ZFA 1 2018 - online-zfa.de · Z FA Zeitschrift für Allgemeinmedizin German Journal of Family...

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Z FA Zeitschrift für Allgemeinmedizin German Journal of Family Medicine Januar 2018 – Seite 1-48 – 94. Jahrgang www.online-zfa.de 1 / 2018 Organ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), der Gesellschaft der Hochschullehrer für Allgemeinmedizin (GHA), der Niederösterreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (NÖGAM), dem Österreichischen Institut für Allgemeinmedizin (ÖIfAM), der Salzburger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SAGAM), der Steirischen Akademie für Allgemeinmedizin (STAFAM), der Südtiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SüGAM), der Tiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (TGAM) und der Vorarlberger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (VGAM) Official Journal of the German College of General Practitioners and Family Physicians, the Austrian Institution of General Practitioners, the Lower Austrian College of General Practitioners, the Salzburg Society of Family Medicine, the Society of Professors of Family Medicine, the Southtyrolean College of General Practitioners, the Styrian College of General Practitioners, the Tyrolean College of General Practitioners and the Vorarlberg Society of Family Medicine This journal is regularly listed in EMBASE/Excerpta Medica, Scopus and CCMED/LIVIVO DP AG Postvertriebsstück – Entgelt bezahlt – 4402 – Heft 1/2018 Deutscher Ärzteverlag GmbH – Postfach 40 02 65 – 50832 Köln Im Fokus Unfallrisiko Synkope? Demenzdiagnostik Praxismanagement im Studium? Elektronische Unterstützung in der Hausarztpraxis Risiko steroidhaltiger Augentropfen Blutdrucksenkung bei Diabetikern

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Z FAZeitschrift für Allgemeinmedizin

German Journal of Family Medicine

Januar 2018 – Seite 1-48 – 94. Jahrgang www.online-zfa.de

1 / 2018

Organ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), der Gesellschaft der Hochschullehrer für Allgemeinmedizin (GHA), der Niederösterreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (NÖGAM), dem Österreichischen Institut für Allgemeinmedizin (ÖIfAM), der Salzburger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SAGAM), der Steirischen Akademie für Allgemeinmedizin (STAFAM), der Südtiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SüGAM), der Tiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (TGAM) und der Vorarlberger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (VGAM)

Official Journal of the German College of General Practitioners and Family Physicians, the Austrian Institution of General Practitioners, the Lower Austrian College of General Practitioners, the Salzburg Society of Family Medicine, the Society of Professors of Family Medicine, the Southtyrolean College of General Practitioners, the Styrian College of General Practitioners, the Tyrolean College of General Practitioners and the Vorarlberg Society of Family Medicine

This journal is regularly listed in EMBASE/Excerpta Medica, Scopus and CCMED/LIVIVO

DP AG Postvertriebsstück – Entgelt bezahlt – 4402 – Heft 1/2018 Deutscher Ärzteverlag GmbH – Postfach 40 02 65 – 50832 Köln

Im Fokus

Unfallrisiko Synkope?

Demenzdiagnostik

Praxismanagement im Studium?

Elektronische Unterstützung in der Hausarztpraxis

Risiko steroidhaltiger Augentropfen

Blutdrucksenkung bei Diabetikern

Management von Verletzungenund Erkrankungen des Ellenbogens

▪ Ellenbogenverletzungen imWachstumsalter

▪ Weichteilverletzungen

▪ Knöcherne Verletzungen

▪ Operative Therapien

▪ Praxisnahe Fallbeispiele

▪ Kodierung von Diagnosen

▪ Begutachtung von Erkrankungendes Ellenbogens

Erkrankungen des Ellenbogenge-lenks erfordern eine differenzierteDiagnostik und Therapie, um funk-tionelle Einschränkungen für den

Patienten zu vermeiden.Gemeinsam mit renommiertenAutoren ist es den Herausgebernin diesem ausführlich bebildertenund verständlich geschriebenenBuch gelungen, eine Übersichtüber die operative Behandlungvon Erkrankungen im Bereich desEllenbogens in seiner Komplexitätdarzustellen.

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Arthroskopische Operations-techniken im Überblick

▪ Diagnostische und therapeu-tische Methoden

▪ Läsionen und therapeutischeRelevanz

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Mit der Schulterarthroskopielassen sich zahlreiche Pathologienerfolgreich behandeln.Dabei werden die Grenzen desarthroskopisch Machbaren beinahetäglich erweitert – die Schulter-arthroskopie „boomt“!

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© Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2018; 94 (1) ■

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Ein Versuch über die Grenzen der Ersetzbarkeit

„GPs losing sleep over patient safety fears“ lautet der Titel eines Artikels zur Lage der Primärversorgung im englischen Guardian (08. Oktober 2017). Ein-drucksvoll geschildert wird der Leidensdruck eng-lischer Kollegen, die unter der zunehmenden Arbeits-last bei zunehmendem Mangel an Hausärzten und den parallel dazu anstei-genden Erwartungshaltun-gen stöhnen. Ein erschre-ckend hoher Prozentsatz

praktizierender GPs denkt sehr konkret über einen Berufs-wechsel nach, so eine Reihe von Berichten an anderen Stel-len.

Die Symptome kennen wir, der Nachwuchsmangel ist ein europaweites Phänomen. Wieweit diese Entwicklung aufseiten der Entscheidungsträger ernst genommen wird, scheint zu-mindest für Österreich zweifelhaft.

Noch glaubt man hierzulande daran, dass der Einsatz von Pflegepersonen das Problem lösen können wird, weil diesen, anders als den ebenfalls hoch kompetenten Ordinationsassis-tent_innen, arztersetzendes Potenzial mehr oder minder offen zugeschrieben wird. Dass das mitnichten der Fall sein muss, zeigt das britische Beispiel. Pflegepersonen übernehmen vor allem spezialisierte Aufgaben (für die sie eine Ausbildung über ihre eigentlichen Pflegeaufgaben hinaus erhalten müssen): be-stimmte Tätigkeiten in der Betreuung einzelner chronischer Krankheiten, bestimmte Krankheitsbilder im Akutbereich. Der Umgang mit Komplexität (unbestimmte Situationen, Multi-morbidität, das nicht zugeordnete Symptom, potenziell ge-fährliche Verläufe, Mehrfachanliegen etc.) bleibt notwendiger-

weise dem dafür speziell ausgebildeten Generalisten überlas-sen.

Angesichts unserer üblichen Kontaktzahlen mag es uns ein Lächeln entlocken, wenn hausärztlich tätige Kollegen aus anderen Ländern darüber klagen, dass sie 20 und mehr Pa-tient_innen pro Tag zu behandeln haben. Unsere Konsultati-onszahlen können aber nur deshalb deutlich höher liegen, weil wir eben auch die „flotten“, unkomplizierten Patienten mit Routineanliegen sehen. Diese ermöglichen kognitiv-emotio-nale Päuschen zwischen all der Kompliziertheit, gelegentlich verbunden mit ein paar leichten Worten und dem einen oder anderen Scherz, geschuldet der vertrauten Arzt-Patienten-Be-ziehung. Schwierige und/oder komplexe Situationen können nicht in größerer Zahl „abgehandelt“ werden, denn sie verlan-gen ein hohes Maß an Fokussierung, eine hohe Entscheidungs-dichte, und sie sind emotional oft fordernd. Wieviele komple-xere Patienten pro Tag ein einzelner Arzt ohne Sicherheitsrisi-ko sehen kann, wäre eine Untersuchung wert – Erfahrungen aus Ländern mit practice nurses müsste es geben.

Der arztergänzende Einsatz von Pflegepersonen kann eini-ges leichter und sicherer machen – den Ärztemangel wird er nicht beheben können.

Wieweit der Einsatz elektronischer Hilfen unseren Alltag erleichtern wird, oder ob er die Arbeitslast im Gegenteil noch erhöhen wird, ist strittig, und wohl stark von der Art der Soft-wareunterstützung abhängig. Die österreichische elektronische Gesundheitskarte (ELGA) ist bereits ziemlich weit entwickelt, mit der Implementierung wurde begonnen. Noch sieht es nach einem reichlich störrischen System aus. Daran nicht ganz un-beteiligt sind wohl auch wir Ärzte, die wir uns lange Zeit, und in den wesentlichen Entwicklungsphasen, mehr gesperrt und ge-wehrt als nach praktikablen Lösungen gesucht haben. In die-sem Heft finden Sie gleich mehrere Artikel, die diese definitiv unaufhaltsame Entwicklung zum Thema haben.

Susanne Rabady

EDITORIAL / EDITORIAL

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ZFAZeitschrift für Allgemeinmedizin

Organ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), der Gesellschaft der Hochschullehrer für Allgemeinmedizin (GHA), der Niederösterreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (NÖGAM), dem Österreichischen Institut für Allgemeinmedizin (ÖIfAM), der Salzburger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SAGAM), der Steirischen Akademie für Allgemeinmedizin (STAFAM), der Südtiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SüGAM), der Tiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (TGAM), der Vorarlberger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (VGAM)

Official Journal of the German College of General Practitioners and Family Physicians, the Austrian Institution of General Practitioners, the Lower Austrian College of General Practitioners, the Salzburg Society of Family Medicine, the Society of Professors of Family Medicine, the Southtyrolean College of General Practitioners, the Styrian College of General Practitioners, the Tyrolean College of General Practitioners, the Vorarlberg Society of Family Medicine

Herausgeber/EditorsM. M. Kochen, Freiburg (federführend)H. Kaduszkiewicz, KielW. Niebling, FreiburgS. Rabady, WindigsteigA. Sönnichsen, Witten

Internationaler Beirat/International Advisory Board J. Beasley, Madison/Wisconsin, USA; F. Buntinx, Leuven/Belgien; G.-J. Dinant, Maastricht/NL; M. Egger, Bern/CH; E. Garrett, Columbia/Missouri, USA; P. Glasziou, Robina/Australien; T. Greenhalgh, London/UK; P. Hjortdahl, Oslo/Norwegen; E. Kahana, Cleveland/Ohio, USA; A. Knottnerus, Maastricht/NL; J. Lexchin, Toronto/Ontario, Kanada; C. del Mar, Robina/Australien; J. de Maeseneer, Gent/Belgien; P. van Royen, Antwerpen/ Belgien; F. Sullivan, Toronto/Ontario, Kanada; C. van Weel, Nijmegen/NL; Y. Yaphe, Porto/Portugal

Koordination/Coordination J. Bluhme-Rasmussen

This journal is regularly listed in EMBASE/Excerpta Medica, Scopus and CCMED/LIVIVO

Dieselstraße 2, 50859 KölnPostfach/P.O. Box 40 02 54,50832 KölnTelefon/Phone: (0 22 34) 70 11-0www.aerzteverlag.dewww.online-zfa.de

EDITORIAL / EDITORIAL ................................................................1

ZFA-ONLINE / ZFA ONLINE ..............................................................3

DEGAM-BENEFITS / DEGAM BENEFITS ..........................................4

ORIGINALARBEIT / ORIGINAL PAPERDiagnostik und Versorgung der Demenz – eine Herausforderung für die HausarztmedizinDementia Diagnosis and Care – a Challenge for Family MedicineJulian Wangler, Andreas Fellgiebel, Christina Mattlinger, Michael Jansky 12.................

DER BESONDERE ARTIKEL / SPECIAL ARTICLETelemedizin in der Hausarztpraxis – Aspekte der Kommunikation Telemedicine in Family Physicians’ Practices – Aspects of CommunicationAlexander Waschkau, Raphael Allner, Stefan Fischer, Jost Steinhäuser 17.....................

DANKSAGUNG / ACKNOWLEDGEMENT 21.......................................

KOMMENTAR/MEINUNG / COMMENTARY/OPINIONPraxissoftware in der AllgemeinmedizinAktueller Stand und Potenzial für die PatientenversorgungElectronic Health Records in Family MedicineCurrent State and Potential for Patient CareWolfgang B. Lindemann 22............................................................................

FALLBERICHT / CASE REPORTSteroidale Kombinationsaugentropfen beim „roten Auge“ – verkannte GefahrenHidden Risks in Steroid Combination Therapy for “Red Eye” ConditionsChristoph Paul, Matthias Michiels-Corsten 26.....................................................

ORIGINALARBEIT / ORIGINAL PAPERPraxismanagement spielerisch lernen – welche Inhalte sollen unbedingt vermittelt werden?Studying Practice Management via Serious Games – Which Knowledge Should be Conveyed?Anja Kohlhaas, Markus Leibner, Tobias Binder, Joachim Schütz, Ruben Zwierlein, Jost Steinhäuser 29......................................................................................

NACHRUF / OBITUARY 35..................................................................

BUCHBESPRECHUNG / BOOK REVIEW 36........................................

LESERBRIEFE / LETTERS TO THE EDITOR 37..................................

DEGAM-NACHRICHTEN / DEGAM NEWS 46.....................................

DESAM-NACHRICHTEN / DESAM NEWS 46......................................

DEUTSCHER HAUSÄRZTEVERBAND / GERMAN ASSOCIATION OF FAMILY PHYSICIANS 47.......................

IMPRESSUM / IMPRINT 48.................................................................

Titelabbildung: Figur aus dem Stück „Zusammenstoß“ nach Kurt Schwitters, Marionettentheater Kleines Spiel,

München; Puppenbauer: Steve Cosaert; Fotograf: Thomas Schwendemann

INHALTSVERZEICHNIS / TABLE OF CONTENTS

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Schön und cleverOnline-ZFA-Relaunch

bringt frisches Design und verbesserte Funktionen

Der Online-Auftritt der Zeitschrift für All-gemeinmedizin (ZFA) erstrahlt ab Januar im neuen Glanz. Doch das äußerlich auf den ersten Blick erkennbare Facelift ist nicht die einzige Veränderung: Auch zahlreiche zuätzliche Funktionen der Sei-te wurden verbessert und stehen den Nutzern zur Verfügung.

Im umfangreichen Zeitschriften-Archiv sind alle Artikel abrufbar, die seit 2003 veröffentlicht wurden (bis-lang erst ab 2009). Mitglieder und Abonnenten können, wenn sie regis-triert und eingeloggt sind, frei auf alle Artikel zugreifen. Und das nicht nur vom Desktop-PC im heimischen Büro oder vom Praxisrechner, sondern dank des Responsive Design auch unkompli-ziert und übersichtlich vom eigenen Smartphone oder Tablet.

Die Suchfunktion wurde verbessert und um die Volltextsuche ergänzt: Es werden alle HTML-Seiten und PDF-Da-teien, in denen der zuvor eingegebene Wunschbegriff vorkommt, in einer Tref-ferliste angezeigt.

Als zusätzlichen Service bietet die Seite einen per externem RSS-Feed ein-gespeisten Nachrichten-Bereich, in dem aktuelle Informationen zu all-gemeinmedizinischen Themen ange-zeigt werden. Zudem können die Nut-zer in der Marginalspalte auf der rech-ten Seite der Homepage im Modul „Meistgelesene Artikel“ nachvollzie-hen, welche Inhalte von den Kollegen am häufigsten aufgerufen wurden. Außerdem bietet die Anzeige „Ver-wandte Artikel“ eine Auswahl derjeni-gen Einträge, die zu kürzlich aufgeru-

fenen Themen passen und Nutzer auch interessieren könnten.

Ein komplett neues Feature ist die englischsprachige Ausgabe von Online-ZFA, die im ersten Quartal 2018 bereit-gestellt wird. Per Klick auf einen Button (US-amerikanische Nationalflagge) im Menü auf der Startseite, können nicht deutschsprachige Nutzer auf diese Versi-on der Seite umschalten.

Achtung: Jedes registrierte Mitglied bzw. jeder Abonnent, der sich bereits online angemeldet hatte, muss sich nach dem Relaunch der Seite erneut einmal registrie-ren, um alle Funktionen nutzen zu kön-nen. Anschließend erfolgt die Anmeldung wie gewohnt über den Button „Login“ mit der Mail-Adresse und dem Passwort, die bei der Registrierung angegeben wurden.

ZFA-ONLINE / ZFA ONLINE

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4 DEGAM-BENEFITS / DEGAM BENEFITS

DEGAM-BenefitsDEGAM Benefits

Ausgewählt und verfasst von Prof. Dr. Michael M. Kochen, MPH, FRCGP, Freiburg

Synkope verdoppelt Risiko eines tödlichen oder verletzungsträchtigen VerkehrsunfallsSyncope Doubles the Risk of Fatal or Serious Traffic Accident

Unter einer Synkope wird ein vorüber-gehender Bewusstseinsverlust infolge ei-ner globalen zerebralen Minderdurch-blutung verstanden, der charakterisiert ist durch• rasches Einsetzen,• kurze Dauer • und spontane, vollständige Erholung.Die übliche diagnostische Einteilung in die drei Gruppen 1) Reflexsynkope, 2) Synkope bei orthostatischer Hypotonie und 3) kardiale Synkope ist in Abbil-dung 1 abgebildet.

Synkopen stellen keineswegs ein sel-tenes Vorkommnis dar. Genaue Zahlen für die deutsche hausärztliche Praxis fehlen zwar, aber nach Angaben der Ge-sundheitsberichterstattung des Bundes wurden im Jahre 2012 158.418 Personen mit einer Synkope in Krankenhäusern behandelt.

Gemäß Daten aus der Framingham-

Kohorte (NEJM 2002) beträgt die Inzi-denz eines erstmaligen Ereignisses 6,2/1000 Personenjahre. Die häufigsten Ursachen in dieser Studie waren• vasovagal (21,2 %),• kardial (9,5 %) • orthostatisch (9,4 %). • 36,6 % blieben ungeklärt.Eine Leitlinie des Schweizer, hausärzt-lich geprägten Ärztenetzwerks MEDIX (Erni S, Beise U. Synkope. Praxis 2015; 104: 1037–1040) führt allerdings andere Häufigkeitszahlen auf (vasovagal 30–50 %, orthostatisch 10–20 %, kardial 5–15 %, unklare Ursache 10–20 %).

Das geschätzte, kumulative Lebens-zeitrisiko beträgt rund 35 % und fast zwei Drittel davon erleiden ein Rezidiv (Frauen und Männer sind ungefähr gleich häufig betroffen). Im Alter von 20

und 80 Jahren kommen Synkopen of-fenbar besonders häufig vor.

Der Grund, warum ich Sie hier mit trockenen Zahlen traktiere, ist aber kei-neswegs ein kleiner Fortbildungskurs,

sondern eine Studie aus dem Traumland der Epidemiologie, nämlich Dänemark. Traumland deswegen, weil dort prak-tisch alle relevanten Gesundheitsereig-nisse in umfangreichen Registern ge-

Abbildung 1 Klassifikation der Synkope (mit freundlicher Genehmigung der DGK). Aus:

Heeger CH, Rillig A, Ouyang F, Kuck KH, Tilz RR. Synkope. Herz 2014; 39: 423–428

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speichert werden, so auch alle Kranken-hausaufnahmen (samt Diagnosen nach ICD), alle Todesfälle oder alle ausgestell-ten Rezepte.

Dänische und amerikanische Wis-senschaftler gingen in Dänemark der Frage nach, ob (verglichen mit der Allgemeinbevölkerung) Personen nach einer Synkope vermehrt in Verkehrsunfälle verwickelt sind.

Von Anfang Januar 2008 bis Ende Dezember 2012 wurden alle Personen über 18 Jahre erfasst, die mit der erst-maligen Diagnose Synkope (ICD-10 R55.9) aus dem Krankenhaus oder einer Notfalleinrichtung entlassen worden waren, und mit allen Einwohnern Däne-marks verglichen. Mit dieser ICD-Codie-rung waren z.B. AV-Block 3°, zerebrale Krampfanfälle oder Carotissinus-Syn-drom als fehlgedeutete Ursachen einer kurzfristigen Bewusstlosigkeit aus-geschlossen.

In Abbildung 2 sind die Ver-gleichspopulationen dargestellt.

Um die „echten“ Synkopenfälle zu erfassen, mussten potentielle Störfak-toren berücksichtigt werden. Als solche galten bekannte kardiovaskuläre Begleit-erkrankungen, Diabetes, Schrittmacher, Einnahme von Anxiolytika und Antipsy-chotika oder Alkoholmissbrauch.

Primärer, zeitabhängiger Endpunkt war – nach (oder bis zu 48 Stunden vor) der Diagnose Synkope – der erste Unfall mit einem PKW oder einem Motorrad/Moped, der entweder tödlich ausging oder so schwer war, dass er zu einer Krankenhausaufnahme bzw. zu einer ambulanten Untersuchung in einer Notfallstation führte.

Während einer mittleren Nachver-folgungszeit von zwei Jahren• waren 1791 Patienten mit Synkope

(4,4 % der Gesamtgruppe) in einen solchen Verkehrsunfall verwickelt.

• 0,3 % dieser Unfälle verliefen tödlich, bei 78,1 % kam es zu Verletzungen.

• Zwischen initialer Diagnose Synkope und einem Unfall vergingen durch-schnittlich 315 Tage.

Abbildung 3 zeigt, dass die Unfall-häufigkeit besonders die Altersgruppe 18–35 betrifft, und zwar bei Frauen wie bei Männern.

Nach Adjustierung der Resultatenach Alter, Geschlecht und Unfalljahrwar das relative Risiko eines Unfallsbei Patienten mit Synkope doppeltso hoch wie bei Personen aus der

Allgemeinbevölkerung (RR 2,04, g95%-Konfidenzintervall 1,95–2,14).

Männer waren insgesamt stärker ge-fährdet als Frauen, wobei interessanter-weise bei Männern das Risiko mit demAlter stieg, während es bei Frauen fiel.Das Risiko persistierte während der fol-genden fünf Jahre. Die Arten der Synko-

pen (vasovagal, orthostatisch, kardial) wurden in dieser Studie übrigens nicht erfasst.

In Subgruppenanalysen zeigte sich, dass Patienten mit Synkope und beglei-tender kardiovaskulärer Erkrankung nicht etwa ein höheres, sondern im Ge-genteil ein niedrigeres Risiko aufwiesen.

Abbildung 2 Characteristics of the study population

DEGAM-BENEFITS / DEGAM BENEFITS

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Träger eines Kardioverters/Defibrillators hatten überhaupt kein erhöhtes Risiko.

In Nordamerika scheinen die Risi-ken noch ausgeprägter zu sein als in Dä-nemark. Eine Studie aus Maryland (n = 7750) fand ein vierfach, eine Unter-suchung aus Kanada (n = 25.422) ein dreifach erhöhtes Risiko.

Quintessenz

• Im Vergleich mit Personen aus der All-gemeinbevölkerung wiesen Men-schen nach erlittener Synkope (ICD-10 R55.9) – zumindest über fünf Jahre – ein doppelt so hohes Risiko auf, einen tödlichen oder verletzungs-trächtigen Verkehrsunfall zu erleiden.

• Begleitende kardiovaskuläre Erkran-kungen führten nicht zu einem er-höhten, sondern zu einem niedrige-ren Risiko (Patienten mit eingebau-tem Kardioverter/Defibrillator weisen überhaupt kein erhöhtes Risiko auf).

• Cave: Es gibt auch (methodisch aller-dings zweifelhafte) gegenteilige Un-tersuchungen aus den USA, die – zu-mindest für lebensbedrohliche Rhythmusstörungen – ein zweifach erhöhtes Risiko ausweisen.

• Zwar verursachen jüngere Personen zwischen 18 und 35 Jahren erheblich häufiger Unfälle als ältere; das mit ei-ner Synkope vergesellschaftete Un-fallrisiko ist aber bei älteren Männern (nicht bei Frauen) stärker ausgeprägt als bei jüngeren Menschen.

Sind diese Studienergebnisse nur theoretisch interessant oder habensie auch Folgen für die hausärzt-liche Praxis?

Diese Frage beantwortet sich fast von selbst, wenn man weiß, dass sich in Dänemark alle Personen mit Er-reichen des 70. Lebensjahres obli-gat einer Gesundheitsunter-

suchung unterziehen müssen, um ihren Führerschein verlängert zu bekommen. Dreimal dürfen Sie raten, wer diese Untersuchungen durchführt: der Hausarzt. Es ist kein Geheimnis, dass in Deutschland ähnliche Regelungen im Gespräch sind.Unabhängig davon, ob solche gesetzli-chen Vorschriften auch bei uns einge-führt werden, sollten Sie wissen, dass die am häufigsten vorkommen-den Formen, nämlich die Reflex-synkopen (z.B. vasovagale oder si-tuationsbedingte Synkopen), laut existierenden Leitlinien keine Ein-schränkung der Fahrtauglichkeit bedingen.

Numé A-K, Gislason G, Christiansen CB, et

al. Syncope and motor vehicle crash risk. A

Danish nationwide study. JAMA Intern

Med 2016; 176: 503–510. Frei verfügbar

unter: https://jamanetwork.com/journals/

jamainternalmedicine/fullarticle/2497782

Abbildung 3 Motor vehicle crash risk following syncope by age and sex

Stiftung Warentest über Datenschutz in ArztpraxenConsumer Magazine “Test” on Data Protection in Doctors’ Surgeries

„Diskretion beim Arzt – Mediziner wis-sen Intimes über Patienten und unterlie-gen der Schweigepflicht. Doch in jeder zweiten geprüften Arztpraxis waren die Geheimnisse nicht sicher aufgehoben“, lautete der Untertitel eines Artikels in der März-Ausgabe der Zeitschrift Test.Geprüft wurde • bei einem persönlichen Besuch in der

Arztpraxis (Testfall 1),

• bei einem Anruf in der Arztpraxis (Testfall 2),

• und bei einer E-Mail-Korrespondenz mit der Praxis (Testfall 3).

Offensichtlich wurden z.T. deutli-che Mängel festgestellt bei der Vertrau-lichkeit von Gesprächen am Tresen,bei der telefonischen Übermittlungvon sensiblen Informationen an Un-bekannte, bei offen einsehbaren Fax-

geräten und bei der elektronischenVersendung von Daten an Personen,deren Identität nicht zweifelsfrei über-prüft wurde.

Der gesamte Text („Plaudertaschen in vielen Praxen“) ist unter http://tinyurl.com/j9b8dls frei verfügbar.

DEGAM-BENEFITS / DEGAM BENEFITS

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Diese OP wird präsentiert von ...Surgery Presented by …

Der stellvertretende Ärztliche Direktor am Münchner Klinikum rechts der Isar,der Neurochirurg Bernhard Meyer (*1962; seit 2006 Lehrstuhl für Neuro-chirurgie der TUM), operiert nach einemBericht von Christina Berndt in der Süd-deutschen Zeitung meist mit schrillerKopfbedeckung. Selbstverständlich nur aus dem Grunde, dass ihm die gängigenHauben Hautprobleme bereiten.

Wie unpässlich, dass bei einem

Film des Bayerischen Fernsehens gut zu

sehen war, dass auf Meyers Kopfhaube …

der Name des Medizintechnikherstellers

Ulrich prangte (www.ulrichmedical.de). Der neun Minuten lange Streifenbei YouTube (http://tinyurl.com/h3rvlnj) ist inzwischen – aus uner-findlichen Gründen ... – gelöscht wor-den.

Laut Geschäftsführerin Ina Koker vom Ärztlichen Kreis- und Bezirksver-band (ÄKBV), der Meyers Fernsehauf-tritt untersucht, wären dabei „die Um-

stände des Einzelfalls zu würdigen“.Deshalb könnte die Hauben-Affäre vomRechts der Isar noch nicht abschließendbewertet werden.

Nachdem schon das Video entferntwurde, ist das Gedächtnis des Internets doch nicht ganz so schlecht. Denn denkurzen Report aus der Süddeutschen Zei-tung können Sie immer noch online lesen unter: www.sueddeutsche.de/ politik/berufsordnung-diese-op-wird-praesentiert-von-1.2888550.

Niederlassung auf dem Lande (USA): Bildungsgrad der Ehepartner spielt negative RolleOpening a Rural Practice (USA): Spouses’ Level of Education Plays a Negative Role

Über den überwiegend verteilungs-bedingten Ärztemangel (insbesondereden Mangel an Hausärzten) auf demLande gibt es ausreichend Literatur. Mirwar bislang aber nicht bekannt, dassauch der Bildungsgrad der Ehepart-nerin/des Ehepartners eine wichtigeRolle dabei spielen könnte – zumindestin den Vereinigten Staaten von Amerika.

Ein Team von Ökonomen, das eine1 %-Stichprobe aller amerikanischen Ärzt/innen im Alter von 25–70 Jahren untersuchte (response rate > 95 %), fanddabei Folgendes heraus:• Der Anteil an Verheirateten mit ei-

ner/m beruflich hochgebildetenEhepartner/in (mind. sechs JahreCollege [vor 1990] bzw. mind. einMastergrad [ab 1990]) stieg in denletzten 50 Jahren erheblich an: von 8,8 % im Jahre 1960 auf 54,1 % imJahre 2010.

• Rund ein Drittel der Ehepartner/in-nen war ebenfalls Ärztin/Arzt.

• 5,3 % aller Ärzte arbeiteten zwischen 2005 und 2011 auf dem Lande; vonder Bevölkerung waren es 10,9 % – ei-ne deutliche Diskrepanz.

• Der Vergleich zwischen Ärzt/innenmit beruflich hochgebildeten Ehe-partner/in und solchen ohne beruf-lich hochgebildeten Ehepartner/in,

ergibt zwar keinen riesigen, aber doch einen signifikanten Unterschied von 2,9 % (mit 4,2 % vs. ohne 7,2 %; ad-justierte odds ratio 0,62 (95%-Kon-fidenzintervall 0,56–0,69; p < 0,001).

• Nicht nur der Faktor „Bildung der Ehepartner/innen“ spielt eine (nega-tive) Rolle. Auch unverheiratete Ärzt/innen arbeiteten signifikant seltener auf dem Lande.

Die Ergebnisse sind in der Abbildung an-schaulich dargestellt.

Staiger DO, Marshall SM, Goodman DC,

Auerbach DI, Buerhaus PI. Association bet-

ween having a highly educated spouse

and physician practice in rural underser-

ved areas. JAMA 2016; 315: 939–941. Frei

verfügbar unter: https://jamanetwork.

com/journals/jama/fullarticle/2497899

Abbildung Logistic Regression Models of the Likelihood That a Physician Worked in a Health

Profession Shortage Area (HPSA), 2005–2011

DEGAM-BENEFITS / DEGAM BENEFITS

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Testosteronsubstitution bei Männern über 65: Vielleicht besserer Sex, aber Risiko eines Prostatakarzinoms nicht untersuchtTestosterone Substitution in Men Over 65: Possibly Better Sex, But What About Prostate Carcinoma Risk?

