Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung · Wie in den vergangenen Jahren...

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Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 62. Jahr Heft 1/2 Jan./Feb. 2009

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Zeitschrift der Hessen

für Erziehung, Bildung, Forschung

62. Jahr Heft 1/2 Jan./Feb. 2009

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2HLZ 1–2/2009

Titelthema: Delegiertenversammlung

S. 14 Reden, Debatten und BeschlüsseS. 18 Wahlergebnisse und AnträgeS. 20 Stimmungen und StimmenS. 22 In der Krise: Geld für BildungS. 23 Schul- und BildungspolitikS. 24 Hochschulpolitik

Einzelbeiträge

S. 6 Acht Prozent! Tarifrunde 2009S. 25 Grundschulen stärkenS. 26 BerufsberatungS. 28 Migration und SegregationS. 30 Globalisierung und Schule

Herausgeber:Gewerkschaft Erziehung und WissenschaftLandesverband HessenZimmerweg 1260325 Frankfurt/MainTelefon (069) 971 2930Fax (0 69) 97 12 93 93E-Mail: [email protected]: www.gew-hessen.de

Verantwortlicher Redakteur:Harald FreilingKlingenberger Str. 1360599 Frankfurt am MainTelefon (0 69) 63 6269Fax (069) 6313775E-Mail: [email protected]

Mitarbeit:Christoph Baumann (Bildung), Joachim Euler (Aus- undFortbildung), Ulrich Heinz (Hochschule), Ulla Hess (Mit-bestimmung), Michael Köditz (Sozialpädagogik), AnnetteLoycke (Recht), Carmen Ludwig (Studium), Karin Schüßler(Bildung), Andreas Staets (Hochschule), Karola Stötzel(Weiterbildung), Gerd Turk (Tarifpolitik und Gewerk-schaften)

Gestaltung:Michael Heckert, Harald Knöfel

Titelthema: Harald Freiling

Illustrationen:Christina Grenzebach (S. 15), Thomas Plaßmann (S. 31),Elke Teuber-S (S. 27), Dieter Tonn (S. 11), Dirk Tonn(S. 13), Ruth Ullenboom (S. 4)

Fotos:Heinrich Schuld (Titelfoto, S. 10), Barbara Dietz-Becker(S. 8-9), Bettina Flitner (S. 33), Isolde Ohlbaum (S. 22)

Verlag:Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbHNiederstedter Weg 561348 Bad Homburg

Anzeigenverwaltung:Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbHEdith HestertPostfach 19 4461289 Bad HomburgTelefon (06172) 95 83-0, Fax: (06172) 9583-21E-Mail: [email protected]

Erfüllungsort und Gerichtsstand:Bad Homburg

Bezugspreis:Jahresabonnement 12,90 Euro (9 Ausgaben, einschließ-lich Porto); Einzelheft 1,50 Euro. Die Kosten sind für dieMitglieder der GEW Hessen im Beitrag enthalten.

Zuschriften:Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bilder wirdkeine Haftung übernommen. Im Falle einer Veröffentli-chung behält sich die Redaktion Kürzungen vor. Nament-lich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht mit der Mei-nung der GEW oder der Redaktion übereinstimmen.

Redaktionsschluss:Jeweils am 5. des Vormonats

Nachdruck:Fotomechanische Wiedergabe, sonstige Vervielfälti-gungen sowie Übersetzungen des Text- und Anzeigen-teils, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Ge-nehmigung der Redaktion und des Verlages.

Druck:Druckerei und Verlag Gutenberg Riemann GmbHWerner-Heisenberg-Str. 7, 34123 Kassel

I M P R E S S U M

Zeitschrift der GEW Hessenfür Erziehung, Bildung, ForschungISSN 0935-0489

Aus dem InhaltRubriken

S. 4 Spot(t)lightS. 5 MeldungenS. 31 HochschuleS. 32 Recht und RechtsberatungS. 34 Magazin

Schwerpunkt: Landtagsneuwahl

S. 9 Neutral, aber nicht abstinentS. 10 CDU will Altersteilzeit abschaffenS. 11 WortbruchS. 12 Verpasste Chance? Die rot-grüne

Koalitionsvereinbarung

T E R M I N E

Frankfurt, Mittwoch, 14. Januar:Demonstration für Bildung und sozialeGerechtigkeit: Politikwechsel jetzt!

15.30 Uhr: Auftaktkundgebungenvor dem Hauptbahnhof, an der Bockenheimer Warte, vor dem Südbahnhof undam Nibelungenplatz

17 Uhr: Abschlusskundgebung auf dem Römerberg

Von Kassel aus fährt ein Sonderzug mitHalt in Treysa nach Frankfurt.• Aktuelle Informationen: www.gew-nordhessen.de

Von Marburg aus fahren Busse um14.30 Uhr am Großsportfeld ab. EineZusteigemöglichkeit besteht um 14.40Uhr bei Fronhausen (Autobahnabfahrt).

Anfragen und Anmeldungen für diekostenfreien Busse aus dem Main-Kinzig-Kreis bei den GEW-Kreis-verbänden:

• Hanau: Heinz Bayer, E-Mail: [email protected], Tel. 06181-81302• Gelnhausen: Ingrid Engelbart, E-Mail:[email protected], Tel. 06058-1460, ChristaCzech, [email protected], Tel. 06053-2303• Schlüchtern: Christian Schortmann, [email protected], Tel. 06661-608007

Weitere Informationen im Internet:• www.gew-hessen.de• www.gew-nordhessen.de• www.gew-suedhessen.de• www.gew-mittelhessen.de

GEW-Beitragsquittung für 2009Wie in den vergangenen Jahren er-halten alle GEW-Mitglieder mit derFebruar-Ausgabe der BundeszeitungE&W eine persönliche Beitragsquit-tung für das Jahr 2008. Sie ist zusam-men mit dem neuen MitgliedsausweisTeil des kartonierten Umschlags derE&W. Die HLZ-Redaktion bittet um

entsprechende Beachtung. Außerdembittet die GEW Hessen von Nachfragenin der Landesgeschäftsstelle abzuse-hen. Im Februar 2009 erscheint turnus-gemäß keine HLZ. Der E&W ist statt-dessen das Jahresprogramm von lea,dem Bildungswerk der GEW Hessen,beigelegt.

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3 K O M M E N T A RHLZ 1–2/2009

Nach knapp zehn Jahren Regierungszeit von Minister-präsident Koch hat sich seine Ankündigung, Hessenzum „Bildungsland Nr.1“ machen zu wollen, insGegenteil verkehrt. Bei der Internationalen Grund-schul-Lese-Studie (IGLU) war Hessen unter denFlächenländern der Bundesrepublik „BildungslandNr.1“ – von hinten.

Dieses schlechte Abschneiden hat eine wesentlicheUrsache in den politisch gesetzten miserablen Arbeits-bedingungen in den Schulen:• bundesweit höchste Pflichtstundenzahl auf demNiveau von 1950, als noch allgemein die 48-Stunden-Woche galt• Klassen- und Gruppengrößen auf bundesdeut-schem Rekordniveau

Sachsen, das kürzlich im Vergleich der Bundeslän-der als PISA-Siegerland gefeiert wurde, gibt in denallgemein bildenden Schulen 5.800 Euro pro Schülerinund Schüler aus. In Hessen sind es mit 4.900 Euro rund20 Prozent weniger. Der Anteil der öffentlichenBildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt mit 3,0Prozent in Hessen wird nur noch vom StadtstaatHamburg (2,9 Prozent) unterboten. Um lediglich denDurchschnitt der OECD-Länder zu erreichen, müssten80 Prozent mehr ausgegeben werden. Für das finnischeNiveau müsste man die Ausgaben mehr als verdoppeln.

Zu den Ursachen für das schlechte AbschneidenHessens in den internationalen Vergleichsstudien gehö-ren auch die Schulzeitverkürzung in der gymnasialenMittelstufe (G8), die „Unterrichtsgarantie plus“, diegrassierende Testeritis und viele andere Maßnahmen,die die Bedingungen für gute Arbeit in den Schulenverschlechtert haben. Gleichzeitig wurde die Selektivitätdes hessischen Bildungswesens weiter verschärft. DieIGLU-Studie belegt, dass der Vorsprung von Kindernaus „bildungsnahen Familien“ gegenüber Kindern aus„bildungsfernen Familien“ in Hessen seit 2001 von 34auf 54 Punkte signifikant angewachsen ist.

Für konsequente Schritte hin zur Verwirklichungeines Rechts auf gute Bildung für alle und für deutlichbessere Bildungsprozesse benötigen wir einen grund-legenden Politikwechsel. Es geht um eine deutlicheAusweitung der Finanzen für Kindertageseinrichtun-gen, für Schulen, für Hochschulen und für dieWeiterbildung. Es geht auch um die Abkehr von einemSystem, das vorrangig der Privilegiensicherung füreinige dient, hin zu einem System gleicher Rechte undMöglichkeiten.

Bildung – unser Thema im WahlkampfEs geht um viel. Es geht: UmSteuern! Zum

bildungspolitischen Umsteuern gehört auch die Aus-einandersetzung um die Steuerpolitik, wie vorhande-ne Staatseinnahmen ausgegeben werden und durchwelche Steuern die Einnahmebasis des Staates verbes-sert werden kann. Der erhebliche Zusatzbedarf imBildungsbereich wird dauerhaft nur durch eine Ver-breiterung der Einnahmebasis zu finanzieren sein.Mehr denn je muss dies gerade in der gegenwärtigenKrise durch eine Besteuerung hoher Vermögen undErbschaften erfolgen, womit gleichzeitig ein langfris-tiger Beitrag zur Stabilisierung des Binnenmarktesund damit der Konjunktur erbracht würde.

Auch wenn der Wahlkampf noch so kurz ist:Wahlkampfzeiten sind Zeiten politischer Zuspitzung,Zeiten, die wir nutzen müssen, um den politischen Druckfür einen Politikwechsel deutlich zu erhöhen. Grundgenug für die GEW Hessen, um gemeinsam mit demBündnis „Recht auf gute Bildung für alle“, das wir voreinem Jahr mit dem Elternbund Hessen, der Landes-Asten-Konferenz und der Landesschülervertretung ge-gründet haben, dafür zu sorgen, dass alle Versuche, dasThema Bildungspolitik aus dem Wahlkampf heraushalten zu wollen, scheitern. Ein „Weiter so“, einSchweigen über das von der Landesregierung angerich-tete bildungspolitische Desaster wären das Schlechteste,was man den von Bildung unmittelbar Betroffenenantun könnte. Deshalb bringen wir unsere Forderungengemeinsam mit Eltern, Schülerinnen und Schülern,Studierenden sowie anderen bildungspolitisch Interes-sierten mit aller Kraft gerade auch im Wahlkampf ein.

Deshalb fordere ich alle Mitglieder der GEWHessen auf, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten inden Wahlkampf einzumischen und am 14. Januar mitvielen anderen auf dem Frankfurter Römerberg füreine bessere, soziale Bildungspolitik zu demonstrieren.

Jochen Nagel,Landesvorsitzenderder GEW Hessen

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4S P O T ( T ) L I G H T HLZ 1–2/2009

Ich würde in meiner neuen 7. Klasse sogern mal eine ganze Stunde langDeutsch unterrichten. Oder Musik. Vonmir aus auch Ethik, dieses tolle neueSchulfach, in dem Lehrer in nur zweiWochenstunden alles ausbügeln, wasFernseh- und Computermüll an Wertenwie Menschenachtung zerstören. „Naund, warum tun Sie es nicht? Unterrich-ten ist doch wohl Ihr Job?“, fragt derunbekümmerte Leser. Tja, so einfach istdas nicht.

Es klingelt. Die Schüler strömen indie Klasse, kauen noch und unterhaltensich fröhlich. Einige suchen in ihrenRiesentaschen nach Deutschsachen oderneuen Brötchen, andere stellen sichsofort um den Lehrertisch auf. Ich werdegern dicht umzingelt, deshalb fühle ichmich auch in vollen Bussen so wohl.Simon drückt mir eine winzige Ent-schuldigung in die Hand. Luise gibt einzerknülltes Attest ab, das sie vom Sportbefreit, nicht aber vom Schulbesuch,wie sie es eine Woche lang zu ihrenGunsten ausgelegt hat. Isabel möchte soein Dings, na, so einen Zettel, damit dasDings (das Job-Center) die Klassenfahrt-kosten übernimmt. Ach, so was brauchtMatthias auch unbedingt. Er hat seinsleider verloren. Jeremy will mir eineSportverletzung vorführen und wickeltschon drohend an seinem Verband. Thy-mian beklagt sich, dass sein Sitznachbarin der Nase bohrt. Schakkeline möchteunbedingt weiter vorn sitzen. Angelwill ihr Wahlpflichtfach wechseln. Siehätte bei der Anmeldung gar nicht

Darstellendes Spiel gewählt, sondernNaturwissenschaften. Oksana hält einenEuro für unser afrikanisches Patenkindin der Hand. In Fünf-Cent-Münzen.Manchmal überkommen auch Lehrerleise Mordgelüste.

Die ersten fünf Anfragen bearbeiteich, dann schicke ich alle energisch aufihren Platz. Da wird die Tür aufgerissen.Draußen steht ein wichtiger Kollege mitgeschwollenem Kamm. Angeblich hater jetzt hier Unterricht. Da er den Beweisdafür nicht antreten kann, muss er sichein anderes Plätzchen suchen, um KafkasKäfergeschichte zu behandeln. SeineOberstufenschüler verfolgen grinsendunseren dezent-giftigen Wortwechsel.

Nun überprüfe ich die Hausaufga-ben. Nachdem ich auf meiner Listeschon zehn Schüler abgehakt habe,fängt Pascal an, in seiner Mappe zuwühlen. Manche Schüler suchen dannbesonders intensiv, wenn sie genau wis-sen, dass sie nichts finden werden. Ichwidme mich also den Krakeleien vonLorenz. Er benutzt zum Schreiben einenbreiten Filzstift. Nee, einen Füller hat ernicht, bekommt er auch nicht. Undschöner schreiben könne er eben nicht.Verächtlich sieht er mich an. Sicherweiß er aus der Zeitung, dass weiblicheLehrkräfte an Knaben immer noch völ-lig verfehlte feinmotorische Anforde-rungen stellen. Virginia konnte ihreHausaufgaben leider nicht machen, weilsie bei der Oma übernachtet hat. Beste-chende Logik. Auf Robins Aufsatz hatder kleine Bruder Gemüsebrei ge-

schmiert. Rein farblich käme auch an-deres in Betracht.

Mareike liest ihre Aufgabe mit soleiser Piepstimme vor, dass ich siemehrfach auffordern muss, lauter zusprechen. Das Publikum in den hinterenReihen schläft sonst weg. In den Pausenhat Mareike ein sehr kräftiges, fastschon ordinäres Organ. Wir schlagendie Deutschbücher auf. Ich muss dieSeitenzahl nur fünfmal nennen. Wäh-rend René schon zwei Absätze gelesenhat, blättert Jan-Simon noch orientie-rungslos im Buch. Tim starrt aus demFenster. Nach vier Wochen Unterrichthat er immer noch kein Deutschbuch.Lioba muss ganz dringend auf die Toi-lette. Klar, die große Pause ist ja erstfünfzehn Minuten her. Markus bohrtsich ein Lineal ins Ohr, und Alwinkippelt mit gesundheitsbedrohenderIntensität. Vielleicht sollte ich seinenStuhl festschrauben, anstatt ihn ständigzu ermahnen. Grace nutzt die Gelegen-heit, einen Kaugummi unter ihrem Tischzu monieren. Sofort gehen fünf andereHände hoch. Ich winke ab. Jetzt nicht!Während wir weiter lesen, füllt NilsTinte in seine Wasserflasche. Ja, davonbekommt man eine königsblaue Zunge.Lindes spitze Ekelschreie übertönenmeine durchdachten Leitfragen.

Es ist die 7. Stunde. Ich weiß, dieKinder sind müde. Ich lasse sie aufste-hen und alle Fenster aufreißen. Wirsingen laut ein Lied und machen Büro-gymnastik. Der Sauerstoff strömt nur soin die kindlichen Hirnzellen. Nach ei-ner ganzen Weile tritt auch wieder Ruheein... Aber gleich muss die Gruppe imfliegenden Wechsel zum Physikunter-richt. Also schreiben wir in der nächs-ten Deutschstunde weiter. Falls wir dazukommen. Die halbjährliche Statistikwartet noch, alle „Mutti-Hefte“ müssenregelmäßig auf Kommunikationswün-sche hin überprüft werden, das Wander-tagsziel steht noch nicht fest. EinigeSchüler wollen dringend den Vertrau-ensschüler abwählen. Ich muss Geld fürdie Klassenfotos einsammeln, Fehl-zeiten und Verspätungen abmahnen,Verträge für die Schließfächer austei-len, zwei Streithähne zu den Media-toren schicken, überprüfen, ob alle aneiner verpflichtenden Arbeitsgemein-schaft teilnehmen und einen Impfpassfür die Klassenfahrt haben. Außerdemmöchte eine Praktikantin mit den Schü-lern noch in dieser Woche eine Umfragezur Unterrichtsqualität durchführen.Nur zu!

Gabriele Frydrych

Unterrichtsqualität

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5 HLZ 1–2/2009 B R I E F E

Lehrerbildungsgesetz:Arbeit für die Katz

Mehr als 300 Seiten Stellungnahmenvon fast 40 anzuhörenden Institutionenund Gruppen, darunter auch die 60Seiten umfassende Stellungnahme derGEW Hessen mit einem vollständig aus-gearbeiteten Organisationsmodell zurzweiten Phase und einem komplettenneuen Gesetzentwurf, erhielt der Kul-turpolitische Ausschuss (KPA) des Hes-sischen Landtags für die Anhörung zumHessischen Lehrerbildungsgesetz (HLbG).Grundsätzlich war die Arbeit nicht ganzzwecklos, doch letztlich für die Katz,nachdem der Landtag aufgrund des SPD-Debakels aufgelöst wurde. Als einzigeOrganisation legte die GEW ein Ge-samtkonzept vor, das auch die Finan-zierung einer Mentorenentlastung kon-kret vorsieht – ein überaus bedeut-samer Novellierungsaspekt für dasGelingen der HLbG-Reform, genausowie die Forderung nach Abschaffungder Zweiten Staatsprüfung und ihrerIntegration in die Module des Unter-richtens.

GEW-Beiträge werdenangepasst

Ende September 2008 hat der hessischeLandtag die Besoldung der Beamtinnenund Beamten und die Pensionen rück-wirkend erhöht und zwar zum 1. Januar2008 (für die Besoldungsgruppen bisA8), zum 1. April 2008 (A9 bis A12)und zum 1. Juli 2008 (A13 und höher).Die Besoldung wird um 3 % gegenüberdem Vorjahr angehoben. Zusätzlich gibtes gestaffelte Einmalzahlungen. Nachder Beitragsordnung der GEW erhöhtsich der GEW-Beitrag für die Mitglie-der, die diese Erhöhung erhalten, ent-sprechend. Die Beitragserhöhung von2,4 %, die zum April 2008 erfolgte,wird angerechnet. Der Beitrag für Pen-sionäre bleibt unverändert. Ab Januar2009 ändern sich auch die Beiträge fürnach dem TVöD bezahlte Angestellteund damit auch die GEW-Beiträge. DerMindestbeitrag beträgt 8,50 Euro, derBeitrag während der Elternzeit 8,50Euro und der Arbeitslosenbeitrag 2,83Euro (siehe E&W 12/2008, S.42).

Die GEW bittet alle Mitglieder, diebei der GEW gespeicherten Daten zuüberprüfen, wie sie in der Beitrags-quittung mitgeteilt werden, die der Fe-bruar-Ausgabe der E&W beigefügt ist(HLZ S. 2).

„Hessen befindet sich im Ausbildungs-stau.“ So charakterisierte KatharinaHorn, die hessische Landesschüler-sprecherin, die aktuelle Situation derjungen Menschen. Der Einladung desBündnisses „Ausbildung für alle“ wa-ren (von links) die LandespolitikerChristoph Degen (SPD), Janine Wissler(Linke) und Margaretha Hölldobler-Heumüller (Grüne) gefolgt. Das Bünd-nis wollte mit der Veranstaltung, an derauch zahlreiche betroffene Jugendli-che teilnahmen, Druck machen für einehessische Bundesratsinitiative für einGrundrecht auf Ausbildung. Eine ent-sprechende Petition mit mehr als72.000 Unterschriften war im Mai über-geben worden. Anke Muth (Foto:rechts), Bezirksjugendsekretärin desDGB, erklärte, dass 50 Prozent aller inHessen gemeldeten Ausbildungsstell-

DGB zurHochschulfinanzierung

In denkbar schlechter Verfassung siehtder Vorsitzende des DGB Bezirks Hes-sen-Thüringen Stefan Körzell derzeitigdie Hochschulen im Lande. Auf demBundeskoordinierungstreffen der Juso-Hochschulgruppen Mitte Novemberbegründete Körzell seine Einschätzungmit den stärker werdenden Auslese-mechanismen, die gemeinsam mit denStudiengebühren in einigen Bundes-ländern dazu führen, dass von denArbeiterkindern nur noch 17 % einStudium beginnen. Bei Kindern ausAngestelltenhaushalten sind es dage-gen 40 % und bei den aus Akademiker-haushalten sogar 83 %. Körzell fordertedie anderen Bundesländer auf, dem hes-sischen Beispiel zu folgen und Studien-gebühren wieder abzuschaffen. Damitwerde eine der größten Barrieren gera-de für junge Menschen aus Arbeitneh-merhaushalten beseitigt, da Studienge-bühren abschreckend wirken. Die hes-sische CDU und FDP warnte er davor,per Rückwärtssalto die abgeschafftenStudiengebühren wieder einzuführen,die in der hessischen Verfassung aus-drücklich untersagt seien.

Körzell nahm auch die Studierendenin den Blick, die ohne Tarifvertrag alsstudentische Beschäftigte an den Hoch-schulen und außeruniversitären wis-senschaftlichen Einrichtungen tätigsind. Dass sie nicht unter dem Schutzdes Personalvertretungsrechtes stehen,ist für Körzell ein unhaltbarer Zustand.

Finanzierung derFortbildung

Die Personalversammlung der Konrad-Haenisch-Schule Frankfurt bekräftigtein einem Schreiben an KultusministerJürgen Banzer die Forderung nach ei-ner Übernahme von Fortbildungskostendurch den Arbeitgeber: „Uns ist unver-ständlich, warum Sie einerseits dieSammlung von Fortbildungspunktenauf Ihre Fahne geschrieben haben, an-dererseits die Fortbildungsmittel proStelle nur bei 40 Euro liegen.“

GegendarstellungIn der HLZ 10/2008 ist auf den Seiten10 und 11 ein Beitrag unter der Über-schrift „Privatschulen boomen“ vonHarald Freiling enthalten, der eineunwahre Behauptung enthält, die ichwie folgt richtig stelle:Unwahr ist die Behauptung „Abge-lehnt wurde dagegen der Antrag derPsychologin und ‘spirituellen Heilerin’Rebecca Rosing, die ebenfalls in Frank-furt eine ‘Rosing-Schule’ als ‘Schulefür eine neue Zeit’ einrichten wollte.“Wahr ist hingegen, dass der Antragvom Staatlichen Schulamt für die StadtFrankfurt am Main auf Zulassung derSchule nicht abgelehnt wurde, son-dern aus Gründen ruht, die mit derGenehmigungsfähigkeit keinen Zu-sammenhang aufweisen.Siegen, 17.10.2008 gez. Rebecca Rosing

en als außerbetriebliche Ausbildungs-stellen nicht durch die Wirtschaft fi-nanziert würden. 66 Prozent aller hes-sischen Betriebe verweigerten sich derAusbildung. Michael Fütterer (2. vonrechts) bekräftigte deshalb die Forde-rung des DGB nach einer Ausbildungs-platzumlage.

Grundrecht auf Ausbildung

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6HLZ 1–2/2009T A R I F U N D B E S O L D U N G

Anfang Dezember stellten die Gewerk-schaften ihre Forderungen für die imJanuar 2009 beginnenden Tarifver-handlungen mit den Bundesländern auf.Für die Beschäftigten der Länder ver-langen GEW, ver.di und die anderenGewerkschaften des öffentlichen Diens-tes acht Prozent mehr Gehalt, mindes-tens aber 200 Euro pro Monat. Referen-darinnen und Referendare sollen 120Euro mehr erhalten. Der Anspruch aufdiese kräftige Erhöhung der Einkom-men richtet sich nicht nur an die Mit-glieder der Tarifgemeinschaft deutscherLänder (TdL), sondern ebenso an das LandHessen und die tarifrechtlich eigenständi-ge Goethe-Universität Frankfurt.

Bereits die ersten Reaktionen auf dasAnsinnen der Gewerkschaften zeigten,dass die Auseinandersetzung um spür-bar wachsende Einkommen im öffentli-chen Dienst nicht einfach werden wird.Zwar ist 2009 ein Bundestagswahljahr,was in der Regel vorteilhaft für einen imSinne der Beschäftigten günstigen Ab-schluss ist, aber sämtliche Konjunktur-prognosen für 2009 sind düster. Sieunterscheiden sich lediglich hinsicht-lich der Aussage darüber, wie tief undlangwierig der konjunkturelle Einbruchbeim Wirtschaftswachstum sein wird,nicht jedoch in Hinblick auf die Frage,

Acht Prozent mehr!Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes stellen Forderungen auf

ob uns ein solcher schwerwiegenderEinschnitt bevorsteht.

Deutlich anwachsende Einkommensind aber nicht nur gerecht und not-wendig, um die Landesbeschäftigtenwieder am Wirtschaftswachstum dervergangenen Jahre teilhaben zu lassen,sie sind auch angesichts der extremangespannten wirtschaftlichen Situati-on ökonomisch sinnvoll.

