat: Diese Dimension zeigt, wie oft das Controlling fUr die BewaItigung der Aufgabe aktiv werden muS. 1st es eine stetige, kontinuierliche Handlung oder eine in regelmiiBigen Abstanden zu wiederholende Aktivitiit, so ist die Aufgabe innerhalb einer Prozessaufnahme zu erfassen. Beispiele dafiir sind die buchhalterischen Pflichten, die kostenrechnerische Erfassung der be­trieblichen Ablaufe, das standige OberprUfen der strategischen Position der Un- . temehmung aber auch die kontinuierliche Anpassung bzw. Verbesserung des Berichtswesens. Werden die Aufgaben unregelmiiBig, vielleicht sogar einmalig durchgefUhrt, bietet es sich an, diese in Projekte zu erfassen. Beispiele fUr solche Projekttatigkeiten des Controllers lassen sich viele nennen. So werden Investiti­onsvorhaben ab einer bestimmten GroBenordnung im Controlling ex ante auf ih­re Wirtschaftlichkeit UberprUft und im Rahmen eines Projektcontrolling beglei­tet. Die Einftlhrung von EDV-Software und Hardware lost in der Regel Projekt­arbeit fUr das Controlling aus. .

2. Grad der Spezialisierung: mit der zweiten Dimension folgt man der Grundeintei­lung der Controllingaufgaben in kennzahlenbildende und systemschaffende Ak­tivitiiten. Damit ist ein Grad der Spezialisierung verbunden. Bin geringer Spezia­lisierungsgrad liegt beispielsweise bei der Bildung von traditionellen Kennzah­len vor. Sie lassen sich in gewohnten, in der Regel standardisierten Mechanis­men erfassen. Das Instrumentarium und das Know-how dafiir liegt vor. 1m Ge­gensatz dazu bedarf es einem oftmals sehr hohen Spezialwissen und groBer In­novationskraft, Systeme fUr das Controlling zu schaffen. Die Einftlhrung von SAPIR3 und die damit oftmals verbundene individuelle Anpassung der spezifi­schen Gegebenheiten des Untemehmens an das System gilt ebenso als Parade­beispiel wie die Entwicklung individueller wertorientierter Controlling­Konzepte nach Shareholder Value Gesichtspunkten.

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OUTSOURCING DES CONTROLLING ALS STRATEGISCHES PROBLEM MEISTERN

Grad der KontinuitBt

hoch

O rozessorientlert

Gradder ~~~~~~~~~""""'''''''''''''''''-------------'---I> SpezJBii­

sierung

Conlrollinf/"Oulsoun;lng Portfolio

5. Positionierung in einem Outsourcing-Portfolio

5

Mit Hilfe eines Controlling-Outsourcing Portfolio lassen sich die voneinander abge­grenzten Aufgaben bzw. Aufgabenbereiche des Controlling positionieren und flir vier verschiedene Portfolio-Felder Normstrategien ableiten, die die Grundlagen fUr weitere Uberlegungen bilden. Die in der Abbildung beispielhaft skizzierten flinf Aufgabenberei­che sind als Kreise dargestellt, deren RadiengroBe sich z.B. aus dem zu leistenden Zeit­aufwand, den anfallenden Kosten oder dem Einsatz von Human Ressourcen bei Erfiil­lung dieser Controllingaktivitaten ergeben.

Die Aktivitaten der wei Ben Felder I und IV eignen sich grundsatzlich eher dazu, sie an Exteme zu vergeben, durch Exteme begleiten zu lassen bzw. Outsourcingiiberlegungen systematischer zu betreiben. So handelt es sich bei Kreis 1 z.B. urn die standardisierten Aufgaben des extemen undloder intemen Rechnungswesens. Aktuelle Diskussionen in der Praxis zeigen, daB vor allem hier Untemehmen geneigt sind, sich von diesen Aktivi­taten zu trennen. So wird zur Zeit an einem Outsourcing des Rechnungswesens bei der BAHLSEN KG gearbeitet.

Vom Volumen her eine geringere Bedeutung haben - wie mit Kreis 2 angedeutet - Kos­tenkategorien des Biiro- und Verwaltungsbereichs (Biiromaterial, Drucksachen, Reise­management) oder der Telekommunikation und des Abfallbereichs. Trotz geringerem Grad der Kontinuitat laBt sich deutlich die ProzeBorientierung und die Kennzahlenbil­dung als Besonderheit herausstellen. Uber ein Outsourcing sollte emsthaft nachgedacht werden.

Projektorientierte und systemschaffende Aktivitaten lassen sich im Feld IV identifizie­reno Kreis 5 dokumentiert die Schaffung eines wertorientierten Steuerungskonzeptes im Controlling. Die Einmaligkeit dieses Projektes geht einher mit dem hohen Grad der Spezialisierung. Hier laBt sich durch exteme Berater Spezialwissen und Erfahrung in ahnlichen Projekten einkaufen, womit wichtige innovative Impulse flir die Gestaltung

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der zukUnftigen Strukturen entstehen, ohne das eine Betriebsblindheit dem entgegen­wirkt. Das Konzept hat im Unternehmen nur Zukunft, wenn mit seiner Implementierung entsprechende Geschiiftsprozesse optimiert werden. Sind diese geschaffen und kommt das Steuerungskonzept zum Einsatz, gilt es, dieses prozessorientiert und systemschaf­fend zu verbessern. Daran wird deutlich, daB zu einem spliteren Zeitpunkt Kreis 5 nun im Feld IT als prozessorientiert und systemschaffend erfaBt werden konnte (siehe Pfeil). Jetzt handelt es sich urn eine AktiviUit des Feldes IT, die vorwiegend im Untemehmen intern weiter verfolgt werden sollte, urn einen stlindigen VerbesserungsprozeB des Cont­rollinginstrumentariums in Gang zu halten. Ahnliches gilt auch fur Kreis 3, der die stlin­dige Anpassung und laufende Verbesserung des vorhandenen EDV-gestiitzten Be­richtswesens darstellt.

Projektorientierte und kennzahlenbildende MaBnahmen des Controlling sind in Feld ill zu analysieren. Kreis 4 zeigt die Aktivitaten des Controlling bei einem Investitionsvor­haben, welche sich zunehmend durch standardisiertes Anwenden vorhandener Instru­mentarien auszeichnet.

Es bleibt festzuhalten, daB die dunklen Portfoliofelder IT und ill AktiviUiten erfassen, die man nicht sich outsourcen sollte.

6. Kriterien und Bedingungen des Outsourcing

Raben sich mit den weiBen Feldern des Portfolio outsourcinggerechte Aufgaben heraus­kristallisiert, mtissen diese ineinem Eignungsraster gewertet werden. Nicht zuletzt hier wird der Nutzen einer einzelnen Controllingaktivitlit grundslitzlich in Frage gestellt.

Sicherlich muB jede Entscheidung fUr ein Outsourcing nach Make-or-buy Gesichtpunk­ten eingestuft werden. Ein Scoringmodell, welches zur Entscheidung tiber das Outsour­cen einer einzelnen Controllingaufgabe AufschluB gibt, enthlilt daneben noch weitere wesentliche Komponenten. So gilt es zu prUfen, ob durch Outsourcing das Know-how erhoht wird, Kosten reduziert werden oder mogliche Gefahren von dem Unternehmen abgewehrt werden konnen. Entscheidet man sich fur ein Outsourcing, muB die Versor­gung des Management mit entscheidungsvorbereitenden Daten durch den Externen si­cher gestellt sein. Daneben spielt die Diskretion des Externen eine wesentliche Rolle, das gegenseitige Vertrauen muB vorhanden sein.

Ein wesentlicher oft unterschlitzter Outsourcingfaktor ist die Bereitschaft aller Mitarbei­ter, die neue, nach Outsourcing geschaffene Situation durch das eigene Verhalten zu akzeptieren. Wesentlich ist, daB alle Beteiligten zu einem externen Controlling stehen mtissen und dessen Nutzen wollen. 1st die Controllingabteilung gewohnt, alles selbst zu machen oder verlliBt sich das Management nur auf Daten, die aus dem internen Control­ling kommen, so wird jede Outsourcingbestrebung im Controlling schnell zum scheitern verurteilt sein.

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OUTSOURCING DES CON1ROLLING ALS STRA1EGISCHES PROBLEM MEISTERN 7

Literatur

Albe, F.: Total Dynamic Controlling zwischenbetrieblicher Kooperation, Northeim 1996, S. 198ff. und 211.

MUlier, W./ Fickel, T.: Outsourcing von Controlling-Aufgaben, in: controller magazin, 2/97 S. 109-111. Hamel, W.: Innovative Organisation der finanziellen Unternehmensfuhrung, in: BfuP 3/96, S. 323-341. Sierke, B. R. A.: Investitions-Controlling, Korbach 1990.

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Entfeinerung und wertorientierte Ausrichtung des Rechnungswesens -Mode oder Controlling-Trend?

Dr. Peter Lorson*

1. Problemstellung

2. Zur Zusammenfiihrung von intemem und extemem Rechnungswesen

2.1. Ausgangssituation: Zweiteilung des Rechnungswesens

2.2. Die Brucke von der extemen zur intemen Untemehmensrechnung

2.3. Ansatzpunkt zur Steigerung der VerliiBlichkeit der Uberleitungsrechnung

3. Fallbeispiel Siemens

3.1. Charakterisierung des Verhiiltnisses von intemer und extemer Ergebnisrech-nung

3.2. Intemationalisierungsstrategie als AuslOser der Neugestaltung

3.3. Residualeinkommen und (dynamische) Investitionsrechnung

3.4. Residualeinkommen und Untemehmenswertorientierung (Konzept des Econo­mic Value Added)

4. Zusammenfassung

* Dr. Peter Christoph Lorson. geb. 1962 in Bonn, Studium der Betriebswirtschaftslehre in Saarbriicken. Dip1om-Kaufmann 1987. Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut fur Wirtschaftspriifung an der U­niversitat des Saarlandes (Direktor: Prof. Dr. Karlheinz Kiiting). Promotion 1993. Wissenschaftlicher Assistent am selben Institut.

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10 PETER LoRSON

1. Problemstellung

Der Beitrag beschM'tigt sich beispielhaft mit ausgewlililten aktuellen, parallel ablaufen­den Entwicklungen im Berichtswesen gro6er Konzeme:

• dem Versuch, das interne und externe Rechnungswesen zusammenzufUhren, • dem BemUhen urn eine wertorientierte Unternehmensfiihrung.

2. Zur Zusammenfiihrung von intemem und extemem Rechnungs­wesen

2.1. Ausgangssituation: Zweiteilung des Recbnungswesens

Das Rechnungswesen wird Ublicherweise

• nach dem Informationsanspruch der Adressaten oder • der Identitiit von Informationsersteller und Informationsempfanger

in einen internen Bereich (internes Rechnungswesen bzw. Unternehmensrechnung) und einen externen Bereich (externes Rechnungswesen bzw. Unternehmensrechnung) ge­gliedert. Diese Gliederung findet sich im Grunde auch in der Praxis des Rechnungswe­sens deutscher Unternehmen wieder, obgleich die Uberglinge durchaus flie6end sein kOnnen (Stichwort: Plan-JaIu:esabschlu6).

Formal hat es den Anschein, daB die beiden Bereiche des Rechnungswesens voneinan­der getrennt sind und hiermit sehr differenziert umgegangen wirdl • Allerdings ist es aus GrUnden der Wirtschaftlichkeit des Rechnungswesens geboten, sie durch Uberleitungs­rechnungen aufeinander abzustimmen und beide Rechenwerke aus einer gemeinsamen Grundrechnung (z. B. Finanzbuchhaltung, Anlagenbuchhaltung) zu entwickeln.

Sowohl das interne Rechnungswesen als auch das externe werden zur Unternehmens­steuerung in der Weise genutzt, daB ihre zentralen Ergebnisgro6en - in absoluter oder relativer Form - Verantwortlichen als Zielgro6en vorgegeben werden: Die ErgebnisgrO-6en des externen Rechnungswesens fungieren als Zielgr06en fUr die oberste Unterneh­mensleitung (Konzernfiihrung). Die Steuerung tieferer Hierarchiestufen (Sparten, Divi­sionen, Werksleitung usw.) basiert auf der internen Unternehmensrechnung. Insofern werden im Steuerungssystem insgesamt mehrere Zielgr06en aus unterschiedlichen Be­reichen des Rechnungswesens nebeneinander geftihrt.

Probleme tauchen regelmiiBig dann auf, wenn es darum geht, den Zusammenhang dieser Zielgro6en nachweisen zu mUssen. Beispielhaft sei auf die Parallelsteuerung auf der Grundlage pagatorischer und kalkulatorischer Zielgr06en hingewiesen. Hierbei wird dem Verantwortlichen eines Geschiiftsbereichs - der Geschiiftsbereich mOge mit den rechtlichen Unternehmensgrenzen Ubereinstimmen - ein Periodenerfolgsziel in zwei Auspriigungen vorgegeben:

I VgI. KUling, K., Lorson, P. 1998, S. 469 if.

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ENTFEINERUNG UND WERTORIENTIERTE AUSRICHTUNG DES RECHNUNGSWESENS 11

• als pagatorisches handeisbilanzielles Ergebnis der gewohnlichen Geschiiftstiitig­keit - dieses wird auf Bilanzpressekonferenzen und von Finanzanalysten durchde­kliniert - und

• als korrespondierendes kalkulatorisches Betriebsergebnis.

Ein eindeutiger BrUckenschiag zwischen den beiden ZieigroBen gelingt aber nur unter restriktiven Priimissen (bzw. konsistenten Verfahrensweisen), wei! die ZieigroBen "an sich" nicht austauschbar sind. Aus einem anderen BIickwinkei betrachtet, bedeutet diese Feststellung zweierlei:

• die Reduktion der Vorgaben auf eine einzige - handeisrechtliches Ergebnis der gewohnIichen Geschiiftstiitigkeit oder kaIkuIatorisches Betriebsergebnis - kann Fehisteuerungsimpuise nach sich ziehen;

• die Verwendung von ZieigroBen, die aus dem intemen Rechnungswesen stammen, neben ZielgroBen, die aus dem extemen Rechnungswesen stammen, kann zu In­konsistenzen im Steuerungssystem fUhren.

Diese Thesen sind nunmehr exemplarisch zu belegen.

2.2. Die Briicke von der externen zur internen Unternehmensrechnung

Die nachfoigenden Betrachtungen basieren auf der impliziten Priimisse, daB die Iiinger­fristigen Zieivorstellungen der Untemehmensieitung in Form von Plan-lahresab­schlUssen formuliert werden, die nach den Grundsiitzen des extemen Rechnungswesens ausgestaltet sind.2 Unter dieser Voraussetzung kann das Vorliegen einer ZielgroBe fUr das handeisrechtliche Periodenergebnis auf aggregierter Ebene angenommen werden (operatives Ergebnis It. Plan-Gewinn- und Verlustrechnung). Um korrespondierende Zieivorgaben fUr operative Teileinheiten formulieren zu konnen, muB die handeisrecht­liche ZieigroBe zuniichst in eine iiquivalente kalkulatorische transforrniert werden (ope­ratives Ergebnis It. kalkulatorischer PianerfoIgsrechnung). Diese Notwendigkeit ergibt sich in der Praxis auch daraus, daB die Daten der (extemen) lahresabschluBrechnung bestenfalis begrenzt segmentierbar sind. An die Transformation des handeisrechtlichen Ergebnisses in das korrespondierende kalkulatorische Ergebnis schlieBt sich in der Pra­xis eine weitere Disaggregation auf interessierende Einheiten an.

Der systematische Zusammenhang des sachzieibezogenen Ausschnitts von handeIs­rechtlichem und kalkulatorischem Periodenergebnis Iautet3:

2 Vgl. Kuhn, U. 1993, S. 294 f. 3 Vgl. Paul, W., Zieschang, M. 1995, S. 31.

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12

1. 2. ± 3. 4. + 5. ± 6. 7. + 8. 9. ± 10. +

11. (+

12. =

PE'IER LoRSON

operatives Ergebnis It. Plan-Gewinn- und Verlustrechnung Sonstige Ertrlige und Aufwendungen

Ertrlige aus Auflosung / Verbrauch von Riickstellungen

Zufiihrungen zu RUckstellungen Gewinne / Verluste aus Fremdwlihrungsgeschliften

Kalkulatorische Zinsen auf Vorrlite / Forderungen Bilanzielle Abschreibungen Kalkulatorische Abschreibungen Bewertungsabschllige auf Vorrlite und andere Abschllige

Wertberichtigungen auf Forderungen und Wechsel aus Lieferungen und Leistungen Risikozuschlag)

Operatives Ergebnis It. kalkulatorischer Planerfolgsrechnung

Es zeigt sich, daB eine Reihe von OroBen im Zuge der Uberleitung mit Planwerten be­legt werden mUssen. Dies hat in Ubereinstimmung mit anderweitigen Festlegungen zu erfolgen. 1m Beispiel schlagen PAurlZIEscHANG4 - damals beide BASF - vor, drei Ka­tegorien zu unterscheiden:

(1) systematisch und kontinuierlich veranderbare OroBen (hier: kalkulatorische Zinsen auf VorrlitelForderungen, bilanzielle Abschreibungen, kalkulatorische Abschrei­bungen);

(2) regelmliBig auftretende, aber im Zeitablauf stark schwankende GroBen (hier: Ertrli­ge aus AuflosungIVerbrauch von RUckstellungen, Zufiihrungen zu RUckstellungen, GewinneIV erluste aus Fremdwlihrungsgeschliften);

(3) von SondermaBnahrnen beeinfluBte GroBen, deren Vorzeichen positiv oder negativ sein kann (bier: sonstige Ertrlige und Aufwendungen, Bewertungsabschllige auf Vorrlite und andere Abschllige, Wertberichtigungen auf Forderungen und Wechsel aus Lieferungen und Leistungen).

FUr Planungszwecke werden fUr die erste Kategorie Planwerte und fUr die zweite lang­fristige Durchschnittswerte angesetzt. Bei den von SondermaBnahrnen beeinfluBten OroBen hingegen wird ein langerfristiger Plan wert von Null gewlihlt.

Bei nliherer Betrachtung der Uberleitungsrechnung und des Planungsverfahrens ergibt sich fUr die Parallelsteuerung die Problematik, daB die Brucke zwischen den perioden­bezogenen Planergebniswerten

pagatorisches Ergebnis

± X kalkulatorisches Ergebnis

splitestens im 1ST ins Schwanken gerlit. Instabil ist sie allerdings bereits im PLAN.

Die Divergenz bzw. die "Irrelevanz" einer konkreten PlangrOBe X fUr die Uberleitung im 1ST kann im Ubrigen auch auf den - gegenUber dem PLAN variierten - Einsatz des

4 Vgl. Paul, W., Zieschang, M. 1995, S. 30 f.

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ENTFEINERUNG UND WERTORIENTIERTE AUSRICHTIJNG DES RECHNUNGSWESENS 13

bilanzpolitischen Instrumentariums zurUekzuftihren sein. Insofern ist der Ausgangs­punkt der Rechnung Dieht fest verankert, sondem kann unter Umstiinden erheblieh sehwanken.

2.3. Ansatzpunkte zur Steigerung der Verliilllichkeit der Uberleitungs­rechnung

Stellt man auf die kritisehen Punkte der Uberleitungsrechnung ab (kalkulatoriseher Be­wertungsma6stab, Spielrliume der Bilanzpolitik), sind folgende Sehlu8folgerungen zu ziehen: Die Problematik der Parallelsteuerung ist nur durch eine Vereinheitliehung des Bewertungsma6stabes zu meistern. Als Ansatzpunkte bieten sieh an:

(1) RUekfiihrung des Umfangs kalkulatorischer Bewertungen, (2) RUekftlhrung des genutzten Spielraums handelsbilanzieller Bewertungen.

Wie beide Aspekte bei der praktischen Ausgestaltung des Konzemberiehtswesens in einem intemationalen Konzem angegangen werden kannen, lii8t sieh am Beispiel von SIEMENS zeigen.

3. Fallbeispiel SIEMENS

3.1. Charakterisierung des Verhliltnisses von intemer und extemer Ergeb­nisrechnung

1m Hause SIEMENS wird ft1r das Konzem-Controlling die handelsrechtliehe - nach inter­nationalen Rechnungslegungsnormen gefllrbte' - Gewinn- und Verlustrechnung nach dem Umsatzkostenverfahren zugrundegelegt. Sie wird ft1r Steuerungszwecke folgen­derma6en aufbereitet'.

(1) Umsatzerlase (2) - Umsatzkosten

(3) = Bruttoergebnis vom Umsatz (4) - Forschungs- und Entwieklungskosten (5) - Vertriebskosten (6) - allgemeine Verwaltungskosten (7) ± sonstige betriebliehe Ertrlige und Aufwendungen

(8) = OPERATIVES ERGEBNIS (9) ± Verlinderung Vorsorgen I sonstige Posten

(10) ± Finanzergebnis

(11) = Ergebnis der gewiihnlicben Geschiiftstiitigkeit (It. Handelsbllanz) (12) - Ertragsteuern

(13) = JahresfiberscbuB (It. Handelsbllanz)

Vgl. Siemens AG 1993, S. 49. Vgl. Ziegler, H. 1994, S. 179.

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14 PETER LoRSON

Die zentrale ErgebnisgroBe fUr die interne Steuerung bildet demnach nicht das Ergebnis der gewohnlichen Geschaftstatigkeit als originare SchliisselgroBe der handelsrechtlichen Gewinn- und Verlustrechnung. Vielmehr wird mit dem operativen Ergebnis eine spezi­fische neue ErfolgsgrOBe eingefiihrt.

Das operative Ergebnis unterscheidet sich vom Ergebnis der gewohnlichen Geschaftsta­tigkeit "in drei Positionen:

• Es enthalt nicht die Beteiligungs-, Zins- und iibrigen Finanzergebnisse. • Es ist frei von allen Aufwendungen und Ertragen, die aus dem Imparitatsprinzip

resultieren, d. h. von Veriinderungen bei Abschreibungen auf Vorrate und Forde­rungen sowie aus der BildunglAuflosung von Riickstellungen fiir ungewisse Ver­bindlichkeiten, drohende Verluste aus schwebenden Geschaften und aus anderen gesetzlichen GrUnden.

• Es ist zusatzlich belastet mit einer kalkulatorischen Verzinsung des betriebsnot­wendigen Vermogens zu Marktzinsen, die im Zinsergebnis wieder zuriickgenom­men wird, also auBerhalb des operativen Ergebnisses"7.

Diese Unterschiede lassen sich als Riickrechnung - vereinfacht - wie folgt darstellen:

(1) Ergebnis der gewohnlichen Geschiiftstatigkeit (It. handelsrechtlicher Gewinn- und Verlustrechnung)

(2) handelsrechtliche Beteiligungs- und iibrige Finanzergebnisse* (3) handelsrechtliches Zinsergebnis*

+ kalkulatorische Zinsen auf das betriebsnotwendige Kapital (4) Korrekturen zum Zwecke der Umbewertung auf ein

betriebswirtschaftliches (eher dynamisches) Realisationsprinzip*, wie Veriinderung Vorsorgen* (z. B. ,,Ergebniswirkungen aus Veriinderungen von Abschreibungen auf das Umlaufvermogen und Riickstellungen"8)

(5) = OPERATIVES ERGEBNIS

*Bei negativen Ergebnissen .. +"

Die Staffel zeigt: Die interne und externe Ergebnisrechnung wurden ganz bewuBt nicht vollkommen in der Weise zusammengefiihrt, daB die zentrale SteuerungsgroBe schlicht durch eine andere Summenbildung gewonnen wird.9 Vielmehr werden zusatzliche Pos­ten eingefiihrt und Umbewertungen vorgenommen.

Wasden zuletzt angefiihrten Aspekt angeht, tragt er dem Ansatzpunkt Rechnung, eine Anniiherung von interner und externer Rechnung dadurch zu bewerkstelligen, daB der Spielraum handelsbilanzieller Bewertungen reduziert wird. Hierbei wird die fUr die deutsche Handelsbilanz typische Erfolgsdefinition durch eine international gebrauchli­chere und - weil dynamischer - aus dem Blickwinkel der Unternehmensfiihrung aussa­gekraftigere ersetzt.

7 VgJ. Ziegler, H. 1994, S. 179. VgJ. Seeberg. T. 1997. S. 511.

9 VgJ. Seeberg. T. 1997. S. 511.

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ENTFEINERUNG UND WERTORIENTIERlE AUSRICHTUNG DES RECHNUNGSWESENS 15

Zugleich wird auch der zweite Weg zur Anniiherung von interner und externer Ergebnis­rechnung beschritten: der Umfang kalkulatorischer Bewertungen wird zurUckgeftihrt. Konkret wird das Kalkulatorische an der Kostenrechnung weitgehend abgeschafft. Es werden keine kalkulatorischen Abschreibungen und auch keine kalkulatorischen Wag­nisse mehr gebucht.

Die Abschreibungen dienen nur noch der Verteilung der Anschaffungs- oder Herstel­lungskosten Uber die ursprUnglich veranschlagte Nutzungsdauer. Indem hier also konse­quent die Werte der handelsrechtlichen (Konzern-) lahresabschlu8rechnung angesetzt werden, sind die Abschreibungen der internen Steuerungsrechnung nicht mehr im Zu­sammenhang mit der klassischen Kostenrechnungsaufgabe der (Brutto-) Substanzerhal­tung zu sehen. Dies impliziert, daB fUr die in der Kostenrechnung aus dem Opportuni­tatskostenkalkUl heraus gebriiuchlichen "Ober-Null-Abschreibungen" im Rahmen der (internen) Steuerungsrechnung kein Raum mehr ist.

Den pagatorischen Charakter der internen Steuerungsrechnung belegt zudem der veriin­derte Umgang mit den Wagnissen. Statt der auf Normalisierung zielenden - aber nur schwer operationalisierbaren - kalkulatorischen Wertansiitze fUr spezifische Wagnisse dUrfen fUr diese Kostenkategorie nur die effektiv angefallenen Aufwendungen angesetzt werden.

Die Beispiele belegen, daB die Kostenrechnung (interne Unternehmensrechnung) von SIEMENS pagatorisch ausgestaltet ist. Insofern mu8 sie nicht mehr zwangsliiufig als Kos­ten- und Leistungsrechnung bezeichnet werden. Treffender ware von einer "Aufwands­und Ertragsrechnung" bzw. von "Grenzaufwandsrechnung" oder "Proze8aufwandsrech­nung" zu sprechenlO, wobei z. B. die KostentriigerstUckrechnung (Kalkulation) als stUckbezogene Aufwandsrechnung ausgestaltet ist.

Die Pagatorik der Kostenrechnung ist gegebenenfalls dadurch zu relativieren, daB mit den kalkulatorischen Zinsen auf das gebundene betriebsnotwendige Kapital doch noch eine kalkulatorische Position in die Ergebnisrechnung eingeht. Die EinfUhrung dieses Postens wird zuniichst plausibel mit Substanzerhaltungserfordernissen begrUndet. Aller­dings kommen diesem Posten - bei eingeherider Betrachtung im Zusammenspiel mit der international handelsrechtlich gebriiuchlicheren Erfolgsdefinition - noch weitere Funkti­onen zu. Diese spezifische Periodenerfolgsgro8e ist grundsiitzlich

• Ausdruck einer bestimmten Internationalisierungsstrategie; • als Residualgewinngro8e anzusehen; • auf ein periodenUbergreifendes (dynarnisches) Erfolgsziel ausgerichtet; • in Verbindung mit dem Konzept des Economic Value Added, einem Konzept der

unternehmenswertorientierten Unternehmensftihrung, zu sehen.

3.2. Internationalisierungsstrategie als AuslOser der Neugestaltuug

Der Internationalisierungsgrad der SIEMENs-Gruppe kann gleich mehrfach als AuslOser fUr dioe Neugestaltung der internen Ergebnisrechnung angesehen werden:

10 Vgl. Kuting, K., Lorson, P. 1998a, S. 489.

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16 PETER LoRSON

(1) Ziel ist die Beseitigung von Akzeptanzproblemen bei auslandischen Arbeitneh­mem: Demnach stoBe die Abgrenzung von KostenlLeistungen und Aufwendun­gen/Ertragen im Ausland auf Widerstande, weil diese Trennung im intemationalen Raurn nicht nachvollzogen worden sei.1I

(2) Nachdem die Bemtihungen urn eine gegenseitige Anerkennung von HGB- und US­GAAP-Abschltissen gescheitert sind, hat die SIEMENS AG "im Geschiiftsjahr 1993 ihre Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsatze intemationalisiert, ohne jedoch ex­plizit auf ein anderes Normengefiige zuriickzugreifen oder eine duale Kompatibili­tat anzustreben"12. Die Standardeinleitung zu den Grundlagen des Konzemab­schlusses im Anhang lautet im SIEMENS Geschiiftsbericht 1997 zwischenzeitlich: "Wie in den Vorjahren haben wir den KonzemabschluB nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches (HGB) und des Aktiengesetzes (AktG) erstellt. Bei der Aus­iibung von Gliederungs- und Konsolidierungswahlrechten des HGB haben wir uns an intemationale Regelungen angelehnt. AuBerdem ist der Anhang erweitert urn Er­lauterungen, die intemationaler Praxis entsprechen" (S. 56.) Nachdem nun das Ka­pitalaufnahmeerleichterungsgesetz verabschiedet worden ist, steht SIEMENS aller­dings zukiinftig - mit begrenztem Mehraufwand - die Moglichkeit offen, einen "echten" intemationalen KonzemabschluB aufzustellen.13

3.3. Residualeinkommen und (dynamische) Investitionsrechnung

Als Residualeinkommen (Residual Income) wird der Saldo aus Gewinn und Zinsen auf das eingesetzte Kapital bezeichnet. Insofem ist das Operative Ergebnis nach SIEMENS unzweifelhaft eine ResidualeinkommensgroBe.

Gebrauchlich ist das Residual Income im Zusammenhang mit der Profit Center Steue­rung.14 Dabei erfolgt die Festlegung des relevanten Zinssatzes fUr die Profit Center indi­viduell, urn beispielsweise Spezifika der Branchensituation flexibel einkalkulieren zu konnen.

Die Umbasierung des buchhalterischen ErfolgsmaBstabes Gewinn auf die charakterisier­te ResidualeinkommensgroBe bewirkt, daB der Eichpunkt der Skala zur Messung des Periodenerfolgs urn einen bestimmten absoluten Betrag nach oben verschoben wird. Dadurch fallt der okonomische Periodenerfolg nicht nur niedriger aus als der buchhalte­rische; es kann auch die Situation eintreten, daB ein buchhalterischer Erfolg aus dieser okonomischen Perspektive als Verlust anzusehen ist (siehe Ubersicht 1).

11 Vgl. Ziegler, H. 1994, S. 1887f. 12 Vgl. Hayn, S. 1997, S. 245 m.w.N.; vgl. auch ebenda, S. 246 ff. 13 Vgl. HOB § 292a. 14 Vgl. Bilhner, R. 1993, Sp. 1618.

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ENTFEINERUNG UND WERTORIENTIERTE AUSRICHTIJNG DES REcHNuNGSWESENS 17

ErfolgsmaOlllllb: buchhaltertseher

Erfolg

Gowinn

Vortusl

Zinsen auf clas gabundene Kapital

Ertolg8maBstab: Resldual­

elnkommen

Gewlnn

VOrlusl

Ubersicht 1: Buchhalterische versus residualeinkommensbezogene Erfolgsmessung

Nachteilig am Residualgewinnkonzept ist,

• daB die zu Uberspringende Zinshiirde als absoluter Betrag vorzugeben ist und • daB gleichfalls der Residualgewinn als absolute GroBe gemessen wird.

Wie man weiB, ist dadurch die Vergleichbarkeit unterschiedlich groBer Profit Center im Grunde nicht gegeben.15 Andererseits weist die ResidualgewinngroBe den entscheiden­den Vorzug auf, daB die Zielerreichung, betreffend ein periodenUbergreifendes Kapital­wertziel, durch eine periodenerfolgsorientierte Rechnung nachgeprilft werden kann, de­ren ErfolgsmaBstab ein spezifisches Residualeinkommen ist. 16 Voraussetzung hierfUr ist, daB die Zinsen entsprechend dem sog. LucKP-Theorem bestimmt werden.

Das LucKE-Theoreml7 weist einen Weg, wie Z. B. die im externen Rechnungswesen ermittelten Periodenerfolge im Zuge von dynamischen Investitionsrechnungen genutzt werden konnen. 1m Kern wird hierbei - Uber tautologische Umformungen - der Nach­weis gefUhrt, daB unter zwei Voraussetzungen der Kapitalwert einer Zeitreihe aus Peri­odenerfolgsgroBen mit dem (richtigen) Kapitalwert einer rein zahlungsstromorientierten Zeitreihe Ubereinstimmt (sog. Kapitalwertliquivalenz):

(1) Die (undiskontierte) Summe der ZahlungsUberschUsse (Ot) entspricht der (undis­kontierten) Summe der Periodenerfolge (Gt) Uber den Planungszeitraum:

15 Vgl. etwa Herter, R. 1994, S. 203 f. 16 Vgl. nur Franke, G., Hax, H. 1994, S. 90. 17 Vgl. Liicke, W. 1955, S. 310-324; Giinther, T. 1997, S. 86 ff.; Kiipper, H.-U. 1997, S. 122 ff.

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18

T = ~Gt mitOt=Et-At

t=O

wobei Et am Periodenende und At am Periodenanfang anfaIlt.

PETER LoRSON

(2) Die Periodenerfolge (GJ sind urn kalkulatorische Zinsen auf den Kapitalbestand der Vorperiode zu mindem. Die Kapitalbindung wird als Differenz aus bis zur Vorperi­ode aufsummierten (undiskontierten) Periodenerfolgen abziiglich der bis zur Vorpe­riode aufsummierten (undiskontierten) Zahlungsiiberschiisse bestimmt.

t-l t-l V t-1 = ~Gs- ~Os

s=O s=O

Sind beide Bedingungen erftlllt, "kann also jede Reihe aus ErfolgsgroBen (z. B. Kosten­und Erl6sgroBen auf VoU- und Teilkostenbasis, Aufwands- und Ertragsgr6Ben o.a.) in eine Reihe von urn Zinsen korrigierte Periodengewinnen G*b d. V.) urngeformt werden, deren Abzinsung (Aufzinsung) zurn gleichen Kapitalwert (Bndwert) fiihrt wie die zah­lungsstromorientierte Betrachtung"18:

T T T Co = L (1~i)t ~ Gt - Vt.1 • i ~ ~

::; L.J (1 +i)l = L.J (1 +i)

t=O t=O t=O

3.4. Residualeinkommen und Unternehmenswertorientierung (Konzept des Economic Value Added)

Nachdem gezeigt wurde,

• daB das SIEMENs-Konzept als Residualgewinnkonzept zu kennzeichnen ist und • warum dies bedeutsam ist (Stichwort: LOCKE-Theorem),

ist noch die Verbindung zur untemehmenswertorientierten Untemehmensfiihrung (sog. Shareholder Value-Konzept) aufzuzeigen. Demnach gilt es, das Konzept des Residual­einkommens in eine Beziehung zurn wertorientierten Controlling zu setzen. Konkret ist hierbei auf das Konzept des Economic Value Added (BV A) Bezug zu nehmen - ein Konzept,

• das nach seinen Beftirwortem mit der Shareholder Value-Idee im Einklang stehtl9

und • zu dem sich SIEMENS explizit bekennt2°.

18 Vgl. Kiipper, H.-U. 1997, S. 125. 19 Vgl. GUnther, T. 1997, S. 236 f.; Hachmeister, D. 1995, S. 151 f. 20 Vgl. Baumann, K.H. 1997, S. 47.

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ENTFEINERUNG UND WERTORIENTIERTE AUSRICHTUNG DES REcHNuNGSWESENS 19

STEWART hat das EVA-Konzept ausgehend von der Prlimisse entwickelt, daB der Zu­kunftserfolgswert eines Konzems, eines Gesamtuntemehmens bzw. eines Segments richtig nur durch eine zahlungsstromorientierte (Cash flow-basierte) Betrachtung be­stimmt werden kann.21 fin Ergebnis basiert sein Konzept allerdings auf modifizierten Daten eines extemen US-GAAP-Abschlusses. Dies muB deshalb kein Widerspruch sein, weil - analog zum LOcKE-Theorem - eine Kapitalwertliquivalenz von Zukunftserfolgs­werten auf der Grundlage einer Zeitreihe aus EVA-Werten und aus freien Cash flows (sog. Discounted Cash flow-Kalkill; DCF-Kalki1l) angenommen werden kann.22

Die Berechnungstechnik des EV A-Konzepts lliSt sich folgendermaBen skizzieren.

Net Operating Profit After Taxest [NOPATJ (= Operativer Cash flow nach Steuem und vor Zinsen J Cost of Capital t

= EVAt

EV At steht - nach Auffassung seiner BefUrworter - filr den absoluten Betrag des perio­denbezogenen Untemehmenswertzuwachses und somit filr eine Cash flow-orientierte Variante des Residual Income. Die EVA-GroSe lliSt sich auch als 'Oberrendite tiber die (periodenbezogenen) Kosten des Gesamtkapitals koK.t23 hinaus schreiben. Hierbei wird das NOPAT in % des investierten Kapitals - Stewart spricht yom Economic Book Value24 - ausgewertet:

EVA1 = ( NOPAT,

Investiertes Kapital 1-1 kc3K,I) * Investiertes Kapital 1-1

* Investiertes Kapital 1-1

= * Investiertes Kapital 1-1

Bei (positiver) Oberrendite wird (Untemehinens-)Wert geschaffen; bei (negativer) Un­terrendite vemichtet. Nimmt die Oberrendite den Wert NUlL an, werden jedenfalls die Kapitalkosten verdient. Folglich wird die Mindestforderung der Eigenkapitalgeber -eine risikoadliquate Verzinsung ihres Kapitals - bei entsprechender Ermittlungsweise der Hurdle Rate (z. B. gemliS oder in Analogie zum Capital Asset Pricing Model [CAPM]) immerhin erreicht.

Die konkrete Zusammensetzung von

Stewart's Rt = NOPAT t

Economic Book Value t-t

21 Vgl. Stewartm, G.B. 1991, S. 2. 22 Vgl. Stewartm, G.B. 1991, S. 175,307,322 f. 23 Vgl. Stewartm, G.B. 1991, S. 743. 24 Vgl. Stewartm, G.B. 1991, S. 744.

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20 PETER LoRSON

zeigt Obersieht 225. Was das angeht, ist hervorhebenswert, da6 die quantitativen Zusatz­angaben, die fUr die Umbewertungen erforderlieh sind, weitgehend Pfliehtangaben (no­tes) in einem IahresabschIu8 nach US-GAAP darstellen. Damit

• hliit sieh der Mehraufwand aus Sieht des Unternehmens in Grenzen; • ist die zentrale unternehmenswertbezogene (Spitzen-) Kennzahl fUr externe

Investoren nachvollziehbar. Besser gesagt, liegt mit dem EVA-Konzept Ietztlieh ein Ansatz zur Integration von in­terner und externer Unternehmensrechnung vor, bei dem die Grundslltze des externen Rechnungswesens nieht mehr (zu gravierend) in Konflikt mit den Periodisierungs- und Bewertungsgrundslltzen des internen Rechnungswesens stehen.26 Vor allem kann EV At

• als periodenbezogene Steuerungs- und Kontrollgr68e im Rahmen eines wertorien­tierten Controlling-Konzepts fungieren;

• unmittelbar in eine mehrperiodige Betrachtung auf der Grundlage der dynami­sehen Verfahren der Investitionsrechnung integriert werden.

Stewart'sR

Net Operating Profit (= BetriebsergebDis) + Erh6hung der Wertberiehtigung aufForderungen + Erh6hung der Differenz zwischen Vorratsbewertung nach dem

'LIFO gegenUber dem FIFO-Verfahren + Abschreibungen von derivativen Geschliftswerten + Erh6hung des Barwertes kapitalisierter F&E- Aufwendungen + sonstige betriebliehe Ertrlige + Erh6hung der sonstigen RUekstellungen - zahlungswirksame Steuem + marktwertbildende Vorlaufkosten

Buchwert des Anlage- und Umlaufverm6gens - nieht verzinsliehe kurzfristige Verbindliehkeiten - marktglingige Wertpapiere - Anlagen im Bau + passivische Wertberiehtigung auf Forderungen + Differenz zwischen Vorratsbewertung naeh dem

LIFO gegenUber dem FIFO-Verfahren + kumuIierte Abschreibungen von derivativen Geschliftswerten + kapitaIisierte Miet- und Leasingaufwendungen + kapitalisierte F&E-Aufwendungen (Abschreibung

Uber fUnf Jahre) + kapitaIisierte Vorlaufkosten

Obersieht 2: Stewart's Rentabilitiitsma8 R

4.Zusanunenfassung

(1) Traditionell sind im Rechnungswesen deutseher Unternehmen zwei Teilgebiete zu unterseheiden: das interne und das externe Rechnungswesen.

25 VgJ. Stewartm, G.B. 1991, S. 742; GUnther, T. 1997, S. 234 f. 26 VgI. etwa Haller, A. 1997, S. 270-276 und folgend KUting, K.lLorson, P. 1998, S. 472 f.

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ENTFElNERUNG UND WERTORIENTIERTE AUSRICIITUNG DES REcHNuNGSWESENS 21

(2) Diese Zweiteilung reflektiert auch das Konzept der Unternehmenssteuerung: Hier finden zugleich GroBen des externen lahresabschlusses und Gr66en der Kosten­und Leistungs- (bzw. ErlOs-)Rechnung Verwendung.

(3) Deren parallele Verwendung kann zu Inkonsistenzen fOhren, weil ihr Zusammen­hang nicht fest und auch fUr die Betroffenen uneindeutig ist.

(4) Bine Strategie der Annliherung beider Rechenwerke - internes und externes Rech­nungswesen - kann zwei Wege (zugleich) nutzen: • RUckfiihrung des Umfangs kalkulatorischer (Um-}Bewertungen und • RUckfiihrung des Ausma6es, in dem der bilanzpolitische Spielraum in Anspruch

genommen wird. (5) Die Annlihrung von internem und externem Rechnungswesen erfolgt meist in Ver­

bindung mit einer Umsetzung der international gebrliuchlichen Normensysteme der externen Rechnungslegung (International Accounting Standards [lAS] oder Gene­rally Accepted Accounting Principles in den USA [US-OAAPD.

(6) Die Konsistenz des Steuerungskonzepts kann durch Nutzung des Residualeinkom­menskonzepts gesteigert werden. Dies erm6glicht zugleich die Integration der ein­periodigen Erfolgsrechnungen (Kostenrechnung und lahresabschlu6rechnung) in mehrperiodige Erfolgsrechnungen auf der Grundlage der dynamischen Verfahren der Investitionsrechnung (Kapitalwert- bzw. Endwertverfahren) (Stichwort: LOCKE­Theorem).

(7) Diesen Zusammenhang Machen sich auch jene Unternehmen zunutze, die eine un­ternehmenswertorientierte UnternehmensfUhrung nach dem Konzept des Economic­Value-Added (BV A) anstreben.

(8) Resiimee: Die weltweite Annliherung und Vereinfachung des Rechnungswesens bzw. die interne und externe Rechnungslegung von Gro6unternehmen vollzieht sich derzeit auf drei Ebenen: • auf der Ebene der externen Rechnungslegung: Eine Annliherung ist bier von ei­

ner verstllrkten Anwendung von lAS bzw. US-OAAP zu erwarten (§ 292a HOB 1998);

• auf der Ebene der internen UnternehmensfUhrung: Bine Annliherung bringt bier das Konzept der unternehmenswertorientierten UnternehmensfUhrung;

• auf der Ebene der erfolgszielorientiet1en Unternehmensrechnungen: Hier erfolgt • eine Annliherung von internem und externem Rechnungswesen sowie • eine konsistente VerknUpfung von ein- und mehrperiodigen Rechensystemen

auf der Grundlage des LOcKE-Theorems (bier durch das EVA-Konzept kon­kretisiert).

(9) ScblnBfolgerung: Es ist zu erwarten, daB sich die aufgezeigte Entwicklung der Entfeinerung und Unternehmenswertorientierung des Rechnungswesens in den nlichsten lahren auf einer breiteren Basis, d. h. nicht nur auf der Ebene der Gro6un­ternehmen, fortsetzen wird.

Insofern lautet die Antwort auf die im Titel aufgeworfene Frage eindeutig: Trend, keine Mode! Ahnliche Wege beschreiten derzeit beispielsweise BAYER27 und DAIMLER BENZ (1997).

27 Vgl. Menn, B.-I. 1995.

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22 PInER LoRSON

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Wertorientierte Unternehmensfiihrung in der Praxis

Prof. Dr. Helmut Roland*

1. Bilanztheorie und Handelsrecht helfen nicht weiter

2. Konzept der "wertorientierten Unternehmensftlhrung"

3. Alternative MaBstiibe zur Unternehmenssteuerung

3.1. Gewinn und Gewinn pro Aktie

3.2. Return on Invesbnent

3.3. Return on Equity

3.4. Zwischenergebnis

4. Wertorientierte Unternehmensfiihrung in der TUI Gruppe

4.1. Strategisches Ziel und Struktur der TUI Gruppe

4.2. Ober das TUI Modell

4.3. Ermittlung der Eigenkapitalkosten

4.3.1. Capital Asset Pricing Model

4.3.2. Scoring Modell fUr gesellschaftsspezifische Risiken

4.3.3. Uinderrisiken

4.4. Ermittlung des gebundenen Kapitals

4.5. Rating der TUI Beteiligungen

4.6. Wertorientierte Ergebnissteuerung

5. Auf den Punkt gebracht

* Prof. Dr. Helmut Roland, geb. 1950 in Paderbom, Studium der Betriebswirtschaftslehre in Gottingen, Diplompriifung 1976; anschlieBend Promotionsstudium und Tlitigkeit als Wissenschaftlicher Assistent am Betriebswirtschaftlichen Seminar der Universitlit Gottingen bei Prof. Dr. G. Bartke, Promotion 1979; danach erste ,J..ehrjahre" in der Industrie, u. a. Daimler-Benz AG, Stuttgart. 1981 Wechsel in die Versicherungswirtschaft; zunlichst Vorstandsassistent und 1984 Leiter Unternehmenscontrolling bei der Gothaer Lebensversicherung, Gottingen. 1986 Vorstandsmitglied bei der Concordia Versiche­rungsgruppe in Hannover. 1994 Wechsel in den Vorstand der Touristik Union International (TUI); heute Mitglied des Konzemvorstands der TUI Gruppe, verantwortlich fiir das Ressort Finanzen, Cont­rollerdienst, Personal (Arbeitsdirektor) und Recht; zuslitzlich FOhrung des Geschliftsbereichs Informa­tionstechnologie der TUI Gruppe. Diverse Aufsichtsrats- und Beiratsmandate. Zum 01.01.2000 Ruck­kehr in den Vorstand der Concordia Versicherungsgruppe, dort zustlindig fiir Controlling, Konzernre­vision und Beteiligungen. Seit 1997 Lehrauftrlige und 1999 Berufung zum Honorarprofessor an der PRIVATEN FACHHOCHSCHULE OOTTINGEN mit Schwerpunkt in den Bereichen Finanzen und Rechnungslegung.

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1. Bilanztheorie und Handelsrecht helfen nicht weiter

Fragen der UnternehmensfUhrung bleiben in der Praxis stets aktuell. Schon die "alten" Bilanztheoretiker stritten urn die Frage, ob der JahresabschluB nicht die fiir die Steue­rung des Unternehmens notwendigen Informationen zu liefern habe. So forderte bereits Schmalenbach1 als prorninentester Vertreter der dynarnischen Bilanzlehre die Errnitt­lung eines "vergleichbaren Periodenerfolges", urn dem Kaufmann die zur Steuerung seines Unternehmens wichtigste Information zu geben. Mit der Errnittlung eines ver­gleichbaren Periodenerfolges lege der Kaufmann gleichsam Rechenschaft gegenUber sich selbst abo Dies sei die beste Voraussetzung fUr den Schutz der Gliiubiger und fUr eine wirksame Konkursvorsorge.

Schmalenbach widersprach darnit der Auffassung der Vertreter der statischen Bilanzleh­re, nach der die Bilanz das Schuldendeckungspotential des Kaufmanns - sei es fiir den Zerschlagungs- oder fUr den FortfUhrungsfall - aufzuzeigen habe. Durch bilanzmiiBige Addition der Aktiva und Passiva erhalte man den Wert eines Unternehmens ohnebin nicht, auch nicht das Reinvermogen des Kaufmanns.2

Unter dem Eindruck des Objektivierungserfordernisses formuliert Schmalenbach bereits wesentliche Bilanzierungs- und Bewertungsregeln, die sich spiiter zu Grundsiitzen ord­nungsmiiBiger Buchftihrung entwickeln und die heute im Handelsgesetzbuch kodifiziert sind. Dazu gehoren vor allem das Realisationsprinzip, das Niederstwertprinzip, das An­schaffungswertprinzip, der Grundsatz der periodengerechten Aufwandsverteilung und die Beachtung der Bewertungsstetigkeit.

Daneben haben aber auch einige Forderungen der Bilanzstatiker Eingang in die Kon­zeption der Handelsbilanz gefunden. Hierzu gehoren insbesondere das Erfordernis der EinzelveriiuBerbarkeit fUr Vermogensgegenstiinde, das Bestehen rechtlicher Verpflich­tungen fUr Schulden sowie der Grundsatz der Einzelbewertung.

FUr Zwecke der Unternehmenssteuerung stellt sich darnit die Frage, ob der handelsrecht­liche Gewinn eine geeignete SteuerungsgroBe sein kann? Woran ist gegebenenfalls der Unternehmenserfolg besser zu messen? Aus welcher Sicht ist der Erfolg eines Unter­nehmens Uberhaupt zu beurteilen?

1m Schrifttum4 gibt es zu diesen Fragen eine kaum zu Uberblickende Vielzahl von Un­tersuchungen, auf die bier nicht weiter eingegangen werden kann. In der Unternehmens­praxis wird in den letzten Jahren zunehmend tiber die wertorientierte UnternehmensfUh­rung nachgedacht. Dieser Ansatz, unter dem Stichwort "Shareholder Value" bereits seit vielen Jahren in den USA bekannt, gewinnt zunehmend auch in deutschen Unternehmen an Bedeutung.

1 Schmalenbach, E.: Dynamische Bilanz, 11. Aufl., KolniOpladen 1953. 2 Vgl. ebenda, S. 32. 3 Stellvertretend fur viele wird verwiesen auf Simon, H.V.: Die Bilanzen der Aktiengesellschaften, Ber­

lin 1996. 4 Beispielhaft seien hier genannt: Hahn, D.: PuK - Planungs- und Kontrollrechnung, 5. Aufl., Wiesba­

den 1995, Horvath, P.: Controlling, 6. Aufl., MUnchen 1996, sowie LUcke, W., (Hrsg): Betriebswirt­schaftliche Steuerungs- und Kontrollprobleme - Tagungsband des Verbandes der Hochschullehrer fur Betriebswirtschaft e. V. aus dem Jahre 1987, Wiesbaden 1988.

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WERTORIENTIERlE UNTERNEHMENSFUHRUNG IN DER PRAxIs 25

2. Konzept der "wertorientierten Unternehmensfiihrung"

Wertorientierte Unternehmensfiihrung definiert die Wertsteigerung des Eigenkapitals als MaBstab ftir den Erfolg der Unternehmensftihrung.5 Dabei wird der Wert des Eigenkapi­tals nieht an dessen Bilanzwert gemessen, sondern an seinem Marktwert. Mit der Orien­tierung am Marktwert gewinnen die Einsehatzungen tiber die zuktinftige Entwieklung des Untemehmens entseheidend an Bedeutung. Diese konnen im Bilanzwert naturge­miiB nieht zum Ausdruek kommen.

Der Marktwert des Unternehmens laBt sieh bei einer borsennotierten Gesellsehaft tag­lieh an ihrem Kurswert ablesen. FUr nieht borsennotierte Unternehmen bedarf es statt dessen einer Unternehmensbewertung. Naeh herrsehender Auffassung und Praxis stellt dabei der Ertragswert die beste Niiherung an den Unternehmenswert dar. Dieser erreeh­net sieh aus dem Barwert der zukiinftigen Netto Cash Flows6 zuztiglieh eines Restwerts, der den Gegenwartswert des Unternehmens fUr einen Zeitraum naeh der Bereehnungs­peri ode reprasentiert. Ferner ist bei der Bestimmung des Unternehmenswertes der Ge­genwartswert nieht betriebsnotwendiger Vermogensteile zu berUeksiehtigen.' Der Marktwert des Eigenkapitals ergibt sieh nun dureh Abzug des Fremdkapitals vom Un­ternehmenswert. Die Bereehnung des Unternehmenswertes erfolgt fiir nieht borsenno­tierte Unternehmen jeweils auf Basis einer Mehrjahresplanung des Unternehmens. Diese wird jiihrlieh mit den aktualisierten Planungswerten wiederholt.

Aus dem Vergleieh des Marktwertes des urn ein Jahr aufgezinsten Eigenkapitals zu Be­ginn der Periode mit dem auf das Jahresende neu ermittelten Marktwert des Eigenkapi­tals erhalt man dessen Veriinderung, in der entweder eine Wertsteigerung oder aueh eine Wertverniehtung zum Ausdruek kommt.

Siegert8 bezeiehnet diese Bewertungsdifferenz als Strategiebeitrag. Zur Performaneeana­lyse der Vergangenheit wird fiir jedes Jahr der mit den Eigenkapitalkosten aufgezinste Marktwert des Eigenkapitals (Soll) als Vorgabewert dem tatsaehlieh erzielten Wert des Eigenkapitals unter Einbeziehung aufgezinster gezahlter Dividenden gegenUbergestellt. Die positive Differenz zum Vorgabewert stellt den realisierten Strategiebeitrag der Peri­ode dar.

5 Vgl. Rappaport, A.: Shareholder Value :Wertsteigerung als MaBstab fur die Unternehmensfiihrung, Stuttgart 1995, S. 53 fund S. 69.

6 Zur Definition des Netto Cash Flow vgl. BUhner, R.: Unternehmerisehe Fiihrung mit Shareholder Va­lue, in: Der Shareholder-Value-Report. Erfahrungen, Ergebnisse, Entwieklung, LandsberglLech 1994, S. 15. Der ,,Netto Cash Flow" ergibt sieh aus dem "Operating Cash Flow" naeh Abzug von Erweite­rungsinvestitionen ins Anlageverm6gen und unter Beriieksiehtigung von daraus resultierenden Veriln­derungen des Working Capital. Der "Operating Cash Flow" ist Saldo von betriebliehen Einzahlungen und betriebliehen Auszahlungen. Ersatzinvestitionen und Ertrags- und sonstige Steuern geMren zu den betriebliehen Auszahlungen. Dagegen stellen Fremdfinanzierungskosten keine betriebliehen Auszah­lungen dar. Sie geh6ren zurn Finanzbereich und mindern infolgedessen den Operating Cash Flow nieht. Naeh Auffassung des Verfassers miiBte der oben definierte Netto Cash Flow fur Zwecke der Unter­nehmensbewertung urn gezahlte Korpersehaftsteuern erMht werden, soweit diese Auszahlungen spilter im Rahmen von Gewinnaussehiittungen als Korpersehaftsteuergutsehrift die Bardividende erMhen. Alternativ kann dieser Effekt aueh dureh entsprechende Modifikation des Kapitalisierungszinses be­riieksichtigt werden.

, Vgl. Rappaport, A.: a.a.O., S. 54. 8 Vgl. Siegert, T.: Marktorientierte Unternehmenssteuerung, in : BUhner, R. (Hrsg.), Shareholder Value

Report, a.a.O., S. 124.

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Gleichzeitig kann das Instrumentarium auch fiir die Darstellung der zukiinftig erwarte­ten Marktentwicklung eingesetzt werden. Dem erwarteten Marktwert am Ende des Pla­nungszeitraums wird hierbei der mit den Eigenkapitalkosten aufgezinste (Soll)-Wert des Eigenkapitals gegeniibergestellt. Die positive Differenz zum Vorgabewert ist der ge­plante Strategiebeitrag fiir den Planungszeitraum.9

Werttreiber fiir den Wert des Eigenkapitals sind insbesondere die Wachstumsrate der Umsatze, die betriebliche Gewinnmarge, der Gewinnsteuersatz, Investitionen in das Anlage- und das Umlaufvermogen, die Hohe der Kapitalkosten sowie die Lange der Prognoseperiode. lo

Die Orientierung am Wert des Eigenkapitals stellt stark auf die Interessen der Anteils­eigner abo Haufig wird deshalb Kritik an diesem Konzept dahingehend geauBert, daB die Interessen der Kunden, der Mitarbeiter und anderer Gruppen zu kurz kommen.

Das Interesse der Anteilseigner an der Wertsteigerung impliziert, daB es dem Unter­nehmen gelingt, seine Kunden zufriedenzustellen, sonst lassen sich die prognostizierten Cash Flows nicht verdienen. Die Cash Flows hiingen also nicht nur von der Beeinflus­sung der Ausgaben, sondem vor allem auch der Einnahmen abo Auf die absolute Hohe des Uberschusses kommt es an.

Ein wachsendes und prosperierendes Untemehmen liegt auch im Interesse der Arbeit­nehmer, denn es bietet seinen Mitarbeitem sichere Arbeitsplatze. Umgekehrt braucht das Untemehmen engagierte, kundenorientiert denkende und handelnde Mitarbeiter, urn die Kunden zufriedenzustellen. In gleicher Weise entspricht ein wachsendes und prospe­rierendes Untemehmen auch der Interessenlage von Lieferanten und anderen am Unter­nehmen beteiligten Gruppen.

Die langfristige Steigerung des Werts des Eigenkapitals steht damit nicht grundsatzlich im Widerspruch zu den Interessen von Mitarbeitem oder anderen am Untemehmen inte­ressierten Gruppen.11

Vgl. ebenda, S. 125. 10 Vgl. Rappaport, A.: a.a.O., S. 53. 11 So auch Obermeier, G.: Die Umsetzung des Wertsteigerungskonzeptes in einem Holding-Konzern, in:

Biihner, R. (Hrsg.), Der Shareholder Value Report, a.a.O., S. 81 f.

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WERTORIENTIERTE UNTERNEHMENSFOHRUNG IN DER PRAxIs 27

3. Alternative Ma6stabe zur Unternehmenssteuerung

In der Unternehmenspraxis werden heute (noch) tiberwiegend die vergangenheitsorien­tierten GroBen und Kennzahlen des Rechnungswesens als MaBsUibe benutzt, urn die ktinftige Entwicklung des Unternehmens zu beurteilen oder die Vorteilhaftigkeit von Investitionen und Desinvestitionen oder von Forschungs- und Entwicklungsprojekten zu entscheiden. Es laBt sich jedoch zeigen, daB die Veranderungen dieser aus dem Rech­nungswesen abgeleiteten MaBstabe nicht oder nicht in ausreichendem MaBe mit den Veranderungen des Marktwerts des Eigenkapitals korrelieren.

3.1. Gewinn und Gewinn pro Aktie

So ist zum Beispiel die absolute Hohe oder die Veranderung des Gewinns bzw. des Ge­winns pro Aktie kein zuverlassiger Indikator flir die Entwicklung des Werts des Eigen­kapitals. Die folgenden Aspekte belegen diese These: 12

Die Wahl bzw. Anderung von Bewertungsmethoden im lahresabschluB beeinfluBt zwar den Gewinn, verursacht aber keine materielle Anderung des Unternehmenswertes.

Ferner kommt der EinfluB des Risikos aus der Art des Geschafts sowie der Grad der Fremdfinanzierung im Gewinn nicht ausreichend zum Ausdruck. Ftir den Marktwert des Eigenkapitals spielt das Risiko aber eine entscheidende Rolle.

Wachstumsbedingte zuktinftige Investitionserfordernisse in das Anlage- oder Umlauf­vermogen beeinflussen die spateren Netto Cash Flows und damit die flir Ausschtittun­gen zur Verftigung stehenden Mittel nachhaltig, kommen aber im Gewinn nicht oder nicht ausreichend zum Ausdruck.

Investitionen, die sich tiber dem Fremdkapitalzins, aber unter den Eigenkapitalkosten verzinsen, erhohen zwar den Gewinn, senken aber den Marktwert des Eigenkapitals. Letztlich kommt der Zeitwert des Geldes im Gewinn nicht zum Ausdruck, spielt aber flir den Gegenwartswert der zuktinftigen Cash Flows eine wichtige Rolle.

3.2. Return on Investment

Der Return on Investment (ROI) weist eine "Verzinsung" des betriebsnotwendigen Vermogens durch den Betriebserfolg aus. Sowohl Zahler und Nenner der Kennzahl be­ruhen also auf nach handelsrechtlichen Grundsatzen ermittelten GroBen. Ein Vergleich des ROI mit den Kapitalkosten ist darnit betriebswirtschaftlich bedenklich, weil die GroBen "Gewinn" und "betriebsnotwendiges Vermogen" den handelsrechtlichen Abbil­dungsregeln unterliegen. Wertanderungen der Zukunft, gemessen an den zuktinftigen Netto Cash Flows, kann der ROI nicht zum Ausdruck bringen. Er ist ein ,,Ein-Perioden­MaB". Demgegentiber berticksichtigt der Discounted Cash Flow (DCF) die Cash Flows des gesamten Planungszeitraums. Der ROI kann folglich kein adaquater MaBstab flir die wertorientierte Unternehmenssteuerung sein.13

12 Vgl. Rappaport, A.: a.a.O., S. 20 ff. 13 V gl. Rappaport, A.: a.a. 0., S. 32 fund S. 42 f mit Hinweisen auf weitere Schwachen des ROI.

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3.3. Return on Equity

Eine weitere verbreitete Kennzahl ist der Return on Equity (ROE). Die Rentabilitiit des Eigenkapitals unterliegt aufgrund der Verwendung von GraBen des Rechnungswesens den gleichen Restriktionen wie der ROI. Insbesondere reagiert der ROE auf Anderungen des Verschuldungsgrades. Die "Nutzung" des Leverage-Effekts laBt den ROE stark an­steigen, obwohl der optimale Verschuldungsgrad aufgrund stark steigenden Risikos liingst iiberschritten sein kann. Dies kommt im ROE nicht zum Ausdruck, senkt aber gegebenenfalls den Marktwert des Eigenkapitals.14

Ferner kann der Buchwert des Eigenkapitals durch stille Reserven oder durch andere Verrechnungen (z. B. mit Firmenwerten) wesentlich verrnindert worden sein. Dies flihrt dann zu einer Steigerung der Eigenkapitalrentabilitiit, der keine hOheren Netto Cash Flows und darnit keine Steigerung des Marktwerts des Eigenkapitals gegeniibersteht.

3.4. Zwischenergebnis

Der handelsrechtliche Gewinn und andere aus den GraBen des Rechnungswesens abge­leitete Kennzahlen vermagen eine Veriinderung des Marktwerts des Eigenkapitals nicht angemessen zum Ausdruck zu bringen. Dies resultiert aus den ihnen zugrundeliegenden Konventionen sowie aus ihrer Vergangenheitsorientierung.

Demgegeniiber driickt sich der Marktwert des Eigenkapitals in den zukiinftigen, mit den risikoabhiingigen individuellen Kapitalkosten diskontierten Ausschiittungs- und Kurs­steigerungserwartungen der Marktteilnehmer aus.

4. Wertorientierte Unternehmensftihrung in der TUI Gruppe

Der wertorientierten Unternehmensfiihrung liegt ein komplexes theoretisches Konzept zugrunde. Zur Umsetzung eines derartigen Ansatzes in die betriebliche Praxis ist es er­forderlich, das theoretische Konzept in ein von allen Fiihrungskriiften verstandenes und einfach zu handhabendes Modell urnzuwandeln. Ein solches Praxismodell muB auf den im Unternehmen verfiigbaren Daten aufbauen und als "Wegweiser" Entscheidungshil­fen flir die Unternehmenssteuerung geben. Die Kunst der Modellbildung steht darin, ,,radikal" zu vereinfachen und dabei die "MiBweisung" - die Abweichung von theore­tisch exakten Werten - nicht zu groB werden zu lassen. Vereinfachungen und Abwei­chungen von der "reinen Lehre" sind deshalb notwendig und werden bewuBt hinge­nommen. Anliegen dieses Beitrages ist es, das fiir die wertorientierte Steuerung der TUl Gruppe entwickelte Modell als eine solche praxisorientierte LOsung vorzustellen.

4.1. Strategisches Ziel und Struktur der TUI Gruppe

TUlIS hat seine Zielsetzung in der "Strategie 2001" konkretisiert. Danach versteht sich die Till Gruppe als "marktflihrender, iiberdurchschnittlich ertrags- und wachstumsstar­ker Touristik-Konzern europaischer Dimension mit stetiger Steigerung des Unterneh-

14 Vgl. ebenda, S. 44. IS Als Europas groSter Reiseveranstalter konnte die TUI Gruppe im abgelaufenen Geschaftsjahr 1996/97

insgesamt mehr als 6,8 Millionen Giisten ,,schone Ferien" bereiten. 1m Konzern wurde damit ein Um­satz von 8,5 Mrd. DM und ein IahresiiberschuB in Hohe von 171 Millionen DM erwirtschaftet.

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WERTORIENTIERTE UNTERNEHMENSFOHRUNG IN DER PRAxIs 29

menswertes". Mit dieser Aussage ist die Steigerung des Untemehmenswertes und damit implizit die marktgerechte Verzinsung des im Konzem gebundenen Kapitals bereits als strategisches Ziel formuliert.

Veranstalter Europa West

Touristik Union International (TUI)

Strategie. Konzementwickiung. Controllerdienst, Finanzen I Rechnungslegung I Steuem. Personal. Kommunikation. Recht. Revision

Hoteleinkauf VeranstaIter TUI-Service HoteIgeseII-

Europa Mitte Incoming- schaften Agenturen

Informations­technologie

Abbildung 1: Management Holding und Geschiiftsbereiche der TUI Gruppe

Zum 01. November 1997 hat sich die TUI Gruppe eine neue Konzemstruktur gegeben. Insgesamt wurden flinf Geschiiftsbereiche geschaffen, die von einer Management­Holding koordiniert werden.

Zwei Geschiiftsbereiche (Veranstalter Europa Mitte und Europa West) steuem das ge­samte Veranstaltergeschiift der Gruppe. Aile Aktivitiiten der TUI Gruppe, die den engen Kontakt zum Zielgebiet erfordem oder die im Zielgebiet selbst durchgefUhrt werden, sind in einem weiteren Geschiiftsbereich zusammengefaBt. Hierzu gehoren der fUr die gesamte Gruppe zentral durchgefUhrte Hoteleinkauf, der Reiseleiterservice sowie die Koordination aller Incoming-Agenturen in den Zielgebieten.

Die Hotelbeteiligungen der TUI bilden den Geschiiftsbereich Hotel. FUr die Bereitstel­lung samtlicher Leistungen in Zusammenhang mit der Informationsverarbeitung sowie die Weiterentwicklung der Systeme zeichner der Geschiiftsbereich Informationstechno­logie verantwortlich.

Die Holding selbst nimmt zentrale Konzemfunktionen sowie Ubergreifende Dienstleis­tungen flir die Geschiiftsbereiche wahr. Hierzu gehoren u. a. die strategische FUhrung und Konzementwicklung, der Konzemcontrollerdienst, Finanzen, Rechnungslegung und Steuem im Konzem, Personalmanagement im Konzem, Konzemkommunikation, Recht und Versicherungen sowie Konzemrevision.

Die Till Gruppe besteht derzeit aus 161 Gesellschaften. Davon gehoren 86 Gesellschaf­ten zum Till Konzem. Die Ubrigen 75 Gesellschaften sind als Gemeinschaftsuntemeh­men oder Minderheitsbeteiligungen mit dem TUI Konzem assoziiert.

Die Steuerung der fUnf Geschiiftsbereiche und der zahlreichen Gesellschaften und Ver­antwortungsbereiche erfordert ein durchgangiges Konzept, das sicherstellt, daB bei groBtmoglicher Freiheit fUr die operativen Einheiten der Konzem insgesamt eine markt­gerechte Verzinsung des gebundenen Vermogens erzielt und darUber hinaus eine Wert-

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30 HELMur ROLAND

steigerung des Eigenkapitals erreicht. Insofem liegt es nab, das Konzept der wertorien­tierten Untemehmensflihrung fUr die Steuerung der TUI Gruppe zu nutzen.

Konkret solI die Realisierung einer Marktwertsteigerung des Eigenkapitals des Kon­zems und damit aller seiner operativen Einheiten mess- und steuerbar gemacht werden. Hierzu bedarf es fUr ein nicht bOrsennotiertes Untemehmen besonderer Konventionen, urn den Marktpreis zu bestimmen.

Gleichzeitig solI angezeigt werden, ob die Verzinsung des gebundenen Kapitals die Marktrendite erreicht. Diese Bedingung bildet die Messlatte, die von den Geschiiftsbe­reichen und damit von den GeseUschaften und Profit-Centem mindestens ilbersprungen werden muS.

Weiterhin soUte das Steuerungsinstrumentarium auch Entscheidungshilfen fUr die Allo­kation von Investitionen oder die Vomabme von Desinvestitionen geben.

4.2. tiber das TUI Modelll6

Wenn eine "stetige Steigerung des Untemehmenswertes" auf der Basis einer marktkon­formen Verzinsung des gebundenen Kapitals realisiert werden soU, sind die folgenden Fragen zu beantworten:

• Welche Rendite fordem Investoren fUr eine Beteiligung an der TUI? • Wie ist der Marktwertdes gebundenen Kapitals zu ermitteln?·

Wenn diese Fragen beantwortet sind, liiBt sich der "Anspruch" an die kilnftigen Netto Cash Flows des Konzems rechnerisch ermitteln. Der Konzem setzt diese "Marktvorga­be" auf die operativen Geschiiftsbereiche und Gesellschaften urn.

In dem ilblichen wechselseitigen ProzeB der Vorgabe von Eckdaten top down und deren "Bestiitigung" bottom up als Plan (=commitment) nach entsprechender ti'berpriifung der Erreichbarkeit gilt es dann fUr die operativen Einheiten, ihre Strategie im Rahmen der Konzemstrategie auf werterMhende MaSnabmen hin zu ilberpriifen und fortzuschrei­ben. Deren antizipierte Umsetzung konkretisiert sich anschlie6end in einer Fortschrei­bung der Mehrjabresplanung aller operativen Einheiten, deren Netto Cash Flows insge­samt die ,,Marktvorgabe" filr den Konzem erfUUen (sollten).

Urn die Einfachheit des Modells zu erhalten und die schnelle Urnsetzbarkeit zu gewiihr­leisten, wird zuniichst das in der Mehrjabresplanung enthaltene ,,Ergebnis vor Steuem" als "Niihrungswert" filr den von der Theorie richtigerweise geforderten Netto Cash Flow fUr die Ermittlung des Untemehrnenswertes verwendet.

Es ist der TUI bewuSt, daB damit bestimmte mit den handelsrechtlichen GroBen ver­bundene Restriktionen zur Zeit noch die Aussagefahigkeit der Ergebnisse beeinflussen. 1m Gegensatz zu den irn Abschnitt 3 dargestellten GroSen, deren Aussagen auf Vergan-

16 Das nachfolgend beschriebene TUI Modell wurde in enger Zusammenarbeit mit einem Team des Kon­zerncontrollerdienstes der TUI entwickelt. Oem Leiter. Henrik Homann, und allen Teammitgliedern, zu dem auch Studenten der PRIVATEN FACHHOCHSCHULE GOTTINGEN gehllrten, gebUhrt Dank und Anerkennung fUr die konstruktive Mitwirkung.

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WERTORIENTIERTE UNTERNEHMENSFiiHRUNG IN DER PRAxIs 31

genheitswerten beruhen, gehen beim TUI Modell ausschlieBlich zukunftsorientierte Werte ein, die konkretisieren, was das Untemehmen erreichen will. Diese Fiihrungszah­len sind also "veranlassend" und damit voraussichtlich "wertbildend".

Die Dimension der Markt- und Zukunftsbezogenheit des Ansatzes ist wichtig. Die Vor­aussetzungen flir genauere Zahlen zu schaffen ist permanente Aufgabe des Controllings. 1m iibrigen bleiben auch die auf Netto Cash Flows basierenden zukiinftigen Erwartun­gen mit einer gewissen Unschfufe behaftet. Wertorientierte Untemehmensfiihrung ist eben keine neue "Buchflihrung" und darf es nie werden. Mit der fortschreitenden Ver­besserung des Instrumentariums des Rechnungswesens wird es bald moglich, yom di­rekt ermittelten Netto Cash Flow auszugehen. Bis dahin ist die Verwendung kiinftiger Ergebnisse vor Steuem insbesondere dann eine brauchbare Basis zur Ermittlung des Untemehmenswertes, wenn das Modell die wesentlichen Unterschiede zum Netto Cash Flow durch entsprechende Modifikationen ausgleicht.

So beriicksichtigt das TUI Modell, daB im Ergebnis vorSteuem

• Abschreibungen verrechnet, • Fremdkapitalzinsen beriicksichtigt, • Steuerzahlungen noch nicht abgesetzt, • finanzwirksame Auswirkungen von Veriinderungen des Working Capital nicht

enthalten, • Erweiterungsinvestitionen nicht abgesetzt sind.

Abschreibungen spie1en im Veranstaltergeschiift sowie bei den Incoming-Agenturen nur eine untergeordnete Rolle, da abnutzbare Sachanlagen kaum vorhanden sind. Realisti­scherweise kann unterstellt werden, daB etwa in der GroBenordnung der betragsmiiBig geringen jiihrlichen Abschreibungen Ersatzinvestitionen getiitigt werden miissen, die in dieser Hohe dann auch im Netto Cash Flow finanzwirksam wiirden. 1m Hotelgeschiift spie1en Abschreibungen zwar eine groBere Rolle, aber dennoch bleibt diese Annahme plausibel, da die Erhaltung der Qualitiit der Hotelleistung und damit die Werterhaltung der Anlage nicht unerhebliche kontinuierliche Instandhaltungsausgaben bedingt. Die Abweichungen zum Netto Cash Flow sind somit vemachliissigbar.

Fremdkapitalzinsen spielen im Veranstaltergeschiift so gut wie keine Rolle. Da Anzah­lungen auf den Reisepreis sowie der restliche Reisepreis vor Antritt der Reise und damit flir den Veranstalter vor Fiilligkeit der Auszahlungen flir touristische Vorleistungen an­fallen, verfiigen insbesondere stark wachsende Untemehmen in der Regel ganzjiihrig iiber einen FinanzmitteliiberschuB.

Soweit Fremdkapitalzinsen zum Beispiel im Hotelgeschaft das Ergebnis gemindert ha­ben, wird dem durch Diskontierung der zukiinftigen Netto-Ergebnisse zum hoheren Ei­genkapitalkostensatz Rechnung getragen.

Die Ergebnisse vor Steuem werden zur Beriicksichtigung der noch enthaltenen Gewer­be- und sonstigen Steuem (Kostencharakter) durch pauschale Verminderung urn 20 % in eine NachsteuergroBe umgewandelt. Wie oben bereits erliiutert, wird der LeistungsprozeB selbst durch Anzahlungen und Vorauszahlungen des Reisepreises finanziert. Wachstum verursacht deshalb in der Re-

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gel keinen zusatzlichen Finanzbedarf. Das Working Capital unterliegt damit im Jahres­vergleich ceteris paribus keinen so groBen Veranderungen. Die finanziellen Auswirkun­gen konnen deshalb bei der Bewertung vernachlassigt werden.

Erweiterungsinvestitionen vollziehen sich bis auf Ausnahmen (z. B. Verwaltungsgebau­de) beim Veranstalter und im Incoming-Geschlift weitgehend kontinuierlich (z. B. jlihr­liche HardwareaufrUstungen, Austausch von Bussen etc.). Sie sind damit ahnlich wie die Ersatzinvestitionen zu beurteilen.

1m Hotelgeschaft ist die Situation anders. Erweiterungen vollziehen sich hier durch Neubau, Erwerb oder Erweiterung bestehender Hotelanlagen. Dies ist gerade auch vom Investitionsvolumen kein "Tagesgeschlift" und kann den Netto Cash Flow durchaus sptirbar beeinflussen. Diese Wirkungen unberUcksichtigt zu lassen konnte die Aussage­flihigkeit erheblich beeintrachtigen. Deshalb wird an dieser Stelle "hlindisch" in das Re­chenwerk eingegriffen, indem das betreffende Ergebnis vor Steuern urn die finanzwirt­schaftlichen Auswirkungen von Hotelinvestitionen und -desinvestitionen modifiziert wird.

Insgesamt wird deutlich, daB die Verwendung von Ergebnissen vor Steuern entweder keine gravierenden Unterschiede zum Netto Cash Flow aufweist oder durch einfache Modifikationen weitgehend neutralisiert werden kann, so daB brauchbare Bewertungs­ergebnisse erzielt werden. Besonderheiten ist im Einzelfall durch Anpassung der Bewer­tung und entsprechender Erlauterung Rechnung zu tragen. Ferner unterliegen aIle Be­wertungsergebnisse einer PlausibilitatsprUfung durch eine Expertenrunde.

4.3. Ermittlung der Eigenkapitaikosten

4.3.1. Capital Asset Pricing Model

Dem Modell liegt die Annahme zugrunde, daB ein Eigenttimer fUr sein Investment eine bestimmte Verzinsung erwartet. Diese setzt sich zusammen aus der Rendite eines risiko­losen Engagements zuztiglich einer Prlimie fUr das Risiko, welches mit dem Aktien­bzw. Unternehmensinvestment verbunden ist.

Der Renditeanspruch des Eigenkapitalgebers bestimmt die Eigenkapitalkosten des Un­ternehmens. Die Eigenkapitalkostensatze des TUl-Konzerns sowie der Tochtergesell­schaften werden auf Basis eines modifizierten Capital Asset Pricing Model (CAPM) ermittelt. Die Modifizierung besteht in der Ausweitung auf nicht borsennotierte Unter­nehmen sowie in der zusatzlichen BerUcksichtigung von Llinderrisiken.

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WERTORlENTIERTE UNTERNEHMENSFOHRUNG IN DER PRAxIs 33

Eigenkapitalko ten yom Markt her bestimmen

Zlns far Scoring Modell Risiko- LAnderrisiko risikolose far GeschAtts- prAmie Zuschlag Anlagen bereichsrisiken (max. 8%)

-c::J- -c::J- -c::J- -c::J-Langzeitstudie

20% Langzeltstudie

Rentenrendite Aktlenrendile

Abbildung 2: Eigenkapitalkosten nach erweitertem CAPM-Ansatz

Flir bOrsennotierte Untemehmen laBt sich dieser Risikoaufschlag relativ leicht ermitteln. Er berechnet sich aus dem Produkt der Marktrisikopriimie - als Differenz zwischen dem Marktrisiko und der Rendite eines "sicheren" Wertpapieres - und dem sogenannten Be­ta-Faktor. Das Marktrisiko wird beispielsweise durch die Entwicklung des DAX, das "sichere" Wertpapier durch die Entwicklung der Bundesanleihen definiert. Der B-Faktor gibt an, wie stark die Aktie des Untemehmens im Verhiiltnis zum Marktrisiko schwankt. FUr die dreiBig im DAX notierten Untemehmen wird der Beta-Faktor bOrsentaglich im Handelsblatt gezeigt (250 Tage-B). Hilfreicher ist hier allerdings der fUr einen Zeitraum von vier Jahren berechnete B-Faktor, da dieser geringeren Schwankungsbreiten unter­liegt. Aktuell schwankt der B-Faktor zwischen 0,7 (geringes Risiko) und 1,3 (hohes Ri­siko).

Allgemein ergeben sich die Eigenkapitalkosten

KE = RF + B* (RM-RF) + RL

mit

I Geschllftsrisiko I

= Eigenkapitalkostensatz (erwartete Mindestverzinsung) = Zinssatz einer risikolosen Anlage = Marktrisikopriimie = Llinderrisiko = B-Faktor; Schwankung von Aktienrendite im Verhiiltnis zur Marktrendite

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34 HELMur ROLAND

Der Zinssatz einer risikolosen Anlage wird entsprechend dem langfristigen Mittel der Bundesobligationen mit 7 % angenommen. Laut einer Analyse des deutschen Aktien­marktes durch Morawietz11 flir den Zeitraum von 1870 bis 1992 beliiuft sich die Marktrisikopriimie auf etwa 5 %. Flir den Eigenkapitalkostensatz gilt somit:

KE = 7 % + B * 5% + RL

Urn die B-Faktoren von nicht borsennotierten Untemehmen zu bestimmen, muB der CAPM-Ansatz erweitert werden. Hierzu wird zuniichst der Konzem-B-Faktor mit 1 festgelegt (entspricht dem durchschnittlichen DAX-Risiko). Uber ein Scoring-Modell wird dann das spezifische Risiko der Tochtergesellschaften berechnet und ins Verhiiltnis zum TUl Konzernrisiko gesetzt. Der Quotient stellt den untemehmensspezifischen B­Faktordar.

4.3.2. Scoring Modell fUr gesellschaftsspezifische Risiken

Das Scoring Modell dient dazu, untemehmensindividuelle B-Faktoren flir die TUl Ge­sellschaften zu ermitteln. Hierbei wird nur das gesellschaftsspezifische Risiko beurteilt. Das Liinderrisiko wird separat ermittelt.

Der einheitliche Risikokatalog urnfaBt die flinf Risikokriterien

• Technologieposition • Kapazitiitsauslastung • Wettbewerbsposition • Marktwachstum und • Qualitiit des Managements.

Die Risikoskala bewegt sich von 1 (geringes Risiko) bis 5 (hohes Risiko).

Die Technologieposition beschreibt die Starke (Schwiiche) der eigenen Technologien im Vergleich zum Wettbewerb. Die Auslegung des Kriteriums kann von Gesellschaft zu Gesellschaft variieren. So ziihlen im Veranstalterbereich die Qualitiit der Reservierungs­und Backofficesysteme, im Hotelbereich die Bausubstanz und die DV-Systeme sowie im Agenturbereich beispielsweise der Fuhrpark und ebenfalls die DV -Systeme.

Bei der Kapazitiitsauslastung muB die eigene Position im Vergleich zum Wettbewerb gesehen werden. 1m Veranstalterbereich ist dies die Flugauslastung, im Hotelbereich die Bettenbelegung, im Agenturbereich die Auslastung des Fuhrparks.

Die Analyse der (relativen) Wettbewerbsposition bedarf einer mehrschichtigen Betrach­tung. MaBgebliche Kriterien sind hierbei Marktanteil, Nachfragemacht, Markteintritts­barrieren, Economies of scale etc.

Hinsichtlich des zuklinftigen Marktwachstums sind Quellmarkte (Veranstalter) und Zielmarkte (Hotels, Agenturen) zu unterscheiden.

11 Vg\. Morawietz, M.: Rentabilitat und Risiko deutscher Aktien und Rentenanlagen seit 1870, Wiesba­den 1994.

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WERTORIENTIER1E UN1ERNEHMENSFOHRUNG IN DER PRAxIs 35

Der untemehmerische Erfolg hangt entscheidend von der Qualitat des Managements abo Hierbei ist zu berilcksichtigen, daB ein gutes Management nicht zwangsliiufig geringes Untemehmensrisiko bedeuten muB. Ie besser das Management undje starker das Unter­nehmen von Fiihrungspers6nlichkeiten gelenkt wird, desto h6her das zukiinftige Risiko­potential flir das Untemehmen, das durch Abwerbung des Managements oder ungekliirte Nachfolgeregelung entsteht, wenn der kiinftige Erfolg maBgeblich von besonderen Er­fahrungenIFahigkeiten abhangt, die nur schwer zu ersetzen sind.

~ 1 2 3 4 5

(geringes (hohes Risikomerkmal Risiko) Risiko)

Technologieposition dominant stark i gUnstig haltbar schwach Kapazitiitsauslastung sehr hoch hoch mittel [gering sehrgeri~

Wettbewerbsposition dominant stark I gUnstig haltbar schwach Marktwachstum >10% < lO >5 <5 >0 <0 >-5 <-5 Qualitiit des Managements sehr hoch hoch mittel I gering sehr gering

Abbildung 3: Scoring Modell

Teilt man den sich ergebenden gesellschaftsspezifischen Risikowert durch das durch­schnittliche Konzemrisiko, errechnet sich der gesellschaftsspezifische B-Faktor. Dieser wird bewuBt an das Konzem-B gekoppelt, urn die im Konzem vorhandenen Risikovor­teile an die Gesellschaften weiterzureichen. Dieses gilt allerdings genauso fiir Risiko­nachteile. Somit pendeln die individuellen Risikosatze der Gesellschaften immer urn jenen des Konzems.

4.3.3. Landerrisiken

Das Uinderrisiko RL wird in Form eines Aufschlages von hOchstens acht Prozentpunk­ten auf den Eigenkapitalkostensatz berilcksichtigt. Einen Abschlag gibt es nicht.

Die Grundlage flir die Bewertung des Uinderrisikos bildet der BERI-Index (Business Risk Service, Stand IulilNovember 1996). Auf einer Skala von 0 bis 100 berilcksichtigt er drei verschiedene Risiken:

• "Operations Risk"18 bewertet im wesentlichen volkswirtschaftliche und finanz­wirtschaftliche Einfliisse auf die Vertragserfiillung.

• "Political Risk"19 bewertet Risiken, die sich aus der innenpolitischen Situation ei­nes Landes ergeben.

18 Operations Risk bewertet das allgemeine Geschiiftsklima anhand folgender Kriterien: Kontinuitiit, Einstellung gegenUber ausliindischen Investoren, Inflation, Nationalisierung, Ausgegli­chenheit der Leistungs-lZahlungsbilanz, bUrokratische Hemmnisse, Wirtschaftswachstum, Konvertibi­litiit der Wiihrung, Durchsetzbarkeit von Vertriigen, Lohnkosten, Produktivitiit, Professionalitiit der Vertragspartner, Kommunikations- und Transportmoglichkeiten, Qualitiit des lokalen Managements sowie die Situation am Geld- und Kapitalmarkt.

19 Political Risk bewertet folgende Umstiinde als politisches Risiko: Fraktionalisierung des politischen Spektrums und die Macht der einzelnen Parteien; Fraktionalisierung durch Sprache, ethische undloder religiose Gruppen und deren Macht; restriktive (Zwangs-) MaBnah­men zur Machterhaltung; Mentalitiit, einschlieBlich Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus, Korruption, Vettemwirtschaft, KompromiBbereitschaft; soziale Bedingungen, einschlieBlich Bevolkerungsdichte und Wohlstandsgefalle; gUnstige Bedingungen fur eine radikale Regierung; Abhiingigkeit von I Bedeu-

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36 HELMuT ROLAND

• Der "R-Faktor"2O dient zur Einschatzung der Moglichkeit und Bereitschaft eines Landes, Gewinne und Kapital auslandischer Investoren zu transferieren. Weiter bewertet er den Zugang zu konvertierbarer Wiihrung und Importmoglichkeiten ausliindischer Investoren vor Ort.

Der BERI-Index fOr jedes Land liegt zwischen 0 und 100, die hOchste Bewertung ist jedoch bei 82 (fOr die Schweiz), die niedrigste Bewertung liegt bei 35 (Tansania). Deutschland erhalt nach dem BERI Index 71 Punkte.

AIle fUr die TUI relevanten Lander (sowohl Quellmarkte aIs auch Zielgebiete) bewegen sich zwischen diesen Grenzen. Die Grenzen flir die Risikoaufschlage werden daher fol­gendermaBen festgelegt:

BERI-Index Risiko-Aufschlag 70 -100 0% -Punkte 41-69 Anteilig berechneter Aufschlag:

1 Punkt im BERI-Index ergibt dem-nach ca. 0,27 % - Punkte [8% 170 - 40)]

0-40 8% - Punkte Beispiele:

Land BERI-Index Risiko-Aufschlag Deutschland 71 0% Marokko 41 (70-41) * 8% / (70 - 40) = 7,7 % Spanien 59 (70-59) * 8% / (70 - 40) = 2,9 % Tansania 35 8%

Darnit sind aIle im Modell verwendeten Faktoren zur Bestimmung des Eigenkapitalkos­tensatzes dargestellt.

Am folgenden Beispiel einer Gesellschaft aus Marokko HiBt sich die Handhabung kurz zusammenfassen:

Eigenkapitalkostensatz KE = 7 % + B . 5 % + RL

tung fur eine feindliche GroBmacht; negative Einflilsse regionaler politischer Krlifte. Folgende Sym­ptome werden dUTch diese Urnstlinde hervorgerufen: Soziale Konflikte, Demonstrationen, Streiks, StraBenkriminalitlit, Instabilitlit dUTch nicht verfassungs­konforme Verlinderungen, politische Morde oder GueriUakriege.

20 Der R-Faktor (fur ,,remittances and repatriation of capital") setzt sich wiederum aus vier Subindizes zusammen: Legal Framework of Subindex: Hier werden verschiedene Kriterien (z. B. Dividenden, Gewinn-, Ge­haltsbestimmungen, Lizenz-, PatentgebUhren, Moglichkeiten der KapitalrilckfUhrung) hiusichtlich der gesetzlichen Bestimmungen und ihrer praktischen Handhabung bewertet. Foreign Exchange Generation Subindex: Dieser Index wird in erster Linie dUTch die Wlihrungsper­formance beeinfluBt und basiert auf IMP Daten, die in ,,International Financial Statistics" publiziert wurden. Accumulated International Reserve Subindex: Rier werden die Devisenreserven eines Landes zum Importvolumen von Giltern und Dienstieistungen ins Verhliltnis gesetzt. Foreign Debt Assessment Subindex: Auf Basis von Weltbankdaten wird die Auslandsverschuldung ei­nes Landes zu seinem Bruttoinlandsprodukt ins Verhliltnis gesetzt.

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WERTORIENTIERlE UN1ERNEHMENSFOHRUNG IN DER PRAxIs 37

Zur Bestimmung des B-Wertes wird das individuelle Risiko der Gesellschaft anhand des Scoring-Modells ennittelt.

~ gering mittel hoch

1 2 3 4 5 Risiko- B-Faktor

1,67 faktoren 0,3 0,67 1,0 1,33

Technologieposition 20% x

Kapazitiitsauslastung 20% x

Wettbewerbsintensitiit 20% x

Marktwachstum 20% x Qualitiit des Managements 20% x

Summe 3,2 2,4 0,8

Daniit ergibt sich das gewichtete gesellschaftsspezifische Risiko mit dem Wert 3,2. Der diesem Risiko zugeordnete B-Faktor kann durch lineare Interpolation der B-Faktoren entsprechend dem Zwischenwert beim gesellschaftsspezifischen Risiko ennittelt wer­den. 1m Beispiel entspricht ein Risikowert von 3 einem B-Faktor von 1,0 und ein Risi­kowert von 4 einem B-Faktor von 1,33. FUr einen Zwischen wert von 3,2ergibt sich als gesellschaftsspezifischer B-Faktor somit ein Wert von 1,07.