Viel Medienwirbel verursachte eine im New England Journal of Medicine publi-zierte Studie, die bei Männern über 65 Jahren mit erniedrigtem Testoster-onspiegel durch entsprechende Substi-tution u.a. eine moderate Besserung der Sexualfunktion erzielen konnte. Der oft beobachtete Vitalitätsmangel wurde hingegen nicht beeinflusst.

Die 790 Teilnehmer, die über ein Jahr mit Testosteron-Gel oder Placebo behandelt worden waren, entsprachen

gerade einmal 1,5 % aller 51.085 für die Studie gescreenten Männer. Die meis-ten der akzeptierten Patienten wiesen Adipositas und Hypertonie auf, über ein Drittel Diabetes und fast 20 % eine Schlaf-Apnoe (allesamt Risikofaktoren für eine erektile Dysfunktion). Ob die Ergebnisse angesichts einer solchen Se-lektion auf die Mehrheit älterer Männer mit vermindertem Serumtestosteron übertragbar sind, darf bezweifelt wer-den.

Das auffallendste Defizit der Arbeit aber ist, dass ein vielfach diskutiertes, po-tentielles Risiko einer Testosteronsubsti-tution (nämlich die mögliche Stimulati-on eines subklinischen Prostatakarzi-noms) wegen einer zu geringen Teilneh-merzahl nicht beurteilt werden konnte.

Snyder PJ, Bhasin S, Cunningham GR, et al. Effects of testosterone treatment in ol-der men. N Engl J Med 2016; 374: 611–24. Frei verfügbar unter: http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1506119

Ein nicht alltäglicher Einsatz der Feuerwehr auf der Notfallstation eines britischen KrankenhausesAn Unusual Fire Brigade Intervention in the Emergency Room of a British Hospital

Nichts Ungewöhnliches, werden Sie viel-leicht sagen, die Feuerwehr bringt doch jeden Tag kranke Patienten zur stationä-ren Aufnahme. Im folgenden Fall geht es allerdings um etwas geringfügig anderes.

Ich weiß nicht, ob alle Verheirateten unter Ihnen einen Ehering tragen. Ist dann bei denjenigen, die sich dieser sicht-baren Traditionsübung unterziehen, der

Ring aus Gold oder aus Silber? Oder gar aus ... Titan? Titanringe erfreuen sich (wie ich gelesen habe) einer zunehmen-den Beliebtheit, weil sie unverwüstlich, leicht und hypoallergen sein sollen.

Zwischen Gold-, Silber- und Titan-ringen gibt es einen entscheidenden Materialunterschied: Muss ein Titanring aus medizinischen Gründen entfernt

werden, lässt sich das keineswegs mit ei-ner sonst wirksamen, einfachen Zange bewerkstelligen. Dazu braucht man Spe-zialinstrumente …

Zwei Autoren aus Sheffield berich-ten über eine Patientin, deren Ringfin-ger nach einem 6-stündigen (!) Thermal-bad so angeschwollen war, dass sie sich in der Notfallambulanz des örtlichen Krankenhauses vorstellte.

Hier eine kurze Auflistung der ver-geblichen Maßnahmen, den Titan-ring vom Finger zu entfernen: • Hochbinden des Arms für 8 Stunden; • Gleitgel; • Druckverband; • Feuerwehreinsatz mit unhandlicher

Spezialzange; • Einsatz von zwei Knocheninstrumen-

ten aus der plastischen Chirurgie (bei-de gingen zu Bruch).

Geholfen hat schließlich ein Bolzen-schneider, der interessanterweise im In-strumentenlager der Operationsräume gefunden wurde.

Salibi A, Morritt AN. Removing a Titanium wedding ring. Emerg Med J 2016; 33: 170

Abbildung 1 Das Auseinanderziehen der beiden Ringenden mit Büroklammern zeigt den

ganzen Einfallsreichtum der beteiligten Kollegen… [Salibi, Morritt 2016]

Abbildung: Mit freundlicher Genehmigung des Emergency Medical Journal

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Absetzen von Antidepressiva – wie vorgehen?Stopping Antidepressants – How to Proceed?

Nehmen Sie einmal an, eine Patientin mit erstmals aufgetretener Depression ist seit zwölf Monaten z.B. mit Citalopram be-handelt worden. Die Symptomatik verbes-serte sich nach sechs Wochen und der Er-folg hält weiterhin an. Jetzt fragt die Frau,ob sie das Medikament absetzen könnte.Wie gehen Sie in dieser Situation vor?

Ein sehr kurzer Text im BMJ aus derJ

Rubrik „10-minute consultation“ bringt die Antwort auf den Punkt: Im Falle ei-nes erfolgreichen Symptomrückgangs sollten Sie die antidepressive Medikati-on erst nach frühestens einem Jahr(über die Dauer von mindestensvier Wochen) ausschleichen – ab-hängig von der Vorgeschichte und derÜberprüfung anderer Risikofaktoren füreinen Rückfall. Abbildung 1 zeigt, wiedie genaue Vorgehensweise aussieht.

Welche Risiken drohen, wenn man sich nicht an diese Empfehlungen hält?

Wenn Antidepressiva über mindes-tens vier Wochen eingenommen wur-den und dann abrupt abgesetzt werden, entwickeln rund 20 % der Patienten in-nerhalb von zwei bis vier Tagen ein sog.Antidepressiva-Entzugssyndrom (anti-

depressant discontinuation syndrome), dasrund eine Woche, selten aber auch vieleMonate lang anhält.

Die Symptomatik (grippeähnliche Beschwerden, Schlafstörungen, Übel-keit, Schwindel, sensorische Überemp-findlichkeit, Angst/Irritabilität) wird im

Englischen mit der abkürzenden Esels-brücke FINISH zusammengefasst:• Flu-like symptoms (lethargy, fatigue,

headache, achiness, sweating),• Insomnia (with vivid dreams or

nightmares), • Nausea (sometimes vomiting),• Imbalance (dizziness, vertigo, light-

headedness),• Sensory disturbances (“burning,”

“tingling,” “electric-like” or “shock-li-ke” sensations),

• Hyperarousal (anxiety, irritability, agi-tation, aggression, mania, jerkiness).

Wird das betreffende oder ein ähnliches Arzneimittel wieder angesetzt, ver-

schwinden die Symptome in maximal drei Tagen. Unter den SSRIs wird Paroxe-tin das höchste und Fluoxetin das ge-ringste Potenzial zugeschrieben, einEntzugssyndrom zu verursachen.

Bei einer Behandlungsdauer untervier Wochen ist das Risiko eines Ent-zuges äußerst gering. Im Notfall kannman entweder das Medikament wieder ansetzen oder auf Fluoxetin umsetzen.

Pringsheim T, Kelly M, Barbui C. Stopping

antidepressants following depression. BMJ

2016; 352: i220

Gabriel M, Sharma V. Antidepressant discon-

tinuation syndrome. CMAJ 2017; 189: E747

Abbildung 1 Vorgehensweise beim Absetzen von Antidepressiva. Aus [Pringsheim, Kelly, Bar-

bui 2016]. Übersetzung Michael M. Kochen.

Orthorexie (Zwang, richtig zu essen): eine neue Ess-StörungOrthorexia (Coercion to “Eat Right”): A New Eating Disorder

„Die Menschheit isst seit Tausenden von

Jahren. Ohne Experten. Und nun plötzlich

erheben wir die Frage, was man isst, zur

Wissenschaft. Und sind auf Experten ange-

wiesen, die unser Essen in Träger von guten

und schlechten Stoffen einteilen. Momen-

tan ist Gluten der Bösewicht, lange Zeit wa-

ren es Fett oder Zucker. Fast jeden Tag wird

eine neue böse Ingredienz ausgemacht. Wir

bekommen Angst vor unserem Essen. Und

das lädt Konzerne ein, uns mit Marketing-

tricks an der Nase herumzuführen“.

Diese Sätze stammen von Michael Pollan, einem amerikanischen Journa-listen, der als Professor an der Graduate

School of Journalism der University of Cali-

fornia, Berkeley lehrt. y

Als ihn die Spiegel-Journalistin Kers-tin Kullmann (www.spiegel.de/spiegel/print/d-143711887.html) fragt, ob der Wunsch vieler Menschen, sich gesund zu ernähren, unsinnig sei, antwortet Pollan: Es gäbe ja viele Gründe, zu essen (wie z.B. die Freude daran, das Miteinander, die

kulturelle Identität), dass aber aus dem Zwang, richtig zu essen, mittlerweile schon eine neue Ess-Störung entstanden sei: Orthorexie. Laut Wikipedia eine Essstörung, bei der die Betroffenen ein auffallend ausgeprägtes Verlangen da-nach haben, sich möglichst „gesund“ zu ernähren. Die Existenz eines solchen Krankheitsbildes würde jedoch „vielfach

bestritten und sei in der wissenschaftlichen

Medizin nicht anerkannt ...“.Mahlzeit!

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Blutdrucksenkung bei Diabetikern: ACE-Hemmer/Sartane anderen Medikamenten nicht überlegenBlood Pressure Reduction in Diabetic Patients: ACE-Inhibitors/Sartans Not Better than Other Drugs

Über 50 % aller Diabetiker leiden unter einer arteriellen Hypertonie, die aber nur bei der Hälfte dieser Patienten ange-messen unter Kontrolle ist. Anfang 2016publizierten zwei Autor/innen im BMJ

einen Artikel, der sich mit der Hoch-drucktherapie bei multimorbiden Pa-tienten beschäftigte. Die Verfasser bezo-gen sich dabei auf die jeweils letzten Empfehlungen des britischen National

Institute for Health and Care Excellence

(NICE).Unter der Annahme, ACE-Hemmer

bzw. Sartane (kurz Renin-Angiotensin-oder RAS-Hemmer) hätten neben ihrerblutdrucksenkenden auch noch eine spe-zifisch kardio- und nierenprotektive Wir-kung, empfiehlt das NICE als Medika-ment der ersten Wahl bei (nicht-schwarzen) Patienten einen ACE-Hemmer, bei Unverträglichkeit ein Sar-rtan (z.B. Losartan). Solche Ratschläge be-schränken sich keineswegs auf das Ver-einigte Königreich. Auch in anderen inanderen Ländern führen Leitliniengleichlautende Empfehlungen auf.

Offizielle Statements renommierter Institutionen. Alles klar?

Nein, meint ein New Yorker Auto-renteam einer Metaanalyse. ACE-Hem-mer bzw. Sartane seien zur Blut-drucksenkung bei Diabetikern an-deren Medikamenten (wie Beta-blockern, Diuretika oder Calcium-antagonisten) in keiner Weise überlegen.

Die Verfasser durchsuchten die gro-ßen medizinischen Datenbanken Pub-Med, Embase und das Cochrane-Zen-tralregister. In die Metaanalyse einge-schlossen wurden 19 randomisierte, kontrollierte Studien mit insgesamt25.414 Patienten.

Bei keinem der gewählten End-punkt-Kriterien� �Gesamtmortalität,� � kardiovaskulärer Tod,� Myokardinfarkt,� pektanginöse Beschwerden,� Herzinsuffizienz,� Revaskularisierung,� � terminale Niereninsuffizienz

gab es signifikante Unterschiede zwi-schen RAS-Hemmern und Diuretika,Calciumantagonisten oder Betablo-ckern. Dies lässt sich in Abbildung 1 guterfassen.

Das Studiendesign sah allerdingsvor, dass nur solche Arbeiten aufgenom-men wurden, in denen es um Vergleichezwischen den verschiedenen Antihyper-tensiva ging. Damit waren alle placebo-kontrollierten Studien ausgeschlossen,deren Ergebnisse man theoretisch auchmiteinander hätte vergleichen können.

Zudem lehnten die Autoren eine Ver-dopplung des Serumkreatinins als zu weichen Surrogatmarker für eine termi-nale Niereninsuffizienz ab.

Wie auch immer man zu diesen me-thodischen Details stehen mag: Die Er-gebnisse sind (was vielen von Ihnen be-kannt sein dürfte) keineswegs ganz neu. Bereits vorher hatten� die Europäischen Gesellschaften für

Kardiologie und Hypertonie (2013; http://eurheartj.oxfordjournals.org/content/34/28/2159.long)

Abbildung 1 Outcomes with renin angiotensin system (RAS) blockers compared with calcium

channel blockers/diuretics/beta blockers in people with diabetes

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und der achte Bericht des US Joint Na-

tional Committee on Prevention, Evalua-

tion and Treatment of High Blood Pressure (2014; http://jama.jamanetwork.com/article.aspx?articleid=1791497)

empfohlen, Diabetiker ohne Bevor-zugung eines bestimmten Medika-mentes mit jeder der verfügbaren antihypertensiven Substanzen zu behandeln.

Bangalore S. Fakheri R, Toklu B, Messerli FH. Diabetes mellitus as a compelling indication for use of renin angiotensin system blockers: systematic review and meta-analysis of randomized trials. BMJ 2016; 352: i438. Frei verfügbar unter: www.bmj.com/content/352/bmj.i438

Blutdruckmessung per App: Hochgradig ungenauBlood Pressure Measurement via App: Highly Inaccurate

Wahrscheinlich ist es für viele unter Ih-nen keine Neuigkeit, dass man über be-stimmte Apps den Blutdruck mit einem Smartphone messen kann.

Die App „Instant Blood Pressure“ (IBP; Hersteller: Aura Life) gab es zwi-schen der Markteinführung am 5. Juni 2014 und dem Marktaustritt am 30. Juli 2015 für 4,99 USD zu kaufen. In diesem Zeitraum zählte die App 156 Tage lang zu den 50 populärsten iphone-Program-men: An jedem der 156 Tage wurde die App 950-mal verkauft. Ergibt nach Adam Riese einen Betrag von 739.518 USD. Noch nicht mal eine schlappe Million, Peanuts ...

Berichten wollte ich aber nicht von dem Reibach, den die Hersteller mit die-ser App erzielt haben, sondern vom Nut-zen für die Käufer. Ein Autorenteam von der Johns Hopkins University School of

Medicine hat die Messgenauigkeit des Programms an 101 Teilnehmern getestet (Entschädigung pro Person: 5 USD). Das Ergebnis muss man nicht ausführlich er-läutern: Die Messungen waren hochgradig

ungenau (mittlerer Unterschied zu einem geeichten Gerät systolisch 12,4 mmHg und diastolisch 10,1 mmHg).

In einem Leserbrief versuchten die App-Entwickler, sich mit – pardon – an den Haaren herbeigezogenen, methodi-schen Argumenten zu wehren. Die an-gesprochenen Autoren der Studie wider-legten nicht nur diese „Beweisführung“, sondern setzten noch eins drauf – keine gute Werbung für das Softwarepro-gramm ...

Plante TB, Urrea B, MacFarlane ZT, et al. Validation of the Instant Blood Pressure smartphone App. JAMA Intern Med 2016; 176: 700702

Archdeacon R, Schneider R, Jiang Y. Criti-cal flaws in the validation of the Instant Blood Pressure smartphone App – a letter from the App developers. JAMA Intern Med 2016; 176: 1410

Plante TB, Appel LJ, Martin SS. Critical flaws in the validation of the Instant Blood Pressure smartphone App – a letter from the App developers – reply. JAMA Intern Med 2016; 176: 1410–1411

Studie und Briefaustausch sind frei verfügbar unter: https://jamanetwork.com/journals/ jamainternalmedicine/fullarticle/ 2492134?resultClick=1 undhttps://jamanetwork.com/journals/ jamainternalmedicine/fullarticle/ 2545999?resultClick=1

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Überkreuzspende von Organen: Plädoyer für eine GesetzesänderungCross Donation of Organs: Plea For a Change in Legislation

Nicht nur in Deutschland gibt es an-wachsende Listen von Patienten, die auf eine Organtransplantation warten. Zu-nehmende Akzeptanz erfährt in dieser Situation die Lebendspende durch Ehe-partner/innen und Verwandte – Per-sonen, die sich „in besonderer persönli-cher Verbundenheit offenkundig nahe-stehen“, wie es im Transplantations-gesetz heißt (detaillierte Informationen zur Lebendspende unter www.organspende-info.de/organ-und-gewebespende/arten/lebendspende).

In Deutschland verboten sind hin-gegen sog. „Nierentauschprogramme“ oder „Überkreuzspenden“: Unter der Annahme, dass die Niere eines Eltern-

teils dem eigenen Kind wegen Inkom-patibilität nicht gespendet werden kann und die identische Situation in einer an-deren Familie besteht (aber Verträglich-keit vice versa gegeben wäre), könnten mit einer „Überkreuzspende“ beiden Kindern geholfen werden. Im Gegensatz zu Deutschland ist dies ist in anderen

Ländern wie z.B. in Australien, Belgien, England, Italien, Niederlande, Polen, Portugal, Schottland, Schweden, Spa-nien, Südkorea, Rumänien, Türkei oder den USA gestattet.

Ein Artikel von Axel Ockenfels (Pro-fessor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Köln) und Thomas Gutmann (Professor für Rechtswissen-schaft an der Universität Münster) in der Süddeutschen Zeitung ist ein – aus meiner Sicht sehr berechtigtes – Plädoyer für eine Gesetzesänderung. „Nieren-tausch in Zeiten des Mangels“ ist frei verfügbar unter www.sueddeutsche. de/wirtschaft/forum-nierentausch-in-zeiten-des-mangels-1.2904824.

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12 ORIGINALARBEIT / ORIGINAL PAPER

Diagnostik und Versorgung der Demenz – eine Herausforderung für die HausarztmedizinDementia Diagnosis and Care – a Challenge for Family MedicineJulian Wangler1, Andreas Fellgiebel2, Christina Mattlinger1, Michael Jansky1

1 Zentrum für Allgemeinmedizin und Geriatrie, Universitätsmedizin Mainz 2 Forschungssektion Altern und Neurodegeneration, Demenz; Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsmedizin Mainz Peer reviewed article eingereicht: 22.07.2017, akzeptiert: 04.08.2017 DOI 10.3238/zfa.2018.0012–0016

Hintergrund: Nur wenige Arbeiten untersuchten bis-lang, weshalb Demenzerkrankungen in der hausärztlichen Versorgung oft erst im fortgeschrittenen Stadium fest-gestellt werden. Es ist davon auszugehen, dass die Ursa-chen hierfür vielschichtig sind und von einer Reihe mit-einander interagierender Einflussfaktoren abhängen. Methoden: Die vorliegende Studie basiert auf 35 quali-tativen Einzelinterviews mit Hausärzten in Rheinland-Pfalz, die zwischen Februar und Mai 2017 geführt wurden (Dauer: 35 bis 90 Minuten). Im Zuge einer indikator-gestützten Typenbildung sollen verschiedene Verhaltens-muster bei der Erkennung und Betreuung von Demenz-patienten identifiziert werden.Ergebnisse: Aus dem Datenmaterial ließen sich fünf Ty-pen extrahieren, die sich mit Blick auf das hausärztliche Selbstverständnis und den Umgang mit Demenzpatienten unterscheiden. Beim größten Teil des Samples über-wogen Skepsis und Zurückhaltung in Bezug auf das The-ma Demenz. Ein Drittel der befragten Ärzte zeigten hin-gegen ein hohes Maß an Engagement und Initiative, um insbesondere die Früherkennung in der eigenen Praxis zu stärken. Verschiedene Good-Practice-Beispiele lassen sich aufzeigen. Schlussfolgerungen: Aus der Analyse der gebildeten Typen gehen vier Ansatzpunkte hervor, auf deren Grund-lage sich die hausarztbasierte Demenzfrüherkennung und Demenzversorgung weiter optimieren ließe. Im Einzelnen handelt es sich um 1) Selbstwirksamkeit, 2) Differenzial-diagnostik und Behandlungspfade, 3) Arzt-Patient-Kom-munikation sowie 4) Honorierung und Anreize.

Schlüsselwörter: Demenzversorgung; Hausarzt; Demenzdiagnostik; Früherkennung; Wahrnehmungs- und Handlungsmuster

Background: Only a few studies have investigated why dementia is usually diagnosed at an advanced stage in primary care. It can be assumed that the causes are com-plex and depend on a series of interacting influencing factors.Methods: The study is based on 35 qualitative individual interviews with family practitioners in Rhineland-Palatinate which were conducted between February and May 2017 (duration: 35 to 90 minutes). With the help of an indi-cator-based typification various behavioral patterns should be identified with respect to the recognition and care of dementia.Results: Five types could be extracted which differ as to the self-conception of the doctor and his interaction with dementia patients. The largest part of the sample was characterized by a skeptical and reserved attitude towards the topic of dementia. A third of the physicians surveyed showed a high degree of commitment and initiative in order to improve the early detection in their own FP sur-gery. Various good practice examples can be shown.Conclusions: With the help of the extracted types, four starting points can be identified to further optimize the FP dementia diagnoses and care: 1) self-efficacy, 2) differ-ential diagnosis and care pathways, 3) doctor-patient communication, 4) remuneration and incentives.

Keywords: dementia care; family practitioner; dementia diagnosis; early detection; attitudes and perceptions

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Wangler et al.:Diagnostik und Versorgung der Demenz – eine Herausforderung für die HausarztmedizinDementia Diagnosis and Care – a Challenge for Family Medicine

Hintergrund

Hausärzte haben eine bedeutende Rolle bei der Demenzversorgung. Gerade All-gemeinmediziner sind in einer guten Position, kognitive Veränderungen bei meist langjährigen Patienten früh fest-zustellen [1]. Dennoch wird immer wie-der auf Mängel bei der frühzeitigen Er-kennung leichter Demenzstadien in der hausärztlichen Versorgung hingewiesen [2]. So wird angeführt, dass Hausärzte oft keine oder nur eine verspätete De-menzdiagnose stellen [3], die Aus-schlussdiagnostik teils unvollständig durchführen [4], nicht immer angemes-sene Kenntnisse über Leitlinien, Diag-nostik und Behandlungsoptionen auf-weisen [5] und es vorziehen, sich auf die Zuweiserrolle an Fachspezialisten zu be-schränken [6].

Welche Ursachen existierende Pro-bleme bei der hausärztlichen Demenz-früherkennung haben, wird aus den zu-meist quantitativen Untersuchungen kaum ersichtlich [7]. Qualitativ aus-gerichtete Studien konnten nachwei-sen, dass Zeitdruck und Ressourcen-knappheit sowie geringe Wirksamkeits-erwartungen [8] Hürden für die rechtzei-tige Identifizierung von Demenzpatien-ten darstellen. Zudem werden als Erklä-rung für eine verzögerte oder ausblei-bende Diagnose eine Einordnung der Symptome als normale Alterungszei-chen sowie die Sorge vor einer Stigmati-sierung des Patienten herangezogen [9].

Trotz verschiedener Erkenntnisse mangelt es nach wie vor an Unter-suchungen, welche die Einstellungs- und Handlungsmuster von Allgemein-

medizinern herausarbeiten und, davon ausgehend, entscheidende Einflussfak-toren auf das hausärztliche Vorgehen bei Demenz bestimmen.

Die Studie verfolgte das Ziel, ein um-fassendes Bild über zentrale Prädikato-ren für die Wirksamkeit und Qualität der hausärztlichen Demenzfrüherkennung zu generieren. Früherkennung bedeutet, spätestens ab dem Zeitpunkt der Vermu-tung alltagsrelevanter kognitiver Beein-trächtigung zur Diagnostik zu motivie-ren, zum Facharzt oder zur Gedächt-nisambulanz zu überweisen oder selbst Diagnostik durchzuführen [6].

Methoden

Auf Grundlage eines teilstandardisier-ten Leitfadens wurden von der Abtei-lung Allgemeinmedizin der Univer-sitätsmedizin Mainz im Frühjahr 2017 35 persönliche Interviews mit All-gemeinmedizinern in Rheinland-Pfalz geführt (Dauer: 35 bis 90 Minuten) und ausgewertet. Die Rekrutierung erfolgte mittels vordefinierter Quotierungs-merkmale (Tab. 1). Es wurde auf eine breite geografische Verteilung der Pra-xen geachtet. Die Kontaktaufnahme er-folgte telefonisch oder per Email. Die Transkripte wurden im Team unter Ver-wendung der Software MAXQDA aus-gewertet. Die Befragungsdimensionen (Tab. 1) wurden sowohl deduktiv (v.a. unter Zuhilfenahme des Überblicks von Pentzek/Abholz [2]) als auch induktiv im Zuge erster Gespräche abgeleitet. Ei-gene Einstellungen oder Vorerfahrun-gen flossen dabei nicht ein. Tabelle 1

zeigt die Zusammensetzung des Sam-ple.

Um das Selbstverständnis der be-fragten Ärzte sowie deren Verhaltens-muster im Zusammenhang mit der Er-kennung und Betreuung von Demenz-patienten prototypisch zu verdichten, wurden im Zuge der Auswertung Typen als Ergebnis eines Gruppierungsprozes-ses gebildet. Dabei wurde den Regeln der qualitativen Typenbildung nach Kluge gefolgt [10]. Als Indikatoren dienten die aufgeführten Befragungsdimensionen.

Ergebnisse

Aus dem Interviewmaterial wurden fünf abgrenzbare Typen extrahiert:• Typ 1: Die Delegierer (5 Befragte)• Typ 2: Die Resignativen (7 Befragte)• Typ 3: Die Gehemmten (11 Befragte)• Typ 4: Die kreativen Autonomen (5 Be-

fragte)• Typ 5: Die Integrativen (7 Befragte)

Die Mehrheit der befragten Hausärzte begegnet dem Thema Demenz zurück-haltend (Typ 1 bis 3). Tendenziell über-geben sie Demenzpatienten möglichst früh an andere Versorgungsakteure. Le-diglich ein Drittel des Samples (Typ 4, 5) steht dem Krankheitsbild Demenz er-kennbar aufgeschlossen und mit positi-ven Wirkungsüberzeugungen gegen-über.

Typ 1: Die Delegierer

Dem eigenen Selbstverständnis nach sind die Delegierer prinzipiell nicht für

Tabelle 1 Befragungsschwerpunkte und Soziodemografie der Befragungsstichprobe (N = 35)

Befragungsdimensionen (Indikatoren)

Niederlassungsform

Praxisumgebung

Status

Alter

Geschlecht

Anteil älterer Patienten*

Vorkenntnisse/Qualifikation im Bereich Demenz

* Es wurde nach der eigenen Einschätzung gefragt, ob der Anteil von Patienten ab 65 Jahren höher, niedriger oder in etwa genau so hoch liegt wie im Durchschnitt der Hausarztpraxen in Rheinland-Pfalz.

Einstellungen zum Krankheitsbild Demenz, fachlich-diagnostische Kenntnisse, Einsatz und Beurteilung bestehender Testverfahren, Kommunikation mit Patienten und Angehörigen, Praxismanagement, Vernetzung mit Versorgungsakteuren, erlebte Herausforderungen, subjektive Wirksamkeitsannahmen bzw. -erfahrungen

19 Gemeinschaftspraxis, 16 Einzelpraxis

16 Landgemeinde/Kleinstadt, 8 Mittelstadt, 11 Großstadt

29 Praxisinhaber, 6 angestellte Ärzte

Ø 50 Jahre

22 männlich, 13 weiblich

14 durchschnittlich, 11 höher, 10 niedriger

5 Fortbildung, 3 regelmäßige Teilnahme an Qualitätszirkeln, 3 geriatrische Weiterbildung

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Wangler et al.:Diagnostik und Versorgung der Demenz – eine Herausforderung für die HausarztmedizinDementia Diagnosis and Care – a Challenge for Family Medicine

die abklärende Erkennung und Betreu-ung von Demenzpatienten zuständig, sondern der Facharzt. Die eigene Aufga-be wird darin gesehen, Patienten mög-lichst rasch an den Neurologen oder (Geronto-)Psychiater zu überweisen. Oft geschieht dies bereits bei einem all-gemeinen, unspezifischen Verdacht oh-ne weitere Abklärung.

Die Delegierer sind in größeren Städ-ten vertreten, wo ein entsprechendes Netzwerk an Fachärzten und klinischen Angeboten (z.B. Gedächtnisambulanz) besteht. Oftmals wurde die Demenz-diagnostik in der eigenen Praxis stark zurückgefahren oder gänzlich abge-schafft, da grundsätzlich keine Veranlas-sung gesehen wird, Demenztests selbst durchzuführen.

„Der Verdacht kommt oft ohne einen

speziellen Test. Sobald der da ist, schalte ich

den Neurologen ein.“ (m)

Typ 2: Die Resignativen

Auch der Typus der Resignativen ist in punkto Demenzversorgung zurückgezo-gen. Die Ursachen hierfür liegen in äu-ßerst negativen Wirksamkeitsüberzeu-gungen. Teilweise aufgrund ärztlicher Ohnmachtserfahrungen sehen die Be-fragten den Hausarzt bei der Betreuung von Demenzpatienten als chancenlos. Viele Ärzte betrachten diese Selbstwirk-samkeit ausschließlich von der unmit-telbaren medikamentösen Therapieseite her.

„Man kann versuchen, etwas als The-

rapie anzustreben, aber man darf keine ho-

hen Ansprüche haben, weil man denen so-

wieso nicht gerecht wird.“ (m)Die Befragten sehen nahezu keine

Vorteile einer Früherkennung. Da davon ausgegangen wird, dass Demenzen nicht behandelbar seien, sei nicht nur eine Diagnose überflüssig – die Ge-sprächspartner leiten sogar ab, dass De-menz als Krankheitsbild grundsätzlich nicht richtig in der hausärztlichen Pra-xis aufgehoben sei.

„Ich sehe keine nennenswerten Effekte –

folglich muss ich mich mit dem Thema

auch nicht über Gebühr beschäftigen.“ (w)Infolgedessen neigen die Resignati-

ven dazu, die Demenzdiagnostik in ihrer Praxis einzustellen oder auf ein Mini-malrepertoire (z.B. Uhrentest) zu redu-zieren. Wie auch im Fall der Delegierer ziehen die Befragten es vor, Patienten mit einem undifferenzierten Demenz-

verdacht möglichst rasch beim Facharzt vorzustellen.

Zwei Faktoren lassen sich aus-machen, die die hohe Verunsicherung hinsichtlich des Umgangs mit Demenz-patienten verstärken. Erstens wird arti-kuliert, die Ausschlussdiagnostik sei un-ter Bedingungen alltäglichen Zeitdrucks nur schwer zu leisten. Oft sei es nicht möglich, einen normalen degenerativen Alterungsprozess sicher von einer Al-tersdepression, Demenz oder Alzhei-mer-Erkrankung abzugrenzen.

„Wir würden uns nicht zutrauen, diese

Differenzialdiagnose zu leisten.“ (m)Zweitens wird das Nicht-Vorhan-

densein gesicherter Behandlungspfade bzw. -algorithmen als großes Problem erachtet, das im Praxisalltag die Orien-tierung erschwere.