Allgemeine EinkommensentwicklungMit der Forderung nach acht Prozentmehr Gehalt soll bei der Bezahlung derBeschäftigten der Länder der Anschlussan die Bezahlung beim Bund und denkommunalen Arbeitgebern gehaltenwerden, wo vor einem Jahr die Tarif-runde mit derselben Forderung eröffnetworden war. Denn nicht nur bei denErzieherinnen und Erziehern in denKommunen sind Beanspruchung undAnforderungen im Berufsalltag deut-lich gestiegen. Auch die pädagogischeTätigkeit im Schuldienst der Ländermuss wieder attraktiver werden. Dazugehören auch entsprechende Gehälter,weil in Zukunft mehr und nicht wenigerLehrkräfte benötigt werden.

Die Entwicklung in den vergange-nen Jahren lief in die völlig falsche

Richtung. Denn seit 2000 sind die ab-hängig Beschäftigten in der Bundesre-publik Deutschland in immer schnelle-ren Schritten vom steigenden Wohl-stand abgeschnitten worden. Währenddie Unternehmens- und Vermögensein-kommen zwischen 2000 und 2008 (3.Quartal) nominal um rund 33,6 % an-wuchsen, blieben die tariflichen Mo-natsgrundvergütungen demgegenüberdeutlich zurück; im selben Zeitraum istein Zuwachs von nur 16,8 % zu ver-zeichnen. Schlechter noch war es indiesen acht Jahren um die Bezahlungder Angestellten im hessischen Landes-dienst bestellt. Deren tarifliche Monats-vergütungen stiegen lediglich um12,4 %. Bei dieser Betrachtung bleibendie Kürzungen bei Weihnachts- undUrlaubsgeld, die Verlängerung der Wo-chenarbeitszeit, aber auch die Einmal-zahlungen unberücksichtigt.

Erheblicher NachholbedarfInsbesondere fällt auf, dass in der kon-junkturellen Aufschwungphase nachder letzten Rezession 2002/2003 dieArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmernur in geringem Maße von der Wirt-schaftsentwicklung profitierten. Dennin den Jahren 2004 bis 2007 wuchs

Tarif- und Besoldungsrunde 2009Beschluss der Landesdelegiertenver-sammlung vom 29.11.2008Die GEW Hessen• ist sich bewusst, dass die Tarif- undBesoldungsrunde 2009 im Bereich der Län-der unter schwierigen Bedingungen statt-findet• wird mit aller Kraft daran arbeiten,diese Auseinandersetzung zu einem Erfolgzu führen• wird von Anfang an auch die Beamtin-nen und Beamten einbeziehen und ihnendeutlich machen, dass niemand als sieselbst ihren sozialen und professionellenStatus sichern und verbessern kann undwird (...)• wird eine enge Anbindung an die Tarif-und Besoldungsrunde im Bereich der TdL-Länder suchen (...)

(vollständiger Wortlaut HLZ S. 18)

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7 HLZ 1–2/2009

zwar das Bruttoinlandsprodukt um rund12 % an, die Tarifvergütungen allerArbeitnehmer jedoch im Durchschnittnur um 6,4 %. Und auch hiervon hobensich die Angestellten sowie die Beam-tinnen und Beamten des Landes Hessennoch einmal in negativer Weise ab.Denn seit der vorletzten Gehaltserhö-hung um rund 1 % im Jahr 2004 wurdendie Tabellenwerte erst wieder 2008 –um 3 % – nach oben angepasst. Da dieInflation in diesem Zeitraum deutlichhöher gewesen ist, muss konstatiertwerden, dass wir es im öffentlichenDienst während einer Aufschwungphasesogar mit deutlichen Reallohnsenkun-gen zu tun hatten.

Wer also nun angesichts einer be-vorstehenden und womöglich scharfenRezession Lohnzurückhaltung predigt,plädiert für Lohnsenkung als Prinzip.Das ist nicht nur ungerecht gegenüberden Beschäftigten, sondern auch öko-nomisch völlig kontraproduktiv. Denneine weiterhin abstürzende Lohnquoteund die entsprechende Stärkung desAnteils der Gewinn- und Vermögens-einkommen am gesamten Volkseinkom-men führen zur zusätzlichen Schwä-chung der Binnennachfrage. Die ist abernach Meinung der allermeisten Ökono-men genau das Problem. Weil die Kon-junktur der vergangenen Jahre vor al-lem auf dem gegenwärtig zum Teildramatisch einbrechenden Export be-ruhte, muss nun die in der Vergangen-heit wenig entwickelte Binnennach-frage die entstehende Nachfragelückeschließen.

Binnennachfrage stärken!Ein Sparkurs bei den Personalausgabender öffentlichen Hand würde den Effektder zurzeit geplanten und diskutiertenKonjunkturprogramme, die die Binnen-nachfrage stärken sollen, teilweise kom-pensieren. Daher ist es ökonomisch un-umgänglich, verschiedene Instrumentezu kombinieren. Zusätzliche öffentlicheInvestitionen, spürbare Gehaltszuwächsefür die Beschäftigten und die Anhebungder Hartz-IV-Sätze – diese Maßnahmenhaben die größten Wachstums- und Be-schäftigungseffekte. In Bezug auf dieLandesbeschäftigten gilt dies auch des-halb, weil der Nachholbedarf aufgrundder völlig unzureichenden Einkommens-entwicklung in den letzten Jahren mitt-lerweile sehr hoch ist.

Unter ökonomischen Gesichtpunktenist es sinnvoll, dass sich die Löhne ent-sprechend des so genannten „neutralen

Verteilungsspielraumes“ entwickeln. Dersetzt sich zusammen aus der Inflationsra-te und dem Produktivitätszuwachs. Wirdüber die Jahre hinweg im Durchschnittein Wachstum der Produktivität um1,5 % angenommen, dann macht diesdeutlich, welch immenser Nachholbe-darf bei den Löhnen besteht.

Die Gewerkschaften haben dafürgesorgt, dass die Tarif- und Besoldungs-runde 2009 in Hessen mit dem Kampfum höhere Einkommen im Bereich derTdL parallel verläuft. Die entsprechen-den Tabellen wurden zum selben Zeit-punkt gekündigt, und die Gremien derGewerkschaften haben für Hessen unddie TdL gleichlautende Ansprüche hin-sichtlich der Einkommensentwicklunggeltend gemacht. Darüber hinaus sindin Hessen nach wie vor wichtige Fragenzu den Arbeitsbedingungen - das be-trifft zum Beispiel auch die regelmäßigeWochenarbeitszeit - zwischen Gewerk-schaften und Arbeitgebern umstritten.

Arbeitskampf auch in HessenZurzeit geht es darum, gegebenenfallsnotwendige Arbeitskampfmaßnahmenin Hessen und in den TdL-Ländernaufeinander abzustimmen. Deshalb istfür die Beschäftigten der hessischenLandesverwaltung und der Goethe-Uni-versität ein Blick auf den Tarifkonfliktin den anderen Bundesländern von Be-deutung. Die Gewerkschaften haben mitder TdL drei Verhandlungsrunden ver-einbart: am 19. Januar, am 26. Januarsowie am 14./15. Februar 2009. Es istdavon auszugehen, dass die Gewerk-schaften insbesondere zwischen derzweiten und dritten Verhandlungsrunde

Arbeitskampfmaßnahmen organisieren,falls die Arbeitgeber am 26. Januar keinausreichendes Angebot vorlegen soll-ten. Auch in Hessen kann es daher in derzweiten Februarwoche zu Arbeitskampf-maßnahmen kommen.

Auch die Beamten sind gefordertVon den rund 1,8 Millionen Beschäftig-ten, die im unmittelbaren Landesdienststehen und die von der Tarif- undBesoldungsrunde 2009 betroffen sind,arbeitet ein erheblicher Anteil als Lehr-und sozialpädagogische Fachkräfte imSchuldienst. Davon stellen wiederumdie Tarifbeschäftigten ein gutes Drittel.Wegen des hohen Anteils von Beamtin-nen und Beamten vor allem in den altenBundesländern kommt es für die GEWdarauf an, die verbeamteten Kollegin-nen und Kollegen in die Auseinander-setzung einzubeziehen. Deshalb forderndie Beschäftigten der Bundesländernicht nur einen Einkommenszuwachsvon acht Prozent, sondern daneben diezeit- und inhaltsgleiche Übertragungdes Tarifergebnisses auf den Besol-dungsbereich. Auch in Hessen hat sichgezeigt, dass eine solche Übertragungalles andere als selbstverständlich istund erkämpft werden muss. Klar dürftesein, dass dort, wo sich die Beamtinnenund Beamten nicht in deutlich sichtba-rer Weise am Tarifkonflikt beteiligen,dies von den Bundesländern als Einla-dung verstanden werden wird, die An-passung der Beamtenbezüge in unzu-reichender Weise und zu einem späte-ren Zeitpunkt vorzunehmen.Rüdiger BröhlingTarifsekretär der GEW Hessen

Die Kolleginnen und Kollegen in den Kitas und in den anderen Einrichtungen des öffentlichenDienstes der Kommunen haben es 2008 vorgemacht: Erfolgreich kämpften sie für eineEinkommenserhöhung von acht Prozent.

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8HLZ 1–2/2009

Ein verlorenes Jahr?2008 setzte der Landtag wichtige politische Zeichen

S C H W E R P U N K T T H E M A

In den ersten Stunden und Tagen der Enttäuschung und Wut über einen gescheitertenRegierungs- und Politikwechsel war Resignation das vorherrschende Gefühl. Noch mal fünfoder zehn Jahre Roland Koch? Eine überraschende, von vielen als einmalig eingeschätzteChance für einen Politikwechsel auch in der Bildungspolitik verspielt? Eine späteBestätigung für eine unsoziale Politik und einen unterirdischen Wahlkampf?

Die HLZ macht – mit einigem zeitlichen Abstand – eine andere Bilanz auf: kein verlorenesJahr für Hessen, sondern ein Jahr, das Möglichkeiten für eine andere Politik aufzeigte, dasMut machte, dass es Alternativen zur herrschenden Politik in Wiesbaden und Berlin gibt unddiese auch in Parlamenten eine Mehrheit finden können. Zu den folgenden Splittern findet manin den letzten Ausgaben der HLZ entsprechende ausführliche Informationen.

Studiengebühren abgeschafftRechtzeitig zum Beginn des Winterse-mesters 2008 schaffte der Landtag –und zwar gegen die Stimmen von CDUund FDP – die Studiengebühren anhessischen Hochschulen ab und si-cherte die Finanzierung der Einnah-menausfälle. Damit setzte die Landtags-mehrheit die Wahlversprechen vonSPD, Grünen und Linken um und kamder Forderung von mehr als 70.000Menschen nach, die die Volksklagevon unten durch einen persönlichenBesuch bei ihrer Meldebehörde zurBestätigung ihrer Unterschrift bekräf-tigten.

Tarifpolitische WendeDer hessische Landtag forderte die Lan-desregierung auf, in die Tarifgemein-schaft der Länder (TdL) zurückzukeh-ren. Die Landesregierung blockiertedie Umsetzung dieses Beschlusses. Of-fensichtlich halten CDU und FDP anihrem hessischen Sonderweg fest, eine„Tariflandschaft“ Hessen zu schaffen,Einkommen verfassungswidrig durchGesetze zu regeln und den Flächen-tarifvertrag zu zerstören. Unter demDruck der Landtagsmehrheit von SPD,Grünen und Linken schloss die Lan-desregierung mit den Gewerkschaftendes öffentlichen Dienstes einen Tarif-vertrag, der die Einkommen der hessi-schen Landesbeschäftigten an die deranderen Bundesländer anpasste.

Landtag gegen NVS an SchulenDer Kulturpolitische Ausschuss (KPA)beschloss ein Moratorium für die Um-setzung der Neuen Verwaltungssteue-rung (NVS) und „eine gründliche Eva-luation unter enger Beteiligung derBetroffenen“.

Schulbesuch „statusloser“ KinderDie GEW hatte in den Parteien-Gesprä-chen vor der Wahl 2008 auf das Gutach-ten zum Recht des statuslosen Kindesauf Bildung aufmerksam gemacht. EineÄnderung der Verordnung, die denSchulbesuch von Kindern ohne Aufent-haltsstatus ermöglicht, die Schulleitun-gen von der für Kinder und ihre Elternbedrohlichen Meldepflicht freistellt undihnen Rechtssicherheit gibt, wurde imSeptember von der Mehrheit des Land-tages im Kulturpolitischen Ausschussrechtsgültig beschlossen. Dies werteteKarola Stötzel, stellvertretende GEW-Landesvorsitzende, „als erfreuliches undklares Signal dafür, dass sich das sozialeKlima in Hessen zugunsten von benach-teiligten Gruppen in der Gesellschaftverändert hat“. Der geschäftsführendeKultus- und Justizminister (!) Banzerweigerte sich, den Beschluss des Land-tages umzusetzen.

Bezahlung der SommerferienNachdem die GEW seit Jahren gegendie Diskriminierung von befristet be-schäftigten Kolleginnen und Kollegengekämpft hat, zuletzt durch eine breiteUnterschriftenaktion Anfang 2008, kamendlich auch hier Bewegung in dieSache. Das Kultusministerium hatte –nachdem es durch einen Beschluss desKulturpolitischen Ausschusses des Hes-sischen Landtags (KPA) dazu aufgefor-dert worden war – einen Erlassentwurfzur Bezahlung der Sommerferien vonAngestellten in befristeten Verträgenerstellt und dem Hauptpersonalrat derLehrerinnen und Lehrer (HPRLL) vor-gelegt. Dieser Entwurf sieht vor, dassbefristet beschäftigte BAT-Lehrkräfteeinen sich unmittelbar an ihren bishe-rigen befristeten Arbeitsvertrag an-

schließenden, neuen befristeten Ar-beitsvertrag erhalten sollen, der dieSommerferien einschließt, wenn ihrbisheriger befristeter Arbeitsvertragam letzten Schultag endet, ihr erneuterEinsatz unmittelbar nach Ende derSommerferien zur Vertretung dersel-ben oder einer anderen ausfallendenLehrkraft beabsichtigt ist und dieGesamtvertragsdauer einschließlich derSommerferien mindestens 39 Kalen-derwochen beträgt. Der HPRLL hältdiese Regelung für unzureichend unddrängt auf eine Nachbesserung. DieErörterungen waren bei Redaktions-schluss der HLZ noch nicht abge-schlossen.

SchulgesetzänderungenIm Juni 2008 beschloss der Landtag inder Regel mit den Stimmen von SPD,Grünen und Linksfraktion Änderun-gen des Hessischen Schulgesetzes(HSchG).• Der von der CDU in der letztenSchulgesetznovelle gestrichene Be-griff der „Durchlässigkeit“ wird wie-der eingefügt, das Wort „Anschlussfä-higkeit“ wieder herausgenommen.• Für die gymnasiale Mittelstufe derkooperativen Gesamtschulen wird einWahlrecht der Schule zwischen einerfünfjährigen und einer sechsjährigengymnasialen Mittelstufe eröffnet.• Die umstrittene „Unterrichtsgaran-tie plus“ wurde durch „verlässlicheSchulzeiten“ ersetzt. Die Erteilung vonUnterricht ist nicht mehr vorgesehen.Alle Detailregelungen zur Aufnahmein „Poollisten“, zum Abschluss vonArbeitsverträgen und zur Einschrän-kung der Mitbestimmung der Perso-nalräte wurden gestrichen.• Die umstrittenen „Richtwerte fürdie Klassengrößen“, durch die kleinereSchulstandorte und Schulzweige imländlichen Raum bedroht waren, wur-den wieder durch „Mindestwerte“ ab-gelöst.• Querversetzungen wurden auf dieJahrgangsstufen 5 und 6 begrenzt (vor-her 5 bis 7) und an die Zustimmung derSchulleiterin oder des Schulleiters ge-knüpft.

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9 HLZ 1–2/2009

Neutral, aber nicht abstinentForderungen des DBG zur Landtagswahl am 18. Januar

L A N D T A G S N E U W A H L

Am 3. November kündigten Silke Tesch,Jürgen Walter und Carmen Everts zu-sammen mit Dagmar Metzger im Rah-men einer bundesweit für Aufsehensorgenden Pressekonferenz an, AndreaYpsilanti nicht zur Ministerpräsidentinwählen zu wollen. Am Tag danach mel-dete sich der CDU-Arbeitnehmerflügel,die CDA, zu Wort und forderte denRücktritt von DGB-Landeschef StefanKörzell wegen „Parteinahme für SPDund Linke“. In dem versuchten Regie-rungswechsel habe sich Körzell als„Trommler für dieses arbeitnehmer-feindliche Linksbündnis“ betätigt. DerDGB müsse politisch neutral sein.

Kochs FrontalangriffWer sich in die Person eines Durch-schnittsgewerkschafters versetzt, derwird über die CDA-Forderung und de-ren Begründung nur verwundert denKopf schütteln können. Roland Kochhatte, ausgestattet mit einer absolutenMehrheit, in den Jahren 2003 bis 2008einen wirtschafts- und sozialpolitischenKurs verfolgt, der einem Frontalangriffauf die Gewerkschaften und die durchden DGB vertretenen Arbeitnehmergleichkam: Hessen trat unter Koch ausder Tarifgemeinschaft deutscher Län-der (TdL) aus, kürzte Löhne und Gehäl-ter und verlängerte die Arbeitszeit derLandesbeschäftigten, beschnitt denSozialetat und führte Studiengebührenein. Zudem forderte Roland Koch imletzten Bundestagswahlkampf die Zer-schlagung des Flächentarifvertragsdurch gesetzlich verankerte betriebli-che Bündnisse sowie den Ausbau desNiedriglohnsektors, und er war maß-geblich an der Anfang des Jahres inKraft getretenen Senkung der Unter-nehmenssteuern beteiligt.

Gegen diese Politik hatten die Ge-werkschaften in Hessen mobilisiert unddamit sicherlich nicht unwesentlichzum Wahlergebnis im Januar 2008 bei-getragen.

Der von SPD und Grünen im Herbstausgehandelte Koalitionsvertrag stehtganz unvoreingenommen betrachtet instarkem Kontrast zur Politik der Lan-desregierung unter Roland Koch (HLZS.11-12). Wer sich den Koalitions-

vertrag anschaut, der wird viele Punktefinden, die zu den Kernforderungen derDGB-Gewerkschaften im Landtags-wahlkampf gehörten: Hessen sollte wie-der in die TdL zurückkehren und dassoziale Netz neu geknüpft werden. Eineigenes Kapitel ist dem Thema „GuteArbeit“ gewidmet, außerdem wurdendie Rücknahme der Verschlechterun-gen im Personalvertretungsrecht undBundesratsinitiativen zur Wiedererhe-bung der Vermögensteuer und zu Min-destlöhnen angekündigt. In diesem Zu-sammenhang darf natürlich auchnicht unerwähnt bleiben, dass die Stu-diengebühren bereits im Sommer durchdie Stimmen von SPD, Grünen undLinkspartei abgeschafft worden waren.

Vor diesem Hintergrund mutet dieCDA-Stellungnahme seltsam an, undman muss sich schonfragen, was die CDAeigentlich unter po-litischer Neutralitätversteht. Verwechseltwird hier offensicht-lich politische Neu-tralität mit politi-scher Abstinenz.

Rot-grünerKoalitionsvertragDie spannende Frageist, wie es in Hessennun weiter geht.Fraglich ist, was ausder hessischen SPDwird. Die SPD dürftebei der Neuwahldeutlich verlieren,doch bleibt offen, obGewinne für Grüneund Linkspartei dieVerluste der SPD aus-gleichen können. Da-mit wäre dann derWeg für eine Regie-rung Koch/Hahn frei.

In dem kurzenWahlkampf formu-lieren die hessischenGewerkschaften ihreForderungen. SollteRoland Koch nachder Wahl das „ge-

schäftsführend“ aus seinem Amtstitelwieder streichen können, dann werdensich der hessische DGB und seine Mit-gliedsgewerkschaften ohne Einschrän-kung hinter ihn stellen, seine Wieder-wahl begrüßen und seine Regierung,wo es geht, stützen – vorausgesetzt, Hes-sen tritt wieder in die TdL ein, Koch undHahn starten im Bundesrat Initiativenfür höhere Unternehmenssteuern, dieWiedererhebung der Vermögensteuersowie für gesetzliche Mindestlöhne underheben die Interessen der Arbeitneh-merschaft zum zentralen Anliegen ihrerSozial- und Wirtschaftspolitik.

Denn merke: An der politischen Neu-tralität wird es der DGB nicht fehlenlassen – an politischer Abstinenz aberschon.

Kai Eicker-Wolf, DGB Hessen

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10HLZ 1–2/2009S C H W E R P U N K T T H E M A

Vor der Landtagswahl im Januar 2008befragte die HLZ die Parteien unteranderem zur Zukunft der Altersteilzeitfür Lehrerinnen und Lehrer. Hier dieAntworten (HLZ 1-2/2008).

Werden Sie sich für die Fortsetzung derAltersteilzeit der Lehrkräfte einsetzen?CDU: Ja. Denn es war die CDU-Fraktionim Hessischen Landtag, die die Möglich-keit der Altersteilzeit überhaupt erst einge-führt hat.SPD: Die Möglichkeiten der Altersteilzeitsollen erhalten bleiben.GRÜNE: Wir setzen uns für Arbeitszeitmo-delle ein, die es ermöglichen, Beruf undAnforderungen unterschiedlicher Lebens-phasen flexibler zu kombinieren. Dazu gehö-ren der Wechsel zwischen Vollzeit- undTeilzeittätigkeit, zeitweise oder dauerhafteStundenreduzierungen oder längere Auszei-ten nicht nur im Alter.FDP: Die FDP hält weiterhin an der Al-tersteilzeit für Lehrkräfte fest. Darüber hinaussetzen wir uns für flexible Arbeitszeitregelun-gen für Lehrkräfte sowie für die übrigen

WortbruchCDU will Altersteilzeit abschaffen

Beschäftigten im öffentlichen Dienst ein. Wirfordern eine Flexibilisierung der Beamten-versorgung dahingehend, dass die individu-elle Entscheidung, wann eine Beamtin oderein Beamter in den Ruhestand geht, wesent-lich gestärkt werden soll. So könnte zukünftigmit Vollendung des 60. Lebensjahres bereitsdie Pension bezogen werden, wobei ein indi-vidueller Faktor den vorzeitigen Eintritt inden Ruhestand verdeutlicht.DIE LINKE: Ja, weil dies ein bewährtes undfaires Modell für den gleitenden Ausstiegaus dem Arbeitsleben ist.

Na, wie schön! Nach der Wahl hörteman erst einmal gar nichts, verständli-cherweise waren die Prioritäten andersgesetzt. Im Vorfeld der Koalitionsver-handlungen von SPD und Grünen undder Haushaltsberatungen für 2009 erin-nerten die GEW Hessen und viele Per-sonalräte an die Zusagen.

Die Linke und die FDP bestätigten inihren Antwortschreiben die oben dar-

gestellten Positionen. Die Antwort derSPD war etwas verschwommen: Die Fra-ge der Fortführung der Altersteilzeit-regelung müsse „aufgegriffen werden“und die SPD werde die Fortsetzung „imRahmen der finanziellen Möglichkei-ten des Landes grundsätzlich unterstüt-zen“. Auf der Landesdelegiertenver-sammlung der GEW Hessen bekräftig-ten Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD),Tarek Al-Wazir (Bündnis 90/Die Grü-nen) und Barbara Cardenas (Die Linke)ihre Zusage, die Altersteilzeit zu ver-längern (HLZ S.15-16). In einem Briefan den GEW-Kreisverband Hanauschrieb Thorsten Schäfer-Gümbel MitteNovember wörtlich:„Die Position der SPD ist völlig klar, wirwollen die Fortsetzung der Altersteilzeit,zumindest für einen überschaubaren Zeit-raum, um älteren Arbeitnehmern den Aus-stieg zu erleichtern und den Einstieg fürjunge zu ermöglichen.“Ein klarer Wortbruch ist dagegen derBrief des Vorsitzenden der CDU-FraktionDr. Christean Wagner vom 20. Oktober2008:„Die Altersteilzeitregelung in § 85b HBG istbis zum 31.12.2009 befristet. Eine Verlän-gerung der Altersteilzeit ist nicht beabsich-tigt, da ein weiterer Stellenabbau zur Zeitnicht angestrebt wird. Im Jahr 2007 beliefensich die Kosten für den Altersteilzeitzu-schlag auf knapp 63 Millionen Euro. Dieschwierige Haushaltssituation des Landes,nicht zuletzt durch die Entwicklungen desinternationalen Finanzmarktes und die da-mit verbundenen Einnahmerückgänge, kannnicht unberücksichtigt gelassen werden undzwingt dazu, die durch die Altersteilzeitentstehenden Kosten zu vermeiden.“

Die Bürgschaften für Banken und Groß-konzerne, die in guten Jahren die Kon-ten der Aktionäre und Manager füllten,müssen also jetzt herhalten, um sich dersozialen Verantwortung für die Beschäf-tigten des öffentlichen Dienstes zu ent-ziehen. Da weiß man wenigstens, wohindas Geld geht, das den Beschäftigtenvorenthalten wird.

Die Landtagswahl ist eine Gelegen-heit, der Forderung nach einer Verlän-gerung der Altersteilzeit auch mit demStimmzettel Nachdruck zu verleihen.