Das Llinderrisiko RL errechnet sich aufgrund des BERI-Werts (B) fUr Marokko von 41 aus der Formel

RL = (70 - B) . 8 % / (70 - 40)

RL = (70 - 41) . 8 % / (70 - 40) = 7,7 %

Damit betragt der Eigenkapitalkostensatz der Gesellschaft aus Marokko

KE = 7 % + 1,07' 5 % + 7,7 % = 20 % L..Y-J L....y--J

B RL

4.4. Ermittlung des gebundenen Kapitals

Aus der Sicht des Shareholders ist das gebundene Kapital einmal aus marktorientierter Sicht und zum anderen aus anschaffungsorientierter Sicht zu beurteilen:

1. Gebundenes Kapital aus marktorientierter Sicht ist der Marktwert der Anteile zum Betrachtungszeitpunkt. Mit der Entscheidung zum Halten der Anteile verzichtet der Shareholder auf eine sofortige Realisierung des Marktwerts der Anteile. Er erwartet flir die Zukunft Ausschiittungen und Kurssteigerungen des Marktwerts seiner Antei­Ie, die zusammen die Verzinsung einer altemativen Anlage gleichen Risikos nicht

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38 HEl..MuT ROLAND

unterschreiten. Der Shareholder erwartet also zusiitzlieh zu dem Ertrag aus einer risi­kofreien Anlage eine adiiquate Risikopriimie. Ansonsten wiire ein Halten der Anteile fUr ihn zumindest aus betriebswirtsehaftlieher Sieht nieht zu begrUnden.

Der Marktwert des Eigenkapitals ergibt sieh aus dem Untemehmenswert naeh Abzug des Fremdkapitals. Der Untemehmenswert ergibt sieh (im wesentliehen) aus dem Er­tragswert. FUr nieht bOrsennotierte Gesellsehaften wird unterstellt, daB der Ertrags­wert einen fairen Marktwert repriisentiert.

Die Ertragswerte der einzelnen Gesellsehaften werden jiihrlieh errechnet. Dabei ge­hen neben dem jeweiligen 1st-Wert bzw. voraussiehtliehem 1st-Wert des Gesehiifts­jahres die Planungs- und Prognoseergebnisse der folgenden vier Gesehilftsjahre in die Berechnung ein und werden mit dem jeweiligen Eigenkapitalkostensatz diskontiert.

Hinsiehtlieh des Residualwertes wird eine Strategie der Marktanteilserweiterung un­terstellt, d h. es wird davon ausgegangen, daB die Gesellschaft aueh naeh dem Pla­nungshorizont weitergefuhrt wird. Zur Ermittlung des FortfUhrungswertes wird das Ergebnis vor Steuem des letzten Planungsjahres durch den Eigenkapitalkostensatz dividiert (ewige Rente) und auf den Bewertungsstiehtag abgezinst. Damit wird 6ko­nomiseh unterstellt, daB "ein Gesehilft naeh der Prognoseperiode im Durehschnitt genau die Eigenkapitalkosten auf neue Investitionen verdient"zl. Diese Annahme er­scheint vertretbar, da die hohe Wettbewerbsintensitiit und homogene Produkte ver­hindem, daB liingerfristig Uberrenditen erzielt werden.

Ergiinzend werden die so errechneten Ertragswerte in einer Expertenrunde daraufhin UberprUft, ob sie tatsiichlieh einen Marktwert reprnsentieren, d. h. im Rahmen einer Veriiu6erung aueh erzielbar wiiren.

Die hilfsweise Ermittlung des heute gUltigen Marktwerts durch Berechnung des Er­tragswerts hat den Nachteil, daB der so ermittelte Marktwert Uber Annahmen bei der Ertragswertberechnung beeinflu6t werden kann. Insofem ist eine "bewu6te Steue­rung" des Ertragswerts, insbesondere durch positivere oder vorsiehtigere Einschiit­zung der letzten Prognoseperiode, nieht auszuschlie6en. Dementsprechend varlieren dann aueh die "Vorgabewerte" fUr das marktrenditekonforme Ergebnis. So entsteht z. B. Druck durch die stiindige Erwartung, Strategiebeitriige zu erzielen. Diese Steue­rungsm6gliehkeit relativiert die Eignung des Ertragswerts zur Bestimmung des Marktwerts und damit zur Quantifizierung des gebundenen Kapitals.

Zur Vermeidung dieses Effekts werden daher bei TUI die Ertragswerte mit ihrem "all-time-high" zur Bemessung des gebundenen Kapitals herangezogen. Wer seine Ertragswerte (unrealistisch) "hochjubelt", mu6 in Zukunft mit entsprechend h<>heren Ergebnisanspruehen leben. Bei spiiterer ZurUeknahme wird "Wertverniehtung" ange­zeigt, was entsprechende Fragen ausl6st.

Wer sieh "warm anzieht" und die kUnftigen Ertragserwartungen unrealistisch niedrig ansetzt, fallt sofort wegen "Wertvemiehtung" auf, denn fUr die Ermittlung des Er-

ZI Rappaport, A.: a.a.O., S. 64.

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WERTORIENTIERTE UNTERNEHMENSF'OHRUNG IN DER PRAxIs 39

gebnisanspruchs wird das "all-time-high" herangezogen. "Belohnt" wird nur, wer er­reichbare Wertsteigerungen antizipiert und diese auch realisiert.

Kapitalbindung

Marktwerte auf Basis "all time high" von Ertragswerten

~'" _______ ZuEigenkapitaikostenzuziiglich _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ Inflationsausgleich aufgezinste

'" Anschaffungskosten abzilglich - - - - - - - - zwischenzeitlicher Kapitalrilckzah-

lungen und Ausschilttungen

Anschaffungskosten

'-------------------. Jahre

Abbildung 4: Kapitalbindung und "all time high"

2. Die anschaffungsorientierte Sicht bei der Bemessung des gebundenen Kapitals kann als weitere Plausibilisierungs- und KontrollgroBe herangezogen werden.

FUr einen Shareholder ergibt sich die Kapitalbindung einer in der Vergangenheit ge­tatigten Investition aus der Hohe aller bisher geleisteten Bar- oder Sacheinlagen nach Verrechnung mit Riickfliissen aus Teil-Desinvestitionen, Kapitalriickzahlungen und aus gegeniiber den im Vergleich zur verlangten Eigenkapitalverzinsung (hier 12 % = pari) hoheren oder niedrigeren Ausschiittungen einschlieBlich erhaltener Korper­schaftsteuergutschriften. Ferner ist ein Inflationsausgleich zu beriicksichtigen.

Die so ermittelten fortgeschriebenen Anschaffungskosten schaffen gleichsam ,,Druck von unten" auf die Entwicklung der Ertragswerte und zeigen auf, ob und inwieweit die einmal investierten (und fortgeschriebenen) Betrage durch die gegenwiirtigen Marktwerte, ersatzweise Ertragswerte, iiber- oder unterschritten werden. Diese "his­torische Sicht" stellt zwar keine Entscheidungsgrundlage fUr kiinftiges Halten oder Verkaufen dar, lost aber psychologischen Druck aus, das einmal getatigte Investment kiinftig "ins Verdienen zu bringen". Aus Controllersicht ist eine derartige "veranlas­sende" Darstellung durchaus hilfreich und kann auBerst "wertbildend" sein. AIler­dings darf es nicht aussichtslos sein, die Kurve der fortgeschriebenen Anschaffungs­kosten (= Break even Linie der Investitionen) zu "matchen". 1m Ausnahmefall kann es daher (psychologisch) sinnvoll sein, einen Teilbetrag (gedanklich) endgiiltig "zu vergessen".

4.5. Rating der TVI Beteiligungen

Zur Steuerung der Aufmerksarnkeit und Verbesserung der Transparenz werden aIle TUl Beteiligungen in einem Rating-System nach zwei Kriterien unterschieden:

• VerhaItnis Marktwert zu fortgeschriebenen Anschaffungskosten (= Zukunftser­wartung rechtfertigt getatigte Investition)

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40 HELMuT ROLAND

• Wertveranderung des Eigenkapitals (= Veranderung des Zukunftspotentials)

Der Vergleich des Marktwerts mit den fortgeschriebenen Anschaffungskosten gibt Aus­kunft darliber, inwieweit die im gegenwartigen Marktwert zum Ausdruck kommenden antizipierten Zukunftserwartungen die frliher getatigte Investition bestatigen. Solange der Marktwert hoher liegt als das aufgezinste, infiationsbereinigte Investment (Vergleichswert), verspricht sich das Engagement zu rechnen (A-Rating).

Rating Vergleich der Werte zueinander AAA Marktwert > 3 x fortgeschriebene Anschaffungskosten AA Marktwert > 2 x fortgeschriebene Anschaffungskosten A Marktwert > 1 x fortgeschriebene Anschaffungskosten B Marktwert < fortgeschriebene Anschaffungskosten und

Marktwert > Buchwert BB Marktwert < fortgeschriebene Anschaffungskosten und

Marktwert < Buchwert BBB Marktwert < 0

Abbildung 5: Marktwertentwicklung zum Investment

So dokumentiert ein A-Rating, daB sich die Investition bis zur Gegenwart kumuliert besser als zur marktkonformen Rendite verzinst hat. Bei einem AA- bzw. AAA-Rating liegt der Marktwert urn mehr als das zwei- bzw. dreifache der fortgeschriebenen An­schaffungskosten Uber der Break-even Linie. Diese Beteiligungen haben die bisherige Wertsteigerung des TUI Konzems getragen.

Gesellschaften, deren Marktwert den Vergleichswert nicht erreichen (B-Rating), haben sich kumuliert nur unterhalb der marktkonformen Rendite verzinst. Bei einem BB­Rating besteht zusatzlich ein Abschreibungsrisiko, wenn die Wertminderung nachhaltig ist. Ein BBB-Rating weist auf einen "negativen Marktwert" hin.

Das zweite Merkmal kennzeichnet eine Wertsteigerung oder Wertvemichtung des Ei­genkapitals und zeigt deren Intensitat an.

Rating Veranderung des Marktwertes +++ > 20% gegenUber all time high ++ > 10% gegenUber all time high + > 0% gegenUber VOIjahr - < 0% gegenUber Vorjahr -- < -10% gegenUber Vorjahr --- < -20% gegenUber Vorjahr

Abbildung 6: Veranderung des Zukunftspotentials

Ubertragen in ein TUI Beteiligungsportfoli022 lassen sich die Gesellschaften in vier Gruppen einteilen.

22 In Anlehnung an Boston Consulting Group

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WERTORIENTIER1E UNTERNEHMENSFOHRUNG IN DER PRAxIs

Marktwert versus Vergleichswert (Strategiebeitrag)

AAA iii i "FragezeicheJ" "Kronjuwele~" 'i i i

~----~----.~----~------+------~------

AA

--------~,.i-~-h-r-de-m-;.:~------T------ri----~I------' lU 1* ausbaueDj

! 1 !: Break even I----t----t----;---t----t-----I

'i I i B "SQbwarze Sch:ire" "Hpffnungs!rii~"

-.----.~t~--H_+-_--H.-.. ! 1 BB i ! ---- j------r--------

-----+-! i f ! i ~! selektiv haJien ~ aussteige~. ;, iii und ffirdelllJ

A

BBB

<-20 <-10 <0 >0 > 10 >20

Abbildung 7: Wertorientiertes Beteiligungsportfolio23

41

Marktwertiinderung gegenliber Vorjahr/ all-lime-high in %

Als "Schwarze Schafe" werden solche Gesellschaften bezeichnet, deren Rendite bisher unter der marktkonformen Verzinsung verlaufen ist und die auch morgen eine weitere Wertvernichtung erwarten lassen. Soweit dem nicht andere strategische GrUnde entge­genstehen, empfiehlt sich aus wertorientierter Sicht ein Ausstieg.

"Hoffnungstrager" sind solche Gesellschaften, die zwar in der Vergangenheit noch nicht angemessen zur Rentabilitat des Konzerns beigetragen haben, jetzt aber Wertsteige­rungspotential zeigen.

"Fragezeichen" stehen bei den Gesellschaften, die derzeit mit Wertverlusten zu kiimpfen haben, die sich aber bisher tiber ihre Eigenkapitalkosten hinaus verzinst haben. Es ist zu priifen, ob die (noch) bestehenden Marktweite jetzt realisiert werden sollen, bevor wei­tere Wertvernichtung eintritt. Oder sind in Zukunft wieder Wertsteigerungen zu errei­chen?

Bei den "Kronjuwelen" ist die Situation kIar. Sie gilt es weiter zu starken und auszubau­en.

Bei allen Einzelentscheidungen aus der wertorientierten Sicht sind stets die Auswirkun­gen auf andere Teile des Konzerns zu beriicksichtigen, wenn Abhangigkeiten tiber die touristische Wertschopfungskette vorliegen. Letztlich muS die Entscheidung dem Marktwert des Konzerns zugute kommen.

23 In Anlehnung an Boston Consulting Group

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42 HELMuT ROLAND

4.6. Wertorientierte Ergebnissteuerung

Ausgehend yom Marktwert des TUI Konzems als Bemessungsgrundlage des gebunde­nen Kapitals wird diese mit der marktkonformen Rendite, die dem Eigenkapitalkosten­satz des Till Konzems entspricht, multipliziert. Daraus errechnet sich das "Pari­Konzemergebnis".24

Die Zuordnung dieses Ergebnisanspruchs auf die Beteiligungsgesellschaften erfolgt auf der Grundlage des durch die Untemehmenswerte (Ertragswerte) quantifizierten gebun­denen Kapitals und der unter Berticksichtigung von gesellschaftsspezifischen und liin­derbezogenen Risiken errnittelten Eigenkapitalkosten.

Durch RUckrechnung des Pari-Ergebnisses bis auf die Ebene des Deckungsbeitrags ill wird die "Oberleitung zur Management-Erfolgsrechnung der Profit-Center hergestellt. Inwieweit es sinnvoll und moglich ist, die Allokation des Pari-Ergebnisses auf die Pro­fit-Center nach der gleichen wertorientierten Logik herunterzubrechen, bleibt abzuwar­ten.

5. Auf den Punkt gebracht

Wertorientierte UntemehmensfUhrung lenkt das Denken in die Zukunft.

Marktrendite und ein zu Marktpreisen bewertetes gebundenes Kapital schaffen eine MeBlatte fUr ein werterhaltendes Ergebnis.

Strategiebeitrage werden erst erwirtschaftet, wenn Werttreiber erfolgreich aktiviert wer­den.

Die Aufbereitung der Ergebnisse in diesem "veranlassenden" Sinn ist fUr den Steue­rungsprozess hilfreich, schafft aber noch keine Werte. Diese zu erarbeiten ist die vor­rangigste Aufgabe der "Untemehmer" auf allen FUhrungsebenen im Till Konzem.

Literatur

Biihner, R: Unternehmerische Fiihrung mit Shareholder Value, in: Biihner, R (Hrsg.); Der Shareholder-Value-Report; Erfahrungen, Ergebnisse, Entwicklungen; LandsberglLech 1994

Hahn, D.: PuK - Planungs- und Kontrollrechnung; 5. Aufl.; Wiesbaden 1995 Horvath, P.: Controlling; 6. Aufl.; Miinchen 1996 Liicke, W., (Hrsg): Betriebswirtschaftliche Steuerungs- und Kontrollprobleme; Tagungsband des Verban­

des der Hochschullehrer ftir Betriebswirtschaft e. V. aus dem Jahre 1987; Wiesbaden 1988 Morawietz, M.: Rentabilitat und Risiko deutscher Aktien und Rentenanlagen seit 1870; Wiesbaden 1994 Obermeier, G.: Die Umsetzung des Wertsteigerungskonzeptes; Biihner, R (Hrsg.); Der Shareholder­

Value-Report; Erfahrungen, Ergebnisse, Entwicklungen; LandsberglLech 1994 Rappaport, A.: Shareholder Value; Wertsteigerung als MaBstab ftir die Unternehmensfiihrung; Stuttgart

1995

24 vor Kiirperschaftsteuern, soweit diese im Rahmen der Ausschiittung zu Kiirperschaftsteuergutschriften fiihren.

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WERTORIENTIERTE UNTERNEHMENSFOHRUNG IN DER PRAxIs 43

Schmalenbach, E.: Dynamische Bilanz; 11. Aufl.; KtilnlOpladen 1953 Siegert, T.: Marktorientierte Unternehmenssteuerung, in: BUbner, R. (Hrsg.); Der Shareholder-Value­

Report; Erfahrungen, Ergebnisse, Entwicldungen; LandsberglLech 1994 Simon, H.V.: Die Bilanzen der Aktiengesellschaften; Berlin 1996

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Aufbau einer Konzernkostenrechnung zur Unterstutzung des internen und externen Konzernrechnungswesens

Dr. Michael Dusemond*

1. Grundlagen

2. Einzelgesellschaftliche Kostenrechnung versus Konzernkostenrechnung

2.1. Unterschiede hinsichtlich der Zurechenbarkeit zu einzelnen Kalkulations­objekten

2.2. Unterschiede hinsichtlich der Beschiiftigungsabhangigkeit

2.3. Unterschiede hinsichtlich der Aktivierungsflihigkeit

2.4. Unterschiede hinsichtlich der Gewinn- bzw. Verlustrealisierung

2.5. Fallbeispiele

2.5.1. Fallbeispiel zur Notwendigkeit einer intern ausgerichteten Konzern­

kostenrechnung

2.5.2. Fallbeispiel zur Notwendigkeit einer extern ausgerichteten Konzern­

kostenrechnung

2.6. SchluBfolgerungen

3. Notwendige Voraussetzungen zur Implementierung einer eigenstiindigen Konzern­kostenrechnung

4. Installation und DurchfUhrung einer Konzernprimiirkostenrechnung

4.1. Begriff und Zielsetzung

4.2. Verfahrensalternativen

4.3. Installations- und Durchfiihrungsprobleme

4.4. Vereinfachungsansiitze zur Komplexitatsreduzierung durch Variationen in der Ausgestaltungsform

5. Zusarnmenfassung und Ausblick

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46 MICHAEL DUSEMOND

* Dr. Michael Dusemond, geb. 1961 in SI. Ingbert, Studium der Betriebswirtschaftslehre in Saarbrii­cken, Diplom-Kaufmann 1988, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut flir Wirtschaftsprilfung an der Universitiit des Saarlandes, Promotion 1994, seit Januar 1995 Leiter Konzernbilanzeriung der TUI Touristik Union International GmbH & Co. KG, Verfasser zahlreicher Publikationen zum Einzel- und KonzernabschluB, u. a. Referent im Rahmen der DVFA-Ausbildung CEFA-InvestmentanalystIDVFA und an der PRIVATEN FACHHOCHSCHULE GOTTINGEN sowie Lehrbeauftragter an der Fach­hochschule Hannover.

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AUFBAU EINER KONZERNKOSTENRECHNUNG 47

1. Grundlagen

Wahrend der Konzern, der sowohl national als auch international die eindeutig dominie­rende Organisationsforrn in der Unternehmenspraxis darsteIlt, realwirtschaftlich dadurch gekennzeiehnet ist, daB mindestens ein rechtlich selbstandiges Unternehmen (= Toch­terunternehmen) seine wirtschaftliche SelbsUindigkeit verliert, ist fur Zwecke der exter­nen Konzernrechnungslegung daruber hinaus auch die rechtliche Selbstandigkeit der zum Konzern gehorenden Tochterunternehmen zu negieren. fusofern sind bei der Erstel­lung des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichtes - in Einklang mit der in § 297 Abs. 3 Satz 1 HGB geregelten Einheitstheorie - die in den KonzernabschluB einzu­beziehenden Tochterunternehmen als rechtlich unselbstandige Betriebsstatten zu be­trachten und auch dementsprechend zu behandeln.

Vor diesem Hintergrund sind samtliche konzerninternen Beziehungen im Rahmen des Konsolidierungsprozesses zu eliminieren, es sei denn, sie sind fiir die Darstellung eines den tatsachlichen Verhiiltnissen entsprechenden Bildes der Verrnogens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns von untergeordneter Bedeutung (Grundsatz der Wesentlich­keit) respektive die Ermittlung der flir die Konsolidierung erforderlichen Daten erfordert einen unverhaltnismaBig hohen Aufwand (Grundsatz der Wirtschaftlichkeit).

Insbesondere die zielgerichtete Eliminierung der aus innerkonzernlichen Lieferungen oder Leistungen resultierenden Auswirkungen (sogenannte Zwischenergebniseliminie­rung), die im Kern nichts anderes darstellt als eine Bewertung zu Konzernanschaffungs­oder Konzernherstellungskosten I ,bedingt das Vorhandensein eines konzernorientierten Rechnungswesens. Dieses kann jedoch nur dann eine umfassende zielgerichtete fufor­mationsverarbeitung im Dienste der Unternehmensleitung gewahrleisten, wenn es als entscheidungsorientiertes Konzernrechnungswesen ausgestaltet ist. Dies gilt urn so mehr, wenn nicht nur externe, sondern auch interne Zielsetzungen, wie z. B. die Ermiu­lung der aus Konzernsicht zutreffenden kurzfristigen Preisuntergrenze sowie des aus Konzernsicht zutreffenden kostenrechnerischen Betriebsergebnisses, erreicht werden soBen.

"Ein wirklich konzernbezogenes Rechnungswesen, von dem aIle Glieder des Konzerns tangiert werden, existiert (indes, d. V.) praktisch nieht. Denn es fehlt in der Praxis in aBer Regel ein Bestandteil, der letztlich auch notwendig ware, urn das Konzernrech­nungswesen entscheidungsorientiert auszugestalten: eine (interne) Konzernkostenrech­nung"2; und dies, obwohl im Schrifttum schon seit geraumer Zeit entsprechende Kon­zepte zum Aufbau eines entscheidungsorientierten, sowohl intern als auch extern ausge­richteten Konzernrechnungswesen diskutiert werden3•

Folglich stehen der Konzernleitung grundsatzlich nicht die Inforrnationen zur Verfii­gung, die sie zur Bewiiltigung bestimmter Aufgaben benotigt. Aus der Sicht einer Kon­zernflihrung kann deshalb das Verlangen, ebenso wie in einem Einzelunternehmen auch im Konzern eine KostenkontroIle, dispositive Aufgaben sowie eine Dokumentation

Vgl. nur Dusemond, M. (Gegenstand), S. 683 f. mit weiteren Nachweisen. KUting, K.; Lorson, P. (Notwendigkeit), S. 825.

3 Vgl. nur Busse von Colbe, W.; MUller, E. (Planungs-); Dusemond, M. (Die Konzernanschaffung-), S. 474 ff.; KUting, K.; Dusemond, M. (Grundsiitzliche), S. 245 ff.; MUller, E. (Entscheidungsorientier­tes); Pelka, J. (Konzernbuchfiihrung).

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48 MICHAEL DUSEMOND

wahrnehmen zu k5nnen, fUr den Aufbau einer eigenstllndigen Konzernkostenrechnung aussehlaggebend sein4•

2. Einzelgesellschaftliche Kostenrechnung versus Konzernkosten­rechnung

Erwirbt ein international tlitiger Konzern ein ausUindisehes Toehterunternehmen, dann entsteht aus Sieht des Konzern-ControllingS nieht nur Handlungsbedarf bezOglieh eont­rollingrelevanter Aspekte, wie z. B. "Obertragung der Konzern-Controlling-Philosophie auf das neue Tochterunternehmen, Gewllhrleistung der Kornpatibilitilt der Controlling­systeme betreffend EDV und Systeminhalte sowie Sieherstellung eines tragflihigen und transparenten strukturellen Aufbaus des Controlling beispielsweise durch Abgrenzung von zentralisierten Konzem-Controlling-Aufgaben und Controlling-Kompetenzen des Tochterunternehmens, sondern aueh hinsiehtlieh der Bewilltigung praktischer Probleme, wie z. B. Vereinheitliehung abweiehender Zielsysteme unter BerOeksiehtigung kon­zerninterner Synergien und von Konzernverrechnungspreisen, Produktentseheidungs­rechnungen, Investitionsreehnungen sowie Entseheidungen Ober die kurzfristige Auslas­tung der Kapazitilten auf Basis von (konsolidierten) Deckungsbeitragsrechnungen. Da­bei bleibt prinzipiell unberOeksiehtigt, da6 mit Beginn der Konzernzugeh5rigkeit das betreffende Toehterunternehmen mehr oder minder schnell in das innerkonzerliehe Lie­ferungs- und Leistungsgeflecht einbezogen wird. Aber gerade dadurch bedingt, stellt sieh die Kostensituation aus Konzernsieht oftmals anders dar als im einzelgesellsehaftli­chen Rechnungswesen.

Unterschiede zwischen den einzelgesellsehaftliehen Kostenrechnungen der in den Kon­zernabsehlu8 einbezogenen Unternehmen und einer zentralen Koniernkostenrechnung resultieren in erster Linie daraus, da6 prinzipiell diejenigen bei den einzelnen einbezo­genen Unternehmen ausgewiesenen Kostenkategorien aus Konzernsieht einer Aufberei­tung bedOrfen, die aus innerkonzernliehen Lieferungs- oder Leistungsverflechtungen resultieren6• Denn diese konzerninternen Transaktionen sind nunmehr - der Einheitsthe­orie folgend - einem "innerbetriebliehen" Leistungsaustausch gleiehzustellen. Dies fiihrt dazu, da6 die aus einzelgesellschaftlieher Sieht vorgenommene Kostenkiassifizierung in der Regel7 von der aus Konzernsiehi gebotenen Kostenkiassifizierung abweieht. Mit anderen Worten: Diejenigen Kostenkategorien, die auf konzerninternen Transaktionen beruhen, sind - bedingt durch die rechtliehe Selbstilndigkeit der in den KonzemabschluB einbezogenen Unternehmen - gr58tenteils aus Konzernsieht anders zu beurteilen als aus der jeweiligen Einzelabsehlu8sieht.

Zu nennen sind hierbei insbesondere folgende Divergenzen, die sieh bedingt durch in­nerkonzernliehe Transaktionen bei der Klassifizierung von Kosten aus Einzelabsehlu8-sieht und aus Konzernsieht ergeben:

4 Vgl. Dusemond, M. (Notwendigkeit), S. 380 if. mit weiteren Nachweisen. Vgl. zu den naehfolgend aufgefUhrten Sachverhalten ausfllhrlieh MUller, E. (Controlling), S. 111 if. Vgl. Dusemond, M. (Die Konzernanschaifungs-), S. 485 if. mit weiteren Naehweisen.

7 Eine Ausnahme ist beispielsweise bei den Vertriebskosten m6giieh. So stellen im EinzelabschluB bei der Ermittlung der Herstellungskosten als Dieht aktivierungsftihige Vertriebskosten eingestufte Kosten der Werbung aueh aus Konzernsieht Dieht aktivierungsftihige Vertriebskosten dar.

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AUFBAU EINER KONZERNKOSlENRECHNUNG 49

• Untersehiede hinsiehtlieh der Zurechbarkeit zu einzelnen Kalkulationsobjekten (Begriffspaar: Einzel- und Gemeinkosten);

• Untersehiede hinsiehtlieh der Besehliftigungsabgangigkeit (Begriffspaar: variable und fixe Kosten);

• Untersehiede hinsiehtlieh der Aktivierungsfiihigkeit; • Untersehiede hinsiehtlieh der Gewinn- bzw. Verlustrealisierung.

Bereits an dieser Stelle sei erwlihnt, da6 diese Untersehiede in der Weise wirken klin­nen, da6 bei aussehlie6lieher VerfUgbarkeit von einzelgesellsehaftliehen Kostenrech­nungsdaten und bei Vorliegen dezentraler Entseheidungskompetenzen selbst dann fal­sehe Impulse von der einzelgesellsehaftliehen Kostenreehnung ausgehen klinnen, wenn diese aus einzelgesellsehaftlieher Sieht entseheidungsorientiert ausgestaltet ist8• Denn gerade die aus Konzemsieht zutreffende Kostenstruktur ist wegen Fehlens einer eigen­standigen Konzemkostenrechnung nieht bekannt.

2.1. Unterschiede hinsichtIich der Zurechenbarkeit zu einzelnen KaIkula­tionsobjekten

Untersehiede hinsiehtlieh der Zurechenbarkeit zu einzelnen Kalkulationsobjekten haben ihre Ursaehe darin, da6 einzelne Kostenarten aus Einzelabsehlu6sieht als Einzel- oder Gemeinkosten eingestuft werden, wlihrend sie aus Konzemsieht anders zu beurteilen sind. So kann zurn einen der Fall dntreten, da6 aus der jeweiligen Einzelabschlu6sieht zutreffend ausgewiesene Einzelkosten aus Konzemsieht ein Konglomerat aus Einzel­und Gemeinkosten darstellen.

Produziert z. B. ein einbezogenes Konzemuntemehmen A einen Vermligensgegenstand unter Verwendung von Rohstoffen, die von einem anderen einbezogenen Konzemunter­nehmen B hergestellt wurden, dann stellen diese Rohstoffe aus der Sieht des produzie­renden Konzemuntemehmens A Einzelkosten dar. Aus Konzemsieht handelt es sieh dagegen aber nieht in voller Hlihe urn Einzelkosten, sondem urn ein Konglomerat aus Einzel- und Gemeinkosten. Denn aus Konzemsieht ist die innerkonzemliehe Lieferung als eine Lieferung zwischen zwei rechtlieh unselbstandigen Betriebsstiitten zu werten. Infolgedessen ist aus Konzemsieht die Kostenstruktur des lief emden Konzemuntemeh­mens B ma6geblieh. Dort fallen aber bei der Produktion der Rohstoffe regelmiiBig ne­ben Einzel- aueh Gemeinkosten an.

Andererseits ist es denkbar, da6 aus der jeweiligen Einzelabschlu6sieht zutreffend aus­gewiesene Gemeinkosten aus Konzemsieht ein Konglomerat aus Einzel- und Gemein­kosten darstellen.

Bezieht beispielsweise ein einbezogenes Konzemuntemehmen von einem einbezogenen Elektrizitiitswerk Strom, dann verursacht der Stromverbraueh bei dem beziehenden Konzemuntemehmen in der Regel Gemeinkosten, obwohl aus Konzemsieht bei der Stromerzeugung sowohl Einzel- als aueh Gemeinkosten angefallen sind.

Dieser Saehverhalt ist allerdings fUr Zweeke der Kalkulation sowie der bilanziellen Be­wertung im Konzem nur von untergeordneter Bedeutung. Denn werden z. B. von ande-

8 Ebenso KUting, K.; Lorson, P. (Notwendigkeit), S. 827.

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50 MICHAEL DuSEMOND

ren einbezogenen Untemehmen erworbene Betriebsstoffe. die von diesen selbst erstellt wurden. bei der Produktion einer bestimmten Erzeugnisart eingesetzt. elann ist bei der Zurechnung derselben sowohl aus Einzel- als aueh aus Konzemsieht generell eine SehlUsselung geboten. Dies bedeutet. daB die bei der Erstellung der Betriebsstoffe ange­fallenen Einzel- und Gemeinkosten auf die einzelnen Konzernkostentrliger nur mit Hilfe eines SehlUssels zugerechnet werden konnen. Insofem handelt es sieh bei den in die Betriebsstoffe eingegangenen Einzelkosten hinsiehtlieh der einzelnen produzierten Er­zeugnisse aus Konzemsieht weiterhin urn Gemeinkosten.

Der Fall. daS einzelgesellschaftliehe Gemeinkosten aus Konzemsieht Einzelkosten dar­stellen. dUrfte hingegen iiuSerst selten sein. Zu nennen ware hier z. B. der Fall. daB ein Konzemuntemehmen den Auftrag erhiilt. eine Talsperre zu erriehten und die Konzem­leitung aussehlieSlieh fUr diesen Zweck ein rechtlich selbstlmdiges Zementwerk grUn­det. Die bei der Zementherstellung anfallenden Gemeinkosten nehmen elann aus Kon­zemsieht den Charakter von Einzelkosten bezUglieh der Erriehtung der Talsperre an.

2.2. Unterschiede hinsichtlich der Beschaftigungsabhiingigkeit

Untersehiede hinsiehtlich der Beschiiftigungsabhlmgigkeit ergeben sieh regelmiiBig da­durch. daB einzelne Kostenarten aus EinzelabschluSsieht als variable oder fixe Kosten eingestuft werden. wlihrend sie aus Konzemsieht anders zu beurteilen sind. So kann zurn einen der Fall eintreten. daB aus der jeweiligen EinzelabschluSsieht zutreffend aus­gewiesene variable Kosten aus Konzemsieht Fixkosten oder ein Konglomerat aus vari­ablen und fixen Kosten darstellen.

Bei Existenz innerkonzemlicher Lieferungen oder Leistungen lmdem die darauf beru­henden Kostenkategorien aus Konzemsieht hiiufig nieht nur ihren Charakter hinsiehtlieh der Zurechenbarkeit auf die Kostentriiger. sondem auch hinsichtlich der Beschiifti­gungsabhlmgigkeit. So werden in der Regel die Fixkosten des abgebenden Konzemun­temehmens beim empfangenden Konzemuntemehmen zu variablen Kosten9•

Setzt etwa ein einbezogenes Konzernuntemehmen A von einem anderen einbezogenen Konzemuntemehmen B ausgeliehene Arbeiter im Rahmen seines Produktionsprozesses ein. elann sind die Kosten fUr die Leiharbeiter aus Sieht des die Leiharbeiter einsetzen­den Konzemuntemehmens A variabel. Aus Konzemsieht handelt es sieh hingegen aber um fixe Kosten. es sei denn. das verleihende Konzemunternehmen B hat die Arbeiter von einem Konzernfremdem ebenfalls ausgeliehen. das heiSt. es nimmt nur eine Mittler­funktion war.

DarUber hinaus konnen aber aueh bei einem einbezogenen Konzemuntemehmen ange­fallene variable Kosten aus Konzemsieht ein Konglomerat aus variablen und fixen Kos­ten beinhalten. Bezieht beispielsweise ein einbezogenes Konzemuntemehmen A von einem anderen einbezogenen Konzemuntemehmen B zur Weiterverarbeitung bestimmte Vermogensgegenstlmde. die von dem lief emden Konzemuntemehmen B selbst herge­steIlt wurden. elann fUhrt der Einsatz dieser Vermogensgegenstlmde aus der Sieht des weiterverarbeitenden Konzemuntemehmens A zu variablen Kosten. Bei der Herstellung

9 Vgl. Bierich. M. (Kosten-). S. 14.

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AUFBAU EINER KONZERNKOSTENRECHNUNG 51

der Vennogensgegenstande sind bei dem liefemden Konzemuntemehmen B allerdings nieht nur variable, sondem aueh fixe Kosten angefallen.

Andererseits ist der Fall denkbar, daB aus der jeweiligen EinzelabsehluBsieht zutreffend ausgewiesene fixe Kosten aus Konzemsieht ein Konglomerat aus variablen und fixen Kosten enthalten.

Mietet z. B. ein einbezogenes Konzemuntemehmen A von einem anderen einbezogenen Konzemuntemehmen B fUr eine bestimmte Zeitdauer und zu einem festen Mietpreis eine KUhlhalle, wobei das vermietende Untemehmen B fUr die laufenden Kosten, wie etwa Instandhaltung, Strom und Reinigung, aufkommt, dann stellen die Mietkosten aus Sieht des mietenden Untemehmens A fixe Kosten dar, aus Konzemsicht fallen indes sowohl variable als aueh fixe Kosten an.

2.3. Unterschiede hinsichtlich der Aktivierungsf"ahigkeit

Untersehiede hinsiehtlieh der Aktivierungsfahigkeit sind dadureh begrundet, daB aus der jeweiligen EinzelabsehluBsieht aktivierungspfliehtige beziehungsweise aktivierungsfa­hige Kosten aus Konzemsieht nieht aktivierungsfahige Kosten darstellen et vice versa.

Diesem Problemkreis ist namentlieh bei der Ennittlung der Konzemansehaffungs- und Konzemherstellungskosten Beaehtung zu sehenken lO• Denn bestimmte Kosten, fUr die aus der jeweiligen EinzelabsehluBsieht eine Aktivierungspflieht oder ein Aktivierungs­wahlreeht besteht, sind aus Konzemsieht nieht mehr aktivierungsfahig. Das heiBt, fUr sie besteht aus Konzemsieht ein Aktivierungsverbot. Zu nennen sind hier beispielsweise im Rahmen der Ermittlung der Konzemherstellungskosten insbesondere die Kosten fUr innerkonzemlieh erworbene StUeklizenzen fUr wahrend der Konzemzugehorigkeit von einem einbezogenen Konzemuntemehmen selbsterstelltes Know-how. Aus der Sieht des empfangenden, reehtlieh selbstlindigen Untemehmens sind diese Kosten als Sonderein­zelkosten der Fertigung zu aktivieren. Aus Konzemsieht indes handelt es sieh hierbei urn Lizenzen fUr konzemintem gesehaffenes Know-how, die als Konzemherstellungs­kosten nieht akti viert werden dUrfen II •

Weiterhin konnen jedoeh aueh aus der jeweiligen EinzelabsehluBsieht nieht aktivie­rungsfahige Kosten aus Konzemsieht aktivierungsfahig oder sogar aktivierungspfliehtig sein. So dUrfen z. B. die bei der innerkonzemliehen VerauBerung eines yom Lieferun­temehmen selbstproduzierten Vennogensgegenstands angefallenen Vertriebskosten aus der Sieht des Lieferuntemehmens nieht aktiviert werden. Aus Konzemsieht dagegen ist dieser Vorgang prinzipiell als 'innerbetrieblieher' Transport anzusehen, so daB es sieh bei den dabei anfallenden Kosten groBtenteils urn aktivierungsfahige oder aktivierungs­pfliehtige Material- beziehungsweise Fertigungskosten oder urn sonstige aktivierungsfa­hige Gemeinkosten handelt. Nieht aktivierungsfahig bleiben allerdings diejenigen Ver­triebskosten des einbezogenen Konzemlieferanten, die aueh aus Konzemsieht Ver­triebskosten darstellen, wie etwa Werbeaufwendungen und Marktforsehungskosten.

10 V gJ. hierzu ausftihrlich Dusemond, M. (Die Konzernanschaffungs-), S. 119 ff. II Ebenso Adler, H.; DUring, W.; Schmaltz, K. (Rechnungslegung), Rn. 25; Budde, W. D.; Dreissig, E.

(Beck'scher), Rn. 15; Busse von Colbe, W.; Ordelheide, D. (KonzernabschIUsse), S. 358.

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52 MICHAEL DUSEMOND

2.4. Unterschiede hinsichtIich der Gewinn- bzw. Verlustrealisierung

VerliuBert ein einbezogenes Konzemuntemehmen einen von einem konzemfremden Dritten erworbenen Vermogensgegenstand an ein anderes einbezogenes Konzemunter­nehmen mit Gewinn bzw. Verlust weiter, dann sind die aus dieser VerliuBerung resultie­renden Gewinne bzw. Verluste zwar aus der EinzelabschluBsicht des verliuBemden Konzemuntemehmens, nicht aber aus Konzemsicht als realisiert anzusehen und inso­fern im Rahmen der KonzemabschluBerstellung zu eliminieren. Gleiches gilt, wenn ein einbezogenes Konzemuntemehmen im Rahmen eines Herstellungsprozesses einen Vermogensgegenstand an ein anderes einbezogenes Konzemuntemehmen verliuBert. Eine Realisierung aus Konzemsicht tritt grundslitzlich12 erst dann ein, wenn ein Um­satzprozeB mit einem konzemfremden Dritten stattgefunden hat.

2.5. Fallbeispiele

2.5.1.Fallbeispiel zur Notwendigkeit einer intern ausgerichteten Konzernkosten-rechnung

Der M-Konzem umfaBt neben einer Vielzahl anderer Konzemuntemehmen auch die drei voll konsolidierten Tochteruntemehmen A, B und C. Diese drei Tochteruntemeh­men produzieren im Verbund das Enderzeugnis E, das im Jahr der Herstellung an kon­zemfremde Dritte verliuBert wird. Dabei ist der ProduktionsprozeB so gestaltet, daB der von A hergestellte Rohstoff R unmittelbar in das von B erstellte unfertige Erzeugnis U und dieses wiederum unmittelbar in das von C hergestellte Enderzeugnis E eingeht. Fiir die Produktion von U werden drei Einheiten des Rohstoffes R und fUr die Produktion des Enderzeugnisses E eine Einheit des unfertigen Erzeugnisses U benotigt. Der gesam­te ProduktionsprozeB sowie die sich aus der jeweiligen EinzelabschluBsicht und aus Konzemsicht ergebenden Dechungsbeitrlige sind in Ubersicht 1 abgebildet.

Das Beispiel verdeutlicht, wie sich innerkonzemliche Lieferungs- und Leistungsver­flechtungen auf die einzelgesellschaftlichen Ergebnisrechnungen auswirken. Betrachtet man den ProduktionsprozeB des Konzemuntemehmens B, dann ist zu konstatieren, daB nicht nur samtliche bei dem Konzemuntemehmen A im Zuge der Herstellung des Roh­stoffes R angefallenen Kosten (variabie und fixe Kosten), sondem daruber hinaus auch der Gewinn des Konzemuntemehmens A bei der Produktion des unfertigen Erzeugnis­ses U als variable Bezugskosten bei B BerUcksichtigung finden. Wlihrend diese Vorge­hensweise aus EinzelabschluBsicht sowohl den gesetzlichen als auch den betriebswirt­schaftlichen Anforderungen genUgt, kommt jedoch die tatslichliche wirtschaftliche Situ­ation erst dann zum Ausdruck, wenn der ProduktionsprozeB durch die "Konzembrille" gesehen wird. Dabei wird deutlich, daB aus Konzemsicht bei der Produktion des unfer­tigen Erzeugnisses U die variablen Bezugskosten allein die variablen Kosten des Kon­zemuntemehmens A umfassen. Die bei der Herstellung des Rohstoffes R angefallenen

12 Wird der auf innerkonzernlichen Lieferungen oder Leistungen beruhende Verrnogensgegenstand akti­viert und planrnaBig abgeschrieben, dann ist die aus dem betreffenden EinzelabschluB stammende Ab­schreibung aus Konzemsicht zu hoch oder zu niedrig. In diesem Fall flihrt auch die aus Konzemsicht vorzunehmende jahrliche Korrektur der Abschreibung zu einer Realisierung tiber die Abschreibungs­dauer (V gl. Dusemond. M. (Die Konzemanschaffungs-). S. 430 ff. mit ausfiihrlichen Nachweisen; wei­terhin werden auch die Wirkung auBerplanrnaBiger Abschreibungen sowie andere Besonderheiten be­leuchtet).

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fixen Kosten bleiben dabei ebenso unberiieksichtigt wie der Gewinn des Konzemunter­nehmens A.

Deckungsbeitrag rechnung Gesch!1ftsvorflllle pro aus

Untemehmen Konzemsicbt

A produzien R und verkauft 6 Einheiten R UmsatzeriOse (ie Einheit) 150 150

zur Produktion von 2 Einheiten U V@rial1l!< KQJiten :...2Q :...2Q anBfUr 150 OM je Einheit Dedcun2Sbeitra£ 100 100 B produzien U UE (ie Einheit) 600 600

und verkauft 2 Einh.eiten U Variable Bezugskosten - 450 - 150

zur Produktion von 2 Einheitcn E Sons!. varial1le Kosten :...UQ :...UQ an C fUr 600 OM ie Einheit beitrag 30 330

C produzicn E UE (ie Einheit) 850 850

und verkauft 2 Einheiten E Variable Bezugskosten - 600 - 270

an Konzemfremde SQml· vildal1l!< KQ~t;!l :lQQ :lQQ fUr 850 OM ie Einhcit Deckungsbeltral! - SO 280

Ubersieht 1: Deckungsbeitragsrechnung

Die aus Konzemsicht zutreffenden variablen Bezugskosten der Konzemuntemehmen B und C erhiilt man, wenn die mit den jeweiligen Einheiten gewiehteten Verkaufspreise dureh die auf den jeweiligen Konzemvorstufen insgesamt angefallenen variablen Kosten (ebenfalls mit den jeweiligen Einheiten gewiehtet) ersetzt werden. So ergeben sich beim Konzemuntemehmen B - wie oben bereits gezeigt - aus Konzemsieht variable Bezugs­kosten in Hohe von 150 DM (3 x 50 DM) statt 450 DM (3 x 150 DM) aus Einze­labsehluBsieht. Beim Konzemuntemehmen C betragen die variablen Bezugskosten aus Konzemsieht 270 DM (1 x [150 + 120]) statt 600 DM (1 x [450 + 120 + 30]) aus Einze­labsehluBsieht.

Die Untersehiede resultieren zum einen aus der Tatsaehe, daB die auf Konzemvorstufen angefallenen fixen Kosten auf der jeweils naehgelagerten Konzemstufe aus Einze­labsehluBsieht ihren Charakter in variable Kosten wandeln. Andererseits sind aus Einze­labsehluBsieht aueh die aus (innerkonzemliehen) Preissetzungen resultierenden Gewin­ne Bestandteil der variablen Bezugskosten.· Dies verdeutlieht, daB innerkonzemliehe Lieferungen und Leistungen, die tiber mehrere Konzemstufen (= Produktionsstufen) erfolgen, aus Sieht der einzelgesellsehaftliehen Kostenreehnung dazu fUhren, daB mit jeder Produktionsstufe beim Lieferuntemehmen angefallene Sekundiirkosten und Ge­winne bzw. Verluste in der Kostenartenreehnung des Empfangeruntemehmens in Pri­miirkosten umgewandelt werden. Insofem werden die tatsaehliehen Gegebenheiten in den einzelgesellsehaftliehen Kostenrechnungen mit zunehmender Produktionsstufe und Intensitat der konzemintemen Lieferungs- und Leistungsverflechtungen in immer stiir­kerem MaBe versehleiert'3 •

Dies gilt zugleieh aueh fUr die Deckungsbeitrage der einzelnen Produkte. So ist eine fundierte Beurteilung lediglieh aus Konzemsicht sinnvoll. Betraehtet man den De­ckungsbeitrag des von dem Konzemuntemehmen C produzierten Erzeugnisses E aus EinzelabsehluBsieht, dann stellt sieh die Frage, ob C die Produktion von E aufgrund des negativen Deekungsbeitrages nieht zu Gunsten eines anderen Erzeugnisses einstellen

13 Ebenso KUting, K.; Lorson, P. (Notwendigkeit). S. 827 f.

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54 MICHAEL DUSEMOND

sollte. Aus Konzernsieht dagegen wird ersiehtlieh, daB der Deekungsbeitrag des Er­zeugnisses E durehaus positiver Natur ist, da unter anderem die bei den Konzernunter­nehmen A und B entstandenen Zwisehengewinne fUr diesen Zweckl4 zu negieren sind. Insofern ware eine Einstellung der Produktion allein aus diesem Grunde aus Konzern­sieht mit Sieherheit die falsehe Entseheidung.

Bereits dies illustriert die latente Gefahr von Fehlentseheidungen, wenn die aus Kon­zernsieht zutreffenden Informationen nieht vorliegen. Weiterhin ist in diesem Zusam­menhang aber aueh die Fragestellung von immenser Bedeutung, auf welcher Ebene die Entseheidungskompetenz hinsiehtlieh der Produktion einzelner Erzeugnisse Iiegt: auf Einzelgesellsehafts- oder Konzernebene. Produziert das Konzernunternehmen C nieht nur das Erzeugnis E, sondern aueh andere marktbestimmende Produkte, dann ist es of­fensiehtlieh, daB samtliehe Produkte urn die Inanspruehnahme des als EngpaB wirken­den Produktionsbereiehs konkurrieren. Ausgehend von der Umsetzung eines gewinn­maximierenden Produktions- und Absatzprogramms werden den einzelnen Produkten die EngpaBkapazitaten anhand ihrer relativen Deekungsbeitrage zugewiesen. Liegt die Entseheidungskompentenz hinsiehtlieh des Produktionsprogramms beim Konzernunter­nehmen C und obliegt der Unternehmensleitung von C aueh die Ergebnisverantwortung, dann kann es aus Konzernsieht zu Fehlentseheidungen kommen, wenn die einzelgesell­sehaftliehe Entseheidungsregel mit der aus Konzernsieht relevanten kollidiert.

2.5.2. Fallbeispiel zur Notwendigkeit einer extern ausgerichteten Konzernkosten-rechnung

§ 304 Abs. 1 HGB bestimmt, daB in den KonzernabsehluB zu iibernehmende Vermo­gensgegenstande, die ganz oder teilweise auf innerkonzernliehen Lieferungen oder Leis­tungen beruhen, mit ihren Konzernansehaffungs- oder Konzernherstellungskosten anzu­setzen sind. Dabei ist insbesondere bei der Ermittlung der Konzernherstellungskosten darauf zu aehten, daB diejenigen Kostenkategorien, die auf innerkonzernlichen Transak­tionen beruhen, - bedingt dureh die reehtliehe Selbstlindigkeit der in den Konzer­nabsehluB einbezogenen Unternehmen - sowohl hinsiehtlieh ihrer Aktivierungsfahigkeit als aueh hinsichtlieh ihrer Kostenart (z. B. Fertigungs-, Material- oder Vertriebskosten) aus Konzernsieht oftmals anders zu beurteilen sind als aus der jeweiligen Einze­labsehluBsiehtl5 •

Das naehfolgende BeispieF6 bezieht sich auf die konzerninterne Produktion eines Ver­mogensgegenstandes und veransehaulieht, welche Korrekturen bedingt dureh konzern­interne Transaktionen vorzunehmen sind, urn den aus Konzernsieht zutreffenden Wert­ansatz sowie die aus Konzernsieht zutreffende Kostenstruktur zu erhalten.

14 Fiir Zwecke der externen Konzernrechnungslegung sind dagegen die bei den Konzernunternehmen A und B entstandenen Zwischengewinne als realisiert anzusehen, da die auf der letzten Produktionsstufe C produzierten Endprodukte E in der gleichen Peri ode an konzernfremde Dritte verauBert werden. Hinsichtlich der Auswirkungen, die sich bei einer Periodenverschiebung zwischen dem Zeitpunkt der Herste\lung und dem konzernexternen Verkauf des Endproduktes auf interne Frageste\lungen ergeben, wird verwiesen auf: Kiiting, K.; Lorson, P. (Notwendigkeit), S. 830 f. Beziiglich der Auswirkungen auf externe Frageste\lungen vgl. die Ausfiihrungen unter 2.5.2.

15 Vgl. hierzu die Ausfiihrungen bei Dusemond, M. (Ermittlungstechnik), S. 273 ff. 16 Vgl. hierzu auch das weitergehende Beispiel bei Dusemond, M. (Ein praxisbezogenes), S. 347 ff.

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Das in den M-KonzernabschluB einbezogene Konzernunternehmen A produziert einen Vennogensgegenstand V und verauBert diesen in derselben Periode an das einbezogene Konzernunternehmen B zwecks Weiterverarbeitung zu einem Preis von 1.000 DM. Konzernunternehmen B beauftragt fiir den Transport des Vennogensgegenstandes V das ebenfalls einbezogene Konzernunternehmen C, das B hierfiir einen Betrag in Hohe von 100 DM in Rechnung stellt. Der Vennogensgegenstand V wird daran anschlieBend bei B im Rahmen der Produktion des Endproduktes E als Rohstoff verarbeitet. Ferner nutzt B bei der Produktion von E das von dem einbezogenen Konzemuntemehmen D entwi­ckelte Produktionsverfahren durch Zahlung einer Stiicklizenz in Hohe von 50 DM (= Sondereinzelkosten der Fertigung). Samtliche Daten des Produktionsprozesses sind in der nachfolgenden Obersicht 2 in verdichteter Fonn enthalten.

EinzelabschluBsicht

GeschliftsvorflUle Auf-Erlli.Ulerungen

wand A produziert V Fertigungseinzclko ten 100

und verkauft 1 Einheit V Materialeinzelkosten ISO zur Produktion von E Fertigungsgemein-

an B fUr 1000 OM ko ten 350 Materialgemeinko ten 230

mit 100 OM Gewinn V,rwi!lll!nll~kost,n .JSJ. HersteUuD2$kosten 900

B produziert V Ferti gungsei nzel kosten 200

und akti viert 1 Einheit Materialeinulko ten 1400 => davon 1100 Bewgs-

zu Vollkosten mit 2650 OM Sondereinzclkostcn der ko ten (I000 A + 100 C) Fcrtillung SO => StUckliunz an 0 wg. Fcrtigungsgcmein- Nutzung des Produkti -

ko ten 300 onsverfahrcns Matcrialgemeinko ten 600 V'D!!ilIII!Dg~kQ~I'D 1QQ HersteUun2$kosten 2650

C transporticrt V Vcrpackung 30 und stell! B dafUr 100 OM Kraftstoff 20

in Rechnung Abschrcibung Kfz IS mit 20 OM Gewinn Antciligc

f!:llQllalkQ~I'D II Transvortkosten 80

Obersicht 2: Konzemherstellungskosten - AusgangslagelEinzelabschluBsicht

Ausgehend von dem im EinzelabschluB des Konzemuntemehmens B aktivierten Wert­ansatz laBt sich der aus Konzemsicht zutreffende Hochstwert der Konzernherstel­lungskosten durch folgende Korrekturen errnitteln (vgl. hierzu auch Obersicht 3):

• Materialeinzelkosten (-120 DM): Der aus Konzemsicht noch nicht realisierte und insofem auch nicht aktivierungsflihi­ge Gewinn17, der bei der VerauBerung des Vennogensgegenstandes V beim Konzem­untemehmen A angefallen ist (= 100 DM), ist ebenso zu elirninieren wie der eben­falls aus Konzemsicht nicht aktivierungsflihige Gewinn, der bei dem von dem einbe­zogenen Untemehmen C durchgefiihrten Transport des Vennogensgegenstandes V von Konzemuntemehmen A nach Konzemuntemehmen B angefallen ist (= 20 DM).

17 Vgt. hierzu auch die Ausftlhrungen unter 2.4.

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56 MICHAEL DUSEMOND

• Sondereinzelkosten der Fertigung (-50 DM): Die aus Konzernsieht nieht aktivierungsflihige, von dem einbezogenen Unternehmen D (konzernintern) erworbene Sttieklizenzl8 ist zu eliminieren. Eine Ausnahme ware allerdings dann gegeben, wenn das Konzemunternehmen D die Sttieklizenz von ei­nem konzernfremden Dritten erworben hatte. In diesem Fall mUBte der Betrag in die KonzernherstelIungskosten eingereehnet werden, den aueh das leistende Konzernun­ternehmen D kalkuliert hatte, wenn es selbst die Lizenz wahrzunehmen in der Lage gewesen ware.

Naeh Vornahme dieser Korrekturen ergibt sieh der aus Konzernsieht zutreffende Hoehstwert der KonzernherstelIungskosten mit 2.480 DM (EinzelabsehluB des Kon­zernunternehmens B: 2.650 DM).

SolI dartiber hinaus aueh die aus Konzernsicht zutreffende Kostenstruktur ermittelt werden, dann sind zusatzliehe UmgIiederungen vorzunehmen. Hiervon betroffen sind zum einen die bei der Produktion des Rohstoffes V beim Konzernunternehmen A ange­falIenen Gemeinkosten in Hohe von 650 DM (Fertigungsgemeinkosten: 350 DM; Mate­rialgemeinkosten: 230; Verwaltungskosten: 70) sowie zum anderen die bei dem den Transport des Vermogensgegenstandes V vom Konzemunternehmen A zum Konzernunternehmen B durehftihrenden Konzernunternehmen C angefallenen Gemeinkosten in Hohe von 30 DM (anteilige Absehreibung Kfz: 15 DM; anteilige Personalkosten: 15 DM). Denn diese Gemeinkosten sind beim Konzemunternehmen B in den Materialeinzelkosten (Bezugskosten fUr V) enthalten.

Dartiber hinaus sind aueh die beim Konzernunternehmen A angefallenen Fertigungsein­zelkosten in Hohe von 100 DM, die beim Konzernunternehmen B ebenfalIs in den Ma­terialeinzelkosten enthalten sind, entspreehend umzugliedern.

Die Ermittlung des Mindestwertes der Konzernherstellungskosten gestaltet sieh aus­gehend vom Konzernhoehstwert sowie naeh Vornahme der soeben diskutierten Umglie­derungen wie in Uberieht 3 abgebildet.

18 Vgl. hierzu auch die Ausfilhrungen unler 2.3.

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AUFBAU EINER KONZERNKOSTENRECHNUNG 57

WertanslilZe Aufwand aus Konzemsiehl Erillulerungen Einzclabsehlullwcrt 2650 Konzernunlern hmen B

-100 Aus Konzemsiehl niehl rc:alisierter Ge-winn bei Konzemunlemehrnen A

-20 Aus Konzernsichl nichl reali ierter Ge-winn bei Konzemuntemehmen C

-50 I Slucklizcnz von Konzcmunlcmchrnen 0

Konzernh&hstwert 2480 Fcrtigungsgcmeinko Icn bei

-350 Konzernunlernehrnen A -300 Konzcrnunlernehmen B

- 15 Konzernunlernehmen C

Materialgerneinko len bei -230 Konzcrnunternehrnen A -600 Konzcrnuntemehrnen B

Verwaltung ko ten bei -70 Konzemuntemehmen A

-100 Konzernuntemehrnen B

Wertverzehr des AnlagevermOgen bei -15 Konzernuntcrnehmcn C

KOll7.Cmmindestwert 800

Ubersicht 3: Konzemherstellungskosten - Ermittlung des Mindest- und Hochstwertes

Der Konzernmindestwert betragt somit 800 DM, wahrend im EinzeIabschluB des Kon­zemuntemehmens B mindestens 1.650 DM (= Einzelkosten aus EinzelabschluBsicht; Fertigungseinzelkosten: 200, Materialeinzelkosten: 1.400, Sondereinzelkosten der Ferti­gung: 50) aktiviert werden mtissen.

Unter Beachtung der Grundsiitze der konzemeinheitlichen Bewertung19 und Bewer­tungsstetigkeit20 kann im Rahmen der KonzemabschluBerstelIung jeder beliebige Wert­ansatz zwischen dem Mindest- (= 800 DM) und dem Hochstwert (= 2.480 DM) der Konzemherstellungskosten angesetzt werden. Dieses Bewertungswahlrecht beinhaltet einen von der Hohe des Konzemmindest- und Konzemhochstwertes abhiingigen bilanz­politischen Spielraum, der jedoch nur insofem genutzt werden kann, als bekannt ist, welche Kostenkategorien aus Konzemsicht aktivierungspflichtig, aktivierungsfahig oder nicht aktivierungsfahig sind.

Betrachtet man diesbeztiglich die vorangegangene Fallkonstellation, so ist festzuhalten, daB in dem fUr die Konsolidierung maBgeblichen lahresabschluB des Konzemunter­nehmens B der Vermogensgegenstand E entweder mit der Wertuntergrenze in Hohe von 1.650 DM, der Wertobergrenze in Hohe von 2.650 DM oder mit einem Zwischenwert

19 Vgl. hierzu nur die mit weiteren Nachweisen unterlegten Ausfiihrungen bei Dusemond, M. (BiJanzie­rung), S. 539 ff.

20 Vgl. hierzu nur die mit weiteren Nachweisen unterlegten Ausfiihrungen bei Dusemond, M. (Ausprii­gungen), S. 721 ff.

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angesetzt werden kann. Oaraus ergibt sieh ein bilanzpolitiseher Spielraum in Hohe von 1.000 OM. Beurteilt man jedoch die Aktivierbarkeit der einzelnen Kostenkategorien aus Konzern­sieht, dann betrligt der konzernbilanzpolitische Spielraum indes 1.680 OM (2.480 OM -800 OM). Der Zuwachs an bilanzpolitisehem Potential ist somit recht beachtlieh (abso­lut: + 680 OM; relativ: + 68 %).

2.6. Scblu6folgerungen

Oie vorangegangenen Ausftihrungen haben gezeigt, daB die Installation einer Konzern­kostenrechnung nieht nur das intern, sondern auch das extern ausgeriehtete Konzern­rechnungswesen erheblieh zu untersttitzen vermag. Oder anders formuliert: Ohne das Vorliegen einer Konzernkostenrechnung ist es der Konzernleitung - wenn Uberhaupt -nur bedingt moglieh, bestimmte interne und externe Zielsetzungen zu erreiehen.

So erfordert nieht nur die Vermeidung von Fehlsteuerungssignalen, die von isolierten einzelgesellsehaftliehen Rechenwerken insbesondere dann ausgehen, wenn dezentrale Entseheidungskompetenzen dergestalt vorliegen, daB auf einzelgese11sehaftlieher Ebene darUber entschieden werden darf, ob ein Produkt aufgegeben oder fortgefUhrt werden so1121 , den Aufbau einer konzernbezogenen Kosten- und Leistungsrechnung22. Aueh die (vo11stlindige) Nutzung des mit der in § 304 HOB geregeIten Bewertung zu Konzernher­ste11ungskosten verbundenen konzernbilanzpolitischen Potentials ist nur dann moglieh, wenn die aus Konzernsieht zutreffende Kostenstruktur bekannt ist23. Aber aueh andere Zielsetzungen, wie z. B. eine aus Konzemsieht effektive Kostenkontro11e oder die Fest­legung aus Konzernsieht vertretbarer Absatzpreisuntergrenzen, konnen nur erreieht werden, wenn die dafUr erforderliehen Informationen vorliegen.

Vor diesem Hintergrund werden nachfolgend sowohl die Voraussetzungen zur Jrnple­mentierung einer eigenstl1ndigen Konzernkostenrechnung als aueh die bereits im Sehrifttum erorterten Mogliehkeiten zur Installation und OurchfUhrung einer Konzem­kostenrechnung einer kritisehen Betrachtung unterzogen24•

3. Notwendige Voraussetzungen zur Implementierung einer eigen­stiindigen Konzernkostenrechnung

Die mit einer eigenstl1ndigen Konzernkostenrechnung verfolgten Ziele konnen nur dann erreieht werden, wenn sieh die Kosten- und Leistungsdaten der einzelnen einbezogenen Unternehmen durch Transparenz und Vergleiehbarkeit auszeiehnen2S. Oazu ist es unbe­dingt erforderlieh, die Kostenermittlung zu vereinheitliehen. Grundlegende Vorausset­zung fUr den Aufbau einer eigenstl1ndigen Konzernkostenrechnung ist somit eine Ver­einheitliehung der Kostenrechnungssysteme sowie der Kosteninhalte bei den in den Konzernabsehlu8 einbezogenen Untemehmen26•

21 Vgl. hienu insbesondere das Beispiel und die entsprechenden Ausfilhrungen unter 2.5.1. 22 Vgl. hierzu auch KUting, K.; Lorson, P. (Notwendigkeit), S. 832 f. 23 V gl. hierzu insbesondere das Beispiel und die entsprechenden Ausfilhrungen unter 2.5.2. 24 Vgl. hienu auch KUting, K.; Dusemond, M. (Grundslitzliche), S. 247 ff. 2S Vgl. Klingler, B. F.; Wullenkord, A. (EDV-gestUtzte), S. 204 f. 26 Ebenso Kagermann, H. (Kostenrechnung) ,S. 161.

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AUFBAU E1NER KONZERNKOS1ENRECHNUNG 59

Diese bereitet keinerlei Schwierigkeiten, wenn die in den KonzemabschluB einzubezie­henden Untemehmen ausnahmslos von dem betreffenden Konzem selbst gegriindet werden. Sind dagegen auch Untemehmen einzubeziehen - und hierbei handelt es sich urn den Normalfall -, die der Konzem bereits als existierende Einheiten erworben hat, treten Probleme dahingehend auf, daB die dort vor dem Erwerb vorhandenen Kosten­rechnungssysteme und Kosteninhalte einer Anpassung an das Konzemniveau bedOOen. Des weiteren dOOte sich eine Vereinheitlichung der Kostenrechnungssysteme und Kos­teninhalte in einem heterogenen Konzem schwieriger gestalten als in einem horizonta­len oder vertikalen Konzem. Denn in einem heterogenen Konzem haben das einheitlich zu installierende Kostenrechnungssystem und die einheitlich vorzunehmende Abgren­zung der Kosteninhalte der Heterogenitiit der einzelnen Konzemuntemehmen Rechnung zu tragen. Dabei kann es durchaus vorkommen, daB die spezifischen Besonderheiten einzelner Konzemuntemehmen in der Kostenrechnung nicht geniigend beriicksichtigt werden oder in anderen Konzemuntemehmen ein Kostenrechnungssystem aufgebaut wird, das unnotig kompliziert ist.

Hinsichtlich des Aufbaus einer eigenstiindigen Konzemkostenrechnung sollte weiterhin eine Einteilung der Kostenstellen in Haupt-, Neben- und Hilfskostenstellen und eine Bestimmung der Kostentriiger aus Konzemsicht erfolgen, da sich die Funktionen der einzelgesellschaftlichen Kostenstellen und Kostentriiger aus der Sieht eines fiktiv recht­lichen Einheitsuntemehmens 'Konzem' zum Teil wandeln. So sind aus Konzemsicht nur die rechnungsmiiBig verselbstiindigten Konzemleistungen als Kostentriiger einzustu­fen27• Als Hauptkostenstellen gelten aus Konzemsicht folglich auch nur diejenigen Kos­tenstellen, deren Kosten direkt auf die Konzemkostentriiger verrechnet werden.

Ansonsten konnen im Rahmen einer eigenstiindigen Konzemkostenrechnung grundsiitz­lich die gleiehen Kostenrechnungssysteme wie im Rahmen einer einzelgesellschaftli­chen Kostenrechnung zur Anwendung gelangen. Besonderheiten - bedingt durch die spezifische Struktur eines Konzems - ergeben sich jedoch insbesondere hinsiehtlich der Verfahren zur Informationsbeschaffung. Dabei geht es darurn, die einzelgesellschaftlich, z. B. in Form von Quittungen, Belegen, Lohnabrechnungen usw., bereits erfaBten In­formationen durch eine entsprechende Kostenaufbereitung dem Mutteruntemehmen -oder ganz allgemein der entsprechenden Konzerninstanz - zugiinglich zu machen. Inso­fern sollte eine eigenstiindige Konzernkostenrechnung nicht isoliert, sondem vielmehr im Zusammenhang mit einer ebenfalls eigenstiindigen Konzembuchfiihrung aufgebaut werden.

Das beim Aufbau einer Konzernkostenrechnung zu losende Kemproblem besteht dem­zufolge nicht in der Schaffung neuer Erfassungssysteme, sondem vielmehr darin, im Rahmen einer Konzernkostenrechnung einen durchgiingigen InformationsfluB zwischen Beschaffungs- und Absatzmarkt des Konzems sieherzustellen.

Unter der Priimisse, daB eine Konzemfiihrung samtliche mit einer Konzernkostenrech­nung verbundenen Aufgaben wahmehmen will, stellt sich die Frage nach der Ausgestal­tung des zu implementierenden Konzemkostenrechnungssystems. Diesbeziiglich ist einerseits die Anwendung einer flexiblen, auf Teil- sowie auf Vollkosten basierenden Plankosten- und Deckungsbeitragsrechnung erforderlich28• Andererseits machen die

27 GI. A. Ebbeken, K. (primiirkostenrechnung), S. 193. 28 Vgl. nur Jager, H. (Die Bewertung), S. 238.

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innerkonzemlichen Lieferungen oder Leistungen daruber hinaus auch die Installation eines zusatzlichen Verfahrens uneriaBlich, wenn die aus Konzemsicht zutreffende Kos­tenstruktur ersichtlich sein soll - namlich die Installation einer Konzemprimiirkosten­rechnung.

4. Installation und Durchfiihrung einer Konzernprimar­kostenrechnung

4.1. Begriff nnd Zielsetzung

Unter einer Primiirkostenrechnung versteht man ganz allgemein eine als Zusatz- oder Sonderrechnung konzipierte Kostenrechnung, welche durch die Auswertung einer be­reits vorhandenen Datenbasis die den Kostentragem zugerechneten Sekundiirkosten in Primiirkostenkategorien aufspaltee9•

Wahrend als Primiirkosten eines Kostentragers all jene Kosten zu interpretieren sind, die als Aquivalent flir den bewerteten Verzehr von auBen bezogener GUter und Dienstleis­tungen anfallen, gelten als Sekundiirkosten diejenigen Kosten, die aus dem bewerteten Verzehr selbsterstellter GUter und Dienstleistungen resultieren. Aus Konzemsicht ist demnach flir die Entstehung von Primiirkosten unabdingbare Voraussetzung, daB die in Anspruch genommenen GUter und Dienstleistungen von nicht in den KonzemabschluB einbezogenen Untemehmen stammen.

Eine Konzemprimiirkostenrechnung dient folglich dem Zweck, eine getrennte Durch­rechnung der Konzemprimiirkosten dergestalt zu ermoglichen, daB die bei den jeweili­gen Konzemkostentragem angefallenen Sekundiirkosten in die dahinterstehenden Pri­miirkosten aufgelOst werden konnen. Da nach der Auflosung auch die aus innerkonzem­lichen Lieferungen oder Leistungen resultierenden Sekundiirkosten im Konzemkosten­bild nicht mehr enthalten sind, wird die aus Konzemsicht zutreffende Kostenstruktur eines jeden Konzemkostentragers ersichtlich. Dernzufolge wird aus kostenrechnerischer Sicht der Beschaffungs- mit dem Absatzmarkt gewissermaBen kurzgeschlossen.

Mit dem hierdurch entstehenden Konzemprimiirkostendatenpool kann in allen Kon­zembereichen gearbeitet werden, indem hieraus die jeweils relevanten Daten entnom­men und neu aufbereitet werden. Die daraus resultierende Kostentransparenz flihrt - bei integriertem Einsatz mit einer flexiblen Plankosten- und Deckungsbeitragsrechnung mit Parallelkalkulation - dazu, daB die Schwierigkeiten, sowohl eine Kostenkontrolle als auch Planungs- und Entscheidungsaufgaben im Konzem wahmehmen sowie die aus Konzemsicht zutreffenden Konzemherstellungskosten errnitteln zu konnen, bewaltigt und somit letztlich die mit einer Konzemkostenrechnung verbundenen Zielsetzungen insgesamt erreicht werden konnen.

4.2. Verfahrensalternativen

1m Schrifttum werden verschiedene Verfahren zur Installation und Durchflihrung einer Primiirkostenrechnung flir Einzeluntemehmen vorgeschlagen, die analog flir eine Kon­zemkostenrechnung herangezogen werden konnen. ABe Verfahrensaltemativen lassen

29 Vgl. Schubert, W. (Kostentragerstiickrechnung), S. 360 f.

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sich vom Grundsatz her unter zwei Varianten subsumieren. Wiihrend das Charakteristi­kum der ersten Variante darin zu sehen ist, daB erst nachtdiglich die Sekundlirkosten in ihre dahinterstehenden Primlirkosten aufgelOst werden, zeichnet sich die zweite Variante dadurch aus, daB nur Primlirkosten durchgerechnet werden und infolgedessen eine Bil­dung von Sekundlirkosten von Anfang an verhindert wird.

Die nachtragliche Ermittlung der Primlirkosten (erste Variante) kann z. B. anhand eines Verfahrens durchgefiihrt werden, das mehrere Stufen umfaBt30. Dabei werden in einer ersten Stufe die Kosten einer jeden Produktionsstufe detailliert nach Primlir- und Se­kundarkosten auf nachgelagerte Produktionsstufen weiterverrechnet. Bei den Sekundlir­kosten handelt es sich urn den bewerteten Verzehr von Leistungen, die von Hilfskosten­stellen stammen, wie etwa selbst erzeugte Energie, Eigenreparaturkosten sowie selbst durchgefiihrte Wartung und Instandhaltung. In den Kostenstrukturbildern der Ender­zeugnisse, wie sie sich nach dieser Stufe ergeben, werden deswegen noch primlire und sekundlire Kostenarten nebeneinander ausgewiesen.

Danach erfolgt in einer zweiten Stufe die Ermittlung der Primlirkostenstruktur der Hilfskostenstellen, wobei unterstellt wird, daB kein gegenseitiger Leistungsaustausch existiert. Bestehen dagegen zwischen den Hilfskostenstellen Leistungsverflechtungen, so kann diesem Umstand durch die Inanspruchnahme eines linearen Gleichungssystems Rechnung getragen werden. Darauf aufbauend, werden anschlieBend in einer dritten Stufe die angefallenen Sekundlirkosten in ihre dahinterstehenden Primlirkosten aufge­lost.

Demgegentiber kann zur nachtraglichen Ermittlung der Primlirkosten aber auch ein Ver­fahren zur Anwendung ge1angen, das auf einem Matrizenkalktil beruht. Bei Anwendung dieses Verfahrens werden die angefallenen Sekundlirkosten durch die Verkntipfung ver­schiedener Matrizen nachtraglich in ihre jeweiligen Primlirkostenbestandteile zerlegt31.

Matrizenkalktile findenjedoch insbesondere bei so1chen Verfahren Anwendung, die von Anfang an eine Durchrechnung mit Primlirkosten (zweite Variante) erlauben32• Verein­facht formuliert, werden - basierend auf einer Matrizenrechnung - die auf die einzelnen Kostentrager entfallenden Kosten, die aus der Inanspruchnahme von Lieferungen oder Leistungen anderer Kostenstellen resultieren, nicht in einem Betrag, sondern nach pri­mliren Kostenarten aufgegliedert weiterverrechnet. Dies fiihrt dazu, daB die Bildung von Sekundlirkosten von vornherein verhindert wird.

In der Literatur werden auch schon explizit Verfahren diskutiert, die sich unmitte1bar auf den Aufbau einer Konzernkostenrechnung beziehen33, indem Primlirkostenkatego­rien bereits aus dem Blickwinkel eines Konzerns als fiktive rechtliche Einheit gebildet werden. Insoweit tragen diese Verfahren den sich in einem Einheitsunternehmen 'Kon­zern' ergebenden Besonderheiten von Anfang an Rechnung.

Ferner finden sich im Schrifttum direkt auf einen Konzern bezogene Verfahrensvor­schlage, die zwar nicht unmittelbar die Installation und Durchftihrung einer Primlirkos-

30 Vgl. Schubert W. (Das Rechnen), S. 59 ff. 31 Vgl. Neuefeind, B. (Betriebswirtschaftliche), S. 101 ff. 32 Vgl. Lackes, R. (EDV-orientiertes Kosteninformationssystem), S. 206 ff. 33 Vgl. Dusemond, M. (Die Konzernanschaffungs·), S. 514 ff.; Rein, M. (Konsolidierte), S. 312 ff.

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tenrechnung zum Gegenstand haben, aber mittelbar in diese Richtung zielen, da ein Rtickgriff auf Konzemprimiirkosten erfolgt. Diese Verfahrensvorschllige beziehen sich zum einen auf den Aufbau einer Konzerndeckungsbeitragsrechnungl4 und zum anderen auf die Ermittlung entscheidungsrelevanter Kosten zum Zwecke einer konzernunter­nehmensbezogenen Kostenplanunt~.

Insbesondere die von Jliger zur Ermittlung entscheidungsrelevanter Konzernkosten ent­wickelte Kalkulationsfonnel, die explizit innerkonzernliche Beziehungen beriicksich­tigt, kann durch eine zusiitzliche Differenzierung hinsichtlich der Kostenarten zu einer partiellen Konzemprimlirkostenrechnung ausgebaut werden. Hierbei zeigt sich, daB eine positive Korrelation zwischen dem Differenzierungsgrad respektive der Anzahl der Primlirkostenarten und dem damit verbundenem Aufwand einerseits sowie dem drohen­den Verlust der Ubersichtlichkeit andererseits besteht, weshaIb auch unter Beachtung der Aussageflibigkeit einer (Konzern-)Primlirkostenrechnung die Forderung nach deren Beschrlinkung auf die wichtigsten (Konzern-)Primlirkostenarten abgeleitet werden kann.

Unabhlingig davon, welches Primlirkostenrechnungsverfahren im Konzern letztlich zur Anwendung gelangt, ist darauf zu achten, daB die Konzernprimlirkosten nicht nur hin­sichtlich ihrer Zurechenbarkeit (Einzel- und Gemeinkosten), sondern auch hinsichtlich ihrer Beschiiftigungsabhlingigkeit (variable und fixe Kosten) eine aus Konzernsicht zu­treffende Beurteilung erfahren. Deon nur dann k5nnen aIle Konzernkostenrechnungs­zwecke erreicht werden.

4.3. Installations- und Durchfiihrungsprobleme

Trotz der Vorteile, die unstrittig mit der Implementierung einer (Konzem-) Primlirkos­tenrechnung verbunden sind, findet dieses Kostenrechnungsverfahren sowohl in der Literatur aIs auch in der praktischen Anwendung ilberraschend wenig Beachtung. Bine Sonderstellung nehmen hierbei wohl die Unternehmen der Chemischen Industrie ein, bei denen des 5fteren eine Primlirkostenrechnung implementiert sein di1rfte36.

Die Griinde fUr die geringe Beachtung di1rften zum einen darin liegen, daB die sich aus einer Primlirkostenrechnung ergebenden M6glichkeiten bislang nur zum Teil von der Unternehmenspraxis zur Kenntnis genornmen wurden. Nicht zuletzt der steigende Kon­zernierungsgrad, der die zunehmende Bedeutung des Gesamtunternehmens 'Konzem' unterstreicht, und die damit einhergehende Notwendigkeit, eine zweckentsprechende Konzernplanung und Konzernkostenkontrolle, und zwar notwendigerweise basierend auf einer eigenstlindigen Konzernkostenrechnung, vornehmen zu k6onen, werden je­doch zukiinftig dazu fiihren, daB sich nicht nur die betriebswirtschaftliche Diskussion, sondern auch die Unternehmenspraxis - zumindest stlirker aIs bisher - mit dem Instru­mentarium der Primlirkostenrechnung beschliftigen werden.

Letztlich ausschlaggebend dllrfte aIlerdings die yom Wirtschaftlichkeitsgrundsatz ge­prligte Auffassung sein, daB sich der mit einer Primlirkostenrechnung verbundene, zu­siitzliche Aufwand nicht durch den zusiitzlichen Nutzen rechtfertigen lliBt. Deon die

34 Vgl. nur KUting, K.; Lorson, P. (Kosten-), S. 965 C.; MUller, E.; Ordelheide, D. (Konzemdeckungs­beitragsrechnung), S. 172 ff.

3S Vgl. Jliger, H. (Die Bewertung), S. 250 ff. 36 Vgl. Kleber, H. (Praktische), S. 319 ff.; Nuding, K. (Die flexible), S. 94 ff.

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Installation und Durchflihrung einer Primlirkostenrechnung gilt als liuBerst kompliziert und sehr aufwendig17• Der notwendige Mehraufwand hlingt dabei von den Produktions­verhliltnissen und der Ausgestaltung des Rechnungswesens im allgemeinen sowie von der aufzubauenden Primlirkostenrechnung im besonderen abo

Die Realisierung einer (Konzem-)Primlirkostenrechnung erfordert einen relativ hohen Verwaltungs- und Rechenaufwand, so daB sie wirtschaftlich in groBem Umfang nur mit EDV-technischer Unterstlitzung durchgeflihrt werden kann38. Betrachtet man die derzeit zur Verfligung stehenden EDV-Anlagen, so ist festzustellen, daB diese grundslitzlich fUr den Aufbau einer Primlirkostenrechnung geeignet sind. Insofem wird das Wirtschaft­lichkeitsargument durch den technischen Fortschritt relativiert. Hinsichtlich EDV­gestlitzter Informationssysteme in der Kostenrechnung ist jedoch anzumerken, daB "die heute am Markt angebotenen Softwarepakete noch manche Wlinsche offenlassen"39:

Wird auf eine EDV-Unterstlitzung verzichtet, besteht neben den arbeitstechnischen Grenzen hinsichtlich der Ermittlung der vollstlindigen Konzemprimlirkostenstruktur die grundslitzliche Gefahr, daB die benOtigten Informationen nicht zeitgerecht zur Verfli­gung stehen. Dies gilt nicht nur fUr einen Konzem, der eine Vielzahl von Tochterunter­nehmen aufweist, zwischen denen starke innerkonzernliche Lieferungs- oder Leistungs­verflechtungen bestehen, sondem bereits bei einfachen Konzemstrukturen und liber­schaubaren innerkonzemlichen Lieferungs- oder Leistungsverflechtungen.

Eine sinn volle Installation und Durchflihrung einer Konzemprimlirkostenrechnung -insbesondere bei sehr komplexen innerkonzemlichen Lieferungs- oder Leistungsver­flechtungen - ist folglich von vomherein in Frage zu stellen, wenn innerhalb eines Kon­zems nicht auf eine EDV-Anlage zurlickgegriffen werden kann. Flir einen Konzem be­deutet dies konsequenterweise, daB vor Installation einer Konzerprimlirkostenrechnung zumindest die einzelnen einbezogenen Konzemuntemehmen mit einer entsprechenden EDV-Anlage - falls noch nicht vorhanden - auszustatten sind.

Dieser Sachverhalt dlirfte vor allem diejenigen Konzeme vor fast unliberwindbare Prob­Ierne stellen, die entweder durch den Erwerb neuer Tochteruntemehmen, vorwiegend wenn sich deren Sitz in einem Nicht-Industrieland befindet, stetig wachsen oder bei denen der Kreis der einbezogenen Tochteruntemehmen liber mehrere Jahre hinweg ei­nem stlindigen Wechsel unterliegt. Aber auch dann, wenn der Kreis der einbezogenen Tochteruntemehmen im Zeitablauf weitgehend konstant bleibt, zieht eine EDV­technische Auf-, Um- oder Nachrlistung in der Regel einen nicht unerheblichen Auf­wand nach sich. Dieser wird allerdings dadurch relativiert, daB eine konzemeinheitliche EDV-Ausstattung auch fUr andere Bereiche des Konzernrechnungswesens, wie Z. B. fUr die Konzernfinanz- und Konzerninvestitionsplanung, erhebliche Vorteile mit sich bringt.

Sind in einem Konzem die technischen Voraussetzungen gegeben, konnen sich bei der eigentlichen Installation und DurchfUhrung einer Primlirkostenrechnung weitere Prob­Ierne ergeben. Diese resultieren zum einen aus der fUr die Installation benotigten sys­temgerechten Analyse des Produktionsablaufs sowie aus den mit der SystemeinfUhrung

37 Vgl. nor Kilger, W. (Flexible), S. 523. 38 Ebenso Klingler, B. F.; Wullenkord, A. (EDV-gesttitzte), S. 209. 39 Reblin E. (EDV), Sp. 472.

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zu bewliltigenden organisatorischen Anpassungen. Da es sich hierbei jedoch regelmliBig urn einmalige Vorglinge handelt, treten die mit der sich daran anschlieBenden Rech­nungsdurchfUhrung einhergehenden Probleme in den Vordergrund.

Die diesbeztiglich auftretenden Schwierigkeiten liegen vorwiegend in der mit erhebli­chern Aufwand verbundenen Bereitstellung der zuslitzlich benotigten Rechnerkapazitli­ten, wie z. B. Speicherplatz und Rechenzeiten, begrlindet. Die zuslitzlich benotigten Rechnerkapazitliten sind dabei abhlingig von den durch die Installation und DurchfUh­rung einer Primlirkostenrechnung bedingten Auswirkungen auf die Komplexitlit des bereits installierten Kostenrechnungssystems.

Bezogen auf ein Kostenrechnungssystem lassen sich drei Arten von Systemkomplexitli­ten unterscheiden40:

• die Datenerrnittlungskomplexitlit, • die Platzkomplexitlit, die die Anzahl der fUr den Systembetrieb erforderlichen

Kostenrechnungsdaten miBt, und • die Funktionskomplexitlit, die die Anzahl und die Art der ftir den Betrieb des Kos­

tenrechnungssystems erforderlichen Operationen und Funktionen miBt.

Wlihrend die Datenerrnittlungskomplexitlit des bereits installierten Kostenrechnungs­systems durch die Installation und Durchftihrung einer Primlirkostenrechnung in keinster Weise tangiert wird, da eine Primlirkostenrechnung stets auf die bereits vorhan­denen Daten des eigentlichen Kostenrechnungssystems zurtickgreift, wirkt sich die Rea­lisierung einer Primlirkostenrechnung sowohl auf die Platzkomplexitlit als auch auf die Funktionskomplexitlit des bereits installierten Kostenrechnungssystems aus. Dabei be­wegen sich die Auswirkungen auf die Platzkomplexitlit in durchaus vertretbaren Gren­zen. Dies trifft jedoch nicht auf die Funktionskomplexitlit zu, die in der Regel eine be­deutende Ausweitung erfahrt41 •

Die somit zu verzeichnende Komplexitlitssteigerung bedingt zuslitzliche Rechnerkapazi­tliten sowie einen entsprechenden Zusatzaufwand.

Restimierend kann festgehalten werden, daB bei Vorhandensein einer modemen, kompa­tiblen EDV-Ausstattung im Konzem das Hauptproblem bei der Installation und Durch­fUhrung einer Konzemprimlirkostenrechnung in der insgesamt als erheblich zu beurtei­lenden Komplexitlitssteigerung des bereits installierten Kostenrechnungssystems zu sehen ist. Aufgrund dessen wird nachfolgend untersucht, wie sich die Komplexitlitsstei­gerung durch Variationen in der Ausgestaltungsform einer Konzemprimlirkostenrech­nung auf ein ertrligliches MaS begrenzen lliBt, ohne daB hierdurch die Nutzungsmog­lichkeiten einer Konzemprimlirkostenrechnung erheblich eingeschrlinkt werden.

40 Vgl. Lackes. R. (EDV-orientiertes Kosteninformationssystem). S. 187 ff. 41 Ebenso Lackes. R. (EDV-orientiertes Kosteninformationssystem). S. 219.

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4.4. Vereinfacbungsansatze zur Komplexitatsreduzierung durcb Variationen in der Ausgestaltungsform

fin Schrifttum werden mehrere Vereinfachungsansatze erortert, wie durch Variationen in der Ausgestaltungsform eine Primarkostenrechnung mit akzeptabler Komplexitatserwei­terung - und somit vertretbarem Aufwand - realisiert werden kann, ohne die Nutzungs­mtlglichkeiten, die mit einer totalen Primarkostenrechnung verbunden waren, tiber Ge­bUhr einzuschranken. Diese sind unmittelbar auch fUr die Realisienmg einer Konzem­primarkostenrechnung anwendbar.

Die nachfolgend aufgezeigten Ltlsungsansatze tragen, da sie von einer totalen Konzem­primarkostenrechnung und folglich auch von der Nutzung der damit verbundenen voll­standigen Anwendungsmtlglichkeiten abstrahieren, dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz Rechnung.

Ein erster Vereinfachungsansatz kann darin gesehen werden, daB die zwischen den (Konzem-) Hilfskostenstellen bestehenden Interdependenzen nieht beachtet werden42•

Dies kann - je nach Faligestaltung - zu einer mehr oder minder starken Reduzierung der ansonsten bei vollstandiger Abbildung des Produktionsprozesses eintretenden Komple­xitatssteigerung filhren. Allerdings sollten die Lieferungs- oder Leistungsbeziehungen zwischen einbezogenen Tochteruntemehmen, die aus Konzemsicht - unter anderem - als Konzemhilfskostenstellen einzustufen sind, bei dem aufzustellenden KaIkiil nicht undif­ferenziert auBen vor bleiben. Denn eine Nichtbeachtung dieser innerkonzerlichen Ver­flechtungen kann in Extremfallen eine immense Aussagewertbeeintrachtigung bewir­ken.

Handelt es sich z. B. urn einen heterogenen Konzem, dessen Betatigungsfelder in den Bereichen Kohlebergbau, Kohleelektrizitatswerke sowie tiberwiegend in sonstigen Pro­duktionstatigkeiten liegen, dann ktlnnen die innerkonzemlichen Beziehungen zwischen den aus Konzemsicht als Hilfskostenstellen einzustufenden Bereichen Kohleftlrderung und Stromerzeugung nicht vemachIassigbare AusmaSe annehmen. Dies gilt vor allem dann, wenn man unterstellt, daB bei den sonstigen Produktionstatigkeiten groSe Ener­giemengen bentltigt werden, die gef(\rderte Kohle ausschlieBlich zur Stromerzeugung im Konzem eingesetzt wird und hinsichtlich der bei der Kohleftlrderung bentltigten Energie ebenfalls ausschlieBlich auf den im Konzemverbund erzeugten Strom zuriickgegriffen wird. Insofem sollte stets gepruft werden, inwieweit sich eine Nichtbeachtung der zwi­schen den Hilfskostenstellen bestehenden Interdependenzen durch den Wirtschaftlich­keitsgrundsatz rechtfertigen laBt.

Bei einem weiteren Ansatz beruht der Vereinfachungseffekt darauf, daB nicht aile (to­tale Primarkostenrechnung), sondem nur die wichtigsten Primarkostenarten (partielle Primarkostenrechnung) eines Konzems, wie z. B. die Einzelmaterialkosten und die Fer­tigungsltlhne, bis auf die (Konzem-)Enderzeugnisse durchgerechnet werden43• Fraglich ist hierbei jedoch, welche Konzemprimarkostenarten als wichtig einzustufen sind.

Hinsichtlich der Ermittlung der Konzemherstell(ungs)kosten kann beispielsweise ganz generell festgehalten werden, daB aus Konzemsicht diejenigen Kostenarten als wichtig

42 Vgl. Kilger. W. (Die Kostentrilgerrechnung). S. 28. 43 Vgl. auch Kilger. W. (Flexible). S. 523 f.

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einzustufen sind, die die Hohe der Herstell- beziehungsweise Selbstkosten der Konzern­tragereinheiten wesentlich beeinflussen. Eine entsprechende Klassifizierung kann je­doch nur auf den jeweiligen Einze1fall bezogen durchgefUhrt werden.

Ferner besteht die Moglichkeit, eine Vereinfachung dadurch herbeizufUhren, daB in einem logischen Zusammenhang stehende (Konzern-) Primarkostenarten zweckorien­tiert zu (Konzern-)Primarkostenartengruppen zusammengefaBt werden44• In diesem Zu­sammenhang ist darauf hinzuweisen, daB sich in der Praxis die Beschrlinkung auf etwa 15 bis 20 Primarkostenartengruppen bewiihrt har's.

Die Zusammenfassung zu Konzernprimarkostenartengruppen ist zum einen geeignet, die Komplexitat einer Konzernprimarkostenrechnung zu senken, zum anderen erlaubt sie bei einer ausgewogenen, repriisentativen Gruppenbildung auch aussagekrliftige Schliisse auf das Verhalten der in den einzelnen Gruppen enthaltenen Konzernprimar­kostenarten. Zudem wird das bei einzelnen Kosten, wie z. B. den kalkulatorischen Kos­ten, auftretende Auflosungsproblem abgeschwacht, da nicht eindeutig zuordenbare Kos­ten nur noch grob zugeordnet werden miissen.

Urn beispie1sweise den mit der Ermittlung der Konzernherstellungskosten verbundenen Bewertungsspielraum hinsiehtlich des Ansatzes zu Teil- oder zu Vollkosten weitestge­hend in Anspruch nehmen zu konnen, sollten die diesbeziiglich wichtigsten Konzern­primiirkostenarten, die sich aufgrund innerkonzernlicher Lieferungs- oder Leistungsver­flechtungen in sekundare Kosten wandeln, separat in einer detaillierten Aufschliisselung auf die jeweiligen Konzernenderzeugnisse durchgerechnet werden.

Diese Vorgehensweise stellt eine Kombination der beiden zuletzt genannten Vereinfa­chungsansatze dergestalt dar, daB die wiehtigsten Konzernprimarkostenarten separat und die weniger wichtigen in Gruppen auf die Konzernenderzeugnisse durchgerechnet wer­den. Gerade diese kombinierte Vorgehensweise diirfte im Rege1fall zu einer giinstigen Aufwand-Nutzen-Relation fUhren.

Ein weiterer Vereinfachungseffekt kann dadurch erzielt werden, daB bestimmte se­kundare Kostenarten von vornherein <als Pseudo-Primarkosten definiert werden46• "In diesem Fall wird die Primarkostenauflosung nieht vollstlindig vorgenommen, sondern yom Beniitzer werden bestimmte sekundare Kostenstellen gekennzeichnet, deren wei­terverrechnete, sekundare Kostenarten fiir die Primarkostenauflosung als 'primare Kos­tenarten' gelten"47.