„Da ist man schnell verloren, weil es

kein richtiges Verhaltens- und Orientie-

rungsschema gibt.“ (m)

Typ 3: Die Gehemmten

Der Typus der Gehemmten bildet inner-halb des Samples die größte Gruppe. Diese Ärzte fallen durch eine erhebliche Reserviertheit im Umgang mit Demenz-patienten auf, da sie befürchten, deren Betreuung könnte sich nachteilig oder belastend auf sie auswirken.

Nach Ansicht der Befragten ist die Honorierung von demenzbezogenen diagnostischen und Betreuungsleistun-gen so schlecht, dass sie in keinem Ver-hältnis zu Aufwand und Herausforde-rungen stehe. Nicht wenige Ärzte spre-chen von einem Gefühl mangelnder Anerkennung, das durch Sorgen vor ei-ner möglichen Wirtschaftlichkeitsprü-fung (z.B. Regressforderungen bei An -tidementiva-Verschreibung) verstärkt wird.

„Bei Demenz fehlen mir die wirtschaft-

lichen Anreize, warum ein Hausarzt sich

damit befassen sollte.“ (m)Als häufigste Ursache für eine Zu-

rückhaltung wird das Arzt-Patienten-Verhältnis genannt. Der Umgang mit Patienten sei häufig schwierig, wenn es z.B. darum geht, einen Demenzverdacht oder eine -diagnose zu formulieren. Der Patient wolle sich den geistigen Abbau aus Angst vor einem Verlust der Ent-scheidungsautonomie oft nicht einge-stehen und reagiere abwehrend, depres-siv, aggressiv oder mit sozialem Rück-zug.

Vereinzelte Ärzte räumen ein, dass sie schlechte Testleistungen schon auf die Tagesform oder Persönlichkeit bezo-gen haben, weil sie eine unkooperative Reaktion der Patienten befürchteten. Zudem führten die bestehenden Testver-fahren dazu, dass Patienten in eine Prü-fungssituation versetzt und erst recht verunsichert würden.

„Diese Tests setzen nur unter Druck.

Am Ende vergraule ich mir meine Patien-

ten.“ (m)

Typ 4: Die kreativen Autonomen

Im deutlichen Kontrast zu den ersten drei Typen stehen die Typen vier und fünf, deren Merkmale eindeutig positive Selbstwirksamkeitsüberzeugungen in Bezug auf Demenz sind.

Die kreativen Autonomen begreifen den Hausarzt als maßgebliche Instanz zur Identifikation, Betreuung und The-rapie von Demenzpatienten. Teilweise speist sich dieses Selbstverständnis aus schlechten Erfahrungen hinsichtlich der Zusammenarbeit mit Fachärzten, zu denen Distanz eingenommen wird.

„Die meisten Patienten betreuen wir

ganz ohne Neurologen.“ (m)Die gängigen Tests werden als pro-

blematisch eingestuft, da diese nicht ge-eignet seien, um eine beginnende De-menz aufzuspüren. Zudem seien die Fra-gen vielfach anwendungsfern.

„Dinge aus dem Alltag kommen zu sel-

ten vor. Kochen Sie noch selbst? Ist es Ihnen

schon mal passiert, dass der Herd an geblie-

ben ist?“ (m)Unter der Voraussetzung, neue An-

sätze bei Diagnose und Therapie aus-zuprobieren, werden beträchtliche Ein-wirkungsmöglichkeiten sowie ein gro-ßer Nutzen der Früherkennung gesehen. Die kreativen Autonomen sind bereit, über die bestehenden Demenz-Leitlini-en hinauszugehen, besonders mit Blick auf ein präventives Screening, das in den Leitlinien nicht empfohlen wird [11].

Folgende Ansätze zur stärkeren Ver-ankerung der Demenz(früh)erkennung sind zu beobachten:• Systematisches Screening bei älteren

Patienten jenseits eines konkreten Ver-dachts und konsequente Verlaufskon-trolle

• Regelmäßige Einbeziehung der Ange-hörigen als ergänzendes Screening-In-strument

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Wangler et al.:Diagnostik und Versorgung der Demenz – eine Herausforderung für die HausarztmedizinDementia Diagnosis and Care – a Challenge for Family Medicine

• Eigenständige Erweiterung bzw. Modi-fikation bestehender Tests (teils auf Grundlage eines Erfahrungsaustau-sches mit anderen Hausärzten), um mehr Anwendungsnähe und Patien-tenfreundlichkeit herzustellen

• Entwicklung und Implementierung er-gänzender Früherkennungsindikato-ren (z.B. Ausfüllen von Stimmungsfra-gebögen in eingerichteter Gesund-heitsecke, subtile Testfragen des Perso-nals)

Typ 5: Die Integrativen

Die Integrativen zeichnen sich durch ein Selbstverständnis der internen und externen Vernetzung aus. Diese Gruppe ist der Überzeugung, dass der Hausarzt nur unter der Voraussetzung einer in-tensiven Kooperation mit anderen Kräf-ten eine effektive Früherkennung errei-chen könne.

Ähnlich wie bei den kreativen Auto-nomen wird aufgrund von Vorbehalten gegenüber der Praktikabilität und An-wendungsfreundlichkeit bestehender Demenztests über Wege nachgedacht, die Demenzdiagnostik durch eigene An-strengungen zu ergänzen. Eine wesentli-che Strategie besteht in der massiven Einbeziehung des Personals in die Früh-erkennung von Demenzpatienten.

„Mein Ideal ist eine Praxis, wo alle mit-

wirken und nicht der Hausarzt allein

agiert.“ (m) Es besteht eine große Bereitschaft, in

die Kompetenzen der Arzthelfer/innen zu investieren, etwa durch regelmäßige Fortbildungen. Zudem wird Wert darauf gelegt, Voraussetzungen zu schaffen, durch die das Personal eine möglichst große Aufmerksamkeit für die Patien-tenschaft hat (u.a. regelmäßiger Wech-sel der Arbeitsstationen).

Die Integrativen räumen dem Perso-nal eine aktive Mitsprache bei der Aus-gestaltung der Früherkennung ein. Eine gemeinsam ausgearbeitete Lösung be-steht etwa darin, dass das Personal im Fall von Verhaltensauffälligkeiten bei äl-teren Patienten (z.B. mehrfache Bestel-lung eines Rezepts, Nicht-Erscheinen zum Termin) systematische Notizen in der Patientenakte vermerkt. Ferner ist das Personal angewiesen, routinemäßig Gespräche mit Patienten und Angehöri-gen zu führen.

Die Integrativen gehen davon aus, dass man Demenz nur im dynamischen

Zusammenhang wirksam aufhalten könne, also unter Einbeziehung von Be-wegungstraining, Muskelaufbau, För-derung sozialer Kontakte und Unterstüt-zung der Angehörigen. Vor diesem Hin-tergrund besteht eine intensive Zusam-menarbeit mit lokalen Versorgungs-akteuren, darunter Pflegestützpunkte, Demenz-Netzwerke, Physiotherapeuten und Fachärzte.

Diskussion

Die Ergebnisse fügen sich in die beste-hende Befundlage ein, dass trotz der günstigen Position von Hausärzten, ko-gnitive Veränderungen von Patienten rechtzeitig zu erkennen, vielfältige Hin-dernisse bestehen [6]. Dabei häufen sich bestimmte Problemmuster, die als Bar-rieren der Effektivität der Früherken-nung entgegenwirken:• Selbstwirksamkeit: Bereits frühere Ar-

beiten wie jene von Wagner/Abholz [12] deuten darauf hin, dass Ärzte bei der Demenzversorgung eine mangeln-de therapeutische Konsequenz und Selbstwirksamkeit wahrnehmen. In-folgedessen gibt es eine Tendenz, den Wert der Demenzdiagnostik infrage zu stellen [7].

• Differenzialdiagnostik und Behand-lungspfade: Ein Teil der Befragten gibt an, dass sich die differenzialdiagnosti-sche Abklärung unter den Bedingun-gen von Zeit- und Kostendruck heraus-fordernd gestalte. Nicht nur in dieser Studie, sondern auch bei Pentzek/Wollny [3] und Stübner/Kötter [13] fal-len Unsicherheiten bei der Abgren-zung einer Demenz von anderen For-men kognitiver Beeinträchtigungen auf, verstärkt durch Unklarheiten im diagnostischen und therapeutischen Ablauf.

• Arzt-Patienten-Kommunikation: Wolf/ Weber [14] sehen eine potenziell kon-fliktlastige Rollenkonstellation im Umgang mit Demenzpatienten, die Allgemeinmediziner zu vermeiden su-chen. Infolgedessen kommen De-menztests eher einzelfallabhängig zur Anwendung. Dies bestätigt auch die vorliegende Befragung.

• Honorierung und Anreize: Viele Haus-ärzte sehen bislang zu geringe Anreize, die Demenzdiagnostik konsequent einzusetzen. Realistische Befürchtun-gen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung

bewirken zudem, dass indizierte Anti-dementiva nicht immer verschrieben werden [11].

Stärken und Schwächen

Die qualitative Befragung von All-gemeinmedizinern weist mehrere Limi-tationen auf:• Begrenzte Fallzahl• Regionaler Rekrutierungsschwerpunkt• Möglichkeit, dass verstärkt Hausärzte

teilgenommen haben, die ein Interesse am Thema haben

Schlussfolgerungen

Folgende Ansatzpunkte für eine Opti-mierung der hausärztlichen Demenz-diagnostik lassen sich aus den Befunden ableiten:• Hausärzte sollten darin bestärkt wer-

den, dass der Wert einer frühzeitigen Demenzerkennung nicht nur hin-sichtlich einer therapeutischen Inter-vention besteht, sondern auch eine ge-lingende Versorgung vorbereiten und eine Stabilisierung von Angehörigen sicherstellen kann.

• Ein stärker hausarztkonformer Diag-nose- und Therapiealgorithmus für den Umgang mit Demenzpatienten würde Allgemeinmediziner unterstüt-zen, Symptome zielgerichtet abzuklä-ren.

• Stabilisierende Strategien in der Ge-sprächsführung mit Patienten und An-gehörigen dürfen als wichtige Kom-petenzen bei der Demenzdiagnose nicht unterschätzt werden [6, 15].

• Erwogen werden sollte, die Ver-gütungsbedingungen der hausärzt-lichen Demenzdiagnostik durch Schaffung entsprechender Abrech-nungsziffern aufzuwerten.

Bei einem Teil der Befragten wird das enorme Potenzial der hausärztlichen Versorgung erkennbar. Hervorstechen-de Merkmale sind u.a. ein integratives Selbstverständnis und das Bestreben, über ein optimiertes Praxismanagement und innovative Früherkennungsindika-toren eine rechtzeitige Erfassung von be-troffenen Patienten zu erreichen. Zen-tral erscheint die aktive Förderung, Mo-derierung und Mitsprache des Personals.

Angesichts solcher Potenziale ist grundsätzlich zu diskutieren, ob das ak-

■ © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2018; 94 (1)

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Wangler et al.:Diagnostik und Versorgung der Demenz – eine Herausforderung für die HausarztmedizinDementia Diagnosis and Care – a Challenge for Family Medicine

Dr. phil. Julian Wangler

Zentrum für Allgemeinmedizin und Geriatrie

Universitätsmedizin Mainz

Am Pulverturm 13

55131 Mainz

Tel.: 06131 17-8712

[email protected]

Korrespondenzadresse

tuelle Konzept der Früherkennung (wie es meistens von Fachspezialisten vertre-ten wird), in der Hausarztpraxis nicht um ein Konzept der Frühwahrnehmung erweitert werden sollte. In diese Rich-tung weist eine aktuelle Metasynthese von qualitativen Studien: Ihr zufolge sollte eine solche Frühwahrnehmung v.a. bei einem gesteigerten Bewusstsein für kognitive Warnsignale unter Praxis-angestellten, einer geriatrisch kom-petenten und persönlichen Heran-gehensweise an den Patienten sowie ei-

ner konsequenten Nachbeobachtung bzw. Verlaufskontrolle ansetzen [16]. Der Aufrechterhaltung alltäglicher Le-bensqualität sowie der Unterstützung und Pflege sollte ein größerer Stellen-wert eingeräumt werden.

Die Zusammenarbeit zwischen Hausärzten und anderen Versorgungs-akteuren sollte daher weiter gestärkt werden [17]. Indem Patienten und An-gehörige rechtzeitig an regionale Bera-tungs- und Versorgungsnetzwerke he-rangeführt werden, kann ein entschei-

dender Beitrag etwa zur Reduktion des Burnout-Risikos pflegender Angehöriger [15] geleistet werden.

Interessenkonflikte: keine angege-ben.

Zusätzliches Material auf der Website der ZFA (www.online-zfa.de)

eAbbildung 1 Befragungsleitfaden

eAbbildung 2 Kurzfragebogen

1. Linden M, Horgas AL, Gilberg R, Stein-hagen-Thiessen E. Predicting health ca-re utilization in the very old: the role of physical health, mental health, attitu-dinal and social factors. J Aging Health 1997; 9: 3–27

2. Pentzek M, Abholz HH. Das Übersehen von Demenzen in der Hausarztpraxis. Der Stand der Forschung zu möglichen Einflussfaktoren. In: Essers M, Gerlin-ger T, Herrmann M et al. (Hrsg.). Jahr-buch für Kritische Medizin: Demenz als Versorgungsproblem. Berlin: Argu-ment Verlag; 2004: 22–39

3. Pentzek M, Wollny A, Wiese B, et al. Apart from nihilism and stigma: what influences general practitioners’ accura-cy in identifying incident dementia? Am J Geriatr Psychiatry 2009; 17: 965–75

4. Löppönen M, Raiha I, Isoaho R, Vahl-berg T, Kivelä SL. Diagnosing cogniti-ve impairment and dementia in pri-mary health care – a more active ap-proach is needed. Age Ageing 2003; 32: 606–12

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8. Boise L, Camicioli R, Morgan DL, Rose JH, Congleton L. Diagnosing dementia: perspectives of primary care physici-ans. Gerontologist 1999; 39: 457–64

9. Connell CM, Boise L, Stuckey JC Holmes SB, Hudson ML. Attitudes to-ward the diagnosis and disclosure of dementia among family caregivers and primary care physicians. Gerontologist 2004; 44: 500–7

10. Kluge S. Empirisch begründete Typen-bildung. Zur Konstruktion von Typen und Typologien in der qualitativen So-zialforschung. Opladen: Leske und Bu-drich; 1999

11. Melchinger H. Alzheimer-Demenz. Fortschritte in der Forschung, aber Sta-gnation in der Versorgung? Neuro-Transmitter 2009; 5: 10–20

12. Wagner G, Abholz HH. Diagnose und Therapiemanagement der Demenz in der Hausarztpraxis. Z Allg Med 2002; 78: 239–44

13. Stübner S, Kötter HU. Demenz und Depression. In: Hampel H, Padberg F, Möller H-J (Hrsg.). Alzheimer-Demenz. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlags-gesellschaft; 2003: 292–318

14. Wolf R, Weber S. Einflußfaktoren für eine verzögerte Erstdiagnose bei De-menzerkrankungen. Z Gerontol Geriatr 1998; 31: 209–221

15. Geschke K, Scheurich A, Schermuly I, Laux N, Böttcher A, Fellgiebel A. Haus-arztbasierte Demenzversorgung: Effek-tivität früher psychosozialer Beratung der Angehörigen. Dtsch Med Wochen- schr 2012; 137: 2201–2206

16. Pentzek M, Vollmar HC, Wilm S, Leve V. Putting dementia awareness into ge-neral practice: The CADIF approach. Z Gerontol Geriatr. 2017; 50 (Suppl 2): 44–47

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Literatur

… ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Allgemein-

medizin des Zentrums für Allgemeinmedizin und Geriatrie der

Universitätsmedizin Mainz. Sein Forschungsschwerpunkt liegt

im Bereich der empirischen Versorgungsforschung unter

besonderer Berücksichtigung der hausärztlichen Versorgung

sowie der Auswirkungen von eHealth und mHealth auf die

allgemeinmedizinische Tätigkeit und das Gesundheitssystem.

Dr. Julian Wangler …

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17DER BESONDERE ARTIKEL / SPECIAL ARTICLE

Telemedizin in der Hausarztpraxis – Aspekte der Kommunikation Telemedicine in Family Physicians’ Practices – Aspects of CommunicationAlexander Waschkau1, Raphael Allner2, Stefan Fischer2, Jost Steinhäuser1

Hintergrund

Nach wie vor herrscht Zurückhaltung in Bezug auf die Implementierung von te-lemedizinischen bzw. eHealth-Anwen-dungen in die hausärztliche Praxis. eHealth beschreibt den gesamten Ein-satz elektronischer Geräte in der medizi-nischen Versorgung [1]. Unter dem Oberbegriff eHealth wird auch Teleme-dizin verortet. Der Begriff Telemedizin subsummiert somit Versorgungskon-

zepte, bei denen medizinische Leistun-gen über räumliche Entfernungen oder mit Zeitversatz, unter Einsatz von Infor-mations- und Kommunikationstech-nologien, erbracht werden [2].

Hausarztteams finden sich einem stetig wachsenden Markt für telemedizi-nische Anwendungen ausgesetzt. Einige dieser Lösungen lassen eine Verbes-serung der Patientenversorgung erwar-ten, andere sind möglicherweise reine Geschäftsmodelle. Dabei sind es vor al-

lem Fragen nach den Investitionskos-ten, zur Evidenz der Qualität von Tele-medizin und zur Vergütung von teleme-dizinischen Leistungen, die die Praxen beschäftigen [3].

Mit dem Inkrafttreten des E-Health-Gesetzes im Oktober 2016, das die Grundlage für eine bundesweite Strate-gie zur Förderung dieses Themas in Deutschland schaffen sollte, und dem Startschuss für den Innovationsfonds Ende 2016, der bis 2019 insgesamt 300

1 Institut für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck 2 Institut für Telematik, Universität zu Lübeck Peer-reviewed article eingereicht: 11.10.2017, akzeptiert: 02.11.2017 DOI 10.3238/zfa.2018.0017–0021

Zusammenfassung: Im Bereich der Telemedizin haben viele Hausärzte Bedenken bei der Entscheidungsfindung, ob sich Telemedizin für den Praxisalltag eignet und somit implementiert werden sollte. Zu diesem Thema wurde ein Workshop auf dem 51. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) in Düsseldorf angeboten. In diesem Workshop wurde mit Hausärzten, Angehörigen anderer Gesund-heitsberufe sowie Studierenden über bisherige eigene Er-fahrungen zu bereits bestehenden Lösungen diskutiert so-wie Erwartungen und Bedürfnisse erhoben. Herausgestellt wurde der Aspekt der kommunikativen Komponente der Telemedizin, die in diesem Kontext als Erweiterung der Praxiskommunikation verstanden werden kann. Mehrheit-lich wurde eine – unter Datenschutzaspekten sichere – In-stant-Messaging-Anwendung zur Kommunikation in die hausärztliche Praxis hinein gewünscht. Der Bedarf, sich auch auf DEGAM-Ebene in der Zukunft über sinnvolle Lö-sungen im Bereich der Telemedizin auszutauschen, wurde deutlich. Dabei könnten Ansätze geschaffen werden, die dazu dienen, die aktuell vorhandene Lücke zwischen den Vorgaben des E-Health-Gesetzes und dem realen Stand der Umsetzung von telemedizinischen Lösungen in der Hausarztpraxis zu schließen.

Schlüsselwörter: Allgemeinmedizin; Telemedizin; eHealth; Kommunikation

Summary: Many family physicians have concerns about the suitability and implementation of telemedical sol-utions to everyday practice. A workshop was held on this topic at the 51st Congress of the German College of Gen-eral Practitioners and Family Physicians (DEGAM) in Düs-seldorf. In this workshop, practitioners, members of other health professions, as well as students, discussed their own experiences with already existing solutions. Expec-tations and needs of participants were inquired. During these discussions, the communicative component of tele-medicine was highlighted – an extension of the ability of the practice to communicate. The majority of workshop participants expressed the desire for an instant messaging application (safe data protection provided), for communi-cation with the practice. This workshop also identified the need to continue future discussions within DEGAM re-garding meaningful use and implementation of telemedi-cine. One objective of future discussions could include taking steps to address closing the current gap between regulations mandated by the e-health-law and practical implementation of telemedicine technologies within family physicians’ practices.

Keywords: family medicine; primary care; telemedicine; ehealth; communication

■ © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2018; 94 (1)

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Millionen Euro Förderung jährlich aus-schüttet, möchte die Bundesregierung u.a. eine „Verbesserung der Versorgung mithilfe von Telemedizin“ erreichen [4]. Das deutsche Telemedizinportal lis-tet derzeit 169 Projekte mit telemedizi-nischem Bezug auf. Den größten Teil der Vertragspartner dieser Projekte ma-chen Krankenkassen und Ministerien aus [5]. Diese Aktivitäten und Finanzie-rungsoptionen von Pilotprojekten im Bereich der Telemedizin scheinen aktu-ell noch nicht zu dem gewünschten Im-puls zur Implementierung in den Pra-xen zu führen.

Zeitgleich existiert die Chance, aus der Perspektive der an der Versorgung Beteiligten Impulse einzubringen, wel-che Anwendungen als sinnvoll erachtet werden. Daher fand in diesem Jahr zum zweiten Mal auf einem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Allge -meinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) ein Workshop mit dem Schwerpunkt Telemedizin in der haus-ärztlichen Praxis statt, mit dem Ziel, die hausärztliche Perspektive auf dieses Thema zu vertiefen. Fokus des Work-shops war es, die bisherigen Erfahrun-gen, Erwartungen und Bedürfnisse der Workshopteilnehmer zum Thema Tele-medizin zusammenzubringen und zu diskutieren.

Methode

Der auf 90 Min. angelegte Workshop startete mit einer Vorstellungsrunde, in der die Teilnehmer auch über ihre Erfahrungen mit dem Thema Teleme-dizin berichteten. Darauf folgte ein ca. 30 Min. dauerndes Inputreferat zu den kommunikativen Aspekten der Telemedizin, das Definitionen zum Thema, aktuelle Studienlage, das E-Health-Gesetz und Möglichkeiten zur Abrechnung sowie Szenarien der Zukunft einschloss. Im letzten Teil des Workshops wurden die Teilnehmer ge-beten, aus ihrer Sicht sinnvolle Szena-rien für telemedizinische Anwendun-gen in der hausärztlichen Praxis zu be-nennen. Die Generierung dieser Sze-narien wurde unter folgende Leitfra-gen gestellt:• Welche telemedizinischen Anwen-

dungen würden Sie gerne nutzen?• Wie könnten diese in die Sprechstunde

integriert werden?

• Welche organisatorischen Verände-rungen wären notwendig?

• Wäre die Einführung von Telemedizin aus Ihrer Sicht sinnvoll?

Ergebnisse des Workshops

Am Workshop nahmen insgesamt 51 Personen im Alter zwischen 22 und 69 Jahren teil (MW: 43,9; SD: 14). Davon waren 61 % männlich und 39 % weib-lich. Die größte Berufsgruppe waren Hausärzte mit 61 %, Studierende waren mit 22 % die zweitgrößte Gruppe. Wei-tere Informationen zur soziodemogra-fischen Zusammensetzung der Teilneh-mergruppe können Tabelle 1 entnom-men werden.

Telemedizin – Aspekte der Kommunikation

Zu Beginn des inhaltlichen Teils des Workshops wurde der Fokus zunächst auf den Kommunikationsaspekt von Te-lemedizin gelegt. Telemedizin kann als Werkzeug zur Kommunikation verstan-den werden, bei dem es primär um das Übermitteln von Informationen geht. Als Information können dabei etwa Vi-talwerte, Terminabsprachen sowie ande-re allgemeine Anfragen von Patienten gelten. Komplexere Daten wie Histolo-

giebefunde, Laborergebnisse oder Ent-lassbriefe sind in diesem Kontext eben-falls als Information zu verstehen.

Diese Informationen werden unter Einsatz verschiedener Medien wie dem klassischen Brief, dem Fax oder durch den Einsatz modernerer Technologien wie E-Mail oder Videokonferenzen übermittelt. Der Informationsfluss kann dabei synchron, sprich zeitgleich, z.B. durch ein Telefonat erfolgen, oder asynchron, d.h. mit Zeitverzug durch-geführt werden. Das Fax oder die E-Mail gelten als Medien der asynchronen Kommunikation. Die o.g. Kommunika-tionsmittel sind teilweise bereits seit Jahren etabliert und werden z.B. zur Kommunikation mit Spezialisten ge-nutzt (Abb. 1).

Mit Blick auf europäische Nachbar-länder wurde aus dem Plenum eine nie-derländische Anwendung vorgestellt, mit welcher unklare Hautveränderun-gen per Bild in ein Portal eingestellt werden können. Ein Dermatologe beur-teilt hier in der Regel binnen vier Stun-den die Bilder und gibt eine entspre-chende Rückmeldung. Dabei wurde auch über die Frage diskutiert, wieviel Zeit verstreichen sollte, bis auf die E-Mail eines Patienten geantwortet wird. Hier wurde deutlich, dass Studie-rende eine sofortige, annähernd syn-chrone Beantwortung als notwendig er-achteten, wohingegen die anwesenden Hausärzte eine asynchrone Lösung als hinreichend einschätzten. In diesem Zusammenhang wurde auch das The-ma Work-Life-Balance angesprochen. Eine Frage, die für die Zukunft zu beant-worten ist, war die nach dem Umgang mit digitalen Patientenanfragen, die heute rund um die Uhr auf das Smartphone des Arztes mit der Erwar-tung einer sofortigen Antwort gesendet werden können.

Zur Nutzung des Mediums E-Mail gab es weitere Fallbeispiele aus dem Ple-num. Teilnehmer, die ihren Patienten die Möglichkeit eingeräumt haben, Kontakt per E-Mail aufzunehmen, stell-ten diese Form der Kommunikation als positiv dar. Mit Blick auf die organisato-rische Ebene konnte insgesamt heraus-gestellt werden, dass die Medizinischen Fachangestellten einer Hausarztpraxis eine sortierende und filternde Instanz im Rahmen der Implementierung von telemedizinischen Anwendungen dar-stellen können.

Tabelle 1 Beschreibung der Workshopteil-

nehmer (n = 51)

Soziodemografische Zusammensetzung

Alter

bis 40

40–59

über 59

Geschlecht

männlich

weiblich

Tätigkeit

Ärztin/Arzt

Studierende

Andere*

* Public Health, Gesundheitswissen-schaften, Wissenschaftliche Mitarbeiter, Anwendungsmanager, Jura, Selbstver-waltung

23 (45,1 %)

21 (41,2 %)

7 (13,7 %)

31 (60,8 %)

20 (39,2 %)

31 (60,8 %)

11 (21,6 %)

9 (17,6 %)

Waschkau et al.:Telemedizin in der Hausarztpraxis – Aspekte der KommunikationTelemedicine in Family Physicians’ Practices – Aspects of Communication

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Szenarien der Zukunft

Zukünftig wird die Menge an verfügbarer Information stetig steigen. Bereits heute sammeln Smartphones und sogenannte Wearables wie z.B. Smartwatches eine Vielzahl von Informationen über den Träger, die Relevanz für den Hausarzt ha-ben könnten. In diesem Kontext fällt häufig das Schlagwort „Internet der Din-ge“. Gemeint ist damit die vernetzte In-frastruktur von Alltagsgegenständen, die in der Häuslichkeit genutzt werden. Eine logische Weiterentwicklung dieser Tech-nik mit dem Ziel, eine höhere Patienten-sicherheit bei chronisch Kranken zu er-reichen, wäre die Nutzung des „Internets der Dinge“, um im Rahmen des praxis-basierten Case-Managements ein auto-matisiertes Monitoring der Patienten durchzuführen.

Ergebnisse des „Whole System De-monstrator“-Programms aus Großbritan-nien zeigen einige vielversprechende Ef-fekte des Einsatzes von Telemedizin in der Hausarztpraxis in Bezug auf die Re-duktion von Hospitalisierungen und Sterblichkeit bei Patienten mit chro-nischen Krankheiten wie Diabetes melli-tus, COPD und Herzinsuffizienz [6]. Ein Review von 65 empirischen Studien un-ter Einbeziehung von Bluthochdruck als vierte chronische Erkrankung deutet an,

dass telemedizinische Interventionen ei-nen größeren Effekt bei Atemwegs- und Herzerkrankungen haben als bei Dia-betes mellitus und Bluthochdruck [7].

Eine Herausforderung bei der Beant-wortung der Frage nach der Effektivität von Telemedizin ist der Umstand, dass zurzeit die Ergebnisse vieler einzelner Studien mit kleinen Stichproben zusam-mengefasst werden. Es ist schwierig, hie-raus allgemeingültige Aussagen abzulei-ten [6]. Die geringe Anzahl von Pilotpro-jekten unter Einbeziehung von reinen Forschungseinrichtungen, die innerhalb des deutschen Telemedizinportals gelis-tet sind, legt den Schluss nahe, das weite-re Forschung zu und Evaluation von tele-medizinischen Anwendungen in versor-gungsnahen Settings notwendig ist [8]. Eine Möglichkeit zur strukturierten Beur-teilung von telemedizinischen Anwen-dungen bietet das dreistufige model for

assessment of telemedicine applications

(MAST), welches im Auftrag der Europäi-schen Kommission entwickelt wurde [9].

Häufig geäußerter Wunsch für die Zukunft aus den Reihen der Workshop-teilnehmer war weiterhin der nach einer datenschutzrechtlich unbedenklichen Messaging-Lösung für mobile Endgerä-te, die in verschiedenen Szenarien zum Einsatz kommen könnte. Im Bereich der Delegation der Betreuung von Patienten

in der Häuslichkeit an Medizinische Fachangestellte wäre sie ein sicherer Kommunikationskanal in die Praxis, der genutzt werden könnte, um Fragen, die bei einem Hausbesuch auftreten, direkt vom Hausarzt beantworten zu lassen. Auch im Rahmen der Betreuung von Pflegeeinrichtungen durch den Haus-arzt könnte eine solche Technologie – erweitert durch die Möglichkeit zur Vi-deotelefonie – eingesetzt werden und zu Zeitersparnis durch den Wegfall der An- und Abfahrtszeiten führen. Auch hier gilt es zukünftig, weiter die Qualität die-ser Art der Versorgung zu evaluieren.

Bedenken wurden im Hinblick auf die Flut von Gesundheits-Apps geäu-ßert, die Patienten inzwischen zur Ver-fügung stehen. Es wurde eine Standardi-sierung der in den jeweiligen Apps do-kumentierten Vitalwerte gewünscht, die es dem Hausarzt ermöglicht, die im Smartphone des Patienten gespeicher-ten Informationen verlässlich einzuord-nen, ohne zunächst die Messsystematik der App nachvollziehen zu müssen.