Harald Freiling

Zeitschrift derHessen

für Erziehung, Bildung, Forschung

61. Jahr Heft 1/2 Jan./Feb. 2008

Landtagswahlen 2008

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11 HLZ 1–2/2009 L A N D T A G S N E U W A H L

In den letzten Wochen organisierten die Medien eine bei-spiellose Hatz gegen die SPD-Partei- und Fraktionsvorsit-zende Andrea Ypsilanti. Schon am 24. September, lange vordem gescheiterten Regierungswechsel, zog der Politik-wissenschaftler Martin Hecht die „Zwischenbilanz einermedialen Hetzjagd“ (FR vom 24. 9. 2008):

„Selten wurde so viel Schmutzwasser über einen Politikerausgekübelt. Der Hauptvorwurf: krankhafte Machtgier.“

Ypsilanti werde als „rücksichtslos, unkontrollierbar unddämonisch“ dargestellt, als „Machtbesessene“, von der „eineunterirdische Gefahr auszugehen“ scheine, obwohl sie poli-tische Gegenspielerin eines Mannes sei, der „wie keinanderer in der Republik über Jahre Beweise höchsterMachtgeilheit geliefert hat.“ Warum, so fragt Hecht, „hatnicht ein einziges Mal ein Journalist die Frage nach derMachtgeilheit Roland Kochs gestellt?“

Unter dem Beifall von Industrievertretern, Fraport, CDUund FDP, die am 3. November vor den Fernsehkameras die

Jürgen Walter:„Das gilt auch für meine Person“„Ich sehe nach wie vor große Problemein der Zusammenarbeit mit der Links-partei. Da bin ich nicht alleine. Ich seheaber keine andere Möglichkeit mehr,eine Regierung in Hessen zu bilden, alsmit einer rot-grünen Minderheitsregie-rung. (...)

Wenn die Kriterien stimmen, wenndie Verlässlichkeit einer Regierung ga-rantiert ist, haben alle SPD-Abgeordne-ten in Gesprächen mit Andrea Ypsilantideutlich gemacht, dass sie ihr dann ihreStimme geben. Das gilt selbstverständ-lich auch für meine Person.“

(FAZ-Interview,16. 8. 2008)

Carmen Everts:„Ich werde diesen Weg mittragen.“„Ich weiß noch nicht, ob ich diesemWeg auf dem Landesparteitag meineStimme gebe, weil ich noch nicht weiß,was die Linke uns sagt (...), aber ich weißauch: Wenn es ein breites Parteitags-votum gibt, werde ich diesen Weg imParlament mittragen, bei allen Bauch-schmerzen, die ich habe.“

(SPD-Regionalkonferenz in Heppen-heim am 18. 9. 2008)

Es gilt das gebrochene WortWarum fragt niemand die SPD-Abweichler nach ihrer Glaubwürdigkeit?

Sektkorken knallen ließ, wurde die Kampagne nach demAuftritt der Abweichler Walter, Tesch und Everts nocheinmal intensiviert. Da es in diesem medialen Einheitschorkaum noch Gegenöffentlichkeit gibt, hat sich die HLZ-Redaktion entschlossen, noch einmal einige Aussagen dervon ihren Gewissen geplagten Abgeordneten in Erinnerungzu rufen.

Warum, so fragt die HLZ-Redaktion, wird die Vokabel„Wortbruch“ eigentlich immer nur auf Andrea Ypsilantibezogen? Und warum wird einer Partei „mangelhaftesDemokratieverständnis“ nachgesagt, die alle Beschlüssefür einen Politik- und Regierungswechsel auf Regional-konferenzen und auf Parteitagen auf allen Ebenen mitüberwältigenden Mehrheiten fasste, an die sich vierMitglieder nicht halten – und zwar trotz gegenteiligerBekundungen, ausschließlich auf Grund einer höchstindividuellen Gewissensentscheidung und ohne Rechen-schaftspflicht gegenüber Partei- oder Wählerentschei-dungen?

30. September:Geheime ProbeabstimmungAlle SPD-Landtagsabgeordneten außerDagmar Metzger stimmten dem folgen-den Abstimmungstext bei einer gehei-men Probeabstimmung zu:„Ich bin bereit, Andrea Ypsilanti in gehei-mer Wahl zur Ministerpräsidentin einer rot/grünen Koalition zu wählen und ihrem Ka-binett das Vertrauen auszusprechen. Vor-aussetzung hierfür ist für SPD und Bündnis90/Die Grünen die Zustimmung der jewei-ligen Parteigremien zu einem Koalitions-vertrag und eine verbindliche, schriftlichniedergelegte Unterstützung durch die Par-tei Die Linke.“

Jürgen Walter:„Dass dieses Land wieder rot wird“Beim Landesparteitag in Rotenburgbezeichnet Jürgen Walter am 4. Okto-ber 2008 die Vorbereitung des Regie-rungswechsels als „Vorbild für inner-parteiliche Demokratie“ und erklärt:„Lasst uns heute die Ampel auf grünstellen, damit wir die Chance haben,dass dieses Land wieder rot wird.“

Jürgen Walter:„Ich werde Frau Ypsilanti wählen.“Jürgen Walter hat SPD-ParteichefinAndrea Ypsilanti trotz seines Verzichtsauf einen Ministerposten seine Stimmefür die Wahl zur Ministerpräsidentin

zugesichert. „Ich werde Frau Ypsilantiwählen“, sagte Walter mit Blick auf diefür den 4. November geplante Sonder-sitzung des Landtages. Er hatte zuvorüberraschend einen Ministerposten indem geplanten rot-grünen Kabinett aus-geschlagen.

(hr-online, 24.10.2008)

Carmen Everts:„Ich will den Regierungswechsel“Beim Parteitag des SPD-UnterbezirksGroß-Gerau am 28. Oktober 2008 inKelsterbach wurde ein Antrag zur Bil-dung einer rot-grünen Minderheitsre-gierung und Unterstützung der Koali-tionsvereinbarung mit 94-Ja-Stimmenund 12 Enthaltungen angenommen.Jochen Auer stellte einen Ergänzungs-antrag: „Der SPD-Unterbezirk fordertCarmen Everts und Renate Meixner-Römer auf, für den Politikwechsel inHessen zu stimmen.“ Carmen Everts istempört:„Ich brauche keine Aufforderung, An-drea Ypsilanti zu wählen. Das ist un-redlich und ärgert mich. Ich empfindedies als einen persönlichen Affront.“(FNP vom 30.10.)„Ich will den Regierungswechsel, dabraucht es keine Aufforderung.“(FR vom 30.10.)Der Zusatzantrag wurde zurückgezogen.

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12HLZ 1–2/2009S C H W E R P U N K T T H E M A

Verpasste Chance?Auszüge aus der Koalitionsvereinbarung von SPD und Grünen

Die Koalition setzt auf individuelle Förde-rung und Integration statt auf Auslese, ineinem wohnortnahen Schulsystem auch imländlichen Raum. Längeres gemeinsamesLernen, Fordern und Fördern lauten dabeiunsere Grundsätze.

Gleiche Chancen für alle sind ein Gebotder Gerechtigkeit. In Deutschland sind dieBildungschancen noch immer abhängigvom sozialen Status der Eltern. Dies wollenwir ändern. Bildung darf nicht vom Geld-beutel der Eltern abhängen. Kein Kind darfzurückgelassen werden. Nicht alle Problemeunseres Bildungssystems lassen sich mitGeld lösen, aber ohne zusätzliches Geld wirdes nicht gehen. Die Bildung unserer Kinder

Am 3. November haben viele die zuvor vielfältig ausgedruckte undkopierte Koalitionsvereinbarung von SPD und Bündnis 90/DieGrünen in den Papierkorb geworfen, wütend und enttäuscht übereine verpasste Chance für mehr Bildungsgerechtigkeit und bessereLern- und Arbeitsbedingungen. Die HLZ-Redaktion hat sichentschlossen, die Koalitionsvereinbarung kurz vor der Land-

tagsneuwahl wieder aus dem Papierkorb zu holen und wichtigeAbsichtserklärungen von SPD und Grünen zu dokumentieren. Siebelegen: Ein Politikwechsel ist möglich. Die umfangreichenTextkürzungen sind nicht markiert. Die Zwischenüberschriftenstammen von der HLZ-Redaktion.

muss uns etwas wert sein. Deshalb wollenwir die Ausgaben für Bildung spürbar erhö-hen. Die im Zuge des demografischen Wan-dels in den kommenden Jahren sinkendenSchülerzahlen werden wir nicht zu Einspa-rungen im Bildungsbereich nutzen. Statt-dessen werden wir in die Qualität unseresSchulsystems investieren. Für bessere Bil-dung sind darüber hinaus weitere Mittelerforderlich. Deshalb treten wir auf Bundes-ebene für verbesserte steuerpolitische Rah-menbedingungen ein, damit die Bundeslän-der stärker in Bildung investieren und dieBildungschancen der nachwachsenden Ge-neration verbessern können.

105 Prozent LehrerversorgungWir wollen den Schulen wieder Luft zumAtmen, für kreative pädagogische Konzepteund individuelle Förderung geben. Schritt-weise werden wir daher die Lehrerversorgung(für die Grundschulen, Förderschulen unddie Schulen der Sekundarstufe I) auf 105Prozent erhöhen.

Neue VerwaltungssteuerungWir werden in enger Zusammenarbeit mitden Schulen diese von unnötigen Vorgabender Kultusbürokratie befreien. Die Koalitionwird die Einführung der neuen Verwaltungs-steuerung (NVS) gemeinsam mit den Schu-len und den Schulverwaltungen evaluieren.Es wird ein ergebnisoffener Prozess derPrüfung eingeleitet. Bis zum Abschluss derPrüfung gilt ein Moratorium. Die weiterhinbestehenden Probleme mit der Schulver-waltungssoftware LUSD werden so schnellwie möglich gelöst.

Demokratie in der SchuleIn der Schule darf Demokratie nicht nur aufdem Lehrplan stehen, sie muss auch von derSchulgemeinde gelebt werden. Wir werdendaher die demokratische Verfasstheit derSchule stärken. An den Entscheidungenwerden Schülerinnen und Schüler, Eltern,Lehrerinnen und Lehrer unter Einbeziehungdes regionalen Umfeldes beteiligt. Dies stärktdie Identifikation mit der Schule und erzeugteine höhere Verbindlichkeit der Entschei-dungen.

ErzieherinnenausbildungWir wollen eine systematische und ver-bindliche Kooperation und Vernetzungzwischen den unterschiedlichen Akteuren– Elternhaus, Kindertageseinrichtungen undSchulen – erreichen. Ziel sind am Kindorientierte bruchlose Übergänge zwischenden verschiedenen Bildungsphasen. Da-mit dies noch besser gelingt, sind Refor-men in der Aus- und Fortbildung derErzieherinnen und Erzieher erforderlich.Wir wollen die Ausbildung auf Fach-schulniveau stärker als bisher durch Stu-diengänge an hessischen Fachhochschu-

Zeitschrift derHessen

für Erziehung, Bildung, Forschung

61. Jahr Heft 3 März 2008

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len ergänzen. (...) Zugang zu diesen Stu-diengängen haben auch Erzieherinnen undErzieher mit abgeschlossener Fachschul-ausbildung.

Kleinere Klassen für kleine KinderDer Bildungs- und Erziehungsplan muss mitLeben erfüllt werden. Wir werden die Voraus-setzungen dafür schaffen, dass schrittweisealle Grundschulen Tandem-Vereinbarungenmit Kindertagesstätten und weiteren Bil-dungseinrichtungen im vorschulischen Be-reich zur Umsetzung des Bildungs- undErziehungsplans schließen können. Um fürdiesen Prozess die notwendigen Vorausset-zungen zu haben, wird in diesen Grund-schulen die Klassenhöchstgrenze auf 25Schülerinnen und Schüler gesenkt und dasSchuldeputat für die Kooperation mit denKindertagesstätten erhöht.

Neue Schulen im Haus der BildungWir werden dafür sorgen, dass ab demSchuljahresbeginn 2009/2010 bestehendeSchulen des Sekundarbereichs in einer neugestalteten Sekundarstufe I mit binnen-differenziertem Unterricht ohne schulform-bezogene Leistungsgruppen arbeiten kön-nen. (...) Die Initiative für eine neu gestalteteSekundarstufe liegt bei der Schulgemeinde(...) und natürlich beim Schulträger. (...) Dasich die Schulen für die pädagogischaufwändigere Binnendifferenzierung stattfür die äußere Differenzierung entschiedenhaben, wird die Klassenhöchstgrenze auf 25Schülerinnen und Schüler gesenkt, um dieseArbeit zu unterstützen.

GanztagsschulenViele Schulen und Eltern wollen mehr als einepädagogische Mittagsbetreuung. Sie wollenGanztagsschulen mit rhythmisiertem Tages-ablauf, in denen neue Bildungskonzepte ver-wirklicht werden können. Sie wollen einenSchulalltag, der fächerübergreifende Förde-rung organisieren hilft und Unterricht, Er-ziehung und individuelle Förderung bessermiteinander kombinieren kann. Deshalb wirddie Koalition das Ziel des Ausbaus der Ganz-tagsschulen in offener und gebundener Formverwirklichen: Bis zum Jahr 2015 wollen wiran allen Schulen ein an den örtlichen Bedarfangepasstes Ganztagsangebot verwirklichthaben, so dass jedes Kind und alle Eltern, diedies für ihre Kinder wünschen, wohnortnahein Angebot einer ganztägig arbeitendenSchule finden.

Individuelle SchulzeitverkürzungDie Koalition vereinbart, mit allen Beteilig-ten ein Konzept zu erarbeiten, das esermöglicht, nach einer sechsjährigen Se-kundarstufe I die Oberstufe in zwei oderdrei Jahren zu durchlaufen. Eine größereWahlfreiheit bei der Belegung der zurAbiturprüfung erforderlichen Pflichtkurseund höhere Flexibilität sind Ziele dieser

Oberstufenreform. Den Schülern soll dieMöglichkeit eröffnet werden, der individu-ellen Leistungsentwicklung entsprechenddie Kurse der Oberstufe bis zum Abitur inzwei oder drei Jahren zu absolvieren und sodas Abitur nach 12 oder 13 Jahren abzule-gen.

Zentrale Prüfungen evaluierenFür die Haupt- und Realschulen zeigen diebisherigen Ergebnisse der zentralen Ab-schlussprüfungen, dass die versprocheneVerbesserung der Leistungen bislang nichthinreichend feststellbar ist. Das Zentral-abitur wurde 2007 zum ersten Mal geschrie-ben. Rückmeldungen aus den Schulen zei-gen, dass sich die zentralen Abschlussprü-fungen insgesamt nicht positiv auf dieQualität und die inhaltliche Tiefe des Unter-richts auswirken. Wir werden zur Mitte derLegislaturperiode die Ergebnisse der zen-tralen Abschlussprüfungen an Haupt- undRealschulen und des Landesabiturs auswer-ten.

Schule ohne NotenDie Schulgemeinde kann entscheiden, dieZiffernoten bis zum Ende der Klasse 7 durchschriftliche Bewertungen zu ergänzen oderzu ersetzen.

Gemeinsamen Unterricht ausbauenWir werden den gemeinsamen Unterricht(GU) von Schülerinnen und Schülern mitund ohne sonderpädagogischem Förderbe-darf an allen Schulen durch zusätzlichesPersonal schrittweise ausweiten und dieFörderung von Kindern mit sonderpädago-gischem Förderbedarf vom Rand in die Mitteder bildungspolitischen Debatte holen undbesonders unterstützen.

MigrationKinder und Jugendliche mit Migrations-hintergrund wollen wir besser unterstützen,indem wir die frühkindliche Bildung aus-bauen und verbessern, Eltern in ihrer Er-ziehungskompetenz stärken und Sprach-kompetenz – sowohl in der Herkunfts-sprache als auch in Deutsch – systematischfördern, individuelle Förderung ausbauenund Bildungsbarrieren abbauen. Wir wer-den uns dafür einsetzen, deutlich mehrMitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Mi-grationshintergrund für unsere Schulen undKindertagesstätten zu gewinnen. Inter-kulturelle Kompetenz muss stärker in derLehreraus- und -fortbildung sowie bei derQualifizierung der Erzieherinnen und Erzie-her verankert werden. Wir werden Schulenunterstützen, die verbreitete Herkunftsspra-chen (z.B. Türkisch, Russisch) als reguläresSchulfach oder zweite Fremdsprache anbie-ten wollen. Ferner werden wir ein Konzeptentwickeln, das den herkunftssprachlichenUnterricht wieder in den Schulalltag inte-griert.

Neue LehrerbildungIn einem ersten Schritt wird die Koalitiondie zweite Phase der Lehrerausbildung imReferendariat wieder auf eine solide Basisstellen und die Fehler der letzten Reformkorrigieren. Hierbei greifen wir auf diePraxiserfahrungen insbesondere der Leh-rerinnen und Lehrer im Vorbereitungs-dienst (LiV) und die daraus abzuleitendenKonsequenzen zurück. Anschließend wer-den wir in einem zweiten Schritt in einenbreit angelegten Dialog mit den an derLehrerbildung Beteiligten über eine grund-sätzliche Reform der Lehrerbildung ein-treten.

Starke, selbstständige HochschulenWir werden die hessischen Hochschulenstärken und die Hochschulfinanzierung aufeine solide Grundlage stellen. Dazu gehörtdie Neuverhandlung des Hochschulpaktsmit einer Weiterentwicklung der leistungs-orientierten Mittelzuweisung inklusive derClusterpreise. Wir werden die Frauen-förderung und die Förderung des wis-senschaftlichen Nachwuchses über dasErfolgsbudget und weitere Maßnahmenstärken. Wir wollen die Anzahl der Stu-dienplätze erhöhen und die Finanzierungder Studienplätze langfristig dem bundes-deutschen Durchschnitt annähern. Die imRahmen des Hochschulpakts 2020 für denKapazitätsausbau von Studienplätzen vor-gesehenen Mittel werden wir verstärkt fürden Ausbau der Fachhochschulkapazitäteneinsetzen. Mehr Autonomie erfordert eineStärkung der innerhochschulischen Demo-kratie. (...)

Öffentliches DienstrechtDie von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN gestellte Landesregierung wird in Hes-sen endlich den Willen des HessischenLandtags umsetzen, das seit 2004 herr-schende Tarifchaos bei den Tarifbeschäf-tigten des Landes zu beenden. Deshalb wirddas Land unter rot-grüner Regierungsver-antwortung die Verhandlungen mit derTarifgemeinschaft deutscher Länder auf-nehmen, um wieder in die TdL eintreten zukönnen.

Da sich nach unserer Auffassung dasBeamtenrecht an den Vorgaben des Tarif-rechts zu orientieren hat, wird dasBeamtenrecht schrittweise dem Tarifrechtangepasst. Dazu gehört, dass die Wochen-arbeitszeit der hessischen Beamtinnen undBeamten von 42 Stunden schrittweise re-duziert und der für den Tarifbereich imRahmen der TdL geltenden Arbeitszeitangepasst wird.

Die Koalition will durch eine Novellie-rung des Hessischen Personalvertretungs-gesetzes die Mitbestimmung im öffentli-chen Dienst weiterentwickeln.

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Den offiziellen Auftakt machte DGB-Landesbezirksvorsit-zender Stefan Körzell. Er gratulierte der GEW in seinemGrußwort zu ihrer positiven Mitgliederentwicklung, die seitder letzten LDV um über 1.000 Mitglieder zugelegt hat:„Macht weiter so.“ Die Gewerkschaften hätten im letztenLandtagswahlkampf die Themen gesetzt und dazu beigetra-gen, dass nach der Wahl im Januar 2008 „der Politikwechselzum Greifen nah war“. Der DGB werde auch im neuenWahlkampf auf die „weiterhin brennenden Probleme“ hinwei-sen. Dazu gehören für Körzell der gesetzliche Mindestlohn, die„gute Arbeit“ in sozialversicherungspflichtigen Beschäfti-gungsverhältnissen, die Rückkehr in die Tarifgemeinschaftder Länder (TdL) und der Grundsatz, dass die Beamtenbesol-dung dem Tarifrecht folgt: „Dass die Landesregierung denBeschluss des Landtags zur Rückkehr in die TdL nichtumgesetzt hat, ist eine Sauerei!“ Und was wäre in Hessen los,fragte der DGB-Vorsitzende, „wenn die Metallunternehmenbeschließen würden, aus der Tarifbindung auszusteigen?“Körzell erinnerte an die Rolle der Gewerkschaften im Kampffür die Abschaffung der Studiengebühren: „Das war eineKlasse-Politik!“ Wenn die CDU wieder mit der FDP an dieMacht zurückkehre, würden sie die Politik „vom Steuer-Staatzum Gebühren-Staat“ fortsetzen. „Und dann werden auch dieStudiengebühren wieder auf die Tagesordnung kommen!“ Diehessischen Gewerkschaften würden bis zum 18. Januar nichtvergessen, wer für die Folgen einer Politik, „die die Gewinneprivatisiert und die Verluste sozialisiert“, verantwortlich ist.

Die Vorsitzenden der GEW Hessen berichtenGEW-Vorsitzender Jochen Nagel zeigte sich in seinen münd-lichen Ergänzungen zum Geschäftsbericht sicher, dass dieGEW erhebliche Fortschritte auf dem Weg zur Tarifgewerk-schaft gemacht und den Kampf gegen den Tarifbruch und dieTarifpolitik nach Gutsherrenart kraftvoll aufgenommen hat:„Wir haben gemeinsam unter schwierigen Bedingungen einenguten Weg gemacht, und sind als GEW Hessen in den Bündnis-sen, im DGB Hessen und im Bundesverband eine beachteteKraft.“ Dazu habe auch das „authentische Auftreten der GEW“in der Professionalitätsdebatte beigetragen. „Kein Energie-schub“ sei dagegen die Entwicklung der letzten Wochengewesen, die zur Neuwahl des Landtags am 18. Januar führte.

Die stellvertretende Vorsitzende Carmen Ludwig (Foto:Mitte) zog ebenfalls eine positive Bilanz der letzten drei Jahreund setzte den Schwerpunkt auf die Proteste gegen dieStudiengebühren: „Die GEW war dabei und war eine treiben-de Kraft bei der Verfassungsklage von unten.“ Wenig über-

Johann Wolfgang Goethe fand die StadtWetzlar, in die er im Jahr im Mai 1772als Praktikant am Reichskammergerichtkam, „unangenehm“ und reiste schonim September nach der unglücklichenLiebe zu Charlotte Buff zurück nachFrankfurt. Schauspieler Erich Schaff-ner gab der Landesdelegiertenver-sammlung (LDV) zur Eröffnung einGoethe-Zitat mit auf den Weg:

Was verkürzt mir die Zeit?Tätigkeit!

Was macht sie unerträglich lang?Müßiggang!

Was bringt in Schulden?Harren und Dulden!

Was macht Gewinnen?Nicht länger besinnen!Was bringt zu Ehren?

Sich wehren!

Landesdelegiertenversammlung 2008zeugt zeigte sie sich von Kochs Beteuerungen, man habe ausder Auseinandersetzung um die Studiengebühren „gelernt“und werde das Thema nicht mehr aufgreifen: „Koch war schoneinmal wortbrüchig, denn noch wenige Monate vor derVorlage des Gesetzentwurfs zur Einführung von Studienge-bühren hatte er eine solche Absicht dementiert.“ Schließlichhabe die CDU im Landtag auch gegen die Abschaffunggestimmt. Die bisherigen Tarifverhandlungen mit der Stif-tungsuniversität hätten gezeigt, dass die Uni-Leitung „an derkurzen Leine der Landesregierung“ geführt wird: „Wir wol-len keinen Sonderweg der Uni Frankfurt, sondern für alleBeschäftigten die Rückkehr in die TdL.“ Außerdem erinnerteCarmen Ludwig an den erfolgreichen Kampf gegen dasBerufsverbot für Michael Csaszkóczy, der inzwischen aneiner Schule in Baden-Württemberg eingestellt wurde.

Karola Stötzel, ebenfalls stellvertretende Landesvorsit-zende (Foto: links), beschrieb, wie sich die GEW erfolgreichin die letzte Tarifrunde im öffentlichen Dienst der Kommunenund des Bundes eingemischt hat. Die GEW sei jetzt auch imKita-Bereich eine ernst zu nehmende Kraft. Die „Lust derBeschäftigten auf Gegenwehr“ habe sich gelohnt: „Auf Ge-haltssteigerungen in Höhe von acht Prozent können wir stolzsein.“ Sie sicherte den Streikenden beim InternationalenBund (IB) die Unterstützung der GEW zu. Sie fordern 10Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 250 Euro. Stötzelgeißelte die Weigerung des Kultusministeriums, den Beschlussdes Landtags für das Recht von Kindern ohne legalenAufenthaltsstatus auf Schulbesuch umzusetzen (HLZ S. 8). AlsArbeitsschwerpunkt für die nächsten drei Jahre beschriebKarola Stötzel den Kampf gegen die Privatisierung underinnerte an das Engagement der GEW Frankfurt gegen dasCross-Border-Leasing-Geschäft mit der Frankfurter U-Bahn.Die aktuelle Finanzkrise zeige, wie berechtigt die warnendenHinweise waren: In Stuttgart, wo die größte Wasseraufberei-tungsanlage und ein 1.700 km langes Leitungsnetz an US-

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Investoren vermietet worden waren, muss der zuständigeZweckverband jetzt für US-Anleihen in Höhe von 50 Millio-nen Euro gerade stehen und eine Erhöhung des Wasserpreisesum zwei Cent pro Kubikmeter hinnehmen.

