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Zukunſtsrisiko „Euro Break Up“ Hintergründe, aktuelle Entwicklungen und mögliche Konsequenzen 2. aktualisierte und erweiterte Auflage „The Eurozone must reform or die.“ Kenneth Rogoff, Professor an der Harvard University und ehemaliger IWF-Chefökonom

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Zukunftsrisiko „Euro Break Up“ Hintergründe, aktuelle Entwicklungen und mögliche Konsequenzen

2. aktualisierte und erweiterte Auflage

„The Eurozone must reform or die.“

Kenneth Rogoff, Professor an der Harvard University und ehemaliger IWF-Chefökonom

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KURZVERSION Zukunftsrisiko Euro Break Up (2. Auflage) - die komplette Studie ist erhältlich unter [email protected]
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Zukunftsrisiko „Euro Break Up“

„Die Währungsunion ist ein großer Irrtum, ein abenteuerliches, waghalsiges und verfehltes Ziel, das Europa nicht eint, sondern spaltet.“Ralf Dahrendorf, Spiegel-Interview, 1995, S. 28

„It could get worse, much worse. That is the EuroTragedy.”Ashoka Mody, Eurotragedy, 2018, Epilog.

„Wahrscheinlich erwartet uns in nicht allzu ferner Zukunft die nächste Episode der Eurokrise.“Joseph Stiglitz, Europa spart sich kaputt, 2016, S. 27

„…ein ‘Fehlschritt‘ war: die Schaffung des Euro, einer Einheitswährung, die voreilig geschah, bevor die notwendigen Voraussetzungen erfüllt waren, und in einer Weise, die Europa auseinanderdividiert.“Joseph Stiglitz, Europa spart sich kaputt, 2016, S. 73

„European Monetary Union (EMU) is the most ambitious project undertaken in monetary history. (…) It was, and is, a great economic and political experiment.”Mervyn King, The End of Alchemy, 2016, S. 218

„Die europäische Finanzkrise ist nicht entstanden, weil die Akteure auf den Finanzmärkten irrational oder altruistisch gehandelt hätten. Sie ist vielmehr aus Systemfehlern, aus Fehlern im Gefüge der institutionellen Spielregeln der Marktwirtschaft erwachsen.“Hans-Werner Sinn, Gefangen im Euro, 2014, S. 32

“…monetary union was and is economically perverse. (…) …monetary union was and is politically perverted.”Bernard Connolly, Rotten Heart of Europe, 2012 S. ix

„Der Euro ist mehr als nur eine Währung. Er ist ein politisches und wirtschaftliches Projekt.“Europäische Kommission, „5 Präsidenten-Bericht“, 2015, S. 4

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Bad Homburg, Juli 2018

Liebe Leserinnen und Leser,

im März 2018 wurde die erste Auflage dieser ausführlichen Studie zur Europäischen Währungsunion (EWU), englisch European Monetary Union (EMU), veröffentlicht. Ziel war, die grundsätzlichen Fragen zum Status und zur Zukunft der EWU sowohl ganzheitlich als auch objektiv zu erörtern. Eine Vielzahl grundlegender Faktoren, Trends und Entwicklungen wurde dabei zu einem umfassenden Gesamtbild verdichtet, das zugleich – in Form von Szenarien – einen kritischen Blick in die Zukunft ermöglichen und erkennbare Zukunftsrisiken aufzeigen sollte.

Zwischenzeitlich sind einige markante Veränderungen eingetreten, sowohl in der politischen Architektur der Eurozone als auch in deren monetärem und ökonomischem Umfeld. Die Mehrzahl dieser Entwicklungen wurde zwar schon in der ersten Auflage thematisiert und vielfach sogar explizit prognostiziert. Dennoch scheint, aufgrund der Wichtigkeit und Brisanz einzelner Punkte sowie der hohen Dynamik diverser Prozesse, eine Aktualisierung und Ergänzung der ursprünglichen Analyse geboten.

Einer der wichtigsten Aspekte betrifft die neue Regierung in Italien: Wie erwartet waren populistische Parteien die Gewinner der italienischen Parlamentswahlen im März 2018. Diese bildeten – trotz massiver ideologischer Gegensätze – ein Regierungsbündnis, das von Beginn an mit überzogenen Forderungen die EU und deren Institutionen provoziert und herausfordert.

Die zentrale Frage, ob die neue Regierung in Italien bereit ist, mit hohem Einsatz einen offenen Konflikt gegen das EMU-Establishment anzusteuern (aus spieltheoretischer Sicht ein „Game of Chicken“), stellt sich hier unmittelbar. Aktuelle Planspiele, Forderungen und Aussagen aus Rom deuten auf stark erhöhte Konfliktbereitschaft (bis hin zum „Quitaly“, also einem EMU-Austritt), was für die Zukunft der EMU extrem gefährlich sein kann. Der „italienische Patient“ bleibt somit auf absehbare Zeit ein sehr kritischer Faktor, dessen Brisanz für das gesamte Euro-System sich zuletzt dramatisch erhöht hat.

Andere Aspekte betreffen neue Pläne der EU-Kommission, aktuelle Beschlüsse des „Tandems Frankreich- Deutschland“ zur EMU, Konkretisierungen zu einzelnen Reformprojekten sowie Veränderungen in der Politik der EZB. Viele dieser Punkte waren zwar bereits zu Jahresanfang 2018 absehbar, haben sich zwischenzeitlich jedoch im Einzelfall konkretisiert oder bestätigt.

Die zentralen Aussagen der ersten Auflage bleiben somit weiterhin in Kraft, da sich an den ursprünglichen Schlussfolgerungen, Thesen und Zukunftsszenarien nichts Wesentliches geändert hat. Aufgrund ihrer stark gestiegenen Relevanz sollten jedoch alle Aktualisierungen zu den Themen „Italien“ und „TARGET-Salden“ genauestens zur Kenntnis genommen werden.

Vorwortzur 2. aktualisierten und erweiterten Auflage

FERI Cognitive Finance Institute

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Seit knapp 20 Jahren existiert der Euro als gemeinsame Währung in vielen Ländern Europas. In dieser Zeit war die Europäische Währungsunion durch eine auffallend hohe Zahl an ökonomischen, monetären, politischen und institutionellen Krisen geprägt. Trotz vieler sichtbarer Vorteile erscheint der Euro heute mehr als politische Kopfgeburt mit vielen Fehlern denn als ökonomisch funktionale und politisch abgesicherte Währung für einen Wirtschaftsraum mit deutlich über 300 Millionen Menschen.

Bereits 10 Jahre nach seiner Entstehung wurde der Euro von den Finanzmärkten massiv herausgefordert und existenziell bedroht: Im Zuge der globalen Finanzkrise und der anschließenden Krise der Europäischen Währungsunion stand der Euro vor einem historischen „Währungs-Crash“, mit unabsehbaren Folgen für Weltwirtschaft und Finanzmärkte. Durch einen vorher undenkbaren Kraftakt der EZB, die ihr eigentliches Mandat – bis hin zum möglichen Verfassungsbruch – massiv dehnte, konnte diese Krise zunächst abgewendet werden.

Seitdem dämmert die Euro-Zone in einem Zustand künstlicher Ruhe, stabilisiert durch massive geldpolitische Interventionen der EZB. Für Investoren und Vermögensinhaber stellt sich jedoch die Frage, ob der Euro heute wirklich noch eine sichere Währung darstellt. Wurde also der Euro als Folge der zahllosen politisch regelwidrigen, institutionell bedenklichen und ökonomisch fragwürdigen „Feuerwehreinsätze“ der letzten Jahre tatsächlich stabiler, oder wurden im Gegenteil alte Fehler nur überdeckt und neue fundamentale Risiken erzeugt, die den langfristigen Bestand der Gemeinschaftswährung substantiell gefährden?

Lassen sich die grundlegenden Probleme des Euro – politische, ökonomische, institutionelle und strukturelle Konstruktionsfehler – durch neue Regeln und europapolitische Beschlüsse beheben, oder werden sie im Zweifel durch noch mehr Geld nur übertüncht? Müssen neue „Vertiefungen“ der europäischen Verträge und „Verschärfungen“ geltender Regeln angestrebt werden, oder geht es nur darum, wer letztlich als „financier of last resort“ die Rechnung für eine dauerhafte Alimentierung und Subventionierung der Euro-Zone übernimmt?

Und was genau passiert (oder könnte passieren), wenn die offenkundigen Probleme des Euro nicht adressiert und wirksam gelöst werden? Werden dann politische Fliehkräfte, angetrieben von Populismus und Wählerwut, ihre anhaltende Kritik am Euro mit Hilfe politischer Referenden gegen den Euro („Euro-Exit“) dramatisch zuspitzen und so einen schleichenden Verfall oder faktischen Zusammenbruch der Euro-Zone herbeiführen?

Viele dieser Fragen werden in verschiedenen europäischen Institutionen und Denkfabriken seit einiger Zeit diskutiert. Meist liegt dabei ein elitär-konstruktivistischer Ansatz zugrunde, der nach denkbaren (aber oft unrealistischen) Lösungen sucht, das „Undenkbare“ – nämlich einen Zerfall der EMU – jedoch explizit ausklammert oder ignoriert.

Trotz theoretisch sinnvoller Lösungsvorschläge zeichnet sich bisher jedoch kein Königsweg für einen dauer-haften Erhalt der Währungsunion – und somit für eine Rettung des Euro – ab. Der Euro bleibt vorerst weiter gefangen in einem unauflösbaren Trilemma aus ökonomischen und monetären Divergenzen, politischen und ideologischen Gegensätzen sowie unvollständigen und dysfunktionalen Institutionen.

Vor diesem Hintergrund geht die vorliegende Analyse bewusst einen anderen Weg. Nach einem kurzen Überblick in Kapitel 2 über das aktuelle Geschehen in der EMU versucht sie in Kapitel 3, die stark politisch geprägte Entstehung der EMU und die schwierige „Geburt“ des Euro nachzuzeichnen. Eine Rekonstruktion der wichtigsten politischen und institutionellen Konstruktionsfehler der EMU ist dabei unumgänglich; dies öffnet einen klaren Blick auf die zahlreichen Bruchlinien und Risikofaktoren der EMU.