So kann es in einem Konzern z. B. durchaus sinnvoll sein, die von einem einbezogenen Tochterunternehmen (Kraftwerk) erzeugte elektrische Energie, die dieses unter anderem an andere einbezogene Tochterunternehmen abgibt, nicht in ihre einzelnen Bestandteile (Brennstoffe, LOhne usw.) aufzulosen, sondern vielmehr die sekundare Kostenart 'elekt­rische Energie' als primare Kostenart anzusehen. Aus Konzernsicht kann es niimlich - in Abhangigkeit von der jeweiligen Zielsetzung - ausreichend beziehungsweise sogar von groBerem Interesse sein, zu wissen, wieviel kWh Strom zur Produktion einzelner Er-

44 Vgl. Schweitzer, M.; Kupper, H.-U. (Systerne), S. 459. 45 Vgl. Muller, H. (Grundlagen), S. 205. 46 Vgl. Nuding ,K. (Die flexible), S. 105. 47 Miiller, H. (Grundlagen), S. 206 f.

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AUFBAU EINER KONZERNKOSTENRECHNUNO 67

zeugnisse ben6tigt wurden. Dabei dart aber nieht iibersehen werden, daB aueh Situatio­nen denkbar sind, bei denen eine exakte Autl6sung vorteilhafter ist. Zu nennen wiire bier beispielsweise die Ennittlung der Konzernherstell(ungs)kosten von Konzernend­produkten, deren Produktion sehr viel Energie ben6tigt, wobei die Energieerzeugung auf bedeutenden innerkonzernliehen Ueferungs- oder Leistungsvertlechtungen beruht.

AbsehlieSend ist zu konstatieren, daB die vorab dargestellten Vereinfachungsanslltze aueh miteinander kombiniert werden k6nnen. Db aber iiberhaupt ein Vereinfachungsan­satz oder sogar eine Kombination derselben und wenn ja, welcher Vereinfachungsansatz oder welehe Kombination aus Konzemsieht zu einer optimalen Aufwand-Nutzen­Relation ftihrt, kann nieht allgemeinglltig bestimmt werden. Vielmehr ist auf den jewei­ligen Einzelfall abzustellen. Das heiSt: Jede KonzernfUhrung hat bezogen auf die je­weils gegebenen individuellen Konzernverhiiltnisse und in Abhiingigkeit von der jeweils angestrebten Zielsetzung zu kliiren, welehe Vereinfaehungen binsiehtlieh einer Kon­zernprimiirkostenrechnung vorgenommen werden k6nnen und aueh sollen, damit das gesteckte Ziel mit einem minimalen Aufwand erreieht werden kann.

s. Zusammenfassung und Ausblick

Die Aufgabe einer eigenstllndigen Konzernkostenrechnung besteht darin, an den Belan­gen der Konzernleitung ausgeriehtete Kosteninformationen zur VerfUgung zu stellen, urn vor allem die im ersten Teil des Beitrags erliiuterten Zielsetzungen erreiehen zu k6nnen. Dies erfordert eine aus Konzernsieht vorzunehmende Aufbereitung der auf in­nerkonzernliehen Ueferungen oder Leistungen beruhenden Kostenkategorien. Denn diese Kostenkategorien sind aus Konzernsieht regelmiiBig anders zu beurteilen als aus der jeweiligen EinzelabschluBsieht. Insofern basiert eine eigenstllndige Konzernkosten­rechnung im Kern auf einer aus Konzernsieht zutreffenden und zweckentsprechenden Kostenaufbereitung.

Hinter einer derartigen Kostenaufbereitung verbirgt sieh jedoch grundslltzlieh niehts anderes als eine Kostenaufspaltung. Die auf innerkonzernliehen Ueferungen oder Leis­tungen beruhenden, aus Konzernsieht sekundiiren Kostenkategorien der einzelnen Kon­zernkostentriiger sind in die jeweils dahinterstehenden Primiirkosten aufzuspalten. Die sieh so ergebenden Primiirkosten sind ansehlie8end aus Konzemsieht z. B. als variable oder fixe Kosten sowie als Einzel- oder Gemeinkosten neu zu klassifizieren. Diese neue Kostenstruktur stellt die Ausgangsbasis filr die Bewiiltigung der mit einer Konzernkos­tenrechnung verfolgten Ziele dar. Diese k6nnen allerdings nur dann erreieht werden, wenn - wie die vorangegangenen AusfUhrungen gezeigt haben - neben einer tlexiblen Plankosten- und Deckungsbeitragsrechnung mit Parallelkalkulation aueh eine Primiir­kostenrechnung installiert wird.

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Strategie im Wandel- Einfiihrung der Balanced Scorecard bei der TUI Deutschland

Stefan Baumert* und Frank Albe**

1. Strategische Herausforderungen cler TUI Deutschland

2. Perfonnance Management mit cler Balanced Scorecard

2.1. Perfonnance Management als modemes Werkzeug cler Strategieimplementie­rung

2.2. Aufbau und Struktur der Balanced Scorecard

2.3. Kritische WUrdigung cles Balanced Scorecard-Konzeptes

3. Vorbereitungen zur Einftihrung cler Balanced Scorecard bei der TUI Deutschland

3.1. Auswahl cler Perspektiven und Modifikation cler Ursache-Wirkungs-Kette

3.2. Auswahl geeigneter Scorecard-Kennzahlen

3.3. Vorgehensweise zur EinfUhrung einer Balanced Scorecard

4. Fazit und Ausblick

5. Literaturverzeichnis

* DipI.-Kfm. (FH) Stefan Baumert, geb. 1974 in Hildesheim, Studium der Betriebswirtschaftslehre an der PRIV ATEN FACHHOCHSCHULE GOTTINGEN, Diplom-Kaufmann 1999, seitdem Referent im Controlling Europa Mitte der TUI Touristik Union International Deutschland GmbH, Bereich Know­ledge Management.

** Dr. Frank Albe, geb. 1964 in Braunschweig, Studium der Betriebswirtschaftslehre in Braunschweig und Gtittingen, Diplom-Kaufmann 1989, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut fUr Betriebswirt­schaftliche Produktions- und Investitionsforschung, Promotion 1995, seit 1996 bei der TUI Group im Konzerncontrolling, Dozent an der Privaten Fachhochschule Gtittingen, in diesem Rahmen auch Be­treuer der dem Aufsatz zugrunde liegenden Diplomarbeit.

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72 STEFAN BAUMERT UND FRANK ALBE

1. Strategische Herausforderungen der TUI Deutschland

Die allgemein in verschiedenen Wirtschaftszweigen zu beobachtenden Konzentrations­prozesse haben auch die Tourismuswirtschaft erfaBt, und lassen sich beispielhaft durch die Entstehung der TUI Group darstellen. Unter dem Dach der Preussag AG ist so ein vertikal integrierter Tourismuskonzern entstanden, d. h. die TUI Group deckt mit ihren Gesellschaften aIle Stufen der touristischen WertschOpfungskette ab, die in Abbildung 1 bezogen auf den Quellmarkt Deutschland dargestellt sind.

ROckwArts-

-TUI Reise­cenler

-First -Hapag-Lloyd RelsebUro

• T ranseuropa ·alrtours ·Wolters ·nur . Event

Quellmarkt (Deutschland)

-Mlltours (Portugal)

-Tunisia Voyages -Travco (Agypten)

-tantur (Turkel)

Zielgebiet

Abbildung 1: Vertikale Expansion der TUI Group aus Sicht des Reiseveranstalters

Die TUI Deutschland mit den Marken TUI Schone Ferien, Robinson, HIT sowie diver­sen anderen Spezialprograrnmen ist mit einem Umsatz von knapp 6 Mrd. DM und 4,5 Mio. Gasten groBter Reiseveranstalter der Gruppe.

Aufgabe des Reiseveranstalters innerhalb eines solchen integrierten Konzems ist es, flir die Deckung aller Risiken entlang der WertschOpfungskette durch eine entsprechend ausgerichtete Kombination von Kapazitaten zu sorgen. Dadurch wird das Mitte der 90er Jahre eingeflihrte Yield Management noch an Bedeutung gewinnen, da es zuktinftig keine Rolle mehr spielt, ob die Kapazitaten der jeweiligen WertschOpfungsstufe von der TUI Deutschland explizit als Garantie eingekauft wurden oder nicht.

In diesem Zusarnmenhang gilt es auch, den Vertrieb neu zu positionieren: Erfolgte bis­lang der Vertrieb tiberwiegend tiber fremde Reisebtiros, so kann der Eigenvertrieb zu­nehmend zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil werden, sei es tiber die Filial­und Franchise-Reisebtiros konzemeigener Ketten wie First, Hapag-Lloyd oder TUl Reisecenter oder per Direktvertrieb via e-commerce.

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SlRATEGIE 1M WANDEL 73

Gerade in einem so stark wachsenden Konzem reicht es nicht mehr aus, wenn die Stra­tegie in den Kopfen Weniger verankert ist. Es entsteht vermehrt der Bedarf und die Notwendigkeit zur Kommunikation der neu ausgerichteten Strategie. Bei dieser Heraus­forderung bietet die Balanced Scorecard Unterstiitzung an.

2. Performance Management mit der Balanced Scorecard

2.1. Performance Management als modernes Werkzeug der Strategieimple­mentierung

Seit Mitte der achtziger Jahre wird vor allem in den USA eine Abkehr von den traditio­nellen, iiberwiegend monetlir gepriigten Planungs- und Steuerungskonzepten gefordert.l Die seit dem entwickelten Ansiitze lassen sich unter den Begriffen Performance Measu­rement bzw. Performance Management subsurnieren.

Performance Performance Anforderungen Planung

Vision Strategie Performance Relevanz

Prufung/Steuerung Stakeholder Stakeholder -Kunden Performance Definition -Offentl. ... Measurement

r-- Performance Verwaltungen Dauerhafter I Temporarer Prioritaten -... Bestandteil Bestandteil

+

Effi~'t +

Performance Performance EigenprUfung Verbesserung

Kontinuierliche

.- Verbesserung EigenprOfung Performance PersonfTeam ~

Bewertung I Monitoring f-- -Lean

-Ebene1 Management Definition -Ebene2 -Reengineering

MaBnahmen - -Time Based ... Competition -...

Abbildung 2: Elemente des Performance Management2

Abb. 2 zeigt die Einordnung des Performance Measurement in das Performance Mana­gement, welches "ein integratives System zur Leistungssteuerung der Untemehmens­und der (individuellen) Mitarbeiter-Leistung"3 darstellt. Die zentralen Anspriiche an solch ein System sind die Integration der Stakeholderan­spriiche, der Strategie, der Auswirkung kontinuierlicher Verbesserungen sowie eine ho-

1 Vgl. z. B. Johnson, H. T./Kaplan, R. S. (Relevance lost 1987). 2 QueUe: Vgl. Klingebiel, N. (Performance Measurement 1999), S. 16. 3 Klingebiel, N. (Performance Measurement 1999), S. 13.

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74 STEFAN BAUMERT UND FRANK ALBE

he Umfeldflexibilitlit und Kennzahlen-Komplementaritlit.4 Durch die Definition von Leistungsindikatoren auf allen erfolgs- und leistungsrelevanten Unternehmensebenen solI im ersten Schritt eine Strategie- und im zweiten Schritt eine Leistungstransparenz ermoglicht werden.5 Als Ebenen von Performance Measurement-Systemen (Leistungs­ebenen) konnen z. B. das Gesamtunternehmen, die Geschliftseinheit, die ProzeBebene und die Arbeitsplatz-lMitarbeiter-ffeamebene unterschieden werden6, wodurch sich regelmliBig die Notwendigkeit eines verstlirkten Einsatzes nicht-finanzieller Kennzahlen ergibt.

Traditionelle Kennzahlensysteme sind hliufig monetlir ausgerichtet, da im monetlir be­werteten Erfolg der kleinste gemeinsame Nenner der unterschiedlichen Zieldimensionen eines Unternehmens gesehen wird.7 Monetlire, i. d. R. auf das Ergebnis/die Rentabilitlit oder die Liquiditlit bezogene, Kennzahlen haben jedoch wesentliche Nachteile:

Sie sind vergangenheitsbezogen, d. h. Verlinderungen im Betriebsgeschehen konnen yom Rechnungswesen erst mit einer erheblichen Zeitverzogerung sichtbar gemacht werden.

Beobachtung Physlsche Wlrkung

Flnanzlelle Wlrkung

R E A K T 1 o N ?

Abbildung 3: Wirkungszusammenhang -zwischen physikalischem Ereignis und finan­zieller Konsequenz8

DarUber hinaus finden nicht aktivierungsf<ihige Investitionen, beispielsweise in For­schung und Entwicklung oder die Personalentwicklung, keine Berucksichtigung, was sich innovationshemmend auswirken kann.

Monetlire Kennzahlen vernachllissigen also Zeit- und Qualitlitsaspekte, wodurch eine Markt- und Kundenorientierung weitgehend unterbleibt.9 Zwar wurden auch fruher schon nicht-monetlire Kennzahlen erhoben, dies geschah jedoch nicht regelmliBig son-

4 Vgl. Neely. A.lGregory. M.IPlatts. K. (performance Measurement 1995). s. 106. Vgl. Gleich. R. (performance Measurement 1997). S. 115. Vgl. Rummier. G. A.IBrache. A. P. (Improving Performance 1991). S. 16f. Vgl. Botta. V. (Kennzahlensysteme 1997). S. 6f. QueUe: In AnIehnung an Botta. V. (Kennzahlensysteme 1997). S. 20. Vgl. Horvath. P. (Controlling 1998). S. 561.

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STRATEGIE 1M WANDEL 75

dem nur fiir kurzfristige SteuerungsmaBnahmen, wiihrend eine Kopplung an strategische Ziele selten anzutreffen war. 10

Nicht alle Kennzahlen mtissen dauerhaft berichtet werden, z. B. Fortschrittskontrollen strategisch wichtiger Projekte oder realisierter Synergieeffekte gerade in der Anfangs­phase von Untemehmenszusammenschltissen. Aber auch hinsichtlich sich lindemder Strategien und Stakeholder-Ansprtiche muB das Performance Measurement-System eine hohe Flexibilitat aufweisen.

Neben dem wohl populiirsten Performance Management-Konzept, der Balanced Score­card, sind in diesem Zusammenhang vor allem die Performance Pyramid (LYNCHICROSS)11 und das Quantum Performance Konzept (HRoNECIARlHUR ANDERSEN)12 sowie eine Reihe weiterer Ansatze anderer Beratungsgesellschaften13 zu nennen.

2.2 Aufbau und Struktur der Balanced Scorecard

Das Konzept der Balanced Scorecard geht zuruck auf die yom Nolan Norton Institute geforderte Studie "Measuring Performance in the Organization of the Future" aus dem Jahr 1990, an der zwtilf US-amerikanische Untemehmen verschiedener Wirtschafts­zweige beteiligt waren. Ziel der Studie war die Entwicklung eines Modells zum Perfor­mance Measurement, dessen Fokus nicht ausschlieBlich auf finanzorientierten Kennzah­len liegt.

Aus diesem Grund wird die finanzielle Perspektive in der Balanced Scorecard urn drei weitere erglinzt: die Kunden-, die interne GeschiiftsprozeB- und die Lem-/ Wachstumsperspektive. Es solI eine Balance sichergestellt werden zwischen: 14

• monetiiren und nicht-monetiiren Kennzahlen, • extemen Kennzahlen fiir Shareholder und Kunden sowie intemen Kennzahlen fUr

kritische Geschiiftsprozesse, Innovationen, Lemen und Wachstum, • ErgebnisgroBen (nachlaufende und weitgehend objektive Indikatoren), die Aus­

kunft tiber den Erfolg ergriffener MaBnahmen geben, und Leistungstreibem (vor­laufende und geschiiftsspezifische bzw. subjektive Indikatoren) zur Bestimmung des zuktinftigen Erfolgs,

Die Balanced Scorecard solI jedoch keine bloBe Ansammlung zusammenhangloser oder gar konfliktiirer Kennzahlen sein, vielmehr mtissen Ursache-Wirkungs-Ketten zur Ver­kntipfung der Kennzahlen der verschiedenen Perspektiven gebildet werden, die in der Finanzperspektive enden.

10 Vgl. Kaplan, R. S./Norton, D. P. (Balanced Scorecard 1996b), S. 8; Kaufmann, L. (Balanced Score-card 1997), S. 422.

11 Vgl. Lynch, R. L.lCross, K. F. (Measure up 1995), S. 64 ff .. 12 Vgl. Hronec, S. M. (Vital Signs 1996). 13 Vgl. die zusarnrnenfassende Darstellung yon Klingebiel, N. (performance Measurement-Systeme

1999), S. 73 ff. 14 Vgl. Kaplan, R. S./Norton, D. P. (Balanced Scorecard 1996b), S. 10.

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76 SJEFAN BAUMERT UND FRANK ALBE

Monetiire Kennzahlen mUssen beibehalten werden, da z. B. verbesserte Qualitat und hahere Kundenzufriedenheit nicht automatisch zu einer Ergebnisverbesserung fUhren mUssen.

Ausgehend von Vision und Unternehmensstrategie erfolgt eine empirisch-induktive Herleitung der Kennzahlen anhand folgender FragesteIlungen: 15

• Wenn meine Vision Erfolg haben solI, wie muB ich mich gegenUber meinen Sha­reholder und Kunden, aber auch in bezug auf meine internen Geschaftsprozesse, Innovations- und Lernfill1igkeit darsteIlen und differenzieren?

• Was sind die kritischen Erfolgsfaktoren, urn dies zu erreichen? • Was sind die entscheidenden LeistungsmaBstabe und welche Kennzahlen kannen

als (vor- und nachlaufende) Indikatoren herangezogen werden?

KAPLAN/NORTON identifizieren fUr aIle Perspektiven eine Reihe generischer Kennzah­len, die sich in den Scorecards mehrerer Unternehmen wiederfinden:

• Finanz-Perspektive: Return on Investment, Economic Value Added • Kunden-Perspektive: Kundenzufriedenheit, -treue, -akquisition und -rentabilitat,

Marktanteil • Interne Geschiiftsproze8-Perspektive: Qualitat, Zeit, Kosten, Innovationen • Lern- und Wachstums-Perspektive: Mitarbeiterzufriedenheit und VerfUgbarkeit

der Informationssysteme

DarUber hinaus ist jedoch die Entwicklung geschaftsspezifischer Indikatoren, sogenann­ter Differentiatoren, fUr die einzelnen Perspektiven erforderlich, insgesamt sollte die Anzahl der verwendeten Kennzahlen je Perspektive jedoch auf vier bis sieben be­schrankt werden, urn Ubersichtlichkeit sowie die Konzentration auf die strategisch wichtigen SchlUsselfaktoren zu gewahrleisten.

15 Vgl. Kaplan, R. S.lNorton, D. P. (Balanced Scorecard 1993), S. 139.

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STRATEGIE 1M WANDEL 77

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Abbildung 4: Die vier Perspektiven der Balanced Scorecardl6

Auf das Zusammenspiel der vier Perspektiven solI im folgenden genauer eingegangen werden. 11

Finanz-Perspektive

Die Finanzkennzahlen spielen eine DoppelrolIe: Sie definieren, welche Ergebnisse die Shareholder von der Untemehmensstrategie erwarten und dienen gleichzeitig als Ziele fUr die Kennzahlen der anderen Perspektiven.

Kunden-Perspektive

Neben den generischen Kennzahlen gilt es in dieser Perspektive, die sogenannten "customer value propositions" zu definieren, durch die es den Untemehmen gelingt, Kundenzufriedenheit und -loyalitat in ihren ausgewahlten Zielgruppen zu erreichen. Diese Differentiatoren variieren je nach Branche und Marktsegmenten und mtissen un­temehmensindividuelI festgelegt werden.

Gerade fUr Untemehmen, deren Vertrieb zum GroBteil tiber Absatzmittler abgewickelt wird (wie z. B. Reiseveranstalter), empfiehlt sich die Aufteilung der Kunden­Perspektive in zwei Segmente: Direkte Kunden (ReisebUros bzw. deren Mitarbeiter, die Expedienten) und Endkunden. Die Absatzmittler haben gerade bei beratungsintensiven Produkten, wozu sich die Pauschalreise durch ihre zahlreichen Kombinationsmoglich­keiten und Zusatzprodukte in den letzten Jahren verstiirkt entwickelt hat, eine hohe Be­deutung.

16 QueUe: Vgl. Kaplan, R. S.lNorton, D. P. (Balanced Scorecard 1996a), S. 76. 11 Vgl. im folgenden Kaplan, R. S.lNorton, D. P. (Balanced Scorecard 1996b), S. 43 ff.

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78 STEFAN BAUMERT UND FRANK ALBE

Interne Gescbiiftsproze8-Perspektive

Die Kennzahlen dieser Perspektive werden typischerweise nach denen der Finanz- und Kunden-Perspektive entwickelt, damit die Unternehmen sich auf die kritischen Prozesse konzentrieren konnen, welche zur Erreichung der Kunden- und Shareholderziele not­wendig sind. Gleichzeitig sollte die Gelegenheit genutzt werden, die bestehenden Pro­zes.se hinsichtlich ihrer Konfonnitiit mit der Unternehmensstrategie kritisch zu hinter­fragen. Als Ansatzpunkte zur Ableitung der Kennzahlen dienen der Innovationsproze8, die 0-perations-lProduktionsprozesse sowie der Postsale-Service-Proze8. In den frUheren Aus­fiihrungen zur Balanced Scorecard war der Innovationsproze8 Bestandteil der Wissens­und Wachstums-Perspektive, KAPLANINORTON kommen aber zu dem Schlu8, daB es sich hierbei urn einen kritischen internen Geschllftsproze8 handelt.

Lern- und Wachstums-Perspektive

Die Ziele dieser Perspektive dienen der Entwicklung einer Infrastruktur als Vorausset­zung, urn die Ziele der anderen drei Perspektiven erreichen zu konnen. Erneut identifi­zieren die Autoren drei Kategorien, die bei der Auswahl entsprechender Indikatoren behilflich sein soIlen:

• Mitarbeiterflihigkeiten, die wiederum durch Mitarbeiterzufriedenheit, -loyalitiit und -produktivitiit bestimmt werden,

• UnterstUtzung durch Informationssysteme, • Mitarbeitermotivation. und Ausrichtung der Anreizsysteme an den strategischen

Zielen der Balanced Scorecard.

Insgesamt handelt es sich hier urn die am wenigsten weit entwickelte und durch Beispie­Ie belegte Perspektive, was fUr die Autoren ein Indiz dafUr ist, daB Unternehmen ihre Ma8nahmen in den Bereichen der Personalentwicklung, Informationsversorgung und Mitarbeitermotivation bislang zu wenig an ihren strategischen Zielen ausrichten.

KaplanlNorton begreifen die Balanced Scorecard nicht nur als Performance Measure­ment-System, sondern als KernstUck eines Management-Systems zur Umsetzung von Strategien durch die UnterstUtzung von vier kritischen Management-Prozessen:18

Kliiren und Operationalisieren von Vision und Strategie

Die Formulierung einer gemeinsamen Vision und Strategie, die Ableitung kritischer Erfolgsfaktoren fUr deren Umsetzung sowie die Definition geeigneter Indikatoren und Kennzahlen fUr deren Messung zwingt das Top-Management, ein gemeinsames Verstiindnis des Geschllfts ("shared view of business") zu entwickeln. Dieser Proze8 ist mindestens so wertvoll wie das Ergebnis, die Scorecard selbst, da nur so die Ak­zeptanz und spiitere Umsetzung sichergestellt werden kann.

Kommunizieren der Strategie und Verbinden mit den Anreizsystemen

Bine Grundvoraussetzung zur erfolgreichen Implementierung von Strategien ist, daB alle Mitarbeiter diese kennen und verstehen. Die Balanced Scorecard wird auf diesem

18 Vgl. im folgenden Kaplan, R. S./Norton, D. P. (Balanced Scorecard 1996a). S. 75 ff.; Kaplan. R. S.lNorton, D. P. (Balanced Scorecard 1996b). S. 8 ff. und 192 ff.

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STRATEGIE IM WANDEL 79

Wege Grundlage eines betrieblichen Kommunikationssystems, daB eine verbesserte vertikale Koordination durch Management by Objectives ermoglichen solI. Mit den personlichen Zielvorgaben konnen schlieBlich auch die Anreizsysteme an der Balan­ced Scorecard ausgerichtet werden.

Aufstellen von Geschaftspliinen mit strategiekonformer Ressourcenallokation

"The Balanced Scorecard has its greatest impact when it is deployed to drive organ­izational change. Senior executives should establish targets for the scorecard meas­ures, that, if achieved, will transform the company."19

Ehrgeizige Ziele solI ten nicht nur fUr die finanzielle Perspektive gesetzt werden, vielmehr helfen die Ursache-Wirkungs-Ketten, die kritischen Leistungstreiber zu i­dentifizieren. Hier wiederum kann z. B. ein kontinuierliches Benchmarking helfen, sowohl ehrgeizige als auch realistische Ziele zu setzen. Die Balanced Scorecard solI verhindem, daB einzelne LeistungsgroBen isoliert voneinander betrachtet und verbes­sert werden, indem Querverbindungen und Synergien zwischen verschiedenen Un­temehmensbereichen bewuBt beriicksichtigt und die Ressourcenzuweisung streng an der Strategie ausgerichtet wird.

Priifen der Umsetzungserfolge und Einleiten eines strategischen Lernprozesses

Die Entwicklung der Scorecard-Measures erfolgt tiberwiegend empirisch-induktiv, wodurch es nur selten definitionslogische oder mathematische Beziehungen zwi­schen den Kennzahlen gibt. Urn so wichtiger ist ein regelmaBiges Feedback nicht nur hinsichtlich der Zielerreichung, sondem auch bezogen auf die getroffenen Annahmen bei der Entwicklung der Ursache-Wirkungs-Ketten. Dieses Feedback beinhaltet Kor­relationsanalysen zwischen den vor- und nachlaufenden Indikatoren und letztlich auch die Kontrolle, ob Verbessehmgen der einzelnen GroBen auch finanzielle Erfol­ge nach sich ziehen. Gegebenenfalls wird eine Anpassung der Strategie erforderlich, es entsteht ein strategischer LemprozeB, sogenanntes "double-loop learning".2o

2.3. Kritische Wiirdigung des Balanced Scorecard-KollZepts

Obwohl die Auseinandersetzung mit dem Konzept der Balanced Scorecard bisher weit­gehend unkritisch erfolgt, gibt es doch einige Ansatzpunkte zur Kritik:

Ausgewogenbeit der Stakeholder-Interessen

Aufgrund der verschiedenen Perspektiven erfolgt zwar eine ausgewogene Berticksichti­gung verschiedener Anspruchsgruppen (Kunden, Mitarbeiter, Anteilseigner). Durch die zugrunde liegende Kausalkette, durch die alle Kennzahlen letztlich mit der finanziellen Perspektive verkntipft werden solIen, laBt sich jedoch eine Bevorzugung der Anteilseig­ner ableiten.2l

19 Kaplan, R. S./Norton, D. P. (Balanced Scorecard 1996b), S. 13. 20 Zu den Begriffen "single-loop -learning" und "double-loop-learning" vgl. Argyris, C. (Teaching

1991), S. 100 ff. 21 V gl. Klingebiel (performance Management 1998), S. 8

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80 STEFAN BAUMERT UND FRANK AIBE

Die Interessen einzelner Stakeholder sollten nur dann aufgenommen werden, wenn sie entscheidend fUr den Erfolg der Geschliftsstrategie sind. AIle anderen Faktoren, die iso­liert von der Strategie unter Kontrolle gehalten werden miissen ("Hygienefaktoren oder K.O.-Kriterien des Geschlifts"), konnen durch andere Systeme, beispielsweise ein "ex­ception reporting", effizienter gemanagt werden.22

Bei der gleichzeitigen und gleichberechtigten Berllcksichtigung von Interessen aller Sta­keholder besteht die Gefahr, daB die konsequente Orientierung an der Strategie verloren geht: "Companies that try to be everything to everybody usually end up being nothing to anyone."23

"One size fits all"

An einigen Stellen wird durch Verweise auf zahlreiche Beispiele der praktischen Um­setzung der Eindruck erweckt, die Balanced Scorecard konne in ihrer Basisform in je­dem Unternehmen angewandt werden.24 Da das Basiskonzept Uberwiegend auf Indust­rieuntemehmen ausgelegt ist, sind vor allem fUr die Dienstleitungsbranche Anpassungen erforderlich. KAPLANlNORTON wei sen ausdriicklich darauf hin, daB es sich bei der Aus­wahl der vier Perspektiven nicht urn starre Vorgaben handelt.2S

In der Tat existieren Praxisbeispiele fUr eine abweichende Anzahl an Perspektiven.26 So empfiehlt sich beispielsweise bei Untemehmen mit geringer Fertigungstiefe die Einfiih­rung einer gesonderten Ueferantenperspektive.27

Aber auch die verwendeten Kennzahlen haben keinen Allgemeingliltigkeitscharakter: "Most important, a Balanced Scorecard should not be created by emulating the best measures used by the best companies."28 FUr jedes Untemehmen muB eine individuelle Anpassung des Konzepts sowohl hinsichtlich der verwendeten Perspektiven als auch der Kennzahlen erfolgen, wodurch eine von HORV Am fliT moglich gehaltene "rasche Jmp­lementierung auch in der deutschen Praxis"29 zumindest relativiert wird. Werden die vier Scorecard-Perspektiven ohne kritische Priifung Ubemommen, kann dies zu mangelnder Akzeptanz fiihren, wodurch eine Integration der wichtigsten FUhrungsprozesse womog­lich nicht stattfindet.

Strategische KontroUe

Innerhalb der strategischen Kontrolle werden mehre~ Funktionen unterschieden:30 Wlih­rend im Rahmen der Durchfiihrungskontrolle die erzielten Ergebnisse im Vordergrund stehen, mUssen im Rahmen einer Prli.missenkontrolle die SchlUsselannahmen der strate-

22 VgJ. Kaplan, R. S.lNorton, D. P. (Balanced Scorecard 1996b), S. 35 und 163; Horvath, P.lKaufmann, L. (Balanced Scorecard 1998), S. 46; Simons, R. (Levers of Control 1995), S. 7Of.

23 Kaplan, R. S.lNorton, D. P. (Balanced Scorecard 1996b), S. 64. 24 VgJ. Weber, JJSchliffer, U. (Balanced Scorecard 1998b), S. 17ff. 2S Kaplan, R. S.lNorton, D. P. (Balanced Scorecard 1996b), S. 34. 26 FUr ein Beispiel mit drei Perspektiven vgJ. Butler, A.lLetza, S. RJNea1e, B. (Balanced Scorecard

1997), ein Beispiel mit fiinf Perspektiven stellen die Autoren selbst vor, vgJ. Kaplan, R. SJNorton, D. P. (Balanced Scorecard 1996b), S. 182.

27 VgJ. Kaufmann, L. (Balanced Scorecard 1997), S. 426; Horvath, P.lKaufmann, L. (Balanced Score-card 1998), S. 46.

28 Kaplan, R. SJNorton, D. P. (Balanced Scorecard 1996b), S. 286. 29 Horvath, P. (Vorwort 1997), S. VI. 30 Vgl. Schreyogg, G.lSteinmann, H. (Strategische Kontrolle 1985), S.391 ff.

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STRATEGIE 1M WANDEL 81

gischen Planung einer Oberprlifung unterzogen werden. Erganzend zu diesen beiden Spezialfunktionen erfolgt der Einsatz eines sog. "strategischen Radars, d. h. ungerichtete Oberwachung zur frlihzeitigen Wahrnehmung von Chancen und Risiken.

Mit illife der Balanced Scorecard sollen Manager nicht nur die Implementierung ihrer Strategie (Durchflihrungskontrolle) tiberwachen, sondern auch ihre getroffenen Annah­men in Frage stellen (prlimissenkontrolle), urn evtl. die Strategie anzupassen.31 Obwohl die Bedeutung des "double-loop-learning" von KAPLAN/NORTON ausdrlicklich hervor­gehoben wird32, machen sie nur wenige Angaben zur praktischen Umsetzung.

Da die im Rahmen der Pramissenkontrolle zu tiberprlifenden Rahmenbedingungen und Konkurrenzaktivitaten hochstens tiber die Kundenperspektive in das Konzept einbezo­gen werden, schlagen WEBER/SCHAFFER vor, einige Kennzahlen aufzunehmen, welche auf die Prlimissen der Planung gerichtet sind, und deren Giiltigkeit fortlaufend tiberprlift wird.33 Auf diesem Weg wiirde die Balanced Scorecard in Richtung eines Frlihwarnsys­terns der 2. Generation34 weiterentwickelt, wodurch die Anzahl der Kennzahlen sich stark erhohen wtirde. Da in der Scorecard jedoch nur die kritischen Indikatoren zur Um­setzung der Strategie enthalten sein sollten, empfiehlt sich die Integration eines Frlih­warnsystems hochstens als weiterer Baustein des strategischen Management-Systems, verbunden mit einem Ausnahmeberichtswesen.

Unternehmensvergleiche

BROWNILA VERICK kritisieren, daB es sieh bei der Balanced Scorecard vorwiegend urn ein unternehmensinternes Werkzeug zur Messung einer "corporate performance" hande­Ie und fordern deshalb eine andere Methode, die Unternehmensvergleiche unterstiitzt.35

In der Tat eignet sich die Balanced Scorecard nur sehr eingeschrankt flir externe oder interne (z. B. in einem Konzern) Unternehmensvergleiehe, da sieh se1bst bei Obernahme der vier Basisperspektiven die Ansatze zweier Unternehmen in den seltensten Fallen gleichen dtirften. Die Formulierung einer Balanced Scorecard ist flir jede Geschliftsein­heit mit eigenstandiger Strategie sinnvoll. Eine Verdichtung zu einer "corporate score­card" ist in diversifizierten Konzernen mitunter nicht oder nur fUr die finanzielle Per­spektive moglich.36 Zudem handelt es sieh in der Regel urn hoch sensible Informationen, die Konkurrenten nieht zuganglich gemacht werden sollen.

31 Vg\. Kaplan, R. S./Norton, D. P. (Balanced Scorecard 1996b), S. 15. 32 Vg\. Kaplan, R. S./Norton, D. P. (Balanced Scorecard 1996b), S. 17. 33 Vg\. Weber, J.lSchliffer, U. (Balanced Scorecard 1998b), S. 24 f. 34 WlIhrend Friihwarnsysteme der 1. Generation auf Basis des Rechnungswesens lediglich Plan-lIst­

Vergleiche sowie Hochrechnungen beinhalten, wird in FrUhwarnsystemen der 2. Generation versucht, Umweltverllnderungen anhand ausgewiihlter Indikatoren zu erkennen. Friihwarnsysteme der 3. Genera­tion urnfassen dariiber hinaus einen strategischen Radar zur Aufnahme schwacher Signale. V g\. zur Unterscheidung der verschiedenen Generationen Bea, F. X.lHaas, J. (Strategisches Management 1997), S. 272 ff., zu den Friihwarnsystemen der 2. Generation vg\. Hahn, D.lKrystek, U. (Friihwarn­systeme 1979), S. 76 ff. sowie zu den Friihwarnsystemen der 3. Generation Ansoff, H. I. (Weak Sig­nals 1976), S. 129 ff.

35 Vg\. Brown, D. M.lLaverick, S. (performance 1994), S. 94. 36 Vg\. Kaplan, R. S./Norton, D. P. (Balanced Scorecard 1993), S. 141; Kaplan, R. S./Norton, D. P.

(Balanced Scorecard 1996b), S. 168.

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Aus diesen Grunden diirfte die Balanced Scorecard eher zur Kommunikation mit Kun­den oder Lieferanten als mit Aktienanalysten und Investmentbankem geeignet sein.37 Einige Untemehmen richten jedoch das Reporting gegentiber ihren Aufsichtsgremien an dem Konzept aus, und auch bei Gespriichen mit Investoren gewinnt die Balanced Score­card immer mehr an Bedeutung.38

Identifizieren der Kennzahlen und Ableiten der Kausal-Zusammenbange

Der wohl schwerwiegendste Kritikpunkt am Konzept def Balanced Scorecard ist die fehlende Methodenuntersttitzung bei der Generierung und Quantifizierung der Kausal­zusammenhiinge zwischen den verschiedenen Perspektiven.39

KAPLAN/NORTON schlagen vor, die Kennzahlen in Workshops mit dem Top­Management auszuwiihlen und anschlieBend in Untergruppen die Verkntipfung in Form von Ursache-Wirkungsketten auszuarbeiten.4O Hierdurch solI zum einen die Akzeptanz sichergesteIlt und zum anderen der bereits beschriebene strategische LemprozeB einge­leitet werden. Da jedoch auch personliche und Abteilungsziele an den identifizierten Kennzahlen und Zusammenhiingen ausgerichtet werden soIlen, sind analytische Metho­den einzusetzen, urn das MaB an Subjektivitiit zu beschriinken.

Untersttitzung kann in diesem Zusammenhang z. B. das PIMS-Programm leisten41, in­dem die aus der Studie gewonnenen Erkenntnisse tiber strategische Erfolgsfaktoren bei der Auswahl der relevanten Zie1groBen sowie bei der Auswahl der re1evanten Perspekti­ven herangezogen werden, wenn gleich auch das PIMS-Programm Gegenstand heftiger Kritik war und iSt.42

Zusiitzlich soIlten eine Reihe statistischer Verfahren eingesetzt werden, wie z. B. die Cluster-Analyse, zu deren Untersttitzung bereits zahlreiche Standard-Software auf dem Markt erhiiltlich ist. Ein ideales Einsatzfeld ergibt sich hier fUr die Verwendung von Data Mining-Tools, deren Ziel das gesttitzte und ungesttitzte Auffinden von Zusam­menhiingen (Datenmustem) iSt.43

Insgesamt kann festgehalten werden, daB der Grundgedanke der Balanced Scorecard zwar nicht neu ist, so wird sie von WEBER/SCHAFFER sogar als typisches Modeprodukt identifiziert«, sie jedoch ein vielversprechendes Instrument zur erfolgreichen Kommu­nikation, hnplementierung und Weiterentwicklung von Strategien darsteIlt.

"The Balanced Scorecard should be used as a communication, informing, and learning system, not a controlling system."45

37 Vgl. Kaplan, R. S./Norton, D. P. (Balanced Scorecard 1993), S. 141. 38 Vgl. Horvath, P.lKaufmann, L. (Balanced Scorecard 1998), S.40f. 39 Vgl. Weber, JJSchaffer, U. (Balanced Scorecard 1998b), S. 14. 40 Vgl. Kaplan, R. S./Norton, D. P. (Balanced Scorecard 1996b),305ff. 41 Vgl. Weber, JJSchiiffer, U. (Balanced Scorecard 1998b), S. 29 f. 42 Fiir eine ausfiihrliche Diskussion vgl. Bea, F. X./Haas, J. (Strategisches Management 1997), S. 11Off. 43 Vgl. Hagedorn, J./Bissantz, N.lMertens, P. (Data Mining 1997), S. 601 ff. 44 Vgl. Weber, JJSchiiffer, U. (Balanced Scorecard 1998a), S. 361 f. 45 Kaplan, R. S./Norton, D. P. (Balanced Scorecard 1996b), S. 25.

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STRATEGIE 1M WANDEL 83

Die Unverbindlichkeit und Offenheit an vielen Stellen des Konzepts erschwert zwar die schnelle Umsetzung, eroffnet aber zahlreiche Einsatzmoglichkeiten und Chancen.

3. Vorbereitungen zur Einfiihrung der Balanced Scorecard bei der TUI Deutschland

3.1. Auswahl der Perspektiven und Modifikation der Ursache-Wirkungs­Kette

FUr die Auswahl der Perspektiven der Balanced Scorecard sollten die zur Umsetzung der Strategie entscheidend beitragenden Stakeholder berUcksichtigt werden. FUr die TUI Deutschland ergibt sich daher aus zwei Griinden die Notwendigkeit, den anderen Leis­tungstrligern der touristischen WertschOpfungskette besondere Beachtung zu schenken:

1. Die Optimierung des Konzemergebnisses erfordert die risikogerechte Steuerung der einzelnen Kapazitilten der verscbiedenen Leistungstrliger durch den Reisever­anstalter.

2. Die Leistungstrliger bestimmen maSgeblich die Qualitllt des angebotenen Produkts und tragen durch ihren direkten Kontakt zum Kunden des Reiseveranstalters ent­scheidend zur Kundenzufriedenheit bei.

Die hohe strategische Bedeutung rechtfertigt den Einsatz einer Leistungstrliger­Perspektive, llhnlich der Ware-/Lieferanten-Perspektive des Einzelhandelsuntemehmens E. Breuninger GmbH & Co.46, wllhrend z. B. bei der o.tel.o communications GmbH & Co. die Lieferantenziele Teil der Geschliftsproze8-Perspektive sind.47

Es empfiehlt sich eine Trennung der Kundenperspektive in Endkunden und ReisebUro­mitarbeiter (Expedienten), auch wenn zumindest der Eigenvertrieb schon innerhalb der Leistungstrliger-Perspektive berUcksichtigt wird, dort jedoch mit anderen Zielsetzungen. Das Basiskonzept der Balanced Scorecard ist eng an den Belangen von Industrieunter­nehmen ausgerichtet, so daB einige grundslltzliche Anpassungen fUr den Dienstleis­tungssektor, trotz der hohen Aligemeingiiltigkeit des Konzepts, vorgenommen werden mUssen. So 1ll8t sich fUr Unternehmen mit geringer Kapitalintensitllt (bezUglich indus­trieller Produktionsanlagen) die Geschllftsproze8-Perspektive, hier speziell die oft zu beobachtenden Produktivitilts- und ZeitmaSe (z. B. Ausschu8raten und Durchlaufzei­ten), nur schwer von der Lern-/Wachstumsperspektive trennen. Mitarbeiter und Infor­mationstechnologie werden immer mehr zu den entscheidenden Ressourcen, sie bestimmen maSgeblich die Flexibilitilt, Produktivitilt und Innovationsflihigkeit eines Untemehmens. Aus diesem Grund werden bier die Geschliftsproze8- sowie die Lem­und Wachstumsperspektive zu einer gemeinsamen Proze8- und Ressourcenperspektive zusammengefaS~8, wodurch deren Bedeutung jedoch nicht geschmlllert oder in Frage gestellt werden solI.

46 VgI. Guldin. A. (Unternehmenssteuerung 1997), S.294 f. 47 VgI. Grothe. M. (Business Intelligence 1999). S.179 f. 48 VgI. auch das Beispiel der Firma E. Breuninger GmbH & Co. in Guldin. A. (Unternehmenssteuerung

1997). S.294 f.

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Flnanzen

Kunde

Interne Geschifts­prozesse und Aessourcen

STEFAN BAUMERT UND FRANK ALBE

Leistungs­triger

Integration derWert·

schOpfungs kette

Abbildung 5: Modifizierte Ursache-Wirkungs-Kette der TUI Deutschland49

Abb. 5 zeigt ein mogliches Ursache-Wirkungsschema, das die einzelnen Perspekti yen rniteinander verkniipft. Es sei an dieser Stelle ausdriicklich darauf hingewiesen, daB auch diese Ursache-Wirkungs-Kette letztendlich untemehmensindividuell erarbeitet werden muB, nachdem die strategischen Ziele fUr jede der Perspektiven formuliert wur­den.

3.2. Auswahl geeigneter Scorecard-Kennzahlen

Die Auswahl geeigneter Kennzahlen darf nie der erste Schritt in einem Scorecard­Projekt sein. Vielmehr sind bereits im'Vorfeld die wirklich zeitaufwendigen, dafUr aber urn so wertvolleren Aufgaben zu meistem: Innerhalb des Top-Managements muB ein Konsens iiber die Gesamtstrategie, die strategischen Ziele in jeder der Perspektiven so­wie beziiglich der Ursache-Wirkungs-Zusammenhiinge zur Erreichung dieser Ziele ent­stehen.

AnschlieBend kann die Suche nach geeigneten Kennzahlen zur Messung der strategi­schen Ziele beginnen, gefolgt von der Bestimmung von Soll-Werten und -Terminen fUr jede Kennzahl. Daraufhin miissen MaBnahmen zur Erreichung dieser Zielvorgaben de­finiert werden, urn schlieBlich eine strategiekonforme Ressourcenallokation sicherzu­stellen. Auf diesem Wege soli die traditionell bestehende Liicke zwischen Strategie und Budget geschlossen werden. Dariiber hinaus ist in diesem ProzeBschritt implizit ein ers­ter Strategiecheck enthalten, da erst bei der Verkniipfung mit operativen Budgets deut-

49 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Kaplan, R. S./Norton, D. P. (Balanced Scorecard 1996b), S. 31.

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STRATEGIE 1M WANDEL 85

lich wird, ob die Zielvorgaben sich realistisch in dem geplanten Zeitraum umsetzen las­sen.

Die eigentliche Auswahl der Kennzahlen stellt also lediglich einen kIeinen Ausschnitt im ProzeB der Scorecard-Erstellung dar. Der Grund, warum diesem Schritt hier dennoch besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden soIl, Iiegt in der Tatsache, daB gerade durch die Auswahl einiger kritischer und plakativer Kennzahlen das Interesse der Ge­schaftsfUhrung an der Balanced Scorecard geweckt werden kann. Nicht immer werden aIle Mitglieder der GeschaftsfUhrung die EinfUhrung eines solchen (bei richtiger An­wendung sehr aufwendigen) neuen Management-Systems bedingungslos unterstiitzen. Urn Barrieren abzubauen, kann es daher sinnvoll sein, einige Vorschlage zu machen und somit gleichzeitig auf die heute schon bestehenden Auswertungsmoglichkeiten moder­ner Informationssysteme hinzuweisen. SchIieBIich gilt es dem Argument vorzubeugen, die Erfassung von nicht-monetaren Kennzahlen konne nur mit erheblichen Erweite­rungsinvestitionen in die betrieblichen Informationssysteme erreicht werden.

Die Gefahr eines solchen Vorgehens liegt in der Moglichkeit, daB die z. B. yom Cont­rolling erarbeiteten Kennzahlen yom Top-Management als wiIIkommene Gelegenheit betrachtet werden, sich nicht den eigentlich vorangehenden Diskussionsrunden stellen zu mUssen. Ohne diesen grundsatzlichen Konsens bezUglich Strategie und strategischen Zielen wird diesen Kennzahlen jedoch zukiinftig die Akzeptanz in der Organisation feh­len, sie werden ihre Aufgabe als Instrument zur Kommunikation der Strategie nicht er­fUIlen konnen. Sie bllihen das Berichtswesen nur zusatzlich auf, anstatt es auf einige wesentliche GroBen zu reduzieren.

Urn dies zu verhindem und damit dem Scheitem einer Balanced Scorecard-EinfUhrung vorzubeugen, bedarf es einer eindeutigen Kommunikation seitens des Controlling bzw. eines extemen Moderators.

Die Kennzahlen der Balanced Scorecard werden also zunachst nach dem Top-Down­Prinzip aus der Untemehmensstrategie abgeleitet, im laufenden Gebrauch erfolgt durch den eingeIeiteten strategischen LemprozeB evtl. eine Anpassung (Bottom-Up). Gleich­zeitig sollte jedoch eine Bestandsaufnahme der bisherigen BerichtsgroBen erfolgen, bei der aile Kennzahlen an ihrer Bedeutung fUr die Strategie gemessen werden. Die Balan­ced Scorecard soIl zwar weder Feinsteuerungsinstrumente noch die Kostenrechnung ersetzen, alte Statistiken, die historisch gewachsen oder kuItureIl bedingt erstellt wer­den, mUssen jedoch bewuBt abgelOst werden. Hinzu kommt, daB viele Kennzahlen zwar strategiekonform sind, es jedoch ausreicht, sie mitteIs eines Ausnahme-Berichtswesens zu iiberwachen, falls kein akuter Handlungsbedarf besteht.

AuBerdem muB bei der Auswahl von Kennzahlen immer die jeweils betrachtete Leis­tungsebene berlicksichtigt werden, d. h. es muB ein tatsachlicher Verantwortungsbezug und damit eine direkte BeeinfIuBbarkeit der Kennzahlen durch die organisatorische Ein­heit, fUr welche die Scorecard erstellt werden soIl, bestehen. So kann zwar die Kunden­zufriedenheit Bestandteil der GeschliftsfUhrungs-Scorecard sein, deren Aufgliederung in einzelne Bestandteile, z. B. die Zufriedenheit der Kunden beziiglich einzelner Leistun­gen (Flug, Hotel etc.), dUrfte jedoch erst in der Scorecard einer vorgelagerten Leistungs­ebene, in diesem FaIle des Qualitatsmanagements bzw. Kundendienstes, erfolgen. Die Unterscheidung zwischen vor- und nachgelagerten Leistungsebenen orientiert sich dabei

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86 STEFAN BAUMERT UND FRANK ALBE

nicht an der Aufbau-, sondem vielmehr an der Ablauforganisation bzw. den Geschiifts­prozessen des Untemehmens.

Strategieorientierung

entscheidend zurMessung der Strategie-

umsetzung

notwendig zur Verwirklichung

strategischer Ziele

historisch gewachsen

oder kulturell bedingt

'I'

Kennzahl gehort evtl. in die Scorecard der Engere

vorgelagerten Auswahl Leistungsebene

Hygienefaktoren bzw. K.O. Kritierien evtl. Monitoring durch

Exception Reporting auf der jeweiligen Leistungsebene

Anpassen z. B. hinsichtlich Definition oder

Berichtsrhythmus oder Eliminieren

Input einer vorgelagerten

Leistungsebene

Erhebungsaufwand minimieren,

wenn moglich schrittweise

Eliminierung

Input einer nachgelagerten Leistungsebene

Abbildung 6: K riterien zur Auswahl von Scorecard-Kennzahlen. Quelle: Eigene Darstellung.

V erantwortungs­bezug bzw.

BeeinfluBbarkeit

Abb. 6 dient als schematische Hilfestellung bei der Auswahl von Scorecard-Kennzahlen einer bestimmten Leistungsebene. Mogliche Ergebnisse eines so1chen Selektionsprozes­ses sind in Abb. 7 am Beispiel der GeschaftsfUhrung der TUl Deutschland zusammenge­faBt.

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STRATEGIE 1M WANDEL

Strategi . r ~ nen lerung

, "

entscheidend zur Messung der Strategie -

umsetzung

r

Auslastung bestimmter Relationen,

Anteile einzelner Reisebiiro-ketten oder Hotelgesell-

schaften an der Wertschopfung

Umsatzanteil Ertragswert, Eigenvertrieb, Anteil Planerreichung

Exklusiv-Hotels, Umsatz und DB, ~ertschopfungstiefe Risikodeckung

Wiederbucherquote Bearbeitungszeit Gastezufriedenheit fOr Reklamationen, Reklamationsquote Anteil Online-

Umsatz je Expedient Arbeitsplatze

9 r

notwendig zu Verwirklichun strategische VerfOgbarkeiWerarbeitungszeiten des Reservierungssystems

Ziele

historisch gewachsen

oder kulture bedingt

II

Rein intern undloder vergangenheitsorientierte

Betrachtungen, ErgebnisgroBen (z.B.

Dekungsbeitrage) ohne definierte Verantwortlichkeiten

Input elner vorgelagerten

Leistungsebene

Undifferenzierte Betrachtungen der verschiedenen Produkt-Kategorien,

z.B. Deckungsbeitrag je "Gas!"

Input elner nachgelagerten Leistungsebene

..lII -

87

Verant­wortungs­

bezug bzw. BeeinfluB-

barkeit

Abbildung 7: Kennzahlenvorschliige fiir die Scorecard der TUI Deutschland Geschlifts­fiihrung. Quelle: Eigene Darstellung.

3.3. Vorgehensweise zur Einfiihrung einer Balanced Scorecard

Zunachst gilt es, die notwendigen Voraussetzungen zur Einfiihrung einer Balanced Sco­recard zu schaffen, d. h. es muB gemeinsames Strategieverstandnis aller Mitglieder der Geschliftsfiihrung erreicht werden. Dieser erste Schritt wird von KAPLAN/NORTON sowie in den meisten Paxisberichten nicht detailliert behandelt, stellt jedoch eine wesentliche Htirde dar, die zu tiberwinden gilt. Daher empfiehlt sich ein schrittweises Vorgehen:

Interesse wecken

Mit Hilfe eines entscheidungskrliftigen und innovationsfreudigen Sponsors gilt es, das Interesse der gesamten Geschliftsleitung zu wecken. Zu diesem Zweck werden regelmii­Big zu den Sitzungen der Geschliftsfiihrung bereits verftigbare Kennzahlen der verschie­denen Perspektiven priisentiert, wodurch eine Diskussion tiber die kritischen Leistungs­treiber angeregt werden soll. Es entsteht der von KAPLAN/NORToN geforderte "shared view of business". Urn keine Barrieren aufzubauen, kann es sinnvoll sein, auf die Be­zeichnung "Balanced Scorecard" sowie den Hinweis, ein neues Management-Konzept einftihren zu wollen, bewuBt zu verzichten.

Andere mit ins Boot holen

Schrittweise werden die regelmiiBigen Berichte urn Kennzahlen erganzt, welche die Ge­schiiftsfiihrung gemeinsam definiert hat. Selbst wenn, wie im Falle der TUI, eine Viel­zahl der in Frage kommenden Kennzahlen bereits aus einer zentralen Datenbank, dem seit 1997 bestehenden TUFfS (TUI Ftihrungs- und Informationssystem) Data Warehou­se, abrufbar sind, sollte aus Akzeptanzgrlinden in jedem Fall die Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Fachbereich gesucht werden. Auch die Performance-Kommentierung

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88 STEFAN BAUMERT UND FRANK ALBE

sollte nicht von einer zentralen Stelle im Untemehmen, etwa dem Controlling, vorge­nommen werden.

Den StartschuB geben

Spl1testens jetzt ist es an der Zeit, dem "kIassischen" Vorgehen folgend, Management­Workshops einzuberufen, urn die zuldinftig zu berichtenden Kennzahlen festzulegen.

Bis zu diesem Zeitpunkt bedarf es noch keinerlei IT-Untersrutzung, denn ebenso wie die Kennzahlen hat die Informationstechnologie hier nur einen untergeordneten Stellenwert.

Um dem Kommunikationsaspekt Rechnung zu tragen, sollte auch zuldinftig auf eine "Papier-Version" nicht verzichtet werden. Erste "Online-Versionen" der Balanced Sco­recard mUssen noch keine OLAP- oder Data Mining-Funktionalitliten bieten, es kann sich urn reine sogenann~e "BSC-Viewer" handeln.

1st das Interesse geweckt und das Ziel der Scorecard-Einflihrung kIar kommuniziert, sollte ein Team zusammengestellt werden, daB einen EIS-Prototypen mit weiterfUhren­den Funktionalitl1ten entwickelt.

Der Prototyp sollte eine einheitliche Datenbasis haben. Uber kurz oder lang werden Da­ten, die es wert sind, in einer Balanced Scorecard zur Messung und Beurteilung der Strategie betrachtet zu werden, auch in ein Data Warehouse integriert werden. Letztlich ermBglicht die EinfUhrung einer Balanced Scorecard auf diesem Weg eine Bewertung der betrieblichen Informationssysteme unter strategischen Gesichtspunkten.

Das Produkt vermarkten

Der Einsatz der Balanced Scorecard darf nicht auf das Top-Management beschrlinkt bleiben. FUr eine Verbreitung gilt es emeut, Interesse zu wecken, diesmal allerdings mit dem Vorteil, ein Produkt statt einer Idee zu vermarkten.

Gleichzeitig mit einem solchen Roll-Out im Untemehmen muB eine Verknilpfung mit den betrieblichen Anreizsystemen erfolgen, so daB im Idealfall jeder Mitarbeiter seine eigene Scorecard erhl1lt, die in der Finanz-Perspektive seine variablen Gehaltsbestand­teile als finanziellen Ziele enthl1lt. Diese Integration in ein oftmals schon bestehende "Management by Objectives" kann somit einen Multiplikatoreffekt erzeugen.

4. Fazit und Ausblick

Entscheidend fUr den Erfolg einer solchen Scorecard-EinfUhrung ist die Einsicht, daB halbherzige Versuche kaurn Aussicht auf Erfolg haben, da ihnen die Akzeptanz fehlen wird, wodurch die Balanced Scorecard sich tatsl1chlich als Modeprodukt in eine lange Reihe von (gescheiterten) Management-Konzepten einordnen wUrde.

Die EntwickIung einer Balanced Scorecard ist jedoch erst der Anfang, wichtiger ist die regelmliBige Nutzung: "Companies using the Balanced Scorecard as a the comerstore of

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STRATEGffi IMW ANDEL 89

a new strategic management system have two tasks: first, they must build the scorecard, and, second, they must use the scorecard."5O Die weitaus grOBere Herausforderung wird somit in der regelmliBigen Nutzung einer einmal erarbeiteten Scorecard Iiegen, woran letztlich auch der Erfolg der Methode ge­messen werden moB.

Soli die Balanced Scorecard sich im UntemehmensaiItag bewiihren, moB sie zu einem dynarnischen System entwickelt werden, in welchem vor aIIem die Feedback-Schleifen beziiglich Zielerreichung, Ursache-Wirkungs-Kette und letztlich der Strategie institutio­nalisiert werden miissen, urn tatslichlich einen strategischen LemprozeB einleiten zu k5nnen.

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90 STEFAN BAUMERT UND FRANK ALBE

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Strategisches Management und die Bew8ltigung von Risiken

Prof. Dr. Uwe Giitze* unil Dr. Barbara Mikus**

1. Einleitung

2. Zum Verhiiltnis zwischen strategischem Management und Risikomanagement

3. Instrumente des strategischen Management als Mittel zur Risikohandhabung

3.1. Einftihrung

3.2. Untemehmens- und Umweltanalyse und -prognose

3.3. Chancen-Gefahren-Analyse

3.4. Frlihaufklllrungssysteme

3.5. Szenario-Technik

3.6. Space-Analyse

3.7. TOWS-Analyse

3.8. Portfolio-Technik

4. Spezielles Risikomanagement als Element des strategischen Management

5. Schlu8betrachtung

'" Prof. Dr. Uwe ffiltze. Studium der Betriebswirtschaftslehre in ffilttingen. Diplom-Kaufmann 1985. Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut fUr betriebswirtschaftiche Produktions- und Investitionsfor­schung. Promotion 1991. Wissenschaftlicher Assistent am selben Institut. Habilitation 1996. seit 1997 ordentlicher Professor an der Technischen Universitlit Chemnitz. Inhaber eines Lehrstuhls fUr Unter­nehmensrechnung und Controlling.

"'* Dr. Barbara Mikus. Studium der Betriebswirtschaftslehre in ffilttingen. Diplom-Kauffrau 1994. Wis­senschaftliche Mitarbeiterin am Institut fUr betriebswirtschaftliche Produktions- und Investitionsfor­schung. Promotion 1998. seitdem wissenschaftliche Assistentin am selben Institut.

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92 UWE GOTzE UND BARBARA MIKus

1. Einleitung

Durch das im Jahr 1998 verabschiedete Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unter­nehmensbereich (KonTraG) werden Aktiengesellschaften verpflichtet, ein internes Risi­komanagement- und Uberwachungssystem zu errichten, mit dem unternehmensgefahr­dende Entwicklungen fiiihzeitig erkannt und abgewendet werden sollen, urn so den Fortbestand der Gesellschaft zu sichern.1

Dieses Gesetz ruft ein erh6htes Interesse am Management von Risiken hervor, die als Gefahr ungiinstiger zukiinftiger Entwicklungen oder von Fehlentscheidungen, durch die ein Ziel nicht in dem angestrebten Umfang erreicht wird, verstanden werden k6nnen.2 In der aktuellen Literatur nimmt demgemilB die Auseinandersetzung mit dem Risikomana­gement zu. Gleichzeitig richtet sich der Blick aufgrund der besonderen Bedeutung "be­standsgefiihrdender" Risiken auf die strategische Ebene der Unternehmensftihrung, in diesem Zusammenhang wird auch von einem strategischen Risikomanagement gespro­chen. Dem (strategischen) Risikomanagement werden au6erdem Instrumente zugeord­net, die als Instrumente des allgemeinen strategischen Management anzusehen sind.3

Aus dieser Gleichsetzung von Aufgaben und Instrumenten des strategischen Manage­ment und des Risikomanagement resultiert das Anliegen dieses Aufsatzes, in dem die Beziehung zwischen diesen beiden Managementbereichen untersucht werden soIl. Dazu ist zuniichst zu hinterfragen, ob das strategische Management in seiner urspriinglichen Form schon zur Bewliltigung von Risiken beitriigt und inwiefern das Risikomanagement als Bestandteil des (strategischen) Management aufgefaBt werden kann (Abschnitt 2.). Daraufhin wird analysiert, welchen Beitrag bestimmte, besonders geeignet erscheinende Instrumente des strategischen Management fUr die Risikohandhabung leisten k6nnen (Abschnitt 3.). Danach wird auf spezielle Aktivitliten, Instrumente und MaBnahmen des Risikomanagement eingegangen, die im Rahmen des strategischen Management zu ei­ner intensiveren Auseinandersetzung mit Risiken und ihrer Bewliltigung genutzt werden k6nnen (Abschnitt 4.).

2. Zum VerhaItnis zwischen strategischem Management und Risiko­management

Das strategische Management dient der langfristigen Sicherung der UberlebensJiihigkeit des Untemehmens.4 Bereits aus dieser tibergeordneten Zielsetzung wird der enge Bezug zu den Risiken des Unternehmens deutlich. Dieser lilBt sich auch aus der Entstehungs­geschichte des strategischen Management ableiten: ANSOFF erhebt Mitte der 70er Jahre als Reaktion auf zunehmende Umweltturbulenzen die Forderung nach strategischer Un­ternehmensftihrung, und ALBACH sieht 1978 strategische Planung und strategische Ftih-

1 Vgl. Seidel, U.: (Auswirkungen), S. 363 f.; Kless. T.: (Beherrschung). S. 96; LUck, W.: (Umgang). S. 1925; Graumann. M.: (AbschluSprUfung). S. 665 f.; Neumann. H.: (Autbau). S. 721. Das Risiko­management bOrsennotierter Aktiengesellschaften ist bei der AbschluBprUfung expJizit auf seine An­gemessenheit zu kontrollieren.

2 Zu dieser Definition vgl. z. B. Mensch. G.: (Risiko). S. 42 f .• zu weiteren Risikodefinitionen vgl. Mi­kus. B.: (Make-or-buy-Entscheidungen). S. 170 f.

3 Vgl. Holst. J.: (Risikomanagement). S. 43 ff.; Neumann, H.: (Autbau), S. 725 ff.; Haller. M.: (Ent­wickiung). S. 126.

4 Vgl. Glilweiler. A.: (Unternehmensplanung). S. 84.

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STRATEGISCHES MANAGEMENT UND DIE BEW ALTIGUNG VON RISIKEN 93

rung als Mittel zur Bewiiltigung des erhohten Risikos von Untemehmen an;' ihm zufol­ge hat die strategische Planung "im wesentlichen die Aufgabe, Risiken der Umwelt vor­ausschauend zu erkennen, zu begrenzen oder zu vermeiden"'.

Zur Erreichung des Ziels der Sicherung der Uberlebensflihigkeit ist es notwendig, so­wohl fur das Untemehmen insgesamt als auch fur dessen Geschafts- und Funktionsbe­reiche Erjolgspotentiale, d. h. Voraussetzungen fur die zukiinftige Erfolgssicherung, die Erwirtschaftung von Finanzmitteln sowie die Erfiillung weiterer Ziele, zu erkennen, aufzubauen und zu halten.7 Damit ist die Notwendigkeit verbunden, die hinsichtlich der Erfolgspotentiale bestehenden Risiken sowie Risikopotentiale zu identifizieren und zu analysieren, urn adaquate MaBnahmen zur Risikohandhabung ergreifen zu konnen und damit ebenfalls zur Untemehmenssicherung beizutragen.

Entscheidungsprobleme der strategischen Fiihrungsebene sind zudem in der Regel durch einige Merkmale charakterisiert, die die besondere Bedeutung von Risiken und ihrer Bewiiltigung begrtinden. Zu diesen zlihlen der langfristige Planungshorizont, die Kom­plexitat der Altemativen, der erforderliche groBe Ressourceneinsatz, der starke EinfluB von Umweltentwicklungen auf die Wirkungen der Entscheidungen, die schlechte Revi­dierbarkeit der Entscheidungen und ihrer Folgen sowie der hohe EinfluB der Entschei­dungen auf die Untemehmensergebnisse und damit auch deren Wichtigkeit fi.ir die Exi­stenz des Untemehmens. AuBerdem sind strategische Planungsprobleme schlecht­strukturiert und mit hoher Unsicherheit verbunden.8

Das strategische Management soBte Unsicherheiten verringem und eine hohe Wahr­scheinlichkeit der Zielerreichung gewlihrleisten. Die Reduktion der Unsicherheit kann als Funktion sowohl der Planung als auch der Kontrolle angesehen werden.9 Eine direkte oder indirekte Einbeziehung der Unsicherheit bzw. der daraus resultierenden Risiken wird demgemaB in verschiedenen Planungs- und Kontrollphasen des strategischen Ma­nagement vorgenommen.1O Beispielsweise wird mit der Bildung eines Untemehmens­leitbildes unter anderem das Ziel verfolgt, zur Verringerung von Entscheidungsunsi­cherheiten beizutragen. Bei der Festlegung strategischer Ziele sind auch Aussagen zur Risikobereitschaft oder zu Sicherheitszielen des Untemehmens zu treffen, beispielswei­se konnen zu den Formalzielen des Untemehmens neben Gewinnstreben, okologischer Verantwortung, Wachstum, Image und Unabhangigkeit auch die Existenzsicherung oder die Sicherung der Wettbewerbsflihigkeit zlihlen. Durch die Zielbildung wird zudem das AusmaB der Risiken (im Sinne einer Nichterreichung der gesetzten Ziele) determi­niert. 11 Die Analyse und Prognose der Umwelt dient primae dazu, die Chancen und Risi­ken des Untemehmens zu identifizieren, die aus der Umwelt resultieren, wobei vor al-

5 Vgl. Ansoff, H.I.: (Managing), S. 21, zitiert nach Albach, H.: (Dntemehrnensplanung), S. 702; Albach, H.: (Dntemehmensplanung), S. 703.

6 Albach, H.: (Dntemehmensplanung), S. 714. 7 Vgl. Giilweiler, A.: (Untemehmensftihrung), S. 26; Mensch, G.: (Risiko), S. 65; Gotze, D.; Rudolph,

F.: (Instrumente), S. 3. 8 Vgl. Gotze, D.; Bloech, J.: (Investitionsrechnung), S. 15. 9 Vgl. Wild, J.: (Grundlagen), S. 15 ff. 10 Zu den Planungs- und Kontrollphasen des strategischen Piihrnngsprozesses vgl. Welge, M.K.; Al­

Laham, A.: (planung), S. 43 f.; Gotze, D.; Rudolph, P.: (Instrumente), S. 4 ff.; Pekayvaz, B.: (pla­nung), S. 29.

11 Zur Einbeziehung des Risikos bei der Zielbildung vgl. Mikus, B.: (Make-or-buy-Entscheidungen), S. 185 ff.

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94 UWE GOTZE UND BARBARA MIKus

lem die Entwicklungen auf den fUr die eigenen Produkte relevanten Mm-kten fUr das langfristige Uberleben des Untemehmens wichtig sind. Zusammen mit den Stm-ken und Schwachen des Unternehmens bilden die Chancen und Risiken die Grundlage der Stra­tegieentwicklung. Des weiteren werden in der strategischen Planung oftmals Strategien formuliert, die sich direkt auf die Handhabung von Risiken richten. Hierzu zlihlen Di­versifikationsstrategien sowie spezielle Beschaffungsstrategien, wie das Multiple Sour­cing. Auch bei der Strategieauswahl konnen Unsicherheiten mit Hilfe geeigneter Mo­delle und Verfahren beriicksichtigt werden. Die strategische Kontrolle wird oftmals zukunftsorientiert ausgerichtet, urn friihzeitig relevante Entwicklungen sowie die daraus entstehenden Chancen und Risiken aufdecken zu konnen.

Aus diesen AusfUhrungen wird ersichtlich, daB Risiken fUr das strategische Manage­ment eine groBe Bedeutung haben und in allen seinen Phasen einbezogen werden. Die Risikohandhabung in der UnternehmensfUhrung wird hliufig einer spezifischen Funktion oder Institution zugeordnet, der des Risikomanagement. Es stellt sich daher die Frage nach der Beziehung zwischen diesem und dem strategischen Management. Zur Beant­wortung dieser Frage ist hinsichtlich des Risikomanagement zwischen einer engen (spe­zielles Risikomanagement) und einer wei ten Konzeption (generelles Risikomanage­ment) zu unterscheidenY

Die Aufgaben des speziellen Risikomanagement bestehen in der Absicherung gegen negative Veranderungen der Rahmenbedingungen der unternehmerischen Tatigkeiten sowie in einer Erfassung und Beeinflussung der Risikoursachen und -wirkungen, durch die der Zielerreichungsgrad erhoht wird.13 FUr die zweckmaBige Strukturierung dieser Aufgabe ist ein gesonderter ProzeB entwickelt worden, in dem die Risikohandhabung in aufeinanderfolgende Phasen unterteilt wird. Dieser Risikomanagementprozej3 urnfaBt einen Planungsablauf mit den Phasen Risikoanalyse (Identifizierung moglicher Risiken, Untersuchung ihrer Ursachen und Wirkungen, Bewertung der aufgedeckten Risikopo­tentiale), Suche nach risikopolitischen MaBnahmen sowie deren Bewertung und Aus­wahl. Weitere Elemente dieses Prozesses stellen die auf die Planung folgende Realisa­tion sowie die Kontrolle der festgelegten Risikopolitik dar. 14

Bei der engen Konzeption erfolgt jedoch eine Beschrankung auf eine Teilmenge der tatsachlichen Risiken, die vorwiegend der operativen Entscheidungsebene zuzuordnen iSt. 15 AuBerdem werden in Anlehnung an die Definition in Abschnitt 1. lediglich "reine" Risiken, d. h. Risiken, die sich nur auf die Gefahr einer negativen Zielabweichung be­ziehen, erfaBt, und es wird eine Eingrenzung auf die bezUglich einer Entscheidung bzw. der dabei gewlihlten Alternative bestehenden Risiken, die sog. Einzelrisiken, vorge­nommen. Urn die Gefahr von Fehlentscheidungen und damit das Risiko moglichst zu verringern, sollten jedoch samtliche relevanten Risikoursachen und deren eventuelle Auswirkungen auf die Zielerreichung im Rahmen eines generellen Risikomanagement bei jeder unternehmerischen Entscheidung berUcksichtigt werden. 16 Eine Beschrankung auf bestimmte Risikoarten und die Untersuchung von Einzelrisiken wUrde verhindern, deren Bedeutung fUr das unternehmerische Gesamtrisiko, das sich durch die Summe

12 Vgl. Mikus, B.: (Risikomanagement), S. 105 ff. 13 Vgl. Haller, M.: (Risiko-Management), S. 38 f.; Hiirterich, S.: (Risk), S. 37 f. 14 Vgl. Farny, D.: (Grundfragen), S. 31 ff.; Hllrterich, S.: (Risk), S. 50. IS Vgl. Haller, M.: (Entwicklung), S. 121 und S. 126. 16 Vgl. Hahn, D.: (Risiko-Management), S. 138; Fasse, F.-W.: (Risk-Management), S. 73.

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SlRATEGISCHES MANAGEMENT UND Dm BEWALTIGUNG VON RISIKEN 95

slimtlicher Entscheidungen ergibt, zu erkennen und einzubeziehen. Dies kann aber als wichtige Aufgabe der Untemehmensfiihrung im Hinblick auf die Bewliltigung von Risi­ken angesehen werden. Zudem macht der Einflu6 "spekulativer" Risiken auf die Zieler­reichung, d. h. von Risiken, die mit der Moglichkeit von positiven und negativen Ziel­abweichungen verbunden sind, deren Beriicksichtigung im Rahmen eines Risikomana­gement unverzichtbar.17

Neben der Erweiterung des objektbezogenen Anwendungsbereichs wird beim generellen Risikomanagement eine Ausdehnung des zeitlichen Bezugsrahmens vorgeschlagen, die zu einer stiirkeren prospektiven Einflu6nahme auf das Risiko ftihrt, wie sie auch fUr das strategische Management charakteristisch ist. Daher wird in diesem Zusammenbang auch von einem strategischen Risikomanagement gesprochen.18 Die weite Konzeption des Risikomanagements beinhaltet "die Gesamtheit der (willensbildenden) Institutionen, Prozesse und Instrumente, welche auf eine zielgerechte Gestaltung der Risikolage bzw. der Sicherheitslage des Wirtschaftssubjekts ausgerichtet sind und damit der Risikopro­blemlosung dienen."19 Damit besteht eine Analogie zum Management allgemein.

Das generelle Risikomanagement befa6t sich mit den gleichen Probiemstellungen wie die Untemehmensfiihrung insgesamt, allerdings unter bewu6ter Betonung des Risi­koaspektes. Diese weite Konzeption des Risikomanagement, die das spezielle Risiko­management beinhaltet, ist demnach kaum von der allgemeinen Untemehmensfilhrung zu trennen.20 Ein solches Risikomanagement solI durch die explizite Einbeziehung von Chancen und Risiken verhindem, daB das Untemehmen in eine Krisensituation gerl1t,21 und damit zur Sicherung sowie zur erfolgreichen Weiterentwicklung des Untemehmens beitragen. Die im Vergleich zum allgemeinen Management besonders ausgepriigten Funktionen des Risikomanagement bestehen unter anderem darin, das Risikobewu6tsein der Mitarbeiter zu stiirken, so daB die relevanten Storpotentiale und Risiken bei allen Fiihrungsaktivitiiten vorausschauend identifiziert und beurteilt werden.22 AuBerdem sind die Einzelentscheidungen im Hinblick auf ihre Konsequenzen fUr das untemehmerische Gesamtrisiko so zu steuem, daB die Sicherheit des Untemehmens erhoht wird; diesem Ziel kann auch der Austausch von Einzelrisiken dienen.23

17 Vgl. Famy, D.: (Grundfragen), S. 21; Mag, W.: (Risiko), S. 491. 1m folgenden wird entweder der Begriff "Risiko" in diesem weiten Sinn verwendet oder aber explizit von "Chancen und Risiken" ge­sprochen.

18 Vgl. Haller, M.: (Entwieldung), S. 126; Holst, J.: (Risikomanagement), S. 43 ff. 19 Fasse, F.-W.: (Risk-Management), S. 61. 20 Vgl. Mensch, G.: (Risiko), S. 61; Hahn, D.: (Risiko-Management), S. 138. 21 Das Risikomanagement ist damit vom Krisenmanagement abzugrenzen, das der Bewliltigung Dber­

lebenskritischer Situationen dient. 1m Gegensatz dazu wird mit dem Risikomanagement angestrebt, das Bintreten derartiger Situationen zu verhindem. Au8erdem bezieht das Risikomanagement aueh Risiken ein, die nieht zu einer Krise ftlhren. Vgl. Sehuy, A.: (Risiko-Management), S. 33; Haller, M.: (Risiko­Management), S. 17. KRYSTBK hingegen sieht a1s Ziel des Krisenmanagement neben der Bewltltigung auch die Vermeidung von Krisen an. Vgl. Krystek, U.: (Untemehmungskrisen), S. 90.

22 VgI. Haller, M.: (Risiko-Management), S. 9; Mensch, G.: (Risiko), S. 18 und S. 60; Hahn, D.: (Risiko­Management), S. 139.

23 Vgl. Mensch, G.: (Risiko), S. 66 ff.; Fasse, F.-W.: (Risk-Management), S. 75 und S. 81.

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Spekulative Risiken

Reine Risiken

Einzelrisiken

UWE G01ZE UND BARBARA MIKus

Untemehmerisches Gesamtrisiko

Abbildung 1: Risikoarten und Risikomanagement-Konzepte24

Abbildung 1 deutet die hinsichtlich der erfaBten Risikoarten bestehenden Unterschiede zwischen dem spezielIen und dem generelIen Risikomanagement ebenso an wie die Verflechtung zwischen dem letztgenannten und dem Management allgemein. Das Risi­komanagement wird als Bestandteil des Management bzw. der UntemehmensfUhrung angesehen. Bine besonders enge Beziehung besteht gemaB den obigen AusfUhrungen zwischen dem strategischenManagement und dem generelIen Risikomanagement.25 1m folgenden solI daher untersucht werden, in welcher Form die Instrumente des strategi­schen Management auch zur Beherrschung von Risiken geeignet sind.

3. Instrumente des strategischen Management als Mittel zur Risiko­handhabung

3.1. Einfiihrung

1m Rahmen des strategischen Management lassen sich eine Vielzahl von Instrumenten nUtzen, die entweder spezielI fUr strategische ProblemstelIungen entwickelt worden sind oder aber alIgemein fi.ir die Aufgaben der Untemehmensftihrung Verwendung finden konnen.26 Einige der alIgemein anwendbaren Managementinstrumente konnen auch zur Identifikation oder Untersuchung von Risiken oder zur Vorbereitung von Entscheidun­gen tiber den Einsatz risikopolitischer MaBnahmen eingesetzt werden, beispielsweise Kreativitatstechniken, Prognoseverfahren oder EntscheidungsmodelIe unter Unsicher­heit und Verfahren zu deren Auswertung. Diese sollen hier nicht erortert werden; es erfolgt vielmehr eine DarstelIung und Diskussion der speziell ftir strategische Frage­stelIungen konzipierten Methoden, die nach Ansicht der Verfasser besonders fi.ir die

24 Quelle: In modifizierter Form iibernommen von Macharzina. K.: (Unternehmensfiihrung). S. 538. 25 ALBACH faRt das Risikomanagement sogar als Element der strategischen Unternehmensfiihrung auf.

V gl. Albach. H.: (Unternehmensplanung). S. 711. 26 Ein Uberblick iiber diese Instrumente soli hier nicht vermittelt werden. da dieses bereits an anderer

Stelle erfolgt ist. Vgl. z. B. Macharzina, K.: (Unternehmensfiihrung). S. 233 f.; GOtze. U.; Rudolph. F.: (Instrumente), S. 11 ff.; GOtze, U.; Mikus. B.: (Management). S. 18 ff.

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STRATEGISCHES MANAGEMENT UND DIE BEWALTIGUNG VON RrsIKEN 97

Handhabung von Risiken geeignet sind: Untemehmens- und Umweltanalyse und -pro­gnose, Chancen-Gefahren-Analyse, Friihaufkllirungssysteme, Szenario-Technik, Space­Analyse, TOWS-Analyse und Portfolio-Technik.

3.2. Unternehmens- nnd Umweltanalyse nnd -prognose

Die Untemehmens- und Umweltanalyse und -prognose kann als Instrument des strategi­schen Management oder als Phase strategischer Fiihrungsprozesse angesehen werden. Durch die Untemehmensanalyse und -prognose soIl - unter anderem mit Hilfe von Checklisten oder auf der Grundlage des Wertkettenkonzeptes von PORTER27 - ein mog­lichst objektives Bild des gegenwartigen und zukiinftigen Zustands des Untemehmens gewonnen werden. Thr Gegenstand sind in erster Linie die hinsichtlich der Produkte, der Leistungs- und der Fiihrungsfunktionen bestehenden Potentiale und deren Veriinderung. Die Ergebnisse der Untemehmensanalyse und -prognose, insbesondere die erkannten Schwachen, konnen als Ansatzpunkt fUr die Identifikation und Untersuchung von Risi­koursachen und Risiken genutzt werden.

Wie bereits erwahnt, sollen bei der Analyse und Prognose der Umwelt vor allem die Chancen und Risiken von Untemehmen identifiziert werden, die aus der Umweltent­wicklung resultieren. Gegenstande der Umweltanalyse und -prognose sind die verschie­denen Bereiche der globalen und der untemehmensspezifischen Umwelt, wobei die Branche einschlieBlich der Marktbedingungen und der Konkurrenten einen Schwer­punkt bildet. Grundlegende EinfluBfaktoren auf den Branchenwettbewerb sind nach PORTER - wie in Abbildung 2 dargestellt - die Rivalitat unter den bestehenden Unter­nehmen, die Verhandlungsstarke der Abnehmer und der Lieferanten sowie die Bedro­hung durch neue Konkurrenten und Ersatzprodukte oder -dienste,zs die damit explizit als Risikoursachen benannt werden.

Verhandlungs­stllrke der Lie­feranten

Lieferanten

Bedrohung durch Ersatzprodukte und -dienste

Wettbewerber in der Branche

Rivalitllt unter den bestehenden

Unternehmen

Abbildung 2: EinfluBgroBen auf den Branchenwettbewerb"

27 Vgl. Porter, M.E.: (Wettbewerbsvorteile), S. 59 ff.

Abnehmer

Verhandlungs­stllrkeder AI>­nehmer

28 Vgl. Porter, M.E.: (Wettbewerbsvorteile), S. 22 ff. sowie zu einer Auflistung von GroBen, die die HaupteinfluBfaktoren deterrninieren, Macharzina, K.: (UntemehmensfUhrung), S. 252.

2' QueUe: leicht modifiziert iibemommen von Porter, M.E.: (Wettbewerbsvorteile), S. 23.

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98 UWE Gb1zE UND BARBARA MIKus

Aus ihrer oben aufgefiihrten Hauptaufgabe, der Identifikation von Chancen und Risiken, ergibt sich eine immens hohe Bedeutung der Umweltanalyse und -prognose fUr die Handhabung der Unternehmensrisiken.30 Diese zeigt sich auch daran, daB die im fol­genden beschriebenen, fUr das Risikomanagement besonders relevanten Instrumente des strategischen Management entweder ebenfalls zur Umweltanalyse und -prognose geeig­net sind oder aber deren Ergebnisse weiter auswerten.

3.3. Cbancen-Gefahren-Analyse

Bei der zuvor beschriebenen Umwelt- und Unternehmensanalyse und -prognose wird nicht unbedingt eine Verbindung zwischen den unternehmensexternen und -internen Entwicklungen hergestellt. Der Nachteil der isolierten Betrachtung solI bei der Chancen­Gefahren-Analyse aufgehoben werden, indem die Ergebnisse der beiden Analysebe­reiche zusammengefiihrt und verglichen werden, urn daraus Entwicklungsmoglichkeiten (Chancen) und Risiken (Gefahren) fUr das Unternehmen abzuleiten.31 Die Vorgehens­weise dieses Instrumentes der strategischen Analyse ist in Abbildung 3 dargestellt.

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Abbildung 3: Konzeption der Chancen-Gefahren-Analyse32

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30 Vgl. AIbach, H.: (Untemehmensplanung), S. 713. 31 Vgl. Welge, M.K.; AI-Laham, A.: (planung), S. 128; Macharzina, K.: (Untemehmensfiihrung), S. 255. 32 QueUe: leicht modifiziert iibemommen von Welge, M.K.; AI-Laham, A.: (planung), S. 130.

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S1RATEGISCHES MANAGEMENT UNO Dm BEWALTIGUNG VON RISIKEN 99

Oem StiirkenlSchwlichen-Profil des Unternehmens werden Prognosen iiber relevante Umweltentwicklungen gegeniibergestellt. Bine Chance liegt vor, wenn eine bestimmte Umweltentwicklung mit einer Stiirke des Untemehmens zusammenfiillt, da das Unter­nehmen diese Entwicklung dann voraussichtlich besser nutzen kann als die Konkurrenz. Trifft eine Umweltentwicklung auf einen Bereich, in dem das Unternehmen eine Schwache aufweist, so ergibt sich aus dieser Kombination eine Gefahr. Aufgrund der vorgenommenen Verkniipfung von "Weaknesses", "Opportunities", "Threats" und "Strengths" wird fUr dieses Instrument auch die Bezeichnung WOTS UP-Analyse ver­wendet.33

Mit Hilfe der Chancen-Gefahren-Analyse lassen sich Risiken und Chancen sowie deren Ursachen identifizieren und analysieren. Es wird biermit ein Ansatz vorgestellt, bei dem exteme und interne Risikoursachen miteinander verkniipft werden ktinnen. Ein Ver­gleich oder eine Bewertung der Chancen und Risiken wird jedoch ebenso wenig vorge­nommen wie Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, die zur Risikobewliltigung beitragen ktinnen. Das Untemehmen wird lediglich auf Risikobereiche hingewiesen, denen Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte.

3.4. Friihaufkliirungssysteme

FUr die friihzeitige Wahmehmung relevanter Verlinderungen in der Umwelt und im Un­temehmen wird im Zusammenhang mit dem strategischen Management haufig der Ein­satz von Friihaufldiirungssystemen vorgeschlagen. Mit diesen sollen Informationen ge­wonnen werden, die Hinweise auf entsprechende Verlinderungen und damit auch Risi­koursachen mit einem erheblichen zeitlichen Vorl auf vor deren Eintritt lief em, urn den Handlungsspielraurn zu vergroBem und ein rechtzeitiges Reagieren zu ermtiglichen.34

In der Literatur werden mehrere Konzeptionen von Friihaufldlirungssystemen unter­schieden. Hinsichtlich der erfaBten Risiken ktinnen Systeme, bei denen lediglich Bedro­hungen beriicksichtigt werden (sog. Friihwamsysteme35), von solchen unterscbieden werden, die sowohl auf Bedrohungen als auch auf Chancen binweisen. In der Vergan­genheit standen Systeme der Friihwamung jm Vordergrund, wlihrend neuere Ansatze eine Friihaufkllirung unter Einbeziehung von Bedrohungen unll Chancen vomehmen.36

Die Erscheinungsformen von Friihaufkllirungssystemen lassen sich in drei Entwick­lungsstufen bzw. Generationen einordnen. Da die auf kurzfristigen ergebnis- und liqui­ditatsorientierten Planungsrechnungen basierenden Friihaufldiirungssysteme der ersten Generation lediglich fUr operativ/taktische Fiihrungsaktivitaten im Rahmen der Strate­gieimplementierung einsetzbar sind, sollen sie bier nicht weiter betrachtet werden.37

33 Vgl. Macharzina, K.: (Untemehmensfiihrung), S. 255. 34 Vgl. Mensch, G.: (Risiko), S. 193 f.; Welge, M.K.; AI-Laham, A.: (planung), S. 149; Krystek, U.;

Miiller-Stewens, G.: (Element), S. 913; LUck, W.: (Umgang), S. 1927. 35 Zur Konzeption eines Friihwarnsystems im Rahmen des Aufbaus eines Risikomanagement vgl. Neu­

mann, H.: (Aufbau), S. 725 ff. 36 Vgl. Welge, M.K.; AI-Laham, A.: (planung), S. 148. 37 Vgl. Welge, M.K.; AI-Laham, A.: (planung), S. 151; Fasse, F.-W.: (Risk-Management), S. 122.

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100 UWE GOlZE UNO BARBARA MIKus

Die indikatorengestiitzten Friihaufkliirungssysteme der zweiten Generation basieren auf der Beobachtung von Indikatoren, durch die bedeutende Entwicklungen schon angezeigt werden sollen, bevor sie sich auf das Untemehmen auswirken. Dabei wird davon aus­gegangen, daB es moglich ist, noch nicht direkt erkennbare, aber latent vorhandene Be­drohungen oder Chancen durch wahmehmbare Anderungen anderer Erscheinungen zu erfassen. Der Einsatz derartiger Frtihaufkliirungssysteme erfordert die Festlegung von untemehmensextemen und -intemen Beobachtungsbereichen sowie den darin jeweils zu iiberwachenden Indikatoren. Dabei soUte eine Orientierung an den verfolgten Zielen und den identifizierten Kausalbeziehungen in der Ursache-Wirkungs-Kette zwischen Risi­koursachen und ZielgroBe erfolgen. Die Indikatoren sollten moglichst durch eine starke Korrelation mit einem zielwirksamen EinfluB gekennzeichnet sein. AuBerdem sind vor­rangig diejenigen unsicheren Faktoren zu erfassen, die mit besonders gravierenden Risi­ken und Chancen verbunden sind.38

Um kritische Entwicklungen erkennen zu konnen, sind fiir die verwendeten Indikatoren jeweils Planwerte und angemessene Toleranzen sowie Vorgaben fiir die Informations­ermittlung festzulegen. Die Planwerte und Toleranzgrenzen sind von der angestrebten Zielausprligung und der Risikoeinstellung des Entscheidungstragers abhlingig. Die kriti­schen Werte geben an, bis zu welchem AusmaB sich ein Faktor verlindem darf, ohne daB geeignete MaBnahmen ergriffen werden miissen. Sie lassen sich mit Sensitivitlits­analysen oder Simulationen bestimmen, falls eine funktionale Beziehung zwischen dem Indikator und der ZielgroBe aufgestellt werden kann. Andemfalls konnen die Toleranz­grenzen lediglich intuitiv geschlitzt werden.39

In der Untemehmenspraxis sind die Friihaufkllirungssysteme der zweiten Generation am weitesten verbreitet. Thre Qualitlit hlingt jedoch von der Anzahl und der Aussagekraft der Indikatoren abo Bei deren Auswahl konnen lediglich bereits identifizierte Ursachen von Risiken und Chancen erfaBt werden, so daB derartige Systeme nur Informationen iiber die Verlinderung dieser Faktoren bereitstellen. Noch nicht wahrgenommene Ursa­chen konnen mit diesen Informationssystemen nicht erkannt werden, so daB sie fiir eine strategische Friihaufkliirung und die Identifikation von Risiken nur bedingt geeignet erscheinen.

Friihaufkliirungssysteme der dritten Stufe sind durch eine langfristige, strategische Aus­richtung gekennzeichnet. Sie zielen darauf ab, strategisch bedeutsame Informationen systematisch zu erfassen und zu verarbeiten.4O Diese Form der Friihaufkliirung ist maB­geblich durch die von ANSOFF entwickelte "Strategic Issue Analysis" geprligt worden. In diesem Konzept geht er davon aus, daB sich die Entstehung von Diskontinuitliten41 im Umsystem des Untemehmens bereits durch "schwache Signale" ankiindigt, die mit Hilfe eines sogenannten strategischen Radars moglichst umfassend und friihzeitig aufge­nommen werden sollten.42 Bei schwachen Signalen handelt es sich um schlecht struktu­rierte, wenig konkrete, neuartige Informationen, die auf Umweltverlinderungen hin­weisen, dabei die Anderungen aber meistens nur qualitativ erfassen, lediglich intuitiv

38 Vgl. hierzu Fasse, F.-W.: (Risk-Management). S. 123; Krystek. U.; Miiller-Stewens. G.: (Element). S. 917 f.; Mensch. G.: (Risiko). S. 196.

39 Vgl. Braun. H.: (Risikomanagement). S. 268. 40 Vgl. Krystek. U.: (Unternehmungskrisen). S. 146; Welge. M.K.; AI-Laham. A.: (planung). S. 154 f. 41 Diskontinuitaten sind plotzlich auftretende. bedeutende Abweichungen von der erwarteten Entwick­

lung (Trendbriiche). Vgl. Kreikebaum. H.: (Strategic). Sp. 1877. 42 Vgl. Ansoff. H.I.: (Surprise). S. 129 ff.; Krystek. U.: (Unternehmungskrisen). S. 166.