LDV sichert die Zukunft von leaDer erste Tag der LDV stand im Zeichen der Debatten um dieFortsetzung der gemeinnützigen Bildungsgesellschaft lea,des Bildungswerks der GEW. Trotz steigender Teilnehmer-zahlen hatte die Entwicklung der ersten drei Jahre gezeigt,dass sich das weithin angesehene und beachtete gewerk-schaftliche Bildungswerk nicht ausschließlich aus Teilneh-merbeiträgen finanzieren lässt. Jochen Nagel sprach sich mitgroßem Nachdruck für die Fortsetzung von lea aus: „AndereGEW-Landesverbände beneiden uns um diese Einrichtung.“Eine „selbstbestimmte Fortbildung“ in der Verantwortung derGEW sei ein wichtiges Pfund bei der Mitgliedergewinnungund „ein wesentlicher Pfeiler jeder Professionalitätsdebatte“.Bernd Heyl (Kreisverband Groß-Gerau) forderte von derGEW, eine klaren inhaltlichen Kontrapunkt zu den Angebo-ten der Wirtschaft zu setzen, „die Millionen in Fortbildungs-angebote für Lehrerinnen und Lehrer investiert“. Die LDVentschied sich mit großer Mehrheit dafür, für die nächstendrei Jahre einen nach oben begrenzten Betrag aus denBeitragsanteilen aller Untergliederungen, also auch der Kreis-verbände, für das Fortbestehen von lea zur Verfügung zustellen.

Grußworte von SPD, Grünen und LinksparteiMit Neugier begrüßten die Delegierten den SPD-Spitzenkan-didaten Thorsten Schäfer-Gümbel (Foto: rechts). Er erneuertedie Zusagen der SPD bezüglich der Rücknahme der imRahmen der „Operation Düstere Zukunft“ verordneten Ar-beitszeitverlängerung und Pflichtstundenerhöhung, für dieVerlängerung der Altersteilzeitregelungen und für eine Rück-nahme der Verschlechterungen im Hessischen Personalver-tretungsgesetz (HPVG): „Der mit den Gewerkschaften abge-stimmte Gesetzentwurf ist fertig.“ Der Vertrag mit den Grünensei ein guter Vertrag gewesen: „Es gibt für uns keinen Grund,von den dort vereinbarten Zielen abzuweichen.“ NegativeErfahrungen mit G8 kennt der Familienvater aus eigenerAnschauung. Die Zusagen der CDU, es gebe mit ihr keineWiedereinführung der Studiengebühren, seien „keinen Pfif-ferling wert“, dafür werde schon die FDP sorgen.

Seine politische Sozialisation begann TSG bei denSchülerdemonstrationen gegen die Bildungspolitik der Re-gierung Wallmann/Wagner. Da der Geschäftsführer der GEWGießen dem 16-Jährigen die Aufnahme in die GEW verwei-gerte („Wir nehmen keine Schüler“), entschied er sich, „demparlamentarischen Arm der Arbeiterbewegung beizutreten,der SPD.“

Tarek Al-Wazir, der am folgenden Tag eindrucksvoll alsSpitzenkandidat von Bündnis 90/Die Grünen bestätigt wurde,verteidigte die Entscheidungen der Grünen gegen die voll-ständige Übertragung des Tarifergebnisses auf die Beamtin-nen und Beamten und gegen die sofortige Rücknahme vonG8. Auch er lobte die Koalitionsvereinbarung als ein Doku-ment, „das sich sehen lassen kann“ (HLZ S.12-13). Die Grünensetzten gemeinsam mit der GEW auf „Fördern statt Ausleseund Fairness statt Ausgrenzung“. Dazu brauche man kleinereKlassen und ein längeres gemeinsames Lernen: „Das wirdnicht alles jetzt und sofort gehen, aber wir müssen uns auf denWeg machen.“ Das gelte auch für die Arbeitszeit: „Wir stehendazu, dass Hessen in die TdL zurückkehrt.“ Man werde jedochkaum von einem auf den anderen Tag 1.300 zusätzlicheStellen besetzen können, „von den Stellen, die andere Verbes-serungen kosten, ganz zu schweigen“.

Al-Wazir (Foto: oben links mit Jochen Nagel) erinnerteangesichts einer „weich gespülten geschäftsführenden Lan-desregierung“ und „einer Wolff im Schafspelz“ im Kultusmi-nisterium daran, „dass die meisten Veränderungen des Jahres2008 gegen die Stimmen der CDU zustande gekommen sind.“Man werde nicht alles versprechen: „Aber das, was wirversprechen, halten wir.“

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Barbara Cardenas, bildungspolitische Sprecherin derLinken (Foto: unten), lobte die GEW für ihr Bildungswerk lea:„Wir brauchen so etwas als Zeichen gegen den Mainstream.“Sie bedauerte, dass der Antrag der Linken auf eine einheitli-che Mittelstufe und sofortige Abschaffung von G8 keineMehrheit im Landtag gefunden hatte: „Der Stress reicht weitin die Familien hinein.“ Als Psychologin weiß sie, wie derLeistungsdruck auch in die Grundschule hinein wirkt. Die„schleichende Privatisierung der Bildung“ müsse gestopptund rückgängig gemacht werden. Mit der Forderung nacheiner Finanzierung von Bildungsreformen durch die Umver-teilung des gesellschaftlichen Reichtums stehe ihre Parteinicht allein: „Lasst uns so viel in Bildung investieren, wie esnotwendig ist, und nicht so viel wie nach Meinung von CDUund FDP möglich ist, nachdem sie die Staatskassen selbstgeplündert haben.“

Als „Unterstellung“ wies Jochen Nagel Aussagen der FDPzurück, die GEW hätte nur SPD, Grüne und Linke zumGrußwort eingeladen: Die GEW lädt keine Parteien ein,vielmehr hätten nur die drei Parteien ihr Interesse an einemGrußwort bekundet. In einem Gespräch nach der LDV erklär-te die FDP, dass auch sie gerne ein Grußwort gehalten hätte.„Im scharfen Gegensatz dazu steht das Verhalten der CDU, dieoffenbar das Interesse hat, die Bildungspolitik im Wahlkampfauf kleinster Flamme zu kochen“, erklärte Jochen Nagel. DieCDU verknüpfte ihre Nichtteilnahme an bildungspolitischenVeranstaltungen der GEW, zu denen sie ausdrücklich einge-laden worden war, mit Beschimpfungen der GEW.

„Das sind die Tatsachen und nicht das, was jetzt öffentlichbehauptet wird.“ Aber es sei kein Zufall, „denn CDU und FDPhaben das Interesse, die Bildungspolitik im Wahlkampf aufkleinster Flamme zu kochen.“ „Widersinnig“ sei nur dasVerhalten der FDP: „Sie kritisiert, dass ihr ein Grußwortverweigert wurde, das sie nicht nachgefragt hatte, um gleich-zeitig ihre bereits zugesagte Teilnahme an Veranstaltungen, zudenen sie ausdrücklich eingeladen worden war, abzusagen.“

Wahlen, Debatten und BeschlüsseMit großem Beifall begrüßte die LDV den GEW-Bundesvor-sitzenden Ulrich Thöne (Foto: oben mit Carmen Ludwig).Auch er thematisierte die aktuelle Finanzkrise: „Die Blase istgeplatzt und Kommunen, die auf Privatisierung gesetzthaben, sind in großer Not.“ Die Propagandisten der Privati-sierung, die uns deren Vorteile einreden wollten, „solltenheute den Mund halten – zum Beispiel die Initiative Neuesoziale Marktwirtschaft“. Thöne dankte der GEW Hessendafür, dass sie diese Themen „vor vielen anderen erkannt undaufgegriffen hat“. Thöne forderte ein bundesweitesStudiengebührenverbot, ein Grundrecht auf einen Ausbil-dungsplatz und ein Investitionspaket für gute Bildung: „GuteBildung ist teuer, schlechte Bildung aber noch viel teurer.“Statt Blumen gab es für Ulrich Thöne die Mitteilung, dass ihnder Landesvorstand der GEW Hessen zur Wiederwahl alsBundesvorsitzender vorgeschlagen hat.

Der zweite und dritte Tag der LDV standen im Zeichen derAntragsberatungen und Wahlen. Die HLZ dokumentiert eini-ge zentrale Beschlüsse im Wortlaut. Bei den Wahlen gab eskeine Überraschungen, auch wenn bei dieser Wahl alleAbstimmungen geheim durchgeführt wurden. Gegenkandi-daturen gab es keine, neue Gesichter nur im Referat Tarif,Besoldung und Beamtenrecht und im Referat Hochschule undForschung: Stefan Edelmann (36) kommt für Gerd Turk,Alexander Wagner (29) und Ortrun Brand (30), auf dem Fotoauf Seite 18 mit Baby, für Ute Giebhardt. So war in denVorstellungsreden immer wieder vom selben Projekt dieRede: dem Projekt „Generationenwechsel“ in der GEW Hessen.

Jochen Nagel bekam bei seiner dritten Wahl mit 91,8 %der Stimmen ein Superergebnis. Das vergleichsweise schlech-te Ergebnis für Karola Stötzel ist wohl auf ihre Funktion alslea-Geschäftsführerin zurückzuführen. Ihr wurde - bei allemLob für die geleistete engagierte Aufbauarbeit - von einemTeil der Delegierten angelastet, dass lea anders als bei derGründung prognostiziert auf einen Zuschuss durch die GEW

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angewiesen bleibt. Alle Wahlergebnisse findet man in dieserHLZ auf Seite 18.

Im Mittelpunkt der Antragsberatungen stand die Positio-nierung der GEW für die Landtagswahlen am 18. Januar unddie damit verbundenen bildungspolitischen Weichenstellun-gen. Die LDV beschloss einen Aufruf, noch vor der WahlPersonalversammlungen an allen Schulen durchzuführenund die gemeinsamen Forderungen zu bekräftigen. Für den14. Januar ruft die GEW im Bündnis mit Eltern und Studie-renden zu einer zentralen Demonstration in Frankfurt auf.

Die GEW bekräftigte ihre Unterstützung für die Forderun-gen der Fachgruppe Grundschule (HLZ S.25). Manfred Schiwyvon der Landesfachgruppe Grundschule hat „die Nase voll,dass immer nur über G8 gesprochen wird“. In der Grund-schule werde zur Zeit der Lehrermangel für die Zukunftvorbereitet, „weil ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer inandere Bundesländer abwandern“. Die gemeinsamen Forde-rungen von GEW, Grundschulverband und Landeselternbei-rat seien „unser Beitrag zum Wahlkampf“.

Marcus Kourdji (Junge GEW) begründete den Antrag fürdie Sommerferienbezahlung, gegen befristete Arbeitsverträ-ge und für die Schaffung einer Vertretungsreserve von zehnProzent in den hessischen Schulen.

In seiner Abschlussrede ging Jochen Nagel noch einmal aufdas schlechte Abschneiden hessischer Schülerinnen und Schü-ler bei der jüngsten PISA-Runde ein: „Vor sechs Jahren hatRoland Koch erklärt, Hessen zum Bildungsland Nummer 1machen zu wollen, und jetzt dümpeln wir nach wie vor imMittelfeld der deutschen Bundesländer und darunter herum.“Die PISA-Ergebnisse seien „eine schallende Ohrfeige für diehessische Bildungspolitik“. Schülerinnen und Schülern, Eltern,Lehrkräften und pädagogischen Fachkräften müsse man dage-gen ein Kompliment machen: „Obwohl Hessen bei den Bedin-gungen in Schulen – von Klassen- und Gruppengrößen bis hinzu den Arbeitszeiten der Beschäftigten – weit hinten liegt,konnten sie durch ihr Engagement ein weiteres Abstürzenverhindern.“ Sachsen habe mit Klassen- und Gruppengrößen,die deutlich unter dem bundesdeutschen Durchschnitt liegen,den Sprung an die Spitze geschafft. Deshalb brauche Hessen„einen grundlegenden Politikwechsel zur Verwirklichung desRechts auf gute Bildung für alle, deutlich bessere Arbeitsbedin-gungen, ein demokratisch reguliertes Bildungswesen, mehrZeit für gute Bildung durch die Abschaffung von G8, dieWiederherstellung einer einheitlichen sechsjährigen Mittel-stufe und ein Bildungswesen, in dem Vielfalt gewinnbringendfür alle genutzt und nicht einfältig sortiert wird.“

Die Landesdelegiertenversammlung (LDV) war der richtigeRahmen, um das 60-jährige Bestehen der GEW Hessen zufeiern und auf bewegte Jahre seit der Gründung der GEW imJahre 1948 zurückzublicken.

Dazu konnte Landesvorsitzender Jochen Nagel unteranderen die früheren Landesvorsitzenden Alfred Harnisch-feger (1977-1983) und Klaus Müller (1983-1993) und denlangjährigen Landesgeschäftsführer Hans-Wilfried Kuhlenbegrüßen. Stellvertretend für die vielen noch lebendenGründungsmitglieder ehrte Jochen Nagel die Kollegen ErwinKnauß (86), Heinz-Joachim Nagel (85) und Arno Junge (77)für ihre 60-jährige Mitgliedschaft in der GEW Hessen. PeterSchmidt, GEW- und DGB-Urgestein aus Darmstadt, wurde für40-jährige Mitgliedschaft und seine großen Verdienste umdie GEW Hessen geehrt. Das Foto zeigt den wiedergewähltenLandesvorsitzenden Jochen Nagel „in seinem besten Anzug“,ihm zur Seite Heinz-Joachim Nagel (1. von links), ErwinKnauß (2. von links), Arno Junge (1. von rechts) und PeterSchmidt (2. von rechts).

Heinz-Joachim Nagel, streitbarer Vater des derzeitigenLandesvorsitzenden, wandte sich mit der kritischen Frage andie Delegierten, warum der LDV keine friedenspolitischenAnträge vorliegen: „Wer zusätzliches Geld für Bildung fordert,darf nicht von dem Geld schweigen, das die deutsche Regie-rung für Rüstung und Militäreinsätze im Ausland ausgibt.“

Professor Erwin Knauß, Träger der Hedwig-Burgheim-Medaille, zeigte sich in seinen Dankesworten verärgert überdie Kolleginnen und Kollegen, die mit und durch die GEW„etwas geworden sind und ihr anschließend den Rückenkehren“, schloss aber mit einem ermutigenden Zuruf an dieGEW: „Vivat, crescat, floreat!“

Zusammen mit Erwin Knauß und Heinz-Joachim Nagelwurde auch Peter Suppa als langjähriges Mitglied derLandesschiedskommission verabschiedet: „Zusammen mitdem im letzten Jahr verstorbenen Kollegen Rolf Rosenthallegen sie weit mehr als 100 Jahre ehrenamtlicher Arbeit indie Waagschale“, erklärte Jochen Nagel in seiner Dankes-rede. Zu neuen ständigen Mitgliedern der Landesschieds-kommission wählte die LDV Friedrich Dobler, HeinrichFecher und Ralf Schrader, zu stellvertretenden MitgliedernUlrich Stascheit und wie bisher Friederike Heide.

60 Jahre GEW Hessen -60 Jahre in der GEW

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Die GEW Hessen• ist sich bewusst, dass die Tarif- undBesoldungsrunde 2009 im Bereich der Länderunter schwierigen Bedingungen stattfindet• wird mit aller Kraft daran arbeiten, dieseAuseinandersetzung zu einem Erfolg zuführen• wird von Anfang an auch die Beamtin-nen und Beamten einbeziehen und ihnendeutlich machen, dass niemand als sie selbstihren sozialen und professionellen Statussichern und verbessern kann und wird• wird nachdrücklich klarstellen, dass einintensives Engagement für die Gehaltsforde-rungen nicht im Gegensatz zu Arbeitszeit-forderungen (Pflichtstundensenkung, Alters-teilzeit etc.) steht, sondern dass eine erfolg-reiche Tarif- und Besoldungsrunde eineausgezeichnete Basis für die anstehendenAuseinandersetzungen um Arbeitszeit undauch die Ausgestaltung eines hessischen

Tarif- und Besoldungsrunde 2009Eine zentrale Aufgabe der GEW

Besoldungs-, Versorgungs- und Laufbahn-rechtes ist• wird in der Begründung ihrer Forderungenverdeutlichen, dass die öffentlichen Arbeitge-ber mit ihrer jahrelangen Politik des Stellen-abbaus und der Reallohnsenkung (die 2008zum ersten Mal durchbrochen werden konnte)direkt und indirekt zur Entwicklung der ge-genwärtigen Krise beigetragen haben unddass umgekehrt eine Stärkung der Massen-kaufkraft auch durch die Entwicklung derReallöhne ein wichtiger Baustein zur Bewälti-gung der Krise ist• wird eine enge Anbindung an die Tarif-und Besoldungsrunde im Bereich der TdL-Länder suchen• wird weiterhin eine gute und effektiveKooperation mit den anderen Gewerkschaftendes öffentlichen Dienstes in Hessen verfolgen,in dieser Kooperation aber auch selbstbewusstdie Interessen ihrer Mitglieder vertreten.

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Bessere Bildung –bessere ArbeitsbedingungenDie Landesdelegiertenversammlung ruft dieSchulpersonalräte und GEW-Vertrauensleuteauf, kurzfristig noch vor den Landtagswah-len auf Personalversammlungen über dieForderungen der GEW zu diskutieren undvon den Landtagskandidatinnen und -kan-didaten „konkrete Zusagen zur Verbesserungder Arbeitsbedingungen in den Schulen ein-zufordern“. Die GEW fordert dabei vorrangig• die vollständige Rücknahme der Pflicht-stundenerhöhung von 2004 „als ersten,unabdingbaren Schritt, um die Arbeitszeit derLehrkräfte sukzessive auf ein Niveau zu redu-zieren, mit dem die komplexen Anforderun-gen an professionelle Arbeit in den Schulenerfüllt werden können, ohne die Lehrkräfteständiger Überlastung auszusetzen;• die Verlängerung der Altersteilzeit überdas Jahr 2009 hinaus;• eine zehnprozentige Vertretungsre-serve statt befristeter Verträge; bei unab-weisbaren Befristungsgründen „muss in be-fristeten Arbeitsverträgen die Bezahlung derSommerferien als Ausgleich für die währendder Unterrichtswochen geleisteten Überstun-den gesichert sein“ und• die Rücknahme der „Sternchenrege-lung“ bei den Klassen- und Gruppengrö-ßen: „Deutlich kleinere Klassen und Gruppenin den Schulen sind das A und O für einbesseres Lernklima, für die Möglichkeit, besserauf einzelne Schülerinnen und Schüler einzu-gehen und für die Förderung des selbststän-digen Lernens. Die so genannte Sternchen-regelung, nach der die ohnehin zu hoheKlassenfrequenz noch um 3 Schülerinnenbzw. Schüler erhöht wird, muss daher umge-hend zurück genommen werden.“

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Stimmen und StimmungenDie HLZ befragte Delegierte über ihre Erwartungen und Eindrücke

Von über 250 Delegierten der Kreis- und Bezirksverbände, der Fach-und Personengruppen kamen trotz dreitägigen Wahl- und Ab-stimmungsmarathons nur wenige zu Wort. Die HLZ befragteDelegierte über ihre Eindrücke von der Landesdelegiertenver-sammlung (LDV), ihre Erwartungen an die GEW und die HLZ, ihreMeinungen zur politischen Situation in Hessen und die Grußwortevon Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD), Tarek Al-Wazir (Die Grünen)und Barbara Cardenas (Die LINKE). Angesichts der Vielzahl vonRückmeldungen stellt die folgende Zusammenstellung nur eineAuswahl dar.

Uwe Hartwig (64), Kreisverband Friedberg:Sein größter bildungspolitischer Wunsch ist „endlich eineSchule für alle ohne Aussonderung“. Schäfer-Gümbel fand er„besser als erwartet“. Zur LDV fährt er immer wieder gern,„weil ich da alte Kumpels treffe.“ Die GEW solle sich vor allemdarum kümmern, „die Schule ohne Aussonderung imBewusstsein der Lehrkräfte zu verankern.“ Und was er sonstnoch zur LDV sagen wollte: „Früher war da mehr los.“

Hannelore Rinker-Protzek (57), Kreisverband Kassel-StadtFür Hannelore steht fest, dass „die Presse als Mitverursacherfür den gescheiterten Regierungswechsel kenntlich gemachtwerden muss“. Wichtige Zukunftsthemen für die GEW sind„U3 in Kitas“ und die Kinderarmut. Bisher sei die GEW „imErzieherbereich zu wenig verankert gewesen“. Die HLZ sollein „Hessische Pädagogenzeitung“ (HPZ) umbenannt werden.

Barbara Krämer-van de Loo (56), Personengruppe FrauenDas Scheitern der Regierungsbildung war für Barbara auch„Ergebnis einer unsäglichen Medien-Kampagne“. Daran habesich auch die Frankfurter Rundschau beteiligt, „deshalb habeich mein Abo gekündigt“. Auf der LDV werde meist konstruk-tiv diskutiert, und „man trifft viele tolle Kolleginnen undKollegen (wieder)“, pädagogische Diskussionen kämen eherzu kurz. Ihr Geburtstagswunsch an die GEW zum Sechzigsten:siehe Postkarte!

Andrea Draxler (39), Kreisverband Groß-GerauAndreas Kommentar zur gescheiterten Wahl von AndreaYpsilanti ist knapp und – im Gegensatz zu vielen anderen –druckfähig: „Shit happens“. Thorsten Schäfer-Gümbel habeversucht, die Delegierten mit „Schmeicheleien“ zu ködern:„Aber wir haben es gemerkt.“ An der GEW gefällt ihr, dasssich hier „gute, kompetente Menschen“ engagieren. Dochgelinge es noch nicht, „junge Menschen zu motivieren.“ IhrWunsch zum 60. Geburtstag der GEW Hessen: „Liebe GEW,halte dich noch viele Jahre gesund und jung, denn derNachwuchs ist noch nicht so weit.“ (Foto: S. 21, 3. von rechts)

Walter Schäfer (57), Kreisverband Wetzlar„Die Beendigung der Unterfinanzierung im Bildungswesen“ist sein größter bildungspolitischer Wunsch. Thorsten Schä-fer-Gümbel fand er „konkret und erfrischend“. Von der LDVerwartete er sich „Schwung für die vor uns stehendenAufgaben – unabhängig davon, wie die Wahl ausgeht.“ Zu oftwerde bei der GEW das „zehnmal Gesagte auch noch ein elftesMal gesagt.“ An der GEW gefällt ihm „ihre Geschlossenheit,ihre Innovationsbereitschaft und die Kooperationsfähigkeit“.

Lore Jetter (73), SozialpädagoginLore fand alle drei Parteienvertreter „einleuchtend“. In dennächsten Jahren soll sich die GEW vor allem um die ThemenEinwanderungsland Hessen, die „verkopfte Schule“ und dievor- und außerschulische Bildung kümmern. Und was ihrsonst zur LDV einfällt: „Klasse Organisation, freundlicheAtmosphäre, genügend Getränke!“

Klaus Hansmann (62), Personengruppe AngestellteDie – gescheiterte – Koalitionsvereinbarung von SPD undGrünen stellt für ihn „das bildungspolitische Minimum“ dar.Thorsten Schäfer-Gümbel und Tarek Al-Wazir hätten sich beiihren Grußworten „zu viele Hintertürchen offen gelassen“.Für Schwächen der GEW hält er die „mangelnde Durchset-zungsfähigkeit in Tarifauseinandersetzungen“ und „das rück-schrittliche Beamtenbewusstsein vieler Mitglieder“. Die Ar-beit von Jochen Nagel ist für Klaus ein überzeugenderBeitrag zur „Kontinuität der GEW-Politik“.

Antje Barth (39), Kreisverband OberlahnAm Grußwort von Tarek Al-Wazir gefiel ihr die Konzentra-tion auf das Thema Chancengleichheit und eine insgesamt„realistische Einschätzung“. Die Unterstützung der GEW fürden Kampf gegen die Studiengebühren sei „eine besondersstarke Leistung“.

Thomas Eilers (61), Kreisverband WiesbadenDen Parteienvertretern traut er allen nicht über den Weg,denn „Wahlkampfzeit ist Münchhausenzeit“. Und sein größterWunsch für den bildungspolitischen Kurswechsel: „dass erstattfindet“.

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André Stitz (36), Fachgruppe SonderpädagogikEr hätte sich Grußworte aller Parteien gewünscht, damit auchdie anderen Parteien „die Reaktionen der GEW-Mitgliederdirekt erleben dürfen und müssen“. Besondere Stärken derGEW Hessen sieht er in der „Präsenz vor Ort“ und ihrer„Mobilisierungsfähigkeit“. An seiner ersten LDV lobt er, dassdort „breit und kontrovers diskutiert wurde“.

Karin Grünbein-Zimmer (49), Personengruppe AngestellteKarins Schlussfolgerung aus dem gescheiterten Regierungs-wechsel: „Die GEW kann sich heute nicht mehr auf dieParteien verlassen und sollte ihre bildungspolitischen Posi-tionen stärker in die Öffentlichkeit tragen.“ Die GEW müssesich stärker um die Themen „Kinderarmut, Bildungschancenfür alle und Arbeitsbedingungen in Jugendämtern“ küm-mern. Die GEW sei leider immer noch „zu lehrerdominiert“.

Klaus Steup (58), Kreisverband Gießen-LandKlaus findet den gescheiterten Regierungswechsel „ohneWorte“ und ist aus der SPD ausgetreten. Er wünscht sich vonder GEW einen „klaren Kurs gegen jede Ausgrenzung imBildungsbereich“ und „Initiativen gegen die Einstellung von‚Billiglehrern’“. Stärken seiner GEW sind „Solidarität, Zivil-courage und Humanität“, ihre größte Schwäche sind „aus-schweifende Diskussionsbeiträge fernab von aktuellen Sach-verhalten“.

Barbara Ludwig (57), Personengruppe FrauenVom gescheiterten Regierungswechsel war Barbara „zutiefstenttäuscht“. Den Auftritt der Parteienvertreter fand sie ganzeinfach „positiv“. Die GEW solle sich für die „Einstellungzusätzlichen pädagogischen Personals und die Verbesserungder Rahmenbedingungen im Schulbereich“ einsetzen.