Zukunftsrisiko „Euro Break Up“

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Dazu zählen Kardinalprobleme politischer, struktureller, institutioneller und systemischer Art, die vielfach bereits seit Beginn der EMU im Jahr 1999 angelegt und tief verwurzelt sind.

In einem zweiten Schritt wird in Kapitel 4 versucht, eine realistische Bestandsaufnahme der Euro-Problematik zu vermitteln. Diese erfolgt auf Grundlage bekannter Fakten und Analysen, berücksichtigt aber auch die Probleme und fragwürdigen Weichenstellungen im Zuge der Euro-Krise. Gleichzeitig sind neue Risiko- faktoren und potentielle Bruchlinien zu bewerten, wie etwa zunehmend europakritische politische Strömungen oder das Phänomen der „TARGET-Salden“. Eine sehr zentrale Rolle spielt dabei das Problem „Italien“, das aufgrund neuester Entwicklungen einer vertieften und deutlich erweiterten Analyse unter-zogen wird. Anhand dieser Bestandsaufnahme wird deutlich, dass der Euro und dessen Zukunft durch eine Vielzahl kritischer Faktoren weiterhin klar gefährdet sind.

In einem dritten Schritt erfolgt in Kapitel 5 eine Diagnose des heutigen Euro-Trilemmas, unter Berücksich-tigung bereits vorliegender Lösungsansätze sowie aktueller politischer Trends, Vorschläge und Pläne zur „Reform der EMU“. Aktuelle Überlegungen wie etwa Schritte in eine „Transferunion“, die Auflegung von „Euro-Bonds“ oder eine mögliche Umgestaltung des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM in einen „Europäischen Währungsfonds“ werden dabei umfassend analysiert und bewertet. Dabei wird im Rahmen der Analyse ein mögliches Scheitern der Euro-Zone nicht etwa „politisch korrekt“ ausgeklammert, sondern als eine von mehreren denkbaren Möglichkeiten bewusst berücksichtigt.

In einem vierten Schritt geht die Studie in Kapitel 6 gezielt auf latente Risiken eines „Euro Break Up“ ein, also die Möglichkeit eines Zerfalls oder plötzlichen Zusammenbruchs der EMU. Die vielen inneren Widersprüche der EMU, verstärkt durch negative Anreizstrukturen und komplexe „Moral Hazard“-Konstellationen, spielen dabei eine wesentliche Rolle und werden im Rahmen einer spieltheoretischen Betrachtung analysiert.

Auf Grundlage klar erkennbarer Risiko-Konstellationen und bereits existierender „Bruchlinien“ werden mögliche Szenarien und konkrete Verlaufspfade skizziert. Diese werden eingebettet in ein Raster aus überprüfbaren „Risikoszenarien“, anhand derer Investoren eine eigenständige Risikoeinschätzung und -überwachung („Monitoring“) vornehmen können. Die Analyse schließt mit klaren Aussagen und grund- sätzlichen Handlungsempfehlungen für den Umgang mit dem möglichen Risikofall „Euro Break Up“.

Folglich gliedert sich die Ausarbeitung in vier inhaltliche und logische Abschnitte:

I. EMU als Fehlstart (Missverständnisse, Versäumnisse und „Betrug“)II. Grundprobleme, Widersprüche und Bruchlinien der EMU (multiple Risikofaktoren)III. Falsche Rezepte und unzureichende Reformen (das ungelöste Trilemma) IV. Risiko-Szenarien für die Zukunft der EMU („Transferunion“; „Break Up“)

Um möglichst schnell „zum Punkt zu kommen“, kann direkt zu Kapitel 5 oder 6 gesprungen werden. Da für ein Verständnis der zentralen EMU-Probleme deren Vorgeschichte jedoch von entscheidender Bedeutung ist, wird eine vorherige Lektüre der Kapitel 3 und 4 nahegelegt.

Insgesamt zeigt die Analyse deutlich, dass ökonomische Heterogenität und Divergenz zwischen den EMU-Teilnehmerländern nach wie vor zentrale Belastungsfaktoren für die Zukunft des Euro darstellen. Da Abhilfe durch grundlegende Anpassungen und Reformen auch zukünftig wenig wahrscheinlich ist, bleiben letztlich nur zwei generelle Wege in die Zukunft:

Dauerhafte Alimentierung des EMU-Systems, im Wege einer „Transferunion“. Politisch-ökonomisches „Zerbrechen“ der EMU, also ein „Euro Break Up“.

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Vor diesem Hintergrund besteht ein wichtiges Ziel dieser Ausarbeitung darin, klares Bewusstsein und geschärfte Wahrnehmung dafür zu schaffen, dass der Euro noch immer eine „Währung im Gefahren- modus“ ist. Die Tatsache, dass EMU und Euro seit geraumer Zeit von der EZB auf der „monetären Intensivstation“ betreut werden, sollte nicht den Blick auf grundsätzliche und weiterhin ungelöste Probleme verstellen. Statt „monetärer Kontrollillusion“ ist tieferes Verständnis für die Kernprobleme des Euro und der EMU gefragt.

Daraus sollte eine offene und rationale Diskussion möglicher Zukunftsentwicklungen, Reformoptionen und (Risiko-)Szenarien erwachsen, die auch die potentiellen Kosten, Kollateralschäden und „unintended consequences“ unterschiedlicher Verlaufspfade eng im Blick hält. Investoren und Vermögensinhaber, aber auch interessierte Bürger sollten diese Überlegungen kennen und in ihre individuellen Planungen zum Vermögensschutz einbeziehen.

Erstmals werden dieser Analyse auch Texte wichtiger Originaldokumente im Anhang beigefügt, darunter die deutsch-französische „Meseberg-Erklärung“ zur zukünftigen Ausrichtung der EMU.

Dr. Heinz-Werner Rapp

Gründer & Leiter Steering Board FERI Cognitive Finance Institute

Zukunftsrisiko „Euro Break Up“

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Abbildungsverzeichnis .............................................................................................................................. 1

1 ExecutiveSummary ................................................................................................................ 2

2 AktuellerHintergrund............................................................................................................. 62.1 Einführung und Einordnung .......................................................................................................... 62.2 Vorgeschichte und Rückblick ......................................................................................................... 72.3 Aktivismus und Krisenmanagement der EZB ................................................................................. 72.4 Populismus und politische Krisen in Europa .................................................................................. 92.5 Wahlen in Frankreich und „Macron-Effekt“ ................................................................................... 102.6 Politische Paralyse in Deutschland ................................................................................................ 122.7 Die neue Regierung in Italien ........................................................................................................ 13

3 EuroundEuropäischeWährungsunion(EWU) ........................................................................ 163.1 Politische Vorgeschichte ................................................................................................................ 163.2 Widersprüchliche Ziele .................................................................................................................. 193.3 Heterogene Philosophien .............................................................................................................. 223.4 Grundlegende Missverständnisse ................................................................................................. 263.5 Fundamentale Konstruktionsmängel ............................................................................................ 283.6 Institutionelle Defizite ................................................................................................................... 313.7 Ökonomische Divergenzen ............................................................................................................ 33

4 BruchlinienundRisikofaktorenderEMU ................................................................................ 364.1 Moralische Bruchlinien: Täuschung als Ausgangspunkt ................................................................ 364.2 Ökonomische Bruchlinien: Heterogenität der EMU-Länder .......................................................... 384.3 Systemische Bruchlinien: Erfahrungen der Euro-Krise .................................................................. 444.4 Politische Bruchlinien: Populismus und „Anti-Euro“-Stimmungen ................................................ 484.5 Konzeptionelle Bruchlinien: Phänomen der TARGET-Salden ......................................................... 504.6 Institutionelle Bruchlinien: Probleme der Verantwortlichkeit ...................................................... 624.7 Monetäre Bruchlinien: Mandatsüberschreitung der EZB .............................................................. 66

5 AktuellesBildderEMUundmöglicheReformen ..................................................................... 725.1 Der neue Vorstoß der EU-Kommission („Juncker-Plan“) ............................................................... 725.2 Idee eines Europäischen Währungsfonds (von EFSF über ESM zu EWF) ....................................... 735.3 Neue Rolle der EZB als „Garant des Euro“ ..................................................................................... 805.4 Politische Entwicklungen in Europa (Zeitbombe Italien) ...................................... 845.5 Ökonomische Divergenzen und deren Konsequenzen (Analyse von King) .................................... 965.6 Politische und konzeptionelle Reformvorschläge .......................................................................... 995.7 Perspektiven einer institutionellen Weiterentwicklung ................................................................ 104

6 Risikoszenario„EuroBreakUp“ .............................................................................................. 1136.1 Einführung und Problemstellung ................................................................................................... 1136.2 Hintergrund und praktische Relevanz ........................................................................................... 1146.3 Das Euro Break Up-Dilemma als spieltheoretisches Problem ........................................................ 1186.4 Systemdynamik und Entwicklungspfade ....................................................................................... 1226.5 Risikoszenarien und Risiko-Indikatoren ......................................................................................... 1276.6 Mögliche Auslöser und Ablauf eines Euro Break Up ..................................................................... 1316.7 Potentielle Konsequenzen für die Kapitalmärkte .......................................................................... 1376.8 Implikationen mit Blick auf „Vermögensschutz“ ............................................................................ 141

7 Fazit ....................................................................................................................................... 148

Anhang ...................................................................................................................................................... 152

Literaturverzeichnis .................................................................................................................................. 170

Glossar ...................................................................................................................................................... 180

Inhalt

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Hintergrund und Überblick:

Viele Probleme der Euro-Zone (EMU) sind hinlänglich bekannt und durch mehrmalige Krisen in den letzten Jahren auch einer breiten Öffentlichkeit bewusst geworden.

Spätestens seit der letzten Euro-Krise (2010-2012) stellt sich jedoch die Frage nach der inhaltlichen Substanz, der ökono-mischen Tragfähigkeit und der politischen Flankierung des Euro und der EMU – konkret also nach deren Stabilität und Dauerhaftigkeit – mit neuer Dringlichkeit.

Diese Frage wird verschärft durch zahlreiche politische Strömungen innerhalb von EU und EMU, die das Konzept einer europäischen Einheitswährung in Frage stellen.

Hinter derartigen Strömungen, von den britischen BREXITeers über den französischen Front National bis zu den EU-kriti-schen, offen populistischen Regierungsparteien Italiens, steht vielfach ökonomische Frustration, die meist sehr eng mit EMU und Euro korreliert.