Vonseiten der Studierenden wurde der Wunsch geäußert, das Thema Tele-medizin bereits im Rahmen der univer-sitären Ausbildung aufzugreifen, um schon mit dem Berufseinstieg auf aktu-elle Entwicklungen vorbereitet zu sein.

Kosten

Die Frage nach der Finanzierung bzw. Vergütung von Telemedizin wurde im Workshop ebenfalls aufgegriffen.

Hierzu können das E-Health-Gesetz und die daraus resultierenden Regelun-gen der Kassenärztlichen Bundesver-einigung (KBV) Informationen liefern. Seit Januar 2017 werden elektronische Arztbriefe mit 0,55 Euro pro Brief vergü-tet. Dabei entfallen auf den Sender des Briefes 0,28 Euro und den Empfänger 0,27 Euro. Seit April 2017 gibt es eben-falls eine finanzielle Förderung für digi-tale Arztsprechstunden, z.B. im Rahmen der Nachsorge und Verlaufskontrolle von Operationswunden und zur visuel-len Beurteilung von Bewegungsein-schränkungen. Dabei können neben Hausärzten 16 weitere Facharztgruppen diese Leistungen abrechnen. Zudem kann ein Technik- bzw. Förderzuschlag von bis zu 200 Euro pro Quartal im Rah-men von Videosprechstunden abge-rechnet werden.

Abbildung 1 Telemedizin ist Kommunikation

Waschkau et al.:Telemedizin in der Hausarztpraxis – Aspekte der KommunikationTelemedicine in Family Physicians’ Practices – Aspects of Communication

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Ab Januar 2018 sieht das Gesetz die Speicherung eines einheitlichen Medi-kationsplans auf der elektronischen Ge-sundheitskarte des Patienten vor. Auch hierfür sind Vergütungen im Rahmen von Einzelleistungen und Zuschlägen vorgesehen [10].

Relevanz hat auch die Frage nach den ökonomischen Aspekten von Telemedi-zin. Eine großangelegte Studie zur Kos-teneffizienz von Telemedizin bei über 900 chronisch erkrankten Patienten aus Großbritannien ergab, dass es in Bezug auf den Gewinn von Lebensqualität nur eine geringe Steigerung bei Patienten, die telemedizinisch betreut wurden, gegen-über Patienten in der Regelversorgung gab. In Bezug auf die Kosten war dieser geringe Zugewinn mit einer großen Kos-tensteigerung in der Versorgung verbun-den [11]. Hier könnte die zu erwartende Reduktion der Kosten für Technologie in der Zukunft das Kosten-Nutzen-Verhält-nis günstig beeinflussen [12].

Diskussion

Ziel des Workshops war es, die hausärzt-liche Perspektive des Themas Telemedi-zin zu vertiefen. Die Diskussionsbeiträge der Teilnehmer zeigten, dass es bereits einige Beispiele für die erfolgreiche Im-plementierung von telemedizinischen Anwendungen in die Praxis gibt. Tele-medizin wird, so die Teilnehmer des Workshops, dort erfolgreich eingesetzt, wo das gesamte Team der Praxis Ände-rungen an den Organisationsstrukturen vornimmt und somit den Weg für die Einführung neuer Kommunikationssze-narien ebnet. In diesem Jahr nahmen, im Gegensatz zum Vorjahr, keine Medi-zinischen Fachangestellten am Work-shop teil. Aus diesem Grund konnten die Rolle dieser Berufsgruppe bei der Im-plementierung von telemedizinischen Anwendungen sowie deren Einschät-zungen zum Thema nicht vertieft be-

handelt werden. Im Vergleich zum Vor-jahr hatte sich die Teilnehmerzahl aller-dings verdoppelt und unterstreicht da-mit den Stellenwert des Wunsches nach Informationen zum Thema [13].

In der Auseinandersetzung mit Tele-medizin werden häufig Vorbehalte auf Seiten der Ärzteschaft sowie der Patien-tenseite als Gründe für die schleppende Umsetzung genannt. Neuere Studien zeigen allerdings, dass nur noch knapp 40 % der Ärzteschaft dem Thema Tele-medizin grundsätzlich negativ gegen-überstehen, 45 % haben dagegen eine positive Haltung. Die letztere Gruppe äußert jedoch ein abwartendes Verhal-ten und will sich erst dann für Anwen-dungen aus dem Bereich der Telemedi-zin entscheiden, wenn mehr Erfahrun-gen vorliegen [14]. Diese Ergebnisse könnten die langsame Implementierung moderner Ansätze in die Hausarztpraxis erklären, obwohl auf technischer Seite funktionsfähige Lösungen bereitstehen.

Ein weiteres Argument gegen die Im-plementierung von Telemedizin ist die Zurückhaltung von älteren Patienten ge-genüber der Nutzung telemedizinischer Anwendungen. Dabei scheint ein durch Telemedizin erweitertes praxisbasiertes Case-Management von multimorbiden, chronisch Kranken ein hohes Potenzial für eine wirtschaftlich vertretbare Erhö-hung der medizinischen Versorgungs-qualität zu bergen. Die häufig geäußerte Befürchtung, Patienten würden bei die-sen Ansätzen den direkten persönlichen Arztkontakt verlieren [15], kann durch eine (in Abstractform vorliegende) aktu-elle Studie zur Handhabbarkkeit und Ak-zeptanz telemedizinischer Anwendun-gen seitens multimorbider Patienten über 65 Jahre abgemildert werden. Diese zeigt ein hohes Maß an Akzeptanz: Knapp 73 % der Studienteilnehmer mit einem Altersdurchschnitt von 79 Jahren geben an, gut mit der in der Studie ver-wendeten Technik umgehen zu können [16]. Erfahrungen von europäischen

Nachbarn zeigen zudem, dass Länder, die konsequent auf digitale Technolo-gien setzen, auch ältere Bürgerinnen und Bürger in diese Entwicklung inte-grieren können. So deuten Zahlen des Jahres 2015 aus Dänemark darauf hin, dass 83 % der 65- bis 74-jährigen Dänen das Internet nutzen und in der Gruppe der 75- bis 89-jährigen 56 % [17].

Limitationen

Dieser Bericht über einen Workshop im Rahmen des 51. DEGAM-Kongresses kann nicht das gesamte Gebiet der Tele-medizin mit Fragen zur Evidenz, Ökono-mie und zu den implementierungsrele-vanten Aspekten abdecken. Vielmehr wurde hier ein Stimmungsbild aus dem Workshop, welcher ein Zukunftsthema adressierte, wiedergegeben.

Fazit

Die Ergebnisse der Diskussionen des Workshops legen nahe, dass eine inten-sive Auseinandersetzung mit dem The-ma Telemedizin auf Ebene der DEGAM die Möglichkeit bieten könnte, den ak-tuell vorhandenen Gestaltungsspiel-raum zwischen den Vorgaben des E-He-alth-Gesetzes und dem Stand der realen Umsetzung von telemedizinischen An-wendungen in der hausärztlichen Praxis zu nutzen. Dabei sollten die Wünsche und Bedürfnisse der an der Versorgung Beteiligten berücksichtig werden, um te-lemedizinische Lösungen zu identifizie-ren, die als sinnvoll erachtet werden.

Danksagung: Dank gilt den Teilneh-merinnen und Teilnehmern des Work-shops für die zahlreichen Diskussions-beiträge und Krista Turner Kitchen, M.D., für das Korrekturlesen der eng-lischsprachigen Zusammenfassung.

Dipl.-Psych. Alexander Waschkau

Institut für Allgemeinmedizin,

Universitätsklinikum Schleswig-Holstein

Campus Lübeck

Ratzeburger Allee 160, Haus 50, 1. Etage

23538 Lübeck

Tel.: 0451/3101–8014

[email protected]

Korrespondenzadresse

Waschkau et al.:Telemedizin in der Hausarztpraxis – Aspekte der KommunikationTelemedicine in Family Physicians’ Practices – Aspects of Communication

… ist Diplom-Psychologe und beschäftigt sich als Wissenschaft-

licher Mitarbeiter am Institut für Allgemeinmedizin des Univer-

sitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Lübeck mit

der Evaluation von telemedizinischen Anwendungen in der

Hausarztpraxis.

Alexander Waschkau …

© Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2018; 94 (1) ■

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1. Elmer A. Die Digitalisierung des Ge-sundheitswesens. GGW 2017; 3: 23–30

2. Bundesärztekammer. Überblick Tele-medizin. www.bundesaerztekammer.de/aerzte/telematiktelemedizin/ueber blick/ (letzter Zugriff am 21.09.2017)

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Literatur

Waschkau et al.:Telemedizin in der Hausarztpraxis – Aspekte der KommunikationTelemedicine in Family Physicians’ Practices – Aspects of Communication

Danksagung an die Gutachter/innen der ZFA

Die kompetente und zeitaufwendige Ar-beit von Gutachterinnen und Gutach-tern ist für die wissenschaftliche Quali-tät und Weiterentwicklung der ZFA – Zeitschrift für Allgemeinmedizin von unschätzbarem Wert. Die Herausgeber (die selbst nicht gutachten dürfen) möchten sich daher bei den nachfol-gend genannten Kolleg/innen für ihr unermüdliches Engagement und ihre ehrenamtliche Unterstützung im Jahr 2017 herzlich bedanken:

Heinz-Harald AbholzHerbert BachlerAnne BarzelErika BaumAnnette BeckerAntje BergmannJutta BleidornEva BlozikKlaus BöhmeDieter BorgersStefan Bösner

Silke BrockmannTom BschorJean-François ChenotNorbert Donner-BanzhoffGünther EgidiBarbara FallerIldikó GágyorMarkus GulichJörg HaasenritterJohannes HauswaldtChristoph HeintzeWolfgang HimmelFalk HoffmannEva HummersJürgen in der SchmittenRalf JendykIlja KarlThomas KühleinUwe KurzkeKlaus LindeMatthias LöberStefan LoddersManfred LohnsteinChristian Lüdicke

Gabriela MarxKarola MergenthalUlrich A. MüllerChristiane MuthJohannes PantelJosef PömslUwe PopertUlf RatjeAnja RogauschMarco RoosJörg SchellingKatharina SchmalstiegGuido SchmiemannAntonius SchneiderNils SchneiderJoachim SeffrinJost SteinhäuserFlorian StiglerMartin TräderKaren VoigtHorst VollmarHans-Otto Wagner

DANKSAGUNG / ACKNOWLEDGEMENT

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22 KOMMENTAR/MEINUNG / COMMENTARY/OPINION

Praxissoftware in der Allgemeinmedizin*Aktueller Stand und Potenzial für die Patientenversorgung

Electronic Health Records in Family Medicine*

Current State and Potential for Patient Care

Wolfgang B. Lindemann

Der Computer verändert den ärzt-lichen Beruf grundlegend ...

Der Computer hat sich in unseren Pra-xen etabliert und verändert alle Aspekte unseres Berufsalltags, angefangen mit der Arzt-Patienten-Beziehung, die zu dem Dreieck „Arzt-Computer-Patient“ mutiert ist. Die Praxissoftware verlangt nur zu oft mehr Aufmerksamkeit als der Patient [1] und macht wegen der Masse an Informationen, die sie bereitstellt, die Sprechstunde erheblich komplexer [2]. Über den Computer überträgt uns die Krankenkasse mehr und mehr admi-nistrative Aufgaben, die in der nicht län-ger werdenden Sprechzeit zusätzlich zu erledigen sind.

... aber ist er wirklich nützlich?

Wir werden dazu angehalten, unsere Praxen zu „informatisieren“, aber der Nutzen für unsere Arbeit ist nicht er-

kennbar groß oder gar bewiesen [3]. Die seltenen Studien, die die Funktionen von Praxissoftware untersuchen, fin-den, dass der Computer nur eine Papie-rakte simuliert: Weiter gehende Ent-scheidungsunterstützung oder Entlas-tung von automatisierbaren, repetitiven Routineaufgaben sind noch im Anfangs-stadium [4]. Der Computer kann Be-handlungsfehler vermeiden [5] und in Frankreich unterstützt die staatliche Krankenversicherung CPAM die Aus-stattung der Arztpraxen mit Computern mit großen Summen. In der Realität setzt sich das in eine Flut von Warnhin-weisen um, was in der Literatur vielfach beschrieben und angeprangert wurde (z.B. [6]). Solche Warnhinweise bei der Verschreibung werden mechanisch oh-ne die geringste Berücksichtigung des konkreten Patientenprofils produziert und sind infolgedessen nur eine zusätz-liche Belastung, die den Arzt ablenkt. Dem Autor sind weltweit drei Studien

bekannt, die beschreiben, wie diese Alarmhinweise effizienter gestaltet wer-den könnten, indem sie die in der elek-tronischen Patientenakte vorhandenen Informationen über den Patienten be-rücksichtigen: Zwei im Krankenhaus-bereich [7, 8], eine noch nicht abge-schlossene in der ambulanten Medizin [9]. Es ist folglich nicht verwunderlich, dass ein Zusammenhang zwischen der Beherrschung der Praxissoftware und der Lebensqualität des sie bedienenden Arztes gefunden wurde [10, 11]. Die zu-nehmende Menge von Funktionen ei-ner Praxissoftware kann den Stress ver-größern, den der Bediener erlebt [12, 13]. In Anbetracht der Dysfunktionalität dieser sogenannten Entscheidungs-unterstützungssysteme bei der Medika-mentenverschreibung ist es nicht ver-wunderlich, dass ihr Vorhandensein mit einem verstärkten Auftreten von Burn-Out einhergeht [14].

Facharzt für Allgemeinmedizin, Blaesheim/Elsass * Zusammenfassung eines Vortrages von Wolfgang Lindemann auf dem Dies academicus „Die Informatik im Dienste des Allgemeinmediziners“ veranstaltet von der Fran-zösischen Gesellschaft für Medizinische Informatik (Association Française d’Informatique Médicale, AIM) am 17.05.2017 an der medizinischen Fakultät der Universität Pierre und Marie Curie in Paris. DOI 10.3238/zfa.2018.0022–0025

Zusammenfassung: Die Einführung der elektronischen Patientenakte verändert den Alltag des Allgemeinmedizi-ners grundlegend. In Frankreich werden starke finanzielle Anreize gesetzt, die elektronische Patientenakte zu ver-wenden, obwohl deren positiver Einfluss auf die Patien-tenversorgung noch nicht belegt ist. Dies ist teilweise Fol-ge der noch sehr basalen Funktionalität dieser Akte. Haus-ärzte sind schlecht auf die Veränderung ihres Berufs durch die Informatik vorbereitet. Es gibt wenig Forschung dazu, wie Computer in der Allgemeinmedizin besser eingesetzt werden können, aber einige vielversprechende Ansätze.

Schlüsselwörter: Praxissoftware; Allgemeinmedizin; aktueller Stand; Potenzial

Abstract: The introduction of electronic health records causes profound changes in family physicians’ everyday practice. In France, doctors are encouraged to make use of these electronic records, but whether they help to im-prove patient care has not yet been established. This is in part a consequence of the still very basic functionalities of those records. Family physicians seem to be poorly pre-pared to the transformation of their profession due to developments in informatics. There is little research on how to make a better use of computers in family medi-cine but there are promising approaches.

Keywords: electronic health records; family medicine; current state; potential

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Der Computer ist nicht immer nur nützlich; seine Komplexität und seine oft schwierige Bedienung können neue Arten von Fehlern bewirken, beispiels-weise die Auswahl des falschen Medika-mentes in einem Dropdownmenü oder eine falsche Dosis, wenn die voreinge-stellte Dosis übernommen wird [15].

Wir sind für seine Nutzung schlecht vorbereitet ...

In Frankreich existiert kein Analogon zu den Empfehlungen, die es in Deutsch-land für die Informatikausbildung im Medizinstudium [16] und sogar für Pfle-geberufe gibt [17]. Während der Weiter-bildung zum Allgemeinmediziner glänzt die Thematik „Der Computer in der Arztpraxis“ meistens durch Abwe-senheit, was nach der bescheidenen An-sicht des Autors einem Nicht-Unterrich-ten des Gebrauchs des Stethoskops wäh-rend des klinischen Studiums gleicht. Sehr wenig Studien untersuchen die Me-thodik der Lehre in der Medizininfor-matik [18].

Abbildung 1 Algorithmus zur Entscheidung Hämokkulttest oder Koloskopie in der Dickdarmkrebsfrüherkennung im Elsass

Abbildung 2 Autonom arbeitende Untersuchungsstation „Präventiometer“

Quelle: www.ipex5.com (mit freundlicher Genehmigung der Firma iPEx5)

Lindemann:Praxissoftware in der Allgemeinmedizin – Aktueller Stand und Potenzial für die PatientenversorgungElectronic Health Records in Family Medicine – Current State and Potential for Patient Care

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Dr. Wolfgang B. Lindemann

67, rue du Maréchal Foch

F-67113 Blaesheim/Elsass

Tel.: 0033 / 03 88 68 08 79

[email protected]

Korrespondenzadresse

Die wenigen Studien über die Nut-zung von Praxissoftware durch Ärzte zei-gen, dass sie nicht richtig bedient und aus-geschöpft wird, aber dass entsprechende Schulung (in Frankreich überhaupt erst seit 2013) durchaus wirksam ist [19, 11]. Nur die Kenntnis und die Nutzung der oft komplexen Funktionen einer Praxissoft-ware hat einen positiven Einfluss auf die Leistungsfähigkeit einer Praxis [20] (und nicht deren bloßes Vorhandensein).

Auf den letzten allgemeinmedizi-nischen Kongressen in Frankreich oder Deutschland (DEGAM) bzw. auf den letzten deutschsprachigen Medizin-informatik-Kongressen gab es praktisch keine Beiträge bezüglich Computernut-zung oder Medizininformatik in der All-gemeinmedizin.

Eine Vision für die nahe wie für die ferne Zukunft

Die Insuffizienz der existierenden Praxis-software ist bekannt [1]; eine neue Gene-ration von Praxissoftware wird gefordert [21, 22]. Der Computer besitzt ein Poten-zial, das weit über seine Vorgängertech-nologie Papierakte hinausgeht [23]: Seit

Jahrzehnten ist wohl bekannt, dass sich Impfquoten und andere Präventions-maßnahmen durch automatische Warn-hinweise verbessern lassen [24], was auch durch neuere Studien gezeigt wurde [für Impfquoten: 25]. Mehr Patienten stellen das Rauchen ein, wenn die Praxissoft-ware den Hausarzt an entsprechende Hinweise erinnert [26]. Im Elsass liefert uns die ADECA, die für die Früherken-nung von Dickdarmkrebs zuständige lo-kale Organisation, auf Papier einen Algo-rithmus zur Entscheidung „Koloskopie versus Hämokkulttest“ (Abb. 1). Die Computertechnologie der 1980er Jahre hätte diesen in der elektronischen Pa-tientenakte realisieren können. Es ist all-gemein anerkannt, dass Prävention und Früherkennung das schwächste Glied unseres Gesundheitssystems sind, und dass es unmöglich ist, alle empfohlenen Präventions- und Früherkennungsmaß-nahmen umzusetzen [27, 28]. Auch wenn einige Pioniere Methoden erkun-den, diese mittels Praxissoftware zu auto-matisieren [29], so scheint die nach An-sicht des Autors naheliegende Idee für die zentralen Akteure im Gesundheitswesen nicht existent zu sein [30].

Der Computer kann noch viel mehr: Er könnte einen Gutteil der formalen Anamnese des Patienten eigenständig erfassen [31] und nach seinen aktuellen Beschwerden fragen. Er kann Patienten-information und -schulung überneh-men [32, vgl. 22]. Eines Tages wird das Genom jedes Patienten automatisch für eine personalisierte Pharmakotherapie verwertet werden [33, 34]. Technisch möglich und bereits in der Arbeitsmedi-zin realisiert (Abb. 2) wäre ein Gerät, das, in der Praxis aufgestellt, einen Teil der körperlichen Untersuchung über-nimmt: Gewicht, Größe, Puls, Blut-druck, Temperatur, Lungenfunktion, auch Audiometrie oder EKG. Ein solches Gerät wird sich an den Patienten anpas-sen und fortgeschrittene Technologien wie Sprachsteuerung und -erkennung verwenden. Das Untersuchungsergeb-nis wird in die elektronische Patienten-akte übernommen und in der Sprech-stunde verfügbar sein. Das kann dem Hausarzt 30 % oder mehr seiner mecha-nischen Arbeit abnehmen und ihn so für das Wesentliche entlasten: die Arzt-Patienten-Beziehung.

Interessenkonflikte: keine angege-ben.

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Literatur

Lindemann:Praxissoftware in der Allgemeinmedizin – Aktueller Stand und Potenzial für die PatientenversorgungElectronic Health Records in Family Medicine – Current State and Potential for Patient Care

… ist Facharzt für Allgemeinmedizin und in einem Dorf unweit

Straßburg im französischen Elsass niedergelassen. Seine

Forschungsinteressen betreffen die Informatik für die Hausarzt-

praxis und den Vergleich der deutschen und französischen

Allgemeinmedizin, letzteres u.a. auf seiner Website

www.wolfganglindemann.eu.

Dr. med. Wolfgang B. Lindemann …

© Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2018; 94 (1) ■

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Lindemann:Praxissoftware in der Allgemeinmedizin – Aktueller Stand und Potenzial für die PatientenversorgungElectronic Health Records in Family Medicine – Current State and Potential for Patient Care

DEGAM im Netz

www.degam.dewww.degam-leitlinien.dewww.degam-patienteninfo.dewww.tag-der-allgemeinmedizin.dewww.degam-kongress.dewww.online-zfa.dewww.degam-famulaturboerse.dewww.facebook.com/degam.allgemeinmedizin

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26 FALLBERICHT / CASE REPORT

Steroidale Kombinationsaugentropfen beim „roten Auge“ – verkannte GefahrenHidden Risks in Steroid Combination Therapy for “Red Eye” ConditionsChristoph Paul1, Matthias Michiels-Corsten2

Hintergrund

Aufgrund des hohen Kontrasts gegen-über der weißen Lederhaut fällt eine Hy-perämie, Gefäßektasie oder Blutung der konjunktivalen oder episkleralen Gefä-ße meist deutlich auf und wird unter dem Leitsymptom „rotes Auge“ zusam-mengefasst [1]. Das „rote Auge“ ist Kar-dinalzeichen einer okulären Entzün-dung [2]. Es ist der häufigste ophthalmo-logische Vorstellungsgrund in der haus-ärztlichen Praxis [2] mit ca. 2–3 % aller Behandlungsfälle [3].

Die Differenzialdiagnosen des roten Auges sind weit gefächert und umfassen viele häufige und harmlose, aber auch seltenere und gefährlichere Befunde [4]. Häufigste Ursachen sind eine Entzün-

dung der Bindehaut (Konjunktivitis), kleine korneale Verletzungen (Erosio corneae), unzureichende Befeuchtung der Konjunktiva (Sicca-Syndrom) und subkonjunktivale Blutungen (Hypo-sphagma) [5]. Meist können diese pro-blemlos in der hausärztlichen Praxis be-handelt werden [2, 4]. Selbst mit den technischen Mitteln einer augenärzt-lichen Praxis bleibt eine diagnostische Unsicherheit bestehen (z.B. in der Un-terscheidung von viralen und bakteriel-len Bindehautentzündungen), jedoch können gefährliche Ursachen aus-geschlossen werden (z.B. Keratitis, Ulze-rationen, akuter Winkelblock, Uveitis). Die Anamnese sowie eine genaue Unter-suchung der Augen sind wichtig, um Ri-sikopatienten zu identifizieren („red

flags“) und einer fachärztlichen Diag-nostik zuzuführen [1, 2].

Fallbericht

Eine 22-jährige Patientin stellt sich in der hausärztlichen Praxis mit einem ro-ten Auge vor. Der Befund bestehe seit ca. zwei Tagen, das Auge fühle sich unange-nehm an und würde schmerzen und trä-nen. Das Sehen auf dem Auge sei nicht wesentlich eingeschränkt, sie fühle sich ansonsten fit und gesund und habe in den letzten Wochen keine respiratori-schen Infekte gehabt.

Vorerkrankungen seien nicht be-kannt und es bestünden keine Allergien. Die Patientin gibt an, aufgrund ihrer

1 Klinik für Augenheilkunde, Philipps-Universität Marburg 2 Abteilung für Allgemeinmedizin, Präventive und Rehabilitative Medizin, Philipps-Universität Marburg DOI 10.3238/zfa.2018.0026–0028

Hintergrund: Das „rote Auge“ ist ein häufiger Grund sowohl einer hausärztlichen als auch augenärztlichen Vor-stellung. Das Leitsymptom umfasst viele unkomplizierte, jedoch auch seltener gefährliche Differenzialdiagnosen. Immer wieder werden, off-label, Kombinationspräparate aus Steroid und Antibiotikum zur Initialtherapie des roten Auges eingesetzt.Fallbericht: Eine 22-jährige Patientin stellt sich in der hausärztlichen Praxis mit einem roten Auge vor. Unter der Arbeitsdiagnose einer Konjunktivitis wird eine topische Therapie mit einem Kombinationspräparat aus Steroid und Antibiotikum eingeleitet. Unter dieser Therapie ver-schlechtert sich der Befund. Schlussfolgerungen: Kombinationstropfen aus Steroid und Antibiotikum sollten nicht zur Primärtherapie des „roten Auges“ eingesetzt werden. Diese können sowohl die Symptomatik und Prognose verschlechtern, als auch die weitere Diagnostik erschweren.

Schlüsselwörter: Fallbericht; „rotes Auge“; Konjunktivitis; Keratitis; Steroid-Augentropfen

Background: The “red eye” is a common presentation in family medicine as well as in specialist ophthalmic care. This cardinal symptom comprises a great variety of both common and benign as well as uncommon yet severe dif-ferential diagnoses. Combined steroid preparations are applied regularly as an off-label initial treatment.Case report: A 22-year old patient presents to her family physician with a “red eye”. A topical treatment with com-bined steroid and antibiotic eye drops is administered under the assumption of a conjunctivitis. Under this re-gime, the patient’s symptoms worsen.Conclusions: Combined preparations of steroid and antibiotic agents should not be used as treatment for the “red eye” in primary care. They might worsen symptoms, delay diagnosis and support progression of eye-threaten-ing diseases.

Keywords: case report; “red eye”; conjunctivitis; keratitis; steroid eye drops

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Kurzsichtigkeit (Myopie) weiche Kon-taktlinsen zu tragen. Auf diese habe sie aufgrund der Beschwerden seit zwei Ta-gen verzichtet.

In der körperlichen Untersuchung fällt ein rotes Auge links auf. Es liegt nur wenig Sekret vor. Das kontralaterale Au-ge (rechts) ist nicht betroffen.

Es wird die Arbeitsdiagnose einer Konjunktivitis links gestellt. Der Pa-tientin wird ein Kombinationspräparat aus Steroid und Antibiotikum (Isopto-Max®; Dexamethason, Neomycin, Po-lymyxin-B) viermal täglich verschrie-ben.

Nach sechs Tagen stellt sich die Pa-tientin wieder vor. Der Befund habe sich unter der Therapie nicht gebessert, seit gestern sei ihr sogar eine deutliche Ver-schlechterung des linken Auges auf-gefallen. Die Patientin wird daher umge-hend zum Augenarzt überwiesen. Es zeigt sich eine Infiltration der zentralen Hornhaut (Abb. 1), die das anteriore Drittel des Stromas betrifft (Abb. 2). Un-ter der Diagnose einer kontaktlinsen-assoziierten Keratitis wird die Patientin stationär aufgenommen, ein Hornhaut-kratzabstrich zur mikrobiologischen Untersuchung entnommen und umge-hend eine intensive topische antibioti-sche Therapie eingeleitet (Moxifloxacin; stündlich, auch nachts). Mikrobiolo-gisch gelingt nach fünf Tagen der Nach-weis von Schlauchpilzen (Fusarien). Die topische Therapie wird daher um Vori-conazol Augentropfen erweitert und ei-ne Besserung des Befundes erreicht. Nach elf Tagen wird die Patientin mit ei-ner Sehschärfe von 0,3 (umgangssprach-

lich „30 %“) entlassen. Diese verbessert sich im Verlauf von sechs Monaten, trotz großer verbleibender Hornhaut-narbe, auf 0,7.

Diskussion

Eine Pilzkeratitis ist ein seltenes Krank-heitsbild. Der Fall beschreibt jedoch exemplarisch zwei wichtige Fallstricke des sehr häufigen Leitsymptoms „rotes Auge“.

Red Flags beachten

Ein rotes Auge lässt sich in vielen Fällen in der hausärztlichen Praxis behandeln [2]. Dabei ist es jedoch wichtig, Risiko-patienten zu identifizieren und sie einer

augenfachärztlichen Kontrolle zuzufüh-ren [1, 2, 5]. Zu den red flags der Anam-nese zählen: deutliche Schmerzen, Seh-verschlechterung, vorangegangenes Trauma oder eine kurz zuvor erfolgte Augenoperation [4, 5]. In der körper-lichen Untersuchung ist insbesondere auf Störungen der Pupillen (Isokorie, Motilität), das Vorliegen eins Hyphämas (Blut in der Vorderkammer) oder Hypo-pyons (Eiter in der Vorderkammer) so-wie den palpatorischen Augeninnen-druck zu achten [5]. Bei Kontaktlinsen-trägern ist besondere Vorsicht geboten [6]. Führt ein Verzicht auf die Kontakt-linse und ggf. eine topische antibioti-sche Behandlung nicht nach wenigen Tagen zu einer Besserung, so sollte um-

gehend eine Vorstellung beim Augen-arzt erfolgen (V.a. kontaktlinsenassozi-ierte Keratitis, möglichst mit Kontakt-linsenbehälter und/oder Flüssigkeit zur mikrobiologischen Diagnostik!) [1, 6]. Auch sollte ein unilateraler Befund im-mer kritisch betrachtet werden [5]. Ei-nen detaillierteren Überblick zur Proble-matik findet sich bei Frings et al. [1].

Keine steroidhaltigen Augentropfen beim roten Auge

Isopto-Max®, Dexa-Gentamicin®, Maxi-trol® oder Betnesol® sind Kombinations-präparate aus Steroid und Antibiotikum. Ihre wesentliche Indikation ist die post-operative Infektions- und Inflammati-

Abbildung 1 Fotodokumentation des betroffenen, linken Auges. Deutlich zu erkennen sind die

Injektion der Bindehaut und die zentrale Hornhauttrübung (Aufnahme erfolgte zum Zeitpunkt

der stationären Aufnahme).