Jürgen Kaminski (57), Kreisverband Offenbach-StadtThorsten Schäfer-Gümbel war „überraschend konkret undnicht unsympathisch“, die größte inhaltliche Übereinstim-mung gebe es mit der Linken. Die GEW müsse sich vor allemum die Themen Arbeitszeitverkürzung, Altersteilzeit zurVerbesserung der Einstellungschancen für junge Lehrkräfteund Besoldungsverbesserungen kümmern.

Tony Schwarz (35), Kreisverband BergstraßeZum Grußwort von Tarek Al-Wazir meint Tony: „Wenn grünverwelkt, wird’s gelb.“ Auf den Landesdelegiertenversamm-lungen der GEW „wird Demokratie greifbar“. Die Stärke derGEW sei „ihre Präsenz auch in der Fläche“, ihre größteSchwäche „der fehlende Nachwuchs“. An der HLZ schätzt er„das hohe inhaltliche Niveau der allermeisten Beiträge“.

Susanne Bothmann (55), Kreisverband Main-TaunusSusannes dringendster bildungspolitischer Wunsch ist „dieAbschaffung von G8“. Thorsten Schäfer-Gümbel hat ihr gutgefallen: „Der hessische Obama?“

Inge Konradi (52), Kreisverband Main-TaunusDie Koalitionsvereinbarung dämpfte ihre Erwartungen in dieSchulpolitik einer rot-grünen Minderheitsregierung: „Sietrug stark die grüne Handschrift und drohte die Grenzenzwischen Personal- und Sachmitteln aufzuheben.“ Deshalbmüsse die GEW klare Positionen „gegen Privatisierungs-tendenzen im Bildungsbereich“ beziehen. Eine Schwäche derGEW sei oft ein „undurchsichtiges taktisches Vorgehen“.

Karin Freitag (57), Kreisverband FriedbergDie GEW habe es versäumt, auch CDU und FDP bekannt zugeben, dass die anderen Parteien um ein Grußwort gebetenhaben. Die GEW müsse parteipolitisch unabhängig bleiben.Die GEW solle ein „Konjunkturprogramm zur Sanierung undzum Ausbau von Schulgebäuden und zum Ausbau vonGanztagsschulen“ fordern.

Martina Uecker (30), Kreisverband HombergMartina war neugierig, auf ihrer ersten LDV zu sehen, „wersich hier so alles trifft und was jeder zu sagen hat.“ Die GEWmüsse sich vor allem um die „Einbeziehung jüngerer Kolle-ginnen und Kollegen“ kümmern, allerdings sei der Anreiz fürden Nachwuchs zur Mitarbeit „nicht sehr hoch“. Viele Diskus-sionen seien zu langatmig, schließlich habe man sich in denKreis- und Bezirksverbänden schon im Vorfeld eine Meinunggebildet.

Friedhard Werner (49), Kreisverband MarburgFriedhard wünscht sich nach seiner ersten Teilnahme an einerLDV „weniger ideologische Streitigkeiten, sondern schnelle,einheitliche Richtungsvorgaben“. Die GEW Hessen hält er für„selbstbewusst, streitbar und energisch, aber manchmal zusehr mit sich selbst beschäftigt.“ Die Linke will nach seinemEindruck „alles auf einmal“, die Grünen „schwanken zwi-schen alles und nichts“, und die SPD habe zwar „gute undglaubwürdige Ziele“, stehe sich aber selbst im Weg.

Michael Zeitz (39), Kreisverband WiesbadenDie größte Stärke der GEW „60 Jahre Erfahrung und Enga-gement“ hält Michael auch für ihre größte Schwäche: „60Jahre Engagement machen müde.“ Sein Kommentar zu denGrußworten von SPD, Grünen und Linken: „Jetzt müssen sienur noch gewinnen.“

Rosi Grob (52), Personengruppe FrauenDie GEW müsse sich mit „öffentlichkeitswirksamen Aktionenfür eine demokratische Schule in staatlicher Verantwortung“einsetzen, für kleinere Klassen und eine niedrigere Unter-richtsverpflichtung und für die Rückkehr in die Tarif-gemeinschaft der Länder. An der GEW schätzt sie besondersdie Kooperation aller Bildungsbereiche in einer Bildungs-gewerkschaft und die gute Rechtsberatung.

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22HLZ 1–2/2009BESCHLÜSSE DER LDV

Alle Bildungseinrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland sindpersonell unterversorgt; viele sind auch baulich und ausstattungs-mäßig in desolatem Zustand. Internationale Vergleiche belegen Jahrfür Jahr die Unterfinanzierung des deutschen Bildungssystems. Inder langen Ära des Neoliberalismus sagten uns die Regierenden inLändern, Bund und EU: „Es ist zu wenig Geld da, weil wir die Steuernfür die Unternehmen und Vermögenden senken müssen.“ Aus derenReichtum würden die Investitionen kommen, aus denen dereinst derwachsende Wohlstand aller resultiere und damit auch das Potenzialwachsender Bildungsausgaben entstehe. Die Regierenden begannenin großem Stil die gesamte Ökonomie zu deregulieren; sie unterwar-fen zunehmend die öffentlichen Dienste und die Institutionen derDaseinsvorsorge den Marktgesetzen oder privatisierten sie gleichganz. Den „freien“ Märkten wurden übernatürliche Kräfte zuge-schrieben, die zum Wohl aller wirken sollten.

Bekanntlich und vorhersehbar trugen die deregulierten Märkteund die Privatisierungen nur zum Wohl Weniger bei: Die Scherezwischen Arm und Reich öffnete sich weit, die Leistungen derSozialversicherungen wurden Schritt für Schritt reduziert, Chancen-gleichheit im Bildungswesen blieb ein Fremdwort. Die selbster-nannten Wirtschaftseliten zockten mit immer größeren Teilen ihresKapitals in undurchsichtigen Finanztransaktionen; auch die soge-nannte Realwirtschaft wurde mit den abenteuerlichen Renditeer-wartungen und Kreditkonstruktionen des Finanzcasinos infiziertund nachhaltig geschädigt.

Jetzt – nach dem großen Crash ohne absehbares Ende – lässtsich bei den Regierenden ein geradezu unanständiger Mangel anSelbstkritik feststellen. Die politischen Protagonisten der Markt-verherrlichung schieben die Schuld vor allem auf „gierige Spekulan-ten und Manager“, obwohl diese doch systemkonform gehandelthaben in dem ökonomischen System, dass die Politik geschaffenoder zugelassen hat. Hektische, teilweise hilflose Krisenein-dämmung hat nicht selten die Tendenz, das gerade gescheiterteSystem zu reparieren. Und schon wieder kündigen die Regierendenan: „Es ist zu wenig Geld da“, für die Bildung, die sozialenSicherungssysteme, den Klimaschutz etc.

Die Gewerkschaften haben ein elementares Interesse daran,dass die Verluste der Gewinner der Spekulationsblase nicht sozia-lisiert werden. Sie werden dafür kämpfen, dass eine effektiveReregulierung der Märkte und der internationalen Wirtschaftsbe-ziehungen eingeleitet wird, die die Möglichkeiten und Auswirkun-gen zukünftiger Krisen minimiert. Sie sind sich ihrer internationa-listischen Traditionen bewusst und werden Krisen“lösungen“ zuLasten anderer, insbesondere der weniger entwickelten Länder,entgegentreten. Sie fordern, dass endlich das Potenzial der Europäi-schen Union zur Gestaltung einer an differenzierten sozialenStandards bei den Löhnen, Steuern und den sozialen Sicherungs-systemen orientierten Ökonomie entfaltet wird, statt die EU alsInstrument zur Durchsetzung grenzenloser Konkurrenz zu miss-brauchen. Die Wahlkämpfe des Jahres 2009 – Hessen, Bund und EU– werden wir zur Durchsetzung dieser Forderungen nutzen.

Ein wesentlicher Baustein zur Krisenlösung im nationalenMaßstab muss ein aufwändiges Konjunkturprogramm sein. Einsolches Konjunkturprogramm muss die Binnennachfrage stärken.Deutschland muss endlich von der unmäßigen, krisenanfälligenExportabhängigkeit seiner Volkswirtschaft befreit werden. DasKonjunkturprogramm muss an gesellschaftlichen Bedürfnissenansetzen, somit zukunftsweisende Arbeitsplätze schaffen: Dasverweist auf ökologisch orientierte Investitionen, auf den Ausbaudes Gesundheitswesens, der Altenbetreuung und nicht zuletzt aufdas Bildungswesen vom Kindergarten bis zur Weiterbildung.

Für den Bereich der Bildung fordert die GEW Hessen• den sofortigen Einstieg in eine drastische Senkung der Klassen-frequenzen; zusätzliche Stunden für die individuelle Förderung,• die sofortige Senkung der Gruppengrößen in den Kitas und anden Hochschulen,• die sofortige Einstellung aller Bewerberinnen und Bewerber fürden pädagogischen Vorbereitungsdienst; Anhebung der Anwärter-bezüge; qualitativ hochwertige Weiterbildungsangebote für denBereich der Mangelfächer,• die Beendigung des Fristvertrags(un)wesens an Schulen undHochschulen,• eine deutliche Ausweitung unbefristeter Stellen für wissen-schaftlich Beschäftigte und eine Senkung der Lehrverpflichtung anHochschulen,• die sozialversicherungspflichtige und tarifgeschützte Einstellungvon zusätzlichem Personal in den Küchen und Mensen und alsHausmeister als Teil der aktiven Beschäftigungspolitik,• die Sanierung und den Ausbau von Schulen, Hochschulen undKindertagesstätten als Bauprogramm der öffentlichen Hand zu denBedingungen des Tariftreuegesetzes Hessen,• eine Energiewende in den Schulen als Teil eines Wirtschaftsför-derungsprogramms.

In der Krise wird aus den seit Jahren dringlichsten Forderungenzur Sanierung des Bildungswesens auch ein ausgesprocheneffektives Konjunkturprogramm! Zur Finanzierung solcher Pro-gramme fordert die GEW Hessen, die steuerlich geförderteUmverteilung von unten nach oben zu beenden und umzukehren:Die Steuern auf große Einkommen und Erbschaften müssendeutlich angehoben werden, die Besteuerung von Vermögen undTransaktionen von Wertpapieren, Finanztiteln und Deviseneingeführt werden.

Mit einem solchen an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeitorientierten Steuersystem lässt sich mittelfristig auch die vorüber-gehend unvermeidliche Erhöhung der Staatsverschuldung wiederabbauen.

Es geht – UmSteuern!

Jetzt erst recht mehr Geld für Bildung!

Was mich am meisten beunruhigt, ist die himmelschreiende so-ziale Ungerechtigkeit, die darin besteht, dass die sozialisiertenKosten des Systemversagens die verletzbarsten sozialen Grup-pen am härtesten treffen. Nun wird die Masse derer, die ohnehinnicht zu den Globalisierungsgewinnern gehören, für die realwirt-schaftlichen Folgen einer vorhersehbaren Funktionsstörung desFinanzsystems noch einmal zur Kasse gebeten. Und dies nichtwie die Aktienbesitzer in Geldwerten, sondern in der hartenWährung ihrer alltäglichen Existenz. Auch im globalen Maßstabvollzieht sich dieses strafende Schicksal an den ökonomischschwächsten Ländern. Das ist der politische Skandal. Jetzt mitdem Finger auf Sündenböcke zu zeigen, halte ich allerdings fürHeuchelei. Auch die Spekulanten haben sich im Rahmen derGesetze konsequent nach der gesellschaftlich anerkannten Logikder Gewinnmaximierung verhalten. Die Politik macht sich lä-cherlich, wenn sie moralisiert, statt sich auf das Zwangs-recht des demokratischen Gesetzgebers zu stützen. Sie undnicht der Kapitalismus ist für die Gemeinwohlorientierungzuständig.

Jürgen Habermas

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23 HLZ 1–2/2009 BESCHLÜSSE DER LDV

Forderungen an eine neue Schul- und BildungspolitikDie Wahlen vom 28. 1. 2008 führten zu keiner funktionsfähigenRegierung in Hessen. Andrea Ypsilanti wurde am 4. 11. 2008 nichtzur Ministerpräsidentin gewählt, sodass im Januar 2009 Neuwah-len anstehen. (...)

Der Slogan „Fördern statt auslesen“ sollte erneut zum Leitmotivhessischer Schul- und Bildungspolitik werden. Die CDU-Allein-regierung hat in den letzten fünf Jahren Ansätze für Chancen-gleichheit und Durchlässigkeit der Systeme weitestgehend abge-schafft durch:• schulformbezogene Lehrpläne• die Option der Querversetzung• zentrale, schulformbezogene Abschlussprüfungen• Einführung von G8 in der Sekundarstufe des gymnasialen

BildungsgangesUnter anderem führte diese rückwärtsgewandte Bildungspolitik zuWahlverlusten der CDU. Insbesondere mit der Einführung von G8im gymnasialen Bildungsgang hat die CDU selbst konservativeEltern gegen sich aufgebracht. Der Unterrichtsstoff von neunJahren wurde auf acht Jahre konzentriert, was zu einer Überlastungvon Schülerinnen und Schülern führte und keine Freiräume mehrließ für außerunterrichtliche Aktivitäten.

Deshalb ist es jetzt wichtig, zentrale bildungspolitische Positio-nen zu formulieren und Bündnispartner zu gewinnen.

1. Bildung von Anfang anDie GEW hat in ihrer Stellungnahme 2004 viele pädagogischeAnsätze im Bildungs- und Erziehungsplan begrüßt. Die GEWfordert jedoch nach wie vor die Zusammenarbeit von Schule undTrägern der Jugendhilfe. Zusätzliche personelle und sächlicheRessourcen sowohl in den Kindertagesstätten als auch in derGrundschule sind zur Umsetzung des Bildungs- und Erziehungs-planes bereit zu stellen. Nicht umsonst wurde der Bildungs- undErziehungsplan von der CDU auf zehn Jahre begrenzt. Nach derGrundschule sollen die Eltern, basierend auf den Empfehlungen derGrundschullehrerinnen und -lehrer, eine Entscheidung über dieSchullaufbahn ihres Kindes selektiv und schulformbezogen treffen.

Frühkindliche Bildung muss in gebührenfreien Kindergärtenund Kindertagesstätten erfolgen, um Chancenungleichheit zukompensieren. Die GEW fordert deshalb auch, den Besuch dieserEinrichtungen verpflichtend zu machen

2. Eine Schule für alleEin Ergebnis internationaler Studien wie PISA ist die Bestätigungder in extremer Form sozial benachteiligenden Wirkungen desdeutschen Schulsystems. Die GEW sieht in dem selektiven Schul-system einen der Hauptgründe für die zunehmende Nichterfüllungdes staatlichen Bildungsauftrages.

Von daher sollen alle Kinder und Jugendlichen bis zum Ende derSekundarstufe I gemeinsam erzogen und unterrichtet werden. Diesbeinhaltet mittel - und langfristig die Überwindung des viergliedrigenSchulsystems. Im Mittelpunkt dieser zehnjährigen Vollzeitschul-pflicht, die zu einem gemeinsamen Sekundarstufen-I-Abschlussführt, steht die individuelle Förderung eines jeden Kindes undJugendlichen. Ein erster Schritt auf dem Weg hin zu einergemeinsamen Sekundarstufenschule ist von daher die Wiederein-führung von einheitlichen inhaltlichen Vorgaben für dieSekundarstufe I.

Gemeinschaftsschulen, die nur Hauptschulen und Realschulenumfassen, sind keine Alternative und werden von der GEWgrundsätzlich abgelehnt. Verbundene Formen sollen nach denPrinzipien der integrierten Gesamtschulen entwickelt werden: Alle

Schülerinnen und Schüler besuchen die Schule bis zur 10. Klasse.Ihnen stehen bei entsprechender Eignung alle Angebote derallgemeinbildenden und beruflichen Sekundarstufe II offen.

Ein weiterer Schritt hin zur einen Schule für alle bedeutet dieAbschaffung der Option der Querversetzung. Jeder Bildungsgangder Sekundarstufe muss seine Schüler bis zum Abschluss der 10.Klasse führen. Bis dahin dürfen keine Schülerinnen und Schülergegen ihren bzw. den Willen der Eltern in eine andere Schulformabgeschoben werden. Sitzenbleiben entfällt. Auf der Grundlageindividueller Fördermaßnahmen ist sicherzustellen, dass kein Kindund kein Jugendlicher zurückbleibt. Hierfür sind die personellen undsächlichen Ressourcen zur Verfügung zu stellen.

Die Schule für alle wird als gebundene Ganztagsschule organi-siert. Im Rahmen der Ganztagsschule gilt es, den Tagesrhythmusden biologischen Gegebenheiten anzupassen und die für eine gutfunktionierende Ganztagsschule unabdingbaren Rahmenbedin-gungen (Mittagessen, Freizeit- und Ruhebereiche, sozialpädagogi-sche Betreuung) zu schaffen.

Die „Eine Schule für alle“ ist als inklusives Schulsystemschrittweise so zu gestalten, dass Förderschulen überflüssig werden.

Wieder einzuführen ist auch der Unterricht in der Herkunfts-sprache für Kinder mit Migrationshintergrund, da alle einschlägi-gen wissenschaftlichen Studien zum Spracherwerb erwiesen haben,dass ohne gute Beherrschung der Muttersprache der Erwerb vonFremdsprachen nicht gelingen kann.

3. Ein Abschluss für alleEine pädagogisch nicht zu rechtfertigende Vielzahl von Abschlüssenam Ende der Sekundarstufe I, verbunden mit der Einführung vonzentralen Abschlussprüfungen hat die Selektivität der Schulformenweiter zementiert. Deshalb fordert die GEW die Abschaffung allerzentralen Prüfungen und die Einführung eines einheitlichen Sekun-darstufen-I-Abschlusses für alle Schülerinnen und Schüler.Alle Jugendlichen erhalten nach zehn Schuljahren in einer gemein-samen Schule einen qualifizierten Sekundarstufen-Abschluss (Mitt-lerer Bildungsabschluss). Berufsorientierung und Ausbildungsvorbe-reitung sind eingeschlossen. Die Berufsberatung sowie Kooperatio-nen zwischen den allgemein- und berufsbildenden Schulen werdenbedarfsgerecht ausgebaut. Das Fach Arbeitslehre ist ab Klasse 7wieder einzuführen. (...) Darüber hinaus haben sich neben denBlockpraktika Praxis- oder Projekttage bewährt. (...) Hinzukommensollte eine intensive individuelle Laufbahnberatung für jeden Schülerdurch speziell qualifizierte Berufsberater oder Sozialpädagogen.

4. Rücknahme der Schulzeitverkürzung (G8)Die GEW lehnt die Schulzeitverkürzung an Gymnasien ab. EineSchule, die viele Kinder überfordert und Kinder und Jugendlichesowie die Lehrkräfte krank macht, muss schnellstens reformiertwerden. Die durch die hessische Bildungspolitik diktierten Bedin-gungen führen beispielhaft zu folgenden Zwängen:• Anstatt die Neugier zu fördern, Neues entdecken zu lassen, andereArbeits- und Lernformen sowie Teamarbeit zu erproben, erfolgt einneuer Dirigismus, ein verstärkter Paukunterricht, weil jetzt sogar derUnterrichtsstoff, der schon in sechs Jahren nicht zu schaffen war, infünf Jahren gelernt werden muss (bei ganz wenigen Korrekturen).• Anstatt in einer gut eingerichteten Ganztagsschule die Neigun-gen und Interessen der Schülerinnen und Schüler, die Angebote anSport, Kunst, Musik, Theater und Handwerk zu integrieren, erfolgtein belastendes Unterrichtskonzept für den Nachmittag ohnesinnvolle Betreuung und Beratung, das dazu noch die Realisierungprivater Interessen im Bereich der Musik, des Sports usw. erschlägt.

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24HLZ 1–2/2009BESCHLÜSSE DER LDV

Novellierung des Hessischen HochschulgesetzesDie Landesdelegiertenkonferenz der GEW fordert alle im HessischenLandtag vertretenen Fraktionen und die Landesregierung auf, dieanstehende Novellierung des Hessischen Hochschulgesetzes (HHG)an den folgenden Eckpunkten zu orientieren:

1. Demokratie und Mitbestimmung auch an HochschulenMitbestimmung und Demokratie sind die Grundlage für einsolidarisches Zusammenleben und eine gerechte Gesellschaft. Diesgilt in besonderem Maße für die Hochschulen, da sie mit ihrer Lehreund ihren Forschungsergebnissen die Entwicklung der Gesellschaftmitbestimmen. Nur in einem demokratischen Prozess, in den sichalle Mitglieder der Hochschule und auch die Gesellschaft einbringenkönnen, kann die Hochschule ihre Aufgabe in der Gesellschaftwahrnehmen. Damit ist ein Modell, das wesentliche Kompetenzenauf den externen Hochschulrat oder die Hochschulleitung legt, nichtvereinbar. Die GEW Hessen lehnt sowohl eine autokratischePräsidialhochschule als auch die Steuerung der Hochschulen durchHochschulräte entschieden ab. (...) Die GEW fordert insbesondere:• Im Hochschulgesetz ist die Entdemokratisierung zurückzuneh-men und darüber hinaus eine Erweiterung der Mitbestimmung inder Hochschule umzusetzen. Hochschulräte (oder besser: Hochschul-kuratorien) sollen eine beratende Schnittstellenfunktion zwischenHochschule und Gesellschaft einnehmen. Die Räte/Kuratorien sindpluralistisch aus Vertreterinnen und Vertretern verschiedener ge-sellschaftlicher Interessengruppen zusammenzusetzen.• In allen Fragen, die sich nicht unmittelbar auf Forschung undLehre beziehen, ist eine paritätische Besetzung der Hochschulgremienzu realisieren. (...)• Die Kompetenzverlagerungen hin zu den Präsidien und Lei-tungsstrukturen (oder den Hochschulräten), die in den vergangenenJahren zu Lasten der Gremien der Selbstverwaltung gingen, sindnicht nur rückgängig zu machen, vielmehr müssen Kompetenzenwie z. B. Haushalt und Mittelverteilung, Vorschlagsrecht für Ämterder Leitungsstrukturen und die Struktur- und Entwicklungspla-nung an die Kollegialorgane übertragen werden. (...)• Die Mitbestimmung der Personalräte muss wieder hergestellt,erweitert sowie auf alle Angelegenheiten der WissenschaftlichenMitarbeiter und Hilfskräfte ausgedehnt werden. (...)

2. Hochschulfinanzierung ausbauenDie Hochschulen sind seit Jahrzehnten drastisch unterfinanziert.Das Land hat sich zunehmend aus der Finanzierung der Hochschu-len und außeruniversitären Forschungseinrichtungen zurückgezo-gen. Bildung ist ein öffentliches Gut, das nicht privatisiert werdendarf. Deswegen lehnt die GEW alle Formen der Bildungs-privatisierung, zum Beispiel durch Studiengebühren oder durchPrivatisierung von Hochschuleinrichtungen entschieden ab. Statt-dessen sind die Hochschulhaushalte ab 2009 stufenweise auf denBundesdurchschnitt und darüber hinaus anzuheben, denn dasentspricht außer dem Bedarf auch der Wirtschaftskraft des Landes.Die Hochschulen sind von der Pflicht zur Drittmitteleinwerbung zu

befreien. Verwaltungskostenbeiträge und Prüfungsgebühren müs-sen abgeschafft werden.

3. Beschäftigungsbedingungen verbessernPrekäre Arbeitsverhältnisse in vielfältiger Form nehmen an denHochschulen drastisch zu. Dieser Entwicklung gilt es entgegenzu-wirken. Die GEW Hessen fordert insbesondere:• Forschung und Lehre brauchen mehr Kontinuität. Dauerauf-gaben erfordern Dauerbeschäftigung. Der Anteil der Dauerstellenan Universitäten für wissenschaftliche Beschäftigte darf nichtunter 40 % der Beschäftigten in diesem Bereich liegen.• Allen wissenschaftlichen Beschäftigten auf Qualifikations-stellen muss ausreichend Zeit für eigene wissenschaftliche Arbeitgegeben werden, d.h. mindestens 50 % der Arbeitszeit.• Das Lehrdeputat der Professoren an Fachhochschulen und derwissenschaftlichen Beschäftigten, insbesondere der Lehrkräfte fürbesondere Aufgaben, ist auf ein für die fachliche Qualität zuträglichesMaß zu senken. Die Lehrpflichtverordnung 2006 ist im ersten Schrittzurückzunehmen, denn sie entspricht einer 44-Stundenwoche. Grund-sätzlich ist die GEW der Auffassung, dass die Lehrpflicht tariflich zuregeln ist, denn sie gehört zum Kern der zeitlichen Arbeitslast.• Die Arbeitsbedingungen der studentischen Hilfskräfte sindtariflich zu regeln. Das Hochschulgesetz ist so zu ändern, dassstudentische Hilfskräfte nicht mehr für „studiennahe Dienstleistun-gen“ eingesetzt werden dürfen, da sie so in Lohnkonkurrenz zuTarifbeschäftigten gesetzt werden. Es sind Mindestvertrags-laufzeiten sicher zu stellen. (...)

4. StiftungsuniversitätDie GEW Hessen lehnt die Stiftungsuniversität als weiteren Schritthin zur Privatisierung ab. (...)

5. StudiumDurch den Bologna-Prozess haben sich die Schwerpunkte imStudium erheblich verschoben. Ziele sollen nicht mehr eine wissen-schaftliche Qualifizierung und ein selbstbestimmtes Leben sein,sondern eine möglichst schnelle ökonomische Verwertung deserlernten Wissens. Die neue Studienstruktur hat zu einer enormenPrüfungsverdichtung, einer Verschulung des Studiums und zuneuen Hürden im Studium geführt. Auch die versprochene interna-tionale Mobilität ist, aufgrund der starken regionalen, z.T. sogarhochschulinternen, Unterschiede bei der Bewertung und Anrech-nung von Prüfungsleistungen, in noch weitere Ferne gerückt.