Aktuell bietet die EMU das Bild einer unfertigen „Baustelle“, deren größte „Baumängel“ und „Unfallrisiken“ nicht wirk-lich behoben werden. Stattdessen werden diese von der Europäischen Zentralbank (EZB) – über massive Geld-schöpfung und extrem weite Auslegung ihres geldpoliti-schen Mandats – lediglich übertüncht.

Gleichzeitig werden aus dem politischen Zentrum von EU und EMU immer neue Vorschläge zur „Reform“, „Vollen-dung“ oder gar „Erweiterung“ der EMU eingebracht; die dahinterliegenden Konzepte und Risikoabwägungen sind jedoch oftmals widersprüchlich, diffus oder schlicht nicht nachvollziehbar.

Streit um die konzeptionelle Deutungshoheit der EMU, ebenso wie die Fragen nach einer gesunden und trag-fähigen Architektur und einer fairen Lastenverteilung, dominieren erneut die politische Diskussion Europas. Neue Vorschläge aus Frankreich treffen dabei auf eine wenig handlungsfähige deutsche Regierung und schwierige politische Konstellationen in Italien (Wahl 2018).

Ein schleichender Übergang in eine teure und ineffiziente „Transferunion“ scheint sich derzeit als wahrscheinlichste Zukunftsperspektive für die EMU abzuzeichnen; dies impli-ziert deutlich erhöhte Transferlasten und stetig steigende Zukunftsrisiken, speziell für Deutschland (worauf aktuelle Zugeständnisse an die EMU bereits hindeuten).

Auch das Risiko eines Scheiterns der EMU, also eines „Euro Break Up“, ist nicht wirklich auszuschließen, würde dann jedoch massive Verwerfungen in Europa mit sich bringen.

Kerninhalte und Ergebnisse:

Zur grundlegenden Einordnung des Gesamtthemas reka-pituliert die Analyse zunächst die Entstehung der EMU als primär „politisches Projekt“.

Fundamentale Zielkonflikte, Missverständnisse und „kon-zeptionell-philosophische“ Divergenzen, speziell zwischen Deutschland und Frankreich als den beiden wichtigsten EMU-Gründerländern, werden dabei klar herausgearbeitet und als sehr zentrale Probleme identifiziert.

Auch die politische Vorgeschichte der EMU, einschließlich spezifischer machtpolitischer Interessen einzelner Grün-dungsländer, wird rekonstruiert und eingehend gewürdigt.

Diese Punkte erweisen sich als äußerst relevant zur Beur-teilung zahlreicher Ausgangsfragen; sie sind darüber hinaus dominante Faktoren im Hinblick auf die konzeptionelle, institutionelle und ökonomische Fragilität der EMU.

Mit Blick auf die Entstehung des sogenannten „Maastricht- Vertrages“ und anderer „Regeln“ der EMU, die sich im Zeitablauf als nicht haltbar erwiesen haben, kritisiert die Analyse den anfangs tolerierten „Wettlauf in die EMU“, unter Missachtung selbstgesetzter Anforderungen, klarer Regeln und fester Teilnahmekriterien.

Daraus folgt konkret, dass die EMU als widersprüchliches Konstrukt politischer Technokraten von Beginn an unter einer Vielzahl von politischen, ökonomischen und struktu-rellen Konstruktionsmängeln leidet.

1 Executive Summary

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Die ursprünglich leichtfertig tolerierten Widersprüche, Divergenzen und grundsätzlichen Unvereinbarkeiten der EMU bilden heute den „Bodensatz“ aus gefährlichen Bruch- linien und komplexen Risikofaktoren, die den Bestand der EMU fast 20 Jahre nach Gründung noch immer heraus- fordern und existenziell gefährden.

Zu den wichtigsten dieser „EMU-Bruchlinien“ zählt – stärker noch als das Problem überhöhter Staatsverschuldung – eine massive ökonomische Divergenz, insbesondere zwischen „Kern“ und „Peripherie“ der EMU. Speziell das Phänomen unterschiedlicher Preis-Wettbewerbsfähigkeit verursacht eine gefährliche Erosion und ökonomische Spaltung der EMU (sichtbar in der Euro-Krise 2010).

Weitere inhärente Bruchlinien der EMU resultieren aus ökonomischen Fehlanreizen („Moral Hazard“), die sich als Folge der Euro-Krise oftmals noch verstärkt haben. Auslöser sind etwa gemeinsame „Finanztöpfe“ und Elemente einer kollektiven Haftungsübernahme, aber auch die massiven Kaufprogramme der EZB für EMU-Staatsanleihen. Eigen-verantwortliches Handeln wird in einem solchen Umfeld zunehmend durch spieltheoretische Erwägungen und die Doktrin des ökonomischen „Trittbrettfahrens“ ersetzt.

Grundlegende Bruchlinien der EMU liegen auch im Bereich der Politik. Die andauernden Probleme der EMU haben in vielen Ländern populistische Anti-EU-Strömungen her-vorgebracht, die per Definition den Bestand der EU und der EMU in Frage stellen.

Andere schwerwiegende EMU-Bruchlinien sind struktureller Natur, also „per Design“ im Bauplan der EMU hinterlegt. Dazu zählt speziell das TARGET-System, das aufgrund gravie-render Konstruktionsmängel missbräuchliche Nutzungen und extrem gefährliche Konsequenzen provoziert.

Faktisch ermöglicht das TARGET-System einzelnen Ländern ein „Drucken von Geld“, zu Lasten der Solidargemeinschaft EMU. Der unlimitierte Aufbau negativer TARGET-Salden, durch Länder wie Italien, zählt heute zu den größten Struk-turproblemen der EMU und gefährdet nachhaltig ihre Integrität und Stabilität.

Eine neue Bruchlinie der EMU wird durch die seit 2012 ver-folgte, hochgradig umstrittene Geldpolitik der EZB erzeugt.

Die extreme Ausdehnung des eigentlichen EZB-Mandates führt in eine juristische und geldpolitische Grauzone, die langfristig gefährliche „Moral Hazard“-Effekte und systemi-sche Verzerrungen induziert. Gleichzeitig führt die zuneh-mende Vermischung von Geld- und Fiskalpolitik zu einer anhaltenden Erosion zentraler Prinzipien wie Haftung und Verantwortung.

Bestehende oder latent drohende Probleme der EMU werden aktuell durch neue politische Initiativen der EU-Kommission und anderer „Stakeholder“ der EMU adressiert. Zu diesen zählen die Idee gemeinsam garantierter „Euro-Bonds“, „European Safe Bonds“, eines „Europäischen Schatzamts“ oder eines „Europäischen Währungsfonds“.

Die jeweilige Wirkungsweise ist für die Mehrzahl dieser Vor-schläge höchst umstritten oder klar negativ. Vielfach wird ein schleichender Übergang in gesamtschuldnerische Transfer- oder Haftungssysteme induziert. Radikalere Vorschläge – wie etwa von Sinn (2016) – zielen deshalb in Richtung funda-mentaler Reformen der EMU, mit Stärkung klarer Prinzipien wie Eigenverantwortung und finanzieller Solidität.

Aus dem weiter offenen Gegensatz gravierender Struktur-probleme und „Bruchlinien“ einerseits, sowie fehlender, mangelhafter oder sogar kontraproduktiver Reformansätze andererseits, resultieren latente Risikoszenarien für die EMU und den Euro.

Als zentrales Risikoszenario erscheint vorerst ein potentieller Zerfall oder „Bruch“ der EMU („EMUBreakUp“). Ein solcher „Break Up“ könnte durch Austritt („Exit“) einzelner Mitglieds-länder, aber auch im Zuge einer systemischen „EMU-Krise“ in Gang kommen.

Anders gelagerte Risikoszenarien gehen in Richtung einer „Transferunion“, in der bestehende Divergenzen und „Bruch- linien“ durch dauerhafte Zahlungen „starker“ EMU-Mitglieder alimentiert werden müssten.

Zur Abschätzung möglicher Szenario-Verläufe und -Wahr-scheinlichkeiten liefert eine spieltheoretische Analytik wertvolle Einsichten: Die inhärente Dynamik und mögliche Entwicklungspfade der EMU lassen sich anhand des vorlie-genden „Spielplans“, möglicher „Spielzüge“ sowie variabler „Spielregeln“ gut nachvollziehen.

Zukunftsrisiko „Euro Break Up“

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Aus spieltheoretischer Perspektive erscheint die EMU als „komplexes dynamisches System“, mit einer Vielzahl singulär-intrinsischer Interessen, widersprüchlicher Motive und konfliktärer Anreizstrukturen. Wichtige Bestimmungs-faktoren sind individuelle „Kosten-/Nutzen-Kalküle“ der Mitgliedsländer („Spieler“).

Ein Rückblick auf historische Währungsunionen zeigt, dass speziell kleinere, aber ökonomisch starke Mitglieder einen erhöhten Anreiz zum Verlassen der jeweiligen Union hatten. Übertragen auf die EMU wären statt Griechenland eher Österreich, Finnland oder die Niederlande potentielle Exit-Kandidaten.

Das aktuelle Handeln einer Gruppe nördlicher EU-Mitglieds-länder („HanseatischeLiga“), die sich gegen den Fahrplan einer EU mit immer höheren Kosten und Risiken stellt, deutet bereits in diese Richtung und bildet eine neue potentielle Bruchlinie der EMU.

Grundlegende Reformen der EMU werden mit zunehmender Dauer unkonditionierter Hilfen (wie derzeit von der EZB) immer unwahrscheinlicher; der entsprechende Anreiz sinkt. Gleichzeitig steigen die impliziten Kosten eines „Euro Break Up“ prohibitiv an, da inzwischen eine Vielzahl kollektiver Haftungsmechanismen – darunter auch das TARGET-System – installiert oder (teilweise ungewollt) aktiviert wurde.

Diese Ausgangslage spricht vorerst für den gezielten Einstieg der europäischen Politik in eine „Transferunion“. Ziel ist dabei, bestehende Probleme zeitlich zu „verschieben“ und akute Risiken des EMU-Systems vorerst zu „kaschieren“.