Abbildung 2 Optische-Kohärenz-Tomografie (OCT) der Hornhaut links. Die OCT gibt einen

optischen Querschnitt durch die Hornhaut wieder. Zu sehen ist (von oben nach unten) das in-

takte Epithel mit der darunterliegenden Trübung (Aufhellung), die ca. ein Drittel des Hornhaut-

Stromas einnimmt. Der Übergang von Endothel zu Vorderkammer ist gut abgrenzbar.

Paul, Michiels-Corsten:Steroidale Kombinationsaugentropfen beim „roten Auge“ – verkannte GefahrenHidden Risks in Steroid Combination Therapy for “Red Eye” Conditions

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Matthias Michiels-Corsten

Facharzt für Allgemeinmedizin

Abteilung für Allgemeinmedizin,

Präventive und Rehabilitative Medizin

Fachbereich Medizin der

Philipps-Universität Marburg

Karl-von-Frisch-Straße 4, 35043 Marburg

Tel.: 06421 28-25195

[email protected]

Korrespondenzadresse

onsprophylaxe nach augenchirurgi-schen Eingriffen [7]. Durch ihr breites Spektrum können sie dazu verleiten, sie als „Allzweck“- oder „Schrotschuss“- Therapie einzusetzen [8]. Hiervon ist je-doch dringend abzuraten [7, 9]! • Seltene, aber gefährliche Infektionen

der Hornhaut (Akanthamöben, Pilze, Herpesviren) werden zumeist durch ihr typisches klinisches Bild diagnostiziert [10, 11]. Eine topische Steroidtherapie kaschiert dieses Bild und erschwert oder verhindert eine zeitnahe Diagnose.

• Diese Erreger sind durch die enthaltenen Antibiotika nicht abgedeckt. Tatsächlich

kann eine latente Infektion, insbesonde-re bei Herpeskeratitiden, durch eine Ste-roidgabe exazerbieren [9].

• Etwa ein Drittel aller Patienten reagiert auf eine Steroidgabe mit einer Erhö-hung des Augeninnendrucks („Ste-roidresponse“) die zu einem per-manenten Sehnervenschaden (Ste-roidglaukom) führen kann [12].

Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass eine Kombinationstherapie mit einem Steroid beim roten Auge unkontrollierte Gefahren birgt. Es sollte mit den zur Ver-fügung stehenden Mitteln eine mög-

lichst gute Diagnosestellung erfolgen und eine spezifische Therapie eingelei-tet werden (z.B. Tränenersatzmittel bei Sicca-Syndrom, Antibiotika ggf. ver-zögerte Verordnung bei Hinweis auf bakterielle Infektion, Hygiene und Auf-klärung bei viraler Konjunktivitis). Lie-gen red flags vor oder hält man die Ste-roidgabe für indiziert, sollte vor der Ap-plikation eine weitere Diagnostik beim Augenarzt erfolgen [9, 13, 14].

Interessenkonflikte: keine angege-ben.

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Literatur

Paul, Michiels-Corsten:Steroidale Kombinationsaugentropfen beim „roten Auge“ – verkannte GefahrenHidden Risks in Steroid Combination Therapy for “Red Eye” Conditions

… ist seit Februar 2013 Arzt in Weiterbildung an der Univer-

sitätsaugenklinik Marburg. Seine Forschungsinteressen sind

Erkrankungen des vitreoretinalen Übergangs sowie Immunolo-

gie und Infektiologie.

Dr. med. Christoph Paul …

Ständig aktualisierte Veranstaltungstermine von den „Tagen der Allgemeinmedizin“ finden Sie unter

www.tag-der-allgemeinmedizin.de

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29ORIGINALARBEIT / ORIGINAL PAPER

Praxismanagement spielerisch lernen – welche Inhalte sollen unbedingt vermittelt werden?Studying Practice Management via Serious Games – Which Knowledge Should be Conveyed?Anja Kohlhaas1, Markus Leibner2, Tobias Binder3, Joachim Schütz4, Ruben Zwierlein5, Jost Steinhäuser5

1 Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, UniversitätsKlinikum Heidelberg 2 Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 3 Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW), Stuttgart 4 Deutscher Hausärzteverband e.V., Köln 5 Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck Peer-reviewed article eingereicht 21.07.2017, akzeptiert: 20.09.2017 DOI 10.3238/zfa.2018.0029–0034

Hintergrund: Zu den notwendigen Strategien gegen den Mangel an niedergelassenen Ärzten gehört auch das Vermitteln von Praxismanagementkompetenzen. Diese könnten vorzugsweise spielerisch über ein „Serious Ga-me“ in Form eines E-Learning-basierten Planspiels vermit-telt werden. Ziel eines entsprechenden Workshops von Experten war die Entwicklung der Inhalte eines solchen E-Learning-basierten Planspiels, welches nicht-medizi-nische Fragestellungen in der und um die Gründung und Führung einer Arztpraxis abbildet. Methoden: Hierzu wurden die teilnehmenden Experten in Kleingruppen aufgeteilt und aufgefordert, sechs vor-strukturierte Themenfelder in einem Brainwalk schriftlich zu bearbeiten. Hierfür gab es eine Zeitvorgabe. Jede Gruppe bearbeitete jedes Themenfeld. In einer anschlie-ßenden Konvergenzrunde wurden die identifizierten Un-terpunkte erläutert. Anschließend erfolgte eine Gewich-tung der identifizierten Themen durch jeden Teilnehmer einzeln.Ergebnisse: Die am höchsten priorisierten Themen ka-men aus den Bereichen betriebswirtschaftliche Grund-lagen und Finanzierung.Schlussfolgerungen: Derzeit sieht das deutsche Medi-zincurriculum keine verpflichtenden Veranstaltungen für Studierende zu wirtschaftlichen Themen vor. Trotzdem gehören diese Themen für Mediziner im stationären und vor allen Dingen im ambulanten Bereich zu ihrem tägli-chen Arbeitsalltag. Die Entwicklung eines E-Learning-ba-sierten Planspiels könnte dazu beitragen, diese Wissens-lücke zu schließen.

Schlüsselwörter: Planspiel; Praxismanagement; Betriebswirtschaft; Serious Game; E-Learning

Background: Key strategies that aim to address the shortage of family practitioners in the health workforce should include the teaching of practice management competencies. This could be achieved with the help of serious game technology, for example in the form of an e-learning based business game. A workshop was run in which eleven experts were consulted regarding the devel-opment of an e-learning platform for such a serious game, which addressed questions related to the establish-ment and running of a practice in family medicine.Methods: The participants (experts) were divided into small groups and requested to take part in a “brainwalk”, where six predetermined topics should be handled within a specific time frame. Each group had to work through each of the topics, after which a consensus discussion with the whole group of experts took place reviewing the material that had emerged. This included a process dur-ing which each individual expert weighted each topic ac-cording to its perceived importance.Results: Basics of business management and financial management emerged as two key priority areas.Conclusions: Currently, there are no compulsory courses on business management principles for students within the German undergraduate curriculum in medicine. Nevertheless, “good medical practice” today requires doctors in both hospital and ambulatory settings to also take into account efficient use of resources. The imple-mentation of serious game technology, for example via an e-learning platform, is one strategy to close this know -ledge gap.

Keywords: simulation game; practice management; economics; serious game; e-learning

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Hintergrund

Das Thema Ärztemangel ist seit Jahren in den Medien präsent und sozialpoli-tisch relevant. Bereits heute besteht ein Bedarf an Ärzten, der weder im ambu-lanten noch im stationären Sektor zu 100 % gedeckt werden kann. Um eine einheitliche Rechengröße für alle An-spruchsgruppen zu benennen, werden sogenannte Vollzeitäquivalente (VZÄ) verwendet. Ein Vollzeitäquivalent wird als eine Beschäftigung im Umfang einer vollen tariflichen Arbeitszeit definiert. Prognostiziert wird für das Jahr 2020 ein Angebot von 267 Tausend VZÄ gegen-über 322 Tausend, die nachgefragt wer-den. Bis zum Jahr 2030 wird diese Schere voraussichtlich auf ein Angebot von 229 Tausend VZÄ zu einer Nachfrage in Hö-he von 395 Tausend auseinandergehen [1–3]. Der höchste Anteil dieser Ange-botslücke entfällt auf die ambulante ärztliche Versorgung. Aktuelle Berichte dokumentieren einen kontinuierlichen Rückgang der wöchentlichen Arbeitszeit von Ärzten in der ambulanten Versor-gung [4]. Diese Lücke wird voraussicht-lich bis zum Jahr 2030 auf 88.000 vakan-te VZÄ anwachsen.

Im Rahmen des SGB V wird die Be-darfsplanung der ambulanten ärzt-lichen Versorgung von den Kassenärztli-chen Vereinigungen übernommen (§ 99 SGB V). Unter Berücksichtigung der oben dargestellten Zukunftsprognosen wird diese Verpflichtung mit immer grö-ßeren Herausforderungen einhergehen. Als Steuerungsinstrument wird vom Ge-setzgeber nach § 75 a SGB V die Weiter-bildung und hier besonders die All-gemeinmedizin umfänglich durch neue Konzepte und Geldmittel gefördert. Ebenso wurde ein neuer Masterplan Me-dizinstudium 2020 auf den Weg ge-bracht, der neben einer Reformierung der Studienzulassung in einem beträcht-lichen Maße die Allgemeinmedizin stär-ken soll und zugleich die Praxisnähe vo-rantreibt. Zur Praxisnähe in der All-gemeinmedizin gehört in den allermeis-ten Fällen das Führen einer Praxis – so-wohl im medizinischen als auch im un-ternehmerischen Sinne.

Eine Niederlassungsbarriere, die im-mer wieder von jungen Medizinern in Aus- und Weiterbildung benannt wird, ist das vermutet hohe finanzielle Risiko. Der Themenkomplex finanzielle Sicher-heit bzw. kalkulierbares Einkommen

kann sich negativ auf die Niederlas-sungsbereitschaft auswirken. Es wurde herausgefunden, dass Faktoren wie Pla-nungssicherheit und gute Zukunftsaus-sichten ebenso wie ein familienfreundli-ches Umfeld die Wahl des Fachgebiets beeinflussten [5, 6].

Zum Thema Niederlassung gibt es bereits vielerlei Beratungsangebote von Seiten der Kassenärztlichen Vereinigun-gen, Berufsverbände, Banken und priva-ten Anbieter [7]. In der Regel werden diese Angebote jedoch erst nach der Ent-scheidung für eine Niederlassung von Medizinern in Anspruch genommen.

Planspiele im betriebswirtschaftli-chen Kontext gehen auf die Anfänge des 20. Jahrhunderts zurück und zählen zu den ernsthaften Spielen, den sogenann-ten Serious Games. In der Medizin fin-den ernsthafte Spiele bereits vielfach Anwendung [8, 9], beispielsweise in der Diagnoseerstellung [10], zur Vermitt-lung medizinischen Wissens [11], zur Unterstützung von Therapien [12] und zum Training der Arzt-Patienten-Kom-munikation [13]. Sie bestehen typi-scherweise aus drei grundlegenden Komponenten: der Umweltsituation, ei-ner Rollenspiel- und einer Regelkom-ponente und folgen dem Ansatz der konstruktivistischen Didaktik [14]. Nach Kolbs Experiential Learning Mo-del ist ein Planspiel für alle identifizier-ten Lernstile geeignet. Lernende sam-meln dabei im Planspiel konkrete Erfah-rungen [15]. Eine aktuelle Meta-Analyse konnte hohe Lerneffekte beim Blended-Learning, der Kombination aus Face-to-Face- und Online-Learning, identifizie-ren [16]. Ideale Voraussetzung hierfür böte die Kombination eines E-Learning-basierten Planspiels mit einem präsenz-orientierten Lernkontakt.

Erfolgt der Einsatz eines solchen Planspiels schon während der Ausbil-dung, kann sich hieraus die Chance er-geben, die benannten Barrieren für die angehenden Ärzte frühzeitig zu senken

und so die Entscheidung für eine Nie-derlassung zu erleichtern.

Zur Unterstützung von angehenden Ärzten arbeitet seit 2013 eine Arbeits-gruppe an Themen rund um ein Plan-spiel, welches spielerisch Studierende und ggf. Ärzte in Weiterbildung an das Thema Praxismanagement heranführt.

Ziel dieser Arbeit war es, die Inhalte eines E-Learning-basierten Planspiels zu definieren, welches sich eignet, um die genannten Niederlassungsbarrieren, die sich auf die nicht-medizinischen, wirt-schaftlichen Aspekte einer ärztlichen Selbstständigkeit beziehen, zu identifi-zieren.

Methoden

Zur Ermittlung der relevanten Themen wurden Teilnehmer aus den Gruppen: Studierende, Ärzte in Weiterbildung, Fachärzte, Praxismanager, Niederlas-sungsberater/-innen, Mitarbeiter der Management Akademie der KVBW und Wissenschaftler zu einem Workshop in Form einer Gruppendiskussion [17] nach Lübeck eingeladen. Das Auswahl-verfahren der Teilnehmer bestand in ei-nem „purposive sampling“ [18]. Die Da-tenerhebung erfolgte nach qualitativen Gesichtspunkten [19]; die Moderation wurde von einem Wissenschaftler der Universität Lübeck übernommen.

Die Teilnehmer wurden in vier zufäl-lig generierte Arbeitsgruppen zu einem Brainwalk eingeteilt. Auf Flipcharts wa-ren die den realen Praxisablauf tangie-renden, als relevant identifizierten, nicht-medizinischen Themen als Über-schriften notiert [20]. Diese waren: Rah-menbedingungen, Praxisbetrieb und Organisation, betriebswirtschaftliche Grundlagen, Versicherungen, Berufsein-stieg, Kooperationsformen und Finan-zierung.

Die Arbeitsgruppen erhielten den Auftrag, die zu jedem Thema zugehöri-

Tabelle 1 Soziodemografie der Teilnehmer

Charakteristika

Alter

Geschlecht weiblich

Geschlecht männlich

MW = Mittelwert

Angaben

27–54 (MW = 40 Jahre)

4 (36,4 %)

7 (63,6 %)

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gen Unterthemen innerhalb von 30 Mi-nuten zu bearbeiten. Die Unterpunkte wurden der Überschrift auf den Flip-charts hinzugefügt. Nach jeweils 30 Mi-nuten wanderte die Gruppe ein Flip-chart weiter und ergänzte das von der Gruppe davor bereits begonnene The-ma. Auf diese Weise arbeitete jede Grup-pe an jedem Thema. Fehlende Themen konnten auf zusätzlichen Moderations-karten formuliert werden.

Nach dem Rundgang folgten eine gemeinsame Begehung der Flipcharts und die gegenseitige Erläuterung der

Unterpunkte, um ein einheitliches Ver-ständnis dieser zu erreichen. Anschlie-ßend wurden die Überschriften mit den Unterpunkten mit denen der Moderati-onskarten abgeglichen. Hierbei konnten keine neuen Unterpunkte identifiziert werden.

Um die Vielzahl der so ermittelten Unterpunkte einzugrenzen, wurden die Teilnehmer gebeten, die ihres Erach-tens wichtigsten und dringlichsten Themen zu markieren. Hierzu wurden sechs rote und sechs blaue Klebepunkte ausgegeben. Mit rot wurden die The-

men markiert, die unbedingt in ein Planspielkonzept eingearbeitet werden sollten. Blau markiert wurden solche, die eher vertiefend in ein begleitendes Lehrbuch eingeschlossen werden soll-ten.

Ergebnisse

Insgesamt konnten elf Teilnehmer für den Workshop gewonnen werden. Ne-ben einem Studierenden der Humanme-dizin waren dies zwei Ärztinnen in Wei-

Tabelle 2 „Unbedingt in Planspiel einzuarbeiten“: Verteilung der roten Punkte

Bewer-tung

Finanzierung

Finanzierungsmo-delle (5-mal rot)

Steuer Abschreibung

Wer finanziert Kredit?

Businessplan

Rentiert sich eigene Praxis?

Kapitaldienst

Kapitalbeschaf-fung

Kapitalbedarf

Finanzierbarkeit bei Teilzeit/Krank-heit/Urlaub

Leasing

Förderung

Praxisbewertung

Umsatzerwartung

Betriebswirt-schaftliche-Grundlagen

Einnahmen/Aus-gaben (5-mal rot)

Planung Geschäftsmodell bis Privat

Liquidität

Vertragscontrolling

Versicherungen

diverse Versiche-rungen (4-mal rot)

(Berufshaftpflicht-, Inhalts-, Rechts-schutzversiche-rung)

Versorgungswerke

Zusammenhang mit der Finanzierung

Rahmenbedin-gungen

Verdienstmöglich-keiten

Einnahmequellen

Work-Life-Balance

Infrastruktur/Med. Netzwerk

Marketing – Was ist erlaubt?

Mitarbeiter/Mitar-beiterführung

Versorgungsgrad/ RLV/BAG-Zuschuss

Abschlagszahlun-gen

Wettbewerb aber dennoch unternehmerische Sicherheit

Gestaltungsfreiheit/ Flexibilität

Berufseinstieg und Kooperati-onsformen

wichtige ärztliche Organisationen

KV

NiederlassungPraxisformen/ Kooperationen

ChecklistenStandort

Praxisbetrieb und Organisa-tion

Praxis IT/ Vernetzung Abrechnung Reinvestitionen

Terminplanung

Qualitätsmana-gement

Investition/Amortisation/Abschreibung (techn. Geräte)

Benchmark

Standort/ Patientenanalyse

Deckungs beitrag

Gewinn

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terbildung, Vertreter der Kassenärzt-lichen Vereinigungen Baden-Württem-berg und Niedersachsen (Betriebswirt/Sozialpädagoge, Juristin), ein Jurist als Vertreter des Hausärzteverbands, ein Facharzt für Allgemeinmedizin, eine Praxismanagerin/Betriebswirtin und zwei wissenschaftliche Mitarbeiter des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung. Tabelle 1 beinhaltet weitere Daten zu den Teilnehmern.

In den Tabellen 2 bis 4 werden die identifizierten Unterpunkte zu den rele-vanten Themen dargestellt. Zur Pro-grammierung eines Spiels, welches diese verschiedenen Unterpunkte umfasst, wird ein Lastenheft (Beschreibung des Auftraggebers von allen Anforderungen an ein Projekt) benötigt. Um eine struk-turierte Planspielprogrammierung ge-währleisten zu können, erfolgte in Ta-belle 2 nochmals eine Zuordnung der

Themen nach ihrer Relevanz in abstei-gender Reihenfolge. Diese Tabelle könn-te anschließend direkt in ein Lastenheft übernommen werden.

Der Themenblock „betriebswirt-schaftliche Grundlagen“ bekam keine blauen Punkte. Die hierzu identifizier-ten Unterpunkte sollten überwiegend direkt ins Spiel eingearbeitet werden oder wurden, wie in Tabelle 4 ersicht-lich, in wenigen Aspekten als nicht rele-

Tabelle 3 „Vertiefend in ein begleitendes Lehrbuch einschließen“: Verteilung der blauen Punkte

Tabelle 4 Themen, die weder einen blauen, noch einen roten Punkt erhalten haben

Bewer-tung

Rahmenbedingungen

Mitarbeiterführung/ -auswahl/-weiterbildung/ -qualifikation

Berufsrecht (5-mal blau)

Wettbewerb aber dennoch unternehmerische „Sicher-heit“

Digitalisierung/Datenschutz

Weiterbildung

Infrastruktur

Patientenklientel/Standort

Arbeitsteilung/Delegation

Praxisausstattung

Praxisbetrieb und Organisation

Abrechnung (5-mal blau)

Ziffern/EBM-GOÄ

Benchmark (Instrument der Wettbewerbsanalyse)

Fortbildung

Qualitätsmanagement

Investitionen

Organisationsinstrumente

Hausbesuche

Buchhaltung/Steuerberatung

Abrechnungscontrolling

Berufseinstieg und Kooperationsformen

Kooperationsmöglichkeiten

Niederlassungsformen

Haftung

Zeitplanung

Rechtsformenzeitliche Planung

Finanzierung

Altersversorgung

Vermögensaufbau

3 P

un

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2 P

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lau

1 P

un

kt

b

lau

Bewer-tung

Betriebswirtschaft-licheGrundlagen

Absicherungen

Vorsorgeleistungen

Finanzierung

Zinsvergleich

Finanzierungs -anbieter

Rahmen -bedingungen

Alleinstellungsmerkmal

Zweigpraxis

Internet/Netz

Budgetierung/ vertragsärztliche Pflich-ten

Praxisbetrieb und Organisation

Patientenversorgung Bestellungen/ Praxisbedarf/ Materialwirtschaft Korrespondenz Teamführung/ Fehlerkultur Beschwerdemanage-ment Patientenzufriedenheit Praxisvertretung Selbstzahlerbereich Serviceangebot Praxisausstattung Praxisbedarf, Räumlichkeiten Netzwerk Dienst-/Urlaubsplanung Öffnungszeiten, Delegation Bestellwesen, Kalkulation Übernahmemodell

Berufseinstieg und Kooperationsformen

freie Sitze Zulassungs optionen

kei

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Pu

nkte

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Anja Kohlhaas, M.A. Health Care Manage-

ment, Dipl-Betriebswirtin (FH)

Abt. Allgemeinmedizin und

Versorgungsforschung

UniversitätsKlinikum Heidelberg

Im Neuenheimer Feld 130.3

69120 Heidelberg

[email protected]

Korrespondenzadresse

vant eingestuft. Zum Themenblock „Versicherungen“ gab es nur rote Punk-te zur Einarbeitung in ein Planspiel.

Welche Aspekte in die Kategorie „ge-eignete Themenbereiche für vertiefende Literatur“ eingeordnet wurden, geht aus Tabelle 3 hervor.

Keine Punkte wurden vergeben an die Themen in Tabelle 4.

Diskussion

Im Bereich der betriebswirtschaftlichen Grundlagen sollten Begriffe wie Einnah-men, Ausgaben und Liquidität definiert, verwendet und in einen Zusammen-hang gebracht werden. Ein weiterer Punkt war das Vertragscontrolling. Ein Überblick über bestehende Laufzeiten und Pflichten und Rechte im Zusam-menhang mit Verträgen ist ein bedeut-samer Bestandteil der Selbstständigkeit. Direkt damit verbunden ist das Ver-sicherungsportfolio, das für einen ver-antwortungsvollen Praxisbetrieb erfor-derlich ist. Als weitere wichtige Themen wurden Finanzierungsmodelle, Förder-möglichkeiten und die Praxisbewertung genannt. Diese stellen im Vorfeld rele-vante Themen zur Praxisgründung dar und sind im laufenden Betrieb Grundla-gen zur Aufrechterhaltung einer qualita-tiv hochwertigen Versorgung. Bei den Rahmenbedingungen wurden die Ver-dienstmöglichkeiten als priorisiertes Thema genannt, gleich gefolgt von der Work-Life-Balance. Hier muss ein Spiel demnach die verschiedenen Verdienst-möglichkeiten abbilden können ebenso wie die Frage, inwiefern ein Praxis-betrieb mit den persönlichen Erwartun-gen an die Ausgewogenheit von Privat- und Arbeitsleben in Einklang gebracht werden kann. Im Bereich von Praxis-betrieb und Organisation spielte die Pra-xis-IT eine vorrangige Rolle. Die Mög-lichkeiten, die die heutigen Soft- und

Hardwarekomponenten sowie die Ver-netzung mit anderen Leistungserbrin-gern und die Nutzung von Online-Diensten zur Aufrechterhaltung und Er-leichterung eines Praxisbetriebes bieten, sollten eingearbeitet werden. Hier war auch die Abrechnung ein wichtiges The-ma, welches originär mit der Praxis-IT zusammenhängt. Zur Überschrift „Be-rufseinstieg und Kooperationsformen“ waren in erster Linie die wichtigsten ärztlichen Organisationen genannt wor-den, gleich dahinter der Informations-bedarf zu den bestehenden Kooperati-onsformen und nähere Informationen zu den Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen einer kassenärztlichen Nieder-lassung.

Diese Punkte konnten anhand der fachlichen Expertise der Arbeitsgruppe identifiziert werden und können als erste Grundlagen für die Umsetzung ei-nes Planspiels dienen. Um eine mög-lichst hohe Anwenderqualität zu reali-sieren und eventuelle Lücken im Plan-spiel zu identifizieren, sollte nutzungs-begleitend eine Evaluation erfolgen, um so anwenderbezogenen Ansprü-chen gerecht zu werden. Im idealen Fall könnte sich das Spiel für den Einsatz in den verschiedenen Phasen der medizi-nischen Aus- und Weiterbildung eig-nen. Das im Masterplan Medizinstudi-um 2020 auf die Allgemeinmedizin ge-legte Augenmerk findet im Kompetenz-basierten Curriculum Allgemeinmedi-zin (KCA) seine Weiterführung in die Facharztausbildung [21]. Ziel des KCA ist es: „Eine Basis zu schaffen und essen-tielle Themenbereiche zu benennen, die jeder Hausarzt beherrschen sollte“. Management ist eines der aufgeführten Themen. Hierzu gibt es einen Unter-punkt „Organisation der medizi-nischen und betriebswirtschaftlichen Belange der Praxis“. Genau in diesem Punkt könnte ein Planspiel zur Wis-sensvermittlung ansetzen. Das KCA ori-

entiert sich an dem in Kanada ent-wickelten und implementieren Rah-menkonzept CanMEDS 2015 [22].

Schon während des Studiums könnten den angehenden Ärzten in ei-nem didaktisch bedarfsgerechten Rah-men die notwendigen Kompetenzen zum Praxismanagement vermittelt werden. An mehreren deutschen Uni-versitäten ist eine dahingehende Ent-wicklung zu verzeichnen. An der Uni-versität Heidelberg wird in einem inter-professionellen Modul ein Wahlfach zum Thema Praxisgründung und -ma-nagement im Rahmen eines Planspiels angeboten [23, 24]. Die Universität zu Köln bietet ein zweisemestriges Semi-nar mit dem Titel „Strategisches Ma-nagement – Planspiel Krankenhausma-nagement“ an [25]. An der Ludwig-Ma-ximilians-Universität in München und an der Charité in Berlin werden bereits Interventionen zur Unternehmens-gründung und -führung im medizi-nischen Bereich als Wahlpflichtmodule im klinischen Abschnitt angeboten [26, 27]. Auch an der RWTH in Aachen ist im Curriculum ein webbasiertes Lern-spiel im Kontext der Allgemeinmedizin integriert [28], um nur einige Beispiele zu nennen. Jedoch konnte nach bishe-rigen Recherchen kein computerbasier-tes Planspiel gefunden werden, was den identifizierten Erfordernissen ent-spricht.

Zur Realisation des Spiels ist in ei-nem nächsten Schritt geplant, zu prü-fen, auf welcher technischen Plattform es angeboten werden kann. Insbesonde-re soll geprüft werden, ob bei der Realisa-tion des Spiels ein Gamification-Ansatz – ggf. unter Nutzung von Virtual-Reali-ty-(3D)-Komponenten – verfolgt wer-den kann, um den Lernenden mehr-wertstiftende Interaktionseinheiten an-zubieten.

Interessenkonflikte: keine angege-ben.

... hat an der Hochschule Offenburg technische Betriebswirt-

schaft mit Schwerpunkt Controlling und Steuer studiert und

seit 2013 einen Masterabschluss in Health Care Management.

Nach Tätigkeiten in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und

einem Institut für Unternehmensanalysen arbeitet sie seit

19 Jahren in einer hausärztlich/internistischen Praxis und seit

2014 als Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung All-

gemeinmedizin und Versorgungsforschung des Universitätsklinikums Heidelberg.

Anja Kohlhaas, M.A. Health Care Management, Dipl-Betriebswirt (FH) ...

Kohlhaas et al.:Praxismanagement spielerisch lernen – welche Inhalte sollen unbedingt vermittelt werden?Studying Practice Management via Serious Games – Which Knowledge Should be Conveyed?

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22. CanMEDS 2015. Physician Competen-cy Framework. http://canmeds.royalcollege.ca/en/framework (letzter Zu-griff am 11.09.2017)

23. Berger S, Goetz K, Leowardi-Bauer C, Schultz JH, Szecsenyi J, Mahler C. An-choring interprofessional education in undergraduate curricula: the Heidel-berg story. J Interprof Care 2017; 31: 175–179

24. Berger S, Mahler C, Krug K, Szecsenyi J, Schultz JH. Evaluation of interprofes-sional education: lessons learned through the development and imple-mentation of an interprofessional se-minar on team communication for un-dergraduate health care students in Heidelberg – a project report. GMS J Med Educ 2016; 33: Doc22

25. Universität zu Köln. Computerbasier-tes Planspiel „Krankenhausmanage-ment“ für Studierende der Gesund-heitsökonomie (Master) und der Hu-manmedizin; Innovation in der Lehre. Universität zu Köln. www.portal.uni-koeln.de/10795.html (letzter Zugriff am 11.09.2017)

26. Charité-Universitätsmedizin Berlin. Start-up Entrepreneurship an der Cha-rité. Freie Universität Berlin. http:// www.fu-berlin.de/sites/profund/qualifizierung/medizin-charite/start-up- entrepreneurship-an-der-charite.html (letzter Zugriff am 11.09.2017)

27. Ludwig-Maximilians-Universität Mün-chen. Arzt und Unternehmer. Lern‘ wie Deine Praxis läuft! LMU München, Me-dizinische Fakultät, Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin. www.egt.med.uni-muenchen.de/studium_lehre/arzt_und_unternehmer/in-dex.html (letzter Zugriff am 11.09.17)

28. Spreckelsen C, Spitzer K. Wissensbasen und Expertensysteme in der Medizin. Wiesbaden: Vieweg + Teubner, 2008

Literatur

Kohlhaas et al.:Praxismanagement spielerisch lernen – welche Inhalte sollen unbedingt vermittelt werden?Studying Practice Management via Serious Games – Which Knowledge Should be Conveyed?

© Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2018; 94 (1) ■

35NACHRUF / OBITUARY

Diethard Sturm ist tot

Am 24. November 2017 starb Dr. med. Diethard Sturm nach langer Krankheit. Bereits einige Jahre zuvor hatte er sich krankheitsbedingt weitgehend aus der aktiven Vortrags-Tätigkeit zurückgezo-gen. Dabei war ihm die hausärztliche Fortbildung eine Herzensangelegen-heit. Legendär waren seine – nicht im-mer ganz von der Festlegung auf eine bestimmte manualmedizinische Schule freien – Workshops bei der „Practica“ unter dem Label „Wirbelsturm“. Diet-hard Sturm war Gründungsmitglied des Instituts für hausärztliche Fortbildung (IhF), in den Jahren von 2001–2005 Mitglied des Vorstandes des IHF und von 2005–2009 dessen Vorsitzender und von 1999–2007 stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Hausärzte-verbandes.