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STRATEGISCHES MANAGEMENT UND DIE BEWALTIGUNG VON RISIKEN 101

beurteilt werden konnen und keine eindeutigen Aussagen tiber die weitere Entwicklung sowie tiber Konsequenzen ennoglichen.43 Die Suche nach solchen Signalen erweist sich allerdings als schwierig. Beispiele fUr schwache Signale sind plOtzliche Haufungen ahn­licher strategisch relevanter Ereignisse sowie Meinungen, Stellungnahmen und Ideen von Schltisselpersonen, Institutionen oder Organisationen, die in der Regel in den Me­dien verbreitet werden.44

Hinsichtlich der Infonnationen, die tiber die Diskontinuitliten vorliegen, konnen nach ANSOFF fiinf UngewiBheitsgrade unterschieden werden. Der hochste Grad an UngewiB­heit liegt vor, wenn im Untemehmen lediglich ein vages Gefiihl vorherrscht, daB mit einem Risiko zu rechnen ist. In diesem Stadium kommt dem Erkennen von schwachen Signalen die groBte Bedeutung zu, da hier die Ignoranz gegentiber Diskontinuitliten am starksten ist. Mit zunehmender Konkretisierung der Infonnationen, unter anderem in bezug auf die Ursachen der Risiken und Chancen sowie deren Wirkungen, nimmt der UngewiBheitsgrad abo Der UngewiBheitsgrad ist am niedrigsten, wenn die Wirkungen einer Diskontinuitlit sowie die Resultate der Reaktionen konkret bekannt sind. Die un­terschiedlichen Infonnationsstlinde in Abhlingigkeit vom Grad der UngewiBheit ver­deutlicht die folgende Abbildung.

~ ( I) (2) (3) (4) (S)

Anuichca Ursache Komete Konkrelc Konlcretes

Informations. dcr Bedto- del Bedro- Bedro- Rcaklion Ergebnil

gehall hungodcr bung odcr hung oder Chance Chance Cb.ance

Obcrzeugung. daB Diskonlinui-ja ja ja ja ja (:Ilea bevorstehen

Bereich als Ursache der Diskon-Dcin ja ja ja ja

linuital iSI bewnl I

Merkmale des Risikos. An der Wirkung. allg. Wirkungsgrad, Zeil· Dcin Dein ja ja ja punb del WirkuDg sind bekanal

ReaktioosmOglichkeit.en sind be-kana!: Haodluageo. Programme, ncin ncin nein ja ja

Budgets. ZeilpUllIct. Dauer

Wirkungen auf die &tragslage und die Konsequenzen dcr Rcaktionea DeiD Dein DeiD neiD ja sind abschbar

Abbildung 4: UngewiBheitsgrade bei Diskontinuitliten45

Die unterschiedlichen UngewiBheitsgrade treten typischerweise in verschiedenen Pha­sen des Prozesses einer strategischen Friihaufk1arung auf. 1m Stadium einer hohen Un­gewiBheit sollte eine Signalidentifikation erfolgen. Die hierzu erforderlichen Basisakti-

43 Vgl. Welge, M.K.; AI-Laham. A.: (planung), S. 155; Krystek, U.; Miiller-Stewens, G.: (Element), S. 917 f.

44 Vgl. Krystek, U.; Mtiller-Stewens, G.: (Friihaufkliirung), S. 178 ff.; Welge, M.K.; AI-Laham, A.: (pla-45 nung), S. 155; Krystek, U.: (Unternehmungskrisen), S. 166.

Quelle: in leicht modifizierter Form tibernommen von Ansoff, H.I.: (Bewilltigung), S. 241 sowie Kry_ stek, U.; Mtiller-Stewens, G.: (Frtihaufklilrung), S. 167.

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102 UWE G01ZE UND BARBARA MIKus

vitaten werden in das Scanning und das Monitoring differenziert. Beim Scanning wird kontinuierlich und ungerichtet nach Hinweisen auf relevante Veranderungen im gesam­ten Umfeld des Untemehmens gesucht (strategisches Radar); darauf autbauend sind mit dem Monitoring, d. h. einer vertiefenden und dauerhaften Beobachtung der identifizier­ten Signale, zusatzliche fuformationen zu erzeugen.46 1m AnschluB daran findet eine Signaldiagnose statt, bei der die zuvor gewonnenen Hinweise zunachst auf ihre Richtig­keit UberprUft werden. Daraufhin werden die Signale analysiert, indem die Ursachen fUr die erwarteten Veranderungen bzw. Risiken sowie die relevanten futerdependenzen zu anderen Umweltbereichen untersucht werden.47 Die entsprechenden fuformationen wer­den nun in der Phase der Signalevaluation verwendet, um die moglichen Auswirkungen der wahrgenommenen Entwicklungen auf die Erreichung der Untemehmensziele zu prognostizieren und zu beurteilen sowie die Relevanz und Dringlichkeit der Signale abzuschatzen.48 Mit der Prognose von Art, AusmaB und zeitlichem Verlauf der Wir­kungen wird wiederum der UngewiBheitsgrad gesenkt, und die als relevant erachteten FrUhaufklarungsinformationen sollten dann an die Entscheidungstrager weitergeleitet werden, die das notwendige MaBnahmenspektrum festlegen. Durch die Abfolge dieser Phasen der FrUhaufklarung wird eine fortwahrende Identifikation, Beobachtung und Beurteilung von Chancen und Risiken, die sich aus plOtzlichen Veranderungen auf den Beschaffungs- und Absatzmarkten sowie der fufrastruktur, der Entwicklung neuer Technologien oder der Neugestaltung von Gesetzen etc. ergeben, ermoglicht. FrUhauf­klarungssysteme der dritten Generation eignen sich auch zur Erkennung bislang nicht erfaBter Ursachen von Risiken und Chancen.

Haufig wird die Ableitung von alternativen Handlungsmoglichkeiten als Reaktion auf die wahrgenommenen Signale als letzter Schritt im Ablauf eines FrUhaufklarungspro­zesses angesehen.49 Da diese Signale aber - besonders in einem frUhen Stadium - mit groBer Unsicherheit verbunden sind, besteht die Gefahr ihrer MiBdeutung und der Wahl von falschen AnpassungsmaBnahmen. Daher kann es sinnvoll sein, mit Handlungen so lange zu warten, bis weitere fuformationen verfUgbar sind, die die bisherigen bestatigen oder verwerfen. Andererseits sollte die Reaktion nicht hinausgezogert werden bis die Wirkungen der identifizierten Risikoursachen, die Reaktionsmoglichkeiten und deren Folgen exakt bekannt sind, da mit abnehmender UngewiBheit auch die verbleibende Reaktionszeit sinkt.so ANSOFF weist darauf hin, daB sich je nach Prazisionsgrad der fu­formationen, die tiber die Diskontinuitaten vorliegen, unterschiedliche Reaktionsstra­tegien anbieten.S1 Ein Untemehmen sollte sich dem jeweiligen fuformationsstand ent­sprechende Handlungsspielraume offenhalten und seine Reaktionsstrategien schrittweise bestimmen. Das ANsOI¥sche Konzept der Strategic Issue Analysis dient somit neben dem Erkennen von schwachen Signalen zusatzlich der Umsetzung der FrUhaufkla-

46 Zu einer umfassenderen Beschreibung dieser Basisaktivitaten zur Identifikation schwacher Signale vgl. Krystek, U.; MiiIIer-Stewens, G.: (Friihaufkliirung), S. 175 ff.

47 Vgl. Rieser, I.: (Friihwarnsysteme), S. 55; Pekayvaz, B.: (planung), S. 205; Mensch, G.: (Risiko), S.2oo.

48 VgI. Rieser, I.: (Friihwarnsysteme), S. 56; Pekayvaz, B.: (planung), S. 207. 49 Vgl. Krystek, U.: (Unternehmungskrisen), S. 169 f.; Pekayvaz, B.: (planung), S. 209 ff. 50 Zu VerIliufen von Reaktions- und Bedrohungszeiten in Abhllngigkeit von den UngewiBheitsgraden und

bereits ergriffenen MaBnahmen vgl. Ansoff, H.I.: (Surprise), S. 132 ff.; Kreikebaum, H.: (Strategic), Sp.1879.

51 Vgl. Ansoff, H.I.: (Bewliltigung), S. 248.

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STRATEGISCHES MANAGEMENT UND DIE BEWALTIGUNG VON RISIKEN 103

rungsinfonnationen in alternative Handlungsprogramme zur Nutzung von Chancen oder Abwendung von Bedrohungen im Rahmen des strategischen Management.52

3.5. Szenario-Technik

Bei Anwendung der Szenario-Technik wird die Unsicherheit der Zukunft explizit be­rticksichtigt, indem mehrere Szenarien fUr einen Untersuchungsbereich konstruiert wer­den. Bei diesen handelt es sich jeweils urn "die Beschreibung einer moglichen zukiinfti­gen Situation als auch das Aufzeigen des Entwicklungsverlaufs, der zu dieser zukiinfti­gen Situation hinfiihrt."" Wie die folgende Abbildung anhand eines Trichtennodells zeigt, geben die Szenarien einen Raum moglicher zukiinftiger Entwicklungen des unter­suchten Bereichs an.

x Zukunftsbild

Entwicklungslinie eines Szenarios durch ein StIlrereignis oder eine ergriffene MaBnahme veranderte Entwicklungslinie StIlrereignis EnlScheidungszeitpunkt Extremszenario

Extremszenario

,------r-----,--------r~> Zeit

o 2 T

Abbildung 5: Trichter zur Charakterisierung .von Szenarien"

Aus der Abbildung ist ersichtlich, daB in Szenarien sowohl trendmlillige (Zukunftsbilder A, B) als auch extreme Entwicklungen erfaBt werden konnen. Zudem lassen sich S1Or­ereignisse und eigene Handlungsmoglichkeiten einbeziehen.

Bei der Szenario-Technik wird in einem ersten Schritt die BezugsgroBe definiert und analysiert, fUr deren Umwelt Szenarien erstellt werden soIlen.55 Es kann sich dabei bei­spielsweise urn das Unternehmen oder einen Unternehmensbereich handeln. Darauf aufbauend werden in einer zweiten Phase zunlichst Umweltfaktoren identifiziert, die die BezugsgroBe beeinflussen. AnschlieBend erfolgt eine Analyse der einzelnen Umwelt­faktoren bzw. von Deskriptoren (KenngroBen), die diese reprlisentieren.S6 Gegenstand

52 Vgl. Kreikebaum, H.: (Strategic), Sp. 1876; Neumann, H.: (Aufbau), S. 725. 53 Geschka, H.; Reibnitz, U. von: (Szenario-Technik), S. 128. 54 QueUe: in modifizierter Form iibemomrnen von Geschka, H.; Reibnitz, U. von: (Szenario-Technik),

S.129. 55 Zu den Schritten der Szenario-Technik vgl. Gotze, U.: (Szenario-Technik), S. 99 ff. S6 Die Begriffe "Umweltfaktor" und "Deskriptor" werden im folgenden gleichbedeutend verwendet.

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104 UWE G01ZE UND BARBARA MIKus

dieser Analyse sind unter anderem die Wirkungen der Deskriptoren auf die Bezugsgro6e sowie die Interdependenzen zwischen ihnen. Bei der nachfolgenden Prognose der Ent­wicklung der Deskriptoren zeigt sich in der Regel, daB fUr einige Deskriptoren ein ein­deutiger Verlauf erwartet wird, wiihrend fUr andere, die sogenannten kritischen De­skriptoren, alternative Entwicklungsannahmen plausibel sind. In der dritten Phase wer­den bestimmte Annahmen bezUglich der Entwicklung einzelner kritischer Deskriptoren zu Rohszenarien, d. h. konsistenten und plausiblen Annahmenbiindeln, zusammenge­filgt. Es sind anschlie6end diejenigen Rohszenarien auszuwablen, die detaillierter aus­gearbeitet werden sollen. Die Ausarbeitung dieser Rohszenarien im vierten Schritt um­faSt die Bestimmung von Entwicklungspfaden, die AusfonnuIierung und Aufbereitung der Rohszenarien sowie eventuell die Untersuchung von Storereignissen.

1m Rahmen der Szenario-Technik lassen sich eine Reihe weiterer Instrumente nutzen, zu denen andere Prognoseverfahren, Kreativitatstechniken, Vernetzungsmatrizen, die Konsistenzanalyse sowie Ansatze der Cross-Impact-Analyse ziihlen.'"

Aufgrund der expliziten Einbeziehung der Unsicherheit erscheint die Szenario-Technik zur Sicherung des Untemehmensbestandes bzw. zum (strategischen) Risikomanagement pradestiniert. So wird im zweiten Schritt festgesteIlt,

• welche Faktoren die BezugsgroBe beeinflussen, • wie hoch der EinfluB dieser Faktoren auf die BezugsgrtlBe ist, • welche Zusammenhiinge zwischen den verschiedenen Faktoren existieren, u. a.

welche Faktoren die Erftwicklung des Gesamtsystems besonders stark pragen, • bei welchen Faktoren die zllkiinftige Entwicklung unsicher ist und • welche Entwicklungsmoglichkeiten fUr diese Faktoren existieren.

Damit konnen Risikoursachen identifiziert werden; besonders zu beachtende Risikour­sachen liegen dann vor, wenn Faktoren einen hohen EinfluB auf die Bezugsgrtl6e haben und hinsichtlich ihrer Entwicklung erhebliche Unsicherheit besteht. Zudem stellen die Aussagen zu den Zusammenhiingen zwischen den EinfluBfaktoren eine Basis fUr die Fonnulierung von Ursache-Wirkungs-Ketten dar, die den Weg von einer oder mehreren Risikoursache(n) bis zur Wirkung auf die Unternehmensziele beschreiben.S8 Die mogli­chen Entwicklungen der Faktoren konnen zur Prognose zielrelevanter Wirkungen und damit zur Bewertung von Risikoursachen und Risiken herangezogen werden.

Als Risikoursache kann auch ein Storereignis angesehen werden, d. h. "ein plotzlich auftretendes Ereignis, das vorher trendmaBig nicht erkennbar war und eine Entwicklung in eine andere Richtung lenkt. ",. Die systematische Suche nach und Untersuchung von StOrereignissen, die zum Teil auch als Bestandteil der Szenario-Technik angesehen wird, kann daher ebenfalls einen Beitrag zur Identifikation und Bewertung von Risi­koursachen und Risiken leisten.

Die in sich stimmigen, ausfonnulierten und aufbereiteten Szenarien als (weitere) Ergeb­nisse der Szenario-Technik stellen eine Basis fUr eine risikobewuBte Untemehmensfilh-

51 Vgl. ffiltze, U.: (Szenario-Technik), S. 99 ff. und S. 142 ff. sowie die dort angegebene Literatur. 58 Vgl. hierzu Mikus, B.: (Make-or-buy-Entscheidungen), S. 204 ff. 59 Geschka, H.; Hammer, R.: (Szenario-Technik), S. 475.

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STRATEGISCHES MANAGEMENT UND DIE BEWALTIGUNG VON RIsIKEN 105

rung dar. Die Szenarien konnen zur Orientierung iiber mogliche Zukunftsverlaufe die­nen und erfiillen Lern- und Kommunikationsfunktionen.60 AuBerdem lassen sie sich zur Vorbereitung konkreter strategischer Entscheidungen auf Gesamtunternehmens-, Ge­schliftsbereichs- und Funktionsbereichsebene nutzen. Falls den strategischen Planungen mehrere Szenarien zugrunde gelegt werden, konnen "robuste erste Schritte" als Hand­lungen, die bei allen Zukunftsentwicklungen vorteilhaft sind, identifiziert werden.61 Des weiteren ist es moglich, eine bewuBte Wahl zwischen unterschiedlich riskanten Strate­gien zu treffen, z. B. zwischen KornpromiBstrategien, die bei allen Szenarien befriedi­gende Ergebnisse erwarten lassen, und Strategien, die bei einzelnen Szenarien besonders gut, bei anderen aber relativ schlecht sind. Zudem konnen sich Hinweise fur die Vor­teilhaftigkeit eines Aufschiebens von Handlungen zur Erhaltung der Flexibilitat, einer Beeinflussung der Umwelt oder anderer risikopolitischer MaBnahmen ergeben.62

Szenarien bilden schlieBlich eine gute Grundlage fur die Entwicklung eines Friihaufkla­rungssystems als wei teres Instrument des strategischen Management und des Risiko­management, da bei ihrer Erstellung relevante Umweltbereiche, Faktoren, die fUr diese reprasentativ sind, (alternative) Auspragungen dieser Faktoren und eventuell StOrereig­nisse bestimmt werden. Dies gilt insbesondere, falls die Entwicklungspfade zu den Zu­kunftsbildern differenziert ausgearbeitet werden.

3.6. Space-Analyse

Die Space (Strategic Position and Action Evaluation) -Analyse ist ein Instrument zur Bestimmung der strategischen Grundhaltung des Unternehmens, die die Basis flir die Formulierung von konkreten Strategien bilden kann.63 Bei der Entwicklung der strategi­schen Grundhaltung werden sowohl Unternehmensfaktoren (Wettbewerbsvorteile und Finanzkraft) als auch Umweltfaktoren (Stabilitat der relevanten Umwelt und Leistungs­starke der Branche) beriicksichtigt. Fiir jede der vier erfaBten EinfluBfaktoren werden zwei Grundhaltungen vorgeschlagen. Die Anordnung bzw. Gegeniiberstellung der vier Faktoren im Rahmen einer Space-Analyse sowie die zur Wahl stehenden strategischen StoBrichtungen zeigt die Abbildung 6.

Der Verteidiger, als ein Typus einer strategischen Grundhaltung, versorgt begrenzte, transparente Markte und strebt an, in diesen auf Dauer eine starke Wettbewerbsposition zu erringen. FUr den Prospektor ist charakteristisch, daB er kontinuierlich versucht, neue, auch auBerhalb der bisherigen Geschaftsfelder befindliche Marktchancen zu iden­tifizieren und als erstes Unternehmen zu ergreifen. Auf den Risikostreuer treffen Merk­male des Verteidigers und des Prospektors zu. Zwar ist er ebenfalls auf bestandigen Markten tatig, seine Aktivitaten sind aber breiter angelegt als die des Verteidigers. Wie ein Prospektor engagiert sich der Risikostreuer in neuen Markten, allerdings eher nicht

60 Vgl. Reibnitz, U. von: (Szenarien), S. 188 ff. 61 Vgl. Hanssmann, F.: (Betriebswirtschaftslehre), S. 268. 62 Zu Strategietypen, die bei Vorliegen mehrerer Szenarien zur Wahl stehen, sowie zur strategischen

Planung auf der Grundlage mehrerer Szenarien vgl. GOtze, U.: (planung), S. 101 ff.; Porter, M.E.: (Wettbewerbsvorteile), S. 591 ff.

63 Vgl. Rowe, A.J. u. a.: (Management), S. 143 ff.; Macharzina, K.: (Untemehmensftihrung), S. 268 ff.

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106 UWE GOTZE UND BARBARA MIKus

als Pionier, sondem als "Follower". Der Reagierer schlieBlich verfolgt keine aktive Stra­tegie, er paSt sich vielmehr unter Nutzung seiner Flexibilitatspotentiale der Umwelt an.64

Wettbe­

Risikostreuer (konservative Grundhaltung)

Finanzkraftdes Untemehmens

6

5

4

3

Prospektor (aggressive Grundhaltung)

werbsvor- Leistungs-teile des ~-f--t--I--+-t!T--+---:~-f--t--r::::-+-+--t~~stl!rke der Unter- 6 5 4 3 5 6 Branche nehmens

Umwelt­stabilitllt

Anpasser (wettbewerbsorientierte Grundhaltung)

Abbildung 6: Grundkonzeption der Space-Analyse65

FUr die Bestimmung einer konkreten strategischen Grundhaltung ist es erforderlich, zu­nachst das Untemehmen und die Umwelt unter Zuhilfenahme weiterer Subfaktoren, wie der EinfluBgrOBen auf die Kapitalrentabilitat nach dem PIMS-Programm,66 beziiglich der vier Faktoren zu beurteilen. Die fUr die Subfaktoren ermittelten Werte werden ge­maB ihrer Bedeutung gewichtet und aggregiert; die auf diese Weise fur die vier Faktoren bestimmten Ergebnisse werden anschlieBend im Space-Chart derart abgebildet, daB sich ein Polygon ergibt (siehe Abbildung 6). Durch Zusammenfassung der Bewertungen der sich jeweils auf einer Achse gegeniiberstehenden Faktoren laBt sich ein Vektor ermit­teln, der in die Richtung der fur das Untemehmen zweckmaBigen strategischen Grund­haltung zeigt.67

Bei diesem Instrument werden in die Bestimmung der strategischen Grundhaltung (bei der Beurteilung der vier Schliisselfaktoren) risikobezogene EinfluBgroBen aus dem Un­temehmen und der Umwelt einbezogen. Des weiteren kann die Risikoeinstellung der Entscheidungstrager in die Gewichtung der Subfaktoren einflieBen. SchlieBlich enthal-

64 Vgl. zu diesen Grundhaltungen Miles, R.E.; Snow, C.C.: (Strategy), S. 29 ff.; Macharzina, K.: (Unter-nehmensfiihrung), S. 102.

65 QueUe: leicht modifiziert iibernortunen von Macharzina, K.: (Unternehmensfiihrung), S. 270. 66 Vgl. Macharzina, K.: (Unternehmensfiihrung), S. 269. 67 Zur Begriindung der ZweckmiiJ3igkeit bestirtunter Grundhaltungen in Abhangigkeit von den Faktor­

auspragungen vgl. Macharzina, K.: (Unternehmensfiihrung), S. 271 ff.

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STRA1EGISCHES MANAGEMENT UNO DIE BEWALTIGUNG VON RISIKEN 107

ten die altemativen Grundstrategien Aussagen zum risikopolitischen Verhalten des Un­temehmens auf der strategischen Ebene.

3.7. TOWS-Analyse

Die TOWS-Analyse (auch SWOT-Analyse) stellt eine Weiterentwicklung der WOTS­UP-Analyse dar, da sie neben der Zusammenftihrung von Untemehmensstiirken und -schwiichen sowie Umweltchancen und -risiken zusiitzlich einen Beitrag zur Ausarbei­tung von Strategien leisten kann. Durch die VerknUpfung der Ergebnisse aus der Unter­nehmens- und der Umweltanalyse in einer sogenannten TOWS-Matrix (siehe Abbildung 7) werden vier verschiedene Grundprinzipien der Strategieformulierung gebildet, die als Ausgangspunkt der Bestimmung konkreter Strategien dienen sollen.

Unternebmens­analyse

Umwelt­analyse

I. 2. 3. 4. S. 6.

I. 2. 3. 4. S. 6.

Auflisten der Chancen

Auflisten der Bedrohungen

Abbildung 7: TOWS-Matrix68

I. 2. 3. 4. s. 6.

I. 2. 3. 4. S. 6.

I. 2. 3. 4. s. 6.

Auflisten der Stllrken

SO-Strategien

Einsatz von SUlrken zur Nutzung von Chancen

ST -Strategien

Nutzungdcr eigenen StlIrlc:en zur Abwchr VOil

BedrohungeD

I. 2.

Auflisten der 3. 4. Schwlichen s. 6.

WO-Slrategien

l. 2. Oberwindung der 3. eigeoen Schwll-4. chen durch Nut-S. 6. zung von ChanceD

WT -Strategien

I. Einschr1lnkung 2.

3. dcreigcneD 4. SchwllcheD und S. Vcnncidung von 6. Bedrohungen

Die in der Matrix aufgefUhrten strategischen StoBrichtungen folgen dem Grundsatz, daB Stiirken genutzt und Schwiichen vermieden werden soIl ten. Die langfristige, strategische Perspektive wird einbezogen, indem bei der Strategieentwicklung die Chancen und Risi­ken berticksichtigt werden, die aus zukUnftigen Entwicklungen resultieren.69

Die TOWS-Analyse triigt zum Risikomanagement bei, da bei ihrer Anwendung die zu­vor identifizierten Risiken checklistenartig aufgeftihrt und bei der Entwicklung von stra­tegischen Grundprinzipien und dartiber indirekt auch bei der Strategieformulierung be-

68 QueUe: leicht modifiziert iibemommen von Macharzina, K.: (Untemehmensfiihrung), S. 277. 69 Vgl. Welge, M.K.; AI-Laham, A.: (planung), S. 172.

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achtet werden. Dadurch wird zum einen gewlihrleistet, daB keine bedeutenden Risiken vemachlassigt werden; zum anderen wird angeregt, auch risikopolitische MaBnahmen in die Strategieformulierung einzubeziehen, wie eine Diversifikation oder eine Streuung der Produktionsstandorte.

3.8. Portfolio-Technik

1m Rahmen der strategischen Planung soIl mit Hilfe der Portfolio-Technik in ihrer ab­satzmarktorientierten Grundform eine Kombination von strategischen Geschaftsein­heiten bestimmt werden, durch die die strategischen Ziele des Gesamtuntemehmens auf hohem Niveau erfiillt werden.

Dazu wird in einem ersten Schritt eine Portfolio-Matrix definiert. Diese weist in der Regel jeweils eine Untemehmensdimension und eine Umweltdimension auf, bei denen es sich um aggregierte GrOBen oder Schltisselfaktoren handelt, die die SUirken und Schwachen (Untemehmensdimension) sowie die Chancen und Risiken (Umweltdimen­sion) abbilden soIlen. Zudem erfolgt eine Rasterung der Portfolio-Matrix, durch die ver­schiedene Felder erzeugt werden.

1m zweiten Schritt werden zunachst fUr die einzelnen strategischen Geschaftseinheiten die Daten gesarnmelt, die fUr die Positionierung in der Portfolio-Matrix erforderlich sind; darnit werden Starken und Schwachen sowie Chancen und Risiken analysiert und prognostiziert. Nach der Einordnung der einzelnen strategischen Geschiiftseinheiten in bestimmte Felder der Matrix lassen sich diesen typische Eigenschaften, vor allem hin­sichtlich der Stellung im Lebenszyklus sowie des darnit verbundenen Finanzmittel­bedarfs bzw. -tiberschusses, zuordnen. AuBerdem wird die Gesamtheit aller strate­gischen Geschaftseinheiten beziiglich des Finanzmittelbedarfs bzw. -tiberschusses sowie der Alters- und eventueIl der Risikostruktur analysiert. Insgesamt wird in diesem Schritt die gegenwiirtige Untemehmensposition untersucht und dargesteIlt und damit eine Basis fUr die Entwicklung und Auswahl von Strategien auf Gesamtuntemehmensebene ge­schaffen.

Auf dieser Grundlage lassen sich dann im dritten Schritt Strategien bestimmen, wobei als Ausgangspunkt Normstrategien dienen konnen, die fUr die einzelnen Felder der Port­folio-Matrix empfohlen werden. Bei der Strategieentwicklung soIlte zudem das Ziel der Ausgewogenheit zwischen den strategischen Geschiiftseinheiten im Hinblick auf die Mittelbindung und -freisetzung sowie die Alters- und die Risikostruktur verfolgt wer­den. AbschlieBend kann ein Zielportfolio ersteIlt werden, das die angestrebten Positio­nen der einzelnen strategischen Geschaftseinheiten enthiilt.70

Die Portfolio-Analyse verrnittelt Erkenntnisse tiber die Starken oder Schwachen bzw. Chancen oder Risiken einzelner strategischer Geschaftseinheiten, deren Finanzmittelbe­darf oder -iiberschuB und die Ausgewogenheit zwischen ihnen. Daraus lassen sich Hin­weise auf die Vorteilhaftigkeit von Wachstums-, Stabilisierungs- oder Schrumpfungs­strategien einzelner strategischen Geschaftseinheiten und die Notwendigkeit der Einfiih-

70 Vgl. Hinterhuber, H.H.: (Unternehmungsfiihrung), S. 148 ff.; Gtitze, U.; Mikus, B.: (Management), S.54f.

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STRA'IEGISCHES MANAGEMENT UND DIE BEWALTIGUNG VON RISIKEN 109

rung neuer oder der Eliminierung vorhandener strategischer Geschliftseinheiten gewin­nen.71

Die Portfolio-Analyse wird in der jUngeren Literatur auch als Instrument des strategi­schen Risikomanagement angesehen, wobei auf das Marktanteils-Marktwachstums­Portfolio Bezug genommen wird." Dies ist insofem gerechtfertigt, als sich aus diesem Portfolio - ebenso wie aus anderen - Aussagen zu Risiken ableiten lassen, die aus der Position der strategischen Geschliftseinheiten bzw. Produkte des Untemehmens im Le­benszyklus resultieren. AuBerdem werden allgemein in der Umweltdimension Chancen und Risiken des Untemehmens in aggregierter Form erfaBt.

Der Nutzen eines Portfolio-Ansatzes ist allerdings - wie allgemein - auch hinsichtlich des Risikomanagement begrenzt," er ist unter anderem von den Portfolio-Dimensionen abhangig. 1m Marktanteils-Marktwachstums-Ansatz wird lediglich die Umweltkompo­nente "Marktwachstum" einbezogen, das Lebensalter der Produkte als eine potentielle Risikoursache wird nur implizit erfaBt, und weitere Umweltfaktoren und damit auch weitere exteme Risikoursachen finden keine BerUcksichtigung. Explizit einbezogen wird das Produktalter hingegen im Markt-Produktlebenszyklus-Portfolio74• Haher ist die Aussagekraft aber vor allem bei Portfolio-Ansatzen, die mehrere Untemehmens- und Umweltmerkmale erfassen, wie z. B. beim Marktattraktivitiits-Wettbewerbspositions­Portfolio. Hier kann die Umweltdimension eine Vielzahl von Faktoren beinhalten, die Chancen und Risiken bewirken. Deutlich wird dies am Beispiel eines von MACHARZINA

formulierten Faktorenkatalogs, der die GraBen "StOrungsanfaIligkeit in der Versorgung von Energie und Rohstoffen" sowie "Risiko staatlicher Eingriffe" enthalt." Risikour­sachen kannen aber auch in die Untemehmensdimension aufgenommen werden.

Einige Portfolio-Ansatze beziehen sich direkt auf Risiken und erscheinen daher zum Risikomanagement besonders geeignet. So wird beim auf ANSOFFILEONTIADES zuruck­gehenden Geschiiftsfeld-Ressourcen-Portfolio vorrangig auf Umweltfaktoren Bezug ge­nommen und auch die hinsichtlich der Ressourcen bestehende Versorgungssicherheit als Dimension einbezogen.76 Ein Geschliftsfeld-Ressourcen-Portfolio wird in zwei Schritten erstellt. Zunachst erfolgt eine getrennte Positionierung der strategischen Geschlifts­einheiten in einer Ressourcen-Matrix mit den Dimensionen "Kostenentwicklung" und '''VerfUgbarkeitssicherheit'' von Ressourcen sowie einer Produkt-Matrix mit den Achsen "Produktlebenszyklusphase" und "Marktattraktivitat" von Produkten. AnschlieBend wird aus diesen Positionierungen die Stellung im Geschaftsfeld-Ressourcen-Portfolio abge­leitet und darauf basierend eine Unterscheidung zwischen ungefahrdeten, offenen und gefahrdeten Geschliftsbereichen vorgenommen. Die Abbildung 8 verdeutlicht dieses Vorgehen.

71 Vgl. Welge. M.K.; Al-Laham, A.: (planung). S. 192 f. 72 Vgl. Holst. J.: (Risikomanagement), S. 45 ff. 73 Vgl. Kreikebaum. H.: (Untemehmensplanung), S. 81 ff.; GOtze, D.; Rudolph. F.: (lnstrumente). S. 41

f. 74 Vgl. Albach, H.: (Dntemehmensplanung), S. 708 f. 7S Vgl. Macharzina, K.: (Dntemehmensflihrung), S. 305. 76 Vgl. Ansoff. H.I.; Leontiades, J.C.: (portfolio-Management); Albach, H.: (Untemehmensplanung),

S. 709 ff.; Macharzina, K.: (Untemehmensfiihrung), S. 310 ff.

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110

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UWE GOTZE UND BARBARA MIKus

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TccbllOloaie:

A -,. V. X·. Y B X

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Y (A)

Ressourc:en·GeIchliftsfeld·Matrix

Abbildung 8: Geschaftsfeld-Ressourcen-Portfolion

In der Matrix sind beispielhaft die Produkte U, V, X, Y und Z erfaBt, die aus den Res­sourcen A (V, Y), B (X), C (U, Z) hergestellt werden. Die Nonnstrategien fur die ver­schiedenen Bereiche der Matrix lauten: 78

• schrittweise oder sofortige Elimierung von gefahrdeten Geschaftsbereichen bzw. Produkten (im Beispiel U),

• Substitution der gefahrdeten Ressourcen bei Geschiiftsbereichen, die hinsichtlich der Beschaffung als kritisch, im Absatzbereich als unkritisch eingestuft werden (im Beispiel Ersatz der Ressource B durch A bei Produkt X (dann X+))

• Herstellung und Absatz der Produkte mit unkritischer Beschaffungs- aber kriti­scher Absatzsituation, bis dieses nicht rnehr wirtschaftlich ist (Y),

• Investition und Wachsturn bei ungefahrdeten Geschiiftsbereichen (V).

FUr die einzelnen Geschaftsbereiche kann erganzend eine AnHUligkeitsanalyse durchge­fiihrt werden, urn die Hohe des Risikos zu erfassen, das aus verschiedenen Urnwelt- und Unternehrnensfaktoren resultiert.79

n QueUe: leicht modifiziert Ubernommen von Albach, H. : (Untemehmensplanung), S. 709. 78 VgJ. Albach, H.: (Unternehmensplanung), S. 711; Macharzina, K. : (Unternehmensfuhrung), S. 312 f. 79 VgJ. Albach, H.: (Unternehmensplanung), S. 710 f.

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STRAlEGISCHES MANAGEMENT UND DIE BEW ALTIGUNG VON RIsIKEN 111

Bin wei teres absatzmarktorientiertes Portfolio, das Branchenattraktivitats-Wettbewerbs­positions-Portfolio, wurde von CLIFFoRD, BRIDGEWATER und HARDy gezielt fUr Situa­tionen mit hoher Dynamik der Umweltveriinderungen und daraus resultierenden groBen Risiken entwickelt.&O Die Unternehmensdimension Wettbewerbs- bzw. Unternehmens­position wird in diesem Portfolio aus zwei Faktoren gebildet, der Wettbewerbsstarke sowie der finanziellen Starke. Ausschlaggebend hierfiir ist die Uberlegung, daB die Un­ternehmensrisiken urn so geringer sind, je groBer die Wettbewerbsvorteile und die fi­nanzielle Starke sind. Die BerUcksichtigung der finanziellen Starke setzt allerdings vor­aus, daB diese auf der Ebene der strategischen Geschiiftseinheiten beurteilt werden kann. Die Umweltdimension BranchenattraktiviUit wird auf die FIexibilitat sowie die Stabilitat der Branche zuruckgefiihrt. Dabei wird der Gedanke verfolgt, daB die Umweltrisiken mit zunehmender Stabilitat der Nachfrage am Markt und FIexibilitat der Branche (infol­ge geringer Anlagen- und Fixkostenintensitat) sinken. FUr die einzelnen Matrixfelder werden dann Wachstums-, Abschopfungs- und selektive Strategien als Normstrategien vorgeschlagen.

Das von OECKING entwickelte Fixkosten-Markt-Portfolio zielt direkt auf die Analyse des Risikos ab, dem strategische Geschiiftseinheiten ausgesetzt sind. Dazu werden diese anhand der Dimensionen "Marktstabilitat" und "Fixkostenflexibilitat" beurteilt und in die Felder "extremes Risiko", "Kosten-Risiko", "Markt-Risiko" oder "geringes Risiko" eingeordnet. FUr Geschiiftseinheiten in den verschiedenen Feldern bieten sich unter­schiedliche Normstrategien an, z. B. die Eliminierung bei extremem Risiko und die FIe­xibilisierung der Fixkostenpotentiale bei Kosten-Risiko.81

Risiken werden schlieBlich auch in anderen, nicht absatzmarktorientierten Portfolios bei der Positionierung erfaBt, z. B. in Liinderportfolios zur Bestimmung von Internationali­sierungsstrategien und in Okologie-Portfolios als Mittel zur Formulierung umweltbezo­gener Strategien." Des weiteren existieren Beschaffungsportfolios, in denen die bereit­zustellenden Werkstoffe hinsichtlich der Versorgungsunsicherheit bzw. des Versor­gungsrisikos eingeordnet werden. Beispielsweise erfolgt beim "Versorgungsst6rungen­Anflilligkeits-Portfolio" eine Positionierung in bezug auf die Versorgungsunsicherheit sowie die interne Anflilligkeit gegeniiber Versorgungsst6rungen. Diese Positionierung kann auch als spezifische Form einer Risikobewertung hinsichtlich des Ziels Versor­gungssicherheit angesehen werden.83 Auch bei Portfolio-Ansatzen zur Vorbereitung von Fertigungstiefenentscheidungen werden Unsicherheiten bzw. Risiken berUcksichtigt, z. B. bei Portfolios auf der Grundlage des Transaktionskostenansatzes sowie bei einem Konzept von BOITCHER."

Bei allen bisher aufgefiihrten Portfolio-Ansatzen wird davon ausgegangen, daB Sicher­heit hinsichtlich der Einstufungen der strategischen Geschiiftseinheiten, Produkte oder

80 Vgl. Clifford, D.K., Jr.; Bridgewater, B.A., Jr.; Hardy, Th.: (Game); Albach, H.: (Unternehmenspla-nung), S. 709 f.

81 Vgl. Oecking, G.: (Fixkostenmanagement), S. 190 ff. 82 Vgl. Macharzina, K.: (Unternehmensfiihrung), S. 316 ff. und S. 850 ff. 83 Zum "Versorgungsstorungen-Anflilligkeits-Portfolio" vgl. Fieten, R: (Materialwirtschaft), S.22. 1m

"Versorgungsrisiko-ABC-Portfolio" wird eine Positionierung auf der Grundlage des Anteils am Be­schaffungsvolumen sowie des - aus der Versorgungsunsicherheit und der internen Anfalligkeit ab­geleiteten - Versorgungsrisikos vorgenommen. Vgl. Heege, F.: (Lieferantenportfolio), S. 85 ff.

84 Vgl. Picot, A.: (Ansatz), S. 352; Gerhardt, T.; Nippa, M.; Picot, A.: (Optimierung), S. 139; Mikus, B.: (Make-or-buy-Entscheidungen), S. 71 ff. und S. 217 f.; Btittcher, H.D.: (lnstrumente), S. 188 ff.

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112 UWE G01ZE UND BARBARA MIKus

Ressourcen etc. besteht. Dies dUrfte allerdings hiiufig nicht zutreffen, vielmehr kann es sein, daB bei der (subjektiven) Einschatzung einer Starke oder Schwache oder der Pro­gnose eines Risikos oder einer Chance (z. B. des Marktwachsturns) mehrere Werte fUr moglich gehalten werden. Dies lliBt sich mit einer "Unschiirfenpositionierung" beruck­sichtigen, bei der drei Werte (ein optimistischer, ein wahrscheinlicher und ein pessimis­tischer) fUr jede Dimension bzw. jeden einbezogenen Faktor erfaBt werden und anstelle eines Punktes als exakte Position ein Rechteck den Bereich ffir denkbar gehaltener Ein­ordnungen wiedergibt.85

In diesem Abschnitt sind eine Reihe von Instrumenten des strategischen Management vorgestellt worden, die sich in unterschiedlicher Form zur Handhabung von Risiken eignen. Urn eine intensivere Bewliltigung von Risiken im Rahmen des strategischen Management zu erreichen, konnen diese Instrumente zum einen urn allgemein anwend­bare Methoden der Betriebswirtschaftslehre erganzt werden.86 Zum anderen bietet sich ein Einsatz der Instrumente, aber auch Aktivitaten und MaBnahmen an, die fiir das spe­zielle Risikomanagement entwickelt wurden.

4. SpezieUes Risikomanagement als Element des strategischen Mana­gement

Das spezielle Risikomanagement (als Teil des generellen Risikomanagement) richtet sich vorwiegend auf die operativ/taktische Fiihrungsebene. Urn der nun gesetzlich vor­geschriebenen Pflicht zur Einrichtung eines Risikomanagement, das zur langfristigen Sicherung des Fortbestandes des Untemehmens beitragen solI, moglichst umfassend nachzukommen, sind jedoch Ansatze des speziellen Risikomanagement auch auf der strategischen Ebene anzuwenden. Dies betrifft vor allem zentrale strategische Entschei­dungsprobleme, die mit gravierenden Risiken verbunden sind, denn "je hoher das Risiko ist, desto starker muB die Untemehmensleitung alle MaBnahmen ausschOpfen, urn das Risiko [ ... ] zu beeinflussen"87. 1m Rahmen des strategischen Management sollten daher einige der Planungsaktivitaten durchgefUhrt, Instrumente eingesetzt sowie risikopoliti­schen MaBnahmen geplant und ausgewlihlt werden, die fUr das spezielle Risikomanage­ment vorgeschlagen werden.

Wie bereits in Abschnitt 2. angesprochen, konnen die Planungsaktivitaten des Risiko­management in mehrere Phasen unterteilt werden. Die Planungsphasen umfassen die Risikoanalyse, die Suche nach risikopolitischen MaBnahmen und MaBnahmenkombina­tionen sowie deren Bewertung und Auswahl. Zurn Aufgabenbereich der Risikoanalyse, der (als Phase der Informationsgewinnung) fiir das strategische Management eine be­sondere Bedeutung zukommt, gehoren die Risikoidentifizierung, die Ursache-Wir-

85 Vgl. Ansoff, H.I.; Kirsch. W.; Roventa, P.: (Unschiirfenpositionierung). S. 964 ff. 86 Dies bietet sich insbesondere bei der Strategiebewertung und -auswahl an. Dazu konnen Entschei­

dungsmodelle unter Dnsicherheit bzw. entsprechende Verfahren zu deren Auswertung genutzt werden. z. B. die Sensitivitiitsanalyse, die Risikoanalyse und das Entscheidungsbaumverfahren oder Mehrziel­verfahren wie die Multi-Attributive-Nutzen-Theorie. der Analytische Hierarchie Proze6 und die Nutz­wertanalyse (die beiden letzteren zur Erfassung von Dnsicherheiten in modifizierter Form). Vgl. hierzu z. B. Giitze. D.; Bloech. J.: (Investitionsrechnung). S. 143 ff. und S. 311 ff. Des weiteren lassen sich Ansiitze des wertorientierten Management einsetzen. Bei einigen dieser Ansiitze wird vorgeschlagen. das Risiko im Kalkulationszinssatz zu beriicksichtigen. Vgl. GUnther. T.: (Controlling). S. 160 ff.; Hachmeister. D.: (Cash Flow). S. 155 ff.

87 Kless. T.: (Beherrschung). S. 94.

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STRA1EGISCHES MANAGEMENT UNO DIE BEWALTIGUNG VON RIsIKEN 113

kungs-Analyse und die Bewertung der Risiken anhand ihrer Eintrittswahrscheinlichkei­ten und der zu erwartenden AusmaBe der negativen Zielabweichung.88 Da durch die 1-dentifizierung der Risiken die Untersuchungsobjekte der nachfolgenden Phasen fest­gelegt werden, ist es wichtig, die Risikoquellen moglichst vollstiindig zu erfassen.89 Dies wird im strategischen Management im Rahmen der Umweltanalyse und -prognose weit­gehend praktiziert. Bine systematische Identifikation von unternehmensinternen Risi­koursachen, eine Analyse der Ursache-Wirkungs-Beziehungen von Risiken sowie eine Risikobewertung werden jedoch in der Literatur zum strategischen Management kaum angesprochen. FUr eine umfassende RisikobewHltigung ist daher in diesen Bereichen ein Ausbau der Aufgaben erforderlich. Zudem sollten bei der Strategiebestimmung ver­mehrt risikopolitische Ma6nahmen einbezogen werden, um auch mittel- und langfristig ausgerichtete Konzepte zur Absicherung gegen mogliche Risiken zu entwickeln.!IO

Die Aufgaben des Risikomanagement konnen zum Teil durch die im vorherigen Ab­schnitt beschriebenen Instrumente des strategischen Management erfiillt werden. FUr das Risikomanagement werden aber noch zus1itzliche spezielle Instrumente vorgeschlagen, mit denen sich eine detailliertere Risikoanalyse vomehmen lii8t. Hierzu gehOren fUr die Risikoidentifikation neben Betriebsinspektionen, Checklisten, Flu6bildanalysen (Flow Charts) und Dokumentenanalysen auch Input-Output-Analysen von Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen dem Untemehmen und seiner Umwelt sowie zwischen den einzelnen Unternehmensbereichen, die fUr gUterwirtschaftliche, finanzielle und in­formationelle Prozesse durchgefilbrt werden konnen und Schwachstellen, Abhiin­gigkeiten und sonstige risikoauslosende Faktoren erkennen lassen sollen.91 FUr die Ana­lyse von Ursachen und Wirkungen von Risiken lassen sich statistische Instrumente zur empirischen Datenerhebung und -auswertung, Fehlerbaum-Analysen, Ausfalleffekt­Analysen, Zustands- bzw. Ereignisbiiume sowie (systemorientierte) Methoden zur Si­cherung der Qualitiit des Management eines Systems, bei denen bestimmte Anforde­rungen an das Managementsystem festgelegt und UberprUft werden, nutzen.92 Zur Be­wertung von Risiken und Risikoursachen konnen Methoden zur Klassifikation anhand der Eintrittswahrscheinlichkeiten sowie des Ausma6es der Wirkungen herangezogen werden.93 Bine vereinfachte Einschlitzung dieser Gesichtspunkte ist mit Hilfe abgestuf­ter, verbaler Beurteilungen moglich, die dann zu einer Klassifikation gemii8 der Bedeu­tung (geringlmittel/hoch) zusammengefilbrt werden. Bei dieser Art der Bewertung wer­den sowohl Bintrittswahrscheinlichkeiten als auch Wirkungen lediglich nominal be­schrieben. Sie kann sich gerade bei strategischen Problemen angesichts der Schwierig­keit einer Prognose von Bintrittswahrscheinlichkeiten und Wirkungen als sinnvoll er­weisen. Eine differenziertere Beurteilung bezieht quantitative Werte ein, sie lii8t sich mit Hilfe der bereits angesprochenen Bildung und Auswertung von Entschei-

88 Die Bewertung eines Risikos bezieht sich auf dessen Wirkung im Hinblick auf die (Nicht)Erreichung der Untemehmenszie1e und ist somit in Abhlingigkeit von dem(n) betrachteten Ziel(en) differenziert vorzunehmen. VgJ. Mugler. J.: (Risk). S. 82 f. Zudem ist die Bewertung von der Risikoeinstellung des Entscheidungstrllgers bzw. des Untemehmens abhllngig.

89 VgJ. MugJer, J.: (Risk), S. 82. !IO VgJ. Braun. H.: (Risikomanagement). S. 97 ff. und S. 131 ff.; Schuy, A.: (Risiko-Management). S. 236

ff.; Bronner, T.: (Wertsteigerung). S. 71 f.; Albach, H.: (Untemehmensplanung). S. 713. 91 VgJ. Pape, J.: (Effizienz), S. 13 ff.; MugJer. J.: (Risk), S. 96 ff. 92 VgJ. Fasse. F.-W.: (Risk-Management), S. 82 f.; Schuy, A.: (Risiko-Management), S. 171; Hllrterich,

S.: (Risk), S. 100 f.; Pape. J.: (Effizienz). S. 15 ff.; BrUhwiler. B.: (Methoden). S. 259 ff. 93 VgJ. BrUhwiler, B.: (Risk), S. 49; Albach, H.: (Unternehmensplanung). S. 713.

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dungsmodellen vornehmen.94 Je nach Umfang des zu praktizierenden strategischen Risi­komanagement sollten einige dieser Instrumente - eventuell in abgewandelter, auf die Besonderheiten der strategischen Ebene zugeschnittener Form - als Erweiterung des allgemeinen Instrumentariums des strategischen Management genutzt werden.

AbschlieBend soIl kurz auf die Einbeziehung risikopolitischer MajJnahmen bei strategi­schen Entscheidungsproblemen eingegangen werden. Eine hliufig vorgenommene Sys­tematisierung trennt die risikopolitischen MaBnahmen in Aktivitliten zur Beseitigung der Risikoursachen, durch die das Eintreten eines Schadens vermieden werden solI (ur­sachenbezogene MaBnahmen), und in solche zur Minderung des Schadens, der als Folge einer Fehlentscheidung eintritt (wirkungsbezogene MaBnahmen). Zu den ursachen­bezogenen MajJnahmen zlihlen auf der strategischen Ebene insbesondere Informations­gewinnungsaktivitliten, durch die die Unsicherheit des Planenden reduziert wird. Wei­tere SicherungsmaBnahmen, die die Verlustwahrscheinlichkeit verringern konnen, stel­len z. B. der Aufbau langfristiger Lieferantenbeziehungen, die Substitution gefahrdeter Rohstoffe oder Instandhaltungspolitiken dar. Ferner konnen adliquate Anreizsysteme sowie eine fachgerechte Ausbildung der Mitarbeiter die Moglichkeit bieten, menschli­che Planungs- und Handlungsfehler (als weitere Risikoursache neben der Unsicherheit) zu verringern. Wirkungsbezogene MajJnahmen reduzieren - in dem Fall des Eintritts ei­ner Risikoursache - die Gefahrdung des Unternehmens und konnen ebenfalls als Be­standteil von Strategien angesehen werden. Zu ihnen gehoren beispielsweise die Ein­richtung mehrerer dezentraler Uiger oder Produktionsstlitten, eine Diversifizierung, die Verteilung von Risiken auf mehrere Unternehmen (wie bei strategischen Allianzen), die Nutzung flexibel einsetzbarer Anlagen, das Halten finanzieller und gUterbezogener Re­serven sowie der AbschluB von Versicherungen.95 Alternativ oder erglinzend zur Einbe­ziehung in die Strategien lassen sich risikopolitische MaBnahmen auch im Rahmen der Strategieimplementierung in den untergeordneten Planungen bertlcksichtigen.

5. Schlu6betrachtung

In diesem Beitrag wurde herausgearbeitet, daB zwischen strategischem Management und Risikomanagement ein enges Verhliltnis besteht: Einerseits wird bereits mit dem strate­gischen Management die Bewliltigung von Risiken bezweckt, andererseits ist das Risi­komanagement ein spezifischer Bestandteil der Unternehmensftihrung allgemein und vor allem auch des strategischen Management. Eine Reihe von Instrumenten des strate­gischen Management dienen der Risikoidentifikation oder der Verarbeitung von Infor­mationen tiber Risiken und lassen sich daher als Bausteine eines Systems zur Handha­bung von Risiken, wie es im KonTraG gefordert wird, verwenden. Eine Erglinzung kon­nen diese Instrumente und die mit ihnen verbundenen Ftihrungshandlungen in Akti­vitliten und Instrumenten des speziellen Risikomanagement finden.

Der Schwerpunkt der Ausftihrungen des Beitrags lag auf Instrumenten des strategischen Management. Vernachllissigt wurden damit sowohl die Integration von Aktivitliten des (speziellen) Risikomanagement in den ProzeB des strategischen Management als auch die im Zusammenhang mit dem Risikomanagement zu erftillenden Controllingaufgaben.

94 VgJ. zur Risikobewertung mit Hilfe von Entscheidungsmodellen Mikus, B.: (Make-or-buy-Entschei­dungen), S. 292 ff.

95 VgJ. Bronner, T.: (Wertsteigerung), S. 72; Kless, T.: (Beherrschung), S. 96; Mikus, B.: (Make-or-buy­Entscheidungen), S. 221 ff. und die dort angegebene Literatur zu risikopolitischen MaBnahmen.

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SlRATEGISCHES MANAGEMENT UND Dm BEWALTIGUNG VON RISIKEN 115

Hierzu bieten sich weitere lIberlegungen an.!16 Insgesamt bleibt zu untersuchen, wie Ri­sikomanagementsysteme hinsichtlich Art und Umfang ausgestaltet sein sollten, die zorn einen den Anforderungen des KonTraG gerecht werden und zorn anderen dariiber hin­aus einen optimalen Beitrag zur Erftillung der Untemehmensziele leisten.

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!16 Zu Anslitzen eines Risiko-Controlling vgl. LUck. W.: (Umgang). S. 1929 f.; BUhler. W.: (Risikocon­trolling). S. 205 ff.; Holst, J.: (Risikomanagement). S. 21 ff.; Braun. H.: (Risikomanagement). S. 61 ff.

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STRATEGISCHES MANAGEMENT UND DIE BEWALTIGUNG VON RIsIKEN 117

Picot, A: Ein neuer (Ansatz) zur Gestaltung der Leistungstiefe, in: Zeitschrift fUr betriebswirtschaftIiche Forschung, 43. Jg. (1991), S. 336-357

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Strategieumsetzung auf dem Priifstand -Strategisches Proze8controlling in der Praxis

Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof*

1. Strategische Planung und die ImplementierungslUcke

2. Vom operativen zum strategischen Controlling

3. Vom Ergebnis- zum ProzeBcontrolling

4. Strategisches ProzeBcontrolling: Motor der Strategie-Implementierung

5. Fallstudie: Strategisches ProzeBcontrolling in der Praxis

6. SchluBfolgerungen

* Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof, Jahrgang 1954, Studium der Betriebswirtschaftslehre in MUnster und Gottingen, Diplom-Kaufmann 1980, wiss. Mitarbeiter an der Universitiit Gottingen, Promotion 1984, von 1984-1988 Tlitigkeit im Otto Versand, u. a. in der Personalentwicklung sowie als Leiter Strategieplanung; von 1988 bis 1996 Tlitigkeit in der Beiersdorf AG, ab 1991 Leiter eines operativen Geschliftsbereiches, 1996 Berufung an der PRIV ATEN FACHHOCHSCHULE GOTTINGEN als Pro­fessor fiir Marketing, Mitbegriinder der UNICconsult GmbH, 1998 Wechsel in den Otto Versand als Direktor Marketing.

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120 HANs-CHRISTIAN RffiKHOF

1. Strategische Planung und die Implementierungsliicke

Seit dem Autkommen und der zunehmenden Verbreitung der strategischen Planung in den 70er Jahren hat es eine Vielzahl von Erfahrungsberichten tiber deren Anwendung in der Praxis gegeben. Methodische Verfeinerungen des Instrumentariums wurden entwi­ckelt', und in empirischen Studien wurde die Verbreitung der strategischen Planung untersucht. Insbesondere Mintzberg2 hat sich mit der (begrenzten) Wirksamkeit strategi­scher Planungsabteilungen und strategischer Plane auseinandergesetzt.

Relativ selten wurde dabei tiber die Fragen und Probleme der Implementierung von Strategien berichtet, obwohl die Wirksamkeit von Strategien natUrlich von einer konse­quenten Umsetzung abhiingt. Dies ist ein bemerkenswerter Tatbestand, da auch in der Praxis die Implementierung zunehmend als Schwachpunkt erkannt wird.

In einer Vielzahl von Workshops zur strategischen Planung wurde vom Verfasser der Zeitaufwand erfragt, der in der Praxis auf die Phasen der strategischen Analyse, der Formulierung und Kommunikation der Strategie als auch auf die Implementierung in­vestiert wurde. Dabei ergab sich ein weitgehend einheitliches Bild:

Strategische Analyse

Formulierung und Kommunikation der Slrategie

Strategieumsetzung

Abbildung 1: Zeitaufwand in den Phasen der Strategischen Planung (1st)

Der Implementierungsphase wird also die geringste Aufmerksamkeit gezollt. Dabei ist naheliegenderweise die Implementierung eines strategischen Konzeptes und die Neu­ausrichtung von Untemehmensbereichen ein tiberaus zeitaufwendiges Unterfangen. Auf die Frage, welches ein sinn voller und angemessener Zeitaufwand fUr die einzelnen Pha­sen ware, antworten die W orkshop-Teilnehmer in der Regel so, wie es Abbildung 2 zeigt:

I vgl. hierzu die Beitriige in Rielchof, H.-Chr. (Hrsg.), Praxis der Strategieentwicklung, Konzepte -Erfahrungen - Fallstudien. 2., iiberarbeitete und erweiterte Aufiage, Stuttgart 1994.

2 Vgl. Mintzberg, H., Die strategische Planung: Aufstieg, Niedergang und Neubestimmung, Miin­chenIWien 1995.

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STRATEGIEUMSETZUNG AUF DEM PROFSTAND

Strategische Analyse

Formulierung und Kommunikation der Strategie

Strategieumsetzung

Abbildung 2: Zeitaufwand in den Phasen der Strategischen Planung (SolI)

121

Urn diese offensichtliche LUcke zu schlieBen, wurde in einem von UNICconsult in ei­nem intemationalen Konzem durchgefiihrten Projekt das strategische Controlling dazu genutzt, die aufgezeigte ImplementienmgslUcke zu schlieBen. Bevor iib.er dieses Projekt detaillierter berichtet wird, sind einige Anmerkungen zu den Aufgaben und zur Ent­wicklung des strategischen Controlling erforderlich.

2. Vom operativen zum strategischen Controlling

In den vergangenen 40 Jahren hat das Controlling tiefgreifende Verlinderungen und Weiterentwicklungen erfahren (vgl. Abbildung 3).

Generation 1. Generation 2. Generation 3. Generation 1950-1960 1960-1970 I 970-heute

Funktion Dokumentation. Planungs- und Mitwirkung bei des OrdnungsmliBigkeit Kontrollsystem; Problemltlsungen, Controlling der primlir Frtlhwamaufgaben,

Recbnungslegung erfolgswirlschaftliche, Erfolgspotential-operative aufgaben Steuerung

Registrator Navigator Innovator

Abbildung 3: Controlling-Generationen3

Dabei ruckten mit der Verbreitung der Methoden der strategischen Untemehmensfiih­rung verstlirkt auch so1che Aufgaben in den Mittelpunkt des Controlling, die die strate­gische Positionierung des Untemehmens im Markt und die langfristige Absicherung von Erfolgspotentialen betrafen. Damit war die Idee vom strategischen Controlling geboren, das das operative Controlling seitdem erglinzt. Eine Gegeniiberstellung von strategi­schem und operativem Controlling findet sich in Abbildung 4.

3 In Aolehnung an Sierke, B. R. A., Investitionscontrolling, Korbach 1989, S. 21.

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122 HANs-CHRIsTIAN RIEKHOF

Operatives Controlling Stralegisches Controlling

Ziel Wirtschaftlichkeils-/ Nachhaltige Sicherung des Rentabilitlilssicherun2 Erfolgspolentials

Perspektive Unlernehmen (intern) Markt, Umfeld und Unternehmen

Bezugszeitraum kurzfristig langfrislig

Abbildung 4: Operatives und strategisches Controlling im Vergleich4

Dabei ist das operative Controlling ein unverzichtbarer Bestandteil und ein bewiihrtes Instrument der Untemehmenssteuerung geworden, wiihrend das strategische Controlling schwieriger zu etablieren scheint: es findet sich nicht in der gleichen Konsequenz und Durchgangigkeit in der Praxis.

3. Vom Ergebnis- zum Prozeficontrolling

Sowohl im operativen als auch im strategischen Controlling stehen bislang noch stark die Ergebnisse im Vordergrund. Das operative Controlling befaSt sich mit GroBen wie Budgeteinhaltung, Planabweichungen, Kostenentwicklungen, Deckungsbeitragen, Pro­dukt- und Kundenrentabilitat sowie Finanzkennzahlen und F & E Aufwand. Das strate­gische Controlling dagegen konzentriert sich auf Marktwachstum und Marktanteile, Borsenwert und Aktienkurse, auf die langfristige Investitions- und Akquisitionsplanung als auch auf die Erreichung definierter strategischer Ziele insgesamt.

In den 90er Jahren hat, ausgelost durch eine Vielzahl neuer Managementkonzepte, ein Umdenken und eine Neuorientierung stattgefunden, die einem Paradigmawechsel gleichkommen konntes: Reengineering und Restructuring wie auch Total Quality Mana­gement6 und Business Process Improvement Programme7 (vgl. z. B. Harrington 1991; Nippa/ Picot 1995) haben den Proze.f3-Gedanken in den Mittelpunkt der Gestaltung von Organisationen geriickt.

4 In AnIehnung an Sierke, B. R. A., a. a. 0., S. 40. S vgl. Riekhof, H.-Chr., ProzeBorientierte Untemehrnensfiihrung: Basis fOr wirkungsvolles Benchmar­

king, in: Kienbaum, J. (Hrsg.), Benchmarking Personal. Von den Besten lemen. Stuttgart 1997; S. 159-180; sowie die Beitriige in Riekhof, H.-Chr. (Hrsg.), Beschleunigung von Geschiiftsprozessen. Wettbewerbsvorteile drub Lernfiihigkeit. Stuttgart 1997.

6 vgl. z. B. Malomy, Chr., TQM umsetzen. Der Weg zur Business Excellence. Stuttgart 1996. 7 vgl. z. B. Harrington, H. J., Business Process Improvement. New York 1991; oder auch Nippo, M.,

Picot, A., (Hrsg.), ProzeBmanagement und Reengineering. Die Praxis im deutschprachigen Raum. FrankfurtlNew York 1995.

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S1RATEGIEUMSE1ZUNG AUF DEM PRtiFSTAND 123

Die ProzeB-Idee fiihrt dazu, daB

• Prozesse als Bausteine von Organisationen angesehen werden • die Wertschopfung ("value adding") zur Leitlinie der Organisationsgestaltung

wird • Benchmarking zum Motor der organisationalen Lemfahigkeit wird.

Das Denken in Geschiiftsprozessen hat auch eine wichtige Funktion fUr das Controlling: es riickt eine neue Dimension ins Blickfeld, nlimlich den Zeitfaktor.8 Zeit hat als Cont­rolling-GroBe besondere Vorteile:9

• Zeit erfordert keine Bewertungen • Zeiteinheiten sind grundsatzlich vergleichbar • Zeit erzwingt Analysen auf der physischen Ebene • Zeit riickt Schnittstellen und Wartezeiten in den Fokus • Zeit ist in der Regel immer "Verschwendung".

W enn Geschiiftsprozesse bei der Organisationsgestaltung besondere Beachtung finden, dann liegt es nahe, auch das Controlling an Geschiiftsprozessen auszurichten. Damit verandert sich der Blickwinkel des Controlling, und gleichzeitig gewinnen insgesamt vier Kategorien an Bedeutung, nlimlich

C= V= Q= T=

cost value quality time

(im Sinne von ProzeBkosten) (im Sinne von WertschOpfung fUr den ProzeBkunden) (im Sinne von Fehlerfreiheit und ProzeBbeherrschung) (im Sinne von ProzeBzeiten und ProzeBbeschleunigung).

Damit kann das Ergebniscontrolling durch ein ProzeBcontrollinglO erganzt werden, und zwar sowohl auf der operativen als auch auf der strategischen Ebene. Eine Gegeniiber­stellung dieser vier Controlling-Bereiche findet sich in der folgenden Matrix (vgl. Ab­bildung 5):

8 vgl. Riekhof, H.-Chr., Die Idee des Geschilftsprozesses: Basis der lernenden Organisation, in: ders. (Hrsg.), Beschleunigung von Geschaftsprozessen. WettbewerbsvorteiIe durch Lernfahigkeit. Stuttgart 1997, S. 7-28.

9 vgl. hierzu insbesondere Stalk, J., Hout, Th. M., Zeitwettbewerb. FrankfurtlNew York 1990 sowie Thomas, Ph. R., Competitiveness through total cycle time. New York 1990.

10 Zurn hierrnit verwandten Aktivitiitscontrolling vgl. die Beitrage in Witt, F.-I. (Hrsg.), Aktivitiitscont­rolling und ProzeBmanagement. Stuttgart 1991.

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124 HANs-CHRIsTIAN RlEKHOF

Strateglscbes ErgehniscontroUing I Strateglscbes ProzeBc:ontroUing

Wie effelctiv veclKuft der Proze8 Slrategisch Wie entwickeln sich Marktanteile. der strategischen Analyse und dec

lnnovalionsraten. Untemehmenswen. tech- Strategieumsetzung? Sind die nologische Positionen? Strategien wirksam? Sind die Ge-

schllftsprozesse strategiekonform ausgerichtet?

Ausrichtung Operatives E.rgebrmcontroUing Operatives ProzeBc:ontrolling

Wie entwickeln sich Budgets, Wie entwick.eln sich die Operativ Planabweichungen. Kostensttukturen. ope- wichtigsten Gcschllftsprozesse hinsicht-

rative Ergebnisse. operative Iich ihrer: Kennziffem? 1. Kosten (cost),

2. WerlschOpfung (value). 3. Qualitllt (quality). 4. Dauerltime~?

Ergebnis Prozell

Abbildung 5: Ergebnis- und ProzeBcontrolling im Vergleich

4. Strategisches Prozeficontrolling: Motor der Strategie­Implementierung

Wahrend das strategische Ergebniscontrolling darauf ausgerichtet ist, die Erreichung der strategischen Ziele und Ergebnisse zu Uberpriifen, ist es die Aufgabe des strategischen ProzeBcontrollings, die Qualitlit und Wirksamkeit des strategischen Planungs- und Um­setzungsprozesses zu Uberwachen. In der jUngeren Vergangenheit ist diesem Aspekt des Controlling unter dem Stichwort "Balanced Scorecard" verstlirkte Aufmerksamkeit zu­teil geworden. 11 Eine detaillierte GegenUberstellung typischer Aufgaben des strategi­schen Ergebnis- und ProzeBcontrollings findet sich in Abbildung 6:

11 vgl. Kaplan, R. S., Norton, D. P., Balanced Scorecard. Strategien erfolgreich umsetzen. Stuttgart 1997; Brown, M. G., Kennzahlen. Harte und weiche Faktoren erkennen, messen und bewerten. Miin­chenIWien 1997.

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STRATEGIEUMSETZUNG AUF DEM PROFsTAND 125

Strategische Strategischcs Strategischcs Fra~estellun~en Ergebniscontrolling Proze8controlling

l. Welche Erfolgsmuster gibt es AbgJeich der Entwicldung von Wer kUounert sich wie intensiv imMarla? Wettbewerbern und eigenem urn die Wettbewerbsbeobach-

Unternehmen tung?

2. We1che Marktsegmente werden Abgleich von Marktprogoosen Wird der Proze8 der Marktbe-Uberdurchschnittlich wacbsen? und strategischec Planung obachtung permanent verbes-

sort? Wird die Zuverlllssigkeit von Progoosen UberprUft?

3. Wo Iiegen vO\lig neue Nutten- OberprUfung dec WertscMp- Wie kann dec lnnovationspro-potentiale, die sich erschlie8en fungsstruJctur und der lnnovati- uB beschleunigt werden? lassen? onsrate

4. Wodurch ist das Wachstum Analyse von Wachstumsberei- Werden Strategien revidiert? vergangener Jahre entstanden? chen Gibt os Lernprozcsse im Untet-

nehmen?

s. Welches sind die strategischen Analyse des Rcssourceneinein- Wie werden die strategischen Kernkompeteozen? satzcs fUr strategische Program- Kernkompeteozen kommuni-

me ziert?

6. Welches ist die trategische Abgleich von Marla-, Wettbe- Gibt es einen konsequenten StoBrichtung in den Marktseg- werbs- und Unternehmensdaten lmplementierungsplan? menten?

7. Welche Rcssourcen werden zu Plausibilitlts- und Erfolgskon- Gibt os ein einfaches strategi-ihrer Entwicldung bereitge-- trolle (SoU-lst -VecgJeich) sches Reporting? (konstant,

steHt? zeitnah, JtT8Dhisch)

Abbildung 6: Ergebnis- und ProzeBcontrolling im strategischen PlanungsprozeB

Konsequent angewandt, kann das strategische ProzeBcontrolling den Strategieplanungs­und -umsetzungsprozeB transparenter machen, Fortschritte deutlicher dokumentieren, UbetfIUssige oder ineffiziente Schritte elirrrinieren und die Wirksamkeit des Umset­zungsprozesses permanent bewerten. In diesem Sinne wird das strategische ProzeB­controlling zum Motor der Strategieumsetzung, und es unterstUtzt die Untemeh­mensleitung bei entsprechenden Lemprozessen und Erkenntnisfortschritten.

Diese Ubersicht verdeutlicht, daB das strategische ProzeBcontrolling Fragen aufwirft, die bislang in der Praxis selten oder allenfalls indirekt gestellt wurden. Dies liegt sicher­lich auch daran, daB das GeschliftsprozeBmanagement in der Untemehmenspraxis in Produktion, Logistik und Auftragsabwicklung die stlirkste Verbreitung gefunden (und dort auch groBen Nutzen gestiftet) hat.

Der ProzeB der UntemehmensfUhrung selbst ist allerdings bislang selten mit dem kon­sequenten GeschaftsprozeB-Ansatz konfrontiert worden, auch wenn dies von Modellen wie dem European Quality Award (EQA) oder dem Malcolm Baldridge Award (MBA) durchaus gefordert wird. DaB es moglich und iiberaus sinnvoll ist, die strategische Un­temehmensfUhrung konsequent mit dem ProzeBdenken zu verbinden bzw. den strategi­schen Focus und die ProzeBausrichtung aufeinander abzustimmen, belegen beispiels-

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126 HANs-CHRISTIAN RIEKHOF

weise die Ausftihrungen von Labovitz und Rosanskyl2, die sich unter der Uberschrift "alignment" genau diesem Thema zuwenden.

5. Fallstudie: Strategisches Prozeficontrolling in der Praxis

Im Rahmen eines UNICconsult-Beratungsprojektes, dessen Ziel die Beschleunigung der Strategieumsetzung war, wurden die Instrumente des strategischen ProzeBcontrolling angewandt. Die detaillierte Analyse des strategischen Planungsprozesses brachte einige tiberraschende Ergebnisse.

Strategische Analyse statt strategischer Aktionsprogramme

Die Betrachtung des Detaillierungsgrades der vorhandenen strategischen Konzepte der Geschiiftsbereiche ergab folgendes Bild (vgl. Abbildung 7):

Strategische Umfeldanalyse

Strategische Marksegmentanalyse

Analyse der vergangenen Geschaftsentwicklung

Quantitative Zukunftsplanung

Festlegung strategischer Kemaussagen

Strategische Zielsetzungen

Slralegische Aktionsprogramme

MaBnahmenplane

Strategisches Reporting

• Abbildung 7: Detaillierungsgrad der strategischen Planung

Hier zeigt sich eine interessante Parallele zu dem eingangs festgesteIlten Tatbestand, daB Analyse und Umsetzung nicht imrner in einem ausgewogenen VerhaItnis stehen. Es liegt auf der Hand, daB die wirksame Implementierung umso schwerer fliIlt, je weniger prazise sie vorgeplant ist.

Der Abgleich von strategischer Zielsetzung, den dazugehorigen strategischen Aktions­programrnen und dem entsprechenden strategischem Reporting i.S. von Erfolgs­MeBgroBen offenbarte eine weitere Diskrepanz: das genaue Hinterfragen tiihrte zu der Uberzeugung, daB mit den zunachst verabschiedeten strategischen Aktionsprogramrnen die strategischen Ziele auf keinen Fall zu erreichen waren. Daher wurden die ver­antwortlichen Manager beauftragt, die Aktionsprogramrne zu tiberarbeiten und emeut zu prasentieren.

Differenzierter Einsatz der "Stellschrauben"

Zunachst zeigte sich, daB in der quantitativen Langfristplanung die Zielsetzungen hin­sichtlich der zu erreichenden strategischen Ziele wenig differierten, d. h. daB die unter­schiedlichen strategischen Chancen in eine "Einheits"-Strategie mtindeten: eine Dif­ferenzierung der "SteIlschrauben" fand nicht statt. Daher wurden anhand eines "SteIl-

12 vgl. Labovitz, G., Rosansky, v., The power of alignment. New York 1997.

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STRATEGIEUMSETZUNG AUF DEM PRDFsTAND 127

schrauben-Charts" fUr den gesamten Bereich die Kem-Kennzahlen im 1st auf einer Seite verdichtet, mit den strategischen Zielen abgeglichen, und es wurden ganz wenige, aber umso anspruchsvollere Ziele fUr einige der Stellschrauben gemeinsam definiert. Es liegt auf der Hand, daB strategische Aktionsprogramme konsequenter und klarer konzipiert sein miissen, wenn sie Quantenspriinge in der strategischen Positionierung herbeifiihren sollen.

Ein Nebenergebnis dieser Uberlegungen war auch, daB die strategische Ausgangs­situation der einzelnen Geschiiftsbereiche einer eingehenden Priifung unterzogen und darauf basierend eine klare Zuordnung und Positionierung der Vorgehensweise vorge­nommen wurde. Dazu wurde das nachstehende Raster angewandt (vgl. Abbildung 8).

aktueUe

Ergebnissituation

ok

nichtok

mchtok

Strategische StoBrichtung

erarbeiten

Reengineering durchfiihren

StrategISChe

RegelmiiBige Strategiereviews

durchf"iihren

Geschaftsprozesse iiberpriifen und an

Best Practises messen

.. Posltiomerung ok

Abbildung 8: Die Bestimmung der strategischen Ausgangssituation der Geschiiftsbe­reich

Fehlende Konsequenz in der Umsetzung

Die kritische Analyse des Umsetzungsprozesses im Rahmen des Projektes zeigte, daB in zwei Geschiiftsbereichen der Nachdruck in der Strategieumsetzung fehlte. Deshalb wur­de ein strategisches Coaching der verantwortlichen Geschiiftsbereichsleiter verabredet.

Das strategische Coaching dient der Unterstiitzung der Strategieumsetzung und be­inhaltet die individuelle Beratung von Fiihrungskriiften mit einer definierten Aufgaben­stellung. Coaching als MaBnahme der Managemententwicklung wurde den folgenden Grundsiitzen entsprechend durchgefUhrt:

• den Auf trag erteilt das zustiindige Vorstandsmitglied • ein Konsens zwischen Vorstand, Direktor/GeschiiftsfUhrer und "Coach" hinsicht­

lich der Notwendigkeit und auch der ZweckmiiBigkeit des Coaching ist unabding­bar

• die Dauer betriigt mindestens 3-6 Monate, in der Regel eher 9-12 Monate • aIle Beteiligten konnen eine Abbruch-Option wahmehmen • die Strategie und deren wirksame Umsetzung, nicht aber schwer definierbare Din­

ge wie Fiihrnngsstil, Verhalten o.ii. sind der thematische Ausgangspunkt.

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128 HANs-CHRISTIAN RIEKHOF

Das strategische Coaching erwies sich als ein im Nachhinein von allen Beteiligten als sehr hilfreich bewertetes Instrument. Die erreichten Ergebnisse sprachen hier eine deut­liche Sprache.

Unzureichender Einsatz der Hebel der Strategieumsetzung

Wenn Strategien nicht umgesetzt werden, dann muB man die Frage nach den Hinder­nissen stellen. Was steht der erfolgreichen Strategieumsetzung in der Praxis entgegen? Wenn der ProzeB der Strategieumsetzung steckenbleibt, dann kann das eine Reihe von Ursachen haben. Am Anfang steht das Wichtigste: das strategische Konzept. In vielen Untemehmen existieren strategische Konzepte, aber sie sind viel zu umfangreich, zu wenig verstlindlich, sie sind regelrecht kommunikationsunfreundlich. Vielfach von Be­ratem geschrieben, spiegeln sie nicht die Sprache des Untemehmens wieder. Ihnen fehlt femer oft die Konzentration auf 3-4 strategische Kemaussagen.

Mit der Qualitiit des Konzeptes eng verbunden ist die Formulierung strategischer Ak­tionsprogramme. Haben diese den notwendigen Detaillierungsgrad? FUhren sie zu der unerliiBlichen Konzentration der Ressourcen? Wer strategische Konzepte zu lesen ge­lemt hat, merkt sehr schnell, ob es von vomherein auf Umsetzbarkeit angelegt ist oder nicht.

Wenig ausgepragt: das strategische Reporting

Wenig ausgepriigt ist oftmals auch das strategische Reporting. Wiihrend operative Daten in HUlle und FUlle vorhanden sind und bei Bedarf jegliche Art von Sonderauswertung vorgenommen werden kann, wird der Definition von Kontroll- und MeBgroBen, anhand derer der Umsetzungs- und Zielerreichungsgrad der Strategie gemessen werden kann, zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Diese Aufgabe dem Controlling zu Uberlassen, ware fatal: wer die Strategie entwirft, muB auch selbst die Kontrollpunkte definieren.

Erglinzend ist zu priifen, ob Strukturen und Prozesse der Strategieumsetzung entge­genstehen, ob die Fiihrungsmannschaft in der Lage ist, die Strategie zu realisieren, und ob die notwendige Motivation und Aufbruchstimmung hergestellt worden ist.

Die folgende Ubersicht zeigt zusammenfassend im Sinne einer Checkliste, woran die Implementierung oftmals scheitert bzw. mit we1chen Hebeln die Strategieumsetzung beschleunigt werden kann:

Die Hebel der Strategieimplementierung:

Nr. 1: Ein schlUssiges, priignantes strategisches Konzept mit klaren, anspruchsvollen strategischen Zielen

Nr. 2: Konzentration der Ressourcen auf die strategischen Kemkompetenzen Nr.3: Einfaches strategisches Reporting Nr. 4: Strategiekonforme Strukturen und Prozesse Nr. 5: Strategiegerechte Managemententwicklung Nr. 6: eine die Strategie fOrdemde Aufbruchstimmung

Eine gemeinsam von den FUhrungskriiften im Rahmen des Projektes anhand dieser 6 Kriterien durchgefiihrte Situationsbewertung ergab folgendes Bild:

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SlRATEGIEUMSE1ZUNG AUFDEM PROFsTAND 129

Ebene 1: Ebene2: Ebene3: Hebel: Vorstandsbereich Geschliftsbereiche Profitcenter

Nr.l: Ein schlUssiges, vorhanden Uberwiegend teilweise prllgnantes strate-lrisches Konzept

Nr.2: Konzentration der erfiillt Uberwiegend teilweise Ressourcen auf die Strategischen Kernkompetenzen

Nr.3: Einfaches strategi im Entstehen Uberwiegend teilweise sches Reporting

Nr.4: Strategiekonforme vorhanden wirdgerade teilweise Strukturen und Pro angepaBt zesse

Nr.5: Strategiegerechte vorhanden Coaching-Progranun teilweise Managementent- ist etabliert Wicklung

Nr.6: Eine die Strategie Handlungsbedarf Coaching-Programm teilweise filrdemde Aufbruch- ist etabliert stimmung

Abbildung 9: Unterschiedlicher Einsatz der Hebel der Strategieumsetzung auf den Or­ganisationsebenen

Das Ergebnis dieser Analyse im Rahmen des strategischen Proze8controlling zeigt sehr deutlich auf, wo der Handlungsbedarf liegt: die strategische Konzeption ist noch nicht in der notwendigen Form auf die einzelnen Organisationseinheiten heruntergebrochen worden, so daB die Leiter der einzelnen Profit Center insgesamt noch zu wenig strate­giekonform handeln. Mit anderen Worten: die Strategie ist noch nicht ausreichend in die Organisation hineingetragen worden.

Strategiereview-Tagung

Der systematische Review des strategischen Planungsprozesses fUhrte auch zu der ge­meinsamen Erkenntnis, daB die "management attention", also die Aufmerksamkeit der obersten FUhrungskrlifte, insbesondere fUr die Umsetzungsphase, viel zu gering war. Daher wurde die Vereinbarung getroffen, daB an einem mindestens halbjilhrlich stattfin­denden Strategiereview-Tag der Stand der Strategieumsetzung zu UberprUfen ist. Dabei wurden als Me8latte 4 Stufen definiert:

(1) Das strategische Konzept liegt vor (2) Das strategische Konzept ist verabschiedet (3) Die strategischen Aktionsprogramme sind umgesetzt (4) Die strategischen Programme sind mej3bar und wirksam.

Bemerkenswert war, daB die Einschatzung des Standes der Strategieumsetzung von der obersten Leitung gemeinsam im Team vorgenommen wurde: die FUhrungskrlifte nah­men Stellung zum Stand der hnplementierung in den Bereichen ihrer Kollegen. Hier

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130 HANs-CHRISTIAN RIEKHOF

wurde nach einiger Zeit eine erstaunliche Offenheit erreicht, die zu einem ziemlich rea­listischen Bild des sen fiihrte, was tatsachlich in der Organisation "los war".

Ais generelles Fazit und Ergebnis dieses Projektes ist festzustellen, daB das strategische ProzeBcontrolling

(1) zu starker differenzierten strategischen Zielen (Einsatz der "Stellschrauben") fiihrte (2) den Abgleich von Fiinfjahresplan und operativer Planung sicherstellte (3) zu einem strategischen Ergebnisreporting auf einer Seite fiihrte (4) eine Uberarbeitung und Prlizisierung der strategischen Aktionsprogramme erforder­

lich machte (5) eine halbjlihrliche Strategiereview-Tagung anregte (6) die Notwendigkeit eines begleitenden strategischen Coaching von Fiihrungskrliften

aufzeigte.

6. Scblnfifolgerungen

Die Erfahrungen mit strategischem ProzeBcontrolling lassen sich insofern folgender­maBen zusammenfassen:

• Die Anzahl der strategischen "Stellschrauben" begrenzen und diese klar kommuni­zieren

Es erwies im Rahmen des Projektes sich als relativ einfach , Umsatz- und Ergebnisziele fi.ir das Jahr 2003 zu definieren. Die Notwendigkeit zur strategischen Differenzierung je nach Marktsituation und eigener Wettbewerbspositionierung wurde systematisch unter­schatzt, und der Notwendigkeit, sich auf 3-4 strategische Stellschrauben zu begrenzen, wurde zunachst nicht Rechnung getragen. Ferner wurden diese Ziele nicht schnell und konsequent genug auf die einzelnen Profit Center heruntergebrochen.

• Strategische Ziele und strategische Aktionsprogramme abgleichen

Es gelang relativ schnell, neben quantitativen Vorgaben auch das Erstellen von Aktions­programmen zu deren Erreichung einzufordern. Hier wurde die Notwendigkeit, auch den ProzeB der Umsetzung und die Tragfahigkeit der Aktionsprogramme in die Uber­wachung einzubeziehen, systematisch unterschatzt.

• Das strategische Reporting iiberpriifen

Mit den iiblichen Kennzahlen und Auswertungen die operative Leistung von Geschlifts­bereichen zu messen, ist geiibte Praxis und Aufgabenstellung des operativen Control­ling. Es zeigte sich aber, daB vollig neue ErfolgsmaBstabe und Reportingstrukturen - je nach strategischer Zielsetzung - erforderlich wurden. Ubersehen wurde zunachst auch die Notwendigkeit zur Integration und zum permanenten Abgleich von Langfriststrate­gien, operativer Planung und Budgetierung.

AbschlieBend stellt sich die Frage, durch wen das strategische ProzeBcontrolling im Unternehmen durchgefiihrt werden sollte. 1st es eine Aufgabe, die der Controlling-Ab­teilung iibertragen werden sollte? 1st die Controlling-Abteilung in der Lage, diese Auf-

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S1RA1EGIEUMSETZUNG AUFDEM PRtlFsTAND 131

gabe wahrzunehmen? Unterstlitzung k6nnen Controller hier sicherlich leisten; die Ver­antwortung fUr das strategische Proze8controlling ist aber vermutlich nicht clelegierbar.

Der letztlich (fast) alles entscheiclencle Faktor jedoch, dies hat das geschilclerte Projekt gezeigt, ist die Aufmerksamkeit und die Systematik, mit der das Management die Stra­tegieumsetzung einfordert. Wenn in Untemehmen das Proze8clenken immer starker Ein­zug MIt, dann ist es nur logisch, wenn auch cler strategische Planungs- und hnple­mentierungsproze8 auf den PrUfstand kommt.

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Sierke. B. R. A. (1989). Investitionscontrolling. Korbach 1990. Stalk, S. J .• Hout, Th. M. (1990). Zeitwettbewerb. FrankfurtlNew York 1990. Thomas. Ph.R. (1990). Competitiveness through total cycle time. New York 1990. Witt. F.-J. (Hrsg.) (1991). Aktivitlitscontrolling und Proze8kostenmanagement. Stuttgart 1991.

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Proze8orientierte Verrechnung von IV-Kosten

Prof. Dr. Hubert Schiile*

1. Einleitung

2. Entwicklung von IV-Kosten in Untemehmen

3. Aufgaben und Instrumente des IV-Controlling

4. Stand der IV -Leistungsverrechnung

5. Vorgehen zur ProzeBorientierten Kostenverrechnung von IV -Leistungen

5.1. Zuordnen der Anwendungssysteme zu den Geschaftsprozessen

5.2. Ermitteln der Kosten fUr die Anwendungssysteme

5.3. Verrechnung der IV-Kosten auf die Geschliftsprozesse

6. Vorteile und Grenzen der prozeBorientierten Verrechnung von IV-Kosten

* Prof. Dr. Hubert SchUIe (Jahrgang 1964) studierte Betriebswirtschaftsiehre und Wirtschaftsinformatik und arbeitete mehrere Jahre in einem Beratungsuntemehrnen im Bereich Informationsmanage­mentlOrganisation. Seit 1997 ist er Professor fur Wirtschaftsinformatik an der Privaten Fachhochschu­Ie in Gottingen. AuBerdem ist er ais Informationsmanagement-Berater fur UNICconsult tiitig. Er be­treut Kunden bei der GeschllftsprozeBoptimierung. der Konzipierung und Einfilhrung von Informati­onssystemen. bei der Entwicklung von IV -Strategien sowie in Fragen des IV -Controllings.

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134 HUBERT SCHOLE

1. Einleitung

Die zunehmende Durchdringung der Informationsverarbeitung (IV) in Industrie, Handel und Dienstleistungsunternehmen fUhrt zu steigendem Anteil der IV-Kosten in den Un­ternehmen. Die Verrechnung der IV-Kosten erfolgt heute noch sehr oft mit veralteten Verfahren. Diese werden aktuellen Anforderungen an ein zeitgemiilles Controlling ins­besondere der verursachungsgerechten Verrechnung von Gemeinkosten wie sie in der ProzeBkostenrechnung propagiert wird, haufig nicht gerecht. Deshalb bedarf es fUr das Controlling geeignete Instrumente, urn die IV-Kosten besser planen und steuern zu kon­nen.

1m vorliegenden Beitrag wird ein Ansatz vorgestellt, urn die IV-Kosten prozeBorientiert zu verrechnen. Grundidee ist es dabei, die IV-Kosten zunachst auf die im Betrieb einge­setzten IV -Anwendungssysteme zuzuordnen, urn Sie dann auf die Geschaftsprozesse zu verrechnen, welche durch die Anwendungssysteme unterstiitzt werden.

Ausgehend von einer Darstellung der IV-Kostenentwicklung werden Instrumente des IV-Controllings vorgestellt. Darauf aufbauend wird das Verfahren der prozeBorientier­ten IV-Kostenverrechnung beschrieben. AbschlieBend werden die Vorteile den Grenzen des Verfahrens gegeniibergestellt.

2. Entwicldung von IV-Kosten in Unternehmen

Unternehmen stehen in permanentem Druck, ihre Produkte und Dienstleistungen effi­zienter und kundenorientierter anzubieten und die Markte zielgerichtet zu bearbeiten. Es herrscht breite Ubereinstimmung, daB eine geeignete Unterstiitzung der betrieblichen Aufgaben durch leistungsflihige LOsungen der Informationsverarbeitung eine hohe Be­deutung hat, urn diesen Anforderungen stand zu halten. Dabei versucht man zurn einen, durch den IV-Einsatz manuelle Bearbeitungsschritte zu vereinfachen bzw. durch Auto­matisieren entfallen zu lassen. So sollen vor allem Einsparungen in den Personalkosten erzielt werden. Zurn anderen versuchen Unternehmen, durch IV-Einsatz auch strategi­sche Wettbewerbsvorteile zu erzielen, in dem beispielsweise

• Markt-lKundeninformationen umfangreicher analysiert und ausgewertet werden, • die betrieblichen Mengen- und Wertfliisse durch leistungsflihige IV-gestiitzte

Controlling-Instrumente besser gesteuert und kontrolliert werden, • ausgefeilte Planungsinstrumente fUr MaterialflUsse und Produktion Bestande sen­

ken und Durchlaufzeiten verkiirzen, • durch Aufbau von Data Warehouse-LOsungen die Entscheidungsfindung in Unter­

nehmen qualitativ verbessert wird, • durch Vernetzung mit anderen Marktpartnern wie Kunden und Lieferanten die ge­

samte WertschOpfungskette IV-gestiitzt abgewickelt wird. Das Internet und damit die Moglichkeit (fast) jeden einzelnen Kunden und jeden Lieferanten weltweit zu vergleichsweise geringen Kosten elektronisch zu erreichen wird diese Entwick­lung weiter forcieren.

Die zunehmende Durchdringung der Unternehmen mit IV-Technologien erfordert Auf­bau und Wartung einer umfangreichen IV-Infrastruktur bestehend aus Rechnern, Peri­pherie und Systemsoftware, Vernetzung und vor allem Anwendungssoftware. Dies ver-

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PROZEBOR1ENT1ERTE VERRECHNUNG VON N -KOSTEN 135

orsacht immense Kostenblticke in Industrie-, Handel- und Dienstleistungsunternehmun­gen.

Wenngleich sich das Preis-lLeistungsverhliltnis der Rechnerhardware in den vergange­nen Jahren geradezu dramatisch verbesserte, fiihrt diese Entwicklung meist nicht zu einem entsprechenden Riickgang der N -Kosten. So erftillten sich Hoffnungen durch die Einfiihrung von vemetzten Client-Server-Systemen Kosteneinsparungen in signifikan­tem Umfang zu erzielen, kaum. Untersuchungen der GartnerGroup beispielsweise zei­gen, daB die sogenannte "Cost of Ownership", d. h. die Kosten eines N-gestiitzten Ar­beitsplatzes bei Client-Server-Systemen gegeniiber Zentralrechnersystemen Mher lie­gen.) Erhohter personeller Aufwand bei permanent steigenden Personalkosten in der Betreuung der vemetzten Systeme und in der PC-Betreuung der Anwender sowie zu­nehmende systemtechnische Anforderungen an die Hardware modemer Anwendungs­systeme mit grafischer Benutzungsoberflliche und ausgefeilter bedienungsfreundlicher Funktionalitlit kompensieren das verbesserte Preis-lLeistungsverhliltnis weitestgehend.

Seitens der Anwendungssoftware versprach man sich durch den Einsatz von betriebs­wirtschaftlicher Standardsoftware Kostenvorteile. Diese treffen allerdings auch nor zum Teil ein. Die tatslichlichen Kosten liegen oft Mher als die geplanten.2 Anstelle der Kos­ten fiir Mitarbeiter, die vormals die betrieblichen Anwendungssysteme selbst entwickel­ten und warteten, treten haufig Kosten fiir teure Spezialisten, we1che die Standardsoft­ware in den Untemehmen einftihren, Anwender betreuen und schulen sowie ggf. spe­zielle, durch die Standardsoftware nicht abgedeckte Funktionen fiir das Unternehmen in der neuen Anwendungslandschaft realisieren. AuSerdem betcligt der Anteil der tatsiich­Hch benutzten Funktionen einer Standardsoftware oft unter 50 % der moglichen und auch bezahlten Funktionen. Hinzu kommen die nicht unbetriichtlichen Wartungsgebiih­ren sowie hohe Ressoorcenanforderungen von integrierten Anwendungssystemen.

FaSt man diese Entwicklungen zusammen, so kann man auf zunehmende N-Kosten schlie6en. Diese Tendenz geht einher mit einem Mheren Nutzen der N -Systeme be­dingt durch die zunehmende Funktionalitlit sowie die ergonomischeren Bedienungsober­fllichen, welche die Nutzung der Anwendungssysteme vereinfachen.

VerlnBliche empirische Daten zu diesen Entwicklungen sind nor schwer zugangHch. Dies hat verschiedene Ursachen:

• Das Controlling der Informationsverarbeitung ist haufig nor schwach ausgepriigt. Somit unterbleibt es, entsprechende Kosteninformationen zu erheben und aufzu­bereiten.