Die Kosten einer Transferunion wären (nach heutigem Kenntnisstand) erheblich und gingen primär zu Lasten der „starken“ Länder (speziell Deutschland). Dennoch geht die Mehrzahl der neuen Vorschläge, Projekte und EMU- Initiativen, sowohl von Seiten der EU-Kommission als auch von Frankreich, genau in diese Richtung. Für deutsche

Vermögensinhaber wären dann steigende fiskalische und ökonomische Belastungen zu erwarten.

Trotz einer starken Grundtendenz zur „Transferunion“ kann vorerst auch das zukünftige Risikoszenario eines „Euro Break Up“ nicht ausgeschlossen werden. Denkbar sind dabei sowohl „Ermüdungs-Szenarien“ als auch echte „Krisen-Szenarien“.

Zeitverzögerte Verlaufspfade in Richtung „Break Up“ sind nicht unwahrscheinlich, etwa als Folge einer lange Zeit er-folglos und „zu teuer“ agierenden Transferunion („Ermü-dungs-Szenario“).

Konkrete Impulse in Richtung eines EMU-Zerfalls könnten schon 2018 von Italien ausgehen, wo sich nach den Neu-wahlen im März das Risiko einer strikt EU-kritischen, offen populistisch und äußerst konfliktfreudig agierenden Regierung materialisiert hat.

Die potentiellen Konsequenzen eines „Euro Break Up“ für Kapitalmärkte, Unternehmen und Vermögensinhaber wären extrem: Sie könnten einerseits massive Verwer-fungen an den Kapital- und Währungsmärkten auslösen, andererseits gravierende staatliche Notmaßnahmen und Repressalien nach sich ziehen.

Gleichzeitig wären im Szenario eines „Euro Break Up“ noch extremere monetäre Interventionen der EZB zu erwarten, bis hin zu einer offenen Übernahme von Staats-schulden („OMF“/„Overt Monetary Financing“).

Im Hinblick auf individuellen Vermögensschutz sollten die Grundmechanismen hinter den wichtigsten Risiko- szenarien verstanden und entsprechende Risikotendenzen in nächster Zeit aufmerksam beobachtet werden, speziell nach dem Auslaufen der derzeit noch sehr expansiven EZB-Politik (Ende des Jahres 2018).

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COGNITIVE CONCLUSION Risiko „Euro Break Up“ – Ursachen, Hintergründe, Konsequenzen

Quelle: FERI Cognitive Finance Institute, 2018

>2018

2012

2010

2005

1999

Ökonomische Verspannung &Finanzielle Schieflagen

SYSTEMISCHE KRISE

Euro Break Up-Risiken

Elementare Konstruktionsfehler

Politische Zielkonflikte

„EMU-Regeln“

Schulden-Problematik

Toxische Dynamik Break Up-Risiken

Ökonomische Divergenzen

„Maastricht-Kriterien“

TARGET-Salden(Ausweitung/Kreditersatz)

Kredit-/Schulden-Expansion (EMU-Peripherie)

„Manipulation“ „Interpretation“

Insolvenz-Risiken

Zentrifugal-Kräfte

„Absicherung“ durch EZB(massive monetäre Intervention)

Fortbestand latenter Risiken(partiell sogar Verstärkung)

Ökonomische Ungleichgewichte

Sinkender Reformdruck

Fehlanreize & Fehlallokationen

Strukturelle Risiken

Haftungs-Verteilung

Politische Erpressung

Nullzins-PolitikMonetäre Verwässerung

Monetäre Expansion

Moral Hazard

TARGET-Salden

Ökonomische Divergenzen

EMU-Krise/EURO-Krise

EMU-Gründung

Regel-Verstöße Moral Hazard

Zukunftsrisiko „Euro Break Up“

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2.6 Politische Paralyse in Deutschland

Die Wahlen zum deutschen Bundestag am 24. September 2017 hatten spürbaren Einfluss auf die Architektur und die künftige Stabilität der EMU. Es war offenkundig, dass der französische Präsident Emmanuel Macron mit einer neuen deutschen Regierung schnell in eine konstruktive Diskussion über Reformen von EU und EMU eintreten wollte.

Dieser Prozess sollte die deutsche Seite zu größeren Zuge-ständnissen mit Blick auf die EMU bewegen, insbesondere in Fragen einer stärkeren „fiskalischen Integration“. Dazu zählen etwa ein gemeinsames EMU-Budget, ein „rainy days-Fonds“ für die EU, aber auch andere Ideen und Projekte, die im Ergebnis dauerhafte Transfers oder zumindest höhere Garantie- und Haftungszusagen von deutscher Seite impli-zieren würden.32

Die neue politische Konstellation in Deutschland dürfte solche Bestrebungen einerseits zwar begünstigen, anderer-seits aber auch erschweren: Zwar bekennt sich eine – betont europafreundliche – SPD-Führung klar zu einer „aktiveren Europapolitik“. Dennoch steht die neue Große Koalition („GroKo“) schon jetzt unter erheblichem Druck. Dies liegt zum einen an inhaltlicher Erschöpfung und ideologischen Gegensätzen der beteiligten Parteien, was den Zustand der „Konzeptionslosigkeit“ in Deutschland weiter perpetuieren oder sogar verstärken dürfte.33

Zum anderen liegt diese Schwäche auch an den deutlich ver-änderten Machtverhältnissen im deutschen Bundestag, wo die „GroKo“-Parteien nur noch eine knappe Mehrheit stellen. Der Abbruch der „Jamaika-Sondierungen“ hat zwar die Rolle der FDP als potentiellem Gegner einer europäischen „Transferunion“ deutlich geschwächt. Als „aktive Opposi-

tion“ kann sie jedoch die Regierung wirksam unter Druck setzen, mit sachlicher und öffentlicher Kritik gegen „zu viel Europa“ (bzw. gegen „zu viel deutsches Geld für Europa“).34

Hinzu kommt neue Frontal-Opposition vom rechten Rand des politischen Spektrums. Die rechtsgerichtete AfD kann, über ihre knapp 100 Sitze im Deutschen Bundestag, harte Kritik gegen das „System Merkel“ erstmals öffentlich vortragen. Auch dieser neue Faktor wird mögliche Entscheidungswege der neuen deutschen Regierung deutlich beeinflussen. Da es aus Sicht der CDU/CSU um ihren Status als „Volkspartei“ geht, müssen Themen der Opposition künftig stärker berücksichtigt werden, um weiterer Wähler-Erosion entgegenzuwirken.35

Darüber hinaus trägt massiver Streit zwischen den Schwes-terparteien CDU und CSU über sehr grundsätzliche Fragen inzwischen zu akut erhöhter Fragilität und partieller Paralyse der deutschen Regierung bei, was zuletzt im Juni/Juli 2018 zu krisenhaften Entwicklungen und Zuspitzungen führte (bis hin zum möglichen Szenario eines Bruchs der Regierungs- koalition).36

Diese retardierenden Effekte werden den Handlungsspiel-raum der deutschen Politik in Richtung auf „mehr Europa“ voraussichtlich spürbar begrenzen:

Im Ergebnis werden die neuen politischen Koordinaten schnelle Schritte auf dem Weg zu einer „stärkeren fiskali-schen Integration“, einer „europäischen Wirtschaftsregie-rung“ oder gar einer „Transferunion“ tendenziell bremsen.37

Kostenträchtige Prestige-Projekte, wie in Brüssel vielfach erhofft, werden dadurch vorerst unwahrscheinlicher (oder stark geschrumpft).38

32 Vgl. dazu u.a. die Ausführungen der EU-Kommission (2017, Reflexionspapier), sowie ausführlich: unten, Kap. 5.6 und 5.7.33 In diesem Sinne ganz klar etwa: Handelsblatt (2018, Leere).34 In diesem Sinne zumindest: FDP (2017, Wahlprogramm), speziell S. 123-128.35 Diese Logik gilt speziell mit Blick auf die CSU, die 2018 vor wichtigen Regionalwahlen steht. 36 Hierbei geht es im Wesentlichen um eine Neuausrichtung der bisherigen deutschen Asyl- und Flüchtlingspolitik, die

seit 2015 als problematisch, ungeordnet und widersprüchlich erscheint. Vgl. dazu überblickartig: Tagesschau (2018, Schicksalswoche), Handelsblatt (2018, Staatstheater), NZZ (2018, Chaostage), Spiegel (2018, Unionsstreit), Zeit (2018, Streit), Zeit (2018, Unionsstreit).

37 Vgl. in diesem Sinne etwa auch: NZZ (2018, Trippelschritte). Dies gilt insbesondere, nachdem Deutschland zuletzt in einem EU-Sondergipfel zum Komplex „Europäische Asylpolitik“ zu zahlreichen Zugeständnissen gezwungen war; vgl. dazu beispielhaft: NZZ (2018, EU-Gipfel).

38 Vgl. in diesem Sinne auch: NZZ (2018, Währungsunion). Dessen ungeachtet hat der kurzzeitige SPD-Chef Martin Schulz lautstark das Ziel „Vereinigte Staaten von Europa“ bis zum Jahr 2025 ausgerufen, vgl. Handelsblatt (2017, Staaten).