Diethard Sturm wurde am 25.08.1944 in Dresden geboren, stu-dierte Medizin in Leipzig und Dresden und promovierte zum Thema „Verord-nungsgewohnheiten bei Fachärzten für Allgemeinmedizin“. Von 1985 bis 1990 leitete er ein allgemeinmedizinisches Forschungsprojekt zu spezifischen In-halten und zur Arbeitsweise in der All-gemeinmedizin. Nach der Wende ließ er sich ab 1991 in eigener Praxis nieder und praktizierte ab 2010 nur noch pri-vatärztlich.

Meine erste Begegnung mit ihm war nicht ganz konfliktfrei: Im Jahr 2002 noch hatte Diethard Sturm in Bremen die auch von der Bremer Ärztekammer übernommene sächsische Diabetes-Leitlinie mit ihren Empfehlungen einer intensiven Senkung der Blutglukose in allen Alters- und Risikogruppen vertre-ten. Und im Jahr 2007 hatte ich beim IhF-Kongress in Mannheim das von Sturm mitentwickelte IhF-Fortbildungs-modul zum Thema Diabetes kritisiert, weil darin, von der Firma Roche finan-ziert, Werbung für eine Selbstkontrolle der Blutglukose bei allen Patienten mit Diabetes propagiert worden war. In den

darauffolgenden Jahren kreuzten sich dann Diethard Sturms und meine Wege häufig beim Update Allgemeinmedizin auf Langeoog und in Bad Orb, und wir näherten uns zunehmend an. Ich lernte ihn als leidenschaftlichen Gärtner und Naturliebhaber kennen. Im Frühjahr 2015 trafen sich Mitglieder der DEGAM und des IhF am Rande des ersten IhF-Kongresses im thüringischen Oberhof, um eine non ihm erstellte Vorlage zu diskutieren, wie verschiedene Formen von Sponsoring hinsichtlich ihrer po-tenziellen Schädlichkeit für die Kran-kenversicherung und die einzelnen Pa-tienten differenziert werden könnten. Diese Vorlage wurde nahezu unver-ändert im Oktober 2017 von der DE-GAM als Positionspapier übernommen. Sturms Vorlage zeigte mir: Er hatte die in der DEGAM verbreitete kritische Einstel-lung zu einer Beeinflussung von Fortbil-dungsinhalten durch die Pharmaindus-

trie übernommen und nach einem prak-tikablen Weg zur Finanzierung von Fort-bildungen unter Einhaltung dieser kriti-schen Grundhaltung gesucht. Nicht zu-letzt hierfür, aber auch für seinen uner-müdlichen Einsatz in der hausärztlichen Fortbildung sowie in der Bekämpfung onkologischer und zuletzt die Erken-nung seltener Erkrankungen sei ihm ge-dankt. Sehr weitsichtig löste er sich, als er realisierte, wie krank er war, von sei-nen vielfältigen Ämtern und Aufgaben. Diese Fähigkeit, Verantwortung dafür zu übernehmen, für Kontinuität und Per-spektive des eigenen Lebenswerks zu sorgen, fehlt Führungspersönlichkeiten nicht selten. Diethard Sturm hingegen hat das in Vollendung vorgelebt. Es ist traurig, dass er nicht mehr erleben kann, wie seine Ideen aufgenommen wurden und verbreitet werden.

Günther Egidi

Dr. med. Diethard Sturm Foto: privat

■ © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2018; 94 (1)

36

Zugegeben, Biochemiker und Neurobio-logen werden enttäuscht sein, denn esgeht hier nicht um Neurotransmitter undCo. Alle anderen Leser haben aber die

Chance, ihre Angst vor dem Unbekann-ten, vor der Psychotherapie, zu verlieren – durch hier neu erworbenes Wissen. Der Autor, Martin Grabe, ein langjährig er-fahrener Psychotherapeut, zerlegt die

komplexe Vielfalt, die sich hinter „Psy-chotherapie“ verbirgt, in gut verdauli-che mundgerechte Stücke. Er gibt einengut strukturierten Überblick über Diag-

nosen bzw. Indikatio-nen und belegt diese sehr lebendig mit an-schaulichen (Fall-)Bei-spielen. Passend dazufolgt ein Überblick über die wichtigstenVerfahren der Psycho-therapie, inklusive dereher selten beschriebe-nen Schematherapie. Außergewöhnlich um-fassend wird auch der

Einfluss der Spiritualität in diesem Buchbeschrieben.

Die Beispielbeschreibungen lassen auch Nicht-Fachleute erkennen, wo und wann die Psychotherapie ansetzen kann

und dass die Basis für deren Erfolg auch in der Öffnung und Mitarbeit des Klientenbzw. Patienten liegt.

Insgesamt ein geradezu spannend zu lesendes Buch, welches Lücken auf ei-nem teilweise sogar angstbehaftet tabui-sierten Gebiet füllen kann. Für alle, dieim (beruflichen) Alltag mit psycho-somatischen Fragestellungen und Pro-blemen konfrontiert sind, hat Martin Grabe hier ein ausgesprochen hilfrei-ches Mini-Lehrbuch verfasst.

Sabine Diwo

BUCHBESPRECHUNG / BOOK REVIEW

Dr. med. Sabine Diwo

FÄ Allgemeinmedizin, Psychotherapie

Mathildenstrasse 16

79106 Freiburg

[email protected]

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Wie funktioniert Psychotherapie – oder was Sie schon immer wissen wollten, aber nicht zu fragen wagten –

Dr. med. Wolfgang Klomp

Berliner Straße 145

38226 Salzgitter

Korrespondenzadresse

Propädeutik der Allgemeinärztlichen Praxis

Ein Kaleidoskop aus praxisbezogenenErörterungen, ausgewählten Kasuisti-ken und spezifischen Charakterisierun-gen prägt das vorliegende Sachbuch„Propädeutik der Allgemeinärzt lichen

Praxis“. Der Bogen spannt sich von derAnamnese, der Patientenuntersuchungin der allgemeinärztlichen Praxis überunverzichtbare Arzneimittel in der all-gemeinärztlichen Praxis – Analgetika

und Antibiotika, Herz-Kreislauf-Prä-parate, Stoffwechsel-Präparate, Psycho-pharmaka – bis hin zu Symptom-Tria-den und Ausführungen zur zeitgemä-ßen Allgemeinmedizin, Definitionen

der Allgemeinmedizinund dem Beitrag „Nie-mand weiß, was Ge-sundheit ist – deshalbhaben wir Gesund-heitsprobleme?“ so-wie dem Spektrum derGesundheits-Definiti- onen. Ein umfangrei-ches Literaturverzeich-nis gewährleistet dastiefere Eindringen inrelevante Fragestel-

lungen. Das Ganze ist mehr als dieSumme seiner einzelnen Teile. Dieser Kernsatz trifft in besonderer Weise für das allgemeinärztliche Wirken zu. Im Zusammenwirken des bio-psychosozi-

alen Kontextes der individuellen Le-bensgestaltung veranschaulichen dieBuchbeiträge verschiedene Aspekteund Bezüge allgemeinärztlicher Wirk-samkeit. Ein empfehlenswertes Sach-buch, das Anregungen und Hinweisefür das Verstehen und Verständnis all-gemeinärztlichen Tätigseins bietet underöffnet. Das Buch „redet“ nicht überdas sondern vom allgemeinärztlichenTätigsein und leistet damit einen ge-wichtigen Beitrag dazu, das Interessefür dieses interessante, herausfordern-de und erfüllende medizinische Fach-gebiet zu wecken.

Wolfgang Klomp

Martin Grabe

Wie funktioniert Psycho- therapie?

Ein Buch aus der Praxis für alle, die es

wissen wollen

279 Seiten, 1. Auflage, kartoniert

Stuttgart: Schattauer Verlag 2017, in der

Reihe Wissen & Leben erschienen

ISBN: 978–3–7945–3296–4

Preis: 19,99 Euro

Paul Kokott

Propädeutik der Allgemein ärztlichen Praxis Eindrücke, Einblicke, Erfahrungen

Deutsche Literaturgesellschaft 2017

116 Seiten

ISBN: 978-3-03831-141-6

Preis: 29,95 Euro

„ p

© Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2018; 94 (1) ■

37LESERBRIEFE / LETTERS TO THE EDITOR

Dr. med. Gernot Rüter

Facharzt für Allgemeinmedizin,

Chirotherapie – Palliativmedizin

Blumenstr. 11/Postfach 30

71726/71724 Benningen

www.hausarztpraxis-benningen.de

[email protected]

Dr. med. Wolfgang Hüther

Facharzt und Lehrbeauftragter

für Allgemeinmedizin

Staufenerstraße 31

79115 Freiburg

[email protected]

Korrespondenzadresse

Korrespondenzadresse

Abholz HH. Der Mensch im Mittelpunkt? – Über den gesuchten Weg zwischen ärztlicher Expertise und EbM-Leitlinien. Z Allg Med 2017; 93: 445–449

Leserbrief von Dr. Gernot Rüter

Harald Abholz ist für diesen Artikel sehr zu danken. Seinen Überlegungen kann in weiten Teilen nur zugestimmt werden. Über die Seite der externen (Studien-)Evidenz wurde sehr viel, sehr elaboriert geschrieben. Über die Seite „Der Mensch im Mittelpunkt“ eher weniger, insbesondere nicht über den „Mensch im Mittelpunkt“ der hausärztlichen Praxis. Abholz stellt ins Zentrum hausärztlicher Bemühun-gen:

Die sehr gute Kenntnis eines Patien-ten, seiner Erkrankungen und seiner Re-aktionen auf diese, gute Kenntnis der Lebensumstände des Patienten – beides zusammen in der erlebten Anamnese ge-wonnen –, und eine gewachsene Bezie-hung zwischen Patient und Arzt, die auch erkennen lässt, ob das Passende für diesen „Menschen mir gegenüber“ ent-schieden wurde.

Diese Ziele zu erreichen ist mindes-tens ebenso anspruchsvoll wie Studien-evidenz zu deuten. Wissen und Können auch in diesem Bereich wachsen dem Arzt nicht von selbst zu. In zahlreichen Aufsätzen in den letzten 15 Jahren habe ich versucht, Konzepte zu formulieren, die von Abholz formulierten Ziele in der hausärztlichen Praxis erreichbar zu machen. Den Artikeln liegen mehr als zweitausend Stunden zugrunde, die ich in Balintgruppen mitgearbeitet habe. Andere als Studien-Abstraktionen, nämlich philosophische und künstleri-sche Grundierungen wurden einbezo-gen (Literatur auf Anfrage beim Verfas-ser). Themen sind: Komplexität in der allgemeinärztlichen Sprechstunde – Wofür verdient der Hausarzt sein Geld? – Jenseits der Klarheit – Ist Freiheit ein Begriff von Bedeutung für den tätigen Hausarzt? – Ärztliche Interventionen bei Lebensproblemen im Zusammen-hang mit Kranksein – Bewegende Sze-nen in hausärztlicher und spezialisier-ter Medizin – Training fühlenden Ge-staltens als ein Herzstück hausärzt-licher Tätigkeit – Doppelersatz der Aor-

ten und Mitralklappe – nur ein Tei-letausch?

Mit Recht sieht Abholz die Gefahr, dass bei Nichtberücksichtigung von „EbM“ und „Der Mensch im Mittel-punkt“ wir Gefahr laufen, „unser Fach in seiner Spezifität“ aufzugeben und „den Platz frei[zugeben] für Spezialisten, practice nurses und physician assis-tants“.

Leserbrief von Dr. Wolfgang Hüther

Der Artikel von Heinz-Harald Abholz pro-duziert eine seltsame, ideologisch ge-stimmte Verknüpfung zwischen einer m.E. etwas engen Definition („der Mensch im Mittelpunkt“ als „Spezifität“) der Allgemeinmedizin und deren drohen-dem Untergang durch neuzeitliche Le-bens- und Arbeitsformen. Diese würden zwar mehr Freizeit, aber weniger Kon-tinuität und Eigenverantwortung generie-ren und deswegen am Kern (und dem Spaß an) der Allgemeinmedizin nagen.

Zweifellos ist die Kontinuität der Arzt-Patientenbeziehung in der All-gemeinmedizin essenziell. Aus meiner Sicht aber besteht der Kern der All-gemeinmedizin und ihr Hauptunter-schied zu anderen Fächern aus einer gu-ten Basisversorgung mit all ihren kurzen und langen Beziehungen, akuten Anläs-sen etc.

Die Kontinuität ist dabei nicht Ziel, sondern Mittel; Sie ist nicht allein ab-hängig vom „wie lange und wie oft“, sondern insbesondere vom „wie tief“?

Daher meine Fragen: • Wo bleibt im Ansatz von Abholz die

Betonung des Nutzens (und damit die

Relativierung überzogener Kontinui-tätsanforderungen an den einzelnen Arzt) qualifizierender Methoden zur Vertiefung/Verbesserung der Arzt-Pa-tientenbeziehung, z.B. in Balintgrup-pen?

• Wo bleibt die Anerkennung des Zu-sammenhangs von „mehrgleisigem“ Leben und positiver Rückstrahlung auf die Arbeit?

• Gibt es (außer ideologischen) wirklich belegbare Gründe, moderne Freizeit-vorstellungen so kontraproduktiv für eine gute Allgemeinmedizin ein-zuschätzen, wie Abholz das tut?

• Warum fehlt die Anerkennung des Nutzens zeitnah möglicher Konsilien in der Gemeinschaftspraxis für Arzt/Ärztin und Patient/in und wo bleiben die Vorteile für gute, auf evidenzbasier-ter Medizin beruhende, abwägende Entscheidungen bzw. Empfehlungen? Entscheiden „Einzelkämpfer“ wirklich besser?

• Und auch: Sollten/könnten Frauen als Ärztinnen noch arbeiten? In Teilzeit? Ohne Kinder? Wo bleibt die Anerken-nung weiblicher Potenziale für qualita-tiv hochstehende Medizin?

Um es aus meiner Sicht zusammen-zufassen: Ein überholtes Welt- und Arbeitsbild, dass da aus einer zu-nächst pfiffigen Einordnung evidenz-basierter Medizin heraus ideologisiert wird.

Interessenkonflikte: Der Autor ar-beitet in einer hausärztlichen Ge-meinschaftspraxis und hat durch die-se Organisationsform auch mehr Zeit für seine Enkelinnen – mit ermuntern-der Rückwirkung auf seine tägliche Ar-beit.

■ © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2018; 94 (1)

38 LESERBRIEFE / LETTERS TO THE EDITOR

Sandra Blumenthal

Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin

(Praxis Dr. Musche-Ambrosius, Potsdam)

Detmolder Str. 15

10715 Berlin

[email protected]

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Leserbrief von Sandra Blumenthal

Heinz-Harald Abholz ist der Frage nachgegangen, ob wir durch eine Fo-kussierung auf die evidenzbasierte Me-dizin nicht den Menschen im Mittel-punkt unseres ärztlichen Handelns aus dem Blick verloren haben. Teilzeit und Teampraxis seien die Gegner dieser auf den Menschen ausgerichteten All-gemeinmedizin.

Die Qualität von Beziehungen wurde in der Vergangenheit mehr als einmal auf die Dauer von Kontaktzei-ten oder die Quantität der gemeinsam verbrachten Zeit reduziert. So mussten – als ein anderes Beispiel – Generatio-nen berufstätiger Mütter sich gegen das Ideal der (westdeutschen) Haus-frau der 1950er Jahre wehren, die im-mer für ihr Kind verfügbar sein sollte. Dabei unterliegen Beziehungen eben-so wie unser Verständnis von Krank-heit oder Gesundheit soziokulturel-len, historischen und politischen Strö-mungen [1, 2]. Deshalb verändert sich natürlich auch die Gestaltung einer qualitativ „guten“ Arzt-Patienten-Be-ziehung mit den politischen oder kul-turellen Gegebenheiten und mit der jeweiligen Zeit, in der die Begegnung von Arzt und Patient stattfindet.

Sind mir meine Patienten nur auf-grund meiner Tätigkeit in Teilzeit we-niger vertraut? Ist mit dem Wegfall pa-triarchischer Beziehungsmuster nicht vielleicht auch mehr Offenheit im Arzt-Patienten-Kontakt möglich? Viel-leicht sind mir die multiplen Rollen-anforderungen meiner Patienten heu-te bekannter, als es den Generationen von Hausärzten der 1950er und 1960er Jahre war.

Bei aller Kritik bleiben Abholz‘ Be-denken wertvoll. Mit Beginn des letz-ten Jahrhunderts haben wir ein vor-rangig qualitatives Krankheitsver-ständnis durch ein biostatistisches Krankheitsmodell ersetzt [3]. Doch die „Vermessung“ des Menschen in der Medizin und seine Zuordnung zu grö-ßeren Gruppen wird inzwischen auch kritisch diskutiert [4, S.131 ff.]. Es ist richtig, diese Diskussion auch in der Allgemeinmedizin zu führen. Die Kernfrage von Abholz‘ Überlegungen lautet doch: „Auf welcher Basis soll der Hausarzt seine Entscheidungen tref-fen?“

Diese Frage ist nicht durch Auswei-tung von Sprechstundenzeiten lösbar, sondern durch medizinethische Über-legungen und Diskussionen. Etablierte und gut anwendbare medizinethische Tools, die bei der Entscheidungsfin-dung helfen können [5], sind in der hausärztlichen Praxis jedoch kaum be-kannt. Selbst die ideale Leitlinie kann nur Studienlage mit Expertenkonsens verbinden. Sie entlässt den einzelnen Arzt nicht aus der moralischen Verant-wortung, mit dem einzelnen Patienten die „richtige“ Entscheidung zu treffen. Das ärztliche Ethos lässt sich nicht auf den Kollegen in der Gemeinschafts-praxis abwälzen.

Leitlinien bieten Handlungsemp-fehlungen, doch es ist an jedem Ein-zelnen, sie auf ihre medizinische und ethisch-moralische Validität im indi-viduellen Patientenkontakt zu prüfen. Auf welcher Basis wir unsere Entschei-dungen treffen, muss also von jedem Einzelnen immer wieder kritisch re-flektiert werden. Ob wir bessere Ent-scheidungen treffen, nur weil wir öfter „da“ sind, wage ich infrage zu stellen.

Leserbrief von Dr. Martin Kotowicz

Qualität statt Quantität – können in Teilzeit tätige Ärztinnen und Ärzte das Niveau hausärztlicher Versorgung verbessern?

In weiten Teilen kann ich Ihrer Argu-mentation folgen. Widersprechen möchte ich Ihren Gedanken zum „Recht auf Freizeitgestaltung“, das die „heuti-gen Ärzte“ sich zunehmend nehmen würden.

Arbeiten in Teilzeit entspringt in meiner Wahrnehmung nicht dem Drang nach Freiheit unser Kolleginnen und Kollegen. Dieses „Recht“ ist viel-mehr Resultat der Übernahme von ne-benberuflichen Verpflichtungen und Verantwortung. Die jüngere Ärzte-Ge-neration lebt in der Regel in gleichbe-rechtigten Partnerschaften. Dem „klas-sischen Hausarzt“ nahm und nimmt häufig die Ehefrau den Großteil der ge-meinsamen privaten Pflichten ab. So hat er natürlich mehr Zeit sich einer quantitativ größeren Patientenzahl zu widmen. Die neue Generation von Ärz-tinnen und Ärzte dagegen übernimmt zusätzlich zum Beruf auch eine tragende Rolle in der Kindererziehung und Haus-haltsführung. Somit ist der Spielraum für Abendsprechstunden und regelhafte Patientenkontakte an Wochenenden, Feiertagen und nachts begrenzt.

Meine (vergleichsweise kurze) Erfah-rung als Arzt zeigt mir außerdem, dass eine enge Patientenbindung in Teilzeit gut möglich ist, schließlich ist auch die Anzahl der durch mich betreuten Pa-tienten geringer als beim Homo medicus.

Ein weiteres Argument gegen die von Abholz postulierte Überlegenheit des ständig verfügbaren Hausarztes ist aus meiner Sicht, dass viele medizi-nische Beratungsanlässe einen zeitli-chen Aufschub dulden. Und selbst wenn der Patient in akuten Situationen einen anderen Kollegen aufsuchen muss, schließt dies nicht aus, dass ich zeitnah Kenntnis von dem Fall erhalten werde und im Krankheitsverlauf eine aktive und tragende Rolle einnehme. Eine Ar-beitsteilung, z.B. mit Arzthelferinnen, dem Radiologen, Pathologen oder ande-ren Spezialisten ist essenzieller Bestand-teil moderner und guter Medizin. Ein Monopol des Hausarztes auf den Patien-

1. Badinter E. Die Mutterliebe; Ge-schichte eines Gefühls vom 17. Jahr-hundert bis heute. München: Piper Verlag, 1981

2. Canguilhem G. Das Normale und das Pathologische. Berlin: August Verlag, 2017

3. Boorse C. Health as a theoretical con-cept. Philos Sci 1977; 44: 542–573

4. Lanzerath, D. Krankheit und ärzt-liches Handeln. Zur Funktion des Krankheitsbegriffs in der medizi-nischen Ethik. Freiburg: Verlag Karl Alber, 2000

5. Beauchamp TL, Childress JF. Princi-ples of bomedical ethics. Oxford Uni-versity Press, 1979

Literatur

© Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2018; 94 (1) ■

39LESERBRIEFE / LETTERS TO THE EDITOR

Dr. med. Martin Kotowicz

Unterer Brandl 31

86633 Neuburg

[email protected]

Dr. med. Karin Breitenstein

Fachärztin für Allgemeinmedizin

Scharnhorststraße 115

28211 Bremen

Korrespondenzadresse

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ten und seine Krankheitsgeschichte existiert somit überhaupt nicht.

Ich möchte einen Schritt weiterge-hen und behaupten, dass die Teilzeit-tätigkeit eines Arztes die Versorgungs-qualität unserer Patienten sogar verbes-sern kann. Als in Teilzeit arbeitender Va-ter gewinne ich neben dem Praxis-betrieb Lebenserfahrung, die mir einen besseren Zugang zur Lebensrealität mei-ner Patienten ermöglicht. Stichwort Em-pathie. Meine Teilzeittätigkeit ermög-licht es mir außerdem zahlreiche Fort-bildungsangebote wahrzunehmen. Es bleibt mehr Zeit für die Reflexion mei-ner Patientenkontakte und meine Psy-chohygiene. Alles unbestritten Faktoren für eine gelingende Arzt-Patienten-Be-ziehung. So gesehen kann mir der „klas-sische Hausarzt“ nicht als Rollenmodell dienen, schon gar nicht sehe ich in ihm per se einen guten Weiterbilder.

des, sondern vor allem die Feststellung, ob es sich um eine gefährliche oder eher um eine Bagatellerkrankung handelt. Nach der Akutversorgung durch eine Kollegin kann also ohne Weiteres wenig später mit mir das Weitere individuell besprochen werden. Ich hatte nie den Eindruck, dass dadurch die vorhande-nen engen Beziehungen gestört wurden.

Andererseits haben wir zwei Kolle-gen in der Praxis, die genau so handeln, wie Prof. Abholz es vorschlägt: im Dau-ereinsatz. Sind diese beiden krank oder im Urlaub, stellt sich regelmäßig folgen-de Situation dar: Die meisten ihrer Pa-tienten, die in die Praxis kommen und „ganz dringend“ sofort „ihren“ Doktor sprechen wollen, beschließen umge-hend, ein paar Tage zu warten – so schlimm war‘s denn doch wohl nicht. Falls sie doch akut eine andere Kollegin konsultieren, sind sie oft sehr positiv überrascht. Und bei vielen der „ganz dringenden Hausbesuchsanfragen“, die wir von den Patienten dieser beiden Kol-legen erhalten, stellt sich nach einem Telefonat heraus, dass diese problemlos eine Stunde später in der Praxis sein können ...

Die Frage ist also auch, ob wir nicht mit einer bedingungslosen „Wir sind immer für Sie da“-Haltung eine unnöti-ge Anspruchshaltung der Patientinnen fördern und damit den Wert unserer Ar-beit, die dann so selbstverständlich in Anspruch genommen wird, in den Au-gen der Patientinnen selbst verringern.

*Ich verwende im Leserbrief ausschließlich die weib-

liche Form; gemeint sind immer Frauen und Männer;

andernfalls weise ich gesondert darauf hin.

faktisch verstanden wird – basiert allein auf Studienwissen und das beinhaltet immer nur Aussagen zu Gruppen. Diese aber sind sehr oft nur sehr annähernd auf einen einzelnen Menschen übertrag-bar. Man kann das ignorieren und damit nur nach Leitlinien handeln, dies ist aber inadäquat in Bezug auf den einzel-nen Menschen. Oder – was ich als Aus-weg aus diesem Widerspruch darstellte – mit dem Studienwissen auf den „Patien-ten vor mir“ extrapolierend entschei-den. Dazu braucht es aber der sehr guten Kenntnis nicht nur der Medizin, son-dern auch des Patienten. Ich habe dann bezweifelt, dass dies unter heutigen Ar-beitsbedingungen sowie den heutigen Ansprüchen der Ärzte zu ihrem Leben noch aufrecht zu halten ist.

Die anderen vier Leserbriefe bezie-hen sich alle nur auf meine Zweifel da-ran, ob extrapolierende Arbeit für den „Mensch vor mir“ aufgrund von Teil-zeitarbeit, Teamarbeit etc. überhaupt noch möglich ist. Aber sowohl ein trag-fähiges Arzt-Patienten-Verhältnis als auch die „gute Kenntnis“ des Patienten (die über Diagnosekenntnis hinausgeht) braucht als eine der wichtigen Voraus-setzungen die gemeinsame Zeit mit ihm.

Dabei äußert sich keiner der Leser-briefschreiber zur gesundheitspoliti-schen Unterminierung für „ausreichen-de Kontaktzeit“ durch den freien Zu-gang zum Spezialisten. Vielmehr gehen alle nur auf die eigenen Bedingungen ge-ringerer Kontaktzeit ein und setzen Ar-gumente dagegen:

Wegen des Abbaus einer autoritären

Arztrolle sowie der schöpferischen Rekrea-

tion in Familie und Privatheit als auch auf-grund der Zunahme von Weiblichkeit

wären die Hürden heute verringert, sich dem Arzt gegenüber schnell zu öffnen. An diesen Argumenten ist sicherlich viel dran – belegen können wir alle so etwas aber leider nicht, weil historische Ent-wicklungen nicht mittels RCT analysier-bar sind.

Alle Briefschreiber machen Aus-sagen zu weiteren günstigen Bedingun-gen für ein „tieferes Verstehen“ des Pa-tienten, die ich nicht berücksichtigt ha-be: Balintgruppen, Selbstreflexion, psy-chosoziale Kompetenz, Erfahrung in Medizinethik, philosophische Über-legungen zu Krankheit und Gesundheit. Dem stimme ich voll zu, gebe aber zu be-denken, dass die aufgeführten Aspekte generische Verbesserungen (also Struk-

Leserbrief von Dr. Karin Breitenstein

Einer Ansicht möchte ich entschieden widersprechen: der Aussage, eine gute Hausärztin* könne man nur werden, in-dem wir „unsere Vorstellung von unse-rem Recht auf Freizeitgestaltung ... än-dern“. Ergo: gute Ärztin nur in (mindes-tens) Vollzeit. Ob bewusst oder unab-sichtlich: Dies ist ein Schlag vor allem gegen weibliche Hausärztinnen, die ja den Großteil der Teilzeitarbeitenden stellen und daher viel „Freizeit“ bean-spruchen.

Als Mutter von 3 Kindern und Haus-ärztin in jahrelanger Teilzeit in einer Ge-meinschaftspraxis möchte ich aus mei-ner Erfahrung sprechen: Ich habe viele Patientinnen, die ich regelmäßig be-handle, sehr gut kenne und mit ihnen individuell die langfristige Therapie pla-ne. Ab und zu kann es sein, dass diese Pa-tienten in einer Akutsituation (z.B. für eine AU wegen Bagatellinfekt, wegen akutem Schmerz o.ä.) von einer Kollegin behandelt werden. In solchen Akutsi-tuationen gibt es meiner Erfahrung nach wenig individuell Abzusprechen-

Antwort von Prof. Dr. Heinz-Harald Abholz

Der Leserbrief von Dr. Rüter unterstützt mein zentrales Argument, dass EbM und „Der Mensch im Mittelpunkt“ nur zu vereinbaren sind, wenn man den einzel-nen Patienten gut kennt und zu ihm ei-ne gewachsene und vertrauensvolle Be-ziehung hat. Denn EbM – so wie es heute

■ © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2018; 94 (1)

40 LESERBRIEFE / LETTERS TO THE EDITOR

Prof. Dr. med. Heinz-Harald Abholz

Emeritus, Universität Düsseldorf

Institut für Allgemeinmedizin

Werdener Straße 4

40227 Duesseldorf

[email protected]

Korrespondenzadresse

turqualität) betreffen. Um solche aber wirksam werden zu lassen, bedarf es im-mer der Anwendung im Kontakt mit dem Patienten (Prozessqualität). Hierbei ist die Zeit eine der wichtigsten Voraus-setzungen für gute Prozessqualität. Denn nur durch insgesamt viel Zeit – nicht bei jedem Kontakt – und durch Kontakt bei unterschiedlichsten Be-handlungsanlässen (Gelegenheiten) können Kenntnis und emotionale Be-ziehung zueinander wachsen. Dies ent-spricht einer Alltagserfahrung im ge-samten Leben – einmal von der „Liebe auf den ersten Blick“ etc. abgesehen. Wenn diese Zeiten aber insgesamt kurz und in den Gelegenheiten selektiv sind, d.h. überwiegend nur bei „großen Be-handlungsproblemen“, nicht auch bei den „banalen Anlässen“ stattfinden, und sie weit auseinanderliegen, dann hilft mir auch meine bessere psycho-soziale Kompetenz nicht ausreichend, um den „Menschen vor mir“ zum Erzäh-len kommen zu lassen.

Frau Dr. Breitenstein sagt, dass mein „Zeit-Argument“ ein Argument gegen alle weiblichen Ärzte sei und zudem nicht stimme. Zu Ersterem sage ich, dass nach meiner Sicht weibliche Ärzte in der Tat dadurch benachteiligt sind, das Fach in seinen Reizen und seiner Interessant-heit voll zu erleben. Denn wenn die All-gemeinmedizin nur als „gute Basisver-sorgung“ gelebt wird, tritt nach spätes-tens 8 bis 10 Jahren Langeweile ein. Nach Erfahrung vieler Hausärzte in Voll-zeit ist man über die ersten 5 bis 6 Jahre noch medizinisch so gefordert, dass es Spaß macht. Dann kommt die Zeit, in der man genießt, dass man „seine Pa-tienten“ ganz persönlich und gut kennt. Und ab dem 8. bis 10. Jahr erlebt man,

dass Letzteres nicht gestimmt hat: Denn erst dann fangen die Patienten an, von dem zu reden, was sie wirklich bewegt – und meist ohne Aufforderung zu oft Schrecklichem, Peinlichem, sehr Inti-mem. Dies habe ich auch so in meinen ersten 12 Jahren volltags erlebt. In den folgenden 20 Jahren in einer anderen Praxis mit erst wenig Teilzeit-, jetzt wie-der Halbzeitarbeit fängt dieses Vertrau-en erst wieder an – und nun macht diese Arbeit wieder sehr viel Spaß.