• Investitionen in die N werden oft als strategisch notwendig betrachtet. WirtschaftHchkeitsbetrachtungen finden meist nor im Vorfeld und iiberschliigig statt. Seltener werden entsprechende Analysen nach Systemeinfiihrungen anhand gemachter Erfahrungen verifiziert.

• N-Kosten unterliegen keiner Veroffentlichungspflicht. • Die Kostenart N-Kosten gibt es nicht. Die N-Kosten setzen sich aus verschiede­

nen anderen Kostenarten zusammen, wie Personalkosten, Materialkosten, etc.

) vgl. Gartner Group, Teo Analyst, White Paper, Stamford 1997 2 vgl. Forrester Report, August 1998

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136 HUBERT SCHiiLE

Somit bietet das illstrument der Kostenartenrechnung keine verliiBliche illformati­onen zu den Kostenarten.

• ill der Kostenstellenrechnung werden IV-Kosten nur unzureichend erfaBt. Folgen­des Beispiel kann hier als charakteristisch angesehen werden: ill einer vom Autor durchgeflihrten Studie in einem mittelstlindischen Unternehmen mit ca. 450 Mio. Umsatz wies die Kostenstelle ,,Datenverarbeitung" Kosten in Hohe von knapp 6 Mio. DM aus. 1m Rahmen einer Analyse stellt man jedoch fest, daB in den Fach­abteilungen erhebliche IV-Kosten anfallen, z. B. fUr Netzwerkbetreuung oder die Wartung fachabteilungsspezifischer Systeme und Anwendungen. Diese sind je­doch nur schwer zu erfassen. So wurden beispielsweise unter der Kostenart "War­tung" im technischen Bereich Kosten fur die Wartung von Werkzeugmaschinen mit Kosten fur die Wartung eines Bereichs-Servers kumuliert. Unter Personalkos­ten wurde die Betreuung des Abteilungs-Servers unter einer Position mit spezifi­schen Fachaufgaben zusammengefaBt. Nach Bereinigung der wesentlichen Kos­teninformationen ergaben sich dann fUr das Unternehmen "tatsiichliche" IV­Kosten in Hohe von ca. 10,5 Mio. DM p.a.

Unberiicksichtigt dieser Einschriinkungen kann Folgendes festgehalten werden:

• Die IV-Kosten weisen in den Unternehmen einen wesentlichen Anteil an den Ge­samtkosten auf. Ein wesentlicher illdikator dafiir ist der Anteil an den Gesamtkos­ten. In den Nicht-Fertigungsbereichen von illdustrieunternehmen beispielsweise betriigt er nach einer Studie des VDMA flir den Maschinenbau zwischen 2,7 % und 8 %.3 ill (Finanz-)Dienstleistungsunternehmen liegt er nach einer Schiitzung von Moormann/Wolfing bei durchschnittlich 15 %.

• Ein gezieltes Controlling dieses Kostenblockes ist notwendig, insbesondere dann, wenn in einem Unternehmen signifikante Zuwiichse der IV-Kosten festzustellen sind.

3. Aufgaben und Instrumente des IV -Controlling

Der IV-Bereich eines Unternehmens hat zur Aufgabe, die fUr die Fachabteilungen not­wendigen illformationssysteme bereitzustellen und zu betreiben. Er nimmt damit eine (interne) Dienstleistungsfunktion war. ill Anlehnung an produktionstheoretische Uber­legungen4 kann eine Dienstleistung ergebnisorientiert, prozeBorientiert oder potential­orientiert betrachtet werden. Ubertriigt man diese Systematisierung auf den IV-Bereich, ergeben sich daraus folgende Uberlegungen zur (Dienst-)Leistungserstellung im IV­Bereich:5

• ill der potentialorientierten Sicht besteht die Dienstleistung aus dem Bereitstellen von Kapazitiiten, we1che zur Leistungserbringung notwendig sind (Produktions­faktoren). Dies entspricht im IV-Bereich dem Bereitstellen von IV-Mitarbeiter, Netzwerken und Hardware.

• Die ergebnisorientierte Betrachtung stellt das immaterielle Ergebnis der Dienst­leistung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Ergebnisse der IV -Leistungen sind

3 vgl. VDMA, Kosten und Leistung der Infonnationsverarbeitung 1994 vgl. Corsten, H.; WISU 17 (1988). vgl. Pfarr, B., Beinbauer, M.; Controlling (1996) 6.

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PROZEBORIENTIERTE VERRECHNUNG VON IV-KoSTEN 137

vor aHem die durch die Anwender in den Fachabteilungen genutzten Anwen­dungssysteme.

• In der prozeBorientierten Definition stellt der ProzeB der Leistungserstellung selbst die Dienstleistung dar. Prozesse im IV-Bereich sind bespielsweise der Be­trieb der Anwendungssysteme, das Einflihrungen von Standardsoftware oder das Neuentwickeln von Individuallosungen.

FUr jede dieser Betrachtungen sind geeignete IV-Controlling-Instrumente notwendig. Abbildung 1 faBt die bisherigen Uberlegungen zusarnmen und zeigt entsprechende Bei­spiele fUr IV -Controlling-Instrumente, die eine gewisse Durchdringung in der Praxis gefunden haben.6

> Emellunll Ergebnlsl Produlcte

Aspelcteder IV-Dlen .. - • Personal • Entwicl<fung • Technlsche Inlrastruklur lel"unll8n • Rechneranlagen .Waltung

• Ar1wendungssysteme • SachmiHei • Installation • Ubelragungswege • Belrieb

• Benutzerservice

• elc. • etc. ·elc.

• Budgetplanungf BeI.plele fOr -konlrolle • Projektconlrolling • Budgelierung Controlling- • InvestHlonscontroiling • Kosten-lNutzen- • Ko"enverrechnunll In .. rument. • AusJaslungsOber- Analysen • Produktplanung

Abbildung 1: Sichten der IV-Dienstleistungserstellung und entsprechende Controlling­Instrumente

Von diesen Instrumenten solI im weiteren vor aHem die Kostenverrechnung - bisweilen auch als Leistungsverrechnung bezeichnet - naher dargesteHt werden.

4. Stand der IV -Leistungsverrechnung

Die Inanspruchnahme von IV-Leistungen durch Fachabteilungen bzw. KostensteHen wird oft anhand von MaBgroBen gemessen. Diese MaBgroBen werden dann auch zur Zurechnung anteiIiger IV-Kosten verwendet. 7

• Beispiele flir diese Form der IV -Leistungsverrechnung sind technische MaBgro­Ben, wie z. B. die genutzten CPU-Sekunden, der erforderliche Plattenbedarf oder die Anzahl an Terminal- bzw. PC-AnschlUssen oder Drucker. FUr diese Aufga­benstellung wurden sogenannte Accounting-Systeme entwickelt, welche die Er­fassung entsprechender Kennzahlen automatisieren und damit vereinfachen.

6 vgl. Zanger, C., Schone, K., in: Information Management, 9 (1994) 1. 7 vgl. Toellner, A., Methoden des IV-Controllings als Hilfsmittel zur Gestaltung der Informationsverar­

beitung, Bovenden 1996

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138 HUBERT SCHiiLE

• Direkt zurechenbare Personalkapazitiiten, etwa fiir das Erstellen einer speziellen Anwendung, werden gemiiB diesem Prinzip der Verrechnung anhand der bean­spruchten Personentage auf die auftraggebende Kostenstelle verrechnet.

Darnit IV-Leistungen und -Kosten den Fachabteilungen transparent werden, wird das Erstellen von sogenannten Leistungskatalogen propagiert.8 In einem Leistungskatalog werden die verschiedenen IV -Dienstleistungen aufgelistet, z. B.

• Hotline-Betreuung auf verschiedenen Leveln, • Anwendungsmodifikationen, ggf. in Katagorien wie ~ Maskenmodifikation, ~ Neue Auswertungen, ~ etc.,

• Schulungen, • etc.

Diese Art der Leistungsverrechnung stellt die Bereitstellung der Kapazitiiten fUr die Fachabteilungen in den Vordergrund. Es dorniniert die potentialorientierte Sichtweise.

Vorteilhaft sind die dargestellten Verfahren insbesondere deshalb, weil die IV-Kosten relativ einfach den nutzenden Fachabteilungen zugeordnet werden konnen. Darnit wird vor allem die Dokumentationsaufgabe des IV-Controlling erfiillt. Den Leitem der nut­zenden bzw. auftraggebenden Kostenstellen kann transparent aufgezeigt werden, wie die IV-Kosten entstanden sind.

Jedoch wei sen diese Verfahren auch eine Schwiiche auf. In den Fachabteilungen werden derart verrechnete IV-Kosten nieht weiter differenziert. Eine verursachungsgerechte Weiterverrechnung der IV-Kosten auf die Leistungen der Fachabteilungen, d. h. die Ge­schiiftsprozesse, welche die Fachabteilung ganz oder teilweise bearbeitet, ist nur schwer moglich und unterbleibt deshalb. Die IV-Kosten bleiben als "Gemeinkostenblock" ste­hen. 1m Rahmen von Produktkalkulationen wird dieser Kostenblock tiber pauschale Zuschlagssiitze auf die Produkte weiterrechnet. Dies kann jedoch Nachteile nach sieh ziehen, etwa dann, wenn eine pauschalierte Urnlage der Gemeinkosten zu Preisunter­grenzen in Produktkalkulationen fUhrt, die nicht wettbewerbsfahig sind. Genau hier solI ja die ProzeBkostenrechnung Abhilfe schaffen. Kostenstellen-Gemeinkosten werden dabei zuniichst den verursachenden Geschiiftsprozessen der Kostenstelle zugeordnet, urn sie dann in einem zweiten Schritt auf die Produkte bzw. Kostentriiger zu verrechnen, welche Gegenstand der Geschiiftsprozesse sind.9

5. Vorgehen zur Proze6orientierten Kostenverrechnung von IV­Leistungen

Darnit die IV-Kosten gemiiB den Zielsetzungen der ProzeBkostenrechnung auf die Ge­schiiftsprozesse der Fachabteilungen verrechnet werden konnen, sind die konventionel­len Verfahren der IV-Leistungsverrechnung zu tiberarbeiten bzw. zu ergiinzen. Die in der Vergangenheit vor allem potentialorientierte Sichtweise ist durch eine Betrachtung

8 vgl. u. a. Jakubczik, G. D., Skubch, N., in: Online 6 (1994). 9 vgl. u. a. KUpper, K. H., in: DBW Die Betriebswirtschaft 51 (1991).

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PROZEBORIENTIERTE VERRECHNUNG VON N -KOSTEN 139

zu ergiinzen, welche es erlaubt, die anfallenden Kosten auf die Geschaftsprozesse der Fachabteilungen weiter zu verrechnen. Zu diesem Zweck erscheint die ergebnisorien­tierte Sicht, d. h. die Orientierung an dem Ergebnis der N -Dienstleistung, den Anwen­dungssystemen, besonders zwecIaruiBig. Dies lliBt sich damit begrUnden, daB in den Fachabteilungen die Anwendungssysteme schlie8lich fUr die Unterstiitzung der Ge­schaftsprozesse verwendet werden. Eine Zuordnung der Kosten auf die durch die Fach­abteilung genutzten Anwendungssysteme wUrde es erlauben, eine Zuordnung zwischen N-Kosten und Geschaftsprozessen herzustellen.

Diese iiberlegungen in der Praxis umzusetzen erfordert ein stufenweises Vorgehen.10

1. Die von den Fachabteilungen genutzten Anwendungssysteme sind den Geschaftspro­zessen zuzuordnen.

2. Zunllchst werden die Kosten der Anwendungssysteme ermittelt, welche durch den N-Bereich unterstUtzt werden. Die kumulierten Anwendungssystemkosten spiegeln somit die ,,Produktkosten" des N-Bereichs wider.

3. Die Kosten der Anwendungssysteme werden den Geschaftsprozessen der Fachabtei­lung zugeordnet.

5.1. Zuordnen der Anwendungssysteme zu den Geschiiftsprozessen

Voraussetzung fUr diesen Schritt ist eine Beschreibung der Geschaftsprozesse des Un­temehmens, vergleichbar etwa, wie man sie auch fUr die Jmplementierung einer Proze8-kostenrechnung benotigt.

Unter einem Geschaftsproze8 solI dabei eine Folge von einzelnen Funktionen verstan­den werden, die nacheinander (sequentielI) oder nebeneinander (parallel) ablaufen. Die­se Funktionen dienen einem bestimmten genau spezifizierten geschaftlichen Zweck im Untemehmen, z. B. dem Beschaffen von Material oder der Auftragsabwicklung. Ge­schaftsprozesse werden von Ereignissen ausgelost und durch Ereignisse abgeschlossen, im Falle des Einkaufsprozesses wlire dies das Entstehen des Materialbedarfs als Auslo­ser, sowie das Vereinnahmen des gelieferten Materials im Lager (mengenmliBiger AbschluB) und die kreditorischen Ver6uchungen (wertmliBiger Abschlu8) als abschlie8ende Ereignisse. An diesem Beispiel erkennt man die wesentliche Eigenschaft, daB sich Geschaftsprozesse I1ber mehrere Ressorts erstrecken, und deshalb hliufig nicht explizit dokumentiert sind. Charakteristische Merkmale fUr Geschaftsprozesse sind des­weiteren die Wiederholbarkeit und die Moglichkeit, sie zu standardisieren, d. h. in einer definierten Folge von Ereignissen und Funktionen zu bearbeiten. Urn unterschiedliche Detailgrade in Proze8beschreibungen zu realisieren, konnen Geschaftsprozesse in Teilprozesse gegliedert werden.

Zur Proze8beschreibung konnen neben den Grundelementen Funktionen und Ereignisse weitere Elemente der Geschaftsproze8modellierung herangezogen werden, z. B. Organi­sationseinheiten zur Beschreibung der Stellen im Untemehmen, welche die Funktionen bearbeiten, Informationstrllger zum Darstellen der Medien fUr Proze8informationen,

10 vgI. Pfarr, B., Beinhauer, M., in: Controlling 6 (1996).

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140 HUBERT SCHiiLE

Datenobjekte zur Bezeichnung der Datenelemente eines Geschiiftsprozesses im Sinne der Datenmodellierung sowie Ressourcen. 11

Letztgenannte sind fUr die hier behandelte prozeBorientierte Verrechnung von IV­Kosten von besonderer Bedeutung. SchlieBlich sind IV -Systeme Ressourcen und lassen sich als solche den Funktionen bzw. Teilprozessen eines Geschiiftsprozesses zuordnen.

Dabei wird angenommen, daB

• ein GeschiiftsprozeB aus Teilprozessen besteht, • eine Ressource mehreren Teilprozessen zugeordnet werden kann, • ein TeilprozeB mehrere Ressourcen in Anspruch nehmen kann, • der Verzehr je Ressource und TeilprozeB als Standardwert definiert werden kann.

Diese Beziehungen lassen sich vereinfacht auch grafisch darstellen, wobei die genann­ten Elemente als Rechtecke und die Beziehungen als Kanten angetragen werden (vgl. Abbildung 2). Die Beschrifiung links einer vertikalen Kante ist in Richtung "von oben nach unten" zu lesen, rechts davon von "unten nach oben". Die Beschriftung oberhalb einer horizontalen Kante ist in Richtung "von links nach rechts" unterhalb von "rechts nach links" zu lesen.

win! bearbelle! durch Organisations-bearbellel einheit

c 1i ~ c Ii j J!

Abbildung 2: Schema der Beziehungen

Das Zuordnen der Anwendungssysteme zu den Geschliftsprozessen ist nach einem erst­maligen Abbilden immer dann zu tiberarbeiten und ggf. anzupassen, wenn

• neue Anwendungssysteme zur Untersttltzung der Geschaftsprozesse eingefUhrt werden,

• sich organisatorische Anderungen in der ProzeBbearbeitung, etwa als MaBnahmen im Rahmen von BPR-Projekten (Business Process Reengineering), ergeben.

11 vgl. Scheer, A. W., Wirtschaftsinformatik, Referenzmodelle fUr indutstrielle Geschllftsprozesse, Berlin u.a.1994

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PROZE80RIENTIERTE VERRECHNUNG VON IV -KOSTEN 141

5.2. Ermitteln der Kosten fUr die Anwendungssysteme

Damit die Kosten fUr die Anwendungssysteme ennitteln werden konnen, sind letztge­nannte zunachst zu gliedern und dann fUr jedes der Systeme geeignete Verrechnungs­groBen festzulegen. Unterschiedliche Strukturen in den Unternehmen erschweren eine fUr aIle Unternehmen gleichermaBen giiltige Gliederung. Gleichwohl kann eine Grund­struktur vorgegeben werden, die bis zu einem gewissen Grade Aligemeingiiltigkeit hat. Eine derartige Grundstruktur lliBt sich dann unternehmensspezifisch unter Beriicksichti­gung der individuellen Rahmenbedingungen anpassen. Diese Uberlegung folgt dem An­satz des Referenzmodells, welchen man beispielsweise zur Entwicklung von Anwen­dungssystemen verwendet.12

Eine Gliederung der Anwendungssysteme (fiir ein Industrieunternehmen) konnte bei­spielsweise folgendermaBen erfolgen:

Uoternelu:Densberelcb Aoweod\Ul2SSYsteJD Verredmu02S1U-c,8e CBelsolele) Vertrieb Auflragserfassung Anuhl Auftrlge/-po ilionen

Faklurierung Anuhl Rechnungenl.po ilionen Versand Anuhl Lieferungenl-posilionen Vertrieb infonnationssyslem Online-CPU-Sekunden elC.

Kundendiensl ErsalZleilwirlSchaft Anzahl Teile/Posilionen Abwicklung WartungIReparalur Anuhl Vertrllge, Auftrllge elc.

Personal Personalzcitverwaltung Anuhl Milarbeiler Personalabrechnung Anuhl Abrechnungen Personalinfonnationssyslem Online-CPU-Sekunden elC_

MalerialwirlSchafil Einkauf Anuhl Beschaffungenl-positionen MaterialfluB WareneinganglLager Anuhl Po itionen/Teile

Warenbewegung Anuhl Lagerbewegungen Bedarfsplanung ArwhlTeile Materialinfosystem Online-CPU-Sekund.en elc.

Produktion planungl Programmpla.nung Anzahl Planungspositionen -sleuerung Fertigungssteuerung Anuhl Fenigungsauftrllge

Betriebsdalenerfassung Anuhl erfaBle Dalensltze QualillllSsicherung Anuhl PrOfungenIPositionen Produktionsinfonnationssy tern Online-CPU-Sekunden etc.

Entwicklung CAD Anzahl Zeichnungen elc .

Finanz-I Buchhaltung Anuhl Buchungen Rechnungswesen Kostenrechnung Anuhl Verrechnungen

Treasury Anuhl Geldgeschllfte Controlling-lnfonnationssy lem Online-CPU-Sekunden elc.

Abbildung 3: Mogiiche Gliederung von Anwendungssystemen in Industriebetrieben

Beim Gliedern der Anwendungssysteme und Aufstellen geeigneter VerrechnungsgroBen sind folgende Aspekte zu beriicksichtigen:

12 vgl. SchUle, H.; DV-UnterslUlZung beim Planen und Einfiihren von CIM-Uisungen, Heidelberg 1994.

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142 HUBERT SCHOLE

• Die Verrechnungsgro8en sollen die Beanspruchung der Anwendungssysteme ab­bilden und aus Sicht der Fachabteilungen inhaltlich verstanden werden, also einen Bezug zur fachlichen Aufgabe haben. Dazu eignen sich am besten Gr68en mit di­rektem Bezug zur Geschliftstlitigkeit, vorzugsweise die Anzahl von Vorgiingen. Nur dort wo dies schwer m6glich ist, etwa bei Auswertungen in einem Informati­onssystem, k6nnen herk6mmliche technische Verrechnungsgr68en angewendet werden.

• Das Abgrenzen der Anwendungssysteme sollte vor dem Hintergrund ihrer Zuor­denbarkeit zu den Geschliftsprozessen des Untemehmens erfolgen. Dies bedingt, daB zunlichst die Geschliftsprozesse definiert und diesen dann die Anwendungs­systeme zugeordnet werden.

• Beim Detailgrad der Anwendungssystem-Gliederung ist zu beachten, daB eine sehr differenzierte Gliederung zwar genaue Zuordnungen und ausgefeilte Ver­rechnungen erlauben, jedoch auch zu einem hohen Pflegeaufwand fUhren kann. Dagegen kann eine zu grobe Differenzierung der Anwendungssysteme zu Unge­nauigkeiten beim Zurechnen der N-Kosten zu den Geschliftsprozessen fUhren. Somit sind fallspezifisch die Genauigkeit der Zuordnung und der daraus resultie­rende Pflegeaufwand gegeneinander abzuwagen. Anwendungssysteme sollten bei­spielsweise dann tiefer gegliedert werden, wenn die einzelnen Anwendungsbau­steine me8bar unterschiedliche Kosten im Betrieb aufweisen und durch die Ge­schliftsprozesse in unterscbiedlicher Intensitat genutzt werden. Beispielsweise be­anspruchen Geschliftsprozesse, in denen kundenaufiragsspezifisch gefertigte kom­plexe Produkte verkauft werden, Anwendungssysteme der Materialplanung sowie Fertigungssteuerung deutlich intensiver als dies bei kundenanonymer Serienferti­gung der Fall ist.

Auf die Anwendungssysteme werden dann die N-Kosten verrechnet. Dies erfolgt mit herk6mmlichen Verrechnungsverfahren, wie z. B.

• Stundenaufschreibungen fUr die N-Mitarbeiter, die beispielsweise Wartungsarbei­ten an den Anwendungssystemen vornehmen,

• Kumulieren von Sachkosten oder • Auswertungen der CPU-Zeiten niit Accounting-Systemen.

Mit den derart ermittelten Kosten werden die Anwendungssysteme belastet und nicht, wie sonst Ublich, die Kostenstellen. Das Ermitteln und Verrechnen der N-Kosten kann differenziert nach den typischen Rechenzentrumsprozessen Verarbeitung, Datenhaltung und Ausgabe erfolgen.13 Ergebnis dieses Schrittes sind die gesamten Kosten fUr die An­wendungssysteme. Bereits diese Informationen konnen im Sinne eines modernen N­Controllings fUr eine kostenorientierte Steuerung des N -Bereichs herangezogen. Es lli8t sich beispielsweise ableiten, in welchen Anwendungen Kostenschwerpunkte liegen. DarUber binaus finden sich bier auch wertvolle Hinweise fUr die strategische ausgerich­tete Weiterentwicklung der Anwendungssysteme sowie des gesamten N-Bereichs.

Das Ermitteln der Kosten fUr die Anwendungssysteme ist eine periodisch, z. B. monat­lich, wiederkehrende Aufgabe.

13 vgl. FUrer, P. J., Prozesse und EDV-Kostenverrechnung, Bamberg 1993.

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PROZE80RIENTIERlE VERRECHNUNG VON IV -KOSlEN 143

5.3. Verrechnung der IV -Kosten auf die Geschiiftsprozesse

Liegt eine abteilungs- bzw. ressorttibergreifende Darstellung der Geschiiftsprozesse wie in 5.1. beschrieben vor, lassen sich nun die errnittelten Kosten der Anwendungssysteme auf die Geschaftsprozesse verrechnen. Dazu ist zu errnitteln, in welchem AusmaB die einzelnen Anwendungssysteme durch die (Teil-) Geschiiftsprozesse beansprucht wer­den. Als MaBstab fUr die Inanspruchnahme werden die in Abbildung 3 dargestellten VerrechnungsgroBen verwendet. Die nachfolgende Abbildung zeigt an einem verein­facht dargestellten Beispiel einer kundenindividuellen Auftragsfertigung die Abbildung des Geschaftsprozesses sowie die Anwendungssysteme, welche die Teilprozesse bzw. Funktionen unterstiitzen. Aus der Abbildung geht insbesondere der bereichsiibergreifen­de Charakter und damit auch die anwendungsiibergreifende Nutzung von IV-Systemen hervor.

Zur Darstellung des Geschaftsprozesses wurden aus GrUnden der Vereinfachung aus­schlieBlich Funktionen verwendet.

Betelligte Organlsatlonselnhelten am Geschin.prozeB R8IIourcen

Vertrleb Entwlck­lung

Materlal­wlrtschaft

Fertlgung Rechnungs- IV-Sylteme we...,

It!=Ul:f1 11:;;;11 II~IIII CAD II Ilbe~11

11~=lllt=1 11=11 11~III=il

II.=..~II Ir~1

1=1 1=1

Abbildung 4: Beispiel fUr GeschaftsprozeB mit Zuordnung von Informationssystemen als Ressource

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144 HUBERT SCHOLE

6. Vorteile und Grenzen der prozefiorientierten Verrechnung von IV­Kosten

hn folgenden Abschnitt solI eine Bewertung des in dem Beitrag vorgestellten Verfah­rens erfolgen. Zunachst werden die Vorteile skizziert. ledoch bestehen bei der prozeBo­rientierten Verrechnung von IV-Kosten auch Grenzen bzw. offene Probleme. Diese sind fiir eine realistische Einschatzung des Nutzens zu beachten und werden ebenfalls disku­tiert.

Als Vorteile sind insbesondere die folgenden Aspekte anzufiihren:

• Verursachungsgerechte Verrechnung Der Betrieb von IV -Systemen ist kein Selbstzweck im Untemehmen sondem dient vor allem der Untersrutzung der betrieblichen Geschliftsprozesse. Somit erlaubt das vorgestellte Verfahren eine verursachungsgerechtere Verrechnung der IV-Kosten als dies mit mehr oder weniger willktirlichen Verrechnungsschlusseln und Umlagen moglich ist.

• Transparenz scharft KostenbewuBtsein Fur die Fachabteilungen wird transparent, in welcher Hohe IV-Kosten fiir die Ver­schiedenen anfallen. Diese neue Sieht auf die IV-Kosten kann zum einen helfen, das KostenbewuBtsein grundsatzlich zu scharfen. Zum anderen sind die Fachabteilungen mit dieser Transparenz auch eher in der Lage abzuschatzen, wo ggf. noch Einsatz­moglichkeiten fiir IV -Systeme zur effizienteren Abwicklung der Geschiiftsprozesse liegen. Zudem erlauben ~es die vorhandenen Informationen mogliche weitere IV­Einsatzpotentiale zumindest grob zu bewerten.

• IV-Kosten werden fiir ProzeBkostenrechnung zuganglich Verschiedentlich versuchen Untemehmen, durch Einfiihren der ProzeBkostenrech­nung14 Unzulanglichkeiten bestehender Kostenrechnungsinstrumente zu beseitigen und die Informationsqualitlit im Controlling zu verbessem. Die prozeBorientierte Verrechnung der IV-Kosten ermoglicht es, das Verfahren der ProzeBkostenrechnung ebenfalls auf den Gemeinkostenblock IV-Kosten anzuwenden bzw. auszuweiten. Vorteile, die man sieh von der ProzeBkostenrechnung verspricht, lassen sieh besser realisieren. Als Beispiel ware einequalitativ verbesserte Kalkulationsbasis fiir Pro­dukteiLeistungen des Untemehmens zu nennen, da die IV-Kosten fiir eine Leistung durch Kumulieren der anteiligen IV-Kosten der notwendigen Geschiiftsprozesse ex­plizit ausgewiesen werden konnen.

• ProzeBanalyse deckt Verbesserungspotentiale auf Eine systematische Abbildung bzw. Modellierung der Geschliftsprozesse sowie Zu­ordnung von IV -Anwendungssystemen zu den Funktionenffeilprozessen kann ggf. LUcken in der IV -technischen Untersrutzung aufzeigen. Insbesondere durch den be­reichsUbergreifenden Ansatz erweitert sich die Betrachtungsperspektive gegenuber VerbesserungsmaBnahmen, die sich nur auf einzelnen Bereiehe bzw. Abteilungen begrenzen. Vor allem die Schnittstellen zwischen unterschiedliehen Organisations­einheiten werden in die Analyse mit einbezogen. Dort liegen erfahrungsgemliB hohe Reibungsverluste und damit auch signifikante Verbesserungspotentiale im Bearbeiten der Geschliftsprozesse.

14 vgl. Mannel, W., in: Kostenrechnungspraxis 2 (1993)

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PROZEBORlENTIERTE VERRECHNUNG VON IV-KoSTEN 145

Das Unternehmen gewinnt wertvolle Erkenntnisse, aus denen sich eine an den Ge­schiiftsprozessen ausgerichtete Weiterentwicklung der IV-Systeme (Geschiiftsproze­Sorientierte IV-Strategie) ableiten 11i8t.

• FrUhe Kosten-lNutzenanlysen Entscheidungen, ob und wie IV-LOsungen realisiert werden, sind hiiufig durch Wirt­schaftlichkeitsUberlegungen gepdigt. Dabei versucht man durch Analyse Kosten und Nutzen der LOsungen im voraus zu ermitteln. Die dargestellte Methodik erleiehtert entsprechende Kosten-lNutzenanalysen, da mOgliche Vedinderungen in der ProzeS­bearbeitung verdeutlicht werden kOnnen und so der zu erwartende Nutzen aus Ande­rungen von Arbeitsabliiufen prIlziser prognostizierbar wird. Dies fUhrt zu einer priizi­seren frI1hzeitigen Abschiitzung der Wirtschaftlichkeit von IV-Investitionen, verbes­sert die Entscheidungsfindung und hilft so, Fehlentscheidungen zu vermeiden.

Den Vorteilen sind Grenzen gegenUberzustellen:

• Umdenken in der Organisation notwendig Damit das gezeigte Verfahren erfolgreich implementiert und betrieben werden kann, ist ein Umdenken in der Unternehmensorganisation bzw. Budget-Verantwortung notwendig. Die IV-Kosten werden nieht mehr nach Kostenstellen ausgewiesen son­dern nach den Geschliftsprozessen. Worden beispielsweise in der Vergangenheit auf den Kostenstellen IV-Budgets gefUhrt, so mUSten die zukiinftig eventuell neu zu ges­taltenden ProzeS-Lenkungsgremien oder sogenannten ,,ProzeS-Ownern" zugeordnet werden. '

• Aufwand zor Implementierung des Verfahrens Zor Implementierung und dem Betrieb des gezeigten Verfahrens ist ein nicht uner­heblicher Aufwand notwendig. Der Aufwand hiingt im wesentlichen yom Detaillie­rungsgrad der Geschiiftsprozesse sowie der Anwendungsfunktionen abo HOherer De­tailgrad verbessert die Aussagekraft der Anwendung. Diese ist jedoch mit dem ent­stehenden Aufwand abzuwiigen.

• Nicht alle IV-Kostenpositionen abbildbar Problematisch ist, daB sich nicht aIle IV-Kostenpositionen plausibel auf die Anwen­dungssysteme verrechnen lassen. Beispielsweise ist das Bereitstellen des unterneh­mensweiten Netzwerks nor schwierig den einzelnen Anwendungssystemen zure­chenbar. FUr solche Positionen kann deshalb auch zukUnftig eine direkte Verrech­nung der entstehende Kosten auf die Fachabteilungen, Z. B. Kosten fUr Internet­Zugang, wenn dieser nor fUr den Marketing-Bereich genutzt wird, oder Uber SchlUs­selung, beispielsweise anhand der Anzahl an Endgediten einer Fachabteilung, not­wendig sein.

Ferner gibt es Anwendungssysteme, die sich nicht direkt Geschiiftsprozessen zuord­nen lassen sondern allgemeine Querschnittsfunktionen unterstUtzen, Z. B. PC­LOsungen fUr Textverarbeitung oder Datenbanken.

• IV-Kosten sind nicht variabel Die Verrechnung der IV-Kosten auf die Geschliftsprozesse anhand der Anzahl an Vorgiingen suggeriert fUr die Fachabteilungen einen variablen Verlauf der IV-Kosten. Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr handelt es urn Fixkosten fUr die Ge­schiiftsprozeSuntersttitzung. Steigerungen der IV-Kosten sind erst bei einer deutli-

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146 HUBERT SCHOLE

chen Zunahme der Anzahl von Vorgiingen je Geschliftsproze8 zu erwarten. Ebenso flihrt eine Abnahme der Anzahl an Vorgangen nicht zu entsprechend reduzierten lV­Kosten. Signifikante Veriinderungen in den lV-Kosten treten erst durch explizit getroffene MaBnahmen ein, z. B. durch Einsatz von neuen Tools zum Automatisieren des lV­Betriebs oder bei neu einzuflihrenden lV -Systemen .

• lV-Kosten lassen sich nicht immer anwendungsspezifisch ermitteln Bei integrierten betriebswirtschaftlichen Anwendungssystemen, z. B. dem SAP RJ3-System, ist eine Trennung und separate Kostenverrechnung flir die einzelnen An­wendungsbausteine schwieriger. Grund ist, daB diese LOsungen oft monolithisch auf­gebaut sind und verschiedene Geschliftsprozesse unterstiitzen. Behelfen kann man sich in diesen FaIlen ggf. durch standardisierte Verrechnungssatze flir die Unterstiit­zung der Einzelfunktionen in den Geschiiftsprozessen.

Die jeweiligen Argumente sind flir die konkrete Entscheidungsfindung untemehmens­spezifisch zu gewichten und gegeneinander abzuwiigen.

Literatur

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einer empirischen Untersuchung, in: Information Management, 9 (1994) I, S. 62-69.

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Innovationscontrolling in virtuellen Untemehmungen

Matthias Almstedt* und Gerald Wissel**

1. Einleitung

2. Controlling im Innovationsmanagement

2.1. Controlling- und Innovationsbegriff

2.2. lnnovationsproze.6 und -management

2.3. Innovationscontrolling

3. Entstehung von Innovationen in virtuellen Untemehmungen

3.1. Virtuelle Untemehmung

3.2. lnnovationsproze.6 und -management in virtuellen Untemehmungen

4. Innovationscontrolling in virtuellen Untemehmungen

4.1. Grenzen des herkt>mmlichen Controlling und daraus resultierende Anforde­rungen an das Innovationscontrolling

4.2. Organisatorische Einordnung und Instrumente des Innovationscontrolling

5. Zusammenfassung und Ausblick

* DipI.-Kfm. Matthias AImstedt, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut fUr Wirtschaftsinfonnatik, Abt. I. Prof. Dr. JOrg Biethahn an der Georg-August-Universitlit Gtittingen mit dem Forschungs­schwerpunkt Controlling. insbesondere im Kulturbereich.

** Gerald Wissel. geb. 1970 in Braunschweig. 1991 - 1995 Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Georg-August-Universitlit Gtittingen. 1992 - 1997 freiberuflicher Dozent fUr Infonnations- und Pro­jektmanagement u. a. fUr Siemens Nixdorf und Hewlett-Packard. Seit 1995 Promotionsvorhaben am Institut fUr Wirtschaftsinfonnatik bei Herrn Prof. Dr. Biethahn; 1995 - 1997 Lehrauftriige an der PRIVATEN FACHHOCHSCHULE GOTIINGEN; 1995 - 1997 Geschiiftsftihrer fUr den Verein zur FOrderung der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis sowie der Region Stldniedersachsen (WissPrax) e. V.; 1996-1997 Projektleiter "Virtuelle Universitlit" an der PRlVATEN FACHHOCHSCHULE GOTTINGEN und Berater bei der UNICconsult Untemehmensberatung GmbH. Seit 1997 Geschiiftsftihrer der Forum fUr Wissenschaft und Technik gGmbH in Gtittingen mit Forschungsschwerpunkten im Bereich Innovationsmanagement.

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148 MA'ITHIAS ALMsTEDT UND GERAlD WISSEL

1. Einleitung

Oberlegungen hinsiehtlieh virtueller Organisationsfonnen existieren in der Betriebswirt­sehaft bereits seit geraumer Zeit. Ooeh erst durch die Verbreitung der Intemet­Tecbnologie wurden so1che Oberlegungen auf eine praktikable Basis gestellt. Virtuelle Strukturen er6ffnen in allen Bereiehen eines realen Untemehmens neue M6gliehkeiten. So milssen bspw. fUr Innovationsaktivitliten ben6tigte Fiihigkeiten, umfassendes Wissen und Realisierungs-Know-how nieht mehr im realen Untemehmen vorgehalten, sondem k6nnen dynamiseh und vor allem temporiir genutzt werden. Oadurch wird der Innovati­onsprozeB in seiner Gesamtheit jedoch komplexer, so daB die Anforderungen an die Steuerungsinstrumente steigen. Oas Innovationsmanagement als Initiator und Begleiter des Prozesses muS diese KomplexiUlt bewiiltigen. Oas Innovationseontrolling, als Un­terstiltzungsfunktion fUr das Management, muS ebenfalls auf diese neuen virtuellen Strukturen ausgeriehtet werden.

Der vorliegende Beitrag solI in grundslitzlieher Weise zeigen, welehe Anforderungen das Controlling bewiiltigen muS, um den InnovationsprozeB in einer virtuellen Unter­nehmung effizient unterstiltzen zu k6nnen. Anhand ausgewlihlter Aspekte wird zudem dargelegt, wie sieh das Controlling auszuriehten hat.

Hierzu wird zunlichst ein allgemeines Vorgehensmodell fUr die Entstehung und Reali­sierung von Innovationen in Untemehmungen entwiekelt und gezeigt, welehe Aufgaben im Rahmen dieses Prozesses zum einen das Innovationsmanagement und zum anderen das Innovationseontrolling zu erftlllen haben. Anschlie8end wird der InnovationsprozeB und dessen Management auf virtuelle Untemehmungen angewendet. Hervorgehoben werden insbesondere die sieh aus den virtuellen Strukturen ergebenden Spezifika. Oas Controlling des Innovationsprozesses in der virtuellen Untemehmung wird schlieBlieh ausfilhrlieh diskutiert. Aufbauend auf den Grenzen des "traditionellen" Controlling, werden Anforderungen an ein "virtuelles" Controlling von Innovationen entwiekelt. In bezug auf die organisatorisehe Einbettung der Controlling-Funktion und insbesondere hinsiehtlieh ausgewlihlter Instrumente des Innovationseontrolling werden die Anforde­rungen konkretisiert.

2. Controlling im Innovationsmanagement

2.1. Controlling- und Innovationsbegriff

Oer Begriff Controlling ist einer der schillemdsten der gesamten Betriebswirtsehaftsleh­reo Denn die historische Entwieklungl hat - zum Teil aueh aus etymologischen Unklar­heiten2 - zu einer groBen Anzahl versehiedener Auffassungen dessen, was man unter Controlling versteht,3 gefiihrt. Sie reiehen yom Verstlindnis des Controlling als Filh­rungsphilosophie oder Oenkweise, also Controlling gleiehbedeutend mit Management, bis hin zum Controlling als Oienstleistung fUr die Untemehmensfilhrung mit unter­sehiedliehen Aufgabenspektren. Trotz der Vielfalt der Anslitze stimmen die meisten

I Zur historischen Entwicldung siehe Weber, J.: EinfUhrung in das Controlling. 6 .• durchges. u. erw. Autl .• Stuttgart 1995. S. 3-10.

2 Vgl. Bramsemann, R.: Handbuch Controlling - Methoden und Techniken. 3., durchges. Autl., MUn­chenlWien 1993, S. 44 f.

3 Eine O'bersicht gibt Horvath, P.: Controlling. 6., vollst. Ilberarb. Autl., MUnchen 1996. S. 54-70.

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INNOVATIONSCON1ROllING IN VlRTUELLEN UNTERNEHMUNGEN 149

Autoren4 darin iiberein, daB sich Controlling hauptsachlich mit Planung, Kontrolle und Informationsversorgung beschiiftigt.

1m wesentlichen liiBt sich eine Dreiteilung der Meinungen dariiber, in welcher Bezie­hung das Controlling zu diesen Aufgaben steht, feststellen (vgl. Abbildung 1).

Mat\.n2eImIlbezos!ener DicnstleistunJl:sbezoRener Koordimtionsbe:zo0:ner Controlling-Begriff Controlling·Begriff Controlling-Begriff

Controll ing-VClStlindnis Controlling = Controlling = Controlling = Steuerung des Unter.iWlzung der Koordination innerhaJb Unternehrnens UnternehmensfUhrung bci des FUhrung<iSystemo; der

,,Rlhrungsphilosophie" , der Stcucrung des Unterneltmmg .,Dcnkweisc" Unternehrnens

Aufl!llbe des Controllers Unter.iWlzung des ~gdes DurchfUhrung des (ControUetship) Managements bcim Controlling Controlling

Controlling Controller als Dicnstleister Controller aIs Dicnstleister Controller aIs Dienstleister

(Trennung der Begriffe .. ConlrOlli ng" unci

"Conll'OlIer'1

Rlhrungs verstllndnis generell zentrale oder generell zentrale oder gnmdsIIIzlich dezentrales dezentrale FUhrung dczcntralc FUhrung FUhrungsverstlindnis

m!Iglich m!SgIich

Abbildung 1: Gegeniiberstellung der Controlling-Begriffe5

Die im folgenden angewendete Controlling-Definition orientiert sich an der dienstleis­tungsorientierten Auffassung des Controlling. In diesem Sinne kann das Controlling als Subsystem der Untemehmensfiihrung im wesentlichen in zwei Teilsysteme zerlegt wer­den: in ein Informationsversorgungssystem und ein Koordinationssystem.

Controlling versteht sich somit als ein Subsystem der Untemehmensfiihrung, das diese mit Informationen zu versorgen hat und ihre Aktivitiiten koordinierend un­terstiitzt.

Die wesentlichen Teilaufgaben des Controlling im Rahmen der lnformationsversorgung bestehen zum einen in der Bereitstellung, Aufrechterhaltung, Analyse und Weiterent­wicklung einer Controlling-Infrastruktur. Hierzu ziihlt der Aufbau einer fiir Fiihrungs­entscheidungen hinreichenden Datenbasis. Auch ist ein geeignetes Controlling­Instrumentarium bereitzustellen und weiterzuentwickeln. Zum anderen hat das Control­ling durch Selektion, Verdichtung und Aufbereitung die zur Verfiigung stehenden Daten in fiihrungsrelevante Informationen zu transformieren, also in Informationen, die dem

4 Vgl. hierzu ebenfalls Horvath. P.: Controlling, 6., vollst. Uberarb. Aufl., MUnchen 1996, S. 54-70. 5 Biethahn, J.; Fischer, D.: Controlling-Informationssysteme, in: Biethahn, J.; Huch, B. (Hrsg.): Infor­

mationssysteme fur das Controlling - Konzepte, Methoden und Instrumente zur Gestaltung von Cont­rolling-Informationssystemen. Berlin u. a. 1994. S. 33 (25-68) sowie Almstedt, M.: Anforderungen an ein Controlling-Informationssystem in Untemehmen mit schlanker Organisationsstruktur, in: Biethahn, J.; Schumann, M. (Hrsg.): OOttinger Wirtschaftsinformatik, Arbeitsbericht Nr. 5, OOttingen 1994, S. 13.

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150 MA'ITHIAS ALMSTEDT UNO GERAlD WISSEL

Management beim Treffen von FUhrungsentscheidungen eine hinreichend gute Informa­tionsgrundlage liefem.

Die Controlling-Aufgaben im Bereich der Koordination liegen lihnlich wie im Aufga­benfeld der Informationsversorgung einerseits in der Entwicldung einer funktionsflihi­gen Koordinationsstruktur. Andererseits sind aIs Aufgabe des Controlling aIle Aktivitii­ten zu verstehen, die im Rahmen der vorhandenen Proze6struktur zur Koordination des Fiihrungssystems beitragen. Die Aufgabenbereiche werden dementsprechend auch aIs systembildende und systemkoppelnde Koordination bezeichnet.'

Der Begriff Innovation ist ebenso schiIlemd und unscharf wie der Controlling-Begriff. Innovationen auf das lateinische Verb innovare zuriickzufiihren, welches iibersetzt et­was neues schaffen oder emeuem bedeutet, lii6t lediglich die Aussage zu, daB es sich um etwas neues handelt.7 Aber was, fUr wen und wie ist damit noch nicht beantwortet. Fiir diesen Beitrag solI folgende Definition des Innovationsbegriffs zugrunde liegen:

Innovationen sind aIle diejenigen neuen Produkte und Verfahren, die erstmaIig in­nerhaIb einer Untemehmung produziert bzw. eingefiihrt werden.

Die Auspriigungen der inhaItlichen Dimension (Was ist neu?) des Innovationsbegriffs umfassen hier lediglich Produkt- und Proze6innovationen. AIle anderen Innovationsar­ten (bspw. SoziaIinnovationen, Personalinnovationen und Strukturinnovationen) sollen hier au6er acht gelassen werden. In der subjektiven Dimension (Neu fUr wen?) ist der Betrachter das Untemehmen. Da jedoch eine Institution aIs solches kein eigenes Beur­teilungsvermogen hat, ist das jeweilige (Top-) Management und deren subjektive Ein­schiitzung einer Neuerung ma6geblich.B

, Vgl. Horvath, P.: Controlling, 6., vollst.Uberarb. Aufl., Moochen 1996, s. 117-121. 7 Vgl. Duden: Das groBe W6rterbuch der deutschen Sprache, Bd. 4, 2., v6llig neu bearb. u. erw. Aufl.,

Mannheim, u. a. 1994, S. 1709 sowie Thom, N.: Grundlagen des betrieblichen Innovationsmanage­ments, 2., vollig neu bearb. Aufl., K6nigstein/fs. 1980, S. 33.

B Vgl. Hauschildt, J.: Innovationsmanagement, MUnchen 1993, S. 7-20. Ahnliche Abgrenzungen sind zu finden bei: Kllhner, M.: Die Gestaltung des Innovationssystems, Drei grundlegende Anslitze, Diss., St. Gallen 1990, S. IS, Meffert, H.: Marktorientiertes Innovationsmanagement - Erfolgsvoraussetzungen von Produkt- und Dienstieistungsinnovationen, in: Oppen1linder, K.; Popp, W. (Hrsg.): Privates und staatliches Innovationsmanagement, Moochen 1993, S. 118 (1l7-141), Conzelmann, R.: Erfolgsfakto­ren der Innovation am Beispiel PfIanzen6lmotor, Frankfurt a.M. u. a. 1995, S. 3 sowie Trumpler, W.: Erfolgsfaktoren des Innovationsmanagements von Bankprodukten, Eine empirische Analyse von Inno­vationsprozessen in Banken, Frankfurt a.M. u. a. 1996, S. 11.

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INNOVATIONSCONTROUlNG IN VlRTUELLEN UNIERNEHMUNGEN 151

Nichtroutinevorginge: • Strategische Planung Nicht regelbar.

Innovations-• ProduktentwickIung omplox. U"i~ akti vi Uiten

~ • PersonaientwickIung konflilctbehaftet • ~senrnanageDlent

[ • etc.

r; 1= ~ Routinevorgange: III

Plano, delegier-g- o Einkauf Weitestgehend = und organisier-• Produktionsplanung eI"". reibUD7 • Absatz relati v sicher bare Alltags-

• Personaleinstellung akti vi tllten

• etc.

Abbildung 2: FUhrungsaufgabe als Routine- und Nichtroutinevorgange9

Unsicherheit, Risiko, Komplexitiit und Konfliktgehalt stehen in einem proportionalen Verhiiltnis zum Neuigkeitsgrad. Je radikaler ein System verandert wird, desto groBer ist die Auspriigung dieser Faktoren. Sornit charakterisieren sie nicht den Innovationstyp, sondem sind innovationsbedingte Nebenbedingungen, die im Rahmen des Innovations­manageDlents berucksichtigt werden mUssen und sich von Routineaufgaben iDl Unter­nehmen unterscheiden (vgl. Abbildung 2). Die Komplexitiit von Innovationen kann als Schwierigkeit fUr deren Verstiindnis und Anwendung interpretiert werden.1O Sie ist dar­auf zurUckzufUhren, daB Innovationsaktivitiiten innerhalb des Untemehmens arbeitstei­lig ablaufen und sornit nicht isoliert von anderen betrieblichen Tiitigkeiten gesehen wer­den konnen. 11 Das AUSDlaB der Komplexitiit steigt mit der Anzahl der Systemelemente sowie mit der Vielfalt und Starke der zwischen ihnen herrschenden Beziehungen.12

Innovationen bergen zudem ein erhebliches Konfliktpotential. Dies liiBt sich v.a. auf zwei Ursachen zuruckfUhren. Zuniichst ist festzuhalten, daB Mitarbeiter gewohnheits­miiBig auf Bekanntes und Bewahrtes setzen und allen Neuerungen Widerstande und Akzeptanzdefizite entgegenbringen. 13 AuBerdem bewirkt die Arbeitsteiligkeit der Inno-

9 lA.a. Staudt, E.: Innovations-Management: Wie Sie Nichtroutine managen, in: Gablers Magazin, (1992) 10, S. 13 (12-16).

10 Vgl. Aregger, K.: Innovation in sozialen Systemen - Einfiihrung in die Innovationstheorie der Organi­sation, Bern/Stuttgart 1976, S. 121.

11 Vgl. Thorn, N.: Grundlagen des betrieblichen Innovationsmanagements, 2., vollig neu bearb. Aufl., Konigsteinffs. 1980, S. 40 sowie Trommsdorff, V.; Brodde, D.; Schneider, P. (Hrsg.): Modellversuch Innovationsmanagement fur kleine und mittlere Betriebe (Diskussionspapier), Berlin 1987, S. 7f.

12 Vgl. Thorn, N.: Grundlagen des betrieblichen Innovationsmanagements, 2., vollig neu bearb. Aufi., Konigsteinffs. 1980, S. 40 sowie MeiSner, W.: Innovation und Organisation: Die Initiierung von In­novationsprozessen in Organisationen, Beitrage zur Organisationspsychologie, Bd. 6, Stuttgart 1989, S.80.

13 Vgl. Lukas, A.: Das Untemehmen "Zukunft" - Der Weg zum mentalen Reengineering, in: Kompetenz, (1996) 30, S. 37-44.

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152 MATIlllAS ALMSTEDT UND GERAlD WISSEL

vationsaufgaben eine groBe Zahl an Schnittstellen, an denen es zu Reibungsverlusten bei der Zusammenarbeit kommen kann.14

2.2.lnnovationsprozeB und -management

Unter einem InnovationsprozeB wird ein betrieblicher Ablauf verstanden, in dessen Ver­lauf Innovationen, also Neuerungen hervorgebracht und realisiert werden. IS FUr die Be­trachtung des Innovationscontrolling ist eine prozessuale Auffassung der Entstehung und Realisierung von Innovationen hilfreich, bei der neben einer bestimmten Ordnung und Abfolge insbesondere die zeitliche Dimension beriicksichtigt wird.16 Dennoch sollte beachtet werden, daB die Bildung eines Phasenmodells in der Praxis fast unmoglich ist, da der InnovationsprozeB in vielfaItigen Wechselbeziehungen zu anderen inner- und zwischenbetrieblichen Prozessen steht, zahlreiche Variationen erfiihrt und somit auch in der Literatur keine Einigkeit Uber die zweckmiiBige Abgrenzung der einzelnen Phasen herrscht.17 Zudem implizieren die Modelle einen seriellen Ablauf, obwohl auch parallele Abfolgen durchaus moglich bzw. in der Praxis hilufig anzutreffen sind 18

14 VgI. Thorn, N.: Grundlagen des betrieblichen Innovationsmanagements, 2., vOllig neu bearb. Aufl., KOnigsteinffs. 1980, S. 29.

IS VgI. Specht, G.: Qualitiitsmanagement Un Innovationsproze8 unter besonderer BerUcksichtigung der Schnittstellen zwischen FuB und Vertrieb, in: Specht, G.; Silberer, G.; Engelhardt, W.H. (Hrsg.): Mar­keting-Schnittstellen, Herausforderungen fUr das Management, Stuttgart 1989, S. 143 (141-163).

16 VgI. hierzu die AusfUhrungen in MeiSner, W.: Innovation und Organisation: Die Initiierung von Inno­vationsprozessen in Organisationen, Beitrilge zur Organisationspsychologie, Bd. 6, Stuttgart 1989, S. 19.

17 VgI. Thorn, N.: Grundlagen des betrieblichen Innovationsmanagements, 2., vOllig neu bearb. Aufl., KOnigsteinffs. 1980, S. 23 sowie Aregger, K.: Innovation in sozialen Systemen - EinfUhrung in die Innovationstheorie der Organisation, Bern/Stuttgart 1976, S. 118.

18 Vgl. Corsten, H.: Oberlegungen zu einem Innovationsmanagement - organisationale und personate Aspekte, in: Corsten, H. (Hrsg.): Die Gestaltung von Innovationsprozessen. Hindernisse und Erfolgs­faktoren Un Organisations-, Finanz- und Informationsbereich, Berlin 1989, S. 4.

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INNOVATIONSCONfROLLING IN VIRTUEllEN UN1ERNEHMUNGEN

8rod<hoIJ (1977)

Ideengewinnuog und -prUfung

7

-----'

Porschung und EDtwickJung

UmselZUJlg im Untemehmen

Markteiofllhrung

Thom (1980)

Ideengenerieruog J Ideenakzeptieruog I Ideeoreali ierung I

K1elnsdunldl tt. ,I. (1996)

Ideenauswahl J Voraoalyse Marin.

Technil,

Detaillierte Marktanalyse

Finanzielle GescbliflSanalyse

Produktentwicklung I ProdukneslS ~

(intern. mit Kunden. T tmar

Versuchs- ada Pi lot-Produlaion

DetaiUierte Geschllftsanalyse

Anfahren d. Produktion.

h

Abbildung 3: AusgewOOlte Phasenmodelle in der Literaturl9

153

Lambub:tt.,I. (1996)

Chancen erke~ Ideen y tematisch

generieren

Innovations-orientiertes

Projekt

Ideenmarketing J Teilll

Realisierung und EinfUhrung

Die dargestellten Phasenmodelle stellen Ansatze dar, die stellvertretend fUr die ver­schiedenartigen Konzeptionen stehen. Das dreistufige Modell von TROM ist ein in der Literatur sehr haufig anzutreffendes allgemeingUltiges Basiskonzept, dessen Vorteile die Anwendbarkeit fUr die meisten Innovationsarten und die Anpassungsmoglichkeiten an die jeweiligen Untemehmenssituationen und -gegebenheiten sind. KLEINSCHMIDT ET AL.

woolen dagegen einen sehr detaillierten dreizehnstufigen20 Ansatz, der jedoch auf Pro­duktinnovationen beschrankt ist. Durch diese Einschrankung und den hohen Detaillie­rungsgrad ist der Verlauf nur sehr spezifisch anzuwenden, die Flexibilitat in der An­wendung ist eher gering.

FUr die weitere Betrachtung solI folgender idealtypischer InnovationsprozeB unterstellt werden (vgl.Abbildung 4):

19 Vgl. Thorn, N.: Grundlagen des betrieblichen Innovationsmanagemenls, 2., vollig neu bearb. Aufl., Konigstein/Ts. 1980, S. 53, Kleinschmidt. E.; Geschka, H.; Cooper. R.: Erfolgsfalctor Markt. Kunden­orientierte Produktinnovation, Berlin, u. a. 1996, S. 34, Brockhoff, K.: Forschung und Entwicldung­Planung und Kontrolle, 3. Aufl., MUnchenlWien 1992, S. 27f. Eine iihnliche Darstellung liefert Terpstra, V.: International Product Policy, The Role of Foreign R&D, in: Columbia Journal of World Business, 12 (1977) 4, S. 25 (23-32) sowie Lambertz. M.; Geckeler, H.: Total Innovation Manage­ment. In 7 Schritten zur Innovation, DUsseldorf 1996. S. 88.

20 In der Abbildung 3 sind einige Stufen zusammengefaBt.

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154 MATIffiAS ALMSTEDT UNO GERAlD WISSEL

Abbildung 4: Idealtypischer InnovationsprozeB

Den AnstoB fUr einen InnovationsprozeB liefern interne und externe Impulse, die zu­niichst wahrgenommen werden miissen. Diese Phase ist gleichsam als Beobachtungs-, AnaIyse-, Planungs- sowie Prognosephase zu verstehen.21 Ein Unternehmen versucht hier, friihzeitig Innovationsbedarf zu identifizieren, indem "Unzufriedenheits- und Man­gelsituationen als Innovationschance erkannt werden"22. Unter Innovationsbedarf sind hierbei aile Innovationen zu verstehen, die Wettbewerbsvorteile fUr das Unternehmen erhalten bzw. schaffen.23

Anhand des identifizierten und formulierten Problems bzw. Bedarfs erfolgt in der Phase der Ideensammlung und -findung eine systematische Suche nach LOsungsvorschliigen. Hier spielt insbesondere die Kreativitiit eine bedeutende RoIle.24 AIle generierten Ideen miissen in Bezug auf die Machbarkeit, den Ressourceneinsatz und die Chancen bewertet werden. Eine Trennung zwischen beiden Phasen ist eigentlich nicht moglich, solI aber zuniichst angenommen werden.

Auch die Phasen der ReaIisierung und Einfiihrung sind in der Praxis nur sehr schwer zu trennen. Hier werden LOsungsvorschliige okonornisch und technisch realisiert, getestet, modifiziert und im Markt eingefUhrt.

Innovationen diirfen nicht dem Zufall iiberlassen werden.2S Vielmehr miissen Innovatio­nen systematisch und kontinuierlich entstehen, urn die Wettbewerbsfahigkeit garantieren zu konnen. Innovationsmanagement kann aIs "Ausdruck einer Fiihrungsphilosophie bzw. Fiihrungskonzeption"26 gesehen werden. Dieses kann sich bspw. im Vorhandensein eines angemessenen InnovationsbewuBtseins iiuBern, das stets den Beginn eines bewuB­ten Innovationsmanagements markiert.27 Dieses InnovationsbewuBtsein bezieht sich auf

21 Vgl. Little, A.D.: Mit Ideenmanagement zu erfolgreichen Konzepten, in: Impulse Sonderausgabe, (1996) I, S. 61 (60f.).

22 Conzelmann, R: Erfolgsfaktoren der Innovation am Beispiel Pflanzenolmotor, Frankfurt a. M., u. a. 1995, S. 25.

23 Vgl. Berthel, J.: Verhindern Fiihrungsdefizite Innovationen? Innovationsorientierung in der Unter­nehmensfiihrung, in: ZIO, (1987) I, S. 6 (5-13).

24 V gl. Sommerlatte, T.: Innovationsfahigkeit und betriebswirtschaftliche Steuerung - liiBt sich das ver­einbaren?, in: DBW, (1988) 2, S. 162 (161-169).

2S Vgl. Corsten, H.: Uberlegungen zu einem Innovationsmanagement, organisationale und personale Aspekte, in: Corsten, H. (Hrsg): Die Gestaltung von Innovationsprozessen, Hindernisse und Erfolgs­faktoren im Organisations-, Finanz- und Informationsbereich, Berlin 1989, S. 3 (1-56).

26 Vgl. Marr, R: Innovationsmanagement, in: DBW, (1991) 3, S. 355-371. 27 Vgl. Hauschildt, J.: Das InnovationsbewuBtsein, in: Staudt, E. (Hrsg.): Das Management von Innova­

tionen, Frankfurt a.M. 1986, S. 63 (62-68) sowie Hauschildt, J.: Innovationsmanagement, Miinchen 1993, S. 21.

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lNNOVATIONSCONTROLLlNG IN VIRTUELLEN UNTERNEHMUNGEN 155

die bereits angesprochene Differenzierung zwischen Innovations- und Routineproble­men. Wenn ein Unternehmen entsprechende Impulse wahrgenommen hat, so sorgt das entsprechende InnovationsbewuBtsein bei den Mitarbeitern und insbesondere bei den Entscheidungs- und Aufgabentrligern fUr eine adaquate und treffende Behandlung dieser AnstoBe. Diese unterscheidet sich von den Problemen des betrieblichen Alltagsgeschlif­tes.28 Das Innovationsmanagement muB ferner dafiir sorgen, daB einerseits ein entspre­chender Ausgleich zwischen dem Management von Routineaufgaben und Innovations­aufgaben besteht sowie andererseits der Realitlitsbezug weiter erhalten bleibt.29

1m folgenden soIl Innovationsmanagement funktional betrachtet werden, welches fol­gende wesentliche Aufgaben hat:30

• Ubernahme von Verantwortung fUr die systematische Planung, Steuerung und Kon­troIle der Innovationsprozesse.

• Auf- und Ausbau sowie Nutzung von Innovations- und Wertschopfungspotentialen. • Schaffung personeIler Voraussetzungen und Gestaltung struktureIler Regelungen in

Richtung einer Innovationsorientierung. • Schaffung idealer interner und externer Rahmenbedingungen (insbesondere im

Hinblick auf ein adaquates Innovationsklima) und deren Beeinflussung. • Beteiligung an der Entwicklung von Visionen hinsichtlich der Zukunft des Unter­

nehmens.

Somit soIl im weiteren VerI auf folgende Definition des Innovationsmanagements gel­ten:

Innovationsmanagement umfaBt die systematische Planung, Steuerung und KontroIle der Entstehung und Realisierung von Innovationen in einem Unternehmen.

Die systematische Planung impliziert neben Aspekten der strategischen Unternehmens­planung insbesondere die Kenntnis tiber interne und externe innovationsfOrdernde Rah­menbedingungen. Die Steuerung umfaBt die aktive EinfluBnahme auf die Rahmenbe­dingungen und die zielgerichtete Ftihrung der am InnovationsprozeB beteiligten Mitar­beiter. Die Steuerung umfaBt ebenfaIls den Aufbau von Innovationsteams, deren Zu­sammensetzung und die Initiierung der Innovationsprozesse. Die KontroIle impliziert -tiber die Steuerung hinaus - die Rtickkopplung der strategischen Vorgaben mit den Er­gebnissen des Innovationsprozesses.

28 Vgl. Schewe, G.: Erfolgreiches Innovationsmanagement, Manuskript aus dem Institut fur Betriebswirt­schaftslehre der Universitat Kiel, Nr. 289, Kie11992, S. 2.

29 Vgl. Strassmann, J.; Wiendieck, G.: Innovation durch Partizipation: Das Modell der Qualitatszirkel, in: Oertlie-Cajacob, P. (Hrsg.): Innovation statt Resignation, 35 Perspektiven fur eine neue Zeit, 2. erg. Aufi., Bern, Stuttgart 1990, S. 322 (317-328) sowie Wittklimper, G.W.: Das innovative Untemehmen: Leitlinien fur erfolgreiche Innovationen in der Praxis, Ein Forschungs- und Erfahrungsbericht, MUns­ter 1989, S. 12.

30 Vgl. Corsten, H.: Uberlegungen zu einem Innovationsmanagement - organisationaie und personale Aspekte, in: Corsten, H. (Hrsg.): Die Gestaltung von Innovationsprozessen. Hindernisse und Erfolgs­faktoren im Organisations-, Finanz- und Informationsbereich, Berlin 1989, S. 6 (1-69), Marr, R.: In­novationsmanagement, in: DBW, (1991) 3, S. 355-371, S. 358, Gabler Wirtschaftslexikon, 13., vollst. iiberarb. Aufi., Wiesbaden 1992, S. 1626, Riekhof, H.-C.: Das Management des Innovationsprozesses, in: Riekhof, H.-C. (Hrsg.): Praxis der Strategieentwicklung, Konzepte - Erfahrungen - Fallstudien, 2., iiberarb. u. erw. Aufi., Stuttgart 1994, S. 198 (195-210) sowie Little, A.D.: Innovation ais Fiihrungs­aufgabe, Frankfurt a.M., New-York 1988, S. 17.

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156 MATIlllAS ALMSTEDT UND GERAI.D WISSEL

2.3. Innovationscontrolling

Wird das Controlling, wie es im Abschnitt 2 dargestellt, auf das Innovationsmanage­ment angewendet, so lassen sich die beiden in der Abbildung 5 dargestellten - zunachst allgemeinen - Aufgabenbereiche des Controlling ableiten.

InnovalioDSCOnlrOlling Untustlltzung des Innovationsmanagements

Koordination

BercitsteUuni von Steuerungs­

informationen

Aufbau, WeitereDtwicklung und

Anpassung einer InformationsiDfnlstrukrur

Koordination der AktivitlUen des Informations­managements

Abbildung 5: Aufgaben des Innovationscontrolling

Aufbau, Weite~ntwicldung und

Anpassung eiDer KoordiDations trukrur

Ais erstes hat das Innovationscontrolling daffir zu sorgen, daB das Management in jeder Phase des Innovationsprozesses mit allen Informationen, die fUr eine systematische Pla­nung, Steuerung und Organisation notwendig sind, versorgt werden kann und auch tat­sachlich versorgt wird. Dieses umfaBt zum einen die laufende Versorgungsaufgabe, also die Bereitstellung und Aufbereitung von Steuerungsinformationen, insbesondere Pla­nungs- und Kontrollinformationen. Hierbei kann es sich urn interne Informationen han­deln, bspw. urn einen Vergleich der geschatzten Kosten des Innovationsprozesses mit den bis zum aktuellen Zeitpunkt angefallenen Kosten. Aber auch externe, ffir das Inno­vationsmanagement wichtige Informationen, z. B. tiber Marktentwicklungen, sind durch das Innovationscontrolling adaquat bereitzustellen. Zum anderen ist es die Aufgabe des Controlling, eine Informationsinfrastruktur zu schaffen, die fUr aIle Phasen des Innova­tionsprozesses und im Idealfall auch fUr die unterschiedlichsten Innovationsprozesse Steuerungsinformationen bereitstellen kann. Eine so1che Struktur umfaBt neben der Da­tenbasis die Instrumente, die notwendig sind, urn die erforderlichen Daten zu erfassen, sie zu be- und verarbeiten, urn sie schlieBlich in adaquater Form dem Management als Steuerungsinformationen zur Verftigung zu stellen.31 Diese Informationsinfrastruktur ist weiterzuentwickeln und an die Spezifika der einzelnen Innovationsprozesse anzupassen.

Zum zweiten soIl das Innovationscontrolling das Innovationsmanagement bei der Steue­rung des Innovationsprozesses durch koordinierende Aktivitiiten unterstiitzen. In diesem Sinne sind bspw. Planung und Kontrolle aufeinander abzustimmen. Auch die Ergebnis­se der einzelnen Phasen sowie die Aktivitaten aller ProzeBbeteiligten sind zu koordinie­ren. Neben dieser systemkoppelnden Koordination hat das Controlling aber auch sys-

31 Vgl. Sawalsky, R.: Management und Controlling der Neuproduktentstehung - Gestaltungsansatz, Ziele und MaBnahmen, Wiesbaden 1995, S. 144.

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lNNOVATIONSCON1ROUlNG IN VIRTUELLEN UN1ERNEHMUNGEN 157

tembildend zu wirken. Almlich wie im Rahmen der Informationsversorgungsaufgabe ist es bei dem Aufbau einer arbeitsteiligen Koordinationsstruktur fur das Innovationsmana­gement gefordert. In diesem Sinne sind Regelungsmechanismen zu schaffen, die die Managementaktivitliten im Rahmen des Innovationsprozesses moglichst effizient auf­einander abstimmen. Die Mechanismen sind sukzessive zu verbessem und an die unter­schiedlichen Innovationsprozesse zu adaptieren.

3. Entstehung von Innovationen in virtuellen Unternehmungen

3.1. Virtuelle Untemehmung

Die Liste der schillemden Begriffe schlieBt in diesem Aufsatz der Begriff "virtuelles Untemehmen" bzw. "virtuelle Untemehmung,m. Auch wenn es in der Literatur keine eindeutige Meinung darUber gibt, was unter einer virtuellen Untemehmung zu verstehen ist, solI fur die weitere Betrachtung folgende Definition zugrunde liegen:

Die virtuelle Untemehmung ist eine kooperative Strukturform zwischen hierarchi­scher Steuerung und Marktkoordination. Die Strategie dieser flexiblen und ledig­lich temporliren Kooperationsform besteht in der dynamischen Zuordnung von Leistungsanforderungen zu Leistungstrligem und der Festlegung des jeweiligen Ortes der Leistungserbringung.33

Virtuelle Untemehmungen - anpassungsflihig, innovativ und die traditionellen Grenzen und Verfahren Uberschreitend34 - basieren im wesentlichen auf einem interisiven Infor­mationsaustausch35 und stellen damit einen "Grenzfall der Untemehmensvemetzung dar"36. Die Informationstechnik und die damit verbundene untemehmensinteme wie auch -exteme Vemetzung schaffen eine ideale Voraussetzung fur eine derartige dynami­sche Kooperationsform. Diese Form entwickelt sich unabhlingig von der bestehenden (primaren) Organisationsform der beteiligten Institutionen.

32 Als Unternehmen wird in diesem Zusammenhang die institutionelle Abbildung einer Unternehmens­struktur verstanden, wohingegen unter einer Unternehmung die funktionale Betrachtungsweise in den Vordergrund geriickt wird. Im folgenden wird daher von einer virtuellen Unternehmung als Koopera­tionsform gesprochen.

33 Vgl. Wieher, H.: Virtuelle Organisation, in: WISU (1996) 6, S. 541 (541-542). 34 Vgl. Klein, S.: Interorganisationssysteme und Unternehmensnetzwerke - Wechselwirkungen zwischen

organisatorischer und informationstechnischer Entwicklung, Wiesbaden 1996, S. 247. 35 Vgl. Arnold, O. et al.: Virtuelle Unternehmung als Unternehmenstyp der Zukunft?, in: HMD 32

(1995) 185, S. 10 (8-23) sowie Handy, C.: Trust and the Virtual Organization, in: HBR 73 (1995) 3, S. 41 (40-50).

36 Sydow, J.: Virtuelle Unternehmung, in: OM 44 (1996) 7-8, S. 10 (10-13).

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158 MATIHIAS ALMSlEDT UND GERAlD WISSEL

Reales Untemehmen A

Dynami che, -. lemporlire

Zuordnung

Einzelpersonen, Freelancer

Virtuelle Untemehrnung

Abbildung 6: Grundprinzip einer virtuellen Unternehmung

Reales Untemehmen B

• Organisations­einheil, Gruppe, Individuum

Zugeordneles Element zur virt. Umem.

Virtuelle Unternehmungen existieren lediglich der Sache nach, sind weder faBbar noch kIar urnreiBbar und verzichten weitestgehend auf eine Institutionalisierung von zentralen Funktionen und hierarchischen Gestaltungsprinzipien.37 Als Beispiel einer virtuellen Unternehmung (vgl. Abbildung 6) solI hier eine fiktive Unternehmung betrachtet wer­den, welche ihre Leistungen, ihre Kundenkontakte (Werbung, Akquisition, Verkauf, Bezahlung, Service etc.) tiber das Internet abwickelt. Dieser ZusarnmenschluB von Un­ternehmensteilen (bier: einzelne Mitarbeiter undloder einzelne (funktionaIe) Abteilun­gen) und Einzelpersonen erweckt nach auBen den Anschein, als wtirde es real existieren sowie tiber eigene Mitarbeiter, tiber eine eigene Produktion, tiber einen eigenen Service etc. verftigen. Tatsiichlich wird diese Unternehmung von einer einzelnen Person gesteu­ert (promotOl-38), die sich der entsprechend dem Kundenauftrag dynarnischen und tempo­raren Aufgabenzuordnungen von Leistungstriigern, die entweder freiberuflich tiitig (Ein­zelpersonen, Freelancer) oder in anderen Unternehmen (reales Unternehmen A und B) eingebunden sind, bedient.39

Personen, die der gesamten virtuellen Unternehmung zugeordnet sind und darnit dem gesamten LeistungserstelIungsprozeB dienen, sollen hier aIs Kemteam bezeichnet wer­den. Daruber hinaus besteht aufgrund von Vereinbarungen, Erfahrungen und Kontakten ein weit groBerer Personenkreis, der auf Basis bestimmter Anforderungen speziellen Aufgaben bzw. ProzeBphasen zugeordnet werden kann. Dieser erweiterte Personenkreis solI im folgenden als Pool bezeichnet werden.

37 Vgl. Byrne, J. A.: The Virtual Cooperation, in: Business Week (Feb. 1993), S. 99 (98-103). 38 Oer hier vorgestellte Promotor kann sowohl Fach- als auch Machtpromotor sein, sollte aber im Ideal­

fall beide Positionen einnehmen. Ansonsten wllre eine weitere Person erforderlich. 39 Ober die Rechtsforrn und die damit verbundenen Vor- und Nachteile zu diskutieren, wiirde den Rah­

men dieses Beitrags sprengen, so daB davon ausgegangen wird, daB die oben erwahnte Rechtsperson als Minimalanforderung im Sinne einer GbR personlich hafiet, als Vertragspartner dem Kunden indi­rekt gegeniibertritt und mit allen am jeweiligen ProzeB beteiligten Personen temporllre Vertrlige ab­schlieBt.

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INNOVATIONS CONTROLLING IN VIRTUElLEN UNIERNEHMUNGEN 159

Reales Untemehmen A Einzelpersonen, Freelancer Reales Untemehmen B

Abbildung 7: Kemteam der virtuellen Untemehmung

Virtuelle Untemehmungen sind durchaus in der Lage, nicht nur Dienstleistungen, son­dem auch OUter herzustellen, die in einem komplexen Oebilde VOn vertraglichen und informatorischen Verflechtungen tatsachlich realisiert werden. ledoch ist dieser ProzeB im wesentIichen auf OUter beschrankt, die keiner ausfUhrIichen Erkllirllng bedUrfen, wie bspw. Produkte des tagIichen Lebens. Komplexe OUter, die einen hohen Erkllirllngsbe­darf und eine intensive Beratung erfordem, eignen sich demnach weniger fUr virtuelle Untemehmungen, da hier bspw. ein AuBendienst benotigt wird, der in ein rechtliches Oebilde eingebunden sein muB.

Das Internet bietet eine gute Basis fUr die Existenz einer derartigen Untemehmung.4O

Auch wenn letztendlich das Produkt als eine Einheit beim Kunden ankommt, so basiert der OroBteil der Leistungen dieser virtuellen Untemehmung im Informationsmanage­ment, also in der Koordinierung der Prozesse sowie der ZusammenfUhrung und des Ein­satzes von verteilten Kemkompetenzen.41

Diese Betrachtungen IOsen eine Reihe von Fragen aus, wie bspw. hinsichtlich der Be­wertung eines derartigen Untemehmens, die hier jedoch nicht weiter behandelt werden sollen. Im Mittelpunkt der folgenden AusfUhrungen steht ausschlieBIich die Frage, wie Innovationen in einem so1chen Untemehmen entstehen und wie der InnovationsprozeB im Rahmen eines Innovationscontrolling gesteuert werden kann.

3.2. Innovationsproze8 und -management in virtuellen Unternehmungen

Der idealtypische InnovationsprozeB in virtuellen Untemehmungen besitzt grundsatzIich die gleiche Phasenfolge wie in traditionellen Untemehmen (vgl. Abbildung 4). Die or­ganisatorische Zusammensetzung und VerknUpfung ergibt sich jedoch aus den Oege­benheiten der Untemehmung und der beteiIigten Personen (Kemteam). Ein wesentIicher Unterschied Iiegt jedoch darin, daB es weder einen genau definierten noch 10kaIisierba­ren InnovationsprozeB in virtuellen Untemehmungen gibt. Vielmehr existieren einer

40 Vgl. Klein, S.: Zur Rolle moderner Informations- und Kommunikationstechnologien, in: Miiller­Stewens, G. (Hrsg.): Virtualisierung von Organisationen, Entwickiungstendenzen im Management, Bd. 16, ZUrich 1997, S. 43 (43-59).

41 Vgl. Bleicher, K.: Der Weg zum virtuellen Unternehmen - Neue Arbeits- und Organisationsformen, in: Office Management (1996) 112, S. 15 (10-15).

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160 MATIHIAS ALMSTEDT UND GERAlD WISSEL

oder mehrere - zeitlich und riiumlich nicht aufeinander abgestimmte - Prozesse, die durch bestimmte interne undloder exteme Impulse angestoBen und durch einen Promo­tor - der in der Regel auch der Promotor der virtuellen Untemehmung ist - vorange­bracht und koordiniert werden.

Die riiumliche Zuordnung der Phasen ergibt sich aus der dynamischen und temporiiren Zuordnung der Beteiligten. Diese werden entsprechend den Anforderungen der einzel­nen Phase ausgewiihlt und mit den anderen Beteiligten vemetzt. Die beteiligten Perso­nen wiihlt der Promotor mit Hilfe bestimmter Instrumente aus, die im Abschnitt 2 ex­emplarisch beschrieben werden. Die Personen mtissen nicht zwingend aus dem Kem­team der virtuellen Untemehmung stammen, sondem konnen - aufgrund bestimmter Kompetenzen bzw. Fiihigkeiten - aus dem gesamten Pool verfugbarer Personen den jeweiligen Phasen zugeordnet werden (vgl. Abbildung 8) .

.... .... .. ' .................. Dynamische und temporilre Zuordnung von

.' .. ' .. , Beteiligten zu einer Phase

Abbildung 8: InnovationsprozeB in eine virtuellen Untemehmung

Eine Besonderheit in virtuellen Untemehmungen besteht darin, daB die erste Phase des Innovationsprozesses, die Wahmehmung der Impulse, und die zweite Phase, die Ideen­sammlung und -findung, kontinuierlich und stiindig mit einer anderen personellen Be­setzung durchlaufen werden. Das Innovationsmanagement sorgt hier lediglich fUr die stiindige Motivation der Beteiligten, sich an der ersten und zweiten Phase kontinuierlich zu beteiligen. Der Ubergang zwischen beiden Abschnitten ist flieBend und kaum wahr­zunehmen.

Der ersten Phase werden bewuBt oder unbewuBt diejenigen Personen zugeordnet, die entweder technikorientierte Impulse in Form von Erfindungen, Patente etc. oder kun­denorientierte Impulse in Form von Wtinschen, Beschwerden etc. einbringen konnen. Hier muB daftir gesorgt werden, daB Personen miteinander vemetzt werden, die aus ers­ter Hand tiber wichtige Informationen bzw. Wissen verftigen und ihre Kenntnisse in die Ideensammlung und -findung einbringen wollen.

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INNOVATIONS CONTROLLING IN VIRTUELLEN UNTERNEHMUNGEN 161

Der zweiten Phase werden aile diejenigen Personen zugeordnet, die auf Basis der in der virtuellen Unternehmung veroffentlichten Impulse aus der ersten Phase Ideen generie­ren, also sowohl tiber die entsprechende Kreativitat verfligen als auch marktliche und technische Informationen zu einer Produktidee vereinen konnen. Die Ideengenerierung vollzieht sich in der Regel nicht bewuBt, sondern wird in Form elektronischer Ideen­pools bzw. auf der Basis eines elektronischen Vorschlagswesens koordiniert.

Erst die Ideenbewertung wird bewuBt durch das Innovationsmanagement initiiert und -bei einem positiven Ergebnis - im Verlauf des Innovationsprozesses zu einer moglichen Produktrealisierung fortgefiihrt. Wahrend in den ersten beiden Phasen die Motivation einer dynarnischen Zuordnung primlir von den Beteiligten selbst ausgeht, so erfolgt in der dritten Phase die Zuordnung hauptsachlich durch das Innovationsmanagement. Die­ses vernetzt logisch und physisch aile diejenigen Personen, die aufgrund personlicher Prliferenzen und Einstellungen geringe subjektive Prliferenzen bei der Einschatzung von Ideen mitbringen. Mit anderen Worten: Die Auswahl erfolgt so, daB eine objektive Be­wertung moglich ist. Hier zeigt sich ein groBer Vorteil virtueller Unternehmungen, da klassische Uber- und Unterordnungsverhiiltnisse nicht existieren und somit auch nicht zu entsprechenden Widerstanden im InnovationsprozeB fllhren konnen.

Die Phasen vier und filnf (Realisierung und Einfilhrung) erfolgen wie in realen Unter­nehmen auch nach Regeln der Entwicklung, Produktion und des Instrumenteneinsatzes im Marketing.

Der Aufbau und die Steuerung des gesamten Innovationsprozesses obliegt dem Innova­tionsmanagement. In der Regel tibernimmt dieses der Promotor der virtuellen Unter­nehmung, da er erstens ein originares Interesse am Wachs tum und somit am Erfolg der Unternehmung hat und zweitens tiber entsprechende Instrumente zur Koordinierung und Moderation der ProzeBphasen verfligt. Die Steuerung des Innovationsprozesses erfolgt auf der Grundlage von Informationen, die das Innovationscontrolling dem Promotor zur Verfligung stellt.

Wie auch in realen Unternehmen tibernimmt das Innovationsmanagement die Verant­wortung filr die systematische Planung, Steuerung und Kontrolle der Innovationsprozes­se, den Auf- und Ausbau sowie die Nutzung von Innovations- und WertschOpfungspo­tentialen und die Gestaltung interner und externer Rahmenbedingungen.

Durch die anforderungsgerechte Zuordnung der Beteiligten zu der jeweiligen Phase des Innovationsprozesses werden sowohl die personellen Voraussetzungen geschaffen als auch die strukturellen Regelungen in Richtung einer Innovationsorientierung beeinfluBt. Bei Bedarf kann diese Zuordnung durch entsprechende MaBnahmen jederzeit geandert werden.

Ein wesentlicher Bestandteil des Innovationsmanagements in virtuellen Unternehmen ist das Wissensmanagement. "Je wissensintensiver das Umfeld eines Unternehmens und je ausgepragter dessen eigene Wissensbasis, urn so eher konnen spezifische Fiihigkeiten eines Unternehmens eine strategische »Eigendynarnik« entwickeln. Bestehendes Wis­sen kann dann haufig zu neuen und tiberraschenden strategischen Optionen filhren."42

42 Probst, G. Et al.: Wissen managen, Wie Unternehmen ihre wertvollste Ressource optimal nutzen, 2. Aufl., FrankfurtlWiesbaden 1998, S. 24.

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162 MATIHIAS ALMSTEDTUND GERALD WISSEL

4. Innovationscontrolling in virtuellen Unternehmungen

4.1. Grenzen des herkommlichen Controlling und daraus resultierende Anforderungen an das Innovationscontrolling

Die bisherigen Ausfiihrungen verdeutlichen virtuelle Unternehmungen als vollsUindig neue Kooperationsfonn, in der die Entstehung von Innovationen, deren Management und das Controlling eingebettet sind. Traditionell gepragte Controlling-Ansatze und -Instrumente konnen dem Innovationsmanagement in diesem hochdynamischen Umfeld kaum die notwendige Unterstiitzung anbieten. Folgende Aspekte verdeutlichen beson­ders die Grenzen traditioneller Controlling-Ansatze fUr die Anwendung in virtuellen Strukturen:

Trotz des immer wieder verkiindeten Postulats eines strategischen Controlling be­schranken sich Controlling-Ansatze in der Praxis schwerpunktmiiBig auf operative, quantifizierbare Aspekte. Es liegt eine Oberbetonung des operativen Aufgabengebietes vor.43 Einer der Hauptgriinde hierfiir liegt wohl darin, daB die Probleme der Verarbei­tung qualitativer Infonnationen, die den wesentlichen Teil der Datenbasis strategischer Uberlegungen ausmachen, bislang noch nieht zufriedenstellend gelOst sind.

Weiterhin fehlt den derzeit eher statisch ausgerichteten Controlling-Systemen die fUr den Einsatz in virtuellen Umgebungen notwendige Flexibilitat.44 Dieses solI nicht be­deuten, daB ein adaquat installiertes Controlling den Aufgaben in traditionellen Unter­nehmensstrukturen nicht gerecht werden kann. Db es jedoch durch kleinere Modifikati­onen an den Einsatz in virtuellen Unternehmen angepaBt werden kann, darf durchaus bezweifelt werden. Man denke in diesem Zusammenhang nur an das haufig allzu starre Berichtswesen, dessen Ausrichtung bspw. bereits auf neue Produkte oder gar Sparten nur mit groBem Aufwand erreichbar ist.

Controlling-Anwendungen sind selten ganzheitlieh ausgerichtet.45 Sie fokussieren re­gelmiiBig auf - mehr oder weniger - ausgewiihlte Schwerpunkte. Begriffe wie Sparten­controlling oder Werkscontrolling sowie z. B. Produktionscontrolling oder Marketing­Controlling als typische funktionale Auspragungen verdeutlichen dieses. Es fehlt haufig die Ubergreifende Gesamtausrichtung auf das Unternehmensziel. Die seit einiger Zeit geforderte Drientierung an den Unternehmensprozessen konnte jedoch den Weg in die korrekte Richtung zeigen.46

Unter BerUcksichtigung des State of the Art des Controlling lassen sich fUr ein Innovati­onscontrolling in virtuellen Strukturen somit folgende Anforderungen ableiten:

43 VgJ. MUller. A.: GrundzUge eines ganzheitlichen Controllings. MUnchenIWien 1996. S. 253. 44 VgJ. Sierke. B.R.A.: Total Dynamic Controlling (TDC) - ein Controlling in Virtuellen Strukturen.

Vortrag fur Hewlett-Packard GmbH auf der Intemet-Fachtagung in Wien am 29.01.97. Wien 1997. S. 10.

45 VgJ. MUller, A.: GrundzUge eines ganzheitlichen Controllings. MUnchenIWien 1996. S. 253. 46 VgJ. Sierke. B.R.A.: Total Dynamic Controlling (TDC) - ein Controlling in Virtuellen Strukturen.

Vortrag fur Hewlett-Packard GmbH auf der Intemet-Fachtagung in Wien am 29.01.97. Wien 1997. S. 7 f.

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INNOVATIONS CONTROLLING IN VIRTUELLEN UNTERNEHMUNGEN 163

• Die Informationsversorgung innerhalb der virtuellen Untemehmung ist - unter den unten genannten Umstiinden - zu konzeptionieren und zu gestalten.

• Der hierarchische Ansatz des Controlling ist zugunsten einer ganzheitlich­vemetzenden Vorgehensweise aufzulOsen.47

Die starren Strukturen des Controlling sind aufzubrechen. Dieses kann durch ein modu­lar konstruiertes Controlling gelingen, das aus einzelnen, abgrenzbaren und in sich ge­schlossenen Subsystemen besteht. Man kann sich ein derartiges Konzept bildhaft als ein Mosaik von Bausteinen oder Puzzle-Teilen vorstellen, die flexibel entsprechend den rasch wechselnden Anforderungen zusammengesetzt werden konnen.

Trotz der modularen Struktur muB das Controlling ganzheitlich ausgerichtet sein. Es hat bspw. im vorliegenden Kontext den gesamten InnovationsprozeB zu unterstiitzen und zugleich fiir die Ausrichtung des Innovationsprozesses am Gesamt-Zielsystem der Un­temehmung Sorge zu tragen.

Das Innovationscontrolling muB iiber den "Tellerrand" des F&E-Bereichs hiniiber­schauen konnen. Die Fokussierung auf isolierte Bereiche wird den Anforderungen einer komplexen virtuellen Umgebung nicht gerecht.

Ein umfassender Controlling-Ansatz erfordert in hohem MaBe die Beriicksichtigung strategischer GroBen. In diesem Sinne ist die Forderung nach der Verarbeitung qualitati­ver Daten durch das Controlling zu verstehen. Entsprechende Methoden, Modelle und Instrumente sind bereitzustellen.

Diese recht abstrakt formulierten Anforderungen sollen im folgenden Abschnitt hin­sichtlich der organisatorischen Einbettung und des Instrumenteneinsatzes des Control­ling konkretisiert werden.

4.2.0rganisatorische Einordnung und Instrumente des Innovationscontrol­ling

Analog zur dynamischen und temporiiren Zuordnung der sonstigen personellen Res­sourcen zum InnovationsprozeB des virtuellen Untemehmens (vgl. Abbildung 6) ist auch mit der Controlling-Funktion in organisatorischer Hinsicht zu verfahren. Auf­grund der Bedeutung des Controlling fiir den gesamten InnovationsprozeB sollte der Controller dem im Abschnitt 3.1. beschriebenen Kemteam entstammen. Inwieweit die Controlling-Aufgabe einer separaten Person bzw. Personengruppe tibertragen oder yom Promotor selbst als Self-Controlling durchgeflihrt werden sollte, ist im Einzelfall zu entscheiden und abhiingig von der GroBe und Komplexitiit der virtuellen Struktur sowie den Controlling-Kenntnissen des Promotors.

Wie im Abschnitt 4.1. gefordert, sind die Controlling-Instrumente an den Innovati­onsprozeB in der virtuellen Untemehmung anzupassen. Ein Uberblick tiber die grund­satzliche Einsetzbarkeit ausgewiihlter strategischer und operativer Controlling­Instrumente kann der Abbildung 9 entnommen werden. Aus der Zahl der abgebildeten Instrumente werden im folgenden zunachst das Kennzahlen-System als operatives und

47 Vgl. MUller, A.: GrundzUge eines ganzheitlichen Controllings, MiinchenIWien 1996, S. 253.

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164 MATTHIAS ALMSTEDT UND GERALD WISSEL

anschlieBend die Skills-Map als strategisches Instrument nliher dargestellt. Hieran wird gezeigt, wie diese gestaltet werden konnen, damit sie den Anforderungen an ein Innova­tionscontrolling in einer virtuellen Untemehmung gentigen.

~ Portfolio--Technik

~Skills-~

~eD-Netzwerk

~ring-Modelle

Me~ge D~hnung ~ ~

Ideen- Ie- EinfUhrung und bewertung rung Diffusion

L-____ -J~ ____ _J,~ ____ _J

~eali . d Adoption

Abbildung 9: Ausgewlihlte Controlling-Instrumente und deren schwerpunktmiiBiger Ein­satz im InnovationsprozeB

Kennzahlen-Netzwerk

Das Kennzahlen-Netzwerk stellt ein operatives Controlling-Instrument dar, das der quantitativen, in erster Linie okonomischen Bewertung einer Innovation bzw. eines In­novationsprozesses dient. Im Gegensatz zu den bekannten hierarchisch, haufig pyrami­dal auf eine Spitzenkennzahl zustrebend aufgebauten Kennzahlen-Systemen48 verzichtet es auf baumartige Strukturen mit vielen Eingangen und in der Regel einem Ausgang. Derartige Systeme passen nicht in ein netzwerkartiges Umfeld. Denn die Virtualitat der Strukturen flihrt dazu, daB Kennzahlen, die fUr bestimmte Zwecke eine Spitzenkennzahl darstellen, bei Bezug auf eine andere Zielsetzung oder Strukturkombination lediglich von untergeordneter Bedeutung sind. D. h., Kennzahlen, die aus einer bestimmten Per­spektive oder zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Spitzenkennzahl darstellen, konnen unter anderen Bedingungen eine EingangsgroBe des Systems bilden. Die Aggregation der GroBen muB in diesem Sinne wechselseitig erfolgen konnen. Derartige Anforderun­gen konnen nur nicht-hierarchische, netzwerkartige Strukturen erftillen.

Weiterhin muB ein solches Kennzahlen-Netzwerk modular aufgebaut sein. Die einzel­nen Module mtissen tiber wohldefinierte Schnittstellen miteinander "verkntipfbar" und darnit kompatibel sein.

Einen Oberblick tiber die grundsatzliche Struktur eines derartigen Kennzahlen­Netzwerks vermittelt am Beispiel der Phase "Ideenbewertung!' die Abbildung 10. Es ist

48 Eine Darstellung ausgewahlter traditioneller Kennzahlensysteme ist bspw. zu finden bei Horvath, P.: Controlling, 6., vollst. Uberarb. Aufl., MUnchen 1996, S. 545-557.

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INNOVATIONS CONTROLLING IN VIRTUEllEN UN1ERNEHMUNGEN 165

erkennbar, daB die Kennzahlen 1-4 die Spitzenkennzahlen irn Rahmen der Ideenbewer­tung sind, diese aber in einer anderen Phase des Innovationsprozesses wiederum nur eine untergeordnete Rolle spielen konnen.

Wahr-

.... ~ : .. "

.'.~ : ..... .....