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Für eine zielgerichtete, konstruktive und seriöse Weiterent-wicklung der EMU muss dies kein Nachteil sein: Im Gegenteil wäre eine stärkere Rückbesinnung auf zentrale Grundprinzipien der „alten“ EMU, darunter Elemente der Eigenverantwort-lichkeit und der Haftungsbegrenzung, grundsätzlich sinn-voll und strategisch der richtige Weg.39 Ob aber – angesichts bisheriger Weichenstellungen – eine solche Rückkehr zu den Gründungsprinzipien von Maastricht überhaupt noch mög-lich ist, muss inzwischen wohl stark bezweifelt werden.40

Neue Absprachen zwischen Frankreich und Deutschland, die unter dem Eindruck einer zunehmend desolaten Verfassung der EU getroffen wurden, weisen bereits klar in Richtung zusätzlicher Budgets für die Eurozone.41

2.7 Die neue Regierung in Italien

In Italien war der Ausgang der Parlamentswahlen am 4. März das wichtigste Ereignis der letzten Zeit. Wenig überraschend gingen zwei unkonventionelle Gruppierungen daraus als stärkste Parteien hervor. Die linkspopulistische MoVimento 5 Stelle gewann 33 % der Stimmen, während die eher rechts-populistisch eingestellte Lega (früher Lega Nord) auf über 17 % kam.42 Beide Parteien agieren offen populistisch, richten sich gegen das politische Establishment und vertreten einen ausgeprägt EU-kritischen Kurs.43

In Umfragen war bereits Monate vor dem Wahltermin klar absehbar, dass sich die politische Landkarte Italiens stark verändern würde. Der Aufstieg radikaler Anti-Establishment-

Parteien zeichnete sich über lange Zeit deutlich ab und wurde am Wahlabend klar bestätigt. Entgegen allgemeiner Erwar-tungen, und trotz erkennbarer ideologischer Gegensätze, bildeten beide Wahlsieger nach anfänglichen Schwierigkeiten eine gemeinsame Regierung.44

Bereits im Vorfeld wurde anhand öffentlicher Äußerungen deutlich, dass die neue Regierungskoalition einen direkten Konfrontationskurs gegen Brüssel (EU), Frankfurt (EZB) und Berlin (Merkel) einschlagen würde.45

Äußerst alarmierend – und zugleich entlarvend – war die schnelle Forderung an die EZB nach einem Schuldenerlass im Gegenwert von 250 Mrd. €.46 Auch wenn diese Forderung rasch wieder zurückgezogen wurde, gibt sie doch ein klares Signal für den zukünftigen Kurs Italiens. Viele Ereignisse und Dokumente der letzten 15 Monate belegen, dass Italiens populistische Parteien offen über einen Bruch mit der EMU nachdenken und diesen, als Ultima Ratio, bewusst ansteuern könnten.47

Derartige Manöver zeigen eine klare Intention: Italien ist nicht länger bereit, sich ökonomischen Realitäten oder politischen Zwängen zu unterwerfen. Stattdessen wird offenkundig ein „Befreiungsschlag“ angestrebt, der massive Finanzhilfen, einen Erlass von Staats-schulden oder einen erhöhten Spielraum für Neuver-schuldung herbeiführen soll.48

39 In diese Richtung weisen auch die neu vorgelegten Vorschläge von: CEPR (2018, Approach).40 Vgl. zu diesen Überlegungen ausführlich: unten, Kap. 5 und 6. 41 Vgl. Welt (2018, Eurozonen-Budget); NZZ (2018, Geldtöpfe); sowie unter dem Stichwort „Meseberg-Erklärung“

ausführlich: Bundesregierung (2018, Meseberg), (s. dazu auch: Anhang). 42 Vgl. N-tv (2018, Parlamentswahl). 43 Vgl. Süddeutsche (2018, Populisten), NZZ (2018, Populisten).44 Vgl. Zeit (2018, Regierung). 45 Zschäpitz (2018 Euro) warnt: „…das Regierungsprogramm von Fünf Sterne und Lega ist eine Kampfansage an alles

Europäische“ und folgert: „Italiens neue Regierung setzt den Euro aufs Spiel.“46 Vgl. Welt (2018, Schuldenerlass). Diese Forderung wurde allerdings schnell wieder zurückgezogen, da sie nicht zuletzt

auch in inhaltlicher Hinsicht mit bestehenden Realitäten kollidierte. 47 Bekannt geworden sind etwa Pläne zur Einführung einer Parallelwährung (über die Ausgabe von Staatsanleihen in kleiner

Stückelung, sogenannte Mini-BOTs), dubiose Konferenzen zur Zukunft der italienischen Staatsschulden oder Anfragen an die EZB zur Verbindlichkeit aufgelaufener TARGET-Schulden (vgl. dazu ausführlich: unten, Kap. 4.5 sowie 5.4).

48 Auch eine Kombination aus allen drei Elementen wäre in diesem Kontext vorstellbar.

Zukunftsrisiko „Euro Break Up“

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Zur Umsetzung dieses Zieles könnte Italien schon bald ein spieltheoretisches Manöver einleiten, das auch als „Game of Chicken“ bekannt ist. Dabei soll die Drohung mit dem (öko-nomischen) Selbstmord die Mitspieler zu weitreichenden Zugeständnissen bewegen.49 Da Italien nicht nur die höchsten Staatsschulden in Europa hat, sondern zusätzlich – insbeson-dere Deutschland – noch rund 480 Mrd. Euro an negativen TARGET-Salden schuldet, könnte eine solche Drohkulisse im Ernstfall kaum ignoriert werden.50

Auf diese veränderte Risikolage haben zuletzt auch die Finanz-märkte, nach langer Phase naiver Sorglosigkeit, erschreckt reagiert: Aussagen der italienischen Regierung zu geplanten wirtschaftspolitischen Maßnahmen weckten akute Zweifel an der Tragfähigkeit der italienischen Staatsschulden, was einen sprunghaften Anstieg von Zinsen und Risiko-Spreads bei italienischen Staatsanleihen nach sich zog (vgl. Abb. 2).51

49 Zum Problemfall Italien sowie dessen spieltheoretischer Dimension vgl. ausführlich auch: unten, Kap. 5.4 sowie 6.3. Zur Möglichkeit eines planvoll inszenierten „Game of Chicken“ vgl. bereits: Rapp (2017, Herausforderungen).

50 NZZ (2018, Risiko) betont in diesem Kontext: „Italien: Ein hohes systemisches Risiko.“ 51 Geplante Maßnahmen der italienischen Regierung sind unter anderem eine deutliche Steuersenkung („Flat Tax“), eine

Umkehr der bisherigen Rentenpolitik sowie eine signifikante Aufweichung der bisherigen EMU-Defizitregel; vgl. dazu: NZZ (2018, Wirtschaftsprogramm), Spiegel (2018, Schulden); Zilibotti (2018, Endspiel). NZZ (2018, Populisten) betont den Widersinn dieser Ideen: „Es braucht keine hellseherischen Fähigkeiten, um zu erkennen, dass diese Vorhaben den Realitätstest nicht bestehen werden.“ An dieser Stelle ist der Hinweis gerechtfertigt, dass die Finanzmärkte die steigenden politischen und finanziellen Risiken in Italien (trotz eindeutiger Signale schon seit Anfang März) lange Zeit sträflich ignoriert hatten; vgl. dazu kritisch auch: Rapp (2018, Erwachen).

Abb. 2: Negative Marktreaktion auf erhöhte politische Risiken (Italien)

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Italien: Staatsanleihen-Zinsen (10J)- Tageswerte -

Italien: Staatsanleihen Spreads zu dt. Bunds (10J)- Tageswerte -

Quelle: FERI, 2018

ITA ITA

Game of Chicken („Feigling-Spiel“) bezeichnet im Vokabular der Spieltheorie einen konfrontativen Spielzug, mit dem die jeweilige Gegenpartei auf Grundlage einer glaubwürdigen Drohung zu hohen Zugeständnissen gezwungen werden soll. Der Spieleinsatz kann dabei, wie im Beispielfall der nuklearen Abschreckung, bis zur Androhung von Vernichtung/Selbstvernichtung gehen.

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52 Rapp (2018, Belastungsprobe), [wörtliches Zitat in: Handelsblatt (2018, „Italexit“-Szenarien)].53 Stelter (2018, Ende); Straumann (2018, Italien).54 Reichlin (2018, Europe).55 Per Juli 2018 deutete der italienische Europaminister Paolo Savona erneut einen möglichen Austritt Italiens aus der

EMU an; zugleich warnte auch Notenbankchef Ignazio Visco vor einer zunehmenden Krisenanfälligkeit Italiens, vgl. dazu: N-tv (2018, Unruhe), Reuters (2018, Euro-Mitgliedschaft); Reuters (2018, Alarm).

56 Vgl. in diesem Sinne auch: Reinhart (2018, Italy), Stiglitz (2018, Euro), NZZ (2018, Italien), NZZ (2018, Erpressung), Zilibotti (2018, Endspiel).

Offensichtlich ist die neue Regierung in Italien ein ernsthaf-tes Problem – wenn nicht sogar der „worst case“ – sowohl für das politische Establishment als auch die aktuelle Struktur der EMU. Rapp (2018) konstatiert: „Wie erwartet wird Italien zur existenziellen Belastungsprobe für die gesamte Euro- Zone.“52 Stelter (2018) warnt: „Italien läutet das Ende des Euro ein“, und historisch kundige Experten wie Straumann (2018) stellen die Frage: „Wird Italien den Euro verlassen?“53

Dass die EMU und der Euro im Falle einer anhaltenden struk-turellen, politischen und ökonomischen „Verweigerung“ Italiens vor sehr ernsten Problemen stehen würden, betont mit Blick auf die aktuelle Politik Italiens auch die renommierte Euro-Expertin Reichlin (2018):

„In the absence of aligned budgetary policies and common rules, a common currency is simply not sustainable.”54

Noch ist nicht absehbar, wie sich dieses Problem in nächster Zeit entwickeln wird. Dennoch ist mit Blick auf Italien vorerst von einer weiteren gezielten Ver-schärfung auszugehen.55 Jede mögliche Lösung dieses Problems dürfte sehr teuer, sehr gefährlich oder beides zugleich werden (speziell für Deutschland).56

Zukunftsrisiko „Euro Break Up“

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6.2 Hintergrund und praktische Relevanz

„Das Eurosystem ist kaputt, und wenn es nicht repariert wird, steigen die Kosten sehr schnell gigantisch.“631 Die Frage, ob der Euro auch in 10 oder 15 Jahren noch eine funktionierende Währung sein wird, ob ein „Break Up“ der EMU zu befürchten ist, ob einzelne Mitglieder der EMU aus-treten werden oder ob die gesamte EMU zu einer labilen „Verschuldungs- und Transferunion“ degenerieren wird, ist von extremer Bedeutung.

Sie betrifft nicht nur die weitere Zukunft Europas, son-dern unmittelbar auch die individuelle Vermögensdis-position und die Frage nach einem angemessenen Ver-mögensschutz privater und institutioneller Investoren.