Die GEW fordert daher eine radikale Kursumkehr: Im Studiumsind umfangreiche Wahlfreiheiten und eine drastische Reduzierungdes Prüfungsumfangs zu realisieren, um wieder mehr Freiräume fürein selbstbestimmtes Studium zu ermöglichen. (...)• Der Landesvorstand wird beauftragt, zur Bologna-Entwicklungund den gestuften Studiengängen eine Fachtagung zu veranstalten(Inhalte: kritische grundsätzliche Betrachtung, Auswertung desjetzigen Standes in Hessen unter Einbeziehung des Konzeps dergestuften Studiengänge der Gesamthochschule Kassel) und an-schließend eine Position zu entwickeln.

6. StudentINNENschaft(...) Die GEW fordert insbesondere, die 25%-Hürde bei den Wahlenzum Studierendenparlament und den sogenannten Ordnungs-paragraphen abzuschaffen. Darüber hinaus setzt sich die GEWHessen für eine Stärkung der Verfassten Studierendenschaft undihres Vertretungsmandats (allgemeinpolitisches Mandat) ein. Esmuss der Studierendenschaft selbst überlassen bleiben, zu welchenThemen sie sich äußern möchte und wie sie die ihr gesetzlichübertragenen Aufgaben erledigt.

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25 HLZ 1–2/2009

Am 15. September 2008 waren diebildungspolitischen Sprecherinnenund Sprecher der Parteien sowieKerstin Geis, die Vorsitzende des Lan-deselternbeirats, zu einer Podiums-diskussion „Auf den Anfang kommtes an – Grundschule stärken! Wann,wenn nicht jetzt?“ eingeladen (HLZ10/2008, S. 19). Hintergrund desGesprächs war ein von 500 hessi-schen Schulleiterinnen und Schullei-tern unterstützter offener Brief anMinister Banzer mit drei Sofort-forderungen:• Wegfall der Plus-Drei-Regelung beiden Klassenobergrenzen• volle Zuweisung der zwei Differen-zierungsstunden für jede Grundschul-klasse• Verbleib der durch den Schüler-rückgang frei werdenden Stellen imGrundschulbereich

Schon während der Veranstaltungboten Heike Habermann (SPD) undMathias Wagner (Grüne) weitere Ge-spräche mit Grundschulvertreterinnenan. Heike Habermann lud kurzfristigfür den 24. September zu einem weite-ren Gespräch ein, um die Ergebnisse indie folgenden Koalitionsverhandlun-gen mit Bündnis 90/Die Grünen ein-bringen zu können. Wie an den folgen-den Gesprächen nahmen von Seitender GEW Dorothea Mannshardt, Man-fred Schiwy und Isabella Brauns alsErstunterzeichner des Schulleitungs-briefs teil sowie in wechselnder Beset-zung die Mitglieder des Vorsitzenden-Teams der Landesfachgruppe Edel-traud Trinowitz, Ute Harlos undEngelbert Jennewein.

In allen im Folgenden skizziertenGesprächen sprachen die GEW-Dele-gationen die für die Grundschullehr-kräfte dringend erforderliche Arbeits-zeitverkürzung an. Zusagen gab es hiervon keiner Seite.

Für Heike Habermann, die sich of-fen für die GEW-Anliegen zeigte, hat-ten die Differenzierungsstunden Prio-rität, doch könne die Umsetzung nurstufenweise erfolgen. Die SPD sieht inder flexiblen Eingangsstufe einen wich-tigen Hebel zur pädagogischen Wei-terentwicklung. Für die Umsetzungsolle es eine Klassenobergrenze bei 25Kindern und eine Sozialpädagogen-stelle für zwei Klassen geben.

Wenige Tage später saß uns derbildungspolitische Sprecher der Grü-nen Mathias Wagner gegenüber. Erbefürwortet zwar die flexible Schulein-gangsstufe, stand jedoch dem Vorhabender SPD, sie in absehbarer Zeit flächen-deckend einzuführen, skeptisch gegen-über, da dies in absehbarer Zeit nicht zufinanzieren sei. Dem Vorhaben der SPD,die Mittel aus der Abschaffung derVorlaufkurse zu erwirtschaften, wollteer sich nicht anschließen. Die volleZuweisung der beiden Differenzierungs-stunden pro Klasse sei nur ein Strohfeu-er: Die Eltern würden sich nur dreiMonate freuen und wollten dann mehr.

Dre Koalitionsvertrag von SPD undGrünen enthielt für den Grundschulbe-reich folgende Festlegungen (HLZ S.13):• Durch die „schrittweise“ Aufsto-ckung der Lehrerversorgung auf 105 %sollte die verlässliche Schule gewähr-leistet werden. Ob dies vor allem fürkleine Schulen ausreichend und prakti-kabel ist, bleibt dahin gestellt.• Für die Grundschulen, die mit KitasTandems zur Umsetzung des Bildungs-und Erziehungsplans bilden, sollte „dieKlassenhöchstgrenze auf 25 Schülerin-nen und Schüler gesenkt und dasSchuldeputat für die Kooperation mitden Kindertagesstätten erhöht“ werden.• Ein „jährlich anwachsendes Landes-programm“ sollte es der Mehrzahl derGrundschulen bis zum Ende der Legis-laturperiode ermöglichen, „die flexibleEingangsstufe einzurichten.“

Das Gespräch mit Dorothea Henzlervon der FDP fand am 30. Oktober statt,zu einem Zeitpunkt, an dem wir nochdie Hoffnung hegten, dass die Qual nachder Wahl bald ein Ende haben würde.Frau Henzler hob die Bedeutung vonEigenständigkeit und Budget hervor.Die Schulen müssten vor allem freierwerden in den Einstellungsmöglichkei-ten und bei der Befristung von BAT-Verträgen. Geltendes Arbeitsrecht, dasdem entgegenstehe, müsse halt geän-dert werden. Weiter favorisiere die FDPdie „Kinderschule“, da der flexibleSchulanfang nicht realistisch finanzier-bar sei. Grundlage eine neues Zuwei-sungsverfahren solle die Schüler-Leh-rer-Relation kombiniert mit einem So-zial- und Regionalindex sein.

Barbara Cardenas von der FraktionDie Linke hatte bereits bei der Podiums-

Grundschule stärkendiskussion vollständige Zustimmungzu den GEW-Forderungen signalisiertund bereits am 22. September einenAntrag auf Senkung der Klassen-obergrenzen für alle Schulstufen inden Landtag eingebracht.

Der vorläufig letzte Gesprächster-min kam nur aufgrund zahlreicher An-rufe im Büro von Minister Jürgen Ban-zer zu Stande. Dort saßen wir am 12. 12.um 12 Uhr.

Schon eine Woche vorher hatte Mi-nisterialrat Weiler auf einer Schulleiter-dienstversammlung zum Thema „Zen-trale Lehrerzuweisung“ kund getan, dass– unabhängig vom Ausgang der Wahl –zum kommenden Schuljahr zumindestfür die Grundschulen die Plus-Drei-Regelung bei den Klassenobergrenzenwegfallen werde, denn das hätten nunalle Parteien in ihre Programme aufge-nommen. Herr Banzer ergänzte im Ge-spräch, dass er dies zum kommendenSchuljahr für die Eingangsklassen allerSchulformen umsetzen wolle. Auch inden anderen Jahrgangsstufen sollenKlassen, die den bisherigen Teiler un-terschreiten, nicht mehr zusammenge-legt werden. Schon in seiner Presseer-klärung zu IGLU hatte der Ministermitgeteilt, dass er nun eine Stunde proKlasse für Förderung und Differenzie-rung zuweisen wolle: Sicher besser alsnichts, aber im Vergleich zu den bishe-rigen 0,7 Stunden sind das gerade mal13,5 Minuten mehr pro Klasse, damitnoch weit entfernt von den in derStundentafel fest gelegten zwei Stun-den. Einverständnis gab es bei seinemVorhaben, vor allem in den Grundschu-len für eine stabilere Vertragssituationzu sorgen. Nun warten wir gespannt aufdie Umsetzung.

Offensichtlich hat die öffentlicheDiskussion Wirkung gezeigt. Vor derWahl wurde schon immer viel verspro-chen, was nach der Wahl gehalten wird,liegt an uns. Grundschule braucht eineLobby, sonst wird sie wieder vergessen.Das Aktionsbündnis von GEW, Landes-elternbeirat und Grundschulverband„Grundschule stärken – jetzt, ohneWenn und Aber!“ ist der Anfang. Damitdiese und vor allem die längerfristigumzusetzenden Forderungen Wirklich-keit werden, müssen wir das Bündnismit Leben und Aktionen füllen.

Isabella Brauns

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26HLZ 1–2/2009S C H U L E U N D B E R U F

Die Sommerferien sind lange vorbeiund damit geht auch in den Ab-schlussklassen zukünftiger Schulabsol-ventinnen und -absolventen aller Schul-formen die Diskussion über das Themain die heiße Phase: Wie geht es weiter?Was kommt nach der Schule? WelcheWege stehen offen?

In den Schulen werden zahlreicheAktivitäten zur Berufsorientierung an-geboten. Sie sind zum Teil in den Unter-richt eingebettet und in Projektveran-staltungen, finden mit Eltern, mit ver-schiedenen Berufsvertretern, mal mitund mal ohne Beteiligung der Berufs-beratung statt.

Doch in den Abschlussklassen wis-sen viele Schülerinnen und Schülernoch immer nicht, was sie wollen. Odersie wissen nicht, wie der Wunschberufrealisiert werden kann und ob es ihnüberhaupt gibt. Dazu müssen sie sichauf ihren Abschluss konzentrieren.Schule hat absolute Priorität, so dassman den Kopf nicht frei hat für das, wasdanach kommt.

Bis zu diesem Zeitpunkt haben sichdie Kontakte vieler Jugendlicher mitder Berufsberatung auf punktuelleInformationsgespräche mit dem für ihreSchule zuständigen Berater beschränktund auf die Veranstaltungen zur Berufs-orientierung, an denen sie teilgenom-men haben.

Ratlosigkeit in den FamilienAuch in den Familien dominiert dasThema „Zukunft“ die Diskussion. Häu-fig ist es der innerfamiliäre Druck, derden Jugendlichen oder seine Elternzum Telefonhörer greifen lässt, um ei-nen Termin mit „der Berufsberatung“ zuvereinbaren. Viele Jugendliche stehenganz allein vor der Frage, was dieZukunft bringt. Viele Eltern stehen denständigen Veränderungen in der Ar-beitswelt und der steigenden Anzahl

Klassenzimmer und KarriereBerufsberatung zwischen Traumberuf und Wirklichkeit

Die GEW Hessen forciert die Diskussion über die ProblemeJugendlicher beim Übergang von der Schule in den Beruf. In der HLZ4/2008 wurde ein erstes Thesenpapier für die Diskussion im GEW-Landesvorstand vorgestellt. Die HLZ greift die Diskussion auf undinformiert über Strategien, Konzepte und offene Fragen: ChristophBaumann stellte das Konzept der Paul-Hindemith-Schule vor (HLZ

■/2008) und informierte über das „Schaufensterprojekt“ OLoV(HLZ 6/2008). Ute Teuchner berichtete über die Integration vonFörderschülern an der Landrat-Gruber-Berufsschule in Dieburg (HLZ7-8/2008). Im Folgenden stellt Maria Heßling-Beine Leistungenund Probleme der Berufsberatung vor.

der Ausbildungswege und -ziele ähn-lich ratlos gegenüber wie die Jugend-lichen. Beispiele liefern die neuenBachelor- und Masterstudiengänge anden Hochschulen (HLZ 9/2008) und dieimmer größere Spezialisierung in dendualen Ausbildungsberufen.

Die Zeiten geradliniger Karrierever-läufe sind vorbei. Berufsbilder und -felderverändern sich und erfordern von denAkteuren am Arbeitsmarkt ein immerhöheres Maß an Flexibilität, das miteiner ständigen Bereitschaft zum „lifelong learning“ einhergeht. Dem mussauch ein kompetentes, qualitativ gesi-chertes Beratungsangebot zur Seite ste-hen, das bereits in der Schule einsetzenmuss.

Berufsberatung in Deutschland„Berufsberatung“ ist nach § 30 des III.Sozialgesetzbuchs (SGB III) gesetzlichdefiniert als die Erteilung von Auskunftund Rat zur Berufswahl, zur beruflichenEntwicklung und zum Berufswechsel,zur Lage und Entwicklung des Arbeits-marktes und der Berufe, zu den Mög-lichkeiten der beruflichen Bildung, zurAusbildungs- und Arbeitsplatzsucheund zu den Leistungen zur Arbeitsför-derung. Sie erstreckt sich auch auf dieUnterrichtung und Beratung zu Fragender Ausbildungsförderung und derschulischen Bildung, soweit sie für dieBerufswahl und die berufliche Bildungvon Bedeutung sind. Berufliche Bera-tung ist gesetzliche Aufgabe der Bun-desagentur für Arbeit (§ 29 SGB III).

Seit der Aufhebung des Berufsbera-tungsmonopols der damaligen Bundes-anstalt für Arbeit im Jahr 1989 sindzahlreiche andere Akteure ehrenamt-lich oder privat mit Berufsorientierungund Berufsberatung befasst.

Aufgrund der Komplexität der An-forderung ist ein Zusammenwirken mitEltern, Schulen, Institutionen der Ju-

gendhilfe, weiterführenden Bildungs-einrichtungen, mit Unternehmen, Ver-bänden und Kammern, KommunalenEinrichtungen, Sozialverbänden, mitunterschiedlichen Bildungsträgern undHochschulen erforderlich.

Kompetenzen der Berufsberater?In Deutschland existiert bislang keinerechtliche Anerkennung für die Berufs-bezeichnung „Berufsberater“. In denSchulen ist in der Regel der Berufsbera-ter der Agentur für Arbeit regelmäßigerAnsprechpartner für Berufsorientierungund -beratung. Diese verfügten bisherin der Regel über eine interne Ausbil-dung, die sich je nach Zielgruppe aneine berufliche Ausbildung oder einHochschulstudium anschließt.

Der Deutsche Verband für Bildungs-und Berufsberatung (dvb) beschreibt inseinem Berufsbild Leitlinien, Arbeits-grundsätze und Kompetenzen für Berufs-berater und versucht auf diesem Wegezur Qualitätssicherung der Berufsbera-tung beizutragen. Neben der Fachkom-petenz im Bereich beratungsrelevanterFächer (Psychologie, Erziehungs- undSozialwissenschaften, Wirtschaftswissen-schaft, Bildungs- und Berufskunde) sol-len Berufsberater Methodenkompetenz,Sozialkompetenz, Konflikt- und Problem-lösungskompetenz sowie personale Kom-petenz mitbringen.

Erwartungen an BerufsberatungDie meisten Ratsuchenden sind Schul-abgängerinnen und Schulabgänger.Häufig suchen sie die Beratung erst sehrspät auf. Das Angebot ist freiwillig undsollte allen Ratsuchenden niedrig-schwellig offen stehen. Die Berufsbera-tung der Agentur für Arbeit ist kosten-los und neutral. Ein Erstgespräch dauertin der Regel rund 60 Minuten. Je nachKomplexität der Fragestellungen kön-

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nen weitere Folgegespräche vereinbartwerden. Das Inkrafttreten des SGB II mitder Einrichtung von ARGEN undJobcentern bei optierenden Kommunentangiert auch die Berufsberatung unddie Betreuung von Ratsuchenden, de-ren Eltern Leistungen nach ALG II be-ziehen. Das Beratungsgespräch erstrecktsich von einfachen Informationsfragenbis zu komplexen Problemfeldern. DieJugendlichen sind auf der Suche nacheiner Ersteingliederung in eine Aus-bildungsstelle oder ein Studium, schil-dern ihre Schwierigkeiten und fragennach Hilfe und auch finanzieller Unter-stützung.

Das Gespräch beginnt mit einerStandortanalyse. Was kann der Ratsu-chende? Was macht er gern? WelcheFähigkeiten und Eigenschaften zeich-nen ihn aus? Relativ leicht fällt dieBeschreibung fachlicher Kompetenzenaus Schule und Freizeit, schwerer tunsich die meisten mit der Beschreibungihrer persönlichen Kompetenzen: Werhat schon gelernt, seine Stärken in denVordergrund zu stellen und darüber zusprechen? Oft fehlt der rote Faden, sinddoch die Bedingungen, unter denenheute Berufswahl stattfindet, schwierig:• Die Berufe der Elterngeneration ste-

hen als Vorbilder kaum noch zurVerfügung.

• Die Arbeitswelt ist von einem rasan-ten Wandel gekennzeichnet.

• Die wenigsten Jugendlichen kennendie Berufe und die Arbeitsplätze derEltern.

• Funktionen in der Arbeitswelt, auchdie Produkte von Dienstleistungensind häufig kaum oder nur sehrschwer zu beschreiben.

• Geradlinige Karriereverläufe sindseltener geworden.

Dieses Nicht-Wissen macht Angst, ins-besondere dann, wenn auch die Schul-laufbahn nicht geradlinig verlaufen ist.Jugendliche aus sogenannten bildungs-fernen Familien, Kinder mit Migrations-hintergrund und Jugendliche mit ge-sundheitlichen Einschränkungen habenzusätzliche Probleme.

Von der Beratung wird nicht seltendie Lösung aller Probleme erwartet.Hier ist eine hohe beraterische Kompe-tenz gefordert, ein hohes Maß an Ein-fühlungsvermögen, um Sprachlosigkeitzu überwinden und Vertrauen aufzu-bauen, und viel Kreativität, um mitJugendlichen auf angemessene Weiseeinen ersten Schritt zu entwickeln, dersie befähigt, selbst kleine weitere Schrit-te zu unternehmen. Psychologische

Tests oder eine ärztliche Untersuchungzur Eignungsklärung können weitereKlärungen herbeiführen.

Schule und BerufsberatungEine besondere Bedeutung kommt derKooperation von Berufsberatung undLehrkräften zu. Die Vereinbarung zwi-schen Bundesagentur und Kultusminis-terkonferenz (KMK) vom Oktober 2004schafft den Rahmen, der von den Lehre-rinnen und Lehrern und der Beratungvor Ort mit Leben erfüllt werden muss.Ihre vertrauensvolle Kooperation för-dert die Akzeptanz der Berufsberatungbei den Schülerinnen und Schülern. WoLehrerinnen und Lehrer die Aktivitätender Berufsberatung unterstützen undpositiv begleiten, fällt den Jugendli-chen der Zugang zur Beratung leichter.

Wünschenswert wäre aus der Sichtder Berufsberater eine größere Konti-nuität in den Kontakten mit den Ju-gendlichen, eine größere Abstimmungder Orientierung und Beratung allerAkteure, die in der Schule Berufsbera-tung und Orientierung anbieten, diestärkere Einbindung in Curricula undSchulprogramme, Projekttage und an-dere schulische Angebote.

Die Ziele von BerufsberatungDie OECD-Definition der Bildungs- undBerufsberatung enthält Aussagen überAdressaten, Inhalte und Ziele der Be-rufsberatung sowie zu Qualitätsansprü-chen an eine Berufs- und Bildungs-beratung in einem europaweiten Rah-men:„Bildungs- und Berufsberatung ist ein Dienst-leistungsangebot, das darauf ausgerichtet ist,Individuen jeden Alters zu jedem Zeitpunktihres Lebens dabei zu unterstützen, Bildungs-,Ausbildungs- und Berufsentscheidungen aufeiner gut vorbereiteten und informierten Basiseigenständig zu treffen und ihr Berufslebenselbst in die Hand zu nehmen. Berufsberatunghilft Menschen, sich über Zielvorstellungen, In-teressen, Qualifikationen und Fähigkeiten klarzu werden, Sie hilft ihnen, den Arbeitsmarktund das Bildungssystem zu verstehen und die-se Kenntnisse auf das zu beziehen, was sieselbst über sich wissen. Umfassende Berufsbe-ratung erschließt Informationen über den Ar-beitsmarkt und über Bildungsmöglichkeiten,indem sie diese organisiert, systematisiert undverfügbar macht, wann und wo Menschen siebenötigen.“ (OECD 2004: Career Guidanceand Public Policy – Bridging the Gap)

Bildungs- und Berufsberatung soll so-mit nicht nur an der Schnittstelle zwi-schen Schule und dem Übergang in

weiterführende schulische Bildungs-oder Ausbildungswege stattfinden, son-dern sie bezieht sich auf die Begleitungaller Individuen in allen Stadien deslebenslangen Lernens. Das ist das Ideal– weit entfernt von der Wirklichkeit.

Maria Heßling-Beine

Die Verfasserin des Artikels verfügt über Be-rufserfahrung in der Studien- und Berufsbera-tung und ist Mitglied des Vorstandes derRegionalgruppe Hessen des Deutschen Ver-bands für Bildungs- und Berufsberatung(dvb), der sich für die Entwicklung der Be-rufsberatung und die Sicherung von Qualitäts-standards für die Beratung engagiert. Näheresunter www.dvb-fachverband.de

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28HLZ 1–2/2009B I L D U N G S G E R E C H T I G K E I T

Die große Aufmerksamkeit, die den vonder OECD initiierten PISA-Studien zu-teil wird, lässt sich zum einen mit demschlechten Abschneiden der deutschenSchulen in Bezug auf ihren „Output“erklären, der anhand von Schüler-kompetenzen gemessen wird, zum an-deren damit, dass auch in Fragen derBildungsgerechtigkeit das deutscheSchulsystem im internationalen Ver-gleich auf den hinteren Plätzen desRankings anzutreffen ist. Das deutscheSchulsystem vermag den Zusammen-hang zwischen sozialer Herkunft undBildungserfolg noch weniger zu durch-brechen als alle anderen vergleichba-ren OECD-Mitgliedsländer.

Der Befund der ungleichen Bil-dungsbeteiligung betrifft in Deutsch-land vor allem die Gruppe der Migran-tenkinder. Als eine Folge der medialenInszenierung der PISA-Studien gelang-te das Thema „Bildungsbenachteiligungvon „Migrantenkindern“ auf die Agen-da der großen nationalen Bildungs-und Integrationspolitik aber auch inlokal angesiedelte Initiativen und Pro-gramme, die sich besonders den Pro-blemlagen in den sozialen Brennpunk-ten widmen. Denn in den Stadtteilen, soscheint es, „verräumlichen“ sich dieSchwierigkeiten, da überproportionalviele Migranten in städtisch segregier-ten Gebieten leben – und ihre Kinderauch dort die Schulen, die so genannten„Brennpunktschulen“, besuchen.

Die Verwirklichung individuellerLebensentwürfe und die Teilnahme amwirtschaftlichen, politischen und kultu-rellen Leben werden in modernen funk-tional differenzierten Gesellschaftenmaßgeblich vom erlangten Bildungs-status bestimmt. In diesen Gesellschaf-ten vollzieht sich Integration durch dieInklusion in die verschiedenen gesell-schaftlichen Teilsysteme – allen vorandurch die Inklusion in das Beschäfti-gungs- beziehungsweise in das Wirt-schaftssystem.

Vor diesem Hintergrund ist von zen-traler Bedeutung, wo die Ursachen fürdie neue Bildungsmisere verortet wer-den. Die Erklärungsversuche, die inPolitik und Medien dominant vertretenwerden, beziehen sich zumeist auf Ei-

Migration und SegregationBenachteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund

genschaften der Kinder oder auch derenFamilien, bzw. auf das sie umgebendeMilieu oder die „Herkunftskultur“. Vorallem die Thematisierung des „Sprach-problems“ scheint eine Selbstverständ-lichkeit geworden zu sein, wenn esdarum geht, Gründe für die ungleicheBildungsbeteiligung zu benennen. Ent-sprechend sehen auch die Lösungsan-sätze aus. Der Schwerpunkt der zahlrei-chen Reformvorschläge liegt auf För-dermaßnahmen auf Seiten der Kinderund deren Familien. Vor allem in frühe-rem und intensivertem Sprachunter-richt sieht man das Mittel, um die Un-gerechtigkeiten des Schulsystems zudurchbrechen.

Der Mythos des LeistungsprinzipsMit den PISA- und IGLU-Studien konn-te nachgewiesen werden, dass Kompe-tenzen der Schülerinnen und Schülereinerseits und Notengebung anderer-seits auf Ebene der Bundesländer starkvariieren und zum Teil weit auseinan-derfallen. Bei gleicher Leistung erhältein Kind demnach je nach Wohnstandortunterschiedliche Bewertungen und da-mit auch differente Zertifikate. Auchwas die Übergangsempfehlungen be-trifft, gibt es gravierende Unterschiede.So ist die Chance, dass ein Kind auseiner Einwandererfamilie auf ein Gym-nasium überwiesen wird, geringer alsfür ein Kind deutscher Herkunft – mit-unter sogar trotz gleicher Noten. Umge-kehrt ist die Wahrscheinlichkeit für einMigrantenkind statistisch betrachtetungleich höher, auf eine Sonderschuleverwiesen zu werden, als für ein Kind,dessen Eltern beide in Deutschland ge-boren wurden – was allerdings eben-falls von Bundesland zu Bundeslandvariiert. So ist in Baden-Württembergdiese Wahrscheinlichkeit am höchsten.Dabei gilt: Fehlende Sprachkenntnissesind per Gesetz kein legitimer Grund,um ein Kind an eine – wie es neuerdingsheißt – Förderschule zu verweisen.