Kz Ibis 4: SpilZenkennzahlen zur Steuerung der Phase

"Ideenbewertung"

~~<---------~--------~\~ ~ Ideen- \. Adoption

~::;,,--f ___ ~_~_~d_U_:_g,,g_I ____ ~_~_~_--,unl<...I ____ ~_n_g_jS_ie--,),-I~ __ E_in_fU __ hrun~;I, .. ,~_fl ___ ~_n_i~ __ i...J0( I Abbildung 10: Kennzahlen-Netzwerk

SkiDs-Map

Die der virtuellen Untemehrnung zugeordneten Personen (Kemteam) und die dariiber hinaus rnoglichen zuordnungsbaren Personen (pool) verfiigen tiber ein hohes MaS an unterschiedlichern Wissen und voneinander abweichenden Fiihigkeiten. Je nach Phase des Innovationsprozesses sind andere Kornbinationen und Auspriigungen von Skills49

notwendig, so daB eine wesentliche Aufgabe des Innovationscontrolling darin besteht, die Lokalitiit, Quantitiit und Qualitiit der verftigbaren Skills zu kennen, sie entsprechend den Anforderungen zu vemetzen und fUr eine kontinuierliche Erweiterung und Pflege zu sorgen.

Urn eine optirnale Nutzung der verftigbaren Skills fUr den InnovationsprozeS zu errei­chen, ist es notwendig, sie detailliert zu "kartographieren". Dieses kann auf der Basis einer detaillierten Zuordnung von Knoten und Skills erfolgen. Man konnte in Anleh­nung an die Fachsprache der Geographie von einer Skills-Map, Knowledge-Map oder Wissens- und Fiihigkeitenlandkarte sprechen.50 Ahnlich wie bei Geographischen Infor­rnationssysternen konnten die Skills gruppiert werden, z. B. grundlegend in betriebs­wirtschaftliche, technische und soziale Skills. Die einzelnen Gruppen konnten weiter klassifiziert werden. Ftir den betriebswirtschaftlichen Bereich konnte die Einteilung funktional nach Beschaffungs-, Produktions-, Marketing-Skills etc. erfolgen. Auf diese

49 1m folgenden werden unter Skills sowohl das Wissen (implizit und explizit) als auch die Fahigkeiten einer Person verstanden. Eine Differenzierung zwischen Wissen und Fahigkeiten ist fUr die weitere Betrachtung nicht notwendig.

50 Vgl. Seemann, S.; Stucky, S.: Practical Management of Knowledge, Workshop-Unterlagen zur Ta­gung: Know-how flott machen, Gottlieb-Duttweiler-Institut 1995.

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166 MATIHIAS ALMSTEDT UND GERAlD WISSEL

Weise werden einzelne Skills-Schichten gebildet. Um weitere Informationen zu erhal­ten, besteht die Mijglichkeit, die einzelnen Layer miteinander zu "verschneiden".

Der wesentliche Nutzen dieser ,,Landkarte" liegt darin, daB sie die Verteilung der Skills im virtuellen Untemehmen verdeutlicht und Schwetpunkte bestimmter Skills transpa­rent werden. Weiterhin kijnnte das gesamte Skills-Potential der an einem bestimmten Innovationsproze6 beteiligten Untemehmenseinheiten visualisiert und analysiert wer­den. Einzelne Knoten im Untemehmen kijnnen hinsichtlich ihres Wissens und ihrer Fli­higkeiten betrachtet werden. Skills-Kombinationen, die fUr bestimmte Innovationspro­zesse notwendig sind oder auch unbedingt vermieden werden miissen, lassen sich mit Hilfe dieses Instruments identifizieren. Durch die freie Wahl und Strukturierung der Skills-Klassen ist das Instrument an den Informationsbedarf jeder spezifischen virtuel­len Untemehmung anpaBbar.

Bei der Skills-Map handelt es sich urn ein strategisches Controlling-Instrument, das sich sehr gut fUr den Einsatz im Innovationsmanagement eignet. Es zeigt auf, welche Art von Wissen an welcher Stelle in welcher Intensitlit und in welcher Kombination vorliegt. Auf diese Weise werden Erfolgspotentiale identifiziert sowie Hinweise zurn strategi­schen Aufbau, Erhalt und Ausbau von Innovationspotentialen in Form von Skills aufge­zeigt. Die ,,Landkarte" bietet somit Informationen fUr einzelne Innovationsprozesse an, besitzt aber gleichzeitig auch ganzheitlichen, auf die gesamte Untemehmung fokussie­renden Charakter.

Einen Eindruck von der mijglichen Struktur einer solchen Skills-Map fUr die Phase "Wahmehmung von Impulsen" vermittelt die Abbildung 11. Sie zeigt, wie mit Hilfe einer Wissenslandkarte die Suche nach den relevanten Einzel-Skills oder Skills­Kombinationen auf der Basis der Phasenanforderungen effektiv unterstlitzt werden kann. Die mit Hilfe des Instruments gefundenen Organisationseinheiten der virtuellen Untemehmung kijnnen den entsprechenden Aktivitliten innerhalb des Innovationspro­zesses zugeordnet werden. Fiir die anderen Innovationsphasen lli6t sich das Instrument in gleicher Weise einsetzen.

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INNOVATIONSCONTROLLING IN VIRTUELLEN UNfERNEHMUNGEN

Skilll Skill 2

Skill n

Abbildung 11: Aus den Anforderungen einer Phase generierte Skills-Map

5. Zusammenfassung und Ausblick

167

Virtuelle Strukturen verlangen eine grundsiitzliche Anpassung des Innovationsprozes­ses. Die Modifikationen zeigen sich nicht so sehr im Ablauf des Innovationsprozesses -die Schritte bleiben grundsiitzlich die gleichen -, sondem mehr in den Inhalten der ein­zelnen Phasen. Insbesondere sei an die dynamische und temporiire Zuordnung der (per­sonellen) Ressourcen zu den einzelnen ProzeBschritten erinnert. So wie das Manage­ment des Innovationsprozesses veriinderte und komplexere Aufgaben zu bewiiltigen hat, steigen auch die Anforderungen an das Controlling, das yom Management zur Unter­stUtzung der ProzeBsteuerung eingesetzt werden solI.

Der vorliegende Beitrag zeigt, daB das Controlling von Innovationen in virtuellen Un­temehmen grundsiitzlich moglich ist. DemControlling kann es gelingen, die erhOhte Komplexitiit zu bewiiltigen. Hierfiir ist - wie dargestellt wurde - dessen Neuausrichtung notwendig. Anhand genereller organisatorischer Aspekte, aber insbesondere in bezug auf die Einsetzbarkeit "traditioneller" Controlling-Instrumente wurde dieses gezeigt. FUr zwei ausgewiihlte Instrumente, dem Kennzahlen-Netzwerk sowie der Skills-Map, wurde erliiutert, welche Modifikationen notwendig sind, urn ein effizientes und effektives In­novationscontrolling in virtuellen Untemehmungen zu ermoglichen.

Dieser Beitrag konnte lediglich grundsiitzliche Uberlegungen zum Innovationscontrol­ling in virtuellen Untemehmungen aufzeigen und anhand ausgewiihlter Beispiele kon­kretisieren. Die wichtigste Zukunftsaufgabe fur diesen Forschungsschwerpunkt sollte in der Weiterentwicklung einer in sich geschlossenen, praxisorientierten Konzeption lie­gen. Insbesondere ist hierbei an die Implementierung und Kalibrierung computerbasier­ter Instrumente fur das Innovationscontrolling in virtuellen Strukturen zu denken.

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168 MATIHIAS ALMSTEDT UNO GERALD WISSEL

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Rechtliche Probleme bei Virtuellen Unternehmen im Lichte eines zeitgerechten Controlling

Bernd Rohlfing*

1. Einleitung

2. Das rechtsstrukturelle "Korsett" eines Virtuellen Unternehmens

2.1. Die wirtschaftlichen Merkmale eines Virtuellen Unternehmens

2.2. Rechtliche Entsprechung

3. Der digitale Vertrag mit einem Virtuellen Unternehmen

3.1. Nachweis- und Beweisprobleme des Abschlusses eines digitalen Vertrages

3.2. Einbeziehung von Allgemeinen Geschiiftsbedingungen (AGB)

3.3. Vertragsstatut bei internationalem Privatrecht

4. Haftungsrechtliche Probleme bei Virtuellen Unternehmen

5. Aspekte des Telearbeitsrechts

5.1. Problematik der ArbeitnehmerUberlassung

5.2. Einzelprobleme der Telearbeit

5.2.1. Status des Telearbeitnehmers

5.2.2. Telearbeit und Auslandstiitigkeit

6. Aspekte des Urheberrechtsschutzes im Internet

6.1. Das "Werk" im Sinne der §§ 2,4 UrhG

6.2. Virtuelle Unternehmen als Miturheber (§ 8 UrhG) bzw. Urheber verbundener Werke (§ 9 UrhG)

6.3. Rechtsverfolgung bei Urheberrechtsverletzung

7. Ausblick

* Bernd Rohlfing, geb. 1960 in NienburgIWeser, Studium der Rechtswissenschaft in Gtittingen, 1. Staatsexamen 1986,2. Staatsexamen 1991, Promotion 2000, Rechtsanwalt und Syndikusanwalt, zugl. Fachanwalt fur Arbeitsrecht, Lehrbeauftragter der PRIV ATEN FACHHOCHSCHULE GOTTINGEN.

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172 BERND ROHLFING

1. Einleitung

Controlling bezeichnet eine bestimmte Funktion innerhalb des Fiihrungssystems von solchen Unternehmen, deren Ausfiihrungssystem primiir durch Plane koordiniert wird. Das Ziel des Controlling besteht dabei darin, Effizienz und Effektivitat der Fiihrung zu erhOhen und die Anpassungsflihigkeit an Veranderungen in der Um- und Innenwelt des Unternehmens zu steigern. Urn gleichermaBen zeit- und bedarfsgerecht zu sein, muB sich das Controlling auch mit solchen Fragestellungen und Strukturen auseinanderset­zen, die sich durch Innovationen auf dem Markt oder durch den Markt entwickelt haben. Eine solche Innovation stellt das sogenannte Virtuelle Unternehmen dar. Computer, Fernsehen und Telefon sind bereits unter dem Stichwort "Multimedia" zusarnmenge­wachsen. Mit jedem Tag steigt die Zahl der Internetzugange weltweit. Die elektroni­schen Medien werden gravierende Veranderungen auf dem Markt, in der Warenwirt­schaft und in den DistributionskanaIen herbeifiihren und damit den gesamten Handels­verkehr verandern. So setzt z. B. der deutsche Warenhauskonzern Karstadt mit seinem virtuellen Kaufhaus "My world" konsequent auf das neue Medium und wird dieses auch weiter ausbauen. Entsprechendes gilt fUr die Firmen Quelle, Otto Versand und Bader.

Es ist charakteristisch fiir Virtuelle Unternehmen (VU), wenn sich ein Netzwerk von Betrieben rasch zusarnmenschlieBt, urn eine sich bietende Wettbewerbschance zu nut­zen und sich der Verbund danach wieder aufiost und Platz fiir neue Allianzen macht. I Nlihrboden fiir das Entstehen eines derartigen Virtuellen Unternehmens ist der Umstand, daB durch die rasante Entwicklung auf dem Oebiet des Multimedia ein Unternehmen allein das notwendige Know-how durch Obernahme oder Fusionen wegen der damit verbundenen Kosten und Risiken kaum erlangen kann; zu zeitaufwendig und teilweise zu kostenintensiv erweist sich der interne Aufbau bei den stark innovierenden Miirkten. Es verbleibt lediglich die Moglichkeit, die Kooperation mit anderen Unternehmen zu suchen. In einem VU teilen sich die Partner Kosten, Risiken und Wissen und agieren gemeinsam auf nationalen und globalen Miirkten. 2 Bei Virtuellen Unternehmen - bis­weilen wird auch der Begriff Telekooperation genanntl - sind die gesetzlichen Rahmen­bedingungen vielfaItig. Neben den gesetzlichen Bestimmungen des BOB sind insoweit vor allem das Oesetz zur Regelung der Rahmenbedingungen fiir Informations- und Kommunikationsdienste (Informations~ und Kommunikationsdienste-Oesetz - IuKDO) yom 22.07.19974 sowie das Telekommunikationsgesetz (TKO) yom 25.07.19965 zu nennen. Auf die jeweiligen einschlagigen Bestimmungen wird an jeweiliger Stelle des vorliegenden Beitrags eingegangen. Daher vorab nur soviel:

Das TKO hat rechtzeitig vor der vollstandigen Liberalisierung des Telekommunika­tionsmarktes zum 01.01.1998 die erforderlichen rechtlichen Rahmenbedingungen fiir die vielfliltige Nutzung der Inhalte in den Netzen geschaffen. Da andererseits Multime­dia eine Querschnittsmaterie darstellt, die einen speziell darauf zugeschnittenen Rechts­rahmen erforderte, wurde das IuKDO als sog. "Multimedia-Gesetz" geschaffen.6 Das

I MertenslFaisst, DSWR 1996, 93, (93); Lange, BB 1998, 1165 (1165, 1166). 2 MertenslFaisst, DSWR 1996,93, (93); Lange, BB 1998,1165 (1166). 3 Kilian, BB 1997, 1004 (1004). 4 BGBl I, 1997, 1870 ff. 5 BOBl I, 1996, 1120 ff. 6 Engel-FlechsiglMaennelffettenbom, NJW 1997,2981 (2982).

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RECHTLICHE PROBLEME BEl VIRTUELLEN UNTERNEHMEN 173

IuKDG ist als Mantelgesetz zu kennzeichnen und umfaBt seinerseits drei neue Gesetze, und zwar das Teledienste-Gesetz (IDG), das Teledienstedatenschutz-Gesetz (TDDSG) sowie das Signaturgesetz (SigGr.

Der vorliegende Beitrag soIl speziell irn Lichte eines zeitgerechten Controlling die rechtlichen Problerne von Virtuellen Untemehrnen beleuchten. Dazu wird zunachst einrnal auf die strukturelle Organisation eines so1chen Untemehrnens eingegangen (s. dazu nachfolgend Ziff. 2.). Sodann werden Besonderheiten des Vertragsschlusses eror­tert (s. dazu nachfolgend Ziff. 3.). Uberdies erwachsen irn Zusammenhang mit Virtuel­len Untemehrnen bzw. Telekooperation haftungsrechtliche Problerne, we1che an dieser Stelle nicht ausgespart werden sollen (s. dazu nachfolgend Ziff. 4.). SchlieBlich wird erortert, welche spezifischen arbeitsrechtlichen und urheberrechtlichen Problerne sich irn Zusammenhang mit Virtuellen Untemehrnen ergeben konnen (s. dazu nachfolgend Ziff. 5. und 6.).

2. Das rechtsstrukturelle "Korsett" eines Virtuellen Unternehmens

Urn zu erfassen, welche rechtlichen Strukturen ein Virtuelles Untemehmen ausrnachen, ist es zuniichst einrnal erforderlich, die einzelnen wirtschaftlichen Merkmale bzw. Krite­rien eines Virtuellen Untemehmens zu bestimmen (s. dazu nachfolgend Ziff. 2.1.). Erst dann kann dazu iibergegangen werden zu iiberpriifen, we1che Rechtsform diesen wirt­schaftlichen Merkmalen entspricht (s. dazu nachfolgend Ziff. 2.2.).

2.1. Die wirtschaftlichen Merkmale eioes Virtuellen Untemehmens

Beirn ZusammenschluB in der Vision eines VU-Netzwerkes bringt jedes Untemehrnen seine Kemkornpetenzen ein, we1che die Expertise der anderen Netzwerkteilnehrner syn­ergetisch ergiinzt. Das Virtuelle Untemehrnen ist somit eine "best-of-everything­organisation"; des weiteren ist ein Virtuelles Untemehrnen tendenziell nur auf eine be­stimmte Dauer angelegt, mit anderen Worten handelt es sich dabei urn ein Spitzenunter­nehmen auf Zeit.

Fiir den Kunden erscheinen die Leistungen einer Virtuellen Organisation wie "aus ei­nern GuB", obwohl sie faktisch das Ergebnis einer auf viele unabhangige Trager verteil­ten Leistungserstellung sind. Die Untemehrnensidentitat geht in eine Marken- bzw. Pro­duktidentitat iiber. Insoweit sei auf folgendes Beispiel8 verwiesen:

Urn eine individuelle, rnaBgeschneiderte, zugleich aber auch giinstige Urlaubsreise auf Kundenwunsch anbieten zu konnen, schlieBen sich ein Reiseveranstalter, diverse Ho­tels, Flug- und Mietwagengesellschaften, Vertriebsstellen sowie Zielgebietsagenturen zusammen. Die einzelnen Leistungsanbieter bringen jeweils eine rnultirnediale Prlisenta­tion ein und pflegen diese dezentral. Mit den gesammelten Erfahrungen, we1che in den Kundenprofilen gespeichert sind, konnen Zielgruppen genau angesprochen werden. Dariiber hinaus dienen diese Informationen der Produktverbesserung.

7 S. im einzelnen zum Telekommunikations-Gesetz (TKO) Scherer, NJW 1996, 2953 ff. sowie zum IuKDO und die drei ihn umfassende Teilgesetze Engel-FiechsigIMaenneVTettenbom, NJW 1997, 2981 ff.

8 Beispiel bei MertenslFaisst, DSWR 1996,93 (96).

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174 BERND ROHLFING

Fiir Virtuelle Untemehmen stellt das Intemet einen groBtmoglichen Vorteil als Beschaf­fungs- und Absatzkanal dar. Das einem Virtuellen Untemehmen typische einheitliche Auftreten kann durch eine gemeinsame www-homepage umgesetzt werden.

2.2. Rechtliche Entsprechung

Die Frage, wie ein Virtuelles Untemehmen rechtsstrukturell zu erfassen ist, liiBt sich sicherlich nicht einheitlich beantworten. Denn die Rechtsform einer erwerbswirtschaft­lich tatigen Organisation hangt nicht von der Art ihrer Geschaftstatigkeit, der Arbeits­gestaltung oder aber der Form der Arbeitskoordination abo Sowohl die Vorschriften iiber den Kaufmann (§§ 1 ff. HGB) als auch diejenigen iiber die Personen- und Kapitalgesell­schaften sind flexibel genug, urn Virtuelle Untemehmen erfassen zu konnen9• Aus­schlaggebend dafiir, ob ein Virtuelles Untemehmen letztlich als OHG, KG, GmbH, AG oder in einer anderen Gesellschaftsform gegriindet wird, hangt von Fragen der Besteue­rung, Haftung, Selbst- oder Drittorganschaft ab und liiBt sich daher nicht fur samtliche auftretende Fallkonstellationen allgemeinhin beantworten. So wird es z. B. auch darauf ankommen, ob das Virtuelle Untemehmen, wenn es denn ein ZusammenschluB ver­schiedener anderer Untemehmen ist, ein Handelsgewerbe betreibt. Dann ware dieser ZusammenschluB verschiedener Untemehmen zwingend eine OHG oder KG (§§ 1 ff, 105, 161 HGB). Wenn jedoch einmal von dieser Fallkonstellation abgesehen wird, so handelt es sich bei einem Virtuellen Untemehmen zumeist urn einen ZusammenschluB von mindestens zwei anderen Untemehmen. Dieser ZusammenschluB ist voriibergehend oder aber auf Dauer angelegt, urn einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen. Diesen ge­meinsamen Zweck fOrdem diese Untemehmen und unterliegen darnit einer wechselsei­tigen Treuepflicht. Es kommt auf ihr personliches Zusammenwirken an. Darnit erfiillt ein Virtuelles Untemehmen strukturell die Voraussetzungen einer Gesellschaft biirgerli­chen Rechts. Die gesellschaftsrechtliche Grundlage findet sich darnit in §§ 705 ff. BGB.

Es kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben, ob und inwieweit Virtuelle Untemehmen eine besondere Erscheinungsform einer Gesellschaft biirgerlichen Rechts darstellen. In Betracht kommen insoweit Gelegenheitsgesellschaften wie z. B. Konsortien, Pools, Me­taverbindungen und Arbeitsgemeinschaften (wie z. B. in der Bauwirtschaft). Denn selbst dann, wenn ein Virtuelles Untemehmen als eine solcher Gelegenheitsgesellschaft zu qualifizieren ware, waren die rechtlichen Grundlagen ebenfalls den §§ 705 ff. BGB zu entnehmen.

1m iibrigen gilt, daB allgemeinhin Virtuelle Untemehmen wohl nicht unter das Partner­schaftsgesellschafts-Gesetz - PartGG - zu fassen sind. Denn gem. § 1 Abs. 1,2 PartGG konnen sich nur AngehOrige freier Berufe zur Ausiibung ihrer Berufe zu einer Partner­schaftsgesellschaft zusammenschlieBen.

Des weiteren kann daran gedacht werden, Virtuelle Untemehmen als Gleichordnungs­konzeme anzusehen. Ein Gleichordnungskonzem, des sen Existenz der BGH anerkannt hatI°, liegt vor, wenn sich mehrere Untemehmen ganz oder teilweise einer einheitlichen Leitung unterstellen, ohne daB zwischen den Konzemuntemehmen und der Konzemlei­tung Abhangigkeiten entstehen, § 18 Abs. 2 AktG. Gleichwohl ist das Konzemrecht,

9 Kilian, BB 1997,1004 (1005). to BGH NJW 1993,2114 (2115) = ZIP 1993, 858 (860) = BB 1993,879

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REcmuCHE PROBLEME BEl VmTUELLEN UNTERNEHMEN 175

welches eben auf die einseitige Abhiingigkeit bzw. die einheitliche Leitung ausgerichtet ist, nicht in der Lage, Typus des virtuellen Unternehmens zu erfassen.11

AbschlieBend sei angemerkt, daB an dieser Stelle nicht auf einzelne Voraussetzungen des Gesellschaftsvertragsabschlusses eingegangen werden solI. Insoweit sei auf die ein­schUtgigen Kommentierungenl2 verwiesen. Hier sei lediglich der Hinweis gestattet, daB der Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft bUrgerlichen Rechts und damit auch eines Virtuellen Unternehmens grundsiitzlich fonnfrei geschlossen werden kann. Erst dann, wenn der vereinbarte Gesellschaftszweck zu einer Verpflichtung ftihrt, die nach beson­deren Vorschriften zu ihrer Wirksamkeit zwingend einer bestimmten Form bedarf, ist regelmliBig der gesamte Gesellschaftsvertrag auch in dieser Form abzuschlieBen. Auf die andere Frage, ob und inwieweit der AbschluB eines Gesellschaftsvertrages innerhalb der einzelnen Unternehmen eines Virtuellen Unternehmens zweckmliBig ist, wird an jeweiliger Stelle dieses Beitrags eingegangen werden.

3. Der digitale Vertrag mit einem Virtuellen Unternehmen

Sicherlich ist ein stabiles Vertragswerk innerhalb eines virtuellen Unternehmens, also die Vertrlige zwischen den einzelnen Mitgliedsuntemehmen, eine wichtige Vorausset­zug fUr einen reibungslosen Betrieb. FUr den (End-)Verbraucherschutz und auch fUr das virtuelle Unternehmen selbst ist es jedoch mindestens ebenso wichtig, zu hinterfragen, ob die vertragliche Beziehung zu dem Verbraucher/Abnehmer rechtlichen Beanstandun­gen ausgesetzt ist.

Herk6mmlicherweise werden Vertriige schriftlich, d. h. auf Papier abgeschlossen. "Was du schwarz auf weiB hast, kannst du getrQst nach Hause tragen". Bei Virtuellen Unter­nehmen ist indessen in zunehmenden MaBe das Internet bzw. E-Mail das Medium. Die elektronische Post erm6glicht den Austausch von Dateien jeglicher Art. Ben6tigt wird dazu lediglich ein mit einer individuellen Adresse ausgestatteter elektronischer Brief­kasten. Diesen kann man Uber einen Internet-Provider erhalten, welcher einen stiindig erreichbaren Mail-Server unterhillt. Der Absender gibt dann seinen elektronischen Brief durch Betlltigung des Versendebefehls auf .. Sodann wird von seinem Computer dieser Brief an seinen Internet-Provider elektronisch Ubermittelt, welcher die Nachricht an den Internet-Betreiber des Adressaten weiterleitet. Dort wird der elektronische Brief in des­sen Briefkasten eingeworfen und gespeichert. Der Inhaber der Mailbox erhillt ohne sein Zutun allerdings keine Kenntnis von einem eingegangen E-Mail; dazu bedarf es des Abfragens bei seinem Internet-Betreiber mittels eines Geheimcodes. Dann werden die in der Mailbox des Adressaten eingegangen Nachrichten auf dessen Computer Ubertragen und meistens auch auf dem Mail-Server seines Internet-Providers geI6schtI3• Als mitt­lerweile "ausgepaukt" kann in diesem Zusammenhang die Frage angesehen werden, ob Vertrlige rechtsverbindlich per Internet abgeschlossen werden k6nnen. Anerkannterma­Ben ist das Drticken der Return-Taste des PC als Bestlltigung eines elektronisch ausge­fullten Kaufvertrages, d. h. als eine rechtsgUltige WiIlenserklarung anzusehen. Der Beg­riff der WiIlenserklarung wird dabei als so weit angesehen, daB er auch die Erklarung per Mausklick erfaBt; denn Erklarungshandlung und ErklarungswiIle sind dabei gege-

11 Lange, BB 1998, 1165 (1167). 12 Palandtffhomas, BOB, 59. Auf!. 2000, § 705, Rdziff. 4 ff.; Ulmer in: MUnchner Kommentar, BOB, §

705, Rdziff. 29 ff. 13 Ultsch, NJW 1997,3001 (3001).

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176 BERND ROHLFING

ben.14 Dabei ist hervorzuheben, daB eine Web-Seite bzw. Katalog ledigIich eine invitatio ad offerendum ist, denn der Unternehmer will sich durch die Herausstellung seines Leis­tungsangebotes nicht endgliltig rechtIich bindenl5• Daher solI an dieser Stelle nicht mehr vertieft auf die zahlreichen Darstellungen eingegangen werden, die sich mit der Frage beschiiftigen, ob ein Vertrag per Internet abgeschlossen werden kann. Vielmehr ist aus der Sicht des Praktikers bzw. aus Unternehmenssicht entscheidend, ob und inwieweit einem VertragsschluB per Internet ein praktischer Stellenwert zukommt. Denn, worauf Stromerl6 zu Recht hinweist, neigen manche Kunden zur VergeBIichkeit, wenn es urn die Bezahlung der vertragsmliBig erbrachten Leistung geht. Diesbeziigliche gerichtliche Verfahren sind a priori vorprograrnrniert. Von daher solI nachfolgend untersucht wer­den, welche besonderen Beweisprobleme hinsichtlich eines Vertragsabschlusses beste­hen (s. dazu nachfolgende Ziff. 3.1.); iiberdies solI auch die fUr ein (virtueIles) Unter­nehmen relevante Frage untersucht werden, ob die fUr das Unternehmen bestehenden Allgemeinen Geschiiftsbedingungen per Internet in den Vertrag einbezogen werden konnen und welche Voraussetzungen ggf. daran zu kniipfen sind (s. dazu nachfolgend Ziff. 3.2.). In diesem Zusarnmenhang sollen auch Rechtsfragen bzgl. des Vertragsstatus bei internationalen Vertriigen erortert werden (s. dazu nachfolgend Ziff. 3.3.).

3.1. Nachweis- und Beweisprobleme des Abschlusses eines digitalen Vertrages

Probleme entstehen, wenn es urn die Wirksamkeit eines Vertragsabschlusses per Inter­net geht bzw. wenn sich eine der Vertragsparteien darauf beroft, eine (elektronische) Willenserkliirung starnme nicht von ihr. Die Klage der anderen Vertragspartei, sei es z. B. auf Abnahme der Ware oder auf Zahlung des Kaufpreises, droht der Abweisung an­heim zu fallen, wenn die insoweit beweislastpflichtige Kliigerseite keinen diesbeziigli­chen Beweis antritt bzw. erbringen kann. UbIicherweise werden regelmliBig keine Zeu­gen beim VertragsabschluB per Internet bzw. e-Mail zur VerfUgung stehen. Eine evtl. bestehende Bildleitung, eine - nachweisbare - Telefonnachfrage oder ein Computeraus­druck sind nichts mehr als bloBe Indizien, die ggf. nicht weiterhelfen. Der Kliiger hat den Beweis zu fUhren, daB ein entsprechender (digitaler) Vertrag abgeschlossen wurde; dazu gehort der Nachweis, daB eine Willenserkliirung abgegeben wurde und sie dem Empfanger auch zugegangen istl7• Dariiber hinaus wird der Kliiger zu beweisen haben, daB auch von der Beklagtenseite eine entsprechende Willenserkliirung abgegeben und ihm - dem Kliiger - zugegangen ist.

14 Vgl. zu den Fragen und Problemen des Vertragsschlusses per Internet im einzelnen: Mehrings, MMR 1998,30 ff; DevilleIKalthegener, NJW-CoR 1997, 168 (168); Friedmann, Bildschirmtext und Rechts­geschiiftslehre, Diss. jur. Bonn 1986, S. 1 ff.; FritscheIMalzer, DNotZ 1995, 3 ff.; Traut, Rechtsfragen zu Bildschirmtext, Mtinchen 1987, S. 64 - 113; Geis, NJW 1997,3000 (3000); Ernst, NJW-CoR 1997, 165 (165); Ernst, BB 1997, 1057 (1057); FritzemeyerlHeun, CR 1992, 129 (132); Rohe­neggITauschek BB 1997, 1541 (1542); Reun, CR 1994,595 (595 f); Bachmann, in: Lehmann (Hrsg.), Internet- und Multimediarecht (Cyherlaw), S. 169 (173); Stromer, Online-Recht, 1997, S. 86 ff.; Rott, NJW-CoR 1998,420 (422); TaupnitzlKritter, JuS 1999, 839 (839); vgl. auch Ruoff, NJW-CoR 2000, 38 ff., wonach auf Vertriige, die tiber das World Wide Web geschlossen werden, das Raustiirwider­rufsgesetz (HwiG) Anwendung findet; aA Borges, ZIP 1999, 130 (132).

IS PalandtIHeinrichs, BGB, 59. Aufl. 2000, § 145 Rdziff. 7a; Lohnig, NJW 1997, 1688 (1688), Koehler, MMR 1998,289 (290); nicht stichhaltig differenzierend Mehrings, MMR 1998,30 (32).

16 Stromer, Online-Recht, 1997, S. 91. 17 Der Zugang von Willenserkliirungen im Internet bestimmt sich nach den Regeln fUr die Abgabe von

Erkliirung unter Abwesenden, vgl. Ernst, BB 1997, 1057 (1057); Roeren in: KilianIHeussen, Compu­terrechtshandbuch, 1986, Kap. 143 Rdziff. 8 f.; Mehrings, MMR 1998,30 (32 f).

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RECHTI..ICHE PROBLEME BEl VIRTUELLEN UNTERNEHMEN 177

Als Mittel der Beweisfiihrung kommen insoweit folgende Beweismittel in Betracht: Sachverstlindige, Augenschein, Urkunden, Zeugen- und Parteivemehmung. Die Be­weismittel des Beweisrechts der ZPO basieren auf den technischen Moglichkeiten des 19. lahrhunderts. Wer nach herkommlicher Methode einen Vertrag abgeschlossen und dies zu beweisen hat, legt den auf Papier verkorperten Vertrag dem Gericht vor. Nach MaBgabe des § 416 ZPO beweisen solche unterschriebenen Vertrlige als Urkunden, daB die darin enthaltenen Erkllirungen von den Ausstellem abgegeben wurden. Urkundsqua­litlit haben solche GedankenliuBerungen nach den Regeln der ZPO allerdings nur dann, wenn ein menschlicher Gedanke schriftlich verkorpert wurde und vom Aussteller eine Unterschrift vorliegtl8. Digitale Dokumente konnen in mehreren Erscheinungsformen auftreten, so z. B. als Speicherung auf einem Datentrliger, als Visualisierung auf einem Bildschirm sowie als Computerausdruck. All diese Erscheinungsformen erfUllen indes­sen nicht die Urkundsqualitlit. Denn das digital gespeicherte Dokument kann zwar eine GedankenliuBerung enthalten, diese besteht aber nicht in Schriftform. Das auf dem Bild­schirm visualisierte Dokument ist lediglich eine unverkorperte Reproduktion des digital gespeicherten Dokuments. SchlieBlich ist der Computerausdruck des gescannten Origi­nals der Ausdruck der Kopie des Originals; dariiber hinaus trligt der Computerausdruck des originlir digitalen Dokuments nicht die Unterschrift des Ausstellers l9. Vor diesem Hintergrund wird denn auch allgemeinhin angenommen, daB digitale Dokumente nicht die Voraussetzungen einer "Urkunde" im Sinne des § 416 ZPO erfUllen20•

Der Umstand, daB digitale Dokumente nicht als "Urkunde" qualifiziert werden konnen, bedeutet indessen nicht, daB es dem Dokument an der Beweisbarkeit fehlt21• So ist z. B. das digitale Dokument als Augenscheinsobjekt der freien Beweiswiirdigung des Ge­richts nach MaBgabe des § 286 Abs. 2 ZPO zuganglich. Indessen liegt in einem solchen Beweisangebot ein gewisses ProzeBrisiko. Denn insbesondere Richter konnten die Flil­schungssicherheit eines derartigen Mediums in Zweifel ziehen, so daB im Ergebnis wohl davon auszugehen sein dUrfte, daB - ohne einen Nachweis fiir eine Flilschungssicherheit eines digitalen Dokuments - das Augenscheinsobjekt als Beweismittel so nicht ausrei­chend sein dUrfte22•

Bereits eingangs wurde das Signaturgesetz (SigG) als Bestandteil des Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz erwlihnt. Dieses Signaturgesetz ist als gesetzliche Vor­gabe gedacht, urn die digitale Signaturen mit der gebotenen Eindeutigkeit einer be­stimmten Person zuzuordnen. Mit Hilfe der Signaturen sollen Daten als sicher vor Ver­falschung gelten. DiesbezUglich wird eine bundesweite Infrastruktur fUr die Zuordnung der SignaturschlUssel zu natiirlichen Personen aufgebaut. Wenngleich dieser gesetzliche Ansatz begrUBenswert ist, so gibt es doch auch kritische Stimmen23 • Durch das Signa­turgesetz sollen Rahmenbedingungen fUr digitale Signaturen geschaffen werden, wobei die Anwendung anderer Verfahren freigestellt bleibt. Durch eine Zertifizierungsstelle

18 ZOller/Geimer, ZPO, 20. Auf!. 1997, § 416 Rdziff. 1. 19 Geis, NJW 1997,3000 (3001). 20 Erber-Faller, CR 1996, 375 (380); Heun, CR 1995,2 (3); RoBnagel, NJW 1998, 3312 (3313); RoBna­

gel, NJW-CoR 1994,96 (99); Rott, NJW-CoR 1998,420 (424); Stromer, Online-Recht, S. 91; Ham­mer, CR 1992,435 (438); DevilleIKalthegener, NJW-CoR 1997, 168 (172), Abel, MMR 1998,644 (645ff).

21 Statt vieler: DevilleIKalthegener, NJW-CoR 1997, 168 (172). 22 Geis, NJW 1997,3000 (3001). 23 Mertes, CR 1996,769 (771); Geis, NJW 1997,3000 (3002).

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wird das System der privaten und offentlichen Schliissel definiert. Der Schliissel, mit dem der Absender das digitale Dokument signieren kann, ist geheim zu halten (privat key) und auf einer Chipkarte so zu speichem, daB dieser privat key nicht gelesen werden kann. Allerdings ist der Schliissel zum PrUfen der Signatur wiederum offentlich (public key) und kann dariiber hinaus einem allgemein zugiinglichem Schliisselverzeichnis ent­nommen werden. Der Absender signiert nun eine Nachricht, indem an sie eine ver­schliisselte Kurzfassung angehiingt wird. Mit Hilfe des privat key kann diese Kurzfas­sung nun errechnet werden und bildet dann den Authentikator. Der Empfanger kann also mit Hilfe der Zusatzinformation aus der Signatur den offentlichen Schliissel des Absen­ders feststellen. Mit diesem offentlichen Schliissel wird der Authentikator entschliisselt. Stimmen dann beide Ergebnisse iiberein, dann ist das digitale Dokument unveriindert angekommen. Hingegen weist eine Fehlermeldung auf eine nachtragliche Veriinderung der Nachricht oder Signatur hin24. Zwar erscheint diese digitale Signatur zum einen si­cher; zum anderen ist aber der Aufwand, diese Sicherheit zu gewlihrleisten, immens. Dies gilt sicherlich zum einen fur den privat bzw. public key; zum anderen gilt dies aber sicherlich auch fUr die schliisselverwaltenden Instanzen, sog. Zertifizierungsstellen. Die­se Zertifizierungsstellen, bei denen die Vergabe der digitalen Schliissel liegt, werden durch eine Regulierungsbehorde lizenziert und kontrolliert, § 3 SigG. Insgesamt ist dem Signaturgesetz entgegen zu halten, daB es sich urn einen "gesetzgeberischen Torso" handelt25• Denn das Signaturgesetz verkniipft mit dem gesetzlichen Sicherheitsstandard eben keine Rechtsfolgen. Gerade dies ware aber vor dem Hintergrund der oben darge­stell ten prozeBrechtlichen Probleme wiinschenswert gewesen. Das digital signierte Do­kument wird weder der gesetzlichen Schriftform des BGB noch der Privaturkunde des § 416 ZPO gleichgestellt26•

Darnit ist der Weg fUr die Rechtsprechung frei, die vorangestellten Probleme in zwei grundsiitzlichen Richtungen zu entwickeln. Zum einen konnten Gerichte elektronische Erkliirungen, gleichviel ob digital oder nicht digital signiert, als formfreie Willenserklii­rungen ansehen, die nicht der gesetzlichen Schriftform entsprechen; damit wUrde die gleiche Entwicklung eintreten wie die Rechtsprechung zur Schriftform-Qualitat der Fo­tokopie bzw. Telefax27. Zum anderen tragt die digitale Erkliirung die Problematik des ungewissen Zugangs bei dem Empfanger in sich. Ob der gesetzliche Sicherheitsstandard des Signaturgesetzes dazu angetan ist, im Rahmen freier Beweiswiirdigung des Gerichts ein Indiz fUr Fiilschungssicherheit der Erkliirung und Authentizitiit des Urhebers darzu­stell en, bleibt abzuwarten.

Urn iiberdies noch ein hoheres MaB an Rechtssicherheit zu erlangen und die mit einer elektronischen Erkliirung verbundenen Rechtsrisiken zu reduzieren, wird mitunter der EDI (electronic data interchange) Agreement der AWV - Arbeitsgemeinschaft fUr wirt­schaftliche Verwaltung - in Bezug genommen. In § 10 des AWV-Mustervertrages heiBt es, daB elektronische Urkunden die gleiche Beweiskraft haben wie schriftliche Urkun­den und sich die unterzeichnenden Parteien sich gleichzeitig verpflichten, die Beweis­kraft von elektronischen Dokumenten oder elektronischen Urkunden weder schiedsge-

24 Geis, NJW 1997,3000 (3001). 25 Geis, NJW 1997,3000 (3002). 26 Mertes, CR 1996,769 (771); zu der Sicherheit digitaler Signaturen und ihrem Beweiswert vgl. auch

RoBnagel, NJW 1998,3312 (3313 ff.); TaupitzlKritter, JuS 1999,839 (845). 27 BGH NJW 1992, 829 (830); BGH NJW 1993, 1126 (1127); vgl. auch Pape/Notthoff, NJW 1996,

417ff. mit weiteren Hinweisen zur Rechtsprechung.

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richtlich noch gerichtlich oder auBergerichtlich zu bestreiten. Wenngleich ein solcher Ansatz sicherlich einiges fur sich hat, so wird doch durch diesen A WV -Vorschlag der Versuch unternommen, elektronischen Urkunden die g1eiche Beweiskraft zu vermitteln, wie schriftlichen Urkunden. Indessen ist auch in diesem Zusammenhang auf die Beden­ken hinzuweisen, die bereits diesbeziiglich in der Literatur geauBert wurden. Denn in einem ordentlichen Zivilgerichtsverfahren ist der Richter nicht an eine derartige Verein­barung der Parteien, sondern vielmehr an die ZivilprozeBordnung (ZPO) gebunden; die einschlagigen Regelungen der ZPO sehen bestimmte Beweismittel, wie Sachverstiindi­ge, Augenschein, Urkunden, Zeugen- und Parteivernehmung vor und verlangt z. B. fur die UrkundsquaIitat Verkorperung der Gedankenerklarung. Eine derartige gesetzliche Vorschrift kann nach hiesigem Dafiirhalten nicht durch eine vertragliche Vereinbarung der Parteien abbedungen werden28; etwas anderes wUrde nur im Schiedsverfahren gelten.

Uberdies sei darauf hingewiesen, daB unter dem 13.05.1998 die EU-Kommission ihren Vorschlag fUr eine "Richtlinie des Europaischen Parlaments und des Rates iiber gemein­same Rahmenbedingungen fur elektronische Signaturen". beschlossen hat29• Dieser Richtlinienvorschlag verfolgt das Ziel, das reibungslose Funktionieren des Binnenmark­tes im Bereich elektronischer Signaturen "zu gewahrleisten". Zu diesem Zweck sollen harmonisierte rechtliche Rahmenbedingungen fur den Einsatz elektronischer Signaturen in der EU geschaffen und Kriterien festgelegt werden, die die Grundlage fur die rechtli­che Anerkennung elektronischer Signaturen darstellt.30

Zusammenfassend bleibt festzuhaIten, daB zwar - aus akademischer Sicht - der VertragsschluB via Internet keinerlei Probleme bereitet. Allein in praktischer Hinsicht erscheint nach Meinung des Verfassers der digitaIe Vertrag derzeit nicht aIs erstrebens­wert, zumindest so lange nicht, bis eindeutige prozeBrechtliche Grundlagen geschaffen wurden, eine elektronische Erklarung einer ganz bestimmten Person zuzuordnen und den AbschluB eines solchen Vertrages auf der Grundlage des geltenden ProzeBrechts beweisen zu konnen.

3.2. Einbeziehung von Allgemeinen Geschaftsbedingungen (AGB)

FUr Virtuelle Unternehmen ist es insbesondere von Bedeutung, daB deren AGB Bestand des Vertrages werden. Denn - wie bereits dargestellt - handelt es sich bei Virtuellen Un­ternehmen um ein Verbundsystem von verschiedenen anderen Unternehmen zur Errei­chung eines bestimmten Zwecks und mit der MaBgabe, sich nach Erreichung des Ziels wieder auseinanderzudividieren. Vor diesem Hintergrund muB es daher fur ein Virtuel­les Unternehmen von besonderer Bedeutung sein, daB speziell fUr die Erreichung dieses Zwecks und zur Nutzung dieser Marktchance erstellte Geschaftsbedingungen Vertrags­gegenstand werden. Allgemeine Geschiiftsbedingungen sind aIle fiir eine Vielzahl von Vertragen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen bei VertragsschluB stellt, vgl. § 1 Abs. 1 AGB-Gesetz. Voraussetzung der Einbeziehung von AGB in den Vertrag ist, daB beide Vertragsparteien mit deren Gel­tung einverstanden sind. Werden sie gegeniiber Nichtkaufleuten verwendet, miiBten dariiber hinaus die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Ziff. 1, 2 AGB-Gesetz erfiillt sein.

28 Ebenso Hoeren, CR 1995,513 (515); Geis, NJW 1997, 3000 (3003). 29 KOM (1998) 289 end.; http://www.ispo.ces.weleiflpolicy/97503toc.htrnI. 30 RoBnagel, MMR 1998 (Heft 6), V; ebenso zum Entwurf einer Richtlinie zur digitalen Signatur: Geis,

MMR 1998 (Heft 6), VII.

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180 BERND ROHLFING

Das bedeutet, daB der Verwender in der Regel den Vertragspartner bei VertragsschluB ausdriicklich auf die AGB hinzuweisen hat und ihm die Moglichkeit zu verschaffen hat, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen.

Der Hinweis des Verwenders auf die AGB ist lediglich dann ausdriicklich im Sinne der vorgenannten Vorschrift, wenn er so angeordnet und gestaltet ist, daB er von einem Durchschnittskunden auch bei flUchtiger Betrachtung nicht Ubersehen werden kann31 •

Des weiteren muB fUr den Kunden unmiBverstlindlich und klar erkennbar zum Ausdruck gebracht worden sein, we1che Klauseln Vertragsinhalt werden sollen und daB der Ver­wender den Vertrag nur auf der Grundlage der AGB schlieBen Will32. Selbst dann, wenn man davon ausgeht, daB das Angebot zum VertragsschluB von dem Kunden ausgeht, ist ein Hinweis auf die AGB des Verwenders erforderlich33• Diese AGB sind jedoch nur dann Bestandteil seines Angebotes, wenn er sich den Hinweis des Verwenders zu eigen macht, indem er die AGB ausdriicklich in seine Willenserklarung einbezieht34• Wenn das Angebot keine weitere Bezugnahme enthiilt und der Untemehmer das Angebot ohne weitere Erklarung seinerseits annimmt, kommt der Vertrag ohne die AGB zustande. Will der Untemehmer den Vertrag gerade nicht ohne seine AGB abschlieBen, verbleibt ihm lediglich die Moglichkeit, den Antrag unter Hinweis auf seine AGB anzunehmen. Dabei handelt es sich dann zwar urn ein neues Angebot, § 150 Abs. 2 BGB. Mit diesem neuen Angebot kann der Kunde sein Einverstandnis erkliiren, wobei ein Schweigen in­soweit bekanntermaBen nicht ausreichfs. Wenn der Kunde nunmehr sein Angebot durch ein Auftragsformular auf der jeweiligen Web-Seite des Untemehmers abgibt, ist es nach in der Literatur vertretener Ansicht ausreichend, daB dort ein deutlicher Hinweis auf die AGB integriert ist; darnit werden die AGB zwingend Bestandteil des Angebots36• Wenn der Kunde seinen Antrag durch e-mail ohne Bezugnahme auf die AGB Ubermittelt, bleibt dem Untemehmer nur die Moglichkeit, den oben beschriebenen umstlindlichen Weg im Wege eines neuen Angebotes zu gehen oder aber auf die Einbeziehung seiner AGB zu verzichten. Kommt ein VertragsschluB ohne die jeweiligen AGB zustande, so konnen die Parteien eine nachtragliche Veranderungsvereinbarung unter Berlicksichti­gung der dann gliltigen AGB zum Vertragsinhalt machen. Es sei noch darauf hingewie­sen, daB die AGB so gestaltet sein mUssen, daB der Kunde "bei VertragsschluB", d. h. bei Abgabe seiner Willenserklarung, darauf aufmerksam wird. Das wiederum bedeutet, daB es wohl unzureichend sein dUrfte; den Hinweis auf die AGB lediglich auf der Ho­mepage zu plazieren. Vielmehr sollte dieser Hinweis direkt in das Auftragsformular aufgenommen werden oder aber dem Bestell-Icon unmittelbar vorangestellt werden37•

Wie bereits oben dargestellt, muB der Verwender von AGB dem Kunden die Moglich­keit geben, in zumutbarer Weise von dem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Diese Kenntnis-

31 BGH NJW-RR 1987, 113 (113); im Ubrigen auch OLG Koln, NJW-RR 1998, 1277 = CR 1998,244 (245), wonach die Einbeziehung yon AGB durch Btx geschlossenen Vertrag moglich ist.

32 UlmerlBrandnerlHensen, AGB-Gesetz, 8. Auf!. 1997, § 2 Rdziff. 24; PalandtIHeinrichs, AGB-Gesetz, 59. Auf!. 2000, § 2 Rdziff. 5.

33 BGH NJW 1988,2106 (2108); Koehler, MMR 1998,289 (290). 34 UlmerlBrandnerlHensen, AGB-Gesetz, 8. Auf!. 1997, § 2 Rdziff. 35 a; WolfIHornILindacher, AGB­

Gesetz, 3. Auf!. 1994, § 2 Rdziff. 12; Brinkmann BB 1981, 1183 (1189); Koehler MMR 1998, 289 (290); Lachmann, NJW 1984,405 (408).

3S PalandtIHeinrichs, AGB-Gesetz, 59. Auf!. 2000, § 2 Rdziff. 16; UlmerlBrandnerlHensen, AGB­Gesetz, 8. Auf!. 1997, § 2 Rdziff. 30.

36 UlmerlBrandnerlHensen, AGB-Gesetz, 8. Auf!. 1997, § 2 Rdziff. 35 a. 37 Kohler, NJW 1998, 185 (189); Ernst, JuS 1997,776 (777); Koehler, MMR 1998,289 (291).

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RECHTLICHE PROBLEME BEl VIRTUEllEN UN1ERNEHMEN 181

nahme ist bei Vertragsschliissen via Internet zumindestens immer dann moglich, wenn sie auf einer Web-Seite des Verwenders aorufbar sind oder dem Kunden in einem Kata­log bzw. Prospekt vollstandig abgedruckt vorliegen. Indessen ist darauf hinzuweisen, daB ein Abdruck der AGB vollstandig auf der gleichen Textseite wie das jeweilige An­gebot weder erforderlich noch - bei online-Katalogen - praxisgerecht erscheint. Ein Ab­druck auf dem online-Bestellformular ist zumindestens dann sicherlich nicht erforder­lich, sofern dort ein direkter link zu einer eigenen Seite mit den AGB vorhanden ise8•

Letzlich bleibt jedoch entscheidend, daB die Moglichkeit der Kenntnisnahme stets vor­aussetzt, daB der Kunde die AGB bei Abgabe seiner Willenserkliirung tatsachlich einzu­sehen in der Lage ist. Die Beweislast dafiir trifft im Zweifelsfall den Verwender, wenn er sich auf die AGB beruft39.

Streng davon zu unterscheiden ist allerdings die Frage, was dem Kunden jeweils zumut­bar ist. Die Zumutbarkeit ist streng von der Moglichkeit der Kenntnisnahme zu unter­scheiden. Grundsatzlich richtet sich die Zumutbarkeit nach den Bediirfnissen des betei­ligten Kundenkreis und nach den Umstanden bei VertragsschluB4O• Dabei miissen die Erfordernisse der miihelosen Lesbarkeit, des MindestmaBes an Ubersichtlichkeit und des im Verhiiltnis zur Vertragsbedeutung vertretbaren Umfangs gegeben sein41. Dies hatten bereits einige Gerichte in den Fallen von Vertragsschliissen via Bildschirmtext festgestellt42. Bei Fragen der Einbeziehung von AGB per Internet ist allerdings zu be­rucksichtigen, daB auch umfangreichere AGB nach hiesigem Dafiirhalten dergestalt zu­mutbar zur Kenntnis genommen werden konnen, indem entsprechende Vertragsbedin­gungen heruntergeladen und ausgedruckt werden konnen43.

AbschlieBend sei angemerkt, daB der Kunde sein Einverstandnis bzgl. der Einbeziehung der AGB dadurch zum Ausdruck bringt, daB er seine Willenserkliirung per e-mail oder mittels vorformulierter Auftragserkliirung auf einer Web-Seite des Verwenders iibermit­telt.

3.3. Vertragsstatut bei internationalem Privatrecht

Insbesondere bei Vertragsabschliissen via Internet bzw. auch im Zusarnmenhang mit der Frage der Einbeziehung von AGB wird einmal mehr die Frage zu erortern sein, welches Recht Anwendung findet. Denn:

Bei weltweit tatigen Virtuellen Unternehmen werden solche Vertrage haufiger auftreten, bei denen ein Vertragspartner seinen Sitz beispielsweise in den USA und der andere Vertragspartner seinen Sitz in z. B. Deutschland hat. Bei einer derartigen Konstellation wird einmal mehr kliirungsbediirftig sein, welchem Recht der Vertrag unterliegt und welche Vorkehrungen beispielsweise der Verwender von bestimmten AGB bei Sprach-

38 Ernst, BB 1997, 1057 (1057); Bachmann, in: Lehmann (Hrsg.), Internet- und Multimediarecht (Cyber­law), S. 169 (174); TaupitzlKritter, JuS 1999,839 (844).

39 UlmerlBrandnerlHensen, AGB-Gesetz, 8. Aufl. 1997, § 2 Rdziff. 66; PalandtIHeinrichs, AGB-Gesetz, 59. Aufl. 2000, § 2 Rdziff. 4; Koehler, MMR 1998,289 (291).

40 LG Freiburg, NJW-RR 1992, 1018 (1018); WolfIHornlLindacher, AGB-Gesetz, 3. Aufl. 1994, § 2, Rdziff.30.

41 Ernst, BB 1997, 1057 (1057). 42 LG Aachen, NJW 1991,2159 (2160); LG Bielefeld, NJW-RR 1992,955 (955); LG Freiburg, NJW­

RR 1992, 1018 (l018). 43 Koehler, MMR 1998,289 (292); Ernst, BB 1997, 1057 (1058).

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verschiedenheit des Kunden zu treffen hat. Fiir intemationale Warenkaufe und Werklie­ferungsvertrlige gilt primlir das UN-Kaufrechtsiibereinkommen (CISG, Art. 1, 3) und dariiber hinaus subsidilir intemationales Privatrecht, vgl. Art. 3 Abs. 2 Satz 1 EGBGB44•

Soweit das UN-Kaufrecht in Art. 14 ff. CISG die formellen Voraussetzungen des Ver­tragsschlusses regelt, bleibt die Anwendung nationalen Rechts ausgeschlossen4S. Indes­sen ist auf folgende Differenzierung hinzuweisen. Fiir die Anwendung des CISG kommt es zwar nicht auf die Kaufmannseigenschaft der Vertragsparteien an. Nach naberer Ma6gabe des Art. 2 a CISG unterfallen jedoch solche Geschafte, welche sich auf Waren fUr den persijnlichen Gebrauch und den Gebrauch in der Familie beziehen, nicht dem CISG, wenn dies fUr den Verkliufer erkennbar war. Das wiederum bedeutet, daS fUr die typischen Verbrauchervertrage in der Regel das EGBGB gilt"'. Dies solI nachfolgend weiter beleuchtet werden.

Die Parteien kijnnen das fUr einen schuldrechtlichen Vertrag maBgebende Recht (das Vertragsstatut) selbst bestimmen. Haben die Vertragsparteien eine solche Vereinbarung weder ausdriicklich noch stillschweigend getroffen, so unterliegt der Vertrag dem Recht desjenigen Staates, zu welchem der Vertrag die engste Verbindung aufweist, vgl. Art. 28 Abs. 1 S. 2 EGBGB.

Nach MaBgabe des Art. 27 Abs. 4 bzw. Art. 31 Abs. 1 EGBGB wird das Zustandekom­men und die Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung nach dem gewablten Recht be­stimmt. Dies gilt im iibrigen auch, wenn die Rechtswahl auf einer AGB-Klausel be­ruht47• Von einer lediglich stillschweigenden Vereinbarung des Rechts, welches der die AGB verwendende Staat zugrunde legt, ist dann auszugehen, wenn der auslandische Kunde die AGB billigt, indem er seine Willenserklarung mittels eines Formulars des Verwenders abgibtB. Das wiederum bedeutet, daS deutsches Recht Anwendung finden kann, wenn ein auslandischer Kunde die vorformulierte Auftragserklarung auf einer Web-Seite des deutschen Untemehmers ausfUllt.

Sollten die Vertragsparteien keine bestimmte Rechtswahl vorgenommen haben, so gilt nach MaBgabe des Art. 28 Abs. 2 EGBGB das Recht desjenigen Staates, in welchem die Partei, welche die charakteristische Leistung erbringt, zur Zeit des Vertragsschlusses ihren gewijhnlichen AufenthaltIHauptsitzlNiederlassung hat. Daraus wiederum folgt, daS dann in der Regel das Recht des Untemehmers anzuwenden ist, da die Geldleistung regelmiiBig nicht den Charakter eines Vertrages bestimm~9.

Besonderheiten sind bei Verbrauchervertrligen zu beriicksichtigen. Verbrauchervertrage sind im wesentlichen solche, die die Lieferung beweglicher Sac hen oder aber die

44 Basedow in: Miinchner Kommentar, 3. Aufl. 1997, AGB-Gesetz, § 12 Rdziff. 1. 45 Basedow in: Miinchner Kommentar, 3. Aufl. 1997, AGB-Gesetz, § 12 Rdziff. 1. 46 Koehler, MMR 1998,289 (292). 47 Miiller/Otto, Allgemeine Geschliftsbedingungen im internationalen Wirtschaftsverkehr, 1994, S. 106,

120; Koehler, MMR 1998,289 (292). 48 OLG Hamm, NJW 1983,523 (524); U1rnerlBrandner/Hensen, AGB-Gesetz, 8. Aufl. 1997, § 2 Rdziff.

3; PalandtIHeldrich, BGBGB, 59. Aufl. 2000, Art. 27, Rdziff. 6; Martiny in: Miinchner Kommentar, 3. Aufl. 1998, BGBGB, Art. 27 Rdziff. 50.

49 Miiller/Otto, Allgemeine Geschliftsbedingungen im internationalen Wirtschaftsverkehr, 1994, S. 114; Basedow in: Miinchner Kommentar, 3. Aufl. 1997, AGB-Gesetz, § 12 Rdziff. 1.; zu dieser Problerna­tik auch Borges, ZIP 1999, 565 (566 ff.); Spindler, MMR 2000, 18 ff.

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Erbringungen von Dienstleistungen zu privaten Zwecken zum Gegenstand haben.50 Grundsatzlich ist zwar auch bei Verbrauchervertragen eine Rechtswahl moglich; diese schlieBt jedoch die zwingenden Rechtsvorschriften des gewohnlichen Aufenthaltsorts des Verbrauchers nicht aus, wenn der Verkaufer an diesem Ort Kunden geworben oder ein ausdriickliches Angebot abgegeben hat und wenn der Verbraucher die zum VertragsschluB erforderlichen Rechtshandlungen dort vorgenommen hat, Art. 29 Abs. 1 Ziff. 1 EGBGB. Daraus ist bei z. B. einem VertragsschluB via Internet zu schluBfolgern, daB das Vertragsangebot oder z. B. die Homepage auf dem Netz in dem Staat des Verbrauchers abrufbar war und auch dort abrufbar gewesen sein soBte. Der Verbraucher muB anschlieBend dort seine Angebots- oder Annahmeerklarung in das Netz eingegeben haben.51 An dieser Stelle sei erganzt, daB seit dem 01.01.1991 auch fur Deutschland das Wiener UN-Kaufrecht52 in Kraft getreten ist. Dieses UN-Kaufrecht wird anwendbar, wenn die Parteien ihre Niederlassungen in verschiedenen Vertragsstaaten haben oder wenn sie ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben und die Regeln des interna­tionalen Privatrechts zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaats fiihren, wobei die Staatsangehorigkeit der Parteien, deren Kaufmannseigenschaft oder die zivil- oder han­delsrechtliche Einordnung des Vertrages irrelevant ist. Indessen wird das UN-Kaufrecht nicht zur Anwendung gelangen, wenn die Waren zu personlichen, familiaren oder haus­haltlichen Zwecken erworben werden und der Verkaufer davon Kenntnis hatte oder hat­te erlangen konnen. Die Anwendung des UN-Kaufrechts ist im iibrigen auch davon ab­hangig, ob Waren verkauft werden. Dies wird sicherlich nicht in Zweifel zu ziehen sein, wenn sich lediglich der VertragsschluB iiber das Internet vollzieht und die tatsachliche Leistung in Form der Lieferung einer beweglichen Sache auBerhalb des Internets er­bracht wird.53 Die Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts wird allerdings dann problema­tisch, wenn sich die Leistung selbst im Internet vollzieht. Denn die Ware wird in erster Linie als beweglicher korperlicher Gegenstand definiert. Zwar werden auch Computer­programme als Ware verstanden, die auf Datentragern speicherbar sind, unabhangig davon, ob der Datentrager mit verauBert wurde oder nicht.54 Wenn allerdings lediglich elektronische Informationen iiber das Netz iiberrnitte1t werden, ist das UN-Kaufrecht nicht anzuwenden; dies ist vor allem dann gegeben, wenn Software digital iiberrnittelt wird. Fiir die Bereiche, in denen indessen virtuelle Unternehrnen im Internet ihr Produkt dem Verbraucher anbieten und dann ein Vertrag mit diesem Verbraucher geschlossen wird und auf der Grundlage dieses Vertrages dann dem Verbraucher ein Produkt iiber­mittelt wird, empfiehlt es sich ggf. aus der Sicht des Virtuellen Unternehmens, die An­wendbarkeit des UN-Kaufrechts auszuschlieBen. Denn das UN-Kaufrecht operiert in seinen zentralen Vorschriften mit dem eher unbestimmten Rechtsbegriff der "wesentli­chen Vertragsverletzung". Diese "wesentliche Vertragsverletzung" ist in dem UN­Kaufrecht nicht naher definiert und fiihrt naturgemaB zu Auslegungsschwierigkeiten und damit auch zu Rechtsunsicherheiten.

AbschlieBend sei insbesondere im Hinblick auf die Einbeziehung von AGB darauf hin­gewiesen, daB der Hinweis auf die jeweiligen AGB bzw. der AGB-Text in der Sprache verfaBt sein sollte, der sich beide Vertragspartner bedienen55•

50 Bachmann in: Lehmann. Internet- und Multimediarecht (Cyberlaw). 1997. s. 169 (176). 51 Bachmann in: Lehmann. Internet- und Multimediarecht (Cyberlaw). 1997. S. 169 (177). 52 Wiener UN-Ubereinkommen fiber Vertriige fiber den internationalen Warenkauf vom 11.04.1980.

BOBI1989 II. S. 588 ff. 53 Bachmann in: Lehmann. Internet- und Multimediarecht (Cyberlaw). 1997. S. 169 (178). 54 Bachmann in: Lehmann. Internet- und Multimediarecht (Cyberlaw). 1997. S. 169 (178). 55 Koehler. MMR 1998.289 (293).

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4. Haftungsrechtliche Probleme bei Virtuellen Unternehmen

Virtuelle Untemehmen haften wie jede andere Rechtspersonlichkeit auch, d. h. die Haf­tung kann zum einen auf vertraglicher Grundlage und zum anderen auf auBervertragli­chen Grundlagen bestehen. Letzteres bedeutet, daB Virtuelle Untemehmen insbesondere fUr unerlaubte Handlungen (§§ 823 ff. BGB) haften, und zwar dann, wenn sie die in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsgtiter vorsatzlich oder fahrlassig verletzen und da­durch einen Schaden verursachen. Da dies aber nach hiesigem Dafiirhalten wohl eher unwahrscheinlich sein diirfte (§ 823 Abs. 1 BGB schiitzt nur absolute Rechtsgiiter, nicht jedoch das Vermogen), soIl dieser Aspekt nicht naher beleuchtet werden. Ebensowenig wird die verschuldensabhangige Produkthaftung im Intemet betrachtet.56 Desweiteren sollen an dieser Stelle keine haftungsrechtliche Probleme erortert werden, die durch Anspriiche entstehen, welche einem Virtuellen Untemehmen gegen seinen Vertrags­partner zustehen; denn derartige Anspriiche unterliegen wohl keinen rechtlichen Beson­derheiten. Vielmehr diirften die haftungsrechtlichen Probleme im Zusarnmenhang mit Virtuellen Untemehmen in deren rechtlichen Strukturen zu suchen sein. Es wurde be­reits ausgefiihrt, daB ein Virtuelles Untemehmen tendenziell nur auf eine bestimmte Dauer angelegt ist und regelmaBig ein ZusarnmenschluB verschiedener anderer Unter­nehmen ist und sich als Gesellschaft bUrgerlichen Rechts darstellt. Jedes einzelne Un­temehmen bringt sich in das Virtuelle Untemehmen ein, um den gemeinsamen Zweck zu fOrdem und liefert dafiir einen bestimmten Anteil. Das Produkt, um das es in alle­rerster Linie geht, ist also die Summe verschiedener Einzelanteile, die jeweils von den einzelnen Gesellschaftem dieser Gesellschaft biirgerlichen Rechts zur Verfiigung ge­stellt wird. NaturgemaB besteht daher ein gewisses Eigeninteresse der einzelnen Gesell­schafter, nur fiir seinen jeweils zur Verfiigung gestellten Anteil auch haften zu wollen. Dies steht jedoch diametral im Gegensatz zu der Rechtswirklichkeit, nach der bei einer Gesellschaft biirgerlichen Rechts jeder Gesellschafter personlich und unbeschrankt haf­tet. Ubertragen auf Virtuelle Untemehmen bedeutet der Grundsatz der personlichen und unbeschrankten Haftung der einzelnen Gesellschafter, daB jeder vollumfanglich fiir die Qualitat des angebotenen Produkts zu haften hat. Nunmehr stellt sich die Frage, ob Vir­tuelle Untemehmen in der Lage sind, ihren Interessen Rechnung zu tragen, wenn ein Vertrag iiber die Errichtung eines Virtuellen Untemehmens geschlossen wird. Darnit konzentriert sich die Problematik auf die Frage, ob und inwieweit eine Haftungsbe­schrankung bei einer Untemehmer-GbR moglich ist.

Auszugehen ist zunachst einmal der Theorie von der sogenannten Doppelverpflichtung. Danach begriinden die Geschaftsfiihrer beim Handeln namens der Gesellschaft nicht nur eine Haftung der Gesamthand (mit dem Gesellschaftsvermogen), sondem daneben grundsatzlich auch eine solche der Gesellschafter personlich (mit ihrem Privatvermo­gen).57 Die personliche Haftung ist also der gesetzliche Regelfall. Haftungsbeschran­kungen auf das Gesellschaftsvermogen in Form ausdriicklich mit dem GIaubiger verein­barter oder aber im Gesellschaftsvertrag verankerter Regelungen sind indessen zulas­sig.58 FUr derartige Haftungsbeschrankungen wird indessen das Merkmal der Eindeutig-

56 S. dazu Spindler, MMR 1998,23 ff. 57 BGHZ 74, 240 (241) = NJW 1979, 1821 (1821); BGHZ 79, 374 (377) = NJW 1981, 1213 (1213) =

ZIP 1980,289 (290); Ulmer in: Miinchener Kommentar, 3. Aufl. 1994, § 714 Rdziff. 26; OLG Jena, NJW-RR 1998, 1493 (1494).

58 Wellkamp, NJW 1993,2715 (2716); BGH Z 113,216 (219) = NJW 1991,922; BGH ZIP 1990,715 (716).

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keit und der Erkennbarkeit fur den Geschaftspartner gefordert. Eine bloBe, fUr den Ver­tragspartner nicht erkennbare Klausel im Gesellschaftsvertrag, mit welcher die Haftung auf das Gesellschaftsvermogen oder die Vollmacht der vertretungsberechtigten Gesell­schafter dahingehend begrenzt wird, daB nur Verpflichtungen mit einer auf das Gesell­schaftsvermogen beschrankten Haftung eingegangen werden dtirfen, ist allein nicht ge­eignet, die Haftung zu begrenzen. Vielmehr muB diese Beschriinkung auch dem Gesell­schaftsgUiubiger gegeniiber erkennbar zum Ausdruck kommen.S9

Teilweise ist die Praxis dazu iibergegangen, die Gesellschaftsform der Gesellschaft biir­gerlichen Rechts mit dem Zusatz "mbH", also "mit beschrankter Haftung" zu versehen. Ein derartiger Hinweis ist nach MaBgabe des § 4 Abs. 2 GmbH-Gesetz ausdriicklich fUr die GmbH vorgeschrieben. Eine "GbRmbH" ist indessen noch keine im Rechtsverkehr anerkannte Rechtsfigur.60 Auch wenn einer GbR grundsatzlich als AusfluB der Privatau­tonomie zugestanden wird, ihre Haftung auf das Gesellschaftsvermogen zu beschranken, kann sich daraus kein Freibrief fUr die GbR ergeben, durch Anhangen der auf die be­schrankte Haftung deutenden Buchstaben mbH an die GbR die personliche Haftung der Gesellschafter zu beschriinken. Der Rechtsverkehr ist mit dieser Konstruktion nicht ver­traut. Er weiB nicht, was sich hinter dieser Bezeichnung verbirgt. Auch wenn das Kiirzel "mbH" zunachst eine Haftungsbeschriinkung zum Ausdruck bringen solI, gibt es inso­weit keinerlei Vorschriften dariiber. Eine derartige Beschriinkung ist auch nicht in ein offentliches Register eintragbat1• Mit dieser gewlihlten Bezeichnung wird bei Teilen der Verkehrskreise, die die Abkiirzung "GbR" zutreffend einer BGB-Gesellschaft zuordnen, der Eindruck erweckt, es werde darnit ein (neuer) Gesellschaftstyp bezeichnet, der -lihnlich wie die bekannten Kapitalgesellschaften - als juristische Person am Geschafts­verkehr teilnehme. Eine GbR hat jedoch keine eigenen Rechtspersonlichkeit, die als Haftungsschuldner herangezogen werden kann. Die Abkiirzung "GbR mbH" ware also insoweit irrefUhrend (und wiirde gegen § 3 UWG verstoBen), da nicht die Haftung der Gesellschaft, sondem letztlich die personliche Haftung der Gesellschafter beschrankt werden soll.62

Bei Virtuellen Untemehmen wird die GbR regelmaBig eine Erwerbsgesellschaft sein, die im Geschaftsverkehr aufgrund des Gesellschaftszwecks mit einem kaufmannischen Handelsgewerbe, bei der die personliche Haftung zumindest nicht fur alle Gesellschafter ausgeschlossen werden kann, auftritt. Daraus wiederum ist zu schluBfolgem, daB an die Erkennbarkeit einer evtl. Haftungsbeschrankung weitergehende Anforderungen zu stel­len sind, als z. B. bei Bauherrengesellschaften, die in der Rechtsform der GbR betrieben werden.63 MaBgeblich fUr die Erkennbarkeit ist dabei im Einzelfall nicht nur die Ausges­taltung der beteiligten GbR, sondem insbesondere auch der jeweilige Vertragsgegens­tand. Daraus wiederum wird zum Teil in der Rechtsprechung gefordert, daB das bloBe KiirzeI "mbH" ausgeschrieben sein muB oder aber der ausdriickliche Hinweis "Haftung beschrankt auf das Gesellschaftsvermogen" zu erfoIgen hat. Erst ein derartiger weitge-

S9 BGH NJW 1992,3037 (3093); BGHZ 1l3, 216 (219); BGH ZIP 1990,715 (716); UIrner in: Mllnche­ner Kommentar, 3. Aufl. 1997, § 714 Rdziff. 38.

60 OLG Jena, NJW-RR 1998, 1493 (1494); OLG MUnchen, NJW-RR 1998, 1728 (1728); so jetzt auch BGH, NJW 1999,3483 (3484).

61 OLG Jena, NJW-RR 1998, 1493 (1494). 62 OLG MUnchen, NJW-RR 1998,172811728. 63 OLG Jena, NJW-RR 1998, 1493 (1494).

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heneier oder deutlicherer Hinweis auf die Haftungsbeschrankung kijnnte dann auch eine Informationsobliegenheit des jeweiligen Vertragspartners auslijsen.64

1m Fall der Unternehmer-BGB-Gesellschaft geht die Rechtsscheinhaftung Uber die so­genannte Duldungs- und Anscheinsvollmacht hinaus; sie beruht auf dem Gedanken der unternehmensrechtlichen Anscheinsvollmacht, die das Vertrauen in die Normalgestal­tung des Gesellschaftstyps bei alltiiglichen Geschiiften schUtzt.6S Ausgehend von der Regelung in § 714 BGB gilt daher die Vermutung der Einzelvertretungsbefugnis und unbeschriinkten Haftung der Vertretenen. Es obliegt nun den jeweiligen vertretenen Ge­sellschaftern, diesen Rechtsschein durch geeignete Ma8nahmen zu zerstijren, insbeson­dere eine deutliche Namensgestaltung herbeizuft1hren, wenn die Haftungsbeschrankung auf diesem Wege erkennbar gemacht werden sol1.156

Daraus wiederum muB fUr Virtuelle Unternehmen die SchluBfolgerung gezogen werden, daB sie nicht nur in ihrem Gesellschaftsvertrag einen entsprechenden Passus vereinba­ren, in welchem die Haftungsbeschriinkllng vorgesehen ist. Vielmehr wird ein Virtuelles Unternehmen auch diese Haftungsbeschrankung in ihfem Namenszusatz erkennbar zu fUhren haben und wird in den entsprechenden Vertriigen mit ihren Geschiiftspartnern auf diese Haftungsbeschriinkung erkennbar hinzuweisen haben, wenn dieses Virtuelle Un­ternehmen denn von einer Haftungsbeschriinkung profitieren will.

5. Aspekte des Telearbeitsrechts

Die sich fUr eine begrenzte Zeit zu virtuellen Unternehmen zusammenschlie6enden Un­ternehmungen, Institionen und Personen, bedUrfen zur Erledigung ihrer Aufgaben und der verschiedensten Fragestellungen ihrerseits Mitarbeiter. Aufgrund der besonderen Konstellation und Struktur von Virtuellen Unternehmen ist davon auszugehen, daB diese Mitarbeiter nicht unbedingt "unter einem Dach" untergebracht sind. Vielmehr werden sich Virtuelle Unternehmen bzw. deren Mitarbeiter die VorzUge des Internet zunutze machen, so daB es dann naheliegt, den Status dieser Mitarbeiter niiher zu beleuchten. Wir befinden uns dann in dem Bereich, den die Rechtsliteratur als Telearbeitsrecht be­schreibt (s. dazu Ziff. 5.2.). Bevor jedoch die Einzelfragen zum Bereich Telearbeitsrecht erfutert werden, muB denklogisch noch zu einem anderen Punkt vertiefend Stellung ge­nommen werden, und zwar dem der ArbeitnehmerUberlassung nach dem Arbeitnehmer­Uberlassungsgesetz (AUG) (s. dazu Ziff. 5.1.).

5.1. Problematik der Arbeitnehmeriiberlassung

Virtuelle Unternehmen sind ein Netzwerk von mehreren einzelnen Betrieben, die sich in Gestalt einer Gesellschaft des bUrgerlichen Rechts - meist fUr eine bestimmte Zeit -zusammenschlie6en. Diese einzelnen Betriebe wiederum werden in der Regel bereits Arbeitnehmer bzw. entsprechende Arbeitsverhiiltnisse vorweisen kijnnen. Dies trifft jedoch nicht per se fUr das Virtuelle Unternehmen selbst zu. In dem Moment, in wel­chern mehrere Betriebe sich zu einem Virtuellen Unternehmen zusammenschlieBen, bilden sie eine Gesellschaft des bUrgerlichen Rechts. Da davon auszugehen sein dUrfte,

64 OLG Jena, NJW-RR 1998, 1493 (1494). 6S Ulmer in: MUnchener Kommentar, 3. Auf). 1997, § 714 Rdziff. 36. 156 OLG Jena, NJW-RR 1998, 1493 (1494).

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daB der einzelne "Gesellschafter", also jedes einzelne Untemehmen, seinen urspriingli­chen Geschiiftsbetrieb nicht aufgeben wird, findet auch in dem Sinn kein Betriebsiiber­gang im Sinne des § 613a BGB statt. Fraglich bleibt jedoch, auf welchem Wege jedes einzelne Untemehmen sein Know-how in das Virtuelle Untemehmen einzubringen in der Lage ist. Nach Erachtens des Verfassers kann dies nur dergestalt geschehen, daB jedes einzelne Gesellschafter-Untemehmen entsprechendes Know-how durch seine Ar­beitnehmer in das Virtuelle Untemehmen einbringt. Betriebswirtschaftlich ist dies ohne weiteres nachvollziehbar. luristisch wirft dies allerdings folgendes Problem auf:

Wenn ein ArbeitsverhaItnis zwischen einem Arbeitnehmer und einem Arbeitgeber be­steht, so ist der Arbeitgeber in dem Moment, in welchem er die Arbeitskraft "seines" Arbeitnehmers einem anderen Betrieb (hier: Virtuelles Untemehmen) zur Verfiigung stellt, den Beschriinkungen des Abeitnehmeriiberlassungsgesetzes (AUG) unterworfen.

Nach MaBgabe des § 1 Abs. 1 S. 1 AUG bediirfen Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihem) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) gewerbsmiiBig zur Arbeitsleistung iiber­lassen wollen, der Erlaubnis. Daraus wiederum folgt, daB - sofem die Arbeitnehmer­iiberlassung gewerbsmiiBig erfolgt - diese grundsiitzlich unter eine Erlaubnispflicht ge­stellt ist. Die Erlaubnis wiederum ist in § 2 AUG geregelt und ist zuniichst auf ein lahr zu befristen, vgl. § 4 Abs. 2 S. 1 AUG. Liegen Tatsachen im Sinne des § 3 Abs. 1 AUG vor, so wird die Erlaubnis (oder deren Verliingerung) versagt. Bemerkenswert ist an dieser Stelle auch die Regelung in § la AUG, wonach ein Arbeitgeber keiner Erlaubnis bedarf, der weniger als 50 Beschiiftigte hat, wenn die Arbeitnehmeriiberlassung der Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassungen dient und der Arbeitnehmer bis zur Dauer von 12 Monaten iiberlassen wird und der Arbeitgeber die Oberlassung vorher schriftlich dem fUr seinen Geschiiftssitz zustiindigen Landesarbeitsamt angezeigt hat.

Geht man einmal davon aus, daB die Ausnahmeregelung des § la AUG nicht gegeben ist, und geht man weiter einmal davon aus, daB bei Virtuellen Untemehmen die Arbeit­nehmeriiberlassung auch "gewerbsmiiBig"67 erfolgt, so stellt sich dann die Frage, ob bei der vorangestellten Sachverhaltsgestaltung Virtuelle Untemehmen (oder aber die Ge­sellschafter-Unternehmen) stets der Erlaubnis bediirfen. An dieser Stelle sei auf die Re­gelung in § 1 Abs. 1 S. 2 AUG verwiesen,wonach die Abordnung von Arbeitnehmem zu einer zur Herstellung eines Werkes gebildeten Arbeitsgemeinschaft keine Arbeit­nehmeriiberlassung ist, wenn der Arbeitgeber Mitglied der Arbeitsgemeinschaft ist, fUr aIle Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Tarifvertriige desselben Wirtschaftszweiges gelten und alle Mitglieder aufgrund des Arbeitsgemeinschaftsvertrages zur selbstiindi­gen Erbringung von Vertragsleistungen verpflichtet sind. Dies solI nachfolgend niiher beleuchtet werden. § 1 Abs. 1 S. 2 AUG stellt fUr die Herausnahme aus dem Gesetz folgende Voraussetzungen auf:

• Arbeitsgemeinschaft • Zum Zwecke der Herstellung eines Werks • Mitglied des Arbeitgebers in der Arbeitsgemeinschaft • Geltung eines Tarifvertrags fUr alle Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft

67 Zum Merkmal der GewerbsmiiBigkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 AUG vgl. Wank in: Erfurter Kom­mentar zum Arbeitsrecht, 1998, AUG, § 1 Rdziff. 47 ff.

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• Verpflichtung aller Mitglieder zur selbstllndigen Erbringung von Vertrags­leistungen

• Abordnung.

Es wurde bereits dargestellt, daB Virtuelle Unternehmen in der Regel Gesellschaften bUrgerlichen Rechts sind. Das Gesetz sieht flir die "Arbeitsgemeinschaft" keine be­stimmte Verpflichtungsform vor.68 Vor diesem Hintergrund wiire sicherlich auch eine "Arbeitsgemeinschaft" in Form einer GbR mtiglich.

Der Geschliftsbereich einer "Arbeitsgemeinschaft" kann in jeder beliebigen Branche liegen. So kann die Arbeitsgemeinschaft z. B. im Hinblick auf Gro8anlagen oder Mon­tagen, aber auch im Hinblick auf Forschungsvorhaben gegriindet worden sein. Die Privi­legierung nach dem AfiG setzt indessen voraus, daB der Zweck in der Herstellung eines Werkes liegt. Dabei ist der Ausdruck "Werk" im Sinne von § 631 BGB zu verstehen, also als ktirperliches Arbeitsprodukt, z. B. Herstellung einer Sache bzw. deren Verlinde­rung oder die Herbeiftlhrung eines unktirperlichen Arbeitsergebnisses, z. B. Erstattung eines Gutachtens, Vornahme einer Operation, Herstellung von Computersoftware. An­dererseits folgt daraus, daB Arbeitsgemeinschaften ausgeschlossen sind, deren Zweck auf die Erftillung einer Dienstleistung gerichtet ist.69

Der Arbeitgeber wiederum mu8 Mitglied der Arbeitsgemeinschaft sein. Es genUgt nicht, wenn er lediglich aufgrund eines Werkvertrages oder eines Dienstvertrages fUr die Ar­beitsgemeinschaft tlitig wird. Bei Virtuellen Unternehmen sind jedoch die Gesellschaf­ter-Unternehmen - wie ausgefUhrt - Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft, da sie Gesell­schafter der Gesellschaft bUrgerlichen Rechts sind.

FUr alle Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft mUssen Tarifvertriige desselben Wirt­schaftszweiges gel ten. 1m Tarifvertragsrecht sind allerdings andere Geltungsbegriffe Ublich, insbesondere der Begriff "fachliche Geltung". DemgegenUber ist der Begriff "Tarifvertriige desselben Wirtschaftszweiges" ein spezifisches Merkmal des AfiG. Die­se Tarifvertriige mUssen fUr aile Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft gelten. Diese Gel­tung kann einmal dadurch eintreten, daB der Arbeitgeber Mitglied des vertragsschlie­Benden Arbeitgeberverbandes ist, § 3 Tarifvertragsgesetz (TVG), oder daB der Tarifver­trag fUr allgemeinverbindlich erkiirt worden ist, § 5 TVG. In der Literatur ist zweifel­haft, ob der Ausdruck "gelten" nur diese Formen erfaBt oder ob auch eine Geltung kraft Vereinbarung ausreicht.70 Praktisch ist jedoch eine derartige Geltungsvereinbarung al­lerdings schon dann nicht mtiglich, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer bereits einem bestimmten anderen Tarifvertrag unterfallen. Denkbar ist jedoch, daB ein nicht tarifge­bundener Arbeitgeber die Geltung eines Tarifvertrages fUr das Arbeitsverhiiltnis mit einem zu seiner Arbeitsgemeinschaft abgeordneten Arbeitnehmer vereinbart, da der Wortlaut dies zulii8t und der Sozialschutz des Arbeitnehmers erreicht werden wiirde.

Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft mUssen zur selbstllndigen Erledigung von Ver­tragsleistungen verpflichtet sein. Bei Virtuellen Unternehmen diirfte diese Vorausset­zung kraft des zwischen den einzelnen Gesellschafter-Unternehmen geltenden Gesell­schaftsvertrages erfiillt sein.

68 Wank in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 1998, AUG, § 1 Rdziff. 67. 69 Wank in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 1998, AUG, § 1 Rdziff. 68. 70 Vgl. Wank in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 1998, AUG, § 1 Rdziff.71.

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Voraussetzung ist desweiteren die Abordnung des Arbeitnehmers an eine derartige Ar­beitsgemeinschaft. Wenngleich der Ausdruck "Abordnung" nicht im AUO definiert wird, sondem aus dem Beamtenrecht stammt, so bedeutet dies, daB das Arbeitsverhlilt­nis zum Mitglied der Arbeitsgemeinschaft, also zum Oesellschafter-Untemehmen, fort­besteht, und der Arbeitnehmer vorUbergehend bei der Arbeitsgemeinschaft eingesetzt wird.

Sofem die vorgenannten Voraussetzungen erfUllt sind, greift das gesamte AUO Dieht ein. Virtuelle Untemehmen werden also stets im Hinblick auf die einzelnen Arbeitneh­mer zu tiberprUfen und zu beachten haben, daB diese Voraussetzungen erfiillt werden, urn der Erlaubnispflicht des AUO zu entgehen.

5.2. Einzelprobleme der Telearbeit

Bereits eingangs wurde erwlilmt, daB sich fUr Virtuelle Unternehmen das Modell der sogenannten Telearbeit anbietet, urn die entsprechenden einzelnen Leistungsfaktoren der einzelnen Gesellschafter-Untemehmen - tiber das Medium Internet - einbringen zu konnen. Die Anwendung der tradierten Strukturen des Arbeitsrechts auf Telearbeitsver­hliltnisse bringt jedoch eine Reihe von Problemen mit sich, welche nicht ausschlieBlich auf mangelhaften rechtlichen Grundlagen beruhen, sondem auf der Spezifik eines auf Arbeit an betrieblichen Arbeitspliltzen orientierten Rechtssystems.71 Wenn der Jurist von Telearbeit spricht, so meint er tiblicherweise eine Erwerbstlitigkeit, die fUr einen Auf­traggeber oder einen Arbeitgeber zu erbringen ist und die auBerhalb der bisherigen -Betriebsstlitte des Untemehmens durch Computer und durch die Nutzung von Tele­kommunikationsnetzen erfolgt.72 Kleinster gemeinsamer Nenner der Definition von Te­learbeit ist, daB auBerhalb des Betriebs des Arbeitgebers gearbeitet wird, und zwar ent­weder zu Hause in der Wohnung des Telearbeitnehmers, in sogenannten Satellitenbtiros oder aber an stlindig wechselnden Arbeitsstellen.

Telearbeit in einem "SatellitenbUro" kommt der Bildschirmarbeit in einer ausgelagerten Zweigstelle des Untemehmens sehr nahe. Banken etwa sind schon seit llingerer Zeit mit ihren Filialen tiber die Telefonleitungen vemetzt. Der Mitarbeiter, der an einem Bild­schirmarbeitsplatz in einer Bank auf Daten zugreift, die auf dem Server der Zentrale gespeichert sind, lei stet Telearbeit im engeren Sinne.73

Wer sich als Untemehmer fUr "Telecenter" oder "Nachbarschaftsbiiros" entscheidet, richtet tiblicherweise dezentral Biiros auBerhalb von Ballungszentren ein, urn lange An­fahrtswege zu ersparen. Anders als bei SatellitenbUros werden in diesen Telecentem hliufig Mitarbeiter verschiedener Betriebe tlitig. Dies hat sich jedoch allgemeinhin nicht durchgesetzt, da dadurch Kosten entstehen konnten, daB externe Btiros langfristig nicht ausgenutzt werden konnen. Auch besteht sicherlich kein Vorteil darin, statt eines 30 km langen Anfahrtsweges zur Zentrale noch 10 km in ein Telecenter zu fahren. 1m tibrigen kommt die Ubedegung hinzu, daB die gleiche Arbeitsleistung normalerweise auch in der Wohnung des Mitarbeiters selbst erbracht werden kann.74

71 Johanning, Telearbeit, 1997, S. 75. 72 Stromer, Online-Recht, 1997, S. 174; Saller, NJW-CoR 1996,300 (300). 73 Stromer, Online-Recht, 1997, S. 174. 74 Stromer, Online-Recht, 1997, S. 174.

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Von daher hat sich die mobile Telearbeit offenkundig durchgesetzt. Hier arbeiten Servi­cetechniker, Handelsvertreter, Au6endienstmitarbeiter und andere Arbeitnehmer, welche hiiufig unterwegs sind, mit Notebook und Modem, urn auf diese Weise mit der Zentrale in Kontakt bleiben zu kijnnen. Berichte, Auftrage, Bestellungen und Kundenanfragen kijnnen auf diesem Wege bequem und schnell zurn Arbeitgeber Ubermittelt werden.7S

Von Telearbeit im engeren Sinne wird indessen gesprochen, wenn "Teleheimarbeit" gemeint ist. Der Mitarbeiter arbeitet raumlich unabhangig yom Untemehmen seines Arbeitgebers in der eigenen Wohnung. Die Verbindung zur Zentrale wird Uber Telefon­leitung, Telefax, Modem und ISDN-Karte hergestellt.

5.2.1. Status des Telearbeitnehmers

Wenngleich es keinen allgemein anerkannten Begriff des Arbeitnehmers gibt, so wird doch zunehmend als Arbeitnehmer angesehen, wer aufgrund privatrechtIichen Vertrags oder eines ihm gleichgestellten RechtsverhaItnisses im Dienst eines anderen zur Arbeit verpflichtet ist.76 Um entsprechende Abgrenzungsprobleme zu lijsen, hat die Rechtspre­chung zusiitzliche Kriterien im Rahmen des Arbeitnehmerbegriffs entwickelt. Dabei handelt es sich im wesentlichen urn die Merkmale der persijnIichen und fachlichen Wei­sungsgebundenheit, der Eingliederung in den Betrieb/der betrieblichen Organisation, der Bestimmung von Arbeitszeit und -ort sowie der standigen engen Zusammenarbeit mit anderen im Dienst des Arbeitgebers stehenden Personen. 1m Hinblick auf die Besonder­heiten bei der Telearbeit, vor allem In der Privatwohnung oder als mobile Telearbeit, verlieren beispielsweise Abgrenzungskriterien wie die Bestimmung von Arbeitszeit und -ort bzw. die standige enge Zusammenarbeit mit anderen im Dienst des Arbeitgebers stehenden Personen an Bedeutung. Der rechtliche Status eines Telearbeitnehmers kann unterschiedlich ausgestaltet sein. So kann z. B. ein Telearbeitnehmer Heimarbeiter, "normaler" Arbeitnehmer/arbeitnehmeriihnIiche Person bzw. selbstandiger oder freier Mitarbeiter sein.77

Heimarbeiter ist, wer an selbstgewiihlter Arbeitsstatte allein oder mit seinen Familien­angeMrigen im Auf trag von Gewerbetreibenden oder Zwischenmeistem gewerbsma6ig arbeitet, jedoch die Verwertung des Arbeitsergebnisses dem unmittelbar oder mittelbar Auftraggebenden Uberla6t, § 2 Abs: 1 Heimarbeitsgesetz (HAG). Zurn Begriff des Heimarbeiters geMrt mithin eine eigene Arbeitsstatte. Das kann die Wohnung, ein Re­gional- oder NachbarschaftsbUro sein. Der Heimarbeiter Uberla6t die Verwertung der Arbeit (Schreib- und Programmierarbeiten usw.) einem Gewerbetreibenden oder Zwi­schenmeister. Er tragt nicht das kaufmannische Risiko, das Verwertungsrisiko. Durch § 2 Abs. 4 HAG wird die Heimarbeitereigenschaft dann nicht berUhrt, wenn Personen, Personenvereinigungen oder Kijrperschaften des privaten oder ijffentIichen Rechts, wel­che die Herstellung, Bearbeitung oder Verpackung von Waren nicht zum Zwecke der Gewinnerzielung betreiben, die Auftraggeber sind. Schlie6lich sind Heimarbeiter wirt­schaftlich, aber nicht persijnlich abhangig.78 Wie bereits ausgefUbrt, ist Arbeitnehmer,

7S StrOmer, Online-Recht 1997, S. 174. 76 Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 8. Auf!. 1996, § 8 Abs. 1 Ziff. 1 (S. 52) unter Hinweis auf Hueck­

Nipperdey, § 9 Abs. 2; Preis in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 1998, BGB, § 611 Rdziff. 45; BAG AP, BGB, § 611 Abhiingigkeit Nr. 26.

77 Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 8. Auf!. 1996, § 163 B ll. 1. (S. 1376); Huber, FA 1999, 109 (110). 78 Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 8. Aufl. 1996, § 163 B ll. 4. (S. 1377); Huber, FA 1999, 109 (111).