Die Beantwortung dieser Frage erfolgt in mehreren Schrit-ten, jeweils auf Grundlage der vorherigen Darstellungen und Problemanalysen. Grundsätzlich wird dabei die Ausgangsfrage differenziert betrachtet („zerlegt“) und anhand folgender fünf Szenarien vertieft (vgl. Abb. 26):

631 Stiglitz (2016, Europa), S. 20.

Transferunion bezeichnet das (aktuell immer deut-licher hervortretende) Konzept einer EMU, die für ihren langfristigen Zusammenhalt dauerhafte finanzielle Transferleistungen erfordert. Der Weg der Transfers ist (direkt oder indirekt) von den stär-keren Mitgliedsländern (speziell Deutschland) zu den hoch verschuldeten und ökonomisch schwä-cheren EMU-Mitgliedern. Die Art der Transfers ist unbestimmt: Diese reichen von echten finanziellen Zahlungen und Beiträgen über die Gewährung von Krediten, Bürgschaften und Haftungseinlagen bis hin zu neuen Mechanismen gemeinschaftlicher Risiko-übernahme (auch mit Nachschussverpflichtung). Das Konzept einer Transferunion steht sowohl inhaltlich als auch politisch im klaren Gegensatz zur ursprüng-lich definierten Gründungslogik der EMU.

Abrupter und krisenhafter Zerfall der EMU („Euro Break Up“) „Euro-Zerfall“5

Abb. 26: Fünf relevante Szenarien für die Zukunft der EMU

Funktionsfähige und reformierte EMU(„stabile EMU“) „Traum“1

Degenerierte und transferbasierte EMU („fragile EMU“) „Transferunion“2

(Temporärer) Austritt einzelner EMU-Mitglieder(„atmende EMU“) „GREXIT“ etc.3

Spaltung der EMU in „Nord-Euro“ und „Süd-Euro“(„gespaltene EMU“) „Euro-Spaltung“4

Quelle: FERI Cognitive Finance Institute, 2018

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Eine mögliche Realität kann selbstverständlich auch graduell zwischen diesen 5 Szenarien liegen, sich dabei im Zeitablauf verändern oder dynamisch oszillieren. Dennoch helfen die 5 Basisszenarien dabei, die grundsätzlich möglichen Entwick-lungspfade der EMU besser zu verstehen.

Vor der Überleitung in spezifische Szenario-Diskussionen sollen nochmals kurz der bestehende Hintergrund, die aktuelle Ausgangslage und die absehbaren Perspektiven für das Problem des „Euro Break Up“ zusammengefasst werden:

Hintergrund:

Der Hintergrund der EMU wurde in den vorangegangenen Kapiteln ausführlich dargelegt.

Die EMU präsentiert sich heute, knapp 20 Jahre seit Grün-dung, noch immer als politische Kopfgeburt realitätsferner Technokraten:

Von Beginn an fehlt der EMU die notwendige Grundlage eines (hinreichend) homogenen Wirt-schaftsraums. Hier liegt bis heute der „ökonomische Sprengstoff“ in der EMU.

Daneben lässt die EMU bis heute einen kohärenten politischen Kompass vermissen, mit dessen Hilfe wichtige Anpassungen, Weichenstellungen oder Reformschritte einvernehmlich – sowie vor allem ziel- und problemorientiert – vollzogen werden könnten.632

Und nicht zuletzt spielen im Konzert der EMU-Länder bis heute historische Animositäten, spieltheoretische Kalküle und zahlreiche Anreize für „Moral Hazard“ eine wesentlich größere Rolle als der Wunsch nach einer wirklich funktionierenden Währungsunion.633

Ausgangslage:

Die grundsätzliche Ausgangslage der EMU resultiert aus ihrem Komplex aus grundlegenden Konstruktionsmängeln und mangelhafter Problembewältigung. Die potentielle Wucht dieser Probleme hat sich in der „Nahtod-Erfahrung“ der „Euro- Krise“ ab 2010 unmissverständlich manifestiert. Seitdem wird die EMU ganz wesentlich von großzügiger monetärer Stützung durch die EZB zusammengehalten:

Die EZB musste dazu, in bisher kaum vorstellbarer Weise, eiserne Prinzipien verletzen und eine völlig neue Art der „unkonventionellen Geldpolitik“ installieren, gegen schwere verfassungsrechtliche Bedenken und starke Kritik vieler Bürger.634

Die Bereitschaft der EZB, während der Euro-Krise mit nahezu unlimitierten Geldmitteln als „Retter in der Not“ zugunsten der EMU zu intervenieren, hat in den letzten 5 Jahren in Europa ein Gefühl der relativen Ruhe und Sorglosigkeit erzeugt. Entsprechend gibt es aktuell nur geringe Fortschritte im Bereich objekti-ver Problemanalyse, geschweige denn sinnvoller Vor-schläge zur dauerhaften und ökonomisch tragfähigen Problemlösung.635

632 Die neue „deutsch-französische“ Dynamik, initiiert von Frankreichs Präsident Macron und aktuell erkennbar an konstruktiven Vorschlägen von CEPR (2018, Approach), zeichnet jedoch aktuell zumindest einen groben Orientierungsrahmen: „Deutsch-Französische Ökonomen schlagen Maßnahmen zur Stärkung der Eurozone vor“, vgl. Enderlein et al. (2018, Eurozone). Ob, bis wann und in welcher Tiefe derartige Vorschläge auf Ebene von EU/EMU allerdings zur Umsetzung kommen werden, ist derzeit noch völlig offen; aktuelle Ergebnisse des EU-Gipfels von Juni 2018 deuten eher in Richtung deutlich gebremster Schritte. Vgl. dazu analog: NZZ (2018, Währungsunion), NZZ (2018, Trippelschritte), Süddeutsche (2018, Wiedervorlage), sowie ausführlich bereits: oben, Kap. 5.3 und 5.7.

633 In diesem Sinne auch: Herdegen (2018, Richtung). Vgl. zum Aspekt der spieltheoretisch motivierten Kalküle und der daraus abgeleiteten neuen Perspektive auf den aktuellen Systemzustand der EMU unten: Kap. 6.3.

634 Vgl. dazu ausführlich bereits: oben, Kap. 5.3.635 Vgl. dazu ausführlich bereits: oben, Kap. 5.1-5.3, sowie 5.6-5.7. Vor diesem Hintergrund verbreiteter Analyse-Verweigerung

fand im März 2018 in Berlin eine bemerkenswerte Fachkonferenz statt, die mit hochkarätigen Experten ausführlich der Fragestellung „Is the Euro sustainable – and what if not?“ nachging; vgl. dazu: Zschäpitz (2018, Notfallpläne), sowie: ESMT (2018, Euro).

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Perspektive:

Die aktuelle Perspektive der EMU wird geprägt von einer Viel-zahl alter, neuer, widersprüchlicher, konkurrierender oder schlicht sinnloser Forderungen, Vorschläge und halbherziger Reformdebatten. Überwiegender Ansatzpunkt (und Ziel) dieser Vorschläge ist eine veränderte Architektur der EMU, die jedoch meist einer sehr einseitigen Logik folgt:636

Regelmäßig geht es dabei um die Errichtung von Systemen und Strukturen zur stärkeren Verlagerung von Risiken und Kosten ökonomischer Fehlentwicklungen, sowie deren „Vergemeinschaftung“ in Form neuer EMU-weiter Haf-tungsverbünde.637

Diese Logik folgt und entspricht grundsätzlichen Asymme-trien und Fehlanreizen, die bereits von Beginn an fehler-haft in der „DNA“ der EMU hinterlegt wurden.638

Aktuelle Beispiele sind die Auflage von „Euro-Bonds“ mit gemeinsamer Haftung, Konzepte für eine einheitliche Einlagensicherung bei Banken oder andere Systeme zum Transfer von Haftung, Kosten oder zukünftigen Risiken.639

Die weitere Perspektive der EMU entscheidet sich somit im Spannungsfeld zwischen den Kosten und der Sinnhaftigkeit solcher Vorschläge einerseits, sowie den finanziellen Zuge-ständnissen der dafür in Haftung tretenden Länder anderer-seits. Regelmäßig dürfte das Ausstellen von „Blankoschecks“ für ökonomische Probleme und Risiken anderer Länder eine Hürde sein, die auch im Kreis der „starken“ EMU-Länder nur schwer zu überwinden sein wird.640 Ein klares Signal in diese Richtung gibt schon jetzt die neue Formation der „Hanseati-schen Liga“, die sich ausufernden Plänen einer kostenintensiven „Vertiefung“ der EU/EMU zunehmend verweigert.641

Reformdilemma:

Die zentralen Probleme der EMU sind heute im Grunde bekannt und hinreichend analysiert. Sie wurden, entgegen landläufiger Meinung, auch von vielen Vertretern der EU-Spitzenpolitik im Prinzip verstanden. Damit ist die zwingende Notwendigkeit zu einem weitreichenden Umbau von Architektur und Statik der EMU grundsätzlich anerkannt, sofern nicht eine verschärfte Neuauflage der Euro-Krise von 2010 riskiert werden soll. Dennoch resultiert aus dieser Problemanalyse ein vielschich-tiges und komplexes Reformdilemma, das Rapp (2017) als „EuroChallenge“ apostrophiert.642

Zum einen fehlt es nach fast 20 Jahren EMU noch immer ganz wesentlich an Vertrauen, um zukunftsgerichtete Lösungs-vorschläge auch unter Inkaufnahme ökonomischer Risiken eingehen zu können. Zu oft wurden in der Vergangenheit der EMU bindende Regeln verletzt, Verträge gebrochen und Zugeständnisse heimlich oder offen zurückgezogen. Die Bereitschaft, politisches und ökonomisches „Risikokapital“ in die gemeinsame Zukunft der EMU zu investieren, ist deshalb gerade bei den „starken“ Ländern äußerst gering.