Es konnte interessanterweise auchgezeigt werden, dass in geburtenschwa-chen Jahrgängen der deutschen Mehr-heitsbevölkerung die ausländischenKinder sozusagen „nachrücken“ und

höhere Abschlüsse erhalten. Auffallendist zudem, dass die Verteilungsmustervon Grundschulen auf weiterführendeSchulen über Jahrzehnte hinweg stabilbleiben. So gibt es Grundschulen, dieeher als „Zubringer“ für Gymnasien,oder aber für Haupt-/Real- oder be-stimmte Gesamtschulen fungieren –obwohl diese im Resultat so unter-schiedlichen Grundschulen räumlichsehr nahe beieinander liegen. Vor allemdie Stadtteilschulen in den sogenanntensozialen Brennpunkten weisen zum Teilein Verteilungsmuster auf, das denSchluss nahe legt, dass alleine der Be-such einer solchen Schule die Wahr-scheinlichkeit für einen späteren Gym-nasiumsbesuch um ein Vielfaches redu-ziert beziehungsweise die für einenHaupt-, Real- oder Förderschulbesucherhöht.

Anscheinend muss immer noch voneinem Mythos der Leistungsgerechtig-keit ausgegangen werden. Die Unter-schiede in den Bildungsbeteiligungs-quoten zwischen Bundesländern, Städ-ten oder sogar zwischen Stadtteilenlassen sich nicht mehr mit den Eigen-schaften, Begabungen oder Leistungender Kinder oder der verschiedenen Be-völkerungsgruppen erklären: Die Wahr-scheinlichkeit, dass „lernbehinderte“Migrantenkinder überwiegend auf Ba-den-Württemberg konzentriert leben,ist doch sehr gering! Und selbst wennman annähme, dass Migrantenkinder(in der dritten Generation!) kollektivweniger begabt oder intelligent wärenoder dass ihre Lebenssituation, ihr so-ziales Lebensmilieu oder gar ihre kultu-relle Tradition die Entwicklung ihrerBegabung ungünstig beeinflussen, soist spätestens nach den PISA-Studienklar, dass Förderung alleine anschei-nend nicht ausreicht, um die Bildungs-beteiligungsquoten anzugleichen – dennnichts anderes ist auch all die Jahre vorPISA geschehen.

Im Rahmen der wissenschaftlichenBegleitung des Programms HEGISS(Hessische Gemeinschaftsinitiative So-ziale Stadt) wurden verschiedene „Stadt-teile mit besonderem Entwicklungsbe-darf“, die am Bund-Länder-Programm„Soziale Stadt“ teilnehmen, hinsichtlich

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29 HLZ 1–2/2009 B I L D U N G S G E R E C H T I G K E I T

dieses Problemkomplexes untersucht.Dabei wurde deutlich, dass - ähnlichden sozialräumlichen Segregationsme-chanismen – eine ethnisch kodierte Ent-mischung der Schülerpopulation hin-sichtlich ihrer Verteilung auf bestimmteSchulen stattfindet.

Hessische GemeinschaftsinitiativeSoziale StadtAls Ursachen konnten die einseitigeZuschneidung von Schuleinzugsbezir-ken, das Wahlverhalten durchsetzungs-kräftiger Eltern, die Profilbildungen derSchulen sowie deren Auswahlverfahrenidentifiziert werden.

Die so etablierten Mechanismen derlokalen Lenkung von Schülerströmenund die dort eingebetteten mikro-politischen schulischen Entscheidungs-strukturen führen dazu, dass sich Kon-stellationen benachbarter Grundschu-len mit extrem unterschiedlich hohenAusländerquoten (10-90 %) und völligdifferenten, aber über Jahrzehnte stabi-len Überweisungsstrukturen ausgebil-det haben. So weisen die in den Brenn-punkten liegenden Schulen einen über-durchschnittlich hohen Ausländeranteilauf, der nicht nur auf die ungünstigeZuschneidung der Schuleinzugsbezirkezurückzuführen ist, sondern beispiels-weise auch auf sogenannte Gestattungs-anträge durchsetzungskräftiger Eltern,

die so verhindern, dass ihre Kinder ander für sie bestimmten Grundschuleeingeschult werden. In der Studie konn-te rekonstruiert werden, dass im Zusam-menspiel von lokalen Schulbehörden,Schulen, die um das „bessere“ Klientelkonkurrieren, und kompetenten (Mittel-schicht-)Eltern Schulen entstehen, dieweder ihrem Integrationsauftrag ge-wachsen sind, noch die notwendigefinanzielle und personelle Unterstüt-zung zur Bewältigung ihrer Aufgabeerhalten.

Wenn man sich vor diesem Hinter-grund noch einmal deutlich macht, dasses statistisch äußerst unwahrscheinlichist, dass Kinder mit Migrationshinter-grund häufiger „lernbehindert“ sind alsdeutsche Kinder, sie aber an den Son-derschulen mit Förderschwerpunkt Ler-nen deutlich überrepräsentiert sind,dann ist erneut einmal mehr augenfäl-lig, dass Schulen nicht nur zur Produk-tion einer sozialen Ordnung von In-klusion und Exklusion beitragen, son-dern auch zu deren Reproduktion. DieseEffekte können nur durchbrochen wer-den, wenn auch auf der organisatio-nalen Ebene des Schulsystems ange-setzt und die dort etablierten Entschei-dungsstrukturen transparent gemachtwerden. Im Kontext der wissenschaftli-chen Begleitung von HEGISS wurdedazu vorgeschlagen, ein Bildungs- undIntegrationsmanagement zu installie-

ren, durch das die Schulen bezüglichihrer Entscheidungsstrukturen internwie extern beobachtet und auf inte-grationsbezogene Zielvereinbarungenverpflichtet werden können.

Doch eine Umstellung und Erweite-rung der Sichtweisen auf das Problemder Bildungsbenachteiligung von Mi-grantenkindern lässt sich durch ein sol-ches Monitoring wahrscheinlich nurschwer erreichen – sie muss politischgewollt sein. Weder die Schule noch diePolitik scheinen zur Zeit ein wirklichesInteresse an einem solchen Umdenkenzu haben – denn eine Richtungskorrek-tur in dieser Hinsicht in all ihren Kon-sequenzen hätte drastische Auswirkun-gen auf die Organisation Schule undmüsste von entscheidungsmächtigenAkteuren mitgetragen werden. Dabeigeht es nicht darum, den Verantwortli-chen gänzliche Interesselosigkeit zu un-terstellen, doch es scheint ein begrenz-tes Interesse zu sein, das eben nicht umjeden Preis eingeschliffene Routinenund Praktiken aufgeben möchte, umsich neuen Kontrollzwängen und Ver-antwortlichkeiten aus freien Stücken zuunterwerfen.

Weiterhin scheint die Politik eherden öffentlich und medial besser dar-stellbaren Erzählungen von Integra-tionsdefiziten und Integrationsunwil-ligkeit zu folgen als komplexe Organi-sationsstrukturen und deren Effekte zureflektieren. Das mag wohl auch daranliegen, dass Kinder aus Einwandererfa-milien keine einflussreichen gesell-schaftlichen Interessenvertreter – alsokeine Lobby – haben und man es sichsozial wie wirtschaftlich anscheinenddoch weiterhin leisten kann, weitge-hend auf die Potenziale dieser nach-wachsenden Generationen zu verzich-ten.

Patricia Stosic

Patricia Stosic arbeitet an der Goethe-Univer-sität am Institut für Allgemeine Erziehungs-wissenschaft und ist im Rahmen derwissenschaftlichen Begleitung des ProgrammsHEGISS tätig.

LiteraturRadtke, Frank-Olaf/Hullen, Maren/Rathgeb,Kerstin: Lokales Bildungs- und Integrations-management. Bericht der wissenschaftlichenBegleitforschung im Rahmen der HessischenGemeinschaftsinitiative Soziale Stadt(HEGISS). Themenschwerpunkt Migration undBildung. Frankfurt 2005, auch zu finden un-ter: http://www.hegiss.de

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30HLZ 1–2/2009G L O B A L I S I E R U N G

„Globales Lernen“ war lange eher infächerübergreifenden Projekten enga-gierter Einzelkämpfer im Schulalltagpräsent. Im letzten Jahr hat die Kultus-ministerkonferenz (KMK) einen „Orien-tierungsrahmen für den LernbereichGlobale Entwicklung“ in Kraft gesetzt,der Grundlage für die Entwicklung vonCurricula und Schulprogrammen seinsoll. Damit hat „Globales Lernen“ einengewaltigen offiziellen Schritt in dieSchulen gemacht. Besonders wichtigist, dass dieser Orientierungsrahmennicht Nischen im Blick hat, sondern„Globale Entwicklung“ in den Schulfä-chern und eigenen Lernbereichen ver-ankern will, bei aller pädagogischenHochschätzung für fächerübergreifendeProjekte. Für Erdkunde, Politische Bil-dung (Sozialkunde, Politik und Wirt-schaft), Wirtschaft, Religion/Ethik undBiologie werden deshalb grundlegendeÜberlegungen zu „fachbezogenen Teil-kompetenzen“, Themenübersichten undBeispielaufgaben im Orientierungsrah-men konkretisiert.

Soweit die Theorie. Wie sieht dieSchulpraxis aus? Die Arbeit an derVermittlung von Kompetenzen inSchulfächern braucht Unterrichtszeit,Stunden in den Stundentafeln der ein-zelnen Schuljahre. Damit sind über diederzeit geltenden Wochenstundenzah-len hinaus zusätzliche Kontingente er-forderlich, wenn „Globale Entwicklung“wirklich verstärkt in den Unterrichts-alltag einbezogen werden soll undSchülerinnen und Schüler für dieGlobalisierung „fit gemacht werden sol-len“, wie Bildungspolitiker gerne for-mulieren. Aber: Die angesprochenenFächer sind in den Reformen nicht nurmit der auf PISA schielenden Konzen-tration auf Kernfächer wie Deutsch undMathematik in den Stundentafeln im-mer mehr in den Hintergrund gedrängt.

In Hessen sieht die Praxis derzeit soaus: Im Fach „Politik und Wirtschaft“sind nach den Plänen für das neunjäh-rige Gymnasium im 10. Schuljahr dieThemen „Globaler Standortwettbe-werb“ und „Entwicklungspolitik“ schonjetzt lediglich als fakultative Schwer-punkte vorgesehen, das heißt ohnekonkrete Zeitvorgaben. Im konkretenUnterrichtsalltag kommt ihnen somit

schon wegen Zeitmangel in der Regelnur wenig Bedeutung zu, oft dürften siesogar ganz entfallen. Auch das FachErdkunde kann nicht „einspringen“,wird es doch in der Klasse 10 überhauptnicht erteilt, und in den Klassen 11 bis13 ist es nur ein Wahlfach. Für fächer-übergreifende Projekte, die ein zusätz-liches Feld bieten könnten, fehltschlicht und einfach die Zeit.

In der gymnasialen Oberstufe habendie hessischen Lehrpläne für „Politikund Wirtschaft“ dem Schwerpunkt Glo-balisierung, damit auch dem Bemühenum Verankerung des Themenfelds inprüfungs- und versetzungsrelevantenZusammenhängen, durchaus einen gu-ten Raum gegeben. Das Halbjahr 13/1stellt sich dem Schwerpunkt „Interna-tionale Beziehungen“, das Halbjahr 13/2 thematisiert „Globalisierung – Chan-cen, Gefahren, Entwicklungsperspekti-ven“. Für das Abitur werden diese Ange-bote der Klasse 13 im Fach Politik undWirtschaft den Schülerinnen und Schü-lern „zur Abwahl angeboten“ und müs-sen somit nicht mehr wahrgenommenwerden. Was nützen also der neueOrientierungsrahmen „Globale Entwick-lung“, die Konzentration auf die „Ent-wicklung von Kompetenzen“ und derangestrebte Aufbau eines Lernbereichs„Globale Entwicklung“, wenn im Fach-unterricht die Zeit fehlt, Basisinforma-tionen zu vermitteln?

Wer Schülerinnen und Schüler fürdie Bewältigung von Globalisierung fitmachen will, sollte in den Klassen 5 bis10 die Fächer, die sich von Haus ausbesonders intensiv mit „Voraussetzun-gen und Folgen der Globalisierung“beschäftigen, stärken, mit höheren Zeit-kontingenten ausstatten und „Politikund Wirtschaft“ als Grundfach der poli-tischen Bildung bis zum Ende der Schul-zeit verpflichtend machen. Dann würdeeine geringe Chance bestehen, die Fra-gen der Globalisierung in den Blick zunehmen.

Martin GeiszDer Autor arbeitet beim Hessischen Bildungs-server u.a. zu Fragen des Globalen Lernens(www.bildung.hessen.de/globales-lernen). Den„Orientierungsrahmen Globale Entwicklung“findet man im Internet: http://www.kmk.org/aktuell/070614-globale-entwicklung.pdf

Dein Tag für AfrikaDer Startschuss für die Kampagne„Dein Tag für Afrika“ 2009 ist gefal-len. Der Termin für den nächsten bun-desweiten Aktionstag steht fest: Diens-tag, der 23. Juni 2009. An diesem Tagwerden sich hunderttausende Schüle-rinnen und Schüler in Deutschlanddafür einsetzen, die Lebensbedingun-gen Gleichaltriger in Afrika zu ver-bessern. Am 23. Juni 2009 bleiben invielen Schulen die Klassenzimmerleer, da die Schüler arbeiten oderHilfsdienste im Freundes- und Be-kanntenkreis leisten. Die Kinder undJugendlichen arbeiten in Betriebenwie beim Bäcker im Ort oder beimFriseur, helfen Bekannten oder Ver-wandten bei der Garten- und Hausar-beit oder beteiligen sich als kleine„Dreckteufelchen“ an der Aktion. Alldies gegen eine Spende. Den Erlösihres „Tagwerks“ spenden sie an Bil-dungsprojekte des Aktion Tagwerk-Projektpartners Human Help Networkin Angola, Burundi, Ruanda, Südafri-ka und im Sudan.

Die Kampagne „Dein Tag für Afrika“hat Tradition: Seit 2003 beteiligtensich bis heute 875.000 Schülerinnenund Schüler bundesweit an der Aktionund erwirtschafteten über sechs Mil-lionen Euro. Aktion Tagwerk möchtemit seiner Kampagne das Thema Afrikawieder in den deutschen Schulunter-richt bringen und leistet daher bil-dungspolitische Arbeit: Das Tagwerk-Team besucht mit dem Infomobil bun-desweit Schulen und berichtet von denunterstützten Projekten und Projekt-ländern. Im Gepäck haben die Jugend-lichen brandaktuelle Informationenund Fotos aus Afrika. Für die jüngerenSchülerinnen und Schüler gibt es ne-ben einem informativen Vortrag auchAfrika zum Ausprobieren: Sie lernenKörbe auf dem Kopf zu tragen, dürfenmit afrikanischen Bällen Fußball spie-len und es wird ihnen gezeigt, wie maneine Puppe auf dem Rücken trägt. Mel-den Sie Ihre Schulen schon jetzt zurTeilnahme 2009 an und sichern Siesich einen der begehrten Infomobil-Termine!

Übrigens: Alle Schulen können dieKampagne „Dein Tag für Afrika“ auchan einem selbst gewählten Termindurchführen, um den Aktionstag opti-mal in den Ablauf ihres Schuljahres zuintegrieren.• Weitere Informationen und Kon-takt: www.aktion-tagwerk.de; Tel.06131-9088100

GlobalisierungKein Thema fürs Abitur?

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31 HLZ 1–2/2009

Im Rahmen des Rechtsformwechsels derJohann Wolfgang Goethe-Universitätin eine Stiftung öffentlichen Rechtswurden der Stiftungsuniversität im Hes-sischen Hochschulgesetz (HHG) erwei-terte Möglichkeiten der Zusammenar-beit mit privaten Dritten zugestanden(§ 100b HHG). Schon früh wurden Zwei-fel laut, ob sich eine solche Zusammen-arbeit mit dem Bildungsauftrag einerüberwiegend aus öffentlichen Mittelnfinanzierten Hochschule vereinbarenlässt. Im September 2007 legte die Uni-versitätsleitung einen Entwurf der„Grundsätze für die Zusammenarbeitder Goethe-Universität mit privatenDritten“ vor. Dieser wurde in der zu-ständigen Senatskommission diskutiert.Eine überarbeitete Fassung der Eck-punkte, die im wesentlichen Absichts-erklärungen enthielt, wurde am 19. Sep-

tember 2007 vom Senat verabschiedet.Immerhin wurden in diesem Dokumentaber auch heiße Eisen angefasst wieForschungskooperationen, Auftragsfor-schung und sonstige Leistungen in pri-vatem Auftrag.

Es sollte noch ein Jahr dauern, bisaus dem Eckpunktepapier eine Richtli-nie mit Satzungscharakter wurde. Woursprünglich, auf der Basis des Eck-punktepapiers des Senats, generell dieZusammenarbeit mit privaten Drittenzum Thema gemacht werden sollte, re-gelt der Entwurf der Richtlinie nur nochden „Umgang mit den Zuwendungenprivater Dritter“. In dieser vom Senat am22. Oktober 2008 verabschiedeten Richt-linie werden das Mäzenatentum, Spen-den, die Auslobung von Stiftungspro-fessuren und das Sponsoring als For-men von Zuwendungen angesprochen.

Wichtige und potenziell problemati-sche Formen der Zusammenarbeit, wiesie noch in den Eckpunkten vom19. September 2007 genannt wurden(Forschungskooperationen, Auftragsfor-schung oder sonstige Leistungen inprivatem Auftrag), bleiben in der Richt-linie hingegen von vorn herein ausge-blendet. Damit dürfte die Universität einstumpfes Schwert in der Hand halten,wenn es darum geht, die Einflussnahmeprivater Dritter auf die Forschung zuverhindern.

Die „Richtlinie zum Umgang mitZuwendungen privater Dritter“ erweistsich – verglichen mit den ursprünglichpropagierten Zielen – als Mogelpackung.Dass der Entwurf unter der Federführungdes neuen Präsidenten Müller-Esterl zu-stande gekommen ist, lässt für die Zu-kunft einiges erwarten. Es entsteht je-denfalls der Eindruck, als gehe es bei derjetzigen Richtlinie weniger um for-schungspolitische Grundsätze als um dieFrage, wie man es vermeiden kann, dasspotenzielle private Geldgeber eher irri-tiert werden. Exzellenz als Public PrivatePartnership? Nein, danke.

Alexander Rausch

Zum Jahresende beendete ProfessorClemens Klockner seine langjährigeTätigkeit als Rektor, später als Präsi-dent der Fachhochschule Wiesbaden.Er leitete die Fachhochschule seit 1985und war damit der dienstälteste Präsi-dent einer hessischen Hochschule,GEW-Mitglied ist Clemens Klocknerseit 1974. In die Amtszeit des Gesell-schaftswissenschaftlers fallen erhebli-che bauliche Erweiterungen der Fach-hochschule an den drei StudienortenWiesbaden, Rüsselsheim und Geisen-heim sowie die Reform der Zentralver-waltung und die Erweiterung desFächerangebots der Hochschule. Alslangjähriger Vorsitzender der Fach-hochschulrektorenkonferenz und da-nach als Vizepräsident der deutschenHochschulrektorenkonferenz war ergleichzeitig die „Drehscheibe“ zwi-schen der Fachhochschule Wiesbadenund der bundesdeutschen Hochschul-politik. Von 2001 bis 2007 war Cle-mens Klockner Mitglied des deutschenWissenschaftsrats. In mehreren HLZ-Beiträgen setzte er sich mit aktuellen

Clemens Klockner: Präsident i.R.Entwicklungen im deutschen Hoch-schulsystem und speziell mit den Ver-änderungen an den Fachhochschulenauseinander.

Mit aller Deutlichkeit engagierte sichKlockner gegen die Einführung von Stu-diengebühren (auf dem Foto im blauenHemd bei einer GEW-Demonstrationgegen Studiengebühren in Wiesbaden).An dieser Position hält Klockner weiter-hin fest: „Ich werde mich nach meinenMöglichkeiten auch weiterhin gegenjeglichen Gedanken zur Einführung vonStudiengebühren zur Wehr setzen. Wirhaben zu diesem Wintersemester gese-hen, dass wir viel mehr Studienbewerberund Studienanfänger zu verzeichnenhatten als in dem Semester, in dem dieStudiengebühren eingeführt wurden. Einganz klarer Beleg: Dort, wo keine Studi-engebühren erhoben werden, lässt essich auch für einkommensschwächereSchichten besser studieren.“ (Rüsselshei-mer Echo vom 3. 12. 2008)

Die GEW Hessen dankt ihm für seineklaren Worte und wünscht ClemensKlockner auch für die Zukunft alles Gute.

H O C H S C H U L E N

Stiftungsuniversität FrankfurtZusammenarbeit mit privaten Dritten

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32HLZ 1–2/2009R E C H T U N D R E C H T S B E R A T U N G

Die HLZ 5/2008 berichtete, nach denEntscheidungen des Europäischen Ge-richtshofs vom 6. 12. 2007 und des Bun-desverwaltungsgerichts (BVerwG) vom13. 3. 2008 sei „abschließend“ entschie-den, dass Vertretungsunterricht von teil-zeitbeschäftigten Lehrkräften von der er-sten Stunde an in Höhe anteiliger Besol-dung zu vergüten sei.

Diese Einschätzung muss nach ge-nauerer Prüfung und Vorlage der schrift-lichen Urteilsgründe korrigiert werden.Im Urteil des BVerwG – also durch dienationale Rechtsprechung – ist leidernoch nicht abschließend geklärt, obteilzeitbeschäftigte Lehrkräfte über-haupt keine unentgeltliche Mehrarbeitleisten müssen. Offen ist nach dem Urteildes BVerwG, ob für teilzeitbeschäftigteLehrkräfte eine im Verhältnis zum Um-fang der Teilzeitbeschäftigung propor-tionale Heranziehung zu Mehrarbeit in

Vergütung für MehrarbeitBetracht kommt. Der vom BVerwG ent-schiedene Fall war so, dass diese Fragedurch das dortige Urteil nicht abschlie-ßend beantwortet werden musste.

Die hessische GEW empfiehlt wei-terhin allen Teilzeitbeschäftigten, diezu Mehrarbeit herangezogen werden,Vergütungsansprüche für geleisteteMehrarbeit ab der ersten Stunde gel-tend zu machen. Positiv im genanntenSinne hat dies das Verwaltungsgericht(VG) Frankfurt in einem Urteil vom 3. 3.2008 – 9 E 2044/07 (V) – entschieden.Zum gleichen Ergebnis ist das VG Gie-ßen in einem Urteil vom 4. 11. 2008 – 5K 1662/08.Gi – gekommen. Schließlichhat das Oberverwaltungsgericht Müns-ter in mehreren neuen Entscheidungen,unter anderem Urteil vom 16. 10. 2008– 6 A 1331/07 –, ebenfalls bestätigt, dassein Vergütungsanspruch ab der erstenMehrarbeitsstunde besteht.

Die letztgenannten Entscheidungensind von Bedeutung, als sie nach deminsoweit interpretationsfähigen Urteildes BVerwG ergangen sind. Die ge-nannten hessischen Fälle liegen in derBerufungsinstanz beim Hessischen Ver-waltungsgerichtshof (VGH) in Kassel.Sobald die Entscheidungen des VGHvorliegen, berichten wir weiter.

Eindeutig klar ist dagegen, dassteilzeitbeschäftigte Lehrkräfte im An-gestelltenverhältnis einen solchenRechtsanspruch auf gehaltsanteiligeBezahlung der Mehrarbeit von derersten Stunde an haben. Dieser An-spruch wird auch vom Hessischen Kul-tusministerium und den StaatlichenSchulämtern anerkannt und problem-los ausgezahlt – sofern die Betroffenenbeziehungsweise die Schulleitungenentsprechende Anträge stellen

Hartwig Schröder

Keine Rechtsberatung gegen„Honorar“

Hin und wieder erreichen uns Anfragenvon Beschäftigten aus dem Bildungsbe-reich, die die Rechtsberatung der GEWin Anspruch nehmen möchten, ohnedass sie Gewerkschaftsmitglied sind.Selbstverständlich freut es uns, wennBeschäftigte die fachliche Kompetenzder GEW-Landesrechtsstelle so beurtei-len, dass sie lieber bei uns als bei einemAnwalt um Rechtsrat nachsuchen. In-dessen kann und will die GEW keineRechtsberatung gegen Honorar betrei-ben. Nach den einschlägigen gesetzli-chen Regelungen und den GEW-Rechtsschutzrichtlinien können – undwollen – wir Rechtsschutz für unsereMitglieder organisieren, nicht jedochin Konkurrenz zu Anwälten auf denBeratungsmarkt treten.

Wer also die Rechtsberatung derGEW in Anspruch nehmen möchte,muss und sollte sich für eine Mitglied-schaft in der GEW entscheiden. Damiterhält man nicht nur den Zugang zueiner qualifizierten Rechtsberatungoder rechtlichen Vertretung, sonderntut auch etwas für die Stärkung dereigenen Interessenvertretung auf alljenen Feldern, in denen die GEW alsSachwalter der Interessen der Beschäf-tigten im Bildungsbereich agiert.

Hartwig Schröder

Erhöhter Familienzuschlag

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)in Leipzig hat am 13. 11. 2008 entschie-den, dass Beamtinnen und Beamte mit„kinderreichen Familien“ nur dann ei-nen Anspruch auf einen höheren als dengesetzlich vorgesehenen Familienzu-schlag haben, wenn sie ihren Anspruchim jeweiligen Haushaltsjahr („zeitnah“)geltend machen. Dass ein solcher An-spruch grundsätzlich besteht, hatte dasBundesverfassungsgericht in der Ver-gangenheit mehrfach entschieden.