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wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages oder eines ihm gleichgestellten Rechts­verhliltnisses im Dienst eines anderen zur Arbeit verpflichtet ist. FUr den Begriff des Arbeitnehmers ist die Weisungsgebundenheit nach Arbeitszeit, Arbeitsort, Arbeitsfolge und Arbeitsausftihrung maBgebend. Bei einer Arbeitsleistung in einem Regional- oder Nachbarschaftsbilro wird regelmliBig die Arbeitnehmereigenschaft gegeben sein. Die fUr das Arbeitsverhliltnis typische personliche Abhlingigkeit des Arbeitnehmers (nicht des Heimarbeiters) wird jedenfalls dann vorliegen, wenn der Arbeitsplatz on-line mit dem Zentralrechner im Betrieb verbunden ist und der Arbeitnehmer zeitlich eingebunden ist.79 Beim off-line Betrieb kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber letztlich innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens fiber die Arbeitszeit des Beschaftigten verfUgen kann, wofUr kurze Erledigungsfristen, Bereitschaftsdienst, feste Zeiten fUr Oberspielen der Arbeitsergebnisse auf Disketten u. Ii. sprechen.80 Telearbeit kann auch von freien Mitarbeitem bzw. Selbstlindigen verrichtet werden. Bine Selbstlindigkeit liegt im Be­reich der Telearbeit vor, wenn der Betreffende als freier Mitarbeiter ilber Arbeitszeit, Arbeitsort und Art der Arbeitsleistung eigenstlindig bestimmen kann. Bine Bestimmung tiber die Art der Arbeitsleistung ist dann gegeben, wenn Hard- und Software innerhalb eines selbstbestimmten Organisationsrahmens zur VerfUgung gestellt und die Arbeits­kraft fUr verschiedene Auftraggeber angeboten wird; eine selbstlindige Tlitigkeit liegt auch dann vor, wenn der Betreffende als Untemehmer tiber eine innere und lluSere Un­temehmensorganisation verfUgt, fUr die er das untemehmerische Risiko tragt. Die lluBe­re Betriebsorganisation ist insbesondere gegeben, wenn er fUr den Absatzmarkt arbei­tet.81

Es kann nicht Aufgabe des vorliegenden Beitrags sein, ein fUr alle FaIle passendes Ras­ter zu schaffen, ob also im Einzelfall der Telearbeitnehmer entweder Heimarbeiter oder "echter" Arbeitnehmer oder aber selbstlindiger/freier Mitarbeiter ist. Dies dUrfte insbe­sondere von den jeweiligen Umstlinden des Einzelfalles abhlingen, wobei allerdings hinzugerugt werden muS, daB der Status des Telearbeitnehmers letztlich nicht davon abhlingt, wie die Parteien des Rechtsverhliltnisses dieses bezeichnen. Nach der Recht­sprechung des Bundesarbeitsgerichts ist stets entscheidend, wie die Ausgestaltung im Innenverhliltnis erfolgt. Es kann also sicherlich vorkommen, daB im Rahmen eines Vir­tuellen Untemehmens jemand als freier Mitarbeiter beschaftigt ist, tatsllchlich aber - bei Vorliegen der o.g. Kriterien fUr den Arbeitnehmer - als Arbeitnehmer zu qualifizieren ist. Die Problematik wird in der arbeitsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung derzeit heftig diskutiert und wird mit dem Begriff "Scheinselbstlindigkeit" gekennzeichnet.82

In der Regel wird sich der Arbeitgeber (Gesellschafter-Untemehmen) bei Telearbeit meist fUr den Status als "echter" Arbeitnehmer entscheiden. Nur auf diese Weise kann erreicht werden, daB die in der Praxis wichtige Treuepflicht fUr den Arbeitnehmer be­stehen bleibt und der Arbeitgeber (Gesellschafter-Untemehmen) sein Weisungsrecht behlilt. Insbesondere bei einer qualifizierten Tlltigkeit ist eine nur lose Bindung des Mit­arbeiters eines Untemehmens fUr den Arbeitgeber hllufig nicht akzeptabel. Gewilnscht sind regelmliBig die exklusiven Berichte der Arbeitsergebnisse des Telearbeitnehmers

79 Eisemann in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 1998, BetrVG, § 5 Rdziff. 23; DKKlfrUmner, BetrVG, 6. Aufl. 1998, § 5 Rdziff. 37; FittinglKaiserlHeitherlEngels, BetrVG, 18. Aufl. 1997. § 5 Rdziff.56.

80 Eisemann in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 1998, BetrVG, § 5 Rdziff. 23. 81 Schaub. Arbeitsrechtshandbuch. 8. Aufl. 1996. § 163 B n. 2. (S. 137611377). 82 S. dazu dezidiert Boemke. ZfA 1998. 285 ff.; Rieble. ZfA 1998.327 ff.; Hromadka. NZA 1997.569

ff.

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und ein gewisses MaS an Kontrolldichte. Wenn Daten das Haus schon verlassen mfis­sen, dann sollen sie wenigstens nur solchen Mitarbeitern zuganglich sein, die einer ar­beitsrechtlichen Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflicht unterliegen.83

5.2.2. Telearbeit und Auslandsbescbiiftigung

Die Tlitigkeit Virtueller Unternehmen ist sicherlich heutzutage nicht mehr auf das Ge­biet eines Landes beschrlinkt. Unmittelbar einleuchtend ist, daB besondere Probleme auftreten konnen, wenn ein Telearbeitnehmer auch au8erhalb der Grenzen Deutschlands tlitig ist. Zwar hat es im Ausland tlitige Arbeitnehmer schon seit langerem gegeben. Neu sind jedoch die Quantitlit und die Qualitlit der hierbei auftretenden Probleme. Bislang haben eher leitende Angestellte im Ausland gearbeitet und das auch vergleichbar selten. Durch die heutige Informationstechnologie ist es indessen moglich, auch bereits einfa­che Arbeiten von einem deutschen Betrieb weltweit verrichten zu lassen. Dies wird von gro8eren Unternehmen heute genutzt. In der Zukunft werden bei stark fallenden Kom­munikationskosten auch kleinere Unternehmen eine weltweite Dauerkommunikation unterhalten ktlnrien. Hierbei treten dann Probleme des - bereits zuvor erwlihnten - in­ternationalen Privatrechts sowie diverse betriebsverfassungsrechtliche Probleme auf, welche bis heute nur ansatzweise erl:Irtert worden sind. Wenn Arbeitsleistungen inner­halb der Europliischen Union erbracht werden, unterliegen diese der Freiheit des Waren­und Dienstleistungsverkehr und des Diskriminierungsverbots. 1m fibrigen darf bei er­brachten Arbeitsleistungen in den meisten Staaten au8erhalb der Europliischen Union gro8tenteils die grenzfiberschreitende Telearbeitsleistung nicht von der Anwendung des deutschen Arbeitsrechts abhangig gemacht werden, wenn die betroffenen Staaten das allgemeine Abkommen fiber den freien Handel mit Dienstleistungen der Welthandelsor­ganisation unterzeichnet haben."

Das kollektive Arbeitsrecht wird durch das Territorialitlitsprinzip geprligt. Gleichwohl werden durch sogenannte "Ausstrahlungen" Zuordnungen von Arbeitnehmern im Aus­land zu Inlandsbetrieben zugelassen, d. h. Telearbeitnehmer im Ausland sind kollektiv­arbeitsrechtlich Ausstrahlungen des Betriebes, in dem sie kommunikationstechnisch integriert sind. Damit unterliegen die Auslandstelearbeitnehmer der Betriebsverfassung und dem Tarifvertragsrecht und sie sind folglich auf Betriebs- und Unternehmensmitbe­stimmungsebene aktiv und passiv wahlberechtigt und haben ansonsten dieselben Rechte und PfIichten wie inlandische Arbeitskollegen.

6. Aspekte des Urheberrechtsschutzes im Internet

Das Medium der Virtuellen Unternehmen ist das Internet. Virtuelle Untemehmen wer­den zur Verbreitung ihrer Produkte oder aber Dienstleistungen eine Homepage einrich­ten. Damit eroffnet sich ein Fragenkreis, mit dem sich bereits zahlreiche Autoren in der Rechtsliteratur befaSt haben, und zwar inwieweit die geistigen Schl:lpfer multimedialer und anderer Werke im Internet Urheberrechtsschutz durch das deutsche Gesetz fiber Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) genie8en.85 Virtuelle Unternehmen, die sich bzw. ihre Produkte auf einer eigens daftir eingerichteten Homepage im Internet prllsentieren, mUssen rechtlich abgesichert sein, wenn sie verhindern wollen, daB die

83 Str6mer. Online-Recht 1997. S. 176; Saller. NJW-CoR 1996. 300 (304). " Johanning. Telearbeit 1997. S. 83. 85 Statt vieler Zscherpe. MMR 1998. S. 404 ff.; Koch. GRUR 1997.417 ff.

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von ihnen entwickelten ProduktelDienstleistungen von anderen Personen unberechtigt ubernommen werden. Die rechtlichen Moglichkeiten dafiir konnten durch die entspre­chenden Bestimmungen des UrhG gegeben sein. Diesbezuglich muB jedoch zunlichst einmal gekliirt werden, ob ein Virtuelles Unternehmen durch sein speziell in diesem Tlitigkeitskreis geschaffenes Produkt ein "Werk" im Sinne des UrhG schafft. Denn erst dann, wenn ein "Werk" vorliegt, kann der Schutz des UrhG beansprucht werden (s. dazu nachfolgend Ziff. 6.1.). Desweiteren muB der rechtlichen Struktur eines Virtuellen Un­ternehmens Rechnung getragen und gekliirt werden, inwieweit das Virtuelle Unterneh­men oder aber die einzelnen Gesellschafter-Unternehmen Miturheber irn Sinne des § 8 UrhG sein konnen. In Frage kommt auch, daB hier eine Urheberschaft sogenannter ver­bundener Werke vorliegt (s. dazu nachfolgend Ziff. 6.2.).

6.1. Das "Werk" im Sinne der §§ 2,4 UrhG

Die Werksqualitlit im Sinne des UrhG setzt zunlichst voraus, daB eine "personliche geis­tige Schopfung" im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG vorliegt. Das wiederum setzt voraus, daB das Werk auf ein menschliches Schaffen zuriickgeflihrt werden kann. Liegt kein soge­nanntes Katalogwerk nach § 2 Abs. 1 UrhG vor, so kann immer noch ein sogenanntes "Sammelwerk" im Sinne des § 4 UrhG vorliegen. Sollte dann weder eine Einordnung in § 2 Abs. 1 UrhG oder aber in § 4 UrhG moglich sein, kann das betreffende Internet­oder Multimediawerk immer noch als geschiitzte unbenannte Werkart gemliB § 2 Abs. 2 UrhG eingestuft werden.86

Eine "personliche geistige Schopfung" ist nicht gegeben, wenn jemand lediglich das wiederholt, was ein anderer vor ihm genauso gesagt, geschrieben oder gemalt hat. Bei­spielsweise ist die bloBe Auflistung der Lottozahlen aus den vergangenen Jahren nicht geschiitzt. Keinen Urheberschutz genieBen dariiber hinaus Dokumente, die lediglich Alltliglichkeiten wiedergeben, so z. B. Briefe.87 Der Zweck des UrhG ist ein personen­bezogener und schutzt nicht etwa das Werk als abstractum als einen von der Person sei­nes Schopfers losgelosten, selbstandigen Rechtsgegenstand. Der Zweck des Gesetzes ist vielmehr der Schutz des Urhebers selbst: nicht das Werk, auf das sich der Schutz be­zieht, sondern die Person des Urhebers steht im Vordergrund. Von dieser Wertentschei­dung ist bei Auslegung und Anwendung des UrhG auszugehen. Das wiederum hat zur Folge, daB im allgemeinen im Zweifel zugunsten des Urhebers zu entscheiden ist ("in dubio pro auctore").88 Vor dem Hintergrund dieses Gesetzeszwecks ist die Rechtspre­chung groBzugig und hat bereits das als schutzfahig anerkannt, was nicht den Stempel der Primitivitlit bereits offen auf der Stirn trligt.89

Virtuelle Unternehmen prlisentieren durch das Internet entweder ein gemeinsames Pro­dukt oder aber gemeinsame Dienstleistungen. 1m Internet wird eine gemeinsame Home­page oder eine Webseite installiert. Sofern durch das Virtuelle Unternehmen ein gegen­stlindliches Produkt angeboten wird, so konnte der Schutz zum einen auf das Produkt

86 Zscherpe, MMR 1998,404 (404). 87 BGHZ 31, 308 (311); 36, 77 (83); Vinck in: FrommINordemann, Urheberrecht, 8. Auf!. 1994, § 2

Rdziff.35. 88 Nordemann in: FrommINordemann, Urheberrecht, 8. Auf!. 1994, § 1 Rdziff. 1; einschriinkend Schri­

ckerlLoewenheim in: Schricker, Wheberrecht, 2. Auf!. 1999, § 1 Rdziff.4. 89 Vinck in: FrommINordemann, Urheberrecht, 8. Auf!. 1994, § 4 Rdziff. 3.

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seibst gerichtet sein, andererseits aber auch auf die WebseitelHomepage.9O Bei Dienst­leistungen konnte sich naturgemiiB der Schutz nicht auf ein gegenstiindliches Produkt beziehen. Es ware allerdings daran zu denken, daB insbesondere bei Virtuellen Unter­nehmen, die Dienstleistungen anbieten, der Schutz des UrhG entsprechende Werbesprti­che/Slogans erfaBt. DiesbezUglich ist die Rechtsprechung jedoch zu Recht zuruckhal­tend. Werbesprtiche und Slogans sind in der Regel keine geschUtzten Sprachwerke; es fehlt an der notigen "Schopfungshohe", da derartige Sprtiche nur Merkbarkeit und wer­begemiiBe Originalitat benotigen.91

Entsprechendes gilt fUr sogenannte Werktitel. Auch diese konnen keinen urheberrechtli­chen Schutz beanspruchen, da es ihre KUrze nicht erlaubt, von einer personlich geistigen Schopfung zu sprechen.92

Einen entsprechenden Schutz durch das UrhG werden Virtuelle Unternehmen von daher dann beanspruchen konnen, wenn deren gemeinsame Homepage/Webseite als "Werk" im Sinne des § 2 UrhG angesehen werden kann.

AIle Arten von Texten (Romane, Gedichte, Kurzgeschichte, Theatersrucke, DrehbUcher etc.) konnen als Sprachwerke im Sinne von § 2 Abs. 1 Ziff. 1 UrhG geschUtzt werden. Seit 1993 gelten nach MaBgabe der §§ 69a ff. UrhG Computerprogramme als Unterpro­gramme der Sprachwerke. Danach werden im Internet zunachst alle netzgenerierenden und netzbasierenden Progamme geschUtzt, also Programme, we1che den Betrieb von elektronischen Kommunikationsnetzen Uberhaupt erst ermoglichen oder aber zumindest voraussetzen.93 Daruber hinaus werden aber auch Bildschirmdisplays von Homepages und Webseiten sowie Benutzeroberflachen von Online-Diensten als Audruck von Com­puterprogrammen erfaBt, § 69a Abs. 1,2 UrhG.94 SchlieBlich kann der Schutz auch fur auf Homepages/Webseiten veroffentlichte oder hergestellte Bilder, Grafiken, Cliparts, Signets, originelle Layouts oder andere Kunstwerke bzw. fur Plane, Skizzen, Karten, Konstruktionszeichnungen, TabeIlen, Formulare und ModeIle, die im Internet geschaf­fen oder veroffentlicht wurden, beansprucht werden.95

Daruber hinaus wird ein Schutz durch das Urheberrecht nach MaBgabe des § 4 Abs. 1 UrhG erreicht. Denn typische Sammelwerke im Sinne dieser Vorschrift sind nicht nur Lexika, HandbUcher und Bildbande im Internet, sondern auch einzelne Webseiten und durch Links verbundene Sequenzen von Webseiten.96

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daB fur Virtuelle Unternehmen ein Schutz ihres Produktes selbst oder aber der dazu erstellten Homepages/Webseiten durch das UrhG

90 Zu urheberrechtIichen Problemen bei der Nutzung von E-Mail vgl. Heermann, MMR 1999,3 ff. 91 OLG Braunschweig, GRUR 1955,205 (206); OLG Stuttgart, GRUR 1956,481 (482); OLG Frankfurt,

GRUR 1987, 44 (44); vgl. auch Vinck in: FrommINordemann, Urheberrecht, 8. Auf!. 1994, § 2 Rdziff.39.

92 BGHZ 26, 52 (60); BGH, GRUR 1977, 543 (544); OLG Celie, GRUR 1961, 141 (141); Vinck in: FrommINordemann, Urheberrecht, 8. Auf!. 1994, § 2 Rdziff. 41.

93 Zscherpe, MMR 1998,404 (405). 94 LG Mannheim, NJW-RR 1994, 1007 (1007); Koch, GRUR 1997,417 (418). 95 Koch, GRUR 1997,417 (418, 420, 422); Str6mer, Online-Recht, 1997, S. 137; Zscherpe, MMR 1998,

404 (405). % Koch, NJW-CoR 1997,298 (298 f.).

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bereitgestellt werden kann. Fraglich ist jedoch, wer nun Inhaber dieses Urheberschutzes ist.

6.2. Virtuelle Untemehmen aIs Miturheber (§ 8 UrhG) bzw. Urheber ver­bundener Werke (§ 9 UrhG)

Wenn mehrere ein Werk gemeinsam geschaffen haben, ohne daB sich ihre Anteile ge­sondert verwerten lassen, sind sie Miturheber des Werkes. Ihnen steht das Recht zur Ver6ffentlichung und zur Verwertung des Werkes zur gesamten Hand zu, wobei Ande­rungen des Werkes nur mit Einwilligungen der Miturheber zulassig sind. Ein Miturhe­ber darf jedoch seine Einwilligung zur Ver6ffentlichung, Verwertung oder Anderung nicht wider Treu und Glauben verweigem. Jeder Miturheber ist berechtigt, AnsprUche aus Verletzungen des gemeinsamen Urheberrechts geltend zu machen, wobei er jedoch nur Leistungen aller Miturheber verlangen kann. Die Ertrlignisse aus der Nutzung des Werkes gebiihren den Miturhebem nach dem Umfang ihrer Mitwirkung an der SchOp­fung des Werkes, es sei denn, daB etwas anderes zwischen den Urhebem vereinbart ist.

Gemeinsam wird ein Werk nur dann geschaffen, wenn mehrere Autoren zum Zwecke seiner Entstehung zusammenarbeiten und jeder einzelne sich dabei der Gesamtidee un­terordnet.97 Miturheberschaft kann von daher nicht vorliegen, wo ein bereits vollendetes Werk umgestaltet wird. Der Bearbeiter ist dann nicht Miturheber seiner Bearbeitung, sondem deren alleiniger Urheber. Die Zusammenarbeit im Rahmen der Miturheber­schaft braucht nicht soweit zu gehen, daB die Autoren Wort fUr Wort oder Zeile fUr Zei­Ie gemeinsam schaffen; auch bei Realteilung der einzelnen Leistungen nach z. B. Akten, Kapiteln, Szenen oder in lihnlicher Weise liegt eine gemeinsame Arbeit noch solange vor, als jeder Teilautor auf den gemeinschaftIichen Zweck der Schaffung eines Werkes hinarbeitet, was die bleibende Unterordnung unter die Gesamtidee voraussetzt. Db in diesen Fiillen Miturheberschaft oder eine Werkverbindung vorIiegt, entscheidet sich allein danach, ob das Werk solch geteilten Schaffens noch als ein einheitliches Werk anzusehen ist. 98

Gemeinsamkeit im Sinne von § 8 UrhG st::tzt begrifflich stets Partnerschaft voraus. Wer dem Gestaltungswillen eines anderen so untergeordnet ist, daB er diesen Willen lediglich auszufUhren hat, ohne dabei eigene schOpferische Ideen verwirldichen zu kOn­nen, ist nicht Miturheber, sondem Gehilfe.99

Die Miturheberschaft setzt voraus, daB ein einheitliches Werk geschaffen wird. Ein ein­heitliches Werk wiederum liegt vor, wenn die Anteile sich nicht gesondert verwerten lassen. Bei Werken, die Wort fUr Wort und Zeile fUr Zeile gemeinsam entstanden sind, ist diese Frage unproblematisch. Bedeutsam wird sie indessen dort, wo eine Realteilung mindestens theoretisch mOglich wlire, wo sich also noch feststellen last, welche Zeile oder welche Szene oder welches Kapitel von wem stammt oder wo die Miturheber die ,,Bearbeitung" abschnittsweise unter sich aufgeteilt haben. Rier wird man - wie dies die Rechtsprechung vornimmt - darauf abzustellen haben, ob der einzelne feststellbare Werkanteil ein Torso, also ein unvollsUindiger Teil des Gesamtwerkes oder ein abge-

97 Nordemann in: FrommINordemann. Urheberrecht. 8. Aufi. 1994. § 8 Rdziff. 2; Loewenheim in: Schri­cker. Wheberrecht, 2. Aufl. 1999. § 8 Rdziff. 9.

98 Nordemann in: FrommINordemann. Urheberrecht. 8. Aufl. 1994. § 8 Rdziff. 4. 99 Nordemann in: FrommINordemann. Urheberrecht. 8. Aufi. 1994. § 8 Rdziff. 5.

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schlossenes Ganzes ist. loo Wenn die einzelnen Teile oder Abschnitte des Werkes ihrer Natur nach auch gesondert verwertbar sind, so ist zu differenzieren. Wenn die Mitarbei­ter untereinander so selbstandig sind, daB keiner dem anderen hineinreden darf, und daB jeder die Konzeption und Gestaltung seines Anteils selbst definieren kann und nur eine Art Generallinie vorhanden ist, an die sich alle zu halten haben, so liegt lediglich eine Werkverbindung im Sinne des § 9 UrhG vor, die nach auBen als SammIung bzw. unter den Voraussetzungen des § 4 UrhG als Sammelwerk in Erscheinung tritt. Fiir die An­nahme der Miturheberschaft im Sinne des § 8 UrhG werden also Virtuelle Untemehmen zu entscheiden haben, auf welche Weise die Entstehung ihres Produktes und deren Pra­sentation vorgenommen werden solI. Kennzeichnend fUr eine Miturheberschaft diirfte z. B. die Durchfiihrung von Konferenzen sein, welche dann entsprechende Differenzen zwischen den einzelnen GeseUschafter-Untemehmen beseitigen und die endgiiltige Fas­sung eines jeden einzelnen Abschnitts bzw. Beitrags festlegen solI.

GemaB § 9 UrhG kann jeder Urheber vom anderen die Einwilligung zur Veroffentli­chung, Verwertung und Anderung der verbundenen Werke verlangen, wenn mehrere Urheber ihre Werke zur gemeinsamen Verwertung miteinander verbunden haben und die Einwilligung dem anderen nach Treu und Glauben zuzumuten ist. Es wird hier von einer sogenannten Werkverbindung gesprochen. Werkverbindung liegt stets vor, wenn mehrere selbstandige Werke gemeinschaftlich verwertet werden, vorausgesetzt, daB dies mit dem Willen ihrer Urheber geschieht. IOI Eine Werkverbindung liegt bei gemeinsamer Verwertung von mehreren Beitragen jedoch nur dann vor, wenn die Voraussetzungen der Miturheberschaft im Sinne des § 8 UrhG nicht erfiillt sind, wenn es also moglich ist, die einzelnen Beitrage jeweils fUr sich gesondert zu verwerten. Es hangt also von den jeweiligen Umstanden des Einzelfalles ab, ob die Produkte von Virtuellen Untemehmen sich aus selbstandig verwertbaren Einzelteilen der jeweiligen Gesellschafter­Untemehmen zusammensetzen. Sollte dies zu bejahen sein, so diirfte eine Werkverbin­dung mit der Rechtsfolge aus § 9 UrhG vorliegen; soUte es zu vemeinen sein, so wird, eine Miturheberschaft im Sinne von § 8 UrhG gegeben sein.

6.3. Rechtsverfolgung bei Urheberrechtsverletzung

Wenn das Werk eines Urhebers verletzt wurde (indem es z. B. unberechtigterweise von einer anderen Person oder einem anderen Untemehmen genutzt oder vervielfaItigt oder veroffentlicht wurde), so ist der Verletzte in zweifacher Hinsicht geschiitzt: der Urheber kann Unterlassung der Urheberrechtsverletzung und Ersatz des ihm entstandenen Scha­dens verlangen.102

Dem Unterlassungsbegehren geht iiblicherweise zunachst eine Abmahnung, also eine Aufforderung an den Verletzer voraus, dessen verletzende Handlung sofort einzustellen. Diese Abmahnung wird regelmliBig mit einer sogenannten strafbewahrten Unterlas­sungserklarung verbunden sein, mit der der Empfanger des Schreibens verbindlich er­klatt, bei Meidung einer Konventionalstrafe im Wiederholungsfall jedweden Urheber­rechtsverstoB zu unterlassen. Wenn diese Erklarung nicht oder aber nicht rechtzeitig abgegeben wird, so wird nach der Rechtsprechung daraus eine Wiederholungsgefahr

100 Vgl. Nordemann in: FrommINordernann, Urheberrecht, 8. Aufl. 1994, § 8 Rdziff. 10 m. w. N. 101 Nordernann in: FrommINordemann, Urheberrecht, 8. Aufl. 1994, § 9 Rdziff. 1. 102 zu der Haftung von Host Providern bei Urheberrechtsverletzungen im Internet vgl. Decker, MMR

1999,7 ff.

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geschluBfolgert, was den Urheberrechtsinhaber dann wiederum berechtigt, entweder eine einstweilige VerfUgung zu erwirken oder aber eine Unterlassungsklage zu erheben.

Weitaus interessanter als der Unterlassungsanspruch gemii6 § 97 Abs. 1 UrhG ist fUr den Urheberrechtsinhaber oft die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs auch nach dieser Vorschrift. Der Verletzte kann zunUchst die erlittene VennOgenseinbu6e einschlieBlich des ibm entgangenen Gewinns ersetzt verlangen. Als VennOgenseinbu6e ist dabei auch der Aufwand des Verletzten zur Ermittlung und Verfolgung von Rechts­verletzungen anzusehen. Entgangen ist der Gewinn, den der Verletzte, wenn der Verlet­zer nicht dazwischengetreten ware, nach dem gewOhn1ichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umstlinden, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkeh­rungen Mtte erwarten kOnnen, § 252 BGB.I03 Erfahrungsgemii6 ist der Nachweis eines solchen Gewinns meist schwierig. Der Verletzte wird daher regelmiiBig auf die Segnun­gen des Urheberrechts in § 97 Abs. 1 UrhG zurUckgreifen und eine angemessene Li­zenzgebtihr fUr die Benutzung des ihm zustehenden Rechts fordem. Diese Berechnung wurde yom Reichsgericht zunUchst zum Patent- und Warenzeichenrecht entwickelt und spliter wegen der Gleichartigkeit der Interessenlage auf das Urheberrecht tibertragen. Grundlage dieser Rechtsprechung ist die zutreffende Uberlegung, daB niemand, der un­erlaubt in ausschlieBlich fremde Rechte eingreift, besserstehen solI, als er im Fall eines ordnungsgemiiBen Rechtserwerbs sttinde. Es kommt vor diesem Hintergrund nicht dar­auf an, ob der Verletzte im Fall einer Befragung das betroffene Recht tiberhaupt einge­rliumt hlitte. Ebenso gleichgtiltig ist es, ob er in diesem Fall selbst in der Lage gewesen ware, die angemessene Lizenzgebtihr zu erzielen. I04 Die Zuerkennung einer angemesse­nen Lizenzgebtihr kommt nur dann nicht in Betracht, wenn ein Lizenzvertrag nicht fin­giert werden kann, weil z. B. die vorherige Erteilung der Zustimmung als schlechthin undenkbar erscheint. los

Es bedarf dann nattirlich keiner groBen Phantasie, sich vorzustellen, daB auf diese Weise dem Verletzer des Urheberrechts, welches einem Virtuellen Unternehmen zusteht, mOg­licherweise teuer zu stehen kommen kann, wenn es dem Virtuellen Unternehmen auf­grund des von ihm eingeschalteten Verbreitungsmediums gelingt, darzustellen, wie hoch eine angemessene Lizenzgebtibr ist.

7. Ausblick

Eingangs wurde bereits erwlihnt, daB das Ziel des Controlling darin besteht, Effizienz und Effektivitlit der Ftihrung zu erhOhen und die Anpassungsflibigkeit an Verlinderun­gen an der Um- und Innenwelt des Unternehmens zu steigern. Durch den vorliegenden Beitrag sind einige juristische Aspekte von Virtuellen Unternehmen hervorgehoben worden. Der Beitrag erhebt dabei sicherlich nicht den Anspruch, slimtliche rechtliche Aspekte von Virtuellen Unternehmen erfa6t zu haben bzw. erfassen zu kOnnen. Auf der Grundlage der Rechtsprechung bzw. Literatur sollten sich jedoch juristische Personen, die sich zu einem Virtuellen Unternehmen zusammenschlieBen, vergegenwlirtigen, daB insbesondere Probleme bei dem Nachweis entsprechender Vertragsabschltisse mit Ge­schliftspartnem via Internet bestehen kOnnen. Es bleibt abzuwarten, ob die MOglichkei-

103 VgI. Nordemann in: FrommINordemann. Urheberrecht, 8. Aufl. 1994. § 97 Rdziff. 38. 104 VgI. BGHZ 20.345 (353); BGH. GRUR 1987.37 (39); BGH. GRUR 1990. 1008 (1009); Nordemann

in: FrommINordemann. Urheberrecht. 8. Aufl. 1994. § 97 Rdziff. 39. lOS BGHZ 26. 349 (352); LG MUnchen I. GRUR 1970.566 (567).

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ten, welche das SigG geschaffen hat, von der Rechtsprechung angenommen werden. Dies wird sicherlich noch eiDiger Erfahrungen aus diversen Prozessen bedUrfen. Auch die M6glichkeiten der Haftungsbeschrlinkung werfen Schwierigkeiten auf. Haftungsbe­schrlinkungen im Rahmen von Virtuellen Untemehmen sind zwar Dicht ausgeschlossen; gleichwohl diirfte die Frage berechtigt sein, ob der jeweilige Verbraucher sich auf einen Vertrag einlassen wird, wenn er ein einheitliches Produkt oder aber eine Dienstleistung aus einem GuS bestellt, indessen im Fall einer vertraglichen Leistungsst6rung dann mitunter mehrere Prozesse fUhren muS, in welchen er dann jeden einzelnen Gesellschaf­ter dieses Virtuellen Untemehmens wegen dessen Dicht vertragsgemii6en Anteils an dem Gesamtprodukt in Anspruch nehmen mllS. Vor diesen Hintergrund sei bemerkt, daB sicherlich noch diverse Fragen und Probleme zu er6rtem und durch die Rechtspre­chung zu 16sen sind. Aus juristischer Sicht diirfte daher die Entwicklung von Virtuellen Untemehmen eher z6gerlich, gleichwohl unaufh6rlich voranschreiten.

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Zeitnahes Controlling der Kundenzufriedenheit in Dienstleistungs­unternehmen

Prof. Dr. oec. Beate von Velsen-Zerweck*

1. EinfUhrung

2. Theoretische Grundlagen des Konstrukts Kundenzufriedenheit

3. Probleme fUr das zeitnahe Controlling der Kundenzufriedenheit

3.1. Kundenzufriedenheit als ex-post-Beurteilung

3.2. Dynamik der Kundenzufriedenheit

3.3. Nicht-Isolierbarkeit von Kundenzufriedenheit

4. Moglichkeiten des zeitnahen Controlling der Kundenzufriedenheit bei Dienst­leistem

4.1. Einsatz ereignis- und merkmalsorientierter Verfahren zur parallelen Kunden­zufriedenheitsmessung im gesamten DienstleistungsprozeB

4.2. Langfristige Verbesserung der VorsteuergroBen der zuktinftigen Kundenzufriedenheit

5. SchluBbetrachtung

* Prof. Dr. Beate von Velsen-Zerweck, geb. 1968 in Karlsruhe, Ausbildung zur Bankkauffrau bei der Deutsehen Bank AG in Hannover, Studium der Betriebswirtsehaftslehre an der Universite de Fribourg, Sehweiz, Lie.rer.pol. 1993, Marktforsehung und strategisehe Marketingberatung bei der PbS AG Milnehen, Doktorandin am Institut fur Sozialtikonomik der Teehnisehen Universitat Milnehen, Promo­tion 1998, seit 1997 Consultant bei der UNICconsult Untemehmensberatung GmbH, Lehrauftriige an der Fachhochschule Altrnark i. G. und der Privaten Fachhochschule Gtittingen.

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202 BEATE VON VELSEN-ZERWECK

1. Einfiihrung

Das psychologische Konstrukt der Kundenzufriedenheit nimmt in der heutigen Marke­tingtheorie und -praxis eine zentrale Stellung ein. Ein wesentlicher Grund hierfUr ist die jeweils implizit oder explizit geiiuBerte Annahme, die Zufriedenheit des Kunden habe entscheidenden positiven EinfluB auf sein (Wieder-)Kaufverhalten. Die meist zitierte These lautet: "Es ist fUnfmal teurer, einen neuen Kunden zu gewinnen, als einen bishe­rigen zu halten. "1 Die wenigsten vorliegenden Untersuchungen erlauben es jedoch, den festgestellten EinfluB zwischen Kundenzufriedenheit und ihren Auswirkungen quantifi­zieren zu konnen. Der inhaltliche Zusarnmenhang des Themas Kundenzufriedenheit mit den Phiinomenen der Einstellungsiinderung, der Kundenbindung, des Beschwerde­verhaltens und der Markenloyalitiit ist jedoch zumindest plausibel. 1m Marketingcontrolling gewinnt die kontinuierliche Messung der Kundenzufriedenheit nicht erst seit EinfUhrung des "Deutschen Kundenbarometers" durch die Deutsche Post AG fUr fast alle Branchen an Bedeutung. Gerade fUr Dienstleister haben sich solche standardisierten und vergleichbar gemachten MaBe fUr die Kundenzufriedenheit oder die Servicequalitiit zu einer zentralen Erfolgsziffer im Controlling entwickelt. Es gibt allerdings auch Gegenbeispiele: Die Zufriedenheit der deutschen Verbraucher mit den spendensarnmelnden Nonprofit-Organisationen (NPO) wurde mangels Interesse der NPO am Deutschen Kundenbarometer fUr 1998 nicht mehr erfaBt.

Angesichts des zunehmenden Interesses der Untemehmen am Einsatz der Kundenzu­friedenheit als ErfolgsmaBstab auf der einen Seite, des hiiufig unterschiitzten komplexen Phiinomens der Kundenzufriedenheit sowie den verbreiteten Schwierigkeiten und me­thodischen Miingeln in der Erfassung der Kundenzufriedenheit auf der anderen Seite, stellt sich immer hiiufiger die Forderung nach einem verliiBlichen, aktuellen und vor allem auch friihzeitig zur Verfiigung stehenden Controllinginstrumentarium zur Mes­sung der Kundenzufriedenheit. In diesem Beitrag werden die Probleme und Moglichkei­ten eines zeitgerechten, im Sinne von zeitnahen, Controllings der Kundenzufriedenheit aufgezeigt.

2. Theoretische Grundlagen des Konstrukts Kundenzufriedenheit

Generell wird Kundenzufriedenheit verstanden als das Ergebnis eines komplexen psy­chischen Vergleichsprozesses, in dem der Kunde seine Erfahrungen mit dem Produkt oder der Leistung mit seinen Erwartungen vor der Nutzung oder Inanspruchnahme ver­gleicht: Die sogenannte Ist-Leistung wird verglichen mit der erwarteten oder gewiinsch­ten Soll-Leistung. Zufriedenheit entsteht dann als emotionale Reaktion auf diesen kognitiven VergleichsprozeB, sofem die Soll-Leistung erfiillt oder iibertroffen wird.2

1 MUller, W., Riesenbeck, H.-I., Anhangliche Kunden, S. 69. Vgl. auch die Untersuchungen verschie­dener Branchen in Ttipfer, A., Kundenzufriedenheit.

2 Vgl. z. B. Oliver, R., Cognitive Model, S. 460ff.

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ZEITNAHES CONI'ROlLING DER KUNDENZUFRIEDENHElT 203

Dabei liegen der praktischen Anwendung des Konstrukts vor allem die folgenden drei theoretischen Modellierungsrahmen der Kundenzufriedenheit zugrunde:3

1) das ConfinnationIDisconfinnation-Paradigm 2) die Equity Theorie 3) die Attributionstheorie.

Das ConfirmationlDisconfirmation-Paradigm (CID-Paradigm) geht von dem Vergleich von Soll- und Ist-Leistung aus: Die Zufriedenheit ist Ergebnis eines Vergleichs der er­brachten Leistung mit einem vorher gesetzten Leistungsstandard, der als Soll­Erwartung, durch Ideale oder auch durch bereits gemachte Erfahrungen definiert wird. In der empirischen Praxis wird vor allem der Vergleichsstandard der im vornherein ge­hegten Erwartungen (expectations) herangezogen. Das heiSt, es wird nach dem Abfrage­schema gearbeitet: "Was erwarten Sie von der Leistung?" (vor Gebrauch) und "Haben sich Ihre Erwartungen erfiillt?" (nach Gebrauch). Die Erwartungen des Kunden ergeben sich als individuelles Anspruchsniveau in der jeweiligen Nachfragesituation sowie durch vielfaItige EinfluSfaktoren wie dem Image eines Anbieters oder dem Wissen urn Substitutionsangebote. Der Anbieter selbst kann ebenfalls Einflu6 auf die Erwartungen seiner Kunden nehmen, insbesondere durch seine Kommunikationspolitik, zurn Beispiel durch explizit geiiu6erte Garantie- und Serviceversprechen (z. B. ,,Rund-urn-die-Uhr­Service"). In der praktischen Anwendung des CID-Paradigmas treten nur dann Probleme auf, wenn der Kunde vor dem Kauf noch nicht iiber seine Erwartungen nachgedacht und sich dariiber eine Meinung gebildet hat.

Kundenzufriedenheitsmessungen anhand der Equity Theorie basieren auf der Annahme, daB der Kunde nicht ein Objekt, sondem vielmehr die Ausgeglichenheit einer Aus­tauschsituation beurteilt: Er miSt seinen eigenen Einsatz (Geld, Transaktionskosten) und sein damit erzieltes Ergebnis (Wert der erhaltenen Leistung) mit den Einsiitzen seiner 'Mitspieler'. Zufriedenheit entsteht dann, wenn die Austauschbeziehung als gerecht oder fair empfunden wird beziehungsweise zu seinen eigenen Gunsten entschieden wer­den kann. Dieses Konstrukt der Kundenzufriedenheit bietet sich immer dann an, wenn die Zufriedenheit nicht nur mit einem einzelnen Produkt, sondem die Zufriedenheit mit einem persOnlichen Ansprechpartner oder mit dem Partner einer Geschliftsbeziehung im Mittelpunkt steht. Gerade im Dienstieistungsbereich werden Leistungen und Transakti­onen nicht isoliert erlebt, sondem hiiufig in Zusammenhang mit frUheren Erfahrungen mit demjeweiligen Anbieter.4

Die Attributionstheorie geht davon aus, daB Kunden immer nach GrUnden fUr positive oder negative Erfahrungen beim Konsurnerlebnis suchen. Beispielsweise scheint ein Kunde zufriedener zu sein, wenn er fUr die ursiichliche Entscheidung selbst verantwort­lich war, als wenn er andere dafiir verantwortlich macht. Der Kunde beriicksichtigt in seiner Bewertung dabei die Einflu6mOglichkeit des Untemehmens: Wenn ein Ereignis durch das Untemehmen weitgehend beeinfluS- und kontrollierbar ist (wie die Freund­lichkeit der Mitarbeiter), iiuSert er deutlichere Zufriedenheits- oder Unzufriedenheits­werte als bei negativen Erlebnissen, fUr die das Untemehmen aus Sicht des Kunden nichts kann - hier lii6t der Kunde oft Nachsicht walten, es entsteht nicht unbedingt Un­zufriedenheit.

3 V gl. im Oberblick und im Folgenden Homburg, Ch., Rudolph, B., Theoretische Perspektiven, S. 35ff. 4 Vgl. Stauss, B., Seidel, W., Zufriedenheitsermittiung, S. 194.

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204 BEATE VON VELSEN-ZERWECK

3. Probleme ffir das zeitnahe Controlling der Kundenzufriedenheit

3.1. Kundenzufriedenheit als ex-post-Beurteilung

Die Kundenzufriedenheit ist ein "Nachkaufphanomen": Unabhangig davon, wann die Erwartungen des Kunden abgefragt werden (ex-ante oder ex-post), mussen zur Ermitt­lung der Zufriedenheit zunachst Erfahrungen mit dem zu beurteilenden Objekt gemacht werden, urn sie mit den Erwartungen vergleichen zu konnen. Diese ex-post-Beurteilung der Ist-Leistung kann daher in der Regel friihestens direkt nach dem Kauf oder der Leis­tungserstellung erfolgen, ist also immer vergangenheitsorientiert. Einige Automobilun­temehmen befragen ihre Kaufer erst nach Monaten, nachdem diese den Neuwagen flir eine genugend lange Zeit ilUsprobieren konnten. Dies mag ffir einige Produkte als zeit­nah genug erscheinen, zu wunschen ware jedoch im Sinne eines zeitgerechten Control­lings, das zum Ziel hat, aus den Erkenntnissen schnellstmoglich Veranderungen abzulei­ten, die Messung der Kundenzufriedenheit zu einem moglichst friihen Zeitpunkt. Tur­nusmaBige Befragungen werden in schnellebigen Branchen daher bereits im Quartals­rhythmus durchgeflihrt.

Ein ahnliches ex-post-Problem tritt bei der Erfassung der Erwartungen in friihen Phasen der Produktentwicklung auf: Kunden haben zu vielen Leistungen oder Produkten keine oder noch keine Erwartung, so daB sich die Messung ihrer Zufriedenheit zusatzlich urn einen mehr oder weniger langen Zeitraurn der Erwartungsbildung verlangert.

Auch andere Ansatze, die zur Messung der Kundenzufriedenheit nicht den Erfiillungs­grad von Erwartungen heranziehen, sondem mit anderen Kriterien arbeiten, konnen das Problem der Vergangenheitsorientierung nicht umgehen: Die Messung objektiver Krite­rien wie Umsatz, Marktanteil oder Abwanderungsrate kann uber die Zufriedenheit erst relativ spat Auskunft geben, auch die Analyse des Beschwerdeverhaltens der Kunden oder die Befragung von Verkaufem findet ffir eine erwiinschte Reaktion auf die im Moment erlebte Unzufriedenheit relativ spat statt.

3.2. Dynamik der Kundenzufriedenheit

Kundenzufriedenheit ist nicht statisch. Die Dynarnik resultiert im CID-Paradigma einer­seits aus der veranderten Wahmehmung von Ist-Leistungen, andererseits bereits aus der sich im Zeitablauf andemden Erwartungshaltung, der Soll-Leistung. Erwartungen an­dem sich mit den EinfluBfaktoren flir das Anspruchsniveau einer Person, typischerweise mit dem Alter, oder mit den vorher gemachten Erfahrungen: Wer beim ersten Mal schlecht bedient wurde, stellt beim zweiten Mal niedrigere Erwartungen als vorher und ist dann eventuell positiv uberrascht. Ffir ein zeitgerechtes Controlling ergibt sich die Schwierigkeit, daB Kundenzufriedenheitsmessungen wegen ihrer relativ aufwendigen und daher selteneren Durchflihrung meistens der Dynarnik von Erwartungen und realer Kundenzufriedenheit hinterherhinken.

Auch die Anderung extemer EinfluBfaktoren auf die Erwartung des Kunden, wie techni­scher Fortschritt, verbesserte Garantieversprechen, das Verhalten anderer Untemehmen im Markt (beispielsweise deren aggressive Preissetzung) oder eine veranderte wirt­schaftliche Lage im allgemeinen erzeugen dynamische Erwartungshaltungen bei Kun­den, die sich bei gleichbleibendem Leistungsniveau in erhohter oder verrninderter Kun-

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ZEITNAHES CON1ROLLING DER KUNDENWFRIEDENHElT 205

denzufriedenheit niederschlagen. Fur die Praxis heiBt dies, daB flir ein aussagekriiftiges Controllingsystem zusatzlich untersucht werden muBte, ob bessere Kundenzufrieden­heitswerte tatsachlich auf Leistungsverbesserungen oder nur auf verminderte Erwar­tungshaltungen zUrUckzuflihren sind und umgekehrt.

3.3. Nicht-Isolierbarkeit von Kundenzufriedenheit

Der Kunde beurteilt eine Dienstleistungstransaktion nicht nur im Gesamten, sondem bildet auch fUr einzelne Schritte der Dienstleistungstransaktion (zwischengeschaltete) Zufriedenheitswerte. So entsteht schon nach dem ersten ProzeBschritt, beispielsweise der BegrtiBung im Restaurant, fUr den Kunden ein Zwischenwert seiner Zufriedenheit, den er durchaus in Verbindung mit den folgenden ProzeBschritten der Bestellaufnahme und des Servierens setzen wird. Ob und in welcher Starke und Richtung sich diese Zwi­schenwerte beeinflussen und sich am Ende der gesamten Dienstleistungstransaktion zu einer Gesamtzufriedenheit aufaddieren lassen, ist flir das einzelne Untemehmen kaum in praktikabler Form nachvollziehbar. Auch in der Literatur sind Ausstrahlungseffekte (Ha1o-Effekte) der Kundenzufriedenheit von einem zum nachsten ProzeBschritt noch weitgehend ungekl!irt oder umstritten. In Krankenhausem zeigte sich zum Beispiel: Je langer die Wartezeit von den Patienten bei der Aufnahme empfunden wird, desto schlechter wird das Aufnahmepersonal in Bezug auf Hoflichkeit und Hilfsbereitschaft wahrgenommen und umgekehrt.5

Zusatzlich kommt erschwerend hinzu, daB die kumulierte Kundenzufriedenheit mit ei­ner Gesamttransaktion, wiederum insbesondere im Dienstleistungsbereich, nicht nur von den Transaktionen im eigenen Untemehrnen abhangig ist, sondem auch von den Kundenkontakten und Leistungen anderer, vor- oder nachgelagerter Anbieter.

4. Moglichkeiten des zeitnahen Controllings der Kundenzufriedenheit bei Dienstleistern

Der Zeitpunkt der Messung der Kundenzufriedenheit ist insofem relevant, als die zeit­nahe Information uber den Grad der Zufrieden- und Unzufriedenheit beitragen kann, eine Kundenabwanderung im vomherein zu vermeiden.

4.1. Einsatz ereignis- und merkmalsorientierter Verfahren zur parallelen Kundenzufriedenheitsmessung im gesamten Dienstleistungsproze8

Ereignisbezogene Verfahren analysieren die Kundenmeinung nach einem bestimmten Ereignis wie nach der Bestellung, der Beratung oder sonstiger Serviceleistung.6 Die In­teraktion mit dem Kunden wird zerlegt in sequentielle Ereignisse. Mithilfe der sequen­tiellen Ereignismethode wird das Erlebnis des Kunden an einzelnen Kontaktpunkten und des sen Auswirkungen auf seine Zufriedenheit untersucht. Allerdings findet diese prozeBorientierte Befragung des Kunden in der Regel im nachhinein statt: Der Kunde wird gebeten, sich den Leistungsablauf gedanklich noch einrnal vor Augen zu flihren und seine Erlebnisse zu schildem sowie die jeweiligen Ergebnisse eines ProzeBschritts

5 Vgl. zurn Problem der Halo-Effekte die zitierten Studien bei Stauss, B., Seidel, W., Zufriedenheitser­mittlung, S. 199ff.

6 Verschiedene Verfahren werden erlliutert bei Engelmann, M., MUller, H., MeBmethoden, S. 42ff.

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206 BEATE VON VELSEN-ZERWECK

positiv oder negativ zu bewerten. FUr das zeitnahe Controlling hat dies zwar den Vor­teil, Schwachstellen genauer lokalisieren zu konnen, allerdings wird der Zufrieden­heitswert erst am Ende der gesamten Ereigniskette in Erfahrung gebracht.

Die prozeBorientierte Zufriedenheitsmessung bei Dienstleistern hat als Voraussetzung, daB zunachst der gesamte Dienstleistungstransaktion als ProzeB definiert und sodann in einzelne ProzeBschritte zerlegt werden muB, urn danach die jeweiligen Zufriedenheiten (zeitnah oder -versetzt) durch Schilderung des Erlebten abzufragen.7 Ein gangiges Bei­spiel ist die Zerlegung des Kundenprozesses im Hotel in: Check-in, Ankunft und Auf­enthalt im Zimmer, Restaurantbesuch, UbeI1lll&!!!!!ng, Einnahme d,es Friihsrucks und Check-out. Befragungen zu Teil- und Gesamtzufriedenheiten zurn Zeitpunkt der Been­digung eines Projektschritts sowie faktoranalytische Untersuchungen zeigen dann zum Beispiel, daB das Erleben des jeweils ietzten ProzeBschritts den hOchsten EinfluB auf die aktuelle Gesamtzufriedenheit eines Kunden hat.8

Damit die ereignisorientierte Messung in der-ITaxis einen hOheren Beitrag fUr ein zeit­nahes Controlling leisten kann, muB die Moglichkeit in Betracht gezogen werden, die

. Erhebung der Teil- und Gesamtzufriedenheit nicht erst am Ende des gesamten Leis­tungsprozesses durchzufUhren, sondern bereits nach AbschluB einzelner, kritischer Pro­zeBschritte. Die Kombination mit merkrnalsorientierten Verfahren, bei denen den Be­fragten Merkrnalslisten vorgelegt werden (zum Beispiel sollen Freundlichkeit und Kompetenz des Personals auf einer geschlossenen Zufriedenheitsskala bewertet wer­den), bietet sich an, urn zusatzlich zu den offenen und schwieriger auswertbaren Ereig­nisschilderungen des Kunden auch standardisierbare und vergleichbare Daten fUr einen Langsschnittvergleich oder fUr ein Benchmarking zu erhalten. Weiterhin muB die schnelle Auswertung der einzelnen erfaBten Zufriedenheitswerte gewahrleistet sein, so daB noch im TransaktionsprozeB bereits auf Unzufriedenheitswerte in vorangegangenen Episoden der Kundenkontaktkette reagiert werden kann~ insbesondere wenn die Mog­lichkeit beriicksichtigt wird, daB die Zufriedenheit mit vorangegangenen Erlebnissen auf nachfolgende Transaktionen ausstrahlt.

Dienstleister besitzen hier einen nicht zu vernachlassigenden Vorteil gegentiber anderen Unternehmen: Da der Kunde, der eine Dienstleistung nachfragt, am Leistungserstel­lungsprozeB selbst beteiligt ist, kann sein Zufriedenheitsgrad in einzelnen ProzeBschrit­ten haufiger und leichter erfaBt werden als dies bei einem anonymen Produktkauf der Fall ist. So kann auch gewlihrleistet werden, daB nicht nur die "kritischen Ereignisse" erfaBt werden, sondern auch die sogenannten "kleinen oder gewohnlichen Ereignisse", die in ihrer Summe dennoch die Gesamtzufriedenheit beeinflussen. Die Abfolge des nachsten Schrittes einer Transaktion im Dienstleistungskonsum kann sogar in Abhan­gigkeit von der erfolgten .AuBerung seiner bisherigen Zufriedenheit gestaltet werden.

Hierbei gilt es, das bereits geschilderte Problem der Nicht-Isolierbarkeit von Zufrieden­heitssequenzen zu beriicksichtigen: Sofern sich der DlenstleistungsprozeB fUr den Kun­den tiber mehrere Wertschopfungsstufen erstreckt und verschiedene interne oder externe Dienstleister am ProzeB beteiIigt sind, sollte die Zufriedenheitsmessung bereits an der friihest moglichen Stelle im TransaktionsprozeB ansetzen. Hier mtiBte durch ein Uber­gabeverfahren der Informationsaustausch gewahrleistet werden, so daB nachfolgende

7 Vgl. Stauss, B., Seidel, W., Zufriedenheitsermittlung, S. 207f. 8 Vgl. Danaher, P., Mattsson, J., Customer Satisfaction, S. 4ff.

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ZErrNAHES CONlROUlNG DER KUNDENZUFRIEDENHEIT 207

Leistungserbringer tiber den Verlauf und die Zufriedenheit des Kunden in vorhergehen­den ProzeBschritten informiert sind. Die aufeinander abgestimmte Zufriedenheitsmes­sung tiber mehrere Stufen des Wertschtipfungsprozesses hinweg als ein Ziel des zeitna­hen Controllings mtiBte deutlich forciert werden, insbesondere wenn die vermehrte Zu­sammenarbeit in virtuellen Organisationsstrukturen das Problem einer zentralisierten Kundenzufriedenheitserfassung aufwirft.

4.2. Langfristige Verbesserung der Vorsteuergro6en der zukiinftigen Kundenzufriedenheit

Da die Analyse der Kundenzufriedenheit immer vergangenheitsorientiert verlliuft, ist fUr ein zeitgerechtes Controlling die Erweiterung der MeBverfahren notwendig: Die Vor­aussetzungen oder VorsteuergrtiBen fUr zuktinftige Kundenzufriedenheit mtissen ermit­telt und anschlieBend gestaltet werden. Die Ermittlung der Anforderungen fUr eine zu­ktinftige erfolgreiche Kundenbeziehung kann in die tibliche Kundenzufriedenheitsbefra­gung integriert werden, die urn den- Fragekomplex zuklinftiger Schllisselanforderungen erweitert wird.9

Langfristig verschiebt sich durch die zukunftsorientierte Betrachtung im Kundenzufrie­denheitscontrolling der Schwerpunkt von der Messung der Kundenzufriedenheit als primlires Ziel auf die grundlegende Verbesserung von Ablliufen, so daB die kritischen Erfolgsfaktoren aus Kundensicht positiv verlindert werden.

Besondere Relevanz fUr die Gestaltung der VorsteuergrtiBen der Kundenzufriedenheit bei Dienstleistem hat die ganzheitliche Gestaltung der Geschliftsbeziehung zwischen Dienstleister und Kunde. Hier liegt die Uberlegung der Equity Theory zugrunde, daB fUr den Kunden eines Dienstleistems nie allein die Einzelleistung als isoliertes Objekt zlihlt und beurteilt wird, sondem daB gerade die zuklinftige Kundenzufriedenheit in starkem MaBe von der gesamten bisherigen Beziehungsgtite beeinfluBt wird. Die Gestaltung der Gesamtbeziehung, die geprligt wird durch die Art des perstinlichen Umgangs miteinan­der oder die bisherige Reaktion des Dienstfeisters auf Wtinsche und Beschwerden, scheint hliufig prliventiv splitere Unzufrieftenheit bei negativen Erlebnissen vermeiden zu helfen. So geben Patienten von ambulariten Pflegediensten, befragt nach der Wich­tigkeit von Merkmalen fUr ihre Zufriedenheit, an, die Freundlichkeit des Personals und die Zeit, die man bei ihnen verbringe, seien die entscheidenden Faktoren noch vor der Gtite der eigentlichen Leistung selbst. Diejenigen Faktoren, die zur Zufriedenheit oder Unzufriedenheit ftihren ktinnen (sogenannte 'criticals' im Gegensatz zu 'neutrals', deren unterschiedliche Ausprligungen keinen EinfluB auf den Zufriedenheitsgrad haben), dif­fererieren zwar von Branche zu Branche; dennoch ktinnen einige standardisierte Instru­mente, wie z. B. SERVQUAL als das einfluBreichste Instrument der amerikanischen Praxis, bei dienstleistenden Untemehmen branchenunabhlingig erglinzend zu selbstent­wickelten attributiven Verfahren eingesetzt werden. Ftir Banken, Restaurants oder Airli­nes, deren Kunden tendenziell als relativ loyal gelten, bietet es sich daher an, erglinzend zur Zufriedenheit mit einzelnen Leistungen die gesamte Geschliftsbeziehung vom Kun­den bewerten zu lassen, urn sie den zuklinftigen Anforderungen entsprechend zu verbes­sem.

9 Vgl. z. B. das vierstufige MeBverfahren bei Topfer, A., China, R., Kundenzufriedenheitsfalle, S. 13.

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208 BEATE VON VELSEN-ZERWECK

5. Schlu6betrachtung

AbschlieBend kann festgehalten werden, daB die zeitnahe Messung der Kundenzufrie­denheit bei Dienstleistem kein geringes Problem darstellt. Neben der Auswahl eines adiiquaten Methoden-Mixes zur Konkretisierung des Phiinomens Kundenzufriedenheit (in der Literatur wird davon ausgegangen, daB weder die ereignis- noch die merkmals­orientierte Methode die Zufriedenheit alleine zuverliissig erfassen kann)lO, stellt sich die Frage, wie die Messung und Auswertung tiber mehrere Dienstleistungserbringer hinweg organisiert werden kann. Nicht berticksichtigt wurde weiterhin die Fragestellung, wel­chen EinfluB die Kundenzufriedenheit tatsiichlich auf untemehmerische Ziele wie Kun­denbindung, Wiederkauf und Cross-Selling besitzt. Untersuchungen zeigen, daB hohe Kundenzufriedenheit alleine nicht ausreicht, urn Kunden langfristig zu binden: die An­bieter- und Markentreue von Kunden ist vielmehr von einer Vielzahl von EinfluBgroBen abhiingig: Eine abnehmende Treue kann hiiufig in stiirkerem MaB durch Phiinomene wie 'Variety seeking', das des 'Smart Shoppers' oder zunehmende Markttransparanz oder Erlebnisorientierung der Kunden erkliirt werden als durch den Grad der Kundenzufrie­denheit. Der Einsatz prozeBorientierter MeBmethoden, die verstiirkte Konzentration auf VorsteuergroBen zuktinftiger Kundenzufriedenheit sowie die Berticksichtigung nicht nur der Objektzufriedenheit, sondem der gesamten Geschiiftsbeziehung von Anbieter und Nachfrager, kann gerade fUr Dienstleister geeignet sein, eine zeitnahe Betrachtung des Phiinomens Kundenzufriedenheit umzusetzen.

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Topfer, A. (Hrsg.); (Kundenzufriedenheit); Kundenzufriedenheit messen und steigem, Neuwied 1996. Topfer, A., China, R.; (Kundenzufriedenheitsfalle); Die Kundenzufriedenheitsfalle. Wie man hohe Kun­

denzufriedenheit in hohe Kundenbindung und hohe Gewinne urnsetzt, in: Der Markt 199711, 36. Jg., Nr. 140, S. 11-20.

10 Vgl. Engelmann, M., MUller, H., MeBmethoden, S. 49.

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Darstellung okologischer Komponenten im Total Quality Management - Auf dem Weg zum Total Quality Environmental Management

Dr. Stefan Odenthal* und Prof. Dr. Bernt R. A. Sierke**

1. Einfiihrung

2. Total Quality Management

3. Okologieorientiertes Management

4. Okologieorientierung im Rahmen von TQM

4.1. Diskussionsansatz und Konstruktion eines Bezugsrahmens

4.1.1. Zusammenhang von Qualitat und Umweltschutz

4.1.2. Bezugsrahmen

4.1.2.1. Systemtheoretische Voriiberlegungen 4.1.2.2. Konkretisierung des Qualitatsverstandnisses und Abgren­

zung 5kologischer Komponenten im TQM

4.2. Okologische Komponenten im TQM

4.2.1. Ftihrung

4.2.2. Politik und Strategie

4.2.3. Kundenorientierung

4.2.4. Mitarbeiterorientierung

4.2.5. Gesellschaftsorientierung

4.2.6. Ressourcenmanagement

4.2.7. ProzeBmanagement

4.3. Okologie als strategischer Qualitatsfaktor

4.4. Problemstellungen und Einschrankungen der Betrachtungsweise

5. TQM-Anforderungsprofil und Gestaltungsansatze

6. SchluBbetrachtung

* Dr. Stefan Odenthal, geb. 1969 in Braunschweig, Stammhauslehre zum Industriekaufmann bei der Siemens AG in Braunschweig, Berlin, MUnchen, Studium der Betriebswirtschaftslehre und Rechtswis­senschaft in GOttingen, Diplom-Kaufinann 1995, Doktorand am Institut fUr Betriebswirtschaftliche Produktions- und Investitionsforschung, Promotion 1998, einjiibrige Tlitigkeit in der Untemehmens­planung der Stinnes AG in MiilheimIRuhr, Training und Consulting fUr die Siemens AG, das BiI­dungswerk der Niederslichsischen Wirtschaft gGmbH und UNICconsult Untemehmensberatung GmbH, Mitbegriinder des Consulting Team GOttingen e. V.

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210 STEFAN ODENTHAL UNO BERNT R. A. SIERKE

** Prof. Dr. Bernt R. A. Sierke, geb. 1959 in Gottingen, Studium der Betriebswirtschaftslehre in Gottin­gen, Diplom-Kaufmann 1985, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut fur Betriebswirtschaftliche Produktions- und Investitionsforschung, Promotion 1990, Akademischer Rat am selben Institut, Trai­ning und Consulting, Mitbegriinder und Vizekanzler der PRIVATEN FACHHOCHSCHULE GOTTINGEN, seit 1995 Geschaftsfiihrender Partner der UNICconsult Unternehmensberatung GmbH, 1998 Berufung zum Professor an der PRIVATEN FACHHOCHSCHULE GOTTINGEN, Lehrstuhl Industrielles Management, Rechnungswesen und Controlling, seit 1999 Prasident der Hochschule.

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DARSTELLUNG OKOLOGISCHER KOMPONENTEN 1M TOTAL QUALITY MANAGEMENT 211

1. Einfiihrung

Mit dem Total Quality Management (TQM) ist ein Managementkonzept entstanden, das ein umfassendes Qualitiitsverstiindnis in den Mittelpunkt der unternehmerischen Uber­legungen stellt. Einzug in die unternehmerischen Uberlegungen hat auch zunehmend der Begriff der Okologie erhalten. Steigendes UmweltbewuBtsein innerhalb der Gesell­schaft, gesetzliche Auflagen zurn Schutz ·der Umwelt' und wachsende Erkenntnis der Unternehmenz sowohl iiber die Notwendigkeit als auch iiber die Chancen einer aktiven Okologieorientierung haben den Umweltschutz zu einem Wettbewerbsfaktor heranrei­fen lassen. Als Konsequenz daraus ergibt sich die erforderliche Einbeziehung einer nachhaltigen Okologieorientierung in heutige Managementkonzeptionen.

Qualitiitsausrichtung einerseits und Okologieorientierung andererseits legen den Gedan­ken nahe, QuaIitiit und UmweItschutz im Rahmen eiues zeitgerechten Management zu­sammenhiingend zu betrachten. Dieser Gedanke spiegelt sich in der vorwiegend in den Vereinigten Staaten gefiihrten Diskussion urn ein Total Quality Environmental Mana­gement (TQEM) wider. Als moglicher Ansatzpunkt bietet sich aufgrund des ganzheitli­chen Charakters das Konzept des Total Quality Management an. 1m Vordergrund der Untersuchung steht der Versuch, okologische Komponenten im Total QUality Manage­ment aufzuzeigen und die Bedeutung der Okologie als strategischen Qualitiitsfaktor her­auszustellen. Den Diskussionsansatz liefert der Zusammenhang zwischen Qualitiit und Umweltschutz. Der Aufbau eines Bezugsrahmens unterstiitzt die Erarbeitung und Dar­stellung der 6kologischen Komponenten im TQM. Die Abwiigung zwischen der Her­ausstellung der Okologie als strategischen Qualitiitsfaktor und den Problemen und Ein­schriinkungen der dieser Arbeit zugrunde gelegten Betrachtungsweise mUndet in einem TQM-Anforderungsprofil, welches okologische Gesichtspunkte beriicksichtigt.

2. Total Quality Management

Urn den durchaus unterschiedlichen Total-Quality-Ansiitzen Rechnung zu tragen, wird in der Literatur Qualitiit oftmals gleichgesetzt mit der Erfiillung von Kundenanforderun­gen.3 Zielkriterium ist ein hoher Kundenzufriedenheitsgrad Dabei wird zwischen inter­nen und externen Kunden unterschieden, deren verschiedene Anforderungen es zu erfiil­len gilt. Qualitiit wird damit zu einer relativen GrOBe; die Qualitiitsbeurteilung erfolgt unter Heranziehung von internen und externen Anforderungen. Die Relativierung des Qualitiitsbegriffes ermoglicht die notwendige differenzierte Betrachtung der dem Quali­tiitsverstiindnis zugrunde gelegten Gegenstandsbereiche sowie der fUr diese relevanten Anforderungskategorien.4

Fiir den vorIiegenden Beitrag werden die Qualitat der Produkte und Dienstleistungen, die Qualitiit der Prozesse, die Qualitat der Arbeit(sbedingungen) und die Qualitat der

I 1m folgenden wird - sofern nicht anders vermerkt - unter Umwelt immer die okologische Umwelt ver­standen.

Z 1m folgenden werden die Begriffe Unternehmen, Unternehmung und Betrieb synonym verstanden. 3 Vgl. z. B. Wildemann, H., Qualitlltsentwickiung, S. 18; Oakland, I. S., TQM, S. 4ff; Schildknecht, R.,

TQM, S. 98; Haist, F., Fromm, H., Qualitllt, S. 5. 4 Vgl. Wildemann, H., Qualitlltsentwickiung, S. 18f.

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212 STEFAN ODENlHAL UND BERNT R. A. SIERKE

AufJenbeziehungen einer Untemehmung als Gegenstandsbereiche gewiihlt.s Neben der Ergebnisorientierung erfolgt die dafiir notwendige Orientierung an den Leistungserstel­lungsprozessen. Die BerUcksichtigung der Qualitiit der Arbeit sowie die der Au1\enbe­ziehungen erscheint im Hinblick auf die veriinderten untemehmerischen Rahmenbedin­gungen gerechtfertigt. So ist zurn einen dem veriinderten Verhiiltnis von Mensch und Arbeit und zurn anderen dem gestiegenen gesellschaftspolitischen Problembewu1\tsein in der Bevtl1kerung Recbnung zu tragen.6 Ais Anforderungskategorien ergeben sich in Anlebnung an SCHllDKNECHT technisch-funktionale, sozial-normative und wirtschaftli­che Kriterien.7 Wesentlich ist, da6 die einzelnen Definitionselemente des erweiterten Qualitiitsbegriffs nicht unabbiingig voneinander sind. Vielmehr handelt es sich urn eine akzentuierende Abgrenzung.8

TQM wird als ganzbeitlicher Management-Ansatz aufgefa6t, der die Erftlllung siimtli­cher Qualitiitsanforderungen anstrebt. Einen ersten Hinweis iiber die hinter dem TQM­Konzept stehende Philosophie liefert die intemationale Begriffsdefinition der DIN ISO 8402. Sie definiert TQM als eine "auf der Mitwirkung aller ihrerMitglieder beruhende Fiihrungsmethode einer Organisation, die Qualitiit in den Mittelpunkt stellt und durch Zufriedenstellung der Kunden auf langfristigen Geschilftserfolg sowie auf Nutzen fUr die Mitglieder der Organisation und fUr die Gesellschaft zielt.'" Der mit dieser Begriffs­definition bereits angedeutete umfassende Charakter von TQM kann weiter verdeutlicht werden, wenn die einzelnen Komponenten des TQM-Begriffs betrachtet werden.IO Mit Total' wird das ganzheitlicheDenken im TQM angesprochen. Neben der Kunden-, Mit­arbeiter- und Gesellschaftsorientierung kommt einer bereichs- und funktionsiibergrei­fenden Betrachtung innerhalb des Untemehmens eine entscheidende Bedeutung zu. 'Quality' bringt das zugrunde liegende umfassende Verstiindnis von Qualitiit zurn Aus­druck; Qualitiit ist die SchltlsselgrtlBe fUr den Untemehmenserfolg. 'Management' betont die Bedeutung des Fiihrungsaspektes fUr die TQM-Konzeption.1I

S In der Literatur finden sich zahlreiche EingtenzungsmOglichkeiten der Gegenstandsbereiche des Quali­tlltsbegriffs. Die Auswahl erfolgt in AnIehnung an die von ZINK und SCHllDKNBCIIT thematisierten In­halte des erweiterten Qualitlltsbegriffs (vgl. Zink, K. J., Qualitllt, S. 15ff; derselbe, TQM­Begriffsklilrung, S. 10; Schildknecht, R., TQM, S. 102ff).

6 VgI. Schildknecht, R., TQM, S. 52ff; Oess, A., Quality, S. 17ff; Hinz, R., Bankrott, S. 65ff. 7 Technisch-funktionaIe Kriterien beschreiben z. B. Anforderungen an die Funktionsfiihigkeit eines

Produktes. Sozial-normative Kriterien kOnnen z. B. humane Arbeitsbedingungen, die Umweltbelas­tung oder die Handhabung von Interessenkonflikten zum Inhalt haben (vgl. Schildknecht, R., TQM, S. 1OSff). Unter BerDcksichtigung der Okonomischen Zielsetzung einer Unternehmung sind slimtliche Aspekte der Qualitllt an wirtschaftliche Kriterien zu knUpfen. BLOBCH und LOCKE sprechen in diesem Zusammenhang von der 'wirtschaftlichen Qualitllt' (vgJ. Bloech, J., LUcke, W., Produktionswirtschaft, S. 22lfu. S. 23S).

8 Vgl. Pfeifer, T., Qualitlltsmanagement, S. 452; Engelhardt, W. H., Schlitz, P., Total Quality, S. 395f. 9 Deutsches Institut fIIr Normung e. V., DIN ISO 8402 E. 03/92, S. 25. Fiir die weitergehenden Oberle­

gungen erscheint eine Arunerkung zu dieser Begriffsdefinition interessant. Mit dem 'Nutzen fIIr die Gesellschaft' werden aile Forderungen der Gesellschaft angesprochen, welche - explizit angemerkt -den Bezug zum Umweltschutz sowie zur Erhaltung von Energie- und natiirlichen Hilfsquellen enthal­ten (vgl. ebenda, Arunerkung 4 zum Begriff Totales Qualitlltsmanagement, S. 26 sowie Arunerkung 1 zum BegriffForderungen der Gesellschaft, S. IS).

10 Vgl. Leavitt, J. S., Nunn, P. C., Quality, S. 11; Kamiske, O. F., Malomy, C., TQM, S. 9f. 11 Vgl. Kamiske, O. F., MaIomy, C., TQM, S. 9f.

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DARSTELLUNG dKOLOGISCHER KOMPONENlEN 1M TOTAL QUALITY MANAGEMENT 213

Von den zahlreichen EinfluBgroBen einer solchen umfassenden Qualitatsphilosophie kommt dem sog. "never ending quality improvement"12 eine besondere Bedeutung zu. Das Prinzip der standigen Verbesserung wurzelt in dem japanischen Kaizen-Ansatz. "Die Botschaft von Kaizen heiBt, es soll kein Tag ohne irgendeine Verbesserung im Untemehmen vergehen.'0i3 Dabei ist hervorzuheben, daB damit eine kontinuierliche Ver­besserung in kleinen Schritten angesprochen ist, die ihren Ansatzpunkt vor allem bei den einzelnen Mitarbeitem des Unternehmens findet. 14

Zur Ableitung der bedeutenden TQM-Elemente wird sich an den European Quality A­ward angelehnt, der von der European Foundation for Quality Management (EFQM) einmal jahrlich " ... dem erfolgreichsten Exponenten des Umfassenden Qualitatsmana­gements [TQM] in Westeuropa verliehen wird."ls Dem europaischen TQM-Modell, an­hand dessen Untemehmen eine Selbstbewertung der unternehmerischen Aktivitaten und Ergebnisse vornehmen konnen, ist inhaltlich zu entnehmen, daB "Kundenzufriedenheit, Mitarbeiterzufriedenheit und Auswirkungen auf die Gesellschaft erzielt werden, durch Ftihrung, welche Politik und Strategie, Mitarbeiterfiihrung, Ressourcen und Prozesse lenkt, was schlieBlich zu herausragenden Geschliftsergebnissen fUhrt."16 Ankntipfend an diesen Modellinhalt werden die Fuhrung, die Politik und Strategie, die Kunden-, Mitar­beiter- sowie Gesellschaftsorientierung, das Ressourcenmanagement und das Prozefi­management als wesentliche Elemente fUr ein erfolgreiches Total Quality Management erachtet. 17

3. Okologieorientiertes Management

Unter okologieorientiertem Management soll die Summe aller Unternehmensaktivitaten verstanden werden, die auf die Bewahrung und Regeneration der narurlichen Umwelt, die Vermeidung und Begrenzung schadhafter Umwelteinwirkungen sowie die Wahr­nehmung von Unternehmenschancen ausgerichtet sind. IS Der Schutz der narurlichen Umwelt vor Schadigung wird als oberstes Ziel der Okologieorientierung von Unterneh­men angesehen. Dieses Ziel kann durch die Bestandteile Ressourcenschutz, Emissions­begrenzung und Risikobegrenzung als okologische Zieldimensionen konkretisiert wer­den. 19 Unmittelbar damit verbunden ist dieZielsetzung einer okologischen Effizienz. Die mit der Leistungserstellung verbundenen Ziele sind unter Minimierung von Stoff­durchsatz und Umweltbelastung zu erreichen.20 In der Verfolgung okologieorientierter Ziele ist auch eine Chance zur Verbesserung okonomischer Ziele zu sehen.21 Zu denken

12 Wildemann, H., Qualitlitsentwicklung, S. 35. LEA VITI' und NUNN weisen darauf hin, daB Verbesserung der TQM-Philosophie an sich schon innewohnt, " ... because quality is dynamic." (Vgl. Leavitt, J. S., Nunn, P. C., Quality, S. 11).

13 Imai, M., Kaizen, S. 24. 14 Vgl. ebenda, S. 27ff; Augustin, S., Kaizen, S. 164f; Hannam, R. G., Kaizen, S. 94. IS European Foundation for Quality Management, TQM, S. 2. 16 Ebenda, S. 3. 17 Vgl. European Foundation for Quality Management, Self-Assesment, S. 9ff. 18 Zur ausfiihrlichen Begriffsbestimmung vgl. Meffert, H., Kirchgeorg, M., Umweltmanagement, S. 15ff. 19 Vgl. Dyllick, T., Herausforderung, S. 35; Hopfenbeck, W., Management, S. 145. 20 Vgl. Dyllick, T., Unternehmungsfiihrung, S. 397. 21 Vgl. Schreiner, M., Umweltmanagement, S. 38; Schnorbus, A., Einleitung, S. 12. Auf die moglichen

Zielkonflikte zwischen okologischen und okonomischen Zielsetzungen ist hier ebenfalls hinzuweisen. Nach einer Untersuchung von KIRCHGEORG sind diese vor allem bei Zielen der kurzfristigen Gewin­nerzielung und der Kostenreduzierung zu sehen (vgl. Kirchgeorg, M., Unternehmensverhalten, S.238t).

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214 STEFAN ODENTHAL UND BERNT R. A. SIERKE

ist z. B. an eine Erlosverbesserung durch den Absatz neuer okologischer Produkte oder das ErschlieBen neuer Mlirkte, an das Ziel der Kostensenkung durch Einsparung von Materialien, Betriebsstoffen oder AbfaIlen, an Einsparungen aufgrund des Einsatzes umweltfreundlicher und zugleich kostengUnstigerer Produktionsverfahren.

Die Frage nach der betrieblichen Ausgestaltung des Umweltschutzes solI unter folgen­den Prlirnissen erortert werden:

• Dem Umweltschutz wird von den Untemehmen eine aufgeschlossene Grundhaltung entgegengebracht. Okologieorientiertes Management ist eine feste GroBe im Rahmen der UntemehmensfUhrung.

• Die Erorterung konzentriert sich auf einige wesentliche Aspekte eines okologieorien­tierten Management. Eine Auseinandersetzung mit den zahlreichen unterschiedlichen Oko-Management-Konzepten entfaIlt.

Wenn von Umweltschutz als Fuhrungsaufgabe gesprochen wird, dann wird damit auf die planmiiBigen strategischen und operativen Umweltaktivitaten abgestellt, welche von den FUhrungsebenen zur Vorbeugung, Reduzierung und gegebenenfalls zur Beseitigung von Umweltbelastungen zu initiieren sind.22 Steht auf operativer Managementebene die Sicherstellung einer umwelt- und ressourcenschonenden Leistungserstellung und -verwendung im Mittelpunkt, so muB sich die Untemehmung auf der strategischen Ebe­ne im wesentlichen zwischen einem defensiven oder offensiven Okologiemanagement entscheiden. In Anbetracht der oben gesetzten Prlirnissen und vor allem vor dem Hinter­grund, daB im Gegensatz zu einer rein reaktiven Verfolgung von Umweltgesetzen nur in einer 'aktiven und innovativen Umweltorientierung' mogliche Erfolgspotentiale der Un­temehmen begrUndet liegen, wird hier fUr eine offensive Okologieausrichtung pladiert.23

Damit verbunden wird es Aufgabe der FUhrung sein, den Umwe1tschutz fest in der Or­ganisationsstruktur zu verankem.24 Daruber hinaus ist ein okologisches Leitbild aufzu­bauen, das samtlichen Mitarbeitem als OrientierungsgroBe zu dienen hat und das den Kunden des Untemehmens sowie der Gesellschaft das okologische Verantwortungsbe­wuBtsein verdeutlicht.25 Wesentlich ist es, daB der Umweltschutzgedanke offen und ganzheitlich nach innen und auBen kommuniziert wird. Dazu muB der Umweltschutz in die vorhandene Wertestruktur der Untemehmenskultur eingebunden werden, was vor allem eine okologische Kompetenz der FUhrungskriifte bedingt.26

Die Forderung nach Marktbezug des okologieorientierten Management ergibt sich aus den Potentialen, die in einer VerknUpfung von okologisch ausgerichtetem Verhalten und den okonomischen sowie wettbewerbsstrategischen Untemehmenszielen liegen.27 FUr die Untemehmen ist es bedeutend, sich auf die gestiegenen okologischen Anspruche im Markt einzustellen und diese im Sinne neuer Marktchancen zu begreifen.28 Daraus resul­tieren nicht zuletzt erhebliche wettbewerbsbezogene Herausforderungen im Umwe1t­schutzbereich.29 Urn den Umweltschutz mit heutigen und zuklinftigen Wettbewerbs-

22 Vgl. Komdtirfer, W., Grundlagen, S. 30. 23 Vgl. Schreiner, M., Umweltmanagement, S. 47. 24 Vgl. Gege, M., Strategien, S. 15; Roth, K., Ressourcenschutz, S. 18. 25 Vgl. Annightifer, P., UmweltbewuBtsein, S. 107; Steger, U., Umweltmanagement, S. 183ff. 26 Vgl. Hardtke, A., Kaiser, K., Umweltschutz, S. 61. 27 Vgl. ebenda, S. 20f. 28 Vgl. Annightifer, P., UmweltbewuBtsein, S. 110. 29 V gl. Meffert, H., Kirchgeorg, H., Umweltmanagement, S. 20f.

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DARSTELLUNG OKOLOGISCHER KOMPONEN1EN 1M TOTAL QUALITY MANAGEMENT 215

erfordernissen zu vereinbaren, mliBten Technologien verwendet werden, die einerseits hoch produktiv und andererseits umweltvertraglich sind.3ll Zunehmend an Bedeutung gewinnen in diesem Zusammenhang die integrierten Umwelttechnologien. Durch ener­gie- und ressourcensparende, schadstoffarmere integrierte Technologien lli.Bt sich die Entstehung von Umweltbelastung bereits im Vorfeld vermeiden.31

Der GesellschaJtsbezug ist in einem offensiven Okologiemanagement enthalten. Die gesellschaftlichen Umweltansprtlche waren es, welche auf die Untemehmen den 'okolo­gischen Druck' ausgelibt haben. Okologieorientiertes Management muB frtlhzeitig und dauerhaft Umweltansprtlche der Gesellschaft antizipieren, darnit Problemlosungen erar­beitet werden konnen, bevor sie zum Gegenstand offentlicher Diskussionen werden. Hier ergibt sich die Forderung nach proaktiver Verhaltensausrichtung der Untemeh­men.32

Die Bedeutung der Mitarbeiter resultiert aus einer notwendigen ganzheitlichen Orientie­rung des Okologiemanagement. Ganzheitliche Okologieorientierung kann nur erreicht werden, wenn jeder Mitarbeiter die okologischen MaBstabe des Untemehmens verinner­licht und entsprechend okologisch bewuBt handelt. Ausgepragtes UmweltbewuBtsein der Mitarbeiter ist die Voraussetzung fur ein okologisch bewuBtes Verhalten des ganzen Untemehmens.33

Ein okologieorientiertes Management erfordert in allen betrieblichen Tiitigkeitsfeldern okologisch bewuBte AnpassungsmaBnahmen. Umweltschutz muB in allen betrieblichen Funktionen sichergestellt werden. Neben Beschaffung, Absatz und Produktion sind z. B. auch Forschung und Entwicklung, Lagerhaltung und Logistik, Entsorgung und Recyc­ling, Finanzierung, Planung, Information, Organisation und - wie bereits verdeutlicht -Flihrung angesprochen.34 Eine okologiebezogene Erweiterung oder Modifikation der einzelnen Bereiche kann als konstitutives Merkmal eines okologieorientierten Manage­ment angesehen werden.3S Dabei ist festzuhalten, daB Umweltschutz nur bereichsliber­greifend erfolgreich gestaltet werden kann und sornit keine Insellosungen innerhalb der einzelnen Tatigkeitsfelder anzustreben sind.36 Umweltschutz als Querschnittsaufgabe spiegelt sich in einer 'okologischen Wertschopfungskette' wider, die es zu erschlieBen gilt, so daB WertschOpfungskreislaufe entstehen konnen.31

Zur Umsetzung des okologieorientierten Management wurden verschiedene Instrumente entwickelt. So werden beispielsweise die okologische Buchhaltung, die Technikwir­kungsanalyse, die Input-Output-Analyse, die Okobilanz, die Stoff- und Energiebilanz sowie umweltorientierte Checklisten eingesetzt, um die Realisierung okologischer Un­temehmensziele zu unterstlitzen.

3ll Vgl. Steger, U., Umweltmanagement, S. 65. 31 Vgl. Priitorius, G., Qualitiit, S. 241. 32 Vgl. Meffert, H., Kirchgeorg, H., Umweltmanagement, S. 20. 33 Vgl. Winter, G., Unternehmen, S. 52. 34 Vgl. Dyllick, T., Herausforderung, S. 38ff; Meffert, H., Kirchgeorg, H., Umweltmanagement, S. 17. 3S Vgl. Zahn, E., Schmid, U., Wettbewerbsvorteile, S. 84. 36 Vgl. Steger, U., Herausforderung, S. 49; Annighiifer, F., Wettbewerbsvorteile, S. 157. 31 Vgl. Steger, U., Umweltmanagement, S. 281ff.

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4. Okologieorientierung im Rahmen von TQM

4.1. Diskussionsansatz nod Konstruktioo eines Bezugsrahmens

4.1.1. Zusammenhang von Qualitiit und Umweltschutz

Qualitiit im Rahmen von TQM und Umweltschutz im Rahmen des okologieorientierten Management werden in der Literatur als integrale Bestandteile heutiger Untemehmens­fiihrung gefordert. Dabei werden die beiden Teilkomplexe weitgehend getrennt vonein­ander aufgegriffen. 1m Zuge der Qualitiitsoffensive der vergangenen Jahre erfreut sich jedoch gerade in jiingerer Zeit eine gemeinsame Betrachtung von Qualitiit und Umwelt­schutz eines steigenden Interesses. AnlaS fiir eine gemeinsame Betrachtung bieten be­stimmte Zusammenhiinge zwischen den einzelnen Teilkomplexen, die es im folgenden zu verdeutlichen gilt.

In der Entwicklung des Qualitiits- und Okologiemanagement lassen sich gewisse Paral­lelen erkennen, die in einem von BU1TERBRODT und TAMMLER entwickelten Stufenmo­dell zum Ausdruck gebracht werden. Der sich aus diesem Stufenmodell ergebende Weg zum TQM sttitzt sich auf eine Parallelentwicklung der beiden Teilkomplexe Qualitiit und Umweltschutz (vgl. Abb. 1).

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Abbildung 1: Stufenmodell des Umweltschutzes und des Qualitatsmanagement 38

Qualitiitsmanagement hat sich tiber die Qualitiitskontrolle und Qualitiitssicherung hinaus entwickelt. Qualitiitskontrolle wurde im Sinne einer Ergebnispriifung von Produkten verstanden, we1che von Qualitiitsspezialisten durchgefiihrt wurde. Qualitiit war gleich­bedeutend mit Produktqualitiit; sie wurde in die Produkte 'hineinkontrolliert'. Aus die­sem Grund Hillt sich der Qualitiitskontrolle eine rational-konservative Haltung zuordnen. In einem zweiten Schritt wurde die Qualitiitssicherung in die einzelnen Linienfunktio­nen eines Untemehmens integriert. Diese Phase wird mit integral-halbherzig beschrie­ben, da die Qualitiit neben den anderen Tiitigkeiten und 'Sachzwangen' innerhalb eines Funktionsbereichs oftmals vemachliissigt wurde.

38 Darstellung in Anlehnung an BUTfERBRODTffAMMLER. Vgl. Butterbrodt, D., Tammler, V., Vmwelt­management, S. 72. Zur Modellbeschreibung vgl. ebenda, S. 57ff.

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DARSTELLUNG bKOLOGISCHER KOMPONENTEN 1M TOTAL QUALITY MANAGEMENT 217

Die Erkenntnis, daB eine reine Qualitatskontrolle wirtschaftlich eher negativ zu bewer­ten ist und mit integraler Qualitatssieherung auch keine durchschlagende BewuBtseins­bildung in bezug auf Qualitat zu erreichen ist, hat zu einer Erweiterung des Qualitats­verstiindnisses gefiihrt. Neben der Produktqualitat richtete sich das Augenmerk verstiirkt auf die Qualitat der Prozesse, der Arbeit der einzelnen Mitarbeiter bis hin auf die Quali­tat des gesamten Untemehmens. Die Berlicksichtigung der Qualitat erfolgt bereits in den Planungsprozessen zu Beginn der WertschOpfungskette, urn moglichen Fehlem frlihzei­tig vorzubeugen. Als strukturelle Hilfsmittel entstanden die Qualitatssicherungssysteme, in heutiger Zeit Qualitatsmanagementsysteme genannt. Wesentlich ist, daB die Bedeu­tung der Qualitatsausrichtung an einer initiierenden und unterstiitzenden Rolle der Un­temehmensfiihrung festgemacht wurde (unterstiitzend-planerische Haltung).

Der betriebliche Umweltschutz wurde ebenfalls zunachst nachgeschaltet von wenigen Spezialisten gehandhabt. 1m Vordergrund stand der technische Umweltschutz reaktiver Art, der die Erfiillung der gesetzlichen Anforderungen verfolgte (passiv-defensive Hal­tung des nachsorgenden Umweltschutzes). Mit dem Ansteigen des UmweltbewuBtseins entstand die Nachfrage nach okologischen Erzeugnissen. Wurden von einigen Unter­nehmen auch die damit verbundenen Chancen neu zu erschlieBender Miirkte genutzt, so erfolgte im wesentliehen nur eine produktbezogene Betrachtung. AnpassungsmaBnah­men der Produktionsprozesse blieben weitestgehend aus (opportunistisch-halbherzige Haltung des marktzentrierten Umweltschutzes). Wiihrend sich die passiv-defensive Hal­tung als kostenintensiv erwies, vermochte die halbherzig-marktorientierte Haltung den bestehenden Marktbedingungen nieht gerecht zu werden. Umweltfreundliche Produkte erforderten oftmals einen hOheren Preis. A.hnlich wie beim Qualitatsmanagement ist die Erkenntnis eines systematischen Managementansatzes im Umweltschutzbereich in letz­ter Zeit stark gewachsen. Die Folge daraus ist, daB auch im Umweltschutzbereich zu­nehmend erkannt wird, daB die auf dieses Ziel gerichteten MaBnahmen bereits zu Be­ginn der WertschOpfungskette ansetzen mlissen, urn den Anforderungen heutiger Wett­bewerbsflihigkeit zu entsprechen (innovativ-vorsorgende Haltung).

Der beschriebene Weg, die Parallelentwicklung von Qualitat und Umweltschutz, mlin­det in einem ganzheitlich-visioniiren TQM-Ansatz, der die okologischen Aspekte in die Betrachtung einbezieht. Es bietet sich hierririt ein wertvoller Ansatzpunkt fUr die im Rahmen dieser Arbeit zu erortemde Fragestellung. Der ganzheitliche Charakter von TQM legt es nahe, zu untersuchen, inwieweit sich die Aspekte eines okologieorientier­ten Management innerhalb des TQM-Konzeptes erfassen lassen.39

4.1.2. Bezugsrahmen

4.1.2.1. Systemtheoretische Voriiberlegungen

Als Grundlage fUr eine Betrachtung der Okologieorientierung im TQM gilt es an dieser Stelle zunachst, TQM in eine Beziehung zur okologischen Umwelt zu setzen.

39 Auf einen weiteren Aspekt sei hier hingewiesen: Die zusamrnenhangende Betrachtung von QualitlU und Umweltschutz liegt auch aus dem Grunde nahe, da im Zuge der Normungsbestrebungen fUr Quali­tats- bzw. Umweltmanagementsysteme die Interdependenzen dieser Systeme transparent wurden. Zu dieser Diskussion vgl. Schulz, E., Schulz, W., bkomanagement, S. 369ff; Waskow, S., Umweltmana­gement, S. 4f; Kamiske, G. F., Butterbrodt, D., TammIer, U., BrUckenschlag, S. 36; Hale, G. I., He­menway, C. G., TQEM; o. V., Bedeutung, S. 2.

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218 STEFAN ODENrnAL UNO BERNT R. A. SIERKE

Die BerUcksichtigung l>kologischer Erkenntnisse im Rahmen der Betriebswirtschaftsleh­re erfolgt biiufig iiber den von der St. Galler Schule gepriigten Systemansatz. Systemori­entiertes Denken kann als ganzheitlich, analytisch, dynamisch und proze8orientiert, pragmatisch sowie interdiszipliniir charakterisiert werden.4O Die Grundlage der systemi­schen Denkweise liegt darin, daB die zu betrachtenden Sachverhalte und Komplexe als Systeme verstanden werden. Nach ULRICH handelt es sich dabei urn " ... aus Komponen­ten aufgebaute Ganzheiten, die eine innere Ordnung oder Struktur aufweisen und ein bestimmtes iiu8eres Verhalten zeigen ... "41 Ein System wird jeweils als Teil einer noch gro8eren Ganzheit erfaBt.42 Der Vorteil der Denkweise griindet in der starken Vereinfa­chungsml>glichkeit komplexer Gegebenheiten mittels der Konstruktion von Verkniip­fungsmodellen.43 Das wohl bekannteste Verkniipfungsmodell, das die komplexen Zu­sammenhiinge zwischen einer Untemehmung und seiner Umwelt erfaBt, ist das St. Gal­ler Management-Modell. Die Untemehmung wird als ein System betrachtet, das, seiner­seits bestehend aus verscbiedenen Subsystemen, wiederum in verscbiedene andere Sys­temumwelten eingebettet ist.44 Die wesentlichen Eigenschaften des Untemehmungssys­terns kl>nnen in der Offenheit gegenUber einer vielfiiltigen und dynamischen Umwelt, in der Mehrdimensionalitiit des Untemehmensgeschehens und in der hohen Komplexitiit (Vemetztheit) sowohl der Untemehmung wie ihrer Umwelt gesehen werden.45

In der Handhabung der Komplexitiit liegt das Grundproblem des Management begriin­det.46 Die Anforderungen, die in diesem Zusammenhang an das Management gestellt werden, lassen sich unter die Notwendigkeit der Komplexitiitsbewiiltigung subsumieren. MaBnahmen, die als Antworten auf die Anforderungen zu treffen sind, kl>nnen als An­passung an die bestehende Umweltkomplexitiit im Sinne von Komplexitiitserhl>hung bzw. -reduzierung interpretiert werden.47 Das Management hat es in dieser Situation mit zwei miteinander verknUpften, komplexen Systemen - Untemehmung und Umwelt - zu tun. Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, das Management gedanklich von der Un­temehmung und deren Umwelt zu trennen und es als drittes System anzusehen, das mit den beiden anderen Systemen interagiert.48 Damit kann der bier relevante Bezug des Management zur l>kologischen Umwelt hergestellt werden. Untemehmung, Manage­ment - konkretisiert im Rahmen dieses Beitrags in Form von TQM - und okologische Umwelt werden als drei interagierende Systeme verstanden (vgl. Abb. 2). TQM kann in Anlehnung an ZINK als sozio-technologisches System interpretiert werden.49 Das Mana­gementsystem steht in einer dynamischen Wechselbeziehung zu den beiden anderen

40 Vgl. Ulrich, H., Management, S. 61. 41 Ulrich, H., Management, S. 68. 42 Vgl. ebenda, S. 68. 43 Vgl. ebenda, S. 68; Senn, 1. P., Unternehmensfilhrung, S. 22. 44 ULRICH geht dabei primlir von einer Aufgliederung der unternehmerischen Umwelt in Dimensionen

oder Sphliren aus (tikologische, technologische, tikonomische und soziale Umweltsphiire). Er trifft se­kundiir die Unterteilung der Umwelt nach Institutionen (Anspruchstrliger im Sinne von Kunden, Liefe­ranten, Staat, usw.). Vgl. Ulrich, H., Untemehmungspolitik, S. 66.