Zum anderen haben sich zahlreiche ökonomische und finan- zielle Risiken der EMU gerade in letzter Zeit mit atemberau-bender Geschwindigkeit erhöht. Ursache dafür ist zum einen die notorische Verschleppung dringender Reformen, wodurch die Folgekosten bestehender Probleme und Altlasten dyna-misch zunehmen. Ein Beispiel sind die potentiellen Kosten der „Griechenland-Rettung“, die sich von „temporären Hilfskre-diten“ zu einem „verlorenen Zuschuss“ entwickeln, der eher heute als morgen abgeschrieben werden müsste.643

Ein weiteres, sehr bedenkliches Beispiel bietet die bereits dargestellte „TARGET-Problematik“; diese repräsentiert im

636 Vgl. zu den nachfolgenden Stichpunkten ausführlich bereits: oben, Kap. 5.637 In diesem Sinne auch: Herdegen (2018, Richtung), der in diesem Kontext betont: „Alle diese Reformen beflügeln

den ‘Moral Hazard‘ – Solidarität als Anreiz für unsolidarisches Verhalten.“638 Vgl. dazu ausführlich bereits: oben, Kap. 3 und 4.639 Vgl. dazu ausführlich bereits: oben, Kap. 5.1-5.3, sowie 5.6-5.7.640 Durch neue politische Konstellationen in wichtigen EMU-Ländern, darunter Deutschland, werden derartige

Zugeständnisse vielfach noch schwieriger; vgl. in diesem Sinne: Rapp (2017, Herausforderungen).641 Vgl. dazu bereits ausführlich: oben, Kap. 5.7 sowie unten: Kap. 6.3 (Stichwort: „Hanseatische Liga“). 642 Vgl. Rapp (2017, Herausforderungen), der dort das „… Dahindämmern von Politik und Finanzmärkten im künstlichen

Wachkoma einer generösen EZB-Politik…“ beklagt.643 Vgl. in diesem Sinne sehr ausführlich: Sinn (2015, Euro), S. 375-382; dieser begründet das unter anderem mit dem

am 3. Juli 2015 vom EFSF offiziell festgestellten „Default“ Griechenlands und folgert (S. 376): „Die Politik rollt die Griechenland-Kredite weiter, ohne dass die Aussicht besteht, dass sie jemals zurückgezahlt werden können.“

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Verlauf ganz klar eine Progression dynamischer Problem- Verschärfung:644

Die fehlerhafte Konstruktion und missbräuchliche Nutzung des TARGET-Systems hat den Krisenländern der EMU lange Zeit den Aufbau von Schulden „am Markt vorbei“ ermöglicht, stets zu Lasten des gesam-ten Systems und dessen „stärkerer“ Mitglieder.

Die Fehlanreize im System und das (lange gedul-dete) Fehlverhalten einzelner EMU-Mitglieder er-möglichte den verantwortungslosen Aufbau öko-nomisch nicht tragfähiger Verschuldung innerhalb des EMU-Systems.

In der nachfolgenden „Euro-Krise“ 2010, einer direk-ten Folge dieser Fehlentwicklungen, dehnten sich die TARGET-Salden weiter aus. Massive Kapitalflucht aus den Krisenländern war diesmal der Haupttreiber.

Auf dem Hochpunkt der „Euro-Krise“ 2012 bestand die Notwendigkeit, die wichtigsten Krisensymptome schnell und direkt zu bekämpfen. Die EZB übernahm diese Aufgabe, zunächst durch massive Geldspritzen und eine faktische Bestandsgarantie für den Euro.

Erneut wurde damit den unsoliden Ländern ein „Freifahrschein“ ausgestellt, der die aufgelaufenen negativen TARGET-Salden zunächst neutralisierte und konservierte.

In der Folgezeit wuchsen die TARGET-Salden jedoch erneut stark an, diesmal als Folge der Interventio-nen und der großvolumigen Wertpapierkäufe der EZB („Q.E.“).

Inzwischen repräsentiert das aufgeblähte und aus-ufernde Gesamtvolumen der TARGET-Salden eines der größten systemischen Risiken der EMU.645

Gleichzeitig wurden dadurch die finanziellen Hür-den für eine geordnete Umgestaltung, also eine „faire“ Lösung des EMU-Dilemmas, so stark aus-geweitet, dass deren Durchführung faktisch nicht mehr möglich ist.646

Das Problem der TARGET-Salden ist exemplarisch für das Prinzip der ungewollten Verschärfung, im angel-sächsischen Sprachgebrauch auch bezeichnet als „law of unintended consequences“, das in der EMU häufig anzutreffen ist:

Anstatt für die Konstruktionsfehler des TARGET- Systems eine sinnvolle Problemlösung zu finden, mutierten diese – im Zuge anhaltender „Notmaß-nahmen“ zur Euro-Rettung – selbst zu einem sehr zentralen Teil des Gesamtproblems.

Heute repräsentieren die TARGET-Salden – finanziell und politisch – ein so massives Erpressungs- und Zerstörungspotential, dass an eine vernünftige Lösung des Problems gar nicht mehr zu denken ist. Gleichzeitig steht das Problem der TARGET-Salden auch jeder sinnvollen Auseinandersetzung über die mögliche Zukunft der EMU im Wege.

Insbesondere die Frage eines möglichen Austritts von Deutschland aus der EMU, als mutiger Reform-schritt oder auch als „ultima ratio“ zum Schutz deutscher Interessen, ist heute schlicht obsolet, da in diesem Fall wohl unübersehbare Kosten anfallen würden.

Sinn (2012) stellt dazu fest: „Der Austritt wird aber mit jedem Monat, der ins Land zieht, teurer für Deutschland, weil die Target-Forderungen, die bei einem Austritt wohl uneinbringlich sein wer-den, immer weiter steigen. Deutschland sitzt in der Target-Falle.“647

644 Zu dieser Entwicklung vgl. grundlegend: Sinn (2012, Target-Falle); überblickartig auch bereits: oben, Kap. 4.5. 645 Sinn (2015, Euro), S. 381, postuliert mit Blick auf mögliche Ausfall- und Haftungsrisiken innerhalb der EMU:

„Das bei weitem größte Risiko bei all diesen Rechnungen wird durch die Target-Kredite der GIPSZ-Länder erklärt.“ 646 Vgl. dazu ausführlich bereits: oben, Kap. 4.5. 647 Sinn (2012, Target-Falle), S. 258. Analog stellen auch Brunnermeier et al. (2016, Battle), S. 226, fest:

„TARGET2 imbalances become important in case of an exit from the currency union.”

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Am Beispiel der TARGET-Problematik zeigt sich ein sehr grundsätzliches Problem der EMU: Entsprechend dem be-reits dargestellten „Monnet-Prozess“ entsteht eine institutio- nelle Weiterentwicklung des Systems regelmäßig nur durch Krisen.648 Die notwendige Problembekämpfung in der Krise verschärft dann oftmals alte Probleme oder erhöht beste-hende Fehlanreize, wodurch gleichzeitig neue Probleme in der Zukunft erzeugt oder dorthin verlagert werden.

So wird der Einsatz immer größer, um ursprüngliche Systemfehler zu korrigieren, und es muss immer öfter zu Rechtsbruch und anderen restriktiven Maßnahmen gegriffen werden, um das System überhaupt noch stabi-lisieren zu können. Der Verlauf der „Euro-Krise“ ab 2010 liefert hierfür zahlreiche eindrucksvolle Beispiele.649

Zynisch ausgedrückt könnte man dazu feststellen, dass diese Dynamik bereits fester Teil der „Realpolitik“ in der EMU geworden ist, nach folgendem spieltheo-retisch geprägten Muster:

Wenn das System schon nicht nach geordneten Re-geln funktionieren kann, werden die (dann unver-meidlichen) Krisen von vielen Spielern im System bewusst toleriert.

Jede Krise und jede davon provozierte „Rettungs-maßnahme“ erzwingt dann neue Eingriffe ins Sys-tem, die oftmals neue Fehlanreize und künftige Risiken provozieren.

Die impliziten Kosten für eine grundlegende Re-paratur (oder Beendigung) des Systems werden so kontinuierlich erhöht, bis sie für alle „Mitspieler“ prohibitiv geworden sind.

Damit hat das System einen neuen, virtuellen „Gleichgewichtszustand“ erreicht: Da die Kosten einer grundlegenden Reparatur höher sind als die Kosten einer laufenden „Stabilisierungsabgabe“ (Finanztransfers etc.) zur „Versicherung“ des Sys-tems, kann das System weiter funktionieren; nun jedoch nach völlig anderen Regeln (und mit völlig anderen Kosten und Umverteilungseffekten), als ursprünglich gedacht oder geplant.

6.3 Das Euro Break Up-Dilemma als spieltheoretisches Problem

„The prisoner’s dilemma problem can help us to better understand the dynamics of the eurozone crisis...”.650

Die vorangegangenen Überlegungen zeigen deutlich, dass jede Diskussion über Reformen und institutionelle Weiter-entwicklung der EMU schnell mit multiplen Dilemmata konfrontiert ist:

Diese resultieren in vielen Fällen aus spieltheoretisch motivierten „Strategemen“ der EMU-Teilnehmer, verstärkt durch eine Vielzahl asymmetrischer Anreiz-strukturen.651

Es ist von großer Wichtigkeit, diese systemdynamischen Eigenschaften, Restriktionen und Nebenwirkungen sehr genau zu verstehen, bevor eine Reformdiskussion über die Zukunft der EMU auch nur halbwegs sinnvoll begonnen werden kann. Speziell mit Blick auf die nationale Politik und die jeweilige Verhandlungsführung scheint es dringend geboten, sich mit diesen Konzepten hinreichend vertraut zu machen.

648 Zum „Monnet-Prozess“ vgl. ausführlich bereits: oben, Kap. 3.4.649 Vgl. dazu ausführlich bereits: oben, Kap. 4.3. Bei dieser Problemanalyse drängt sich unwillkürlich das Bild von

der EU als „neuer Sowjetunion“ auf, das Conolly (2012, Rotten), Introduction, S. ix-xi, deutlich heraufbeschwört. Analog auch Brunnermeier et al. (2016, Battle), S. 25: „…Europe developed a proclivity to use terms that recalled Soviet-style central planning.“

650 Woo und Vamvakidis (2012, Game theory), S. 3.651 Ein Strategem ist im einfachsten Falle eine „Kriegslist“; in heutiger Übersetzung bezeichnet der Begriff eine strategisch

oder spieltheoretisch motivierte, vielfach manipulative zukunftsgerichtete Handlung einzelner „Spieler“.

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Eine kurze spieltheoretische Analyse der EMU und ein Blick auf die wichtigsten „Spieler“, „Spielzüge“ und „Spielregeln“ können helfen, die inhärenten Dilemmata und die komplexe Dynamik des Systems besser nachzuvollziehen. Dabei ist es hilfreich, sich das System der EMU als „Spiel“ zwischen unterschiedlich motivierten Spielern vorzustellen:652

Die jeweiligen Ziele sind nicht immer ganz transpa-rent oder klar artikuliert; einzelne Spieler können zu fragwürdigen oder subversiven Aktionen („Spiel- zügen“) greifen.

Die „Spielzüge“ werden bestimmt durch die jeweili-gen „Anreize“ und „Anreizsysteme“ der Spieler; sie können dabei auch die Form echter „Strategeme“ annehmen.