Auch in Hessen hatten im Kalen-derjahr 2004 zahlreiche Beamtinnenund Beamte Anträge auf erhöhtenFamilienzuschlag gestellt. Die entspre-chend erhöhten Familienzuschlägewurden mittlerweile für die Kalender-jahre ab 2004 nachgezahlt.

Aufgrund der positiven Urteile hatdas Land Hessen seit dem 1. 1. 2007den Familienzuschlag ab dem drittenKind pauschal um monatlich 50 Europro Kind erhöht. Damit sind nach unse-ren Berechnungen die Ansprüche auf(erhöhten) Familienzuschlag erfüllt.Der Hinweis auf der Homepage desGEW Hauptvorstands vom 19. 11.2008gilt daher nicht für hessische Beamtin-nen und Beamte. Diese müssen keineAnträge stellen.

Annette Loycke

Vorbereitungsdienst: Spitzen-werte beim Nichtbestehen

Die ersten drei Prüfungsperioden nachdem neuen Hessischen Lehrerbildungs-gesetz (HLbG) wurden vom Amt fürLehrerbildung (AfL) im September 2008ausgewertet. Fazit: Die Zahl der nichtbestandenen Zweiten Staatsprüfungenhat deutlich zugenommen. In den letz-ten beiden Jahrzehnten vor In-Kraft-Treten des HLbG bestanden in der Regelzwei bis drei Prozent der Lehrkräfte imVorbereitungsdienst (LiV) in allen Lehr-amtsbereichen nicht ihre Prüfungen.Seit dem neuen HLbG ist der Negativ-Trend eindeutig: Erst 5,6 %, dann 6,8 %und zuletzt 9,7 % aller LiV bestandendas Zweite Staatsexamen nicht. Un-rühmliche Spitzenwerte erzielten imFrühjahr die Studienseminare für Haupt-und Realschulen mit 16,9 %, darunterzwei Studienseminare mit einer Nicht-bestehensquote von mehr als 30 %.Aber auch im Gymnasialbereich gab eseinen Negativ-Rekord mit 11 %, darun-ter drei Studienseminare mit Negativ-werten von mehr als 15 %. Vergleich-bar human war der Durchschnittswertbei den Studienseminaren für berufli-che Schulen: 3,8 % nicht bestandenePrüfungen. In 37 % aller Fälle wurdendie Prüfungen wegen mangelhafter Leis-tungen bei der schriftlichen Arbeit nichtbestanden.

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33 HLZ 1–2/2009 R E C H T

Mit Urteil vom 11. 9 2008 hat das Lan-desarbeitsgericht (LAG) Berlin-Bran-denburg der Klage eines Angestelltendes Landes Berlin auf der Grundlage desAllgemeinen Gleichbehandlungsgeset-zes (AGG) teilweise stattgegeben. Erhatte eine Vergütung entsprechend derhöchsten Lebensaltersstufe seiner Ver-gütungsgruppe begehrt, obwohl er nochnicht in dem entsprechenden Alter war.Das LAG hat in den (aufsteigenden)Lebensaltersstufen des Vergütungssys-tems des BAT eine unzulässige Diskri-minierung wegen Alters gesehen, weildort allein auf der Grundlage des Le-bensalters eine unterschiedliche Vergü-tung gewährt wird. Wer zum Beispielmit 30 Jahren sein Arbeitsverhältnis imBereich des BAT beginnt, erhält weni-ger Geld als jemand, der mit 40 Jahreneingestellt wird. Wenn keine entspre-chende Nachbesserung durch die Tarif-vertragsparteien erfolgt, soll nach die-ser Gerichtsentscheidung jeder einenAnspruch auf die Vergütung nach derhöchsten Lebensaltersstufe haben.

Wer in der höchsten Lebensaltersstufeist, muss keinen Antrag stellen.Die GEW Hessen hat daraufhin allenihr bekannten, möglicherweise betrof-fenen Mitgliedern ein Musterschreibenübersandt, mit dem sie ihren Anspruchgegenüber dem Arbeitgeber ab dem18. 8. 2006 geltend machen können.

Anträge sollen jedoch nur die Be-schäftigten stellen, die am 18. 8. 2006noch nicht die letzte Lebensaltersstufeihrer Vergütungsgruppe (Endgrundver-gütung) erreicht haben!

Die eigene Lebensaltersstufe findetman auf dem Bezügenachweis.Die Lebensaltersstufe kann dem Be-zügenachweis entnommen werden. Beiden Bezügenachweisen der HessischenBezügestelle (HBS) findet man dies„oben rechts“ unterhalb des Eintritts-und Geburtsdatums und der Vergü-tungsgruppe (z.B. „III/BAT“) in derZeile „Lebens-/DA-Stufe BDA“. Dorterscheint die Stufe, z.B. „37“ oder „45“.Dahinter steht noch eine Zahl, z.B. „03/1992“. Das dort angegebene Alter istnicht immer identisch mit dem tatsäch-lichen Lebensalter, da für in höheremLebensalter Eingestellte ein „dienstli-ches Lebensalter“ errechnet wird.

BAT-LebensaltersstufenAuch Angestellte bei sonstigen Ar-

beitgebern, die den BAT zum Beispieldurch Bezugnahme in den Einzel-arbeitsverträgen anwenden oder nacheinem eigenen Vergütungssystem be-zahlen, das „Lebensaltersstufen“ ent-hält, können betroffen sein

Das Urteil des LAG Berlin-Bran-denburg ist nicht rechtskräftig. DasGericht hat die Revision zum Bundes-arbeitsgericht zugelassen, und das be-klagte Land Berlin hat angekündigt, indie Revision zu gehen.

Die GEW Hessen hat sich an das LandHessen gewandt, um eine „Verfahrens-vereinbarung“ zu finden, die verhin-dern soll, dass alle betroffenen Beschäf-tigten ihre Ansprüche auch noch vorden Arbeitsgerichten einklagen müs-sen. Wir werden über das weitere Ver-fahren so schnell wie möglich, voraus-sichtlich Anfang Februar, informieren.

Auch andere Beschäftigte könnteneine solche Vereinbarung mit ihremArbeitgeber treffen. Für Rückfragensteht die Landesrechtsstelle insoweitzur Verfügung.

Wer in den letzten Jahren eingestelltwurde, muss keinen Antrag stellen.Die durch das Gericht geforderten Nach-besserungen wurden im Tarifvertrag fürden öffentlichen Dienst (TVöD) im Ok-tober 2005 und für den Tarifvertrag derLänder (TV-L) im November 2006 um-gesetzt. Wer danach eingestellt wurdeund bereits unter diese Tarifverträgefällt, muss keinen Antrag stellen.Rüdiger Bröhling, Annette Loycke,Dr. Hartwig Schröder

Hunderttausende Jugendliche könnenJahr für Jahr keine reguläre Ausbil-dung aufnehmen. „Ausbildung füralle!“ heißt daher die Losung, hinterder sich Schülervertretungen und Ge-werkschaften sammeln, um dauerhaftdie Lehrstellenkrise mit einem „Grund-recht auf Ausbildung“ zu überwinden.Im April 2008 wurden dem Bundestag72.554 Unterschriften als Petition füreinen Rechtsanspruch auf Ausbildungübergeben.

Hintergrundinfos, anschaulich auf-bereitete Zahlen und Argumentations-hilfen sind jetzt in einem Buchzusammengefasst. Es dient als Materialfür die Arbeit in der Schülervertretung,an Schulen oder der Jugend- und Aus-zubildendenvertretung und als Grund-lage zur Durchführung von Aktionen.Dabei geht es nicht nur um fehlendeAusbildungsplätze, sondern auch umMaßstäbe für die Ausbildungsqualitätund die Übernahme nach der Ausbil-dung. Das Buch entstand in Kooperati-on mit der LandesschülervertretungHessen, der GEW, der DGB-Jugend, derDGB-Jugend Hessen, der ver.di-Ju-gend, der ver.di-Jugend Hessen unddem Vorstand der IG Metall.• Michael Fütterer, Lisa Hofmann,Helmut Weick u.a.: Ausbildung für Alle!Wege aus der Ausbildungskrise. 104Seiten, VSA-Verlag 2008, 7,20 Euro.Bestellungen und Download unterwww.vsa-verlag.de

Hartz IV-Tribunal auf DVDAuf dem Hartz IV-Tribunal, das Anfang2008 im Frankfurter Gewerkschafts-haus stattfand (HLZ 3/2008), haben Be-troffene anhand realer Einzelfälle daspolitische System Hartz IV zur Anklagegebracht. Das Urteil des Gerichts: HartzIV verletzt das Sozialstaatsgebot, dennHartz IV wirkt als „Hungerpeitsche“ zurBilliglohnarbeit. Das große Interessehat die Gewerkschafterinnen AngelikaBeier (DGB) und Karola Stötzel (GEW)motiviert, das Tribunal in Kooperationmit dem Frankfurter FilmemacherKristian Fröhlich zu dokumentieren.

Der 45-minütige Film zeigt die wich-tigsten Passagen des Tribunals und be-leuchtet die Widerstände, die das Tribu-nal beinahe verhindert hätten. Die DVDist unter www.arstuff.net zu beziehen.

Ausbildung für alle

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34HLZ 1–2/2009M A G A Z I N

Wir gratulieren im Januar und Februar …

... zur 40-jährigen Mitgliedschaft:Erwin Arnold, FrankfurtClaus Balser, FriedbergKlaus-Diethart Birkholz,

KatzenelnbogenRosa-Maria Bleisteiner, Röthenbach

Peter Bourcarde, GießenDieter Brostmeyer, Spangenberg

Leo Büdel, OffenbachWolfgang Ellenberger, Rotenburg

Heinrich Freienstein, WitzenhausenKarl-Hartmut Garff, Immenhausen

Renate Heesemann, FrankfurtGünter Heyne, Kassel

Gunther Ihrig, Groß-UmstadtJürgen Jäger, WiesbadenHorst Karl, Bruchköbel

Sabine Kempf, FrammersbachGert Kieven, Kassel

Wolfgang Klafki, MarburgWilfried Klode, Alheim

Helmut Knobloch, FrankfurtJutta Koch-Hensler, KorbachGudrun Limperg, Korbach

Hans-Robert Marquardt, Groß-GerauWalter Mirow, Alzenau

Ute Oppenheimer, FrankfurtRegina Paul, GroßenlüderEckhardt Prange, BorkenKaethe Prosch, Lautertal

Wolfgang Ritter, HadamarWolfgang Schmeidel, WeinheimNorbert Schmidt, NeukirchenEdeltraud Schwind-Klöckner,

FrankfurtKarin Sievers, Hohenstein

Josef Simon, Ringgau-Datterode

Hannelore Sommer, OffenbachGisela Stepan-Hengst, Groß-Gerau

Helmut Stier, GrebenhainRita Streb-Hesse, Frankfurt

Helmut Stumpf, ObertshausenChrista Thau-Paetz, RüsselsheimMarga Trautmann-Winter, Nieste

Dieter Vater, NordenMichaela von Behm, FrankfurtBrigitte Wagner, Waldbrunn

Hildegard Waltemate, MaintalGerhard Weinreich, Homberg

... zur 50-jährigen Mitgliedschaft:Max Böhmer, Hofgeismar

Kurt Eisenberg, Bad HersfeldJoachim Ettel, Eltville

Heinz Mandel, ViernheimRichard Mistereck, Bad HersfeldMartha Müller, Witzenhausen

Lieselotte Neeb, BeselichMargarete Rippert, BensheimWilly Schwerdt, Bensheim

... zur 55-jährigen Mitgliedschaft:Johannes-D. Ulbricht, Cogolin

Ilse Seibel, Maintal

... zur 60-jährigen Mitgliedschaft:Ilse Bachtik, EschwegeHasso Baumann, Idstein

Kurt Finke, KorbachAnna Heumann, Michelstadt

Elli Kaiser, ErbachDorothea Ohland, ErbachHans Schmidt, Rimbach

Heinrich Schwamb, Erbach

... zum 75. Geburtstag:Ingeborg Baumann, SchottenMichael Brestowsky, Gersfeld

Werner Diehl, LindenHorst Kröger, Wildeck

Werner Traut, MichelstadtHermann Heinrich Wendel, WormsValentin Wettlaufer, Bad Hersfeld

... zum 80. Geburtstag:Walter Bernsdorff, MarburgWolfgang Burkert, FriedbergIngeborg Hass, WiesbadenFritz Kegelmann, Sinntal

Vera Matzdorf, Seeheim-JugenheimLieselotte Neeb, Beselich

Ilse Rassner, KasselWolfgang Wunderlich, Schwalmtal

... zum 85. Geburtstag:Karl Koenig, Bebra

Günther König, MaintalAnnelore Neureuther, Weinheim

Hilde Wagner, WetzlarHugo Willhardt, Haunetal

... zum 92. Geburtstag:Karl Adler, Bad Hersfeld

... zum 94. Geburtstag:Gisela Cavada, Kassel

Anna Heumann, Michelstadt

... zum 97. Geburtstag:Frieda Anders, Gießen

Helene Schwarz, Wetzlar

Lesetipp: Zivilcourage zeigen„Schüler, Lehrer, Eltern zeigen Zivilcoura-ge“ heißt das neue Heft der Zeitschrift„Humane Schule“. Leitartikel ist eine Redevon Otto Herz. AHS-BundesvorsitzenderDetlef Träbert zeigt die Richtung auf: „Esgeht um das Kind!“ Mehrere Artikel doku-mentieren die Elternperspektive. DieSchülersicht vertreten der Nachwuchs-Kabarettist Oli Kube und Vincent Steinl,der über das Bildungswerk für Schü-lervertretungsarbeit schreibt. GerhildKirschner aus Hessen ergänzt die Sicht derLehrkräfte: „Lehrer sein heißt kämpfen“.• Bezug zum Preis von 3 Euro zzgl. Versand:www.aktion-humane-schule.de, [email protected], Tel. 02208-9219947, Fax:-9219946

Wilhelm Kaiser (Foto) berichtete, wieder Übertritt vom Lehrerinnen- undLehrerverband zu unserer Gewerkschaft1948 vollzogen wurde, der manchenSchwierigkeiten bereitete, und wies dar-auf hin, dass er bewusst „im Dienstan-zug“ - mit Schlips – wie es in seinenersten Berufsjahren gefordert war, er-schienen sei. Wilhelm Kaiser gehörtefünf Jahrzehnte lang dem Kreisvorstandder GEW Darmstadt-Land an. Auch nachseiner Pensionierung führte er die Kasseweiter, übernahm dann die Pensionärs-vertretung und schied erst 2008 end-gültig aus dem Vorstand aus.

Am 21. November ehrte der GEW-Kreisverband Darmstadt-Land im Rah-men seines jährlichen Kreisfestes seinelangjährigen Mitglieder. Wilhelm Kai-ser, Josef Matysek, Rainer Schmelzleund Friedrich Wegt können auf eine 60-jährige Mitgliedschaft zurückblicken.

Ehrungen bei GEW Darmstadt-Land

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35 HLZ 1–2/2009 M A G A Z I N

Wissenswert in hr2-kulturRadiosendungen für die Schule imJanuar und Februar 2009Sendezeit: Montag bis Freitag von8.30 bis 8.45 Uhr in hr2

Politik• Schüler und ihr Handy (12.1.)• Heilkunst oder Kundendienst:

Brauchen wir ein neues Leitbild fürÄrzte? (2.2.)

Sprache und Literatur• Erich Kästner (13.1.)• Mark Twain (14.1.)

Alles wandertMigration als Prinzip des Lebens• Weltall und Kontinente (15.1.), Pflan-zen (16.1.), Tiere (19.1.), Mikroben(20.1.), Pflanzen und Tiere als Klima-flüchtlinge (21.1.), Eva aus Afrika (22.1.)• Völkerwanderung (23.1.), Arbeits-nomaden (26.1.), Politische Flüchtlin-ge (27.1.), Klimaflüchtlinge (28.1.),Produkte (29.1.), Ideen (30.1.)

Zu der zwölfteiligen Wissenswert-Reihe er-scheint im Jonas-Verlag ein gleichnamigesBegleitbuch, herausgegeben von Karl-HeinzWellmann und Regina Oehler (10 Euro,ISBN: 978-3-89445-415-9).

Naturwissenschaften/Mathematik• Charles Darwin zum 200. Geburts-tag: Die Entstehung der Arten (9.2.),Der Weg zu einer stimmigen Evoluti-onstheorie (10.2.), Revolutionär widerWillen (11.2.), Evolutionsforschungheute (12.2.), Irrtum Sozialdarwinis-mus (13.2.)• Albrecht Beutelspacher erzähltaus der Geschichte der Mathematik:Zahlen, Formen, Muster (3.2.), DasGeheimnis der Gleichung (4.2.), Derdas Unendliche kannte (5.2.)

hr2-Domino Schlaufuchs – Radio fürKinder, Montag, 14.05-14.30 Uhr• Das Wissens-Magazin (12.1., 26.1.,

9.2., 23.2.)• Woher kriegt der Staat sein Geld?

(19.1.)• Schulprojekte vom Hörfest Wies-

baden 2009 (16.2.)

• Podcast-Angebote „Wissenswert“ und„hr2 Domino-Schlaufuchs – Radio für Kin-der“ unter www.hr2-kultur.de; weitere In-formationen, die aktuelle Wochenübersichtund Manuskripte unter www.wissen.hr-online.de

Montag: Deutsch, Literatur, Theater• Konsum-Striptease - Eine Familietestet ethisch korrektes Leben (3 Folgen):19. und 26.1. und 2.2. (9.45-10.15 Uhr)• Second Life - Mein digitaler Stellver-treter: 9.2. (9.45-10.15 Uhr)• Zeitsprung Schwarzwaldhaus:vierteilige Serie am 9., 16. und 23.2.und am 2.3. (10.15.-10.30 Uhr)

Dienstag: Naturwissenschaft/Technik• Tiere und Pflanzen (20-teilige Serievon Januar bis März): 9.45-10 Uhr• Wissen macht Ah! jeden Dienstagvon 10.00 bis 10.30 Uhr

Mittwoch: Gesellschaft und Politik• Alpha Campus Labor Erde (9.45-10.15 Uhr): sechsteilige Serie ab 14.1.• Ich mach’s! (10.15-10.30 Uhr): 16-teilige Serie zur Vorstellung von Beru-fen, seit 12.11.

Donnerstag: Philosophie, Religion, Ethik• Blinde Wut (9.45-10.15 Uhr): Nichtmehr auf die Fresse hauen? (15.1.), AußerKontrolle? (22.1.), Knast als Therapie?(29.1.), Wer schlägt, fliegt raus (5.2.)• Träume, Tränen, Töne und Mensch(9.45-10.15 Uhr): 13-teilige Serie ab 12.2.

Freitag: Kunst, Musik, Neue Medien• Neue Medien im Unterricht (9.45-10.05 Uhr): Heiraten in Deutschland -Schüler analysieren Fernsehen (16.1.),Die Römer - Internet im Sachunterricht(23.1.), München - Schüler erkundendas Internet (30.1.)• Willi will’s wissen: jeden Freitag10.05-10.30 Uhr

Das vollständige und aktualisierte Pro-gramm und Begleitmaterialien für den Un-terricht findet man im hr-Wissensportalwww.wissen.hr-online.de.

Manfred Eisenhardt (Technikakademie)und Antje Barth (Gesamtschule Weil-münster) führen den Kreisverband Ober-lahn der Gewerkschaft Erziehung undWissenschaft (GEW) an. Sie wurden aufder Jahreshauptversammlung wie Ge-schäftsführer Jürgen Weil und KassiererDr. Walter Lehrl einstimmig gewähltoder in ihren Ämtern bestätigt. Eisen-hardt konnte viele langjährige Mitglie-der der GEW ehren, darunter mit TheoStahl und dem rüstigen langjährigenGEW-Kassierer Kurt Engelmann sogar

Bildung im hr-fernsehen:Wissen und mehr

Achtung, neuer Sendetermin:Montag bis Freitag von 9.45 Uhr bis10.30 Uhr

Funkkolleg Psychologiein hr2-kulturSamstag 9.25-9.55 Uhr• Wer wir sind und wie wir seinkönnten: Identitäten (17.1.), Facettender Persönlichkeit (24.1.), Die Schlüssel-rolle der Empathie (31.1.), Ein Test fürjede Lebenslage? (7.2.), Wieviel Selbst-erkenntnis ist möglich? (14.2.), Wie wirMoral entwickeln (21.2.), Urteile undVorurteile (28.2.)

Studienreise in die TürkeiVom 3. bis 17. April 2009 in den hessi-schen Osterferien organisiert Kollege AliErcan erneut eine Bildungsreise in dieTürkei mit den Schwerpunkten Bildungs-system, Landesgeschichte und Kultur. DieReise ist durch das IQ akkreditiert (IQ-Angebotsnummer: 0345107, 40 Punkte).• Informationen: Ali Ercan, Elisabethen-str. 6, 63322 Rödermark, Tel. 06074-21199-84, Fax: -85, Handy: 0172-6919543, E-Mail: [email protected], www.aliercan.com

GEW-Kreisverband Oberlahnzwei Männer der ersten Stunde. „Inschwieriger Nachkriegszeit“, wusstendie Älteren zu berichten, „halfen sie,1949 eine einheitliche Lehrerorganisa-tion unter dem Dach des DGB zu orga-nisieren.“ Pensionärsvertreter AlfredWeiler dankte der Versammlung für dieUnterstützung des alljährlichen PC-Kur-ses für Senioren. Ihm zur Seite stehtNeupensionär Werner Röhrig, der fürdas Wochenende nach Himmelfahrt2009 eine Bildungsreise nach Berlinankündigte.

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36HLZ 1–2/2009

Erinnern in Deutschland undFrankreichLa Bégude-de-Mazenc gehört zumKanton Dieulefit. Hier wurden währendder deutschen Besatzung im ZweitenWeltkrieg mehr als 1.500 Menschenvor dem Zugriff ihrer Verfolger be-wahrt und auf dem Hochplateau desVercors sammelte die Résistance be-waffnete Widerstandskämpfer. In Mu-seen und Gedenkstätten wird lebendig,dass Geschichte von Menschen ge-macht wird, und es stellt sich die Frage,auf welche Weise Jugendliche einenZugang zu ihr finden können, um ausder Erinnerung Impulse, Einsichten undErkenntnisse für die Gestaltung derZukunft zu gewinnen.

Das lea-Seminar „Erinnern inDeutschland und Frankreich“ findetvom 3. bis 10. April 2009 in der vonErnest Jouhy gegründeten deutsch-französischen Begegnungsstätte F.I.E.F.in La Bégude-de-Mazenc, einem ma-lerischen mittelalterlichen Dorf derHaute-Provence, statt.• Programm-Flyer und Anmeldungen:Tel. 069-971293-27, Fax: -97, E-Mail:[email protected]: Das lea-Büro ist in der Regel von Montag bisFreitag von 9 bis 16 Uhr besetzt.

11. Mai-Meeting der GEW 2009Das 11. Mai-Meeting des GEW-Haupt-vorstandes vom 21. bis 24. Mai 2009in Steinbach im Taunus bietet einespannende Mischung aus Workshops,abendlichen Kultur- und Diskussions-veranstaltungen sowie attraktivenFreizeitmöglichkeiten.

Es werden Workshops zu folgen-den Themen angeboten:• Mitgliederwerbung, Mitgliederbin-dung und Mitgliederaktivierung• Vereinbarkeit von Familie und Be-ruf in unterschiedlichen Lebensphasen• Neue Medien für die gewerkschaft-liche Arbeit nutzen• Individuelles und politisches Han-deln in moralischen Zwickmühlen• Privatschulen sind einfach besser –oder nicht?

Der Teilnahmebeitrag für GEW-Mitglieder beträgt 82 Euro. Nichtmit-glieder/Partner zahlen 132 Euro, Kin-der je nach Unterbringung (ohneFahrtkosten und Kosten für Freizeit-gestaltung).• Anmeldung und Infos: www.gew.de/Maimeeting.html, Nicole Lund, Tel. 069-78973-209, E-Mail: [email protected].

Schüler in der Grundschule | 21-01-09, Frankfurt |

Von der pädagogischen Mittagsbetreuung zur Ganztagsschule

| 28-01-09, Kassel | Presse- und Öffentlichkeitsarbeit – gezielt und

erfolgreich kommunizieren | 29-01-09, Gießen-Kleinlinden |

Im Museum mit Schülern | 29-01-09, Frankfurt |

Hartz IV im Überblick für Lehrkräfte | 02-02-09, Frankfurt |

Maschinenschein Holzverarbeitung | 06-02-09; 13-02-09 und

20-02-09, Kassel | Industrie und Industriekultur in der Rhein-Main-

Region | 10-02-09, Rüsselsheim | Globalisierung 2009 – Fluch

oder Segen? | 10-02-09, Kassel | Karl Marx und die globalisierte

kapitalistische Welt | 10-02-09, Offenbach | Wie aktuell sind

Darwins Theorien? | 10-02-09, Frankfurt | Veränderung von Kindheit

| 12-02-09, Frankfurt | Computereinführung für Späteinsteiger/innen

Zimmerweg 1260325 Frankfurt/Main

| 13-02-09, Gießen | Schön malen nicht gefragt | 16-02-09, Frankfurt |

Rechte Parolen im Klassenzimmer | 17-02-09, Gießen |

Mohammed macht wieder Ärger, und Fatma darf an der Klassenfahrt

nicht teilnehmen | 20-02-09, Frankfurt |

Kinder als Technikforscher | 27-02-09, Darmstadt |

Diagnose »AD(H)S« – was tun? | 28-02-09, Frankfurt |

www.lea-bildung.defon 069 | 97 12 93 27 / 28fax 069 | 97 12 93 97

Das vollständige Programm unter www.lea-bildung.de

Ware Bildung | 21-01-09, Frankfurt | Verhaltensauffällige

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