Frau Dr. Breitenstein – ähnlich wie Herr Dr. Kotowicz – sagt, dass der „Ver-lust“ an Kontakt bei den Bagatell- oder akuten Fällen nicht so wichtig sei, man könne sich ja berichten lassen. Dies ent-spricht dem sehr medizinbetonten Fachverständnis, bei dem das Banale wirklich banal bleibt. Im Lehrbuch von Michael M. Kochen gibt es ein Kapitel „Banale Fälle“, in dem gezeigt wird, dass dies meist gar nicht stimmt: Gerade hier gelingt es oft, mit wenigem Nachfragen sehr viel zu erfahren – was ansonsten nie „herausgekommen“ wäre.

Und Dr. Hüther und Dr. Kotowicz scheinen (schon?) ein ganz anderes Ver-ständnis von der Allgemeinmedizin zu haben, wenn Dr. Hüther sagt, es „... be-steht der Kern der Allgemeinmedizin … in der guten Basisversorgung.“ Und Dr. Kotowicz ausdrückt: „... dass viele medi-zinische Behandlungsanlässe einen zeit-lichen Aufschub dulden“. Dafür aber braucht es nicht die Fähigkeiten, die ich für das Fach untergehen sehe. Damit aber wären nun nach rund 35 Jahren die Kerninhalte des Faches wieder die Basis-versorgung, gute Medizinkenntnis (heu-te EbM) und ein gutes Management.

Meine Generation hat über Jahre ge-gen diese „Kern-Definition“ gekämpft –

und auch (leider?) dabei erreicht, dass die deutsche Allgemeinmedizin viele Zuständigkeiten im Vergleich zum Ar-beitsfeld in anderen Ländern wie z.B. NL, UK, DK etc. verloren hat. Wir „kämpften“ vor gut 35 Jahren gegen die-ses medizinfokussierte Verständnis und übersahen, dass die „Ganz-Alten“ wahr-scheinlich dabei immer auch den „Men-schen im Mittelpunkt“ hatten – waren sie doch „immer da“.

Nun haben wir wahrscheinlich bald alles verloren: Die frühere Breite des Fa-ches, die gute (menschliche, personelle) Erreichbarkeit und die, aus Letzterem re-sultierende, gewachsene Beziehung mit dem Patienten. Da frage ich mich doch ernsthaft, warum soll ein Patient noch zum Hausarzt gehen, sind doch die Spe-zialisten schon immer im „Speziellen“ besser und bald auch in der der fehlen-den Berücksichtigung der „Ganzheit“ wahrscheinlich nicht einmal mehr schlechter als die Hausärzte neuer Aus-prägung. Man kann eine solche Ent-wicklung bis hin zum Ende eines Faches so sehen wie Frau Dr. Blumenthal: „Be-ziehungen unterliegen ... sozio-kulturel-len, historischen und politischen Strö-mungen“ – nur stellt sich die Frage, muss man diesen folgen oder kann man versuchen, sie zu beeinflussen (selbst wenn die Einflussmöglichkeiten sehr begrenzt sind)?

Piccoliori G, Sönnichsen A. Prävention des kolorektalen Karzinoms mit Acetylsalicylsäure (ASS). Zeitschr Allg Med 2017, 93: 435–438

Leserbrief von Prof. Dr. Heinz-Harald Abholz

Vielen Dank für die gute Übersicht zum Thema. Leider aber wurde nicht auf die Dosis des ASS eingegangen – und hier liegt ein präventives Dilemma. Bei den präventiven Interventionen „gegen“

das Kolonkarzinom sind fast durch-gehend höhere Dosen von ASS zur An-wendung gekommen. Und hier scheint ja nach der vorgelegten Übersicht ein positiver Effekt vorzuliegen.

Nur weiß man schon sehr lange aus der Pharmakologie [1], dass ASS dosis-abhängig widersprüchliche Effekte auf die

Thrombozytenaggregation hat: mit gerin-gen Dosen einen günstigen, mit höheren Dosen einen geringeren bzw. negativen Effekt. Und entsprechend sind fast alle präventiven Studien zur KHK- und Schlag-anfall-Prophylaxe mit ASS in niedriger Do-sis erfolgreich durchgeführt worden, also mit 50–100 mg/Tag [2]. Und u.a. in der

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41LESERBRIEFE / LETTERS TO THE EDITOR

Prof. Dr. med. Heinz-Harald Abholz

Emeritus, Universität Düsseldorf

Institut für Allgemeinmedizin

Werdener Straße 4

40227 Duesseldorf

[email protected]

Prof. Dr. med. Andreas Sönnichsen

Institut für Allgemeinmedizin und

Familienmedizin

Fakultät für Gesundheit

Universität Witten/Herdecke

Alfred-Herrhausen-Straße 50

58448 Witten

Tel.: 02302 926741

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hier zitierten Analyse [2] wird dies auch in den beiden einzigen Interventionsstudien mit 500 und 625 mg deutlich: kein Effekt auf die kardiovaskulären Ereignisse.

Wenn man sich nun ganzheitlich in Präventionsempfehlungen verhalten will, dann steckt man im Dilemma – wann eine Dosis, die ideal für kardiovas-kuläre Prävention ist, und wann die Do-sis, die eher die Kolonkarzinomentste-hung vermindert?

der kardiovaskulären als auch in der KRK-Prävention eine niedrige Dosis effektiv ist. Aus diesem Grunde empfiehlt auch die US Preventive Services Task Force (USPSTF) die Einnahme von niedrigdosierter ASS für die primäre Prävention von kardiovas-kulären Krankheiten und kolorektalem Karzinom bei Erwachsenen zwischen 50 und 59 Jahren, die ein kardiovaskuläres 10-Jahres-Risiko >10 % haben [1].

Laut der 2015 publizierten systema-tischen Übersichtsarbeit (Kaiser Per-manente Research Affiliates Evidence-based Practice Center, Kaiser Permanen-te Center for Health Research, Portland, OR), auf der die Empfehlungen der USPSTF basieren, senkt die tägliche oder auch nur tagesalternierende Einnahme von 75 mg oder mehr ASS die Kolonkar-zinom-Mortalität um cirka 33 %.

Eine große Metaanalyse aus dem Jahr 2011 [2] kommt zum Schluss, dass 75 mg ASS tgl. über 5 Jahre ausreichen, um die Mortalität für Krebs bei > 55-Jäh-rigen nach 5 Jahren (NNT = 29) signifi-kant zu senken. Auch 20 Jahre später war der Effekt noch nachweisbar. In ei-ner anderen Studie der gleichen Autoren [3] zeigte sich, dass 75 mg ASS täglich nicht nur die Mortalität um 35 %, son-dern auch die Inzidenz des Kolonkarzi-noms um 24 % reduzieren.

In der Studie von Cuzick et al. wur-den keine Unterschiede im Präventi-onseffekt zwischen „low dose“ und „high dose“ ASS festgestellt [4]. Auch in der Case-Control-Studie von Friis et al. aus dem Jahr 2015 wurde der prä-ventive Effekt von nur niedrigdosierter ASS (zwischen 75 und 150 mg) nachge-wiesen.

Die derzeit vorhandene Literatur spricht insgesamt also sehr dafür, dass der prophylaktische Effekt hinsichtlich des KRK bereits durch niedrigdosierte ASS erzielt wird. Wie bereits in unserem ersten Artikel beschrieben, sind die Fra-gen nach der optimalen Dosierung (75, 100 oder 150 mg tgl.) und nach der indi-viduellen Nutzen-Risiko-Abschätzung in

1. Rocca B, Petrucci G. Variability in the responsiveness to low-dose aspirin: pharmacological and disease-related mechanisms. Thrombosis 2012, Article ID 376721, doi:10.1155/2012/376721

2. Guirguis-Blake JM, Evans CV, Senger CA, O‘Connor EA, Whitlock EP. Aspi-rin for the primary prevention of car-diovascular events: a systematic evi-dence review for the U.S. Preventive Services Task Force Free. Ann Intern Med. 2016; 164: 804–813

Literatur

1. Bibbins-Domingo K. Aspirin use for the primary prevention of cardiovas-cular disease and colorectal cancer: U.S. Preventive Services Task Force Recommendation Statement. Ann Intern Med 2016; 164: 836–845

2. Rothwell PM, Fowkes FG, Belch JF, Ogawa H, Warlow CP, Meade TW. Ef-fect of daily aspirin on long-term risk of death due to cancer: analysis of in-dividual patient data from randomi-sed trials. Lancet 2011; 377: 31–41

3. Rothwell PM, Wilson M, Elwin CE, Norrving B, Algra A, Warlow CP, Meade TW Long-term effect of aspi-rin on colorectal cancer incidence and mortality: 20-year follow-up of five randomized trials. Lancet 2010; 376: 1741–50

4. Cuzick J, Thorat MA, Bosetti C, et al. Estimates of benefits and harms of prophylactic use of aspirin in the ge-neral population. Ann Oncol 2015; 26: 47–57

5. Friis S, Riis AH, Erichsen R, Baron JA, Sørensen HT. Low-dose aspirin or nonsteroidal anti-inflammatory drug use and colorectal cancer risk: a population-based, case-control stu-dy. Ann Intern Med 2015; 163: 347–55

Literatur

Antwort von Dr. Giuliano Piccoliori und Prof. Dr. Andreas Sönnichsen

Vielen Dank für die wichtige Anmer-kung von Prof. Abholz zur Dosierung von ASS für die primäre Prävention des kolorektalen Karzinoms (KRK). Tatsäch-lich sind wir auf diese Frage in unserem Artikel nicht ausreichend eingegangen.

Die Frage der optimalen Dosierung von ASS wird seit langem diskutiert und ist nicht einmal für die kardiovaskuläre Prävention eindeutig geklärt. Insgesamt zeichnet sich aber doch ab, dass sowohl in

Anbetracht der erhöhten gastrointesti-nalen Blutungsgefahr derzeit noch of-fen, sodass eine allgemeine Empfehlung zur Einnahme von ASS als Präventions-maßnahme zur Senkung des KRK-Risi-kos – unabhängig vom kardiovaskulären Risiko – im Moment (noch) nicht ge-rechtfertigt erscheint.

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42 LESERBRIEFE / LETTERS TO THE EDITOR

Kühlein T, Carvalho A, Viegas Dias C, Rodrigues D, Pinto. Wie versorge ich meine Patienten mit ...? Z Allg Med 2017; 93: 396–401

Maun A. PrimarvardsKvalitet – ein System zur Qualitatsverbesserung in der schwedischen Allgemeinmedizin. Z Allg Med 2017; 93: 402–6

Hummers E. Schweden gegen Deutschland 1:0. Z Allg Med 2017; 93: 407–9

Leserbrief von Dr. Armin Mainz

Ich bin den Autoren sehr dankbar, dass sie sich mit einem wichtigen Thema, der systematischen Reflexion des eigenen hausärztlichen Handelns inkl. der da-raus zu ziehenden Konsequenzen, aus-einandersetzen. Sie beklagen, dass dieses Vorgehen mit einem entsprechenden Aufwand verbunden und daher in Deutschland unterwickelt sei. Ich möchte zunächst darauf aufmerksam machen, dass dieses Phänomen nicht nur auf der primärmedizinischen Ebene zu verorten ist. Auf den Ebenen der Se-kundär- und Tertiärversorgung wird es nicht viel anders und angesichts der dort angewandten massiveren Maßnahmen für die Patienten nicht viel schmerzär-mer zugehen. Zumal es vermutlich im-mer noch gelten dürfte, dass ungefähr nur 30 % aller medizinischen Aktivitä-ten nachgewiesenermaßen nutzen.

Im Gegensatz zum schwedischen Modell gibt es in Deutschland bisher nur einzelne, mehr oder weniger erfolg-reiche Insel-Projekte mit „selbstreflexiv“ handelnden Praxisteams. Das Angebot an gut nutzbaren Instrumenten, die bei dieser Selbstreflexion über die Inhalte der Versorgung behilflich sein können, ist jedoch auch in Deutschland nicht einmal so schlecht und technisch be-reits gut umsetzbar: Von den Hausärzten mitentwickelte, wissenschaftlich fun-dierte Qualitätsindikatoren („QISA“), Pharmakotherapie-Qualitätszirkel mit Verordnungsanalysen, DMP-Rückmel-deschleifen, Beratungsmodule in „arri-ba“ mit dokumentierten Entscheidungs-prozessen und vor allem das umfassende Qualitätsmanagementsystem „Europäi-sches Praxisassessment (EPA)“, das edu-kativ neben den oben genannten Ele-menten auch moderne Standards (Leit-linien) bei der Patientenversorgung ein-fordert. Damit stehen schon jetzt genü-

gend Werkzeuge zur Verfügung, um mit Transparenz, Wissenschaftlichkeit und Qualität zu punkten und eine hochwer-tige primärmedizinische Versorgung zu entwickeln.

Der alleinige Appell an die Eigen-initiative der Praxen ist m.E. allerdings zu wenig. Ohne eine Institutionalisie-rung, ohne eine Veränderung auf der Systemebene wird es nicht gehen. Selbstverständlich müsste gleichzeitig eine adäquate Würdigung des Aufwands etabliert werden. Also: Worauf warten wir noch?

Interessenkonflikte: Armin Mainz erhält bzw. erhielt in den letzten drei Jahren Honorare, weil er an Experten-runden für die Entwicklung von Quali-tätsindikatoren teilnahm, Qualitätszir-kel moderierte sowie DMP-Fortbildun-gen und EPA-Visitationen durchführt. Er ist im Aufsichtsrat der „arriba“-Ge-nossenschaft und im Vorstand des Ver-eins „Stiftung Praxissiegel“ vertreten.

Leserbrief von Dr. Günther Egidi

Ich verstehe und teile die Einschätzung der Autor/innen der drei Artikel, dass die Situation bei der Verwendbarkeit der Praxisverwaltungssysteme für epi-demiologische wie auch für Qualitäts-messungen maximal unbefriedigend ist. Wie in etlichen anderen Bereichen kapi-talistischer Wirtschaft (z.B. Autokonzer-ne beim Dieselskandal) gibt es auch bei den Anbietern von Praxisverwaltungs-

Dr. med. Armin Mainz

Hausarzt

Am Berndorfer Tor 5

34497 Korbach

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systemen kartellartige Strukturen, die außerordentlich resistent sind gegen-über Bemühungen für sinnvolle Innova-tionen (Exportierbarkeit der Daten für wissenschaftliche Zwecke, automatisier-te Verknüpfung von Rezepten mit La-borkontrollen, Einbindung von Haus-arztverträgen etc.).

Ich habe allerdings erhebliche Zwei-fel daran, ob es, wie Eva Hummers es in ihrem begleitenden Editorial schreibt, wirklich 1:0 steht beim Vergleich Schwe-den gegen Deutschland.

Wenn ich mir die von Andy Maun in seinem Bericht zur schwedischen All-gemeinmedizin dargestellten 13 der 82 Qualitätsindikatoren ansehe, graust es mich teilweise: 8 dieser 13 Qualitäts-indikatoren sehe ich erheblich kritisch:• Anteil an Patienten mit Diabetes mit

HbA1c < 6,9 % bzw. < 52 mmol/mol: Die Rationale für den Nutzen dieses Indika-tors würde mich interessieren. Meines Wissens existiert keine einzige randomi-sierte Studie, die den Nutzen einer Sen-kung des HbA1c < 7,0 % belegt hätte [1].

• Anteil der Patienten mit Vorhofflim-mern mit ChA2D2Vasc-Score > 2, die antikoaguliert werden: Ein ChA2D2Vasc-Score 3 prädiziert ein Risi-ko von 16 %/5 Jahren für einen embo-lischen Schlaganfall [2]. Bei einem HAS-BLED-Score von 3 Punkten läge das Risiko für eine größere Blutung da-rüber [3]. Die Punktzahl in beiden Scores steigt oft parallel mit dem Alter. Wo bleiben hier die gemeinsame Ent-scheidungsfindung, wo die Patienten-autonomie bei einer sehr weit reichen-den Entscheidung?

• Anteil KHK-Patienten, die mit einem Betablocker behandelt werden: Meines Wissens beschränkt sich der spezifische Nutzen einer Betablocker-Behandlung auf die ersten ein bis zwei Jahre nach ei-nem Herzinfarkt und ist ansonsten nur bei begleitender Hypertonie oder Herz-insuffizienz nützlich [4].

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43LESERBRIEFE / LETTERS TO THE EDITOR

Dr. med. Günther Egidi

Arzt für Allgemeinmedizin

Huchtinger Heerstraße 24

28259 Bremen

Tel.: 0421 9888280

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• Anteil der Patienten mit TIA/ischä-mischem Schlaganfall mit Statin-Be-handlung: Der Nutzen einer Statin-Be-handlung nach Schlaganfall zur Ver-hinderung eines neuen Ereignisses ist marginal. In der SPARCL-Studie [5] lag die ARR zur Verhinderung eines Re-In-sultes selbst unter hoch dosiertem Atorvastatin nur bei 1,9 % entspre-chend einer NNT von 53 in 5 Jahren.

• Anteil der Patienten u.a. mit Demenz, Depression und Schizophrenie [6], bei denen eine Nikotinentwöhnung durchgeführt wurde: Gerade bei den o.a. Erkrankungen kann ein Niko -tinentzug mit schweren unerwünsch-ten Wirkungen verbunden sein.

• Drei Qualitätsindikatoren zielen auf ei-ne Erhöhung der Kontaktfrequenz bei chronisch kranken und/oder multimor-biden Patienten: Dies ist sicherlich im dünn besiedelten Schweden mit einem völlig anders strukturierten Versor-gungssystem und einer erheblich niedri-geren Dichte an Arzt- und Patient-Kon-takten ein sinnvolles Ziel. In Deutsch-land leiden gerade die Hausarztpraxen an einer zu hohen Kontaktdichte [7].

Zusammengefasst: In Schweden kann zwar besser gemessen werden, aber ob das, was hier dargestellt wird, tat-sächlich die Qualität der hausärztlichen Arbeit darstellt, darf getrost hinterfragt werden. Und zugleich stellt sich die Fra-ge, ob die in den vorgestellten Qualitäts-indikatoren zum Ausdruck kommende Orientierung auf Outcome-Indikatoren möglicherweise mit dem zentral gesteu-erten Gesundheitswesen Schwedens zu tun haben könnte.

Aber auch hinsichtlich der von Tho-mas Kühlein am Beispiel der Osteoporo-se vorgeschlagenen Indikatoren stellen sich mir etliche Fragen:• Kühlein schlägt u.a. die Verordnung

eines Osteoporose-Medikamentes als Qualitätsindikator vor. Ich finde die-sen Indikator aus mehreren Gründen problematisch: Er berücksichtigt nicht den autonomen Willen und eine ggfs. vorhandene Komorbidität und Kome-dikation. Hinzu kommt, dass es mit zu-nehmender Dauer einer – in der Regel aus Kostengründen zu bevorzugenden – Behandlung mit Bisphosphonaten gehäuft zu atypischen Femurfrakturen [8] und möglicherweise auch zu gas-trointestinalen Malignomen [9] kom-men kann. Darum werden verantwor-

tungsbewusste Hausärztinnen und Hausärzte den Einsatz von Alendronat zeitlich begrenzen. Dies wiederum steht einer Suchbarkeit des Indikators in der Praxis-Software entgegen.

• Vorschriften der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) verhindern es, Dauerdiagnosen mit den Buchsta-ben V für „Verdacht auf“ und A für „Ausschluss von“ zu versehen – eine Quartalsabrechnung ist dann nicht möglich. Diese Vorgabe erzwingt es, Umwege zu gehen, um dennoch die Behandlungsqualität zu dokumentie-ren. Formal nicht ganz korrekt setzen wir in unserer Praxis einfach den Buch-staben Z für „Zustand nach“ und erläu-tern im optionalen Feld der Diagnose-maske Zeilen wie „Ein Gespräch über das Osteoporose-Risiko fand statt – die Patientin entschied sich gegen eine Di-agnostik“ oder „Osteoporose im Jahr 2016 per DXA ausgeschlossen“.

• Kühlein übernimmt die m.E. zu hin-terfragende Definition einer Osteopo-rose durch die WHO, die sich allein an der Knochendichtemessung orientiert. Ein Vorgehen unter Einbezug diverser Zusatzrisiken (Alter, Geschlecht, Medi-kation, Raucherstatus, Hormonstörun-gen etc.) scheint hier valider [10].

• Kühlein fordert, dass eine Osteoporo-se, die bereits zu einer Fraktur geführt hat, gesondert als „Schwere Osteopo-rose“ kodiert werden solle. Diese For-derung nach spezifischerer Kodierung nach ICD verwundert bei einem Autor, der so große Verdienste um die Ent-wicklung einer eigenen hausärztlichen Erkrankungs-Kodierung erworben hat wie Thomas Kühlein [11]. Mir scheint es für das hausärztliche Setting ausrei-chend, überhaupt an eine Osteoporose gedacht und im Fall ihrer diagnosti-schen Sicherung sie auch kodiert zu haben – keep it simple.

Zusammenfassend scheint mir auch der von Thomas Kühlein verfolgte Ansatz nicht erfolgversprechend zu sein für die Untersuchung der Behandlungsqualität hinsichtlich des Themas Osteoporose.

Beide in der ZFA veröffentlichte Un-tersuchungen haben gemein, dass sie wesentlich auf Outcome-Indikatoren abheben. (Möglicherweise haben syste-matische externe Beschäftigungen mit hausärztlicher Behandlungsqualität so-gar eine Eigendynamik in dem Sinn, dass eher deshalb auf Outcome-Messun-

gen fokussiert wird, weil diese Parameter einfacher zu erheben sind und vorder-gründig sicherer für Qualität zu stehen scheinen). Diese kollidieren aber syste-matisch mit der für die hausärztliche Tä-tigkeit essenziellen Individualisierung der Therapie: Wenn sich eine Patientin nicht mit dem Thema Osteoporose be-schäftigen möchte, wenn DXA-Messung und/oder Bisphosphonat-Behandlung einfach nicht zu ihr passen, würde ein negatives Resultat nach durchgeführten Osteodensitometrien oder Alendronat-Verordnungen eine schlechte Behand-lungsqualität suggerieren, wo sie viel-leicht überhaupt nicht schlecht ist.

In der Konsequenz plädiere ich dafür, dass wir uns im hausärztlichen Bereich vorrangig auf Prozess-Indikatoren kon-zentrieren. Der Erkenntnis folgend, dass es im Bereich von Erkennung und Be-handlung einer Osteoporose in Deutsch-land eine Unterversorgung gibt [12], schlage ich den Qualitätsindikator vor: Anteil aller über 70-jährigen Patientin-nen einer Praxis, im Gespräch mit denen das Thema Osteoporose besprochen wor-den und denen bei erhöhtem Basisrisiko und prinzipieller Therapiebereitschaft die Überweisung zur DXA zu Lasten der GKV angeboten worden war. Ich schlage vor, das Ergebnis wie oben beschrieben entweder als gesicherte Osteoporose oder als Z.n. Osteoporose zu kodieren.

Die elektronischen Praxisverwal-tungssysteme in Deutschland gehören zu den massiv behindernden Faktoren. Bei allen über 70-jährigen Patientinnen, bei denen nicht eine Osteoporose als ge-sichert oder „Zustand nach“ kodiert wurde, einen Alert zu programmieren mit dem Text „Die Patientin ist über 70 – haben Sie schon einmal mit ihr über ei-ne Osteoporose gesprochen?“ wäre für Informatiker sicher keine Hexerei. Die Politik ist gefordert, hier regulierend im Sinn der Patienten einzugreifen. Wir als Fachgesellschaft wiederum sollten uns darüber verständigen, welche Qualitäts-indikatoren tatsächlich in der Lage er-scheinen, unseren Patienten zu nützen.

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44 LESERBRIEFE / LETTERS TO THE EDITOR

Dr. Johannes Hauswaldt, MPH

Institut für Allgemeinmedizin

Universitätsmedizin Göttingen

Humboldtallee 38

37073 Göttingen

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Leserbrief von Dr. Iris Demmer und Dr. Johannes Hauswaldt

Den Autoren Thomas Kühlein und an-deren ist zu danken, dass sie beispielhaft untersuchen, wie sie eigene Patientin-nen mit Osteoporose versorgen. Dieser Mut zur Selbstevaluation ist Ausdruck hausärztlicher Professionalität und ent-spricht zweifelsohne dem „reflektieren-den Praktiker“, wie ihn Donald A. Schön in seinem lesenswerten und auch im Ar-tikel selbst erwähnten Buch [1] nennt.

Die vergleichsweise niedrigen Zah-len für eine einzelne Diagnose sind nur auf den ersten Blick überraschend. Wir fanden mittels der „bordeigenen“ Statis-tikmodule in zwei Arztpraxisinformati-onssystemen die gängige Diagnose „Herzinsuffizienz“ mit indikationstypi-scher Medikation in fünf Jahren 27-mal bzw. 135-mal bei 3.859 bzw. 4.566 be-treuten Patienten insgesamt. Dies spie-gelt möglicherweise die sogenannte „multiple Niedrigprävalenz“ von Einzel-diagnosen beim Hausarzt wider; aber auch Fehler in den Statistikmodulen sind denkbar. Zur besseren Transparenz und zum vergleichenden Nachvollzie-hen bleibt zu wünschen, die Autoren hätten ihren angewandten Suchalgo-rithmus sowie die Gesamtzahl gefunde-ner Patientinnen als Nenner (denomi-nator; population at risk) genau offenge-legt. Unseren genannten Ergebnissen liegt folgender Suchalgorithmus zu-grunde: ((Patienten: alle) UND (Zeit-raum: 01.01.2012 bis 31.03.2017) UND (Behandlungsdiagnose: „Herzins*“ ODER „I50*“) UND (Medikation: „Dig* ODER „Ram*“ ODER „HCT*“ ODER „Tor*“)).

Wichtig ist, dass die Autoren über-haupt die Möglichkeit zur systemati-schen und vergleichbaren Unter-suchung der eigenen hausärztlichen Ar-beit thematisieren und zur hochwerti-gen, klinisch orientierten praxisinter-nen Qualitätsprüfung anregen. Routine-datennutzung wird seit langem gefor-dert [2] und in anderen Bereichen des Gesundheitswesens praktiziert [3]. Wie andere [4] auch, konnten wir exempla-risch mehrfach zeigen, dass die Nutzung hausärztlicher Routinedaten technisch-organisatorisch möglich und fruchtbar [5, 6] ist.

Weil dabei zwingend der Daten-schutz für Patienten, Praxismitarbeiter und Dritte gewährleistet sein muss,

kann eine derartige sekundäre Nutzung hausärztlicher Routinedaten zunächst nur jeweils innerhalb einer Praxis und durch den Praxisinhaber (Datenherr; Verantwortlicher im Rechtssinne) kon-trolliert erfolgen. Gefundene Ergebnisse in geeigneter und nachhaltiger Weise (Ärztliche Qualitätszirkel, Forschungs-praxennetze) zusammenzutragen und zu vergleichen, mag dann ein zweiter Schritt sein. Dafür fehlen den Praxismit-arbeitern in Deutschland jedoch die technischen und organisatorischen Vo-raussetzungen, wie Eva Hummers schreibt. Hier sind die Organe der Selbst-verwaltung, die Software-Industrie, For-scher und die Politik gemeinsam in der Pflicht, den Praxismitarbeitern die tech-nisch-organisatorischen Voraussetzun-gen sowie die datenschutzrechtlichen Bedingungen für eine Selbstevaluation bereitzustellen [2].

1. Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) Nationale Versor-gungsleitlinie Therapie des Typ-2-Diabetes. www.leitlinien.de/nvl/diabetes/therapie (letzter Zugriff am 10.11.2017)

2. Lip G, Nieuwlaat R, Pisters R, Lane D, Crijns H. Refining clinical risk strati-fication for predicting stroke and thromboembolism in atrial fibrillati-on using a novel risk factor-based ap-proach. The Euro Heart Survey on Atrial Fibrillation. Chest 2010; 137: 263–72

3. Friberg L, Rosenqvist M, Lip G. Evalua-tion of risk stratification schemes for ischaemic stroke and bleeding in 182 678 patients with atrial fibrillation: the Swedish Atrial Fibrillation cohort stu-dy. Eur Heart J 2012; 33: 1500–10

4. Abholz HH. Medikation nach Herz-infarkt – lebenslang? Eine hinter-gründige Antwort. Z Allg Med 2016; 92: 247–50

5. Amarenco P, Bogousslavsky J, Calla-han A, et al. High-dose atorvastatin after stroke or transient ischemic at-tack. N Engl J Med 2006; 355: 549–59

6. Tsoi DT, Porwal M, Webster AC. In-terventions for smoking cessation and reduction in individuals with schizophrenia. Cochrane Database Syst Rev 2013; 2: CD007253

7. Koch K, Gehrmann U, Sawicki P. Pri-märärztliche Versorgung in Deutsch-land im internationalen Vergleich. Dtsch Arztebl 2007; 104: A 2584–91

8. Meier R, Perneger T, Stern R, Rizzoli R, Peter R. Increasing occurrence of atypical femoral fractures associated with bisphosphonate use. Arch In-tern Med 2012; 172: 930–6

9. Green J, Czanner G, Reeves G, Wat-son J, Wise L, Beral V. Oral bisphosphonates and risk of cancer of oesophagus, stomach, and colo-rectum: case-control analysis within a UK primary care cohort. BMJ 2010; 341: c4444

10. Dachverband Osteologie. Prophyla-xe, Diagnostik und Therapie der Os-teoporose bei Männern ab dem 60. Lebensjahr und bei postmenopau-salen Frauen. www.dv-osteologie.org/dvo_leitlinien/osteoporose-leit-linie-2014 (letzter Zugriff am 10.11.2017)

11. Kühlein T, Maibaum T, Gensichen J, Engeser P. Dokumentation und Ko-dierung in der Hausarztpraxis – ein Lösungsvorschlag nach Wegfall der neuen Kodierrichtlinien. Z Allg Med 2011; 87: 400–6

12. Häussler B, Gothe H, Mangiapane S, Glaeske G, Pientka L, Felsenberg D. Versorgung von Osteoporose-Patien-ten in Deutschland. Ergebnisse der BoneEVA-Studie. Dtsch Arztebl 2006; 103: A 2542–8

Literatur

1. Schön DA: The reflective practitio-ner: how professionals think in acti-on. New York: Basic Books, 1983

2. Deutsche Gesellschaft für Allgemein-medizin und Familienmedizin: Posi-tionspapier der Deutschen Gesell-schaft für Allgemeinmedizin und Fa-milienmedizin (DEGAM) zur obliga-ten Einrichtung und Unterhaltung einer Wissenschaftlichen Daten-transferschnittstelle in Arztpraxis-informationssystemen. www.allgemeinmedizin.med.uni-goettingen.de/de/media/DEGAM_Positionspapier_Praxissoftware.pdf (letzter Zugriff am 10.10.2017)

3. Swart E, Ihle P, Gothe H, Matusiewicz D (Hrsg.). Routinedaten im Gesund-heitswesen – Handbuch Sekundär-datenanalyse. Grundlagen, Metho-den und Perspektiven. 2., vollständig überarb. und erw. Aufl. Bern: Verlag Hans Huber, 2014

4. Laux G. Versorgungsforschung in der Hausarztpraxis: Ergebnisse aus dem CONTENT-Projekt 2006–2009. Mün-chen: Springer Medizin, Urban & Vo-gel, 2010

5. Hauswaldt J, Hummers-Pradier E, Ju-nius-Walker U. Health service use among patients with chronic or mul-

Literatur

© Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2018; 94 (1) ■

45LESERBRIEFE / LETTERS TO THE EDITOR

Prof. Dr. med. Thomas Kuehlein

Universitätsklinikum Erlangen

Allgemeinmedizinisches Institut

Universitätsstraße 29

91054 Erlangen

[email protected]

Dr. Andy Maun, PhD

Lehrbereich Allgemeinmedizin,

Sektion Versorgungsforschung

und Rehabilitationsforschung

Institut für Medizinische Biometrie

und Statistik

Universitätsklinikum Freiburg

Elsässerstraße 2m

79110 Freiburg

[email protected]

Prof. Dr. med Eva Hummers

Institut für Allgemeinmedizin

Universitätsmedizin Göttingen

Humboldtallee 38

37073 Göttingen

[email protected]

Korrespondenzadressen

Antwort von Prof. Dr. Eva Hummers, Prof. Dr. Thomas Kühlein und Dr. Andy Maun

Wir danken den Einsendern der Leser-briefe sowohl für ihre ermunternden wie auch für ihre kritischen Worte. Sie unterstützen uns in unserem Ziel, eine Diskussion zur Selbstreflexion und da-mit zur Professionalität unseres ärzt-lichen Handelns anzustoßen.

Zu Recht beschreibt Armin Mainz, dass es durchaus bereits jetzt Mittel und Wege der Selbstreflexion wie zum Bei-spiel Qualitätsindikatoren und Pharma-kotherapie-Qualitätszirkel gibt. Wir denken, dass diese Entwicklungen nicht im Widerspruch zu weiteren technologi-schen Entwicklungen in der Auswer-tung der Praxisdaten stehen, sondern sich synergistisch verhalten können. In dem schwedischen Beispiel hat sich ge-zeigt, dass die Entwicklung von zwei Sei-ten stattfinden sollte, um dann zu kon-sentierten Kompromissen zu gelangen: Bottom-Up (Bedarfe aus der Sicht der Hausärzte) und Top-Down (wo vorhan-den, leitliniengerechte Diagnostik und Therapie). Dem entsprechend sind die Aufgaben und Ziele eines Systems zur Qualitätsverbesserung vielfältig: Die Möglichkeit eines strukturierten Follow-Up der eigenen Patienten, Reflexion über die eigene Leitlinien-Adhärenz, Grundlage für kollegiale Dialoge, Eröff-nung von Forschungsfragen oder Fort-bildungsfragen und Aufzeigen des Ar-beitsumfanges der hausärztlichen Ver-sorgung.

Aus diesem Grund haben die Ent-wickler des schwedischen Systems im-mer wieder den Kontakt und Austausch zu den Hausärzten als Hauptnutzern und gleichzeitig zu den akademischen Institutionen der Allgemeinmedizin ge-sucht und zwischen den Positionen ver-mittelt. Dass die daraus resultierenden Kompromisse in Form von Qualitäts-indikatoren, wie von Günther Egidi, für problematisch gehalten werden kön-nen, ist nachvollziehbar. Jedoch geht es nicht darum, für eine Gruppe von Pa-tienten einen für alle zu erreichenden Zielwert zu definieren, sondern einen Überblick darüber zu bekommen, wel-che Anteile einer Patientenpopulation in den verschiedenen Ziel-Intervallen landet. So ist beispielsweise die Auftei-lung der Diabetes-Patienten in die drei genannten Korridore (< 52 bzw. zwi-schen 52 und 70 bzw. > 70 mmol/mol) zu verstehen. Besondere Aufmerksam-keit bekommt dabei die Gruppe der un-ter 60-Jährigen in dem höchsten Inter-vall, da sie das größte Risiko für Kompli-kationen hat. In einer anderen Analyse zur Antikoagulation bei Vorhofflim-mern wurde festgestellt, dass es in einer Provinz deutliche Unterschiede in der Therapie von Frauen und Männern gab, was Anlass zu weiteren Analysen gab. Wie eine solche Analyse bis hin zur Identifizierung der eigenen Risiko-Pa-tienten in der Praxis aussieht, lässt sich in einem kurzen Video (trotz Sprachbar-riere) eindrucksvoll beobachten: https://vimeo.com/194676623. Denn erst durch das Erheben von strukturier-ten Daten aus der hausärztlichen Medi-zin in einem größeren Umfang, lassen sich „Silo-Indikatoren“ für Einzeldiag-nosen, die meist aus anderen Fächern stammen, akademisch infrage stellen. Eine genau solche kritische Analyse, die die Multimorbidität der hausärztlichen Patienten berücksichtigt und auf den Daten des schwedischen Systems ba-siert, ist aktuell auf dem Weg zur wissen-schaftlichen Publikation.

Für Iris Demmer und Johannes Hauswaldt sei darauf hingewiesen, dass

der Suchalgorithmus in der Methodik beschrieben wird: „Deshalb folgte die Me-

thodik eine Patientenliste zu erstellen einem

pragmatischen Ansatz. Wir suchten in un-

serem PVS nach allen Frauen, die älter als

50 Jahre alt waren, und die Buchstabenket-

te (string) ‚... fraktur ...‘ in den Diagnosetex-

ten aufwiesen.“ (S. 398). Die Begründung für diesen Pragmatismus liefert die Be-schreibung der Methodik bis zu diesem Punkt. Die weitere Erstellung der Patien-tenliste (Nenner) musste – wie beschrie-ben – aufgrund der Insuffizienz der Funktionalitäten des PVS „händisch“ er-folgen.

Die Artikel waren als Anregungen und Aufforderungen zu eigener Be-schäftigung mit dem Thema und ge-meinsamer Diskussion und Suche nach Lösungen gemeint. Deshalb möchten wir uns bei den Leserbrief-schreibern für die Aufnahme dieses Impulses und für die ausführlichen und konstruktiven Kommentare ganz besonders bedanken.

tiple illnesses, and frequent atten-ders: secondary analysis of routine primary care data from 1996 to 2006. Dtsch Arztebl Int 2012; 109: 814–20

6. Weiß V, Hauswaldt J. Verordnungs-häufigkeit von Schlafmitteln auf Pri-vatrezept: Analyse aus hausärzt-lichen Routinedaten. Z Allg Med 2015; 91: 409–12

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46 DEGAM-NACHRICHTEN / DEGAM NEWS

Anne Simmenroth und Ildikó Gágyor: Neue Professorinnen in Würzburg

Die DEGAM gratuliert ihrer Schriftführe-rin Anne Simmenroth sowie Ildikó Gágyor zur Berufung als Professorinnen am neu eingerichteten Lehrstuhl für Allgemein-medizin der Medizinischen Fakultät der Universität Würzburg. Bereits in diesem Januar starten beide mit ihrer neuen Stelle.

Besonders innovativ ist die Beset-zung der Professur mit einer Doppelspit-ze. Diese „Tandem“-Lösung bringt viele Vorteile. So wollen Anne Simmenroth (Lehre) und Ildikó Gágyor (Forschung) beispielsweise die zentralen Arbeitsberei-che schwerpunktmäßig untereinander aufteilen. Außerdem können beide wei-terhin in einer Hausarztpraxis arbeiten. Durch ihre langjährige gemeinsame Tä-tigkeit als Oberärztinnen in Göttingen sind sie zudem aufeinander eingespielt. „Wir wollen mit diesem Modell zeigen, dass auch andere – nicht nur allgemein-medizinische – Lehrstühle in Zukunft ge-teilt werden könnten: Forschung, Lehre und Patientenversorgung in einem Men-schen zu vereinen, der das alles gleich gut abdecken soll, ist selten möglich“, erklä-ren die beiden Neu-Professorinnen.

Die DEGAM wünscht Anne Sim-menroth und Ildikó Gágyor viel Erfolg und einen guten Start in Würzburg.

Abbildung Prof. Dr. Anne Simmenroth

(links) und Prof. Dr. Ildikó Gágyor (rechts)

Neue Positionspapiere der DEGAM

In den vergangenen Monaten hat die DEGAM zwei neue Positionen ver -öffentlicht. Die Sektion Fortbildung hat ein Positionspapier erarbeitet, das sich mit dem Sponsoring von Fortbildung befasst. Weiterhin hat die DEGAM auf ein amerikanisches Leitlinien-Update zu Blutdruck-Zielwerten reagiert: Die Sekti-on Versorgungsaufgaben hat ein ent-sprechendes Statement präsentiert.

Alle Positionen finden sich unter www.degam.de/positionspapiere.html.

Allgemeinmedizin in der Fülle der Möglichkeiten

Auf dem 11. Bundeskongress der „Bun-desvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V.“ (bvmd) konnte der Infostand der Deutschen Stiftung für All-gemeinmedizin und Familienmedizin (DESAM) das Interesse der Studierenden wecken. Sie erfuhren etwas über die Mög-lichkeiten, schon während des Studiums in die Allgemeinmedizin hinein zu schnuppern. Das Interesse war groß und die Nachfragen vielfältig. Auch DEGAM-Präsidentin Prof. Erika Baum war vor Ort.

Für besonders Interessierte bot die DE-SAM einen eigenen Workshop an, mode-riert von Laura Lunden, Mitglied der DE-SAM-Nachwuchsakademie. Unter dem Motto „Dr. Haus – neue Wege für die und

mit der Allgemeinmedizin“ bekamen die neun Teilnehmerinnen und Teilnehmer Anregungen zu ihrer persönlichen haus-ärztlichen Karriere – vom Studium bis in

die Weiterbildung. Und wir erfuhren, was sie sich von der universitären Allgemein-medizin wünschen: unter anderem mehr unverbindliche Informationen über För-dermöglichkeiten aus allgemeinmedizi-nischen Instituten und Abteilungen sowie eine hohe Ausbildungsqualität in den Lehrarztpraxen. Diese sollen vor allem in Bezug auf Lernziele geschult werden und eine gezielte Auswahl der passenden Praxis solle möglich sein. Insbesondere die hohe Motivation der Lehrärzte sei ein Gut, das noch nicht ausreichend genutzt werde.

Insgesamt spürte man auf dem Kon-gress eine hohe Zufriedenheit der Stu-dierenden mit der Allgemeinmedizin. Der Auftritt der DESAM konnte das ein oder andere Vorurteil aus dem Weg räu-men und Optionen in der Allgemeinme-dizin aufzeigen.

DESAM-NACHRICHTEN / DESAM NEWS

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47DEUTSCHER HAUSÄRZTEVERBAND / GERMAN ASSOCIATION OF FAMILY PHYSICIANS

Laborreform – ein erster Schritt in die richtige RichtungIn Sachen Laborvergütung kommt Be-wegung ins Spiel: Zum 1. April 2018 soll die erste Stufe ihrer Reform umgesetzt werden. Nach jahrelangen Diskussio-nen und mehreren Verschiebungen ha-ben sich Kassenärztliche Bundesver-einigung (KBV) und GKV-Spitzenver-band endlich auf diese geeinigt. Im Kern geht es zunächst um Änderungen beim Wirtschaftlichkeitsbonus, neue Nachschussregeln sowie eine sinkende Mindestquote für die Vergütung von Laborleistungen.

Der Deutsche Hausärzteverband be-grüßt es, dass die Akteure der Selbstver-waltung dem Druck nachgeben muss-ten und sich nach Jahren des Stillstands endlich etwas !ewegt. Gleichzeitig ist aber auch klar: Die nun beschlossene Reform, die im April in Kraft tritt, geht zwar in die richtige Richtung – kann je-doch nur ein erster Schritt auf einem noch langen Weg sein. Es gilt, zeitnah ein neues, tragfähiges System zu entwi-ckeln.

Hintergrund der Reform ist der ste-te Anstieg des Leistungsbedarfs im La-borbereich. Laut KBV liegt er bei jähr-lich rund fünf Prozent und damit deut-lich über dem Anstieg der morbiditäts-bedingten Gesamtvergütung. Labor-leistungen stellen damit in erster Linie einen Kostenfaktor dar, der sich nur schwer quotieren lässt. Sie erzeugen „chronisch“ eine Mengenentwick-lung, die zulasten des Honorars für die übrigen vertragsärztlichen Leistungen geht.

Leidtragende waren die Hausärzte: In den vergangenen Jahren haben sie viele Millionen Euro draufgezahlt um Leistungen zu finanzieren, die eindeutig zum fachärztlichen Versorgungsbereich gehören. Nachdem der Hausärztever-band massiv Druck gemacht hat, be-

schloss die KBV daher vor knapp einem Jahr, die Laborvergütung zu reformie-ren. Eine Arbeitsgruppe der KBV hatte sich dazu intensiv mit dem Thema be-schäftigt.

Die nun verhandelte Reform ist ein erster Schritt, die Ungerechtigkeit zu be-seitigen. Dazu wurde unter anderem eine Neuordnung des Wirtschaftlich-keitsbonus sowie eine veränderte Vor-gabe zum Ausgleich von Unterdeckun-gen im Grundbetrag Labor beschlossen. Aus diesem werden künftig ausschließ-lich der Wirtschaftlichkeitsbonus und auf Muster 10 veranlasste Laborleistun-gen vergütet. Untersuchungen im orga-nisierten Notfalldienst, in Labor-gemeinschaften und eigenerbrachtes Labor sowie die Laborgrundpauschalen der Laborärzte werden in den jeweiligen Versorgungsbereich überführt – sie un-terliegen damit nicht mehr dem Grund-betrag Labor, welcher dadurch sinken soll. Sofern Unter- oder Überschüsse auftreten, sind diese durch die Versor-gungsbereiche entsprechend dem An-teil der Vergütung des Versorgungs-bereichs am Grundbetrag Labor aus-zugleichen. Dabei muss die Mindest-quote von 89 Prozent eingehalten wer-den. Im Falle einer weiteren Mengen-ausweitung muss der darüber hinaus ge-hende Leistungsbedarf mit 35 Prozent vergütet werden. Die Verantwortung für die Mengensteuerung wird ab April 2018 den Kassenärztlichen Vereinigun-gen übertragen werden.

Das alles sind wichtige Vorkehrun-gen. Denn Ziel war es zunächst, den massiven Abfluss von Geldern aus dem

hausärztlichen in den fachärztlichen Topf zu stoppen. Hierfür ist die Reform bedeutend. Aber: Jetzt braucht es weite-re Maßnahmen, um mittelfristig zu ei-ner fairen Neuregelung der Laborver-gütung zu kommen.

Auch die KBV sieht diese Notwen-digkeit deutlich – und kündigte bereits weitere Schritte an. „Wir werden im kommenden Jahr eine Laborreform in Gang setzen, die den Namen wirklich verdient hat“, betonte Vize-Vorstands-vorsitzender Dr. Stephan Hofmeister auf der jüngsten Vertreterversammlung der KBV in Berlin. „Der Kompromiss von 2016 war nur der erste Schritt. Nun folgt Runde zwei, bei der wir medizi-nisch-inhaltlich darüber nachdenken wollen, was eine gute Laborversorgung qualitativ ausmacht.“ Auch Dr. Norbert Metke, Chef der KV Baden-Württem-berg, erinnerte während der Sitzung da-ran, dass die nun kommenden Ände-rungen erst der Beginn einer Reform seien. Nach der Reform, betonten die beiden Redner vor den Delegierten, warte bereits die nächste.

Der Hausärzteverband wird hier ei-gene Vorschläge zur Honorierung und Finanzierung von Laborleistungen erar-beiten und einbringen.

Welche Auswirkungen ergeben sich durch

die Reform in der Hausarztpraxis? Mehr

zu dem Thema sowie konkrete Tipps,

was es nun zu beachten gilt, unter

https://hausarzt.link/hxJab.

Jana Kötter

Leitung Politik „Der Hausarzt“

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48

Herausgebende Gesellschaft / Publishing InstitutionDeutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) // German College of General Practitioners and Family Physicians DEGAM-Bundesgeschäftsstelle Friedrichstraße 133, 10117 Berlin, www.degam.de

Mitherausgebende Gesellschaften / AffiliationsGesellschaft der Hochschullehrer für Allgemeinmedizin (GHA; www.gha-info.de); Niederösterreichische Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (NÖGAM; https://noegam.at/); Österreichisches Institut für Allgemeinmedizin (ÖIfAM; https://www.allmed.at/); Salzburger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SAGAM; https://sagam.at/); Steirische Akademie für Allgemeinmedizin (STAFAM; www.stafam.at/); Südtiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SüGAM; www.suegam.it/); Tiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (TGAM; www.tgam.at/); Vorarlberger Gesellschaft für All-gemeinmedizin (VGAM; https://vgam.at/)

Official Journal of the Austrian Institution of Gen -eral Practitioners, the Lower Austrian College of General Practitioners, the Salzburg Society of Fami-ly Medicine, the Society of Professors of Family Medicine, the Southtyrolean College of General Practitioners, the Styrian College of General Prac -titioners, the Tyrolean College of General Practi -tioners, the Vorarlberg Society of Family Medicine

Herausgeber / EditorsProf. Dr. med. Hanna Kaduszkiewicz Institut für Allgemeinmedizin Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Medizinische Fakultät Michaelisstraße 5, Haus 17, 24105 Kiel [email protected]

Prof. Dr. med. Michael M. Kochen, MPH, FRCGP Facharzt für Innere Medizin, Facharzt für All-gemeinmedizin, Abt. Allgemeinmedizin (Emeritus) Universitätsmedizin Göttingen Lehrbereich Allgemeinmedizin Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Ludwigstraße 37, 79104 Freiburg [email protected]

Prof. Dr. med. Wilhelm Niebling Facharzt für Allgemeinmedizin Lehrbereich Allgemeinmedizin Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Schwarzwaldstraße 69, 79822 Titisee-Neustadt [email protected]

Dr. med. Susanne Rabady Ärztin für Allgemeinmedizin Paracelsus Medizinische Privatuniversität Landstraße 2, A-3841 Windigsteig [email protected]

Prof. Dr. med. Andreas Sönnichsen Facharzt für Innere Medizin, Facharzt für Allgemeinmedizin Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin Universität Witten/Herdecke Alfred-Herrhausen-Straße 50, 58448 Witten [email protected]

Verantwortlicher Redakteur i. S. d. P. / Editor in ChiefProf. Dr. med. Michael M. Kochen, MPH, FRCGP Facharzt für Innere Medizin, Facharzt für Allgemeinmedizin Abt. Allgemeinmedizin (Emeritus) Universitätsmedizin Göttingen Lehrbereich Allgemeinmedizin Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Ludwigstraße 37, 79104 Freiburg [email protected]

Internationaler Beirat / International Advisory BoardJ. Beasley, Madison/Wisconsin, USA; F. Buntinx, Leuven/Belgien; G.-J. Dinant, Maastricht/NL;M. Egger, Bern/CH; E. Garrett, Columbia/ Missouri, USA; P. Glasziou, Robina/Australien;T. Greenhalgh, London/UK; P. Hjortdahl, Oslo/Norwegen; E. Kahana, Cleveland/Ohio, USA;A. Knottnerus, Maastricht/NL; J. Lexchin, Toronto/Ontario, Kanada; C. del Mar, Robina/Australien; J. de Maeseneer, Gent/Belgien;P. van Royen, Antwerpen/Belgien; F. Sullivan, Dundee/UK und Toronto/Kanada; C. van Weel, Nijmegen/NL; Y. Yaphe, Porto/Portugal

Verlag / PublisherDeutscher Ärzteverlag GmbHDieselstr. 2, 50859 Köln, Postfach 40 02 65, 50832 KölnTel.: +49 2234 7011-0 www.aerzteverlag.de

Geschäftsführung / Board of DirectorsNorbert A. Froitzheim (Verleger), Jürgen Führer

Leitung Produktbereich / Leader Product DivisionKatrin Groos

Produktmanagement / Product ManagerMarie-Luise Bertram, Tel.: +49 2234 [email protected]

Lektorat / Editorial OfficeJürgen Bluhme-RasmussenTel.: +49 2234 7011-512 [email protected]

Internetwww.online-zfa.de

Abonnementservice / Subscription ServiceTel.: +49 2234 7011-520, Fax: +49 2234 7011-470, [email protected]

Erscheinungsweise / Frequency11-mal jährlich,Bezugspreise (inkl. Inlandsporto und MwSt.):Jahresabonnement € 114,00Jahresabonnement für Studenten € 84,00Einzelheftpreis € 10,40Auslandsversandkosten (pro Heft) € 2,30Die Kündigungsfrist beträgt 6 Wochen zum Ende des Kalenderjahres. Gerichtsstand Köln. Für Mitglieder der DEGAM. ist der Bezug im Mitgliedsbeitrag enthalten.

Verantwortlich für den Anzeigenteil / Advertising CoordinatorKatja Höcker, Tel. +49 2234 7011-286, [email protected]

Verkaufsleiter Medizin / Head of Sales MedicineEric Henquinet, Tel. +49 172 2363754, [email protected]

Sales ManagementPetra Paul, Tel. +49 2234 70 11-239, [email protected]

Verlagsrepräsentanten Industrieanzeigen / Commercial Advertising Representatives

Non-Health: Eric Le Gall, Tel. +49 2202 9649510, Mobil +49 172 2575333, [email protected]

Herstellung / Production DepartmentBernd Schunk, Tel. +49 2234 7011-280, [email protected] Krauth, Tel. +49 2234 7011-278, [email protected]

Layout / LayoutMichael Nardella

Druck / PrintGrafisches Centrum Cuno GmbH & Co. KG,Gewerbering West 27, 39240 Calbe (Saale)

Bankverbindungen / AccountDeutsche Apotheker- und Arztebank, Köln, Kto. 010 1107410 (BLZ 370 606 15), IBAN: DE 2830 0606 0101 0110 7410, BIC: DAAEDEDD, Postbank Köln 192 50-506 (BLZ 370 100 50), IBAN: DE 8337 0100 5000 1925 0506, BIC: PBNKDEFF

Zurzeit gilt Anzeigenpreisliste Nr. 10, gültig ab 1.1.2018 Auflage lt. IVW 3. Quartal 2017 Druckauflage: 8.100 Ex. Verbreitete Auflage: 7.709 Ex. Verkaufte Auflage: 7.619 Ex.94. JahrgangISSN print 1433-6251ISSN online 1439-9229This journal is regularly listed in EMBASE/Excerpta Medica, Scopus and CCMED/LIVIVO.

Urheber- und Verlagsrecht / Copyright and Right of PublicationDiese Publikation ist urheberrechtlich geschützt und alle Rechte sind vorbehalten. Sie darf daher außerhalb der Grenzen des Urheberrechts ohne vorherige, ausdrückliche, schriftliche Genehmi-gung des Verlages weder vervielfältigt noch über-setzt oder transferiert werden, sei es im Ganzen, in Teilen oder irgendeiner anderen Form.Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handels-namen und sonstigen Kennzeichen in dieser Publika-tion berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese frei benutzt werden dürfen. Zumeist handelt es sich da-bei um Marken und sonstige geschützte Kennzeichen, auch wenn sie nicht als solche bezeichnet sind.

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© Copyright by Deutscher Ärzteverlag GmbH, Köln

IMPRESSUM / IMPRINT

Z FAZeitschrift für Allgemeinmedizin

German Journal of Family Medicine

Januar 2018 – Seite 1–48 – 94. Jahrgang www.online-zfa.de

S pielort des Turniers, das vom Deut-schen Ärzteblatt und dem Deutschen Schachbund veranstaltet wird, ist

das Kur- und Kongresscenter Bad Homburg v. d. Höhe, Louisenstraße 58. Das Schach-wochenende beginnt am Freitag, dem 13. April, um 18 Uhr mit der Registrierung der Teilnehmer im Foyer des Kur- und Kon-gresscenters. Dort lädt Bad Homburgs Oberbürgermeister Alexander Hetjes um 19 Uhr zu einem Empfang mit regionalem Bu-fett und Getränken ein, in dessen Rahmen auch die Begrüßung der Teilnehmer stattfin-det. Anschließend können interessierte Ärz-tinnen und Ärzte entweder an einem vorge-schalteten Blitzturnier oder an einer Simul-tanschachveranstaltung wahlweise gegen den Arzt und Internationalen Schachgroß-meister Dr. med. Helmut Pfleger oder gegen den früheren Bundestrainer und derzeitigen Sportdirektor des Deutschen Schachbundes, Uwe Bönsch, teilnehmen.

Die eigentliche Meisterschaft startet am Samstag um 9 Uhr mit der Auslosung der Paarungen für die erste Runde. Sechs Par-tien stehen an diesem Tag an. Am Abend la-den Dr. med. Helmut Pfleger und der Schachhistoriker Dr. Michael Negele zu ei-nem gemeinsamen Vortrags- und Ge-sprächsabend zum Thema „Warum Emanu-el Lasker bedeutend bleibt – Zum 150. Ge-burtstag des einzigen deutschen Schach-weltmeisters” ein. Am Sonntag, dem 15. April, folgen weitere drei Partien – jeweils mit einer Bedenkzeit von 30 Minuten pro Spieler. Gegen 13.30 Uhr findet die Sieger-ehrung statt. Das Turnier wird nach dem Schweizer System gespielt, bei dem in je-der Runde etwa gleich starke Spieler aufei-nandertreffen. Es gibt Sachpreise und (für die Bestplatzierten) Geldpreise. Für die Turnierteilnehmer stehen in folgenden bei-den Hotels in Bad Homburg jeweils ein Zimmerkontingent zu Sonderkonditionen zur Verfügung: Maritim Hotel Bad Hom-burg, Ludwigstraße 3, 61348 Bad Hom-burg v. d. Höhe, Telefon: 06172 660–138, Telefax: 06172 660–100, E-Mail: [email protected] und Parkhotel Bad Homburg, Kaiser-Friedrich-Promenade 53–55, 61348 Bad Homburg v. d. Höhe, Telefon: 06172 801–0, Telefax: 06172 801–400, Mail: info@parkhotel-bad-hom-

burg.de. Das ebenfalls nahe am Spielort ge-legene Parkhotel kann auf eine lange Schachtradition verweisen und war bereits vier Mal Gastgeber und Ausrichter von Großmeister-Turnieren mit namhaften deutschen und internationalen Schachgrö-ßen. In der Park-Lounge und der Lobby des Hotels stehen Schachbretter und Uhren gra-tis zur Verfügung. Im Maritim Hotel Bad Homburg kostet das Einzelzimmer 95 Euro, das Doppelzimmer 138 Euro. Das Parkhotel Hotel Bad Homburg berechnet für das Einzelzimmer 85 Euro und für das Doppelzimmer 125 Euro. Die Zimmerprei-se beider Hotels sind inklusive Frühstück zuzüglich einer Kurabgabe im Einzelzim-

mer von 3,07 Euro und im Doppelzimmer von 5,37 Euro pro Nacht.

Anmeldungen zur Schachmeister-schaft bitte an: Deutscher Schachbund Wirtschaftsdienst GmbH, Hanns-Braun-Straße, Friesenhaus 1, 14053 Berlin. Per E-Mail an: [email protected] oder per Fax an 030 30007830. Bitte ver-wenden Sie den Anmeldecoupon und überweisen Sie das Startgeld in Höhe von 70 Euro und gegebenenfalls 15 Euro für die Simultanbegegnung auf das angegebe-ne Konto. Ihr Name und Ihre Anschrift müssen gut lesbar sein. Nach Eingang der Anmeldung und des Startgelds erhalten Sie eine Teilnahmebestätigung. JM

26. Schachmeisterschaft für Ärztinnen und Ärzte

Vom 13. bis 15. April 2018 werden in Bad Homburg v. d. Höhe etwa 150 Ärztinnen und Ärzte aus ganz Deutschland erwartet.

Ich nehme an der Schachmeisterschaft teil _______________________________________Ich nehme am Blitzschach teil _________________________________________________Ich spiele simultan gegen Dr. Helmut Pfleger _____________________________________Ich spiele simultan gegen Uwe Bönsch __________________________________________Ich habe Interesse am Rahmenprogramm für Begleitpersonen _______________________Ich nehme am Vortragsabend zu Emanuel Lasker teil _______________________________

Bitte überweisen Sie das Startgeld in Höhe von 70 Euro und ggf. zusätzlich 15 Euro für Simultanschach unter dem Stichwort „Ärzteschach“ auf das Konto bei der Commerzbank:

IBAN: DE77 1004 0000 0774 6704 03

Unterschrift Arztstempel

Anmeldung

Veranstalter Deutsches Ärzteblatt und Deutscher Schachbund

Schirmherr Prof. Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer Alexander Hetjes, Oberbürgermeister der Stadt Bad Homburg v.d.H

Turnierleitung Horst Metzing, Deutscher Schachbund Jürgen Dammann, Alexander Krauth, Reinhold Faißt

Turniermodus Neun Partien je Spieler nach dem Schweizer System, Bedenkzeit je Spieler 30 Minuten

Teilnahmebedingung Zur Teilnahme berechtigt sind approbierte Ärztinnen und Ärzte

Startgeld: 70 Euro je Spieler Simultanschach: 15 Euro je Spieler

Anmeldung Deutscher Schachbund Wirtschaftsdienst GmbH – Ärzteschach –Hanns-Braun-Straße Friesenhaus 1, 14053 Berlin Fax: 030 30007830 E-Mail: [email protected]

Anmeldeschluss 9. April 2018

Ausschreibung

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▪ Vorderseite mit zusätzlichem „Bürofach“ u.a.für Kartenlesegerät oder Praxisstempel

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