45 Vgl. Siegwart, H., Anwendungsorientierung, S. 97. 46 Vgl. Malik, P., Strategie, S. 37. 47 Vgl. Ulrich, H., Unternehmungspolitik, S. 188. 48 Vgl. ebenda, S. 188. Zu dieser Vorgehensweise vgl. auch Stiihler, C., Okologiemanagement, S. 45;

Haas, I.-P. de, Management-Philosophie, S. 69f. 49 ZINK leitet diese Interpretation aus den umfassenden QuaJitlitskonzepten der 'QuaJitlitsplipste' abo Eine

praktische Umsetzung dieser Konzepte " ... ist nur durch einen integrativen und interdiszipliniiren -weil mehrdimensionalen - Ansatz mtiglich." (Zink, K. 1., Relevanz, S. 26; Hervorhebungen im Origi­nal).

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DARSTElLUNG OKOLOGISCHER KOMPONENI'EN 1M TOTAL QUALITY MANAGEMENT 219

Systemen. Die direkte Abstellung auf die okologische Umwelt erfolgt in Hinsicht auf die Problemstellung dieses Beitrags. Sie kann nur unter dem Hinweis erfolgen, daB die okologische Umwelt (Supersystem) samtiiche Systemumwelten einer Unternehmung umfaBt.

Management (TQM) 1

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Okologische Umwelt <

nn >1 '-__ U_n_te_m_ ehm __ llD_g_---I

Abbildung 2: Management (TQM), Unternehmung und okologische Umwelt als drei interagierende Systeme50

4.1.2.2. Konkretisierung des Qualitiitsverstiindnisses und Abgrenzung okoiogi-scher Komponenten im TQM

Vor dem Hintergrund der Systembetrachtung wird nun das mehrdimensionale Qualitiits­verstiindnis weiter konkretisiert. Der unmittelbar hergestellten Beziehung zwischen dem Managementsystem TQM und der okologischen Umwelt wird dadurch Rechnung getra­gen, daB ein konkretes okologisches Qualitiitsverstiindnis im TQM gebildet wird. Dieses wird als Bedingung dafiir angesehen, eine Beliicksichtigung der einzelnen Aspekte des okologieorientierten Management im Rahmen von TQM Uberhaupt vornehmen zu kon­nen.

Ais Ausgangsbasis wird die oben getroffene Dimensionierung des erweiterten Quali­tiitsbegriffs gewiihlt. Aus der GegenUberstellung der Gegenstandsbereiche und Anforde­rungskategorien kommt SCHILDKNECHT zu beispielhaften Inhalten des erweiterten Qua­Iitiitsbegriffs. Unter diesen finden sich jeweils verschiedene Inhalte mit okologischem Bezug, die hier zur Bildung des okologischen Qualitiitsverstiindnisses herangezogen werden. Aus einem 'PilterprozeB' wird die okologische Qualitiit der Produkte und Dienstieistungen, die okologische Qualitiit der Prozesse, die okologische Qualitiit der Arbeit(sbedingungen) und die okologische Qualitiit der AuBenbeziehungen einer Unter­nehmung gewonnen (vgl. Abb. 3). Bei dieser Vorgehensweise ist darauf hinzuweisen, daB es sich bei der okologischen Qualitiit jeweils nur urn einen 'Baustein' der vier ver­schiedenen Gegenstandsbereiche handelt. Die anderen Bausteine, die auch als konkreti­sierte Teilqualitiiten verstanden werden konnen, werden damit nicht hinfaIlig. Qualitiit ist ein mehrdimensionales Phiinomen. Es geht hier im Hinblick auf die verfolgte Ziel-

50 Darstellung in AnJehnung an ULRICH und DE HAAS. Vgl. Ulrich, H., Untemehmungspolitik, S. 188; Haas, J.-P. de, Management-Philosophie, S. 70. Urn dem Gedanken von ULRICH gerecht zu werden, ist der Managementbegriff hier institutionsbezogen zu verstehen. TQM ist ein Top-Down-Ansatz, setzt also somit beim Top Management an. Top Management kann z. B. mit dem Vorstand bzw. der Ge­schaftsfiihrung einer Untemehmung gleichgesetzt werden (vgl. LUcke, W ., Faktor, S. 10). Darnit ist die Untemehmensfiibrung angesprochen, die von ULRICH als drittes System gedanklich ausgegliedert wird. Eine Ausgliederung des Managementsystems TQM kann somit nUT vor dem Hintergrund getrof­fen werden, daB TQM als Filhrungsystem der Untemehmung anerkannt wird.

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220 STEFAN ODENTHAL UNO BERNT R. A. SlERKE

setzung lediglich darum, jeweils nur den okologischen Baustein aus den vier Gegens­tandsbereichen herauszuziehen, was keinesfaIls einer Favorisierung okologischer Be­standteile im erweiterten QuaIitatsverstandnis gleichkommt (vgI. Abb. 4).

Gegcosla/ldsbcreichc

Anfordcrungs-UlcgOricn Qualitllider

Qualitliider Qualitllt Qualitlll der

Produktcl Prozesse

dcr Arbeit Au.Benbcliehungen

Dieostleislungeo (sbedingungeo)

technisch- Leistungsfllugkett Funktionale ArbeIlS-

funktioDale l!igenschaften. "on Produktionsver-

plalZgesWlung WId UrnwelibellStung.

Funktionsumfang fabren. Infonnalionspolitik Kriterien Dialogfllhigkeit

Ausstanung

Urnweligerecllle Humane ArbeiLSbe-

Haodhabung \10/1 sozial- Urnwell-lrnnarbeiter- dingunge .. Mitbe-normative GestallUng von

gercchte Gestaltung stimmung. panner-Inten:ssenkonllikten.

Kritericn Produktenf

VOn Prozessen schaftliche geseUschafispobuscbeJ

Dienstlei tungen Zu~na.rbe:it

Engagement

wiruchnftlicbe Pn:is-Leistungs- ElTektiviUlI. HUf1U\niSlerung und

Otologie WId KriteriCD Verblhnis Produkuvnlt Wtrtsc:haRlichkeil.

Okononue Endohnung

~Z--~ ~

Okolo&ische Okologisc:he Olcologische OkologJliChe QuatiW

der Produktel Qua!iW Qua\iW de. Arbeil Qua\,tat der

Dicnstleistungcn der Pro1.eSSe (shedi","gen) Au8cnbcziehungen

Abbildung 3: FilterprozeB zur Gewinnung okologischer QuaIitatsbausteine51

Hinsichtlich der 5kologischen QuaIitat der Produkte und Dienstleistungen sowie der Prozesse laBt sich feststellen, daB es sich dabei urn Bausteine handelt, die von der Lite­ratur zunehmend aufgegriffen werden. Neben okologischen Produktparametem (z. B. Ressourceneinsparung, Schadstoffreduktion, Langlebigkeit, Reparaturfreundlichkeit, Demontierbarkeit oder RecycIingpotentiaI) und der umweltgerechten ProzeBgestaItung gewinnen vor allem die umweltgerechten Entsorgungsdienste der Untemehmen an Be­deutung.

51 DarsteIlung auf Basis einer von SCHILDKNECHT ersteIlten TabeIle Dimensionen und beispielhafie Inhalte des erweiterten Qualitlitsbegriffs·. V gL Schildknecht, R, TQM, S. 110.

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DARSTELLUNG OKOLOGISCHER KOMPONEN1EN 1M TOTAL QUALITY MANAGEMENT 221

Abbildung 4: Okologische QualiUitsbausteine als Bestandteile der Gegenstandsbereiche des erweiterten Qualitatsverstandnisses

Mit der okologischen Qualitat der Arbeit(sbedingungen) werden hier die schadigungslo­sen, ertraglichen und beeintrachtigungsfreien Arbeitsbedingungen in einer entsprechen­den Arbeitsumgebung verbunden. Mit anderen Worten handelt es sich dabei urn Ar­beitsbedingungen unter kontrollierter Uirm- und Luftbelastung sowie unter weitgehen­dem AusschluB von Abwlirme-, Strahlen- und Schadstoffeinwirkungen, durch die die Gesundheit der Arbeitnehmer gefahrdet wird. Mit der Qualitat der AuBenbeziehungen wird allgemein auf die Umweltorientierung der Untemehmung abgestellt, worunter nicht ausschlieBlich okologische Anforderungen zu subsumieren sind. So ist in Anleh­nung an das St. Galler Management-Modell die Umwelt einer Untemehmung auch insti­tutionsbezogen zu betrachten. In dieser Hinsicht laBt sich die Qualitat der AuBenbezie­hungen z. B. an positiven Beitragen der Untemehmung zur Infrastruktur einer Region oder an einer angemessenen Verzinsung fUr Kapitalgeber festmachen.52 Einen wesentli­chen Teil der Qualitat der AuBenbeziehungen muB die okologische Umweltorientierung der Untemehmung einnehmen, die gerade im Hinblick auf das gestiegene Umweltbe­wuBtsein in der Gesellschaft von Bedeutung ist. Dieser Gegenstandsbereich kann im Grunde genommen dafUr verantwortlich gemacht werden, daB sich auch in den anderen drei Gegenstandsbereichen des Qualitlitsbegriffs okologische Teilqualitaten wiederfin­den: Ohne die Erkenntnis der notwendigen Erhaltung und Verbesserung der okologi­schen Umweltqualitat wird ein Untemehmen die okologische Qualitatsdimension z. B. nicht als Teilqualitat der Produkte berticksichtigen. Andererseits ist zu betonen, daB die Qualitat der AuBenbeziehungen wiederum in hohem MaBe von der Qualitat der Produk­te, der Prozesse und Arbeit(sbedingungen) gepragt wird.53 Untemehmen, die ihre Pro­dukte okologisch bewuBt herstellen und absetzen, genieBen in der Offentlichkeit ein hoheres Ansehen als Untemehmen, die die Bedeutung der Okologieproblematik verken­nen.

An dieser Stelle wird deutlich, daB die gewlihlten Bausteine nicht getrennt voneinander gesehen werden konnen. Sie beeinflussen sich gegenseitig. Da mit jeder industriellen Tatigkeit Umweltbelastungen verbunden sind und somit von einer okologischen Quali­tat im strengen Sinne eigentlich gar nicht gesprochen werden kann, ist die okologische Qualitat primlir als relatives Merkmal anzusehen, das es zu verbessem gilt.

52 Vgl. Schildknecht, R, TQM, S. 107. 53 Vgl. ebenda, S. 107.

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222 SlEFAN ODENTIIAL UNO BERNT R. A. SIERKE

Die definierten okologischen Qualitatsbausteine bilden in ihrer Gesamtheit das okologi­sche Qualitatsverstandnis im TQM (vgl. Abb. 5). Dabei handelt es sich, darauf sei noch einmal hingewiesen, urn den okologischen Teil des erweiterten Qualitatsverstandnisses. Ausgehend von diesem okologischen Qualitatsverstandnis kann nun die Betrachtung okologischer Komponenten im Rahmen von TQM erfolgen.

Okoiogische Qualitat im TQM

Okologische QUalit.iit der Produktel Dienstleistungen

Okologische Qualitat der Prozesse

Okologische Qualitat der Arbeit(sbedingungen)

Okologische Qualitat der Au6enbeziehungen

Abbildung 5: Okologisches Qualitatsverstandnis im TQM

Urn eine einheitliche Verstandnisbasis zu schaffen, ist kurz abzugrenzen, was hier unter okologischen Komponenten im TQM verstanden wird: Komponenten eines okologie­orientierten Management, die vor dem Hintergrund eines okologischen Qualitatsver­standnisses im Rahmen der definierten TQM-Elemente berticksichtigt werden konnen, werden als okologische Komponenten im TQM verstanden.

Das oben in seinen Grundziigen thematisierte okologieorientierte Management wird in seiner Gesamtheit den TQM-Elemenlen gegentibergestellt. Abbildung 6 verdeutlichf diesen Zusammenhang. In dem abgebildetem TQM-Haus 'ruht das okologische Quali­tatsverstandnis unter dem Dach.' Es ermoglicht die Betrachtung des okologieorientierten Management innerhalb der TQM-Konzeption. Die definierten TQM-Elemente sind im folgenden daraufhin zu untersuchen, ob sie Komponenten des okologieorientierten Ma­nagement berticksichtigen konnen. Dazu werden die TQM-Elemente zunachst kurz na­her charakterisiert, urn sie daran anschlieBend den Komponenten des Okologiemanage­ment gegentiberzustellen.

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DARSTEllUNG OKOLOGISCHER KOMPONENlEN 1M TOTAL QUALITY MANAGEMENT 223

H K G E R

R U s E U N A E P b~ s N D R L R I B S G E L

K E s 0 N

C U I T H R

E A C F E T N

Abbildung 6: Betrachtung des okologieorientierten Management im TQM

4.2. Okologische Komponenten im TQM

4.2.1. Fiihrung

TQM ist aIs ein yom Top Management zu initiierender ganzheitlicher Ansatz zu verste­hen. Ausgehend von der Untemehmensspitze ist der TotaI QuaIity-Gedanke tiber aIle Fiihrungsebenen bis hin zum einzelnen Mitarbeiter zu vermitteln. Um den Gedanken der umfassenden QuaIiUit zu verwirklichen, kommt insbesondere einem sichtbaren, enga­gierten VerhaIten der Ftihrungskriifte des Top Management eine entscheidende Bedeu­tung zu. Den Ftihrungskriiften obliegt es, am TQM-ProzeB im Untemehmen in perma­nenter Weise aktiv teilzunehmen und diesen konsequent zu fordem.54 Dabei ist die ef­fektive, offene und durchgangige Kommunikation der Werte der umfassenden QuaIitat von grundlegender Wichtigkeit. Sie bildet die Grundlage fUr die Entwicklung einer Qua­litatskultur im Untemehmen.55 Die Ftihrungsspitze tibemimmt fUr aIle anderen Mitarbei­ter eine Vorbildfunktion, we1che ein Vorleben der kontinuierlichen QuaIitatsverbesse­rung im taglichen, personlichen Auftreten, Entscheiden und Handeln verlangt.56 Fehlt es an einem engagierten Agieren der Ftihrung des Untemehmens zur Durchsetzung des

54 V gl. European Foundation for Quality Management. TQM. S. 5. 55 Vgl. Atkinson. P. E .• Culture. S. 41ff. 56 Vgl. Frehr. H .-U .• TQM. S. 26.

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Konzeptes der umfassenden Qualitat, so werden die Mitarbeiter den TQM-ProzeB eben­falls nicht flir verbindlich halten.57

Auf die Bedeutung des Fiihrungsaspektes im okologieorientierten Management wurde bereits hingewiesen. Auch hier ist ein starkes Engagement der Fiihrungskrlifte, insbe­sondere auf Ebene des Top Management, notwendig, urn den Umweltschutzgedanken in allen Bereichen des Unternehmens zu verwirklichen. Es erscheint recht plausibel, daB beide Bereiche - Qualitat und Umweltschutz - als 'originare Fiihrnngsaufgaben' verstan­den werden miissen, soIl ihnen eine Aussicht auf durchschlagenden Erfolg beschieden werden.58 Fiir eine gemeinsame Betrachtung im TQM wird es entscheidend sein, die Betonung der aktiven Rolle der Fiihrungskrlifte im TQM sowohl fiir den Bereich der Qualitat als auch fiir den des Umweltschutzes herauszustellen. Voraussetzung dafiir ist das geschaffene okologische Qualitatsverstlindnis, welches die beiden Bereiche mitein­ander verbindet. Es kann in dem Fall von einer okologischen Komponente im TQM gesprochen werden, wenn sich das zu fordernde Engagement der Fiihrungskrlifte auf die gemeinsame Forderung des Qualitats- und Umweltschutzgedankens richtet. Die Mana­gementverpflichtung besteht dann in der konsequenten Verbesserung der Qualitat und des Umweltschutzes, welche sich in einem entsprechend aktiven Managementverhalten auBern muB.

4.2.2. Politik und Strategie

TQM setzt eine eindeutig formulierte Unternehmens- und Qualitatspolitik voraus. Total Quality muB zum visionaren Unternehmensgrundsatz und zur unternehmensweiten Auf­gabe erkllirt werden; ein entsprechendes Leitbild ist aufzubauen.59 Qualitat ist als ent­scheidendes Kriterium im ZielbildungsprozeB des Unternehmens zu beriicksichtigen, urn der strategischen Bedeutung einer Qualitatsausrichtung gerecht zu werden. In einem mehrdimensionalen Zielsystem wird den einzelnen Bestandteilen des umfassenden Qua­litatsverstandnisses Rechnung getragen.6O Bine konsequente Qualitatsstrategie will das Erfolgspotential Qualitat ausschopfen.61 Das bedingt, daB Qualitat langfristig zu einer Erfolgsposition im Unternehmen aufgebaut werden muB, was iiber die konsequente Ver­folgung des Prinzips der stlindigen Verbesserung erreicht werden kann. In diesem Zu­sammenhang kommt einer verstarktenprliventiven Ausrichtung im Sinne von vorbeu­genden MaBnahmen eine grundlegende Bedeutung ZU.62 Pravention bedeutet Kunden-, Mitarbeiter-, Gesellschafts-, Ressourcen- und ProzeBorientierung.

Die Ausfiihrungen lassen Parallelen zum okologieorientierten Management transparent werden. Einer offensiven Okologieorientierung kann in jedem Fall ein unternehmenspo­litischer Stellenwert zugesprochen werden. Die strategische Bedeutung der Okologieori­entierung ist nicht in Frage zu stellen. Das fiir eine Total Quality-Strategie so wesentli­che Prinzip der standigen Verbesserung gilt ohne Zweifel auch fiir den Umweltschutz­bereich.63 Die Praventionsorientierung ist fiir ein okologieorientiertes Management uner-

57 V gl. Witte, A., Qualitiitssteuerung, S. 104. 58 Vgl. Steger, V., Vmweltschutz, S. 44; Pratorius, G., Qualitiit, S. 239. 59 Vgl. Tenner, A. R., DeToro, I. I., TQM, S. 160. 60 Vgl. Schildknecht, R., TQM, S. 120. 61 Vgl. Seghezzi, H. D., Konzepte, S. 19. 62 Vgl. Schildknecht, R., TQM, S. 122f. 63 Vgl. Dillinger, A., Qualitiit, S. 662f; Butterbrodt, D., Tammler, V., Vmweltmanagement, S. 68ff.

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DARSTELLUNG OKOLOGISCHER KOMPONEN1EN 1M TOTAL QUALITY MANAGEMENT 225

lli6lich.64 Weiterbin ist auch der Umweltschutz als eine unternehmensweite Aufgabe zu verstehen. Der Raum fi1r eine Einbeziehung dieser Gesichtspunkte des 6kologieorien­tierten Management ist somit Dicht nur gegeben, sondern muB vor dem Hintergrund des 6kologischen Qualitatsverstllndnisses notwendigerweise auch genutzt werden. Die un­ternehmenspolitischen und strategischen Aspekte des 6kologieorientierten Management mUssen in der Total Quality-Politik und der zugrunde gelegten Strategie erfaBt werden, urn von 6kologischen Komponenten im TQM zu sprechen. Clkologische Komponenten lassen sich dann insofern aufzeigen, wenn Qualitat und Umweltschutz als wesentliche Ziele der Unternehmung erkannt werden, Clkologie als strategischer Qualitatsfaktor an­erkannt wird und demzufolge auch in clem Qualitatsleitbild der Unternehmung als eine wesentliche Gr6Be verankert wird.

4.2.3. Kundenorientierung

Der Begriff des Kunden spielt im TQM die wohl wesentlichste Rolle. Der Kundenbeg­riff wird von der Literatur unterscbiedlich thematisiert. Aus diesem Grunde ist kurz ab­zugrenzen, wie die Kundenorientierung bier verstanden werden soIl. Bctrachtungsobjekt ist der Kunde im engen Sinne, d. h. die Konsurnenten oder die Abnehmer der Produkte und Dienstleistungen.6s TQM setzt voraus, daB die Qualitat yom Kunden bestimmt wird. 1m Vordergrund eines umfassenden Qualitatsansatzes steht die Erfiillung der Kundenan­forderungen.66 Gemli6 einem solchen Verstllndnis von Qualitat ist der Markt, in wel­chem ein Unternehmen seine Produkte und Dienstleistungen absetzen will, der Aus­gangspunkt samtlicher Qualitatsbemtihungen.67 FUr die Unternehmen gilt es, die relevanten Kunden am Markt zu identifizieren, ihre WUnsche und Probleme kennenzulernen, urn daraus die konkreten Anforderungen an die Produkte und Dienstleistungen abzuleiten.68 Um Kundenzufriedenheit am Markt zu erlangen, ist es fi1r ein Unternehmen entscheidend, die unterscbiedlichen Praferenzen der Kunden m6glichst sorgfiUtig und vollstllndig zu erfassen.69 Die Feststellung der Anforderungen der Kunden obliegt vorrangig dem Marketing, dem Vertrieb und der Marktforschung.70

Der Aspekt des Marktbezugs eines offensiven Clkologiemanagement ergibt sich aus den heutigen 6kologischen AnsprUchen der Kunden an die Produkte und Dienstleistungen der Unternehmen. Es ist offensichtlich, daB dem Marktbezug des 6kologieorientierten

64 Vgl. Kamiske, G. F., Butterbrodt, D., Tammler, U., BrUckenschlag, S. 37. 65 Der Kundenbegriff im TQM wird in der Literatur im alJgemeinen auf zweierlei Weise thematisiert.

ZunlIchst wird zwischen internen und externen Kunden unterschieden, wobei die Inhalte dieser Begrif­fe durchaus unterschiedlich weit ausgeJegt werden. In AnIehnung an JURAN kOnnen unter internen Kunden alle diejenigen verstanden werden, die dem Unternehmen zuzurechnen sind und die von des­sen Aktivitllten betroffen sind (vgl. Juran, J. M., Der neue Juran, S. 71). Darunter kOnnen die Mitarbei­ter bzw. die verschiedenen Abteilungen im Untemehmen verstanden werden. Auf die interne Kunden­orientierung wird im Rahmen des Abschnitts 4.2.4. in Form der Mitarbeiterorientierung eingegangen. Externe Kunden sind nach JURAN die Personen und Organisationen, die dem Unternehmen nicht ange­hOren, aber in ,,irgendeiner Weise" von dessen Aktivitllten betroffen sind (vgl. ebenda, S. 71). Hierun­ter kOnnen neben den Kunden im engen Sinne z. B. die Lieferanten und die Gesellschaft verstanden werden. Die GeseJ1schaftsorientierung wird im Rahmen von Abschnitt 4.2.5. angesprochen. Weiterhin wird der Kundenbegriff im Zusammenbang mit der sog. Kunden-Lieferanten-Kette verwendet, worauf im Rahmen des Aufsatzes in Abschnitt 4.2.7. eingegangen wird.

66 Vgl. European Foundation for Quality Management, TQM, S. 10. 67 Vgl. Haist, F., Fromm, H., Qualitllt, S. 31. 68 Vgl. Tenner, A. R., DeToro, I. J., TQM, S. 51f. 69 Vgl. Haist, F., Fromm, H., Qualitllt, S. 31. 70 Vgl. Oakland, J.S., TQM, S. 16; Witte, A., Qualitlltssteuerung, S. 95.

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Management durch die strikte Kundenorientierung im Rahmen der TQM-Konzeption Rechnung getragen werden kann. TQM kann und muB mittels der Kundenorientierung am Markt die okologischen Anspriiche der Kunden erfassen. Okologische Bediirfnisse, Wiinsche und Erwartungen der Kunden konkretisieren sich in den okologischen Anfor­derungen an die Produkte und Dienstleistungen sowie Produktionsverfahren, we1che es fUr die Untemehmen zu beriicksichtigen gilt: Qualitat ist die Erfiillung von Kundenan­forderungen; Kunden stellen zunehmend okologische Anforderungen.

4.2.4. Mitarbeiterorientierung

Mitarbeiterorientierung im TQM betont eine aktive Rolle der Mitarbeiter imQualitats­verbesserungsprozeB. Die aktive Einbindung zielt auf die Mobilisierung aller Mitarbei­ter, eine breitangelegte Qualitatsmotivation und eine Intensivierung des Qualitatsbe­wuBtseins sowie auf die ErschlieBung des Problemlosungspotentials der Mitarbeiter vor Ort.71 Die Betonung der aktiven Rolle der Mitarbeiter kniipft an den Gedanken an, daB sich Menschen offensichtlich fUr das am meisten engagieren, woran sie sich beteiligt fUhlen, was von ihnen aktiv mitgestaltet werden kann.72 FUr die Fiihrungskrafte gilt es in diesem Zusammenhang, bei den Mitarbeitem das Engagement, das Interesse und das VerantwortungsbewuBtsein fUr die eigene Qualitat der Arbeit zu fOrdem. Permanente Schulung und Weiterbildung aller Mitarbeiter auf dem Gebiet der Qualitat sind wesent­liche Bestandteile im TQM. Ais weitere Kennzeichen der Mitarbeiterorientierung von TQM-Untemehmen konnen z. B. die Selbstpriifung anstelle der Fremdpriifung, die fle­xible Arbeitszeit anstelle einer iiberwachten Anwesenheitspflicht, offene Tiiren anstelle von befristeten Sprechstunden oder Projektteams anstelle von abgegrenzten Fachabtei­lungen aufgefUhrt werden.73 Dem Teamgedanken kommt im Rahmen eines umfassenden Qualitatskonzeptes eine wesentliche Bedeutung zu. Er findet sich in unterschiedlichen konzeptionellen Ansatzen wieder, von denen das Qualitatszirkel-Konzept wohl der be­kannteste Teamansatz ist. Qualitatszirkel sind zum einen fUr eine hOhere Motivation und Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter fOrderlich, und zum anderen konnen sie Verbesse­rungen von Qualitat und Produktivitat ermoglichen.74

Ein effektives Okologiemanagement ist ohne eine aktive Einbeziehung der Mitarbeiter nicht realisierbar. Proaktiver Umweltschutz muB als Aufgabe samtlicher Mitarbeiter im Untemehmen verstanden werden. TQM wird diesem Anspruch der aktiven Rolle der Mitarbeiter in jedem Fall gerecht. FUr eine gemeinsame Betrachtung von Qualitat und Umweltschutz im Rahmen von TQM wird es entscheidend sein, das okologische Quali­tatsbewuBtsein der Mitarbeiter in starkem MaBe zu fOrdem. Die motivationale Veranke­rung von Qualitat und Umweltschutz bei allen Mitarbeitem ist eine wichtige Erfolgs­voraussetzung.7S Okologische Komponenten im TQM konnen sich beispielsweise da­durch zeigen, daB neben den Qualitatszirkeln auch Umweltzirkel eingerichtet werden. Die positiven Erfahrungen des Qualitatszirkel-Ansatzes konnen auch fUr Umweltschutz­fragen genutzt werden.76 Vor dem Hintergrund eines okologischen Qualitatsverstandnis­ses ist ebenfalls an ein Ineinanderaufgehen dieser Teamansatze zu denken.

71 Vgl. Ritter, A., Zink, K. J., Kleingruppenkonzepte, S. 241. 72 Vgl. Oess, A., TQM, S. 106f. 73 Vgl. BIlising, J. P., Unternehmen, S. 12. 74 Vgl. Oess, A., TQM, S. 108. 7S Vgl. Steger, U., Umweltschutz, S. 44; Prlitorius, G., Qualitlit, S. 239. 76 Vgl. Dillinger, A., Qualitlit, S. 662f.

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DARSTELLUNG OKOLOGISCHER KOMPONENfEN 1M TOTAL QUALITY MANAGEMENT 227

4.2.5. Gesellschaftsorientierung

"Companies exist in a society for the purpose of satisfying people in that society. This is the reason for their existence and should be their primary goal.'m ISHIKAWA stellt mit diesen Worten sehr treffend die Bedeutung der Gesellschaftsorientierung im Rahmen eines umfassenden Qualitatskonzeptes heraus. Ein solcher Ansatz muB in zunehmendem MaBe die Bedtirfnisse und ElWartungen der gesamten Offentlichkeit erfiillen.78 TQM­Unternehmen haben ihre gesellschaftliche Verantwortung erkannt und wollen in diesem Bereich konkrete MaBstabe setzen.79 Ohne die anderen Aspekte einer gesellschaftlichen Ausrichtung der Unternehmen abwerten zu wollen, solI hier unmittelbar der Bezug zum aktiven Schutz der Umwelt in den Vordergrund gestellt werden.80 Umweltschutz ist in heutiger Zeit in jedem Fall ein Anliegen der Gesellschaft, wodurch unter anderem die Bedeutung eines okologieorientierten Management abgeleitet werden kann. Die zuneh­mende Sensibilisierung der Gesellschaft gegentiber der Industrie und deren Verhaltens­weise in bezug auf die Umwelt ist unverkennbar. Da der Total-Quality-Ansatz diese gesellschaftlichen Haltungsiinderungen erfassen will und kann8!, ist hier ein wesentli­cher Ansatzpunkt fUr eine Okologieorientierung im Rahmen von TQM gegeben. Der gesellschaftliche TQM-Anspruch rechtfertigt und erfordert die BerUcksichtigung okolo­gischer Komponenten im TQM; er stUtzt und verlangt die Beachtung der Aspekte des okologieorientierten Management in den anderen TQM-Elementen.

4.2.6. Ressourcenmanagement

Dem Management der Ressourcen einer Unternehmung wird in der einschlagigen TQM­Literatur kein eigenstiindiges Interesse entgegengebracht. Das europaische TQM-Modell berUcksichtigt in seinem Bewertungskatalog zur umfassenden Qualitat das Management, den Einsatz und die Erhaltung der Unternehmensressourcen.82 1m Vordergrund steht dabei die Frage, wie finanzielle und materielle Ressourcen, Informations-Ressourcen und die Nutzung von Technologie wirksam zur Untersttitzung der Politik und Strategie einer Total Quality-Ausrichtung eingesetzt werden. 1m Bereich der finanziellen Res­sourcen wird darauf abgestellt, daB die finanziellen Strategien der Unternehmen die To­tal Quality-Ausrichtung zum Ausdruck bringen mtissen. Mit dem Management der In­formations-Ressourcen lii.Bt sich die Zielsetzung der effektiven Bereitstellung von In­formationen flir alle am QualitatsverbessertmgsprozeB beteiligten Personen verbinden. Unter Beachtung des okologischen Qualitatsverstiindnisses erscheint es moglich, in die­sem Zusammenhang okologische Komponenten in Form von okologieorientierten In­formationstechniken zu berUcksichtigen.

Ansatzpunkte flir die BerUcksichtigung von okologischen Komponenten liegen in dem Bereich der materiellen Ressourcen sowie im Bereich der Technologie. Eine okologi­sche Komponente kann sich in Anlehnung an das europaische Qualitatsmodell bei­spielsweise in einem effektiven Management der Bezugsquellen und Zulieferungen von Rohstoffen auBern. Des weiteren wird im Bereich des materiellen Ressourcenmanage-

77 Iskikawa, K., Quality, S. 98. 78 Vgl. European Foundation for Quality Management, TQM, S. 11. 79 "TQM-Untemehmen agieren, die Verlierer' reagieren." (B11!sing, 1. P., Untemehmen, S. 14). 80 Andere Aspekte der gesellschaftlichen Ausrichtung sind z. B. das Engagement der Untemehmen in

bezug auf Wohlt1itigkeit, Sport und Freizeit (vgl. European Foundation for Quality Management, TQM, S. II).

81 Vgl. Comaz, J.-L., TQM, S. 94. 82 Vgl. European Foundation for Quality Management, TQM, S. 7f.

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228 S1EFAN ODEN1HAL UNO BERNT R. A. SIERKE

ment im TQM die Minimierung von MaterialabfaIlen gefordert, was dem Emissionsziel des Okologiemanagement entspricht.83 Das Prinzip der standigen Verbesserung im TQM erfordert zur Optimierung der Unternehmensprozesse die Identifizierung von alternati­ven und neuen Technologien. Vor dem Hintergrund eines okologischen Qualitlitsver­standnisses bietet sich hier mit dem Einsatz der integrierten Umweltschutztechnologien ein sinnvoller Ansatz, der es erlaubt, von einer okologischen Komponente im TQM zu sprechen.

4.2.7. Proze8management

Die Bedeutung des ProzeBmanagement im TQM resultiert aus der Erkenntnis, daB die Qualitlit der Unternehmensprozesse entscheidenden EinfluB auf die Qualitlit der Produk­te und Dienstleistungen eines Unternehmens hat. Ein ProzeB kann allgemein als das Zusammenwirken von Menschen, Maschinen, Material und Verfahren verstanden wer­den, welches darauf ausgerichtet ist, ein bestimmtes Endprodukt oder eine bestimmte Dienstleistung herbeizufiihren.84 Prozesse kennzeichnen somit die Transformation von Input in Output.8S 1m Rahmen des Total Quality-Ansatzes werden samtliche Tlitigkeiten im Unternehmen entlang der gesamten Wertschopfungskette als Teil eines Prozesses betrachtet.86 Das bedeutet, es werden technische und nicht-technische Prozesse glei­chermaBen in die Betrachtung einbezogen.87

Das ProzeBdenken baut darauf auf, daB jeder ProzeB einen Kunden und einen Lieferan­ten hat.88 Das wird durch die sog. Kunden-Lieferanten-Kette dargestellt. Wesentlich dabei ist, daB neben dem 'externen Kunden-Lieferanten-Verhliltnis' im TQM das 'interne Kunden-Lieferanten-Verhliltnis' eine entscheidende Rolle spielt. Ausgehend davon, daB das Ergebnis eines Prozesses ein 'Produkt' oder eine Dienstleistung' ist, muB es fiir die­sen Output einen Empfanger, den (internen) 'Kunden' geben. Die Zulieferungen zu dem ProzeB erfolgen von dem (internen) 'Lieferanten'. Jeder Mitarbeiter (bzw. jede Arbeits­gruppe oder Abteilung), der (bzw. die) einen ProzeB erftillt, ist gleichzeitig Kunde des vorhergehenden Prozesses und Lieferant ftir den nachfolgenden ProzeB. Auf diesem Wege entsteht die interne Kunden-Lieferanten-Kette, die urn die Beziehungen zum ex­ternen Kunden und Lieferanten zu erweitern ist. Die gesamte WertschOpfungskette ist kundenorientiert aufgebaut, wobei die Kundenanforderungen von den externen Kunden tiber die einzelnen internen Geschliftsprozesse eines Unternehmens bis zum externen Zulieferer gehen.89 Der wesentliche Vorteil der ProzeBbetrachtung besteht darin, daB durch parallel verlaufende Prozesse die herkommlichen Grenzen der einzelnen Funkti­onsbereiche durchbrochen werden. Der QualitlitsprozeB vollzieht sich bereichstibergrei­fend tiber samtliche betriebliche Funktionen hinweg.90

83 Vgl. ebenda, S. 7f. 84 Vgl. Haist, F., Fromm, H., Qualitlit, S. 93. 8S Vgl. Oakland, J. S., TQM, S. 14. 86 Vgl. Kleinsorge, P., Geschliftsprozesse, S. 49f. Zur systematischen Beschreibung und Darlegung der

Untemehmensprozesse empfiehlt sich Z. B. eine Orientierung an der Qualitlitsnorm ISO 9000ff (vgl. European Foundation for Quality Management, TQM, S. 9).

87 Technische Prozesse, oder auch direkte Prozesse, beziehen sich auf die Herstellungsgange im Produk­tionsprozeB. Nicht-technische Prozesse, oder auch indirekte Prozesse, richten sich z. B. auf Verwal­tungsbereiche des Unteruehmens oder auf Entwicklung, Logistik, Marketing, usw. (vgl. Frehr, H.-U., TQM, S. 129ft).

88 Vgl. Blasing, J. P., Untemehmen, S. 38. 89 Vgl. Kleinsorge, P., Geschaftsprozesse, S. 50. 90 Vgl. ebenda, S. 51.

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DARSTElLUNG OKOLOGISCHER KOMPONENTEN 1M TOTAL QUALITY MANAGEMENT 229

Das Umweltschutzziel des okologieorientierten Management moB in jedem Fall in allen betrieblichen Funktionen sichergestellt werden. Wie auch Qualitiit ist Umweltschutz als bereichsUbergreifende Querschnittsfunktion zu verstehen. Beiden Bereichen ist ein prin­zipiell holistisches, ganzheitliches Verstiindnis gemein.91 Das okologische Qualitiitsver­stiindnis erlaubt die Beriicksichtigung des Umweltschutzes in samtlichen Unterneh­mensprozessen; es erfordert eine solche Beriicksichtigung, um in diesem Zusammen­hang von okologischen Komponten im TQM sprechen zu konnen.

4.3. Okologie als strategischer Qualitiitsfaktor

Die vorangegangenen Ausfiihrungen stiitzen sich auf ein okologisches Qualitiitsver­stiindnis, das zur BerUcksichtigung okologischer Komponenten im TQM herangezogen wurde. Um das okologische Qualitiitsverstiindnis zu rechtfertigen und damit die Bedeu­tung der aufgezeigten Zusammenhiinge zu betonen, solI im folgenden die Bedeutung der Okologie als strategischer Qualitiitsfaktor herausgestellt werden.

Der Versuch, Qualitiit im okologischen Zusammenhang zu verdeutlichen, kann schwer an dem Begriff des sustainable development vorbeigehen.92 Die Forderung zur Nachhal­tigkeit bedingt, daB sich die wirtschaftliche Entwicklung sowie die Lebensqualitiit an den Priimissen der Ressourcenschonung und Emissionsverringerung auszurichten haben. Eine nachhaltige Unternehmensentwicklung in diesem Sinne erfordert zum einen ein okologisch effizientes Verhalten der Unternehmen. Zum anderen mUssen die mit dieser Zielsetzung verbundenen internen Ma8nahmen zur Reduzierung der Umweltbelastung daneben okologisch effektiv sein, um von Qualitiit im okologischen Zusammenhang zu sprechen. Es reicht nicht aus, durch bestimmte unternehmerische Ma8nahmen eine rela­tive Verbesserung der Umweltbelastungenje Ausbringungsmenge herbeizufUhren, wenn diese Verbesserungen durch anderweitige Produktionsausweitungen oder Problemverla­gerungen auf Lieferanten Uberkompensiert werden. Eine Beurteilung des "okologischen Erfolgs" sollte sich daher nicht nur an internen Ma8nahmen der Unternehmen orientie­reno Vielmehr ist ein okologischer Erfolg daneben auch am Zustand und an den Veriin­derungen der unmittelbaren Unternehmensumwelt zu Uberpriifen. Das okologisch effi­ziente und effektive Verhalten kennzeichnet im okologischen Zusammenhang die Un-ternehmensqualitiit. .

Ausgehend von dem okologisch effizienten und effektiven Verhalten der Unternehmen kann nun verdeutlicht werden, daB es ganz verschiedene Anspruchsgruppen (Stakehol­der) gibt, die an einem solchen Verhalten der Unternehmen ein Interesse haben. In be­zug auf den Schutz der Umwelt gibt es keine 'Unbeteiligten' mehr." Es gibt daher nicht 'den Kunden' im okologischen Zusammenhang, sondern verschiedene Anspruchsgrup­pen mit unterschiedlichen Interessen. Die weite Begriffsauslegung des Kundenbegriffs im TQM erlaubt es nun, all diese Anspruchsgruppen als Kunden zu verstehen. Das kon­nen neben Kunden im engen Sinne beispielsweise die Gesellschaft generell, staatliche AufsichtsbehOrden, Anwohner, Lieferanten, Konkurrenten oder die eigenen Mitarbeiter des Unternehmens sein. Entscheidend sind in diesem Zusammenhang die unterschied-

91 Demnach werden Z. B. Vorglinge in der Produktion oder bestimmte Produkteigenschaften nicht isoliert betrachtet. Es sind vielmehr all die komplexen Wechselwirkungen zu berUcksichtigen (vgl. Steger, U., Umweltschutz, S. 44; Prlitorius, G., Qualitlit, S. 238).

91 Vgl. Dyllick, T., Gemeinsamkeiten, S. llff. " VgI. Hansen, W., Qualitlit, S. Ill.

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lichen Anforderungen, die es zu erfiillen gilt. So geht es beispielsweise den staatlichen BehOrden urn die EinhaItung von Umweltgesetzen und -verordnungen, den Anwohnem urn einen 'sauberen' Standort frei von Uirm und Emissionen und der Gesellschaft gene­rell um die Wahrnehmung des okologischen Verantwortungsbewu8tseins der Unter­nehmen. Das Interesse der Kunden im engen Sinne richtet sich Uberwiegend auf urn­weltfreundliche Produkte sowie zunehmend auf eine okologisch gerechte Herstellungs­weise. Anspruchsgruppen wie die Gesellschaft generell oder die staatlichen BehOrden verursachen nun aus Sicht der Untemehmen durch ihre Anforderungen zuslitzliche Kos­ten und Risiken. 1m FaIle der Kunden im engen Sinne erwachsen aus den okologischen AnsprUchen an die Produkte nicht nur Kosten, sondem auch erhebliche Profilierungs­chancen fUr die Untemehmen. Die Folge daraus ist, daB sich die Okologie vom reinen Kostenfaktor zurn Wettbewerbsfaktor entwickelt, wodurch der Zusammenhang zurn Qualitu.tsmanagement ersichtlich wird.

Dieser Zusammenhang kann aIs Begrundung dafiir angesehen werden, daB die Okologie von strategisch denkenden Untemehmen heute aIs eine neue, zuslitzliche und in ihrer Bedeutung ansteigende QuaIitu.tsdimension aufgefa8t wird. In Folge der verschiUften gesetzlichen Regelungen sowie der zunehmenden Sensibilisierung der Offentlichkeit, der Kunden oder der Mitarbeiter konnen ein okologisch problematisches Produkt sowie okologisch bedenkliche Herstellungs-, Transport- oder Entsorgungsprozesse nicht mehr den Erwartungen an eine hochwertige QuaIitlit genUgen. In diesem Zusammenhang ist an ein qualitativ hochwertiges Produkt der Anspruch zu stellen, daB es urnweltfreund­lich hergestellt wird, ohne Verursachung von Umweltbelastungen benutzt und entsorgt werden kann.94 QuaIitu.t mu8 damit heute unweigerlich einen okologischen Aspekt in sich haben.95

Fortschrittliche Untemehmen haben die strategische Bedeutung der Okologie im Rah­men ihrer QuaIitlitspolitik bereits erkannt. Das amerikanische Untemehmen 3M entwi­ckelte ein spezielles Umweltprogramm mit Namen 'Pollution Prevention Pays (3P)" welches den gesamten Total QUality-Proze8 unterstUtzt.!I6 Allein der Name dieses Pro­gramms verdeutlicht die offensive Umwelteinstellung des Untemehmens. Durch proak­tive, vorbeugende Umweltschutzma8nahmen will 3M nicht nur Kunden zufriedenstel­len, sondem auch Kosten verringem. Die Begrundung fUr die gemeinsame Handhabung von QuaIitu.t und Umweltschutz im Rahmen der Total Quality-Philosophie des amerika­nischen UniversaIisten klingt erstaunlich einfach, aber dennoch treffend: Umweltver­schmutzung ist ein Fehler. Das Ziel von TQM ist es, Fehler zu eliminieren.97 Die Ver­ringerung des, Fehlers 'Umweltverschmutzung' entspricht im Sinne der 3M-Philosophie einer Qualitlitssteigerung,98

94 Vgl. Winter, G., Unternehmen, S. 33. 95 Vgl. Scharrer, E., Qualitllt, S. 718; Zorn, I., Gedanken, S. 583; Dillinger, A., Qualitllt, S. 663. VON

BRISKORN verdeutlicht mit einer LebenszykIusdarstellung der Qualitlltsmerkmale, daB den Okologi­schen Qualitlltsmerkmalen gegenliber den traditionellen Qualitlltsmerkmalen eine zunehmende Bedeu­tung zukommt (vgl. Briskorn, G. V., Qualitllt, S. 123).

!16 Vgl. zu diesem Beispiel George, S., Weimerskirch, A., TQM, S. 226ff. 97 "Pollution is a defect The goal of total quality management is to eliminate defects."; (Zosel, T.,

verantwortlicher Manager fUr das Pollution Prevention Programm bei 3M, zitiert nach George, S., Weimerskirch, A., TQM, S. 229).

98 AIs weiteres Beispiel kann die deutsche FLACUOLAS AG angefUhrt werden. Das Glasbauuntemehmen aus Gelsenkirchen will Qualitllt nur im Kontext mit 'Umweltschutz als Qualitllt' verstehen (vgl. Deutsch, C., NieMrster, K., VieMver, U., Chancen, S. 47). Ein weiteres Untemehmen, das Okologie als strategischen Qualitlltsfaktor anerkennt, ist die CONTINENTAL AG aus Hannover.

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DARSTElLUNG OKOLOGISCHER KOMPONENTEN 1M TOTAL QUALITY MANAGEMENT 231

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ein von GEORGE und WEIMERSKIRCH auf­geftihrter Vergleich zwischen der japanischen und der amerikanischen Industrie.99 In dem Zeitraum 1970 bis 1980 haben japanische Untemehmen ihre amerikanischen Kon­kurrenten in dem Qualitatsniveau der Produkte tiberrundet. 1m Zuge der japanischen Qualitatsverbesserungsstrategien wurden Ressourcen besser genutzt und Materialabflille und Energieaufwand reduziert. Die Autoren schlitzen, daB japanische Untemehmen zur heutigen Zeit 50 % weniger Material und Energie fUr die Erzeugung einer Einheit des Sozialprodukts aufwenden als amerikanische Untemehmen. loo Daraus leiten die Autoren einen Kostenvorteil der Japaner in H6he von 5 % ab, der den ohnehin schon vorhande­nen Qualitlitsvorteil untersttitzt. "All as a result of the quality improvement process." IOI

Selbst bei Infragestellung der prozentualen GOOBen dieser Schiitzungen wird ersichtlich, daB den 6kologisch orientierten MaBnahmen eine strategische Qualitlitsbedeutung zuge­sprochen werden muB.

Eine umfassende Qualitlitsstrategie muS gerade im Hinblick auf die Zukunft der 6kolo­gischen Qualitlitsdimension gerecht werden. Die Umweltdiskussion ist keinesfalls als Modeerscheinung anzusehen, vielmehr ist aus ihr eine hohe strategische Relevanz fUr die Unternehmen abzuleiten. I02 Daran sollte vor dem Hintergrund des neuen Wirt­schaftsparadigmas des sustainable development und der steigenden 6kologischen An­sprtiche der Menschen nicht gezweifelt werden.

4.4. Problemstellungen und Einschriinkungen der Betrachtungsweise

Die bisherigen Ausftlhrungen des vorliegenden Beitrags legen die Berticksichtigung okologischer Komponenten im Rahmen des TQM-Konzeptes nahe, welche aufgrund des ganzheitlichen Anspruchs des Total Quality-Ansatzes sogar erforderlich erscheint. Ganzheitliches Denken erfordert aus systemtheoretischer Sicht, und eine solche wurde der gemeinsamen Betrachtung von Qualitlit und Umweltschutz zugrunde gelegt, die Einbeziehung slimtlicher Umweltfaktoren. Das impliziert vor allem, daB dabei nicht an der 6kologischen Umwelt vorbeigegangen werden kann, die alle anderen Umwelten der Untemehmung umschlieSt.

Das aufgezeigte Denkmodell beinhaltet verschiedene Angriffspunkte und Problemstel­lungen, die es zu verdeutlichen gilt. Ein erster Einwand konnte sich dadurch ergeben, daB die Thematik der vorliegenden Arbeit vordergrtindig aus einer Qualitlitsperspektive behandelt wird. Dem ist an dieser Stelle nicht zu widersprechen. Qualitat wird hier als wesentlicher strategischer Schltisselfaktor fUr den Wettbewerb der Untemehmen ange­sehen. Das Management von Qualitat erfolgt in seiner konsequentesten Form durch das Total Quality Management. Daran anschlieSen lieBe sich der Einwand, daB die darge­stellten Zusammenhlinge keine grundlegend neuen sind. Neu insofem nicht, weil die Komponenten eines 6kologieorientierten Management im Rahmen von TQM nicht ver­lindert oder neu definiert werden. TQM wird den betrieblichen Umweltschutz als Ziel der Okologieorientierung der Untemehmen nicht neu definieren. TQM bietet vielmehr

99 Vgl. George, S., Weimerskirch, A., TQM, S. 231. 100 GEORGE und WBlMBRSKIRCH sprechen von " ... one unit of GNP [Gross National Product] .. :' ohne zu

konkretisieren, wie diese Einheit zu verstehen seL Die Amerikaner verstehen unter dieser Einheit im allgemeinen den Output, den ein Arbeiter in einer Stunde erzeugt.

101 George, S., Weimerskirch, A., TQM, S. 231. 102 Vgl. Raff6e, H., Wiedmann, K.-P., Bedeutung, S. 359ff.

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die Moglichkeit, die okologischen Komponenten starker zu betonen. In diesem Sinne stellt KIRSCHNER fest, daB okologische Aktivitaten von Unternehmen, die iiber die reine Einhaltung regulativer Rahmenbedingungen hinausgehen, unter die Total Quality­Philosophie eingeordnet werden konnen.103 Von Seiten der Normungsinstitute wird sich der Einwand ergeben, daB der Qualitatsnorm DIN ISO 9000ff im Rahmen der Arbeit nicht ausreichend Rechnung getragen wird. Der Sinn dieser Norm wird in keiner Weise angezweifelt. Sie bietet eine systematische Darlegungsmoglichkeit des Qualitatsprozes­ses und ist als eine zunehmende Bedingung im Wettbewerb anzusehen. TQM geht dar­iiber hinaus vor allem an den Menschen selbst heran. Das ist auch ein Grund dafiir, wa­rum sich die Handhabung okologischer Komponenten im Rahmen dieser Konzeption anbietet. 104

Neben diesen Einwanden, die aus der Sichtweise des vorliegenden Denkmodells heraus abgewiesen werden, sind zwei grundlegende Problemstellungen in dem Denkmodell gegeben, die zu Einschrankungen der Betrachtungsweise zwingen.

Zunachst ergibt sich das erhebliche Problem der Operationalisierung und MeBbarkeit der einzelnen definierten Bausteine des okologischen Qualitatsverstandnisses. Dieses Problem resultiert zum einen aus der Schwierigkeit, Qualitat an sich zu operationalisie­ren. Schon bei einer primar auf technisch-funktionalen Qualitatsmerkmalen basierenden, produktbezogenen Betrachtung existiert in Theorie und Praxis kein einheitliches Ver­standnis iiber die Quantifizierung und Bewertung von Qualitat. Vor dem Rintergrund eines erweiterten Qualitatsbegriffs kommt dieser Aspekt verstarkt zum Tragen.105 Zum anderen ergibt sich hier die Schwierigkeit, 'Umweltvertraglichkeit' zu bewerten. Zur Erfassung okologischer MaBnahmen wurden verschiedene Instrumente entwickelt, iiber deren jeweilige Tauglichkeit in der Literatur unterschiedliche Meinungen bestehen. 106

Konkrete Instrumente zur Erfassung der okologischen Qualitat der Produkte wurden ebenfalls bereits entwickelt. Zu nennen ist hier beispielsweise die Technikwirkungsana­lyse. 107 Die Frage, wie die okologische Qualitat und damit verbunden die okologischen MaBnahmen im einzelnen zu bewerten und zu messen sind, wird im Rahmen dieses Aufsatzes nicht hinreichend zu beantworten sein. Rier ist eine erste Einschrankung der Betrachtungsweise notwendig. Fiir die Unternehmen wird es entscheidend sein, eigene MaBstabe flir die Erfassungs-, Bewertungs- und MeBbarkeitsproblematik zu definieren. Eine Orientierung an den entwickelten Verfahren erscheint hier sinnvoll.

Unabhangig von diesen Verfahren solI ein Modellansatz aufgezeigt werden, der neben den bestehenden Instrumenten einen moglichen Orientierungsrahmen flir die Bewertung und MeBbarkeit der hier definierten Qualitatsbausteine liefert (vgl. Abb. 7).

103 Vgl. Kirschner, E., Green Angle, S. 60ff. 104 "To do pollution prevention, you must get into a total quality management mentality - give people a

goal and a method for achieving it, then let them do it." (Zosel, T., zitiert nach George, S., Wei­merskirch, A., TQM, S. 229).

105 Vgl. Schildknecht, R., TQM, S. 112. 106 Kontrovers diskutiert wird vor aHem das Instrument der Okobilanzen (vgl. dazu O. V., Aussagekraft, S.

61). 107 TORcK hat einen Eigenschaften-Gestaltungs-Ansatz' zur Erfassung eines okologischen Produktes

entwickelt (vgl. TUrck, R., Produkt, S. 31ft).

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DARSlELLUNG OKOLOGISCHER KOMPONENTEN 1M TOTAL QUALITY MANAGEMENT 233

I. Kunden II. Okologische QualiUltsbausteine 111. Bewertung maS Ulbe

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Abbildung 7: Orientierungsrahmen fUr die Bewertung und MeBbarkeit der okologischen QuaIitiitsbausteine

Qualitiit wird im TQM aIs die ErfiiIIung von Kundenanforderungen verstanden. Als re­levante Anspruchsgruppen werden die Kunden im engen Sinne, die Mitarbeiter (bzw. Abteilungen) und die GeseIIschaft gewiihlt (Block I). Diese werden direkt mit den oko­logischen QuaIitiitsbausteinen in Beziehung gesetzt. I08 In Anlehnung an das Kunden­Lieferanten-Verhiiltnis innerhaIb der ProzeBbetrachtung wird auch die okologische Qua­litiit der Prozesse in Beziehung zum Kundenbegriff gesetzt. Jeder ProzeB hat einen Kunden und einen Lieferanten. Der Lieferant muB die okologischen Anforderungen des Kunden erfiillen. Block II zeigt die verschiedenen okologischen QuaIitiitsbausteine, die sich gegenseitig beeinflussen. Als mogliche BewertungsmaBstiibe fiir die okologischen Qualitiitsbausteine werden der objektive, der subjektive, der subjektiv-relative und der intern-objektive BewertungsmaBstab bestimmt (Block 111). Der objektive MaBstab bein­haItet die Orientierung an Gesetzesvorschriften, Verordnungen und Grenzwerten. Unter Grenzwerten werden hier rechtsverbindliche Normen verstanden, die aIs legislative 0-bergrenzen bestimmte Umwelteinwirkungen limitieren. Als subjektiver MaBstab wird die Kundenzufriedenheit gewiihIt. Der subjektiv-relative MaBstab zieht Konkurrenzver­gleiche mit in die Betrachtung ein. Der intern-objektive MaBstab ist die RichtgroBe fUr die Kundenzufriedenheit im internen Kuriden-Lieferanten-Verhiiltnis. Als mogliche RichtgroBe fiir die okologischen Qualitiitsbausteine ergibt sich in einem ersten Schritt die Orientierung an dem objektiven MaBstab. Die Bewertung der okologischen QuaIi­tiitsbausteine erfolgt anhand von Gesetzes- und Grenzwertvorgaben. Abbildung 8 ver­deutlicht mogliche Gesetze und Grenzwerte, deren Inhalte fiir die einzelnen okologi­schen Qualitiitsbausteine aIs RichtgroBen dienen konnen. I09 Die Gesetzes- und Grenz­wertvorgaben enthaIten konkrete Richtwerte, die aIs MaBstiibe fiir die okologische Qua­litiit verstanden werden konnen. Diese werden aIs minimale Bewertungskriterien fUr die okologische QuaIitiit angesehen.

108 Aus Vereinfaehungsgriinden wird die okoiogisehe QuaIitiit der Dienstieistungen nieht explizit aufge­fiIhrt.

109 Zu den Gesetzen vgl. Sondermann, W. D., Umweltgesetze, S. 31ff. Inhaitliche RichtgroBen zu den Gesetzen und Grenzwerten finden sich bei TUrck, R., Produkt, S. 50ff.

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Qualitiitsbanstein Gesetzes- nnd Grenzwertvore:aben okologische Qualitat z. B. Regelungen fur die Inhaltstoffe von Chemikalien und Lebensmitteln:

der Produkte Chemikaliengesetz, Trinkwasserverordnung

okologische Qualitat z. B. Gesetz zum Schutz vor schlidlichen Umwelteinwirkungen durch Luftver-

der Prozesse unreinigungen, Gerliusche, Erschiitterungen und lihnliche Vorglinge (Bundes-

immissionsschutzgesetz); Wasserhaushaltsgesetz; Gesetz zur Vermeidung und

Entsorgung von AbfaIlen

okologische Qualitat z. B. MAK-Werte (Maximale Arbeitsplatzkonzentration: die fur die Luft am

der Arbeit Arbeitsplatz hochstens zu1assigen Konzentrationen eines Gases, Dampfes oder

( -sbedingungen) Schwefelstoffes)

okologische Qualitat z. B. Gesetz zum Schutz vor schlidlichen Umwelteinwirkungen durch Luftver-

der AuBenbeziehungen unreinigungen, Gerliusche, Erschiitterungen und lihnliche Vorglinge (Bundes-

immissionsschutzgesetz )

Abbildung 8: Objektiver BewertungsmaBstab: Gesetzes- und Grenzwertvorgaben

Zusatzlich flieBen die subjektiven und die subjektiv-relativen Vorstellungen der Kunden mit in die Bewertung der okologischen Qualitat der Produkte, der Arbeit(sbedingungen) und der AuBenbeziehungen ein. Ftir die okologische Qualitat der Prozesse wird der in­tem-objektive MaBstab herangezogen.

• Okologische Qualitat der Produkte: Kunden im engen Sinne

Eine dankbare Hilfe flir die Bestimmung der subjektiven Anforderungen der Kunden an die okologische Qualitat der Produkte bietet das House of Quality im Rahmen des Quality Function Deployment. Das House of Quality wurde bereits im Automobilbe­reich zur Operationalisierung der relativen Umweltfreundlichkeit angewandt. Um­weltfreundlichkeit' konnte darnit z. B. konkret auf die okologische Produktanforde­rung 'Recyclefahigkeit' heruntergebrochen werden, die von der Konstruktion somit bereits bei der Materialauswahl zu berUcksichtigen war. 110 Urn den subjektiven MaS­stab der Kundenzufriedenheit meBbar zu gestalten, werden Kundenbefragungen durchgeftihrt. Es wird ein Anforderungs- und ein l..eistungsprofil erstellt, welches die Gegentiberstellung von erwarteten Anforderungen der Kunden an die okologischen Produkteigenschaften und tatsachlich wahrgenommenen Eigenschafien beinhaltet.1l1

Weiterhin werden Skalierungsverfahren zur Gewichtung der einzelnen okologischen Produktanforderungen durch den Kunden eingesetzt, urn deren Bedeutung flir die Produktqualitat abzuleiten. 1m Rahmen der Kundenbefragungen werden ebenfalls Vergleiche zur okologischen Qualitat von Konkurrenzprodukten mit einbezogen, wodurch der subjektiv-relative BewertungsmaBstab berUcksichtigt wird. Als weiteres MeBkriterium flir die Kundenzufriedenheit beztiglich der okologischen Qualitat der Produkte wird die Kennzahl der Beschwerdequote herangezogen. Diese gibt ein (ein­geschrlinktes) Bild tiber die Anzahl der unzufriedenen Kunden. Samtliche Beschwer­den tiber mangelnde okologische Produkteigenschaften oder etwaige okologische Schaden, die das Produkt wahrend der Nutzungsphase verursacht, werden gesam-

110 Eine beispielhafte Darstellung zum 'umweltfreundlichen' House of Quality im Automobilbereich findet sich bei Steger, U., Umweltschutz, S. 45ff.

111 Vgl. Nieschlag, R., Dichtl, E., Horschgen, H., Marketing, S. 152f.

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DARSTEILUNG OKOLOGISCHER KOMPONENTEN IM TOTAL QUALITY MANAGEMENT 235

melt. Daraus werden notwendige Veranderungen der okologischen Produkteigen­schaften abgeleitet.

• Okologische Qualitiit der Prozesse: Kunden - Lieferanten

Zur Sicherstellung der Kundenzufriedenheit werden GeschiiftsprozeB-Verein­barungen zwischen Kunden und Lieferanten abgeschlossen. Diese enthalten Kenn­zahlen zur MeBbarkeit der okologischen Qualitiit der jeweiligen Prozesse (intem­objektiver MaBstab). hn Produktionsbereich einer Untemehmung kann beispielswei­se zwischen der Endmontage und der Prufstelle eine ProzeBvereinbarung getroffen werden, die sich in Fonn der Kennzahlen 'Verbrauch an Energie und Wasser je Ton­ne Produkt' und Emission je Tonne Produkt' ausdriickt.

• Okologische Qualitiit der Arbeit(sbedingungen): Mitarbeiter

Die Mitarbeiter werden mittels Mitarbeiterbefragungen nach ihren subjektiven Ein­schiitzungen tiber die okologische Qualitiit der Arbeitsbedingungen (z. B. hinsichtlich Staub-, Schmutz- oder Uinnempfinden) befragt. Eventuelle Vergleiche tiber die oko­logischen Arbeitsbedingungen bei moglichen frUheren Arbeitgebem berucksichtigen den subjektiv-relativen BewertungsmaBstab.

• Okologische Qualitiit der Au6enbeziehungen: Gesellschaft

In der Offentlichkeit werden Befragungen hinsichtlich des 'okologischen hnages' des Untemehmens durchgeftihrt (hnagemessungen). Dabei werden auch Konkurrenzver­gleiche berucksichtigt. Ein mogliches Hilfsmittel zur Einschiitzung der Kundenzu­friedenheit bildet die Auswertung von Presseartikeln und Medienberichten tiber den okologischen Ruf der eigenen Untemehmung sowie der Konkurrenzuntemehmen.

Den Verfassem ist bewuBt, daB diesem allgemein gehaltenen Modellansatz nur eine begrenzte Aussagekraft zugesprochen werden kann. Obwohl er lediglich einen mogli­chen Orientierungsrahmen liefert, so sensihilisiert er zumindest fur ein differenziertes okologisches Qualitiitsverstandnis.

Das zweite grundlegende Problem griindet in der organisatorischen Rahmengestaltung von Qualitiit und Umweltschutz im TQM. Auch diesem Problem wird im Rahmen die­ser Arbeit nicht hinreichend Rechnung zu tragen sein, was somit zu einer weiteren Ein­schrankung der Betrachtungsweise zwingt. Ohne die moglichen organisatorischen Rah­mengestaltungen zu erortem, die in jedem Fall von der jeweiligen existierenden betrieb­lichen Organisationsstruktur abhlingen, wird hier die Meinung vertreten, daB der Um­weltschutz nicht vollstandig in den Qualitiitsbereich integriert werden kann. Dem Um­weltschutzgedanken wird eine bestimmte Eigenstandigkeit zugesprochen. Nicht zuletzt zwingen gesetzliche Regelungen zu ganz bestimmten organisatorischen Gestaltungsas­pekten im Umweltschutzbereich. Zu nennen sind hier beispielsweise der gesetzlich ge­forderte hnmissionsschutzbeauftragte, der Gewlisserschutzbeauftragte sowie der Be­triebsbeauftragte fur Abfall. 112

112 Vgl. Hopfenbeck, W., Betriebswirtschafts- u. Managementiehre, S. 1070ff.

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236 SlEFAN ODEN1HAL UNO BERNT R. A. SIERKE

Urn eine Basis fUr die weiteren Uberlegungen zu schaffen, werden zwei abstrakte Orga­nisationsbereiche Qualitat und Umweltschutz festgesetzt. Diesen wird eine jeweilige Eigenstiindigkeit zugesprochen, urn ganz unterschiedlichen, spezifischen Aufgaben die­ser Bereiche gerecht zu werden. 1m Rahmen des TQM werden Qualitiit und Umwelt­schutz zusammenhiingend betrachtet (vgl. Abb. 9). Unter dem Dach des TQM-Hauses ruht nach wie vor das 6kologische Qualitiitsverstiindnis, das zu der gemeinsamen Be­trachtung von Qualitiit und Umweltschutz berechtigt. Die Tiir zwischen den Bereichen Qualitiit und Umweltschutz ist offen, urn die Handhabung von 6kologischen Kompo­nenten im TQM zu gewiihrleisten. Das 'Fundament' des Hauses bildet das Prinzip der stiindigen Verbesserung, welches fiir beide Bereiche gilt.

Abbildung 9: Zusammenhiingende Betrachtung von Qualitat und Umweltschutz im TQM

5. TQM-Anforderungsprofil und Gestaltungsansatze

Mit den folgenden Uberlegugen sollen Anregungen fiir die gemeinsame Betrachtung von Qualitiit und Umweltschutz im Rahmen des Total Quality Management gegeben werden. Es wird ein TQM-Anforderungsprofil erstellt, welches die Beriicksichtigung 6kologischer Komponenten betont. In dieses Anforderungsprofil flieBen die Erkenntnis­se der vorangegangen Kapitel mit ein. Die Uberlegungen kniipfen im wesentlichen an die in Abschnitt 4.2. dargelegten Aspekte an. Weiterhin werden auch neue Gedanken aufgenomrnen, die m6gliche Gestaltungsansiitze zum Ausdruck bringen sollen. Es ist darauf hinzuweisen, daB hier nur einige ausgewiihlte Anforderungen sowie Gestaltungs­ansiitze in kurzer Form thematisiert werden k6nnen. Diese sind als DenkansWBe fUr ein '6kologieorientiertes Total Quality Management' zu verstehen. 1m folgenden Profil wer­den das Fiihrungsverhalten, die Vision der umweltvertriiglichen Qualitiit, die Veranke­rung von Qualitiit und Umweltschutz im unternehmerischen Zielsystem, das Primat der erweiterten Kundenorientierung, die kontinuierliche Verbesserung und Priivention, die qualitats- und umweltorientierte Organisationsentwicklung, Qualitat und Umweltschutz als Querschnittsfunktionen sowie ausgewiihlte Methoden und Techniken beleuchtet.

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DARS1ElLUNG OKOLOGISCHER KOMPONENTEN 1M TOTAL QuAUTY MANAGEMENT 237

Fiihrungsverhalten

Oem FUhrungsverhalten kommt fUr die hier zugrunde gelegte Betrachtungsweise eine entscheidende Bedeutung zu. Der Qualitlits- und Umweltschutzgedanke muB von den FUhrungskrii.ften aktiv kommuniziert und geffudert werden, urn die Verbesserung von Qualitlit und Umweltschutz kontinuierlieh voranzutreiben. 1m einzelnen k6nnen die folgenden wesentlichen Anforderungen an die FUhrungskrii.fte und deren Verhalten aus­gemacht werden:

• Qualitiits- und umweltbezogene Selbstverpflichtung des Top Management

Die Selbstverpflichtung des Top Management besteht darin, am Qualitilts- und Um­weltschutzprozeB aktiv teilzunehmen und diesen kontinuierIieh zu unterstiltzen.

• Systemlsches, ganzheitliches Denken

Mit Qualitlit und Umweltschutz sind zwei komplexe Teilbereiche verbunden, die ein systemisches, ganzheitliches Denken erforderIich machen. Die FUhrungskdlfte mUs­sen danach streben, die vernetzten Folgen ihrer Entscheidungen weitreichend zu U­berblicken sowie mit komplexen Situationen urngehen zu lemen.

• Qua1itiits- und umweltbewu8te Vorbildwirkung

Die FUhrungskdlfte haben sich ihrer Vorbildwirkung fUr die Mitarbeiter bewu6t zu sein. Das bedingt, daB sie den Total Quality-Gedanken im pers6nIichen Entscheiden, Handeln und Auftreten stets zum Ausdruck bringen.

• Fiihren mit Zielvereinbarung (Management by objectives)

Die FUhrungskrii.fte setzen gemeinsam mit den ihnen untergeordneten Mitarbeitem quantifizierbare Qualitilts- und Umweltschutzziele fest. Die Partizipation der Mitar­beiter bei der Zielbildung f6rdert das Verantwortungsbewu6tsein und die Motivation fUr die eigene Arbeit. Stlindig wirkende UmwelteinflUsse und untemehmensinterne Dynamik erfordem die regelmliBige ZielUberprUfung und Zielanpassung.113

• Kommunikative Einwirkung

Die ganzheitliche offene Kommunikation ist eine Grundvoraussetzung des Total Quality-Gedankens. Die FUhrungskrii.fte mUssen die Wertvorstellungen des Unter­nehmens in bezug auf Qualitilt und Umweltschutz sowohl nach au6en als auch nach innen durchgilngig kommunizieren. Es reicht nieht aus, daB der Mitarbeiter die ge­setzten Ziele nor kennt. Er mu6 vielmehr wissen, welehe Philosophie und welcher Sinn dahinterstehen. Das Top Management muB den Mitarbeitem, den Kunden und der Offentlichkeit gegenUber bekunden, welche Haltung es z~ Schutz der natUrli­chen Umwelt einnimmt und wie es Umweltschutzauflagen realisieren will. Es muB verdeutlichen, daB das Unternehmen eine Politik des qualitativen Wachstums be­treibt.

• Qualitiits- und umweltschutzbezogene Mitwirkung gestalten

Die Motivation der Mitarbeiter ist vor allem durch Mitwirkung zu erreichen. Die FUhrungskrilfte mUssen die Mitarbeiter in ausreichendem Ma6e informieren. Sie

113 VgJ. Fuchs-Wegner, G., Management-Prinzipien, Sp. 2575f.

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mUssen sie in einzelne Entscheidungsprozesse mit einbeziehen. Die Forderung von Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter in Qualitats- und Umweltfragen sind genau­so von Bedeutung wie auch die eigene Lernbereitschaft der FUhrungskriifte.

Vision der umweltvertraglichen Qualitiit

TQM muB als ganzheitliches Managementsystem verstanden werden. "Ganzheitlichkeit ist ohne Sinnbezug undenkbar, denn das Wesen von Zusammenhllngen im Wechselspiel von Teilen und Ganzem erschliesst sich erst Uber die Konstruktion eines Sinnes."114 Die untemehmerische Vision kennzeichnet ein entfemtes, aber dennoch realistisches Zu­kunftsbild. Sie priigt als 'Leitstem' das untemehmerische Handeln. l1s Als ganzheitliche, vorausschauende Vorstellung von Zwecken und Wegen zu ihrer Erreichung muB von der Vision der umweltvertriiglichen Qualitiit die Sinnvermittlung, die Jmpulsgebung und die Begeisterung fUr die intensive Wahrnehmung von Qualitiit und Umweltschutz auf alle Mitarbeiter ausgehen.

Qualitiit und Umweltschutz: Elemente der strategischen Ziele

Eine konsequente Qualitats- und Okologieorientierung bedarf einer Verankerung von Qualitat und Umweltschutz im Zielsystem der Untemehmung. Eine mogliche Einord­nung des Qualitats- und des Umweltschutzziels solI anhand einer von STEGER getroffe­nen Einteilung verdeutlicht werden.1I6 Als betriebwirtschaftliches Oberziel wird die langfristige Existenzsicherung der Untemehmung angesehen. In einer zweiten Zielebene ist das strategisches ZielbUndel zu definieren. Dieses umfaBt Markt-, Leistungs- und Ertragsziele, an die in einer nachfolgenden Zielebene die operativen Ziele geknUpft werden. Es steht auBer Frage, daB das Erreichen der Ertragsziele Dividendenkontinuitat und Eigenfinanzierung eine grundlegende Voraussetzung fUr das betriebswirtschaftliche Oberziel ist. Weiterhin sind die Marktziele Umsatzwachstum, Marktanteile und Er­schlieBung neuer Markte fUr das Erreichen der Ertragsziele und die Existenzsicherung von Bedeutung.

Die Leistungsziele kennzeichnen die Ziele der Untemehmung, deren Erftlllung bei­spielsweise von der Gesellschaft, der Politik, den Abnehmem und den Mitarbeitem er­wartet werden. Hierunter fallen neben der Zielsetzung der sozialen Verantwortung das Qualitiits- und das Umweltschutzziel. Die Erftlliung dieser Ziele dient der Sicherstellung der Legitimation der Unternehmensautonomie. Eine fehlende BerUcksichtigung der Lei­stungsziele wUrde langfristig das Oberziel der Existenzsicherung geflihrden, denn eine andauemde Verletzung der Interessen Dritter schriinkt die Handlungsautonomie des Untemehmens ein. Die Einordnung des Umweltschutzziels unter die Leistungsziele er­folgt aus der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung des Flie8gleichgewichtes' zwischen Untemehmung und Umwelt. Das Unternehmen muB danach streben, die bestehenden Konflikte zum Untemehmungsumfeld abzubauen. Nur so konnen Handlungsflibigkeit und Autonomie gewahrt werden. Neben dieser Einordnung von Qualitiits- und Umwelt­schutzzielen in die Leistungsziele der Untemehmung erscheint auch die Zuordnung die­ser Ziele zu den Markttzielen moglich. So z. B. dann, wenn die Qualitats- und Okolo­gieorientierung zur Erschlie8ung neuer Markte filhrt.

114 Bleicher, K., Konzept, S. 97. lIS Vgl. ebenda, S. 73ff. 116 Vgl. Steger. U., Umweltmanagement, S. 189ff.

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DARSTELLUNG OKOLOGISCHER KOMPONENTEN 1M TOTAL QUALITY MANAGEMENT 239

Die Bedeutung der Qualitats- und Okologieorientierung muB aus den Untemehmens­grundsatzen kIar hervorgehen. Qualitat und Umweltschutz sind als wesentliche Bestand­teile darin aufzunehmen. Visionen, Missionen und Zwecke der Qualitats- und Okolo­gieorientierung sind hier zu erfassen. Urn weiterhin das okologische QualitatsbewuBt­sein deutlich zu machen, muB der Umweltschutz in das Qualitatsleitbild des Untemeh­mens aufgenommen werden.

Primat der erweiterten Kundenorientierung

Die gemeinsame Betrachtung von Qualitat und Umweltschutz im TQM erfordert eine weite Auslegung des Kundenbegriffs. Kunden sind nicht nur Abnehmer oder Konsu­menten, sondem eben auch die Mitarbeiter, die Lieferanten, Aktioniire und die Gesell­schaft generell. Weiterhin mtissen auch Umweltinstitutionen, Medien, BehOrden, Ban­ken usw. beriicksichtigt werden. Das Untemehmen muB sich auf all diese Kunden, ihre Wtinsche, Erwartungen und Anforderungen ausrichten. Dazu ist es notwendig, das Un­temehmen als Teil seiner Umwelt zu verstehen. Dieses Erfordernis erscheint gerade im Hinblick auf die Beriicksichtigung okologischer Komponenten besonders notwendig, da den Anspruchsgruppen ein steigendes UmweltbewuBtsein zuzusprechen ist.

Kontinuierliche Verbesserung und Priivention

Es gilt sowohl den Qualitats- als auch den UmweltschutzprozeB permanent zu verbes­sem. Die Anerkennung der Okologie als strategischen Qualitatsfaktor bedeutet, daB jede Umweltbelastung als Fehler angesehen werden muB, dem friihzeitig vorzubeugen ist. Das neue Schlagwort, das tiber diese Praventions- und Verbesserungsstrategie die bei­den Bereiche Qualitat und Umweltschutz eng miteinander verbindet heiBt Oko­Kaizen.1l7 Umweltverantwortliche Untemehmen stiitzen ihre okologischen MaBnahmen nicht nur auf Innovationen, sondem gehen vielmehr auch den kontinuierlichen Weg der kIeinen Schritte. Japanische Automobilhersteller bedienen sich bereits dieser Strategie der okologischen Verbesserung. fin Produktions- und Produktbereich zeigt sie sich z. B. in Form des moglichst spars amen Umgangs mit den Ressourcen, der Verwendung von wasserloslichen Lacken und auch in der ansteigenden Bedeutung des Recycling. Ober den eigentlichen Produktionsbereich hinausgehende Ansatze beginnen sich abzuzeich­nen. Sie wollen die weiteren Lebensphasen des Produkts Automobil umfassen. Das au­Bert sich zum Beispiel in abgas- und verbrauchsarmeren Automobilen oder in der Ent­wickIung von Verkehrsleitsystemen. Die Ausrichtung der japanischen Untemehmen auf eine groBere Umweltvertraglichkeit der Produkte vollzieht sich unauffaIlig und unspek­takuliir, aber kontinuierlich.

Das Prinzip der standigen Verbesserung im betrieblichen Umweltschutz kann am Bei­spiel des Produktionsprozesses verdeutlicht werden. 1I8 In den Produktionsprozessen werden Energie, Hilfsstoffe, Material und Wasser verbraucht. Es entstehen Emissionen und AbfaIle. Analog zu der Qualitatsfahigkeit sind die betrieblichen Prozesse in der Produktion hinsichtlich ihrer Umweltfahigkeit zu untersuchen. Die Umweltfahigkeit driickt die Beherrschung der umweltrelevanten Faktoren wie z. B. Emissionen und E-

1I7 Zu den Ausfiihrungen zwn Oko-Kaizen vgl. Berger, R., Servatius, H.-G., Zukunft, S. 121ff; Kreike­bawn, H., Lemflihigkeit, S. 18.

118 Vgl. Butterbrodt, D., Tammler, U., Umweltmanagement, S. 68ff.

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nergieverbrauch aus. Es mussen Grenzen (Toleranzen) definiert werden, deren Einhal­tung sichergestellt werden muB, bevor weitere Verbesserungsaktivitaten einsetzen. Ver­besserungspotential ist aus Sicht des Umweltschutzes solange gegeben, bis die umwelt­belastenden Faktoren minimiert sind. Die stlindige Verbesserung muB sich hier weiter­hin auf die Optimierung der integrierten und additiven Verfahren beziehen, deren Wir­kungsgrade es zu verbessem gilt. 1m Bereich der Abfallentsorgung muB die Verbesse­rung des Recycling im Vordergrund stehen. Hier gilt es, die Recyclingquote bezuglich der verwendeten Materialien sowie der hergestellten Endprodukte zu erhohen.

Qualitiit und Umweltschutz als Querschnittsfunktionen

Qualitat und Umweltschutz mussen in samtlichen Untemehmensprozessen beriicksich­tigt werden. Sie sind als bereichsubergreifende Aufgaben entlang der gesamten Wert­schopfungskette zu verstehen. Abbildung 10 verdeutlicht einige Gestaltungsansatze.

Untemehmensstrukturl • QualitJit Wid Umweltschutz in UntemehmensgrundSltzen tmd ·zielen • QualiUits- und umweltorientierte BewuBtseinsbildWlg bei Mitarbeitem und Kunden

Corporate Identity • lmagevcrbesserung duroh QuaIimts· Wld Oknlogieoricntienmg Uber­

geordnete ~=============================: Phasen

Direkte Phasen

Flankie-rende

Marketing

FuB

• UmweJtvertrJlglichere

• Ennitte1n von Okologiscben Kundenanforderungen und Wettbewerbsposition (extern) • Analyse dec untemehmens· und produktbezogenen und QuaIitilts- und

Umweltanforderungen (mtem) • Aufnahmc der QualiHlt und des Umweltschutzes in der Kommwtikation

(Werbung/PRISponsoriog)

Beschaffung Produktion Vertrieb/Service

• Lieferantenauswah1 • QuaIidUs- und umwelt- • Ressourcenschonende Verfahrens- und Produktions- unter Ukologischen orientierte Verbesserung DistributionlRetrodis-technologien Aspekten del' Produktionsverfahren tribution

• Ermittlung/Entwicldung von • Ersatz umweltschIdIicher • Recycling von • QuaIitllts- und umweit-Substitutionsstoffen Einsatzmaterialien Produktionsri1ckslllndcn orientierte

• Bertlcksichtigung von • Qualitlts- und umwelt- (Wcrkstoffen) Dokumentation, Entsorgung/Reoycling orientierte Tnmsport- ·UmweltvertrU.g- Schulung. Beratung

optimienmg Iichere Entsorgung • Okologischer Dialog mit clem Kundcn

• Aus- WId Weiterbildung in Qualitllt und Umweltschutz Personal • QualiUlts- umweltorientierte BewuBtseinsbildung bei MitaI'beitem und Kunden

• Qualitlitskenntnisse und Umweitschutzkenntnisse als Zusa ifikation honorieren • QuaIitltshandbucblUmweltschutzbandbuch

Organisation • Qualitllts-Audi~ UmweltauditITeam/-Koordinator • Qualitlits- WId akologieorientierte OrganisationlArbeitsmittel

Phasen Information • Aufbau eines QuaIitilts- und Okologie-Infonnationsnetzwerkes • Rohstoff- und Einsatzdatenbanken

Rechnungswesenl Finanzierung

• RegelmIBiger "QuaIitllts- und Oko-Brier' an die Mitarbeiter

• QualiHltS-Controlling. Umweltcontrolling • Stoff-. Energie-. Oko- WId Bilanzen • Staadiche FHrderungenIsteuerliche BegUnstigungen von Umweltinvestitionenl

a1itllts-Filnl

Abbildung 10: Qualitat und Umweltschutz in den Phasen der Wertschopfungskette (Beispiele )119

119 Modifizierte Darstellung in Anlehnung an Topfer, A., Umweltschutz-Auditing, S. 84.

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DARSTELLUNG OKOLOGISCHER KOMPONEN1EN 1M TOTAL QUAUTY MANAGEMENT 241

Qualimts- und umweltorientierte Organisationsentwicklung

Die Verbesserung von Qualitat und Umweltschutz wird von einer dafUr notwendigen Bereitschaft und Fiihigkeit der Organisation getragen. Organisationsentwicldung be­schreibt den geplanten, kontinuierlichen ProzeS der Selbsterneuerung des Management, der sich an den Verlinderungen im Unternehmen und in der Umwelt orientiert. Bei sich sUindig verlindernden Rahmenbedingungen sehen sich die Organisation und ihre Mit­glieder in die Lage versetzt, proaktiv zu handeln. Aus der Anonymitat der Organisation herausgelOst werden die Mitarbeiter verantwortlich in den Okologieorientierten Total Quality-ProzeS mit einbezogen. l20

Methoden und Techniken

Die gemeinsame Betrachtung von Qualitilt und Umweltschutz erfordert, daB die ver­schiedenen Methoden und Techniken des Qualitlitsmanagement auch fUr den Umwelt­schutz genutzt werden. Ferner mUssen die Methoden und Techniken des Okologiema­nagement im Rahmen des TQM zum Einsatz kommen. Einige Gestaltungsansiltze seien hier verdeutlicht.

Mittels des Quality Function Deployment werden die Kundenanforderungen in der Planungsphase systematisch abgeleitet. Dabei werden auch die Okologischen Anforde­rungen erfa8t. 121 Die Feblermoglichkeits- und Einflu8ana1yse kann in Form der Kon­struktions-FMEA die Anforderungen an eine recyclinggerechte Konstruktion der Pro­dukte sicherstellen. Sie dient schon frlihzeitig der Vermeidung von Umweltgefi!.hrdun­gen. Die ProzeB-FMEA unterstUtzt die Umweltflihigkeit der Produktionsprozesse. l22

Mittels der statistischen Proze81enkung ist die Oberwachung und Beobachtung von umweltrelevanten ProzeSparametern mOglich. Die Umweltbelastung kann in festgeleg­ten Grenzen auf geringem Niveau gehalten werden. l23 In der Input-Output-Analyse erglinzen sich die Inhalte von Qualitatsmanagement und ()kologiemanagement. Die Er­fassung des vollstilodigen Materialflusses ermOglicht die Darstellung und Quantifizie­rung der Mengenstrome, wodurch Ansatzpunkte fUr Qualitiltsverbesserungen und Ver­ringerungen von Umweltbelastungen gegeben sind. l24 Computer Aided Quality Ma­nagenent hilft als Informations- und Steuerungssystem bei der Bewilltigung des durch die gesetzlichen Umweltvorschriften anfallenden groSen Datenumfangs. Weiterhin ist an die Einrichtung eines Qualitiits- und UmweltcontroIIing zu denken. Als Teilsystem des Controllingsystems kOnnen damit untemehmensweit die qualitlits- und umweltrele­vanten Vorglinge koordiniert werden. Ziel moB es sein, eine anforderungsgerechte Qua­litat mOglichst wirtschaftlich sicherzustellen und die Umwelteinwirkungen zu lenken und zu kontrollieren. Neben Qualitiitszirkeln sind Umweltzirkel einzurichten bzw. mUssen in den Qualitatszirkeln auch umweltrelevante Themen. aufgegriffen werden. Die Mitarbeiter bekommen die MOglichkeit sowohl ihr Arbeitsumfeld als auch ihr ~bens­umfeld zu verbessern und auf Dauer aufrechtzuerhalten. Als mOgliche Themen fUr Um­weltzirkel bieten sich Problemstellungen wie das Einsparen des Wasser- und Energie-

120 Vgl. GUnther, K., OrganisationsentwickIung, S. 19. 121 Vgl. Steger, U., Umweltschutz, S. 45ff. 122 Vgl. Butterbrodt, D., Tammler, U., Umweltmanagement, S. 67; Dillinger, A., Qualitat, S. 662. 123 VgI. Butterbrodt, D., Tammler, U., Umweltmanagement, S. 67. 124 VgI. Stark, R., QuaIitats- und Umweltmanagement, S. 25f.

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verbrauchs, die Abfallminimierung oder das Einsparen von Roh-, Hilfs- und Betriebs­stoffen an. llS

6. Schlufibetrachtung

Die Voraussetzungen fUr eine gemeinsame Betrachtung von Qualitiit und Umweltschutz liegen in einer ganzheitlichen, systemischen Sichtweise und in der Anerkennung der Okologie als strategischen QualiUltsfaktor. 1m zunehmendem MaBe wird von den Un­ternehmen die Notwendigkeit erkannt, Qualitiit in einer erweiterten Fassung zu begrei­fen. Ein umfassendes Qualitiitsverstiindnis muS gerade im Hinblick auf die okologi­schen Anspriiche der 'Kunden' die okologische Qualitiitsdimension mit einbeziehen. Wie in den Ausfiihrungen gezeigt wurde, lassen sich bei entsprechender Sensibilisie­rung fUr die Dimension der okologischen Qualitiit beide Bereiche - Qualitiit und Um­weltschutz - zusammenhiingend im TQM betrachten. Es ist deutlich geworden, daB die beiden Teilbereiche sehr viele Gemeinsamkeiten aufweisen. FUr eine zusammenhiingen­de Betrachtung wird es notwendig sein, daB sich vor allem das Top Management der Unternehmen zuki1nftig zu der 'Vision der umweltvertriiglichen Qualitiit' bekennt.

Die Gemeinsamkeiten zwischen Qualitiit und Umweltschutz erfahren in jUngerer Zeit eine neue Richtung - das Total Quality Environmental Management (TQEM). Die 1990 ins Leben gerufene Global Environmental Management Initiative (GEMI)I26 beschreibt TQEM als den effizientesten Weg, Umweltmanagement zu verbessern.127 Ansatzpunkt war die offensichtliche Anwendungsmoglichkeit des Qualitiitsmanagement im Umwelt­bereich. Ein weiterer Ansatz, der derzeit national und international in diesem Zusam­menhang diskutiert wird, beruht auf den Oberlegungen eines 'generic management sys­tem' .128 Gedanke ist dabei, die im Qualitiits- und Umweltbereich gemachten Erfahrungen auch fUr andere Bereiche zu nutzen. So konnte beispielsweise ein allgemeingiiltiges Managementsystem mit den Bereichen Qualitiit, Umwelt, Arbeitssicherheit oder Cont­rolling entstehen.

Die bier vorgenommene Untersuchung okologischer Komponenten unter dem Dach des TQM formuliert die Anspriiche, welche an erweiterte Konzeptionen zu stellen sind. Mit dem Total Quality Management ist ein ganzheitlicher, auf den Menschen bezogener Managementansatz entstanden. Die Pbilosopbie dieser Konzeption umfaBt, wenn sie richtig aufgefaBt wird, nicht nur den Qualitiitsbereich, sondem auch den Umweltbereich.

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246 SlEFAN ODENTHAL UND BERNT R. A. SlERKE

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Konzepte fiir das neue Jahrtausend

zur __ Rallllnead Scorecard"

Die Balanced Scorecard ist in aller Munde. Sie revolutioniert zurzeit die bestehenden Denkstrukturen im Controlling. Die erfolg­reichen deutschen Unternehmen fuhren dieses integrierte Kennzahlensystem zuneh­mend ein. Aber was ist die Balanced Score­card genau und was muss man bei der Implementierung beachten?

Personal fuhren mit Balanced Scorecard

Das Konzept der Balanced Scorecard (BSq als ganzheitliches Steuerungsinstrument zur Strategie-Implementation findet auch in der deutschen Untemehmenspraxis immer mehr Beachtung. Das Buch soli die Kreativitat und Begeisterung zur Generierung einer BSC im eigenen Untemehmen herausfor­dern und Mut zur Veranderung und Anpas­sung der klassischen BSC auf die unterneh­mensspezifischen Anforderungen machen.

mit Zahlen

Dieses lehrbuch fuhrt systematisch in die Grundlagen einer modemen Kostenrech­nung ein. Der Autor geht ausfGhrlich auf die Systeme der klassischen Kostenrechnung und deren Schnittstellen zu den aktuellen Entwicklungen ein. Die 2. Auflage beruck­sichtigt noch starker neue Ansatze im Dienstleistungsbereich am Beispiel des Consulting.

Anderungen vorbehalten. Stand: Miirz 2000.

JUrgen Weber, Utz Schaffer Balanced Scorecard & Controlling Implementierung - Nutzen fur Manager und Controller -Erfahrungen in deutschen Unternehmen 2., akt. Aufl. 2000. XI\/, 280 S. (Advanced Con­trolling), Geb. DM 78,00 ISBN 3-409-21518-2

Karl-Friedrich Ackermann (Hrsg.) Balanced Scorecard fur Personal management und Personalfuhrung Praxisansatze und Diskussion 2000., ca. 250 S. Br. ca. DM 78,00 ISBN 3-409-11567-6

Wolfgang Walter Einfuhrung in die moderne Kostenrechnung Grundlagen - Methoden -Neue Ansatze. mit Aufgaben und li:isungen 2., vollst uberarb. Aufl. 2000. ca. 350 5., Br. ca. DM 49,80 ISBN 3-409-22246-4

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