Die Regeln des Spiels sind nicht immer eindeutig (oder werden unterschiedlich interpretiert); im Zwei-fel sind sogar Eingriffe „von außen“ in das Spielge-schehen denkbar.

Der mögliche „Gewinn“ liegt aus Sicht der Spieler darin, aus dem Spiel einen möglichst hohen „indivi-duellen“ Vorteil zu ziehen (für die von ihnen vertre-tenen Bürger).

Sofern das Spiel kein „Nullsummenspiel“ ist, können theoretisch alle Spieler ihre relative Position verbes-sern; im umgekehrten Fall impliziert der Gewinn ein-zelner Spieler zwingend einen Verlust anderer Spieler.

Die jeweiligen Anreizsysteme der EMU-Teilnehmer („Spie-ler“) werden dabei in der Regel durch sehr einfache Vor-teils-/Nachteils-Kalküle bestimmt:

Solange die Teilnahme an der Währungsunion po-litische, finanzielle oder ökonomische Vorteile ver-spricht, die damit verbundene Nachteile und Risiken überwiegen, wird ein Teilnehmerland starke Anreize für eine Mitgliedschaft in der Union besitzen.

Sobald dieses Kalkül jedoch – für einen oder mehrere Teilnehmer – nicht mehr uneingeschränkt zutrifft, besteht ein klarer Anreiz zum Verlassen oder zur Aufgabe des Systems.

Der „Break Up“ des Systems ist dann oftmals nur eine Frage der Zeit.

Aus heutiger Sicht dürfte klar sein, dass das entsprechende Kalkül für einige EMU-Mitglieder durchaus ambivalent aus-fällt. Die jeweilige Vorteilhaftigkeit wird in „schwachen“ Län-dern, wie etwa Italien, bereits heftig angezweifelt. Ähnliche Zweifel über das jeweilige „Kosten-/Nutzen-Kalkül“ bestehen aber auch in „starken“ Ländern wie Finnland, den Niederlan-den oder Deutschland.

Sowohl aus politischer wie auch aus spieltheoretischer Sicht bemerkenswert ist in diesem Kontext in jüngster Zeit das koordinierte Auftreten einer Gruppe „kleinerer“, überwie-gend „nördlicher“ EU-Mitgliedsländer: Diese haben sich, unter Führung der Niederlande, zu einer „HanseatischenLiga“ zusammengeschlossen und tragen (gegenüber Gre-mien der EU sowie der EMU) zunehmend resolute Beden-ken und offene Kritik gegen aktuelle „Transferunion“-Ten-denzen der EU vor.653 Zugleich haben diese Länder geplante Beschlussvorlagen der Euro-Gruppe auf dem EU-Gipfel am 28./29. Juni 2018 in Brüssel durch schriftlichen Protest und konzertierte Ablehnung vorläufig gestoppt.654

652 Analog diskutiert auch Taylor (2012, Game Theory) Ansätze einer spieltheoretischen Analyse der EMU.653 Vgl. dazu bereits: oben, Kap. 5.4, 5.7 und 6.2.; sowie: DW (2018, Antwort), Welt (2018, Brandbrief).654 Vgl. dazu: Focus (2018, Brief), Süddeutsche (2018, Proteste), Süddeutsche (2018, Wiedervorlage).

Zukunftsrisiko „Euro Break Up“

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Interessanterweise entspricht die Zusammensetzung der „Hanseatischen Liga“ exakt dem typischen Schema von Ländern („klein, aber wirtschaftlich stark“), die schon in früheren Währungsunionen meist als Erste ausgetreten sind und so letztlich deren Scheitern herbeigeführt haben.655

Somit sollte vorerst sehr genau beobachtet werden, ob und in welche Richtung das Auftreten dieser neuen Interessengruppe den weiteren Entwicklungspfad, und damit auch das spieltheoretisch relevante „Spielfeld“, von EU/EMU beeinflussen wird.656

Generell unterliegt allerdings die Teilnahme an der EMU einigen sehr dynamischen Variablen, die das jeweilige Kalkül schnell verändern können. Beispielhaft hat etwa die Intervention der EZB seit 2012 das Kosten- und Risikokalkül einzelner EMU-Länder (etwa Deutschland) deutlich gesenkt, während sich gleichzeitig für andere EMU-Länder (etwa Italien oder Griechenland) ein deutlicher Anstieg des positiven Kalküls ergeben hat (letzteres insbesondere durch Aussicht auf massive Erleichterungen bei der Finanzierung überhöhter Staatsschulden).657

Vor diesem Hintergrund ist der tatsächliche Eintritt eines „Euro Break Up“ eine Funktion aus mindestens fünf zen- tralen Parametern, die in Abb. 27 zusammenfassend dar-gestellt sind:

655 Historische Analysen vergangener Währungsunionen zeigen häufig ein Muster, wonach es oftmals die kleinen, aber wirtschaftlich starken Mitglieder einer gescheiterten Währungsunion sind, die als erste die Union verlassen. Vgl. dazu Berthold et al. (2014, Scheitern), die daraus folgende Schlussfolgerung ziehen (S. 19): „Überträgt man diese Tendenz auf die Eurozone, würde dies dafür sprechen, dass allen voran Finnland, Irland, Österreich, die Niederlande und Belgien im hypothetischen Fall einer Unionsauflösung die vorderen Ränge der Austrittsreihenfolge einnehmen würden.“ Es ist aus zeitgeschichtlicher Sicht extrem bemerkenswert, dass genau die dort exemplarisch genannten Länder heute zur Kerngruppe der „HanseatischenLiga“ zählen!

656 Bemerkenswert erscheint in diesem Kontext auch, dass über die – möglicherweise extrem relevanten – Aktionen und Intentionen der „Hanseatischen Liga“ in zahlreichen Medien bisher fast gar nichts berichtet wird.

657 Allerdings ist in nächster Zeit eher wieder mit einer Verschlechterung dieser Kalküle zu rechnen, nicht zuletzt als Folge der auslaufenden monetären Unterstützung durch die EZB.

Quelle: FERI Cognitive Finance Institute, 2018

Abb. 27: Spieltheoretische Parameter der EMU-Dynamik

EMUDynamik

Systemische Kosten und Risiken

Reaktionsprofile der anderen Mitglieder

NationalesKosten/Nutzen-Kalkül

Institutionelles Setup(Spielregeln)

Übergeordnete politische Ziele

Stabilisierung? Risikoerhöhung?

Transfers? Drohkulisse?

Haftung? „Game of Chicken“?

Lockerung?

Divergenzen?Vorteile?

Nachteile?

„Cheating“?Erzwungene Veränderungen?

(z.B. EZB) „Collusion“?Verweigerung?

Integrität des Systems?

Systemgefährdung?

Einflussnahme?

Risiko-Überwälzung?

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Das tatsächliche Zusammenwirken dieser Parameter und die dabei entstehende Dynamik von Erwartun-gen, Aktionen und Reaktionen definiert dann ein komplexes System, das sich durch Anwendung von Ansätzen der Spieltheorie am besten beschreiben und verstehen lässt:

• Die jeweiligen Ausprägungen der Kosten-/Nutzen- Kalküle aus Sicht individueller Teilnehmerländer („Spieler“) definieren den „Spielplan“.

• Die erwarteten Aktions-/Reaktions-Muster ande-rer Teilnehmer sind die „Spielzüge“.

• Die bestehenden Verträge, Übereinkünfte und eta-blierten Handlungsmuster, sowohl der „Spieler“ als auch der „Institutionen“, stehen dann für die „Spielregeln“.

• Die möglichen Eingriffe von Institutionen (wie etwa ESM oder EZB) haben das Potential zur grund-legenden Veränderung des „Spielplans“ und der „Spielregeln“.

Ein solcher spieltheoretisch motivierter Ansatz scheint am besten geeignet, um mögliche „Break Up“-Risiken des EMU- Systems konzeptionell zu modellieren und nachzuvollziehen. Daraus lassen sich dann folgende, sehr grundsätzliche spiel-theoretische Verhaltensschemata ableiten:

„Schwache“ Spieler haben einen starken Anreiz zur

Teilnahme an der EMU, solange hinreichende Mög-lichkeiten bestehen:

• die eigene Position durch „cheating“ (Betrug, der nicht geahndet wird) zu verbessern,

• oder durch „collusion“ (abgestimmtes Verhalten, gemeinsame Spielzüge, und kollektive Verhand-lungsstrategien) mögliche Risiken „an den Rest des Systems“ zu überwälzen,

• oder gar durch ein gezieltes „gameofchicken“ (be-wusstes Aufbauen einer potentiell „katastrophalen“ Drohkulisse) gravierende Änderungen der Spielre-geln zu erzwingen (etwa Zugeständnisse der „star-ken“ Spieler oder ein Eingreifen der Institutionen).

„Starke“ Spieler haben einen Anreiz zur Aufrechter-haltung der EMU, solange:

• die politischen, ökonomischen oder finanziellen Kosten und Risiken aus der Teilnahme am System die möglichen Vorteile eines einheitlichen Wäh-rungsraumes nicht übersteigen,

• Verschlechterungen der eigenen Position aus „chea-ting“ und „collusion“ kontrollierbar erscheinen,

• sinnvolle Änderungen der Spielregeln als machbar eingeschätzt werden,

• stabilisierende Eingriffe „von Institutionen“ (EZB, ESM, EU etc.) wahrscheinlich bleiben.

Anhand dieses spieltheoretisch definierten „setup“ der EMU können sowohl die aktuell stattfindende EMU-Dynamik als auch potentielle Risiken eines „Euro Break Up“ überzeugend erklärt und realistisch eingeschätzt werden:

• Die bisherige Spielstrategie von Ländern wie Grie-chenland (partiell auch Frankreich und Italien) war „cheating“, um sich so Vorteile im Rahmen des EMU-Systems zu verschaffen.

• Die bisherige Rolle von Frankreich entsprach dem Prinzip der „collusion“, durch das oftmals strategi-sche Mehrheiten des „Südens“ gegen „den Norden“ organisiert wurden.

• Die aktuelle Positionierung von Italien, mit Aufbau einer politischen Drohkulisse („QUITALY“), folgt exakt der Logik eines „GameofChicken“, das andere wich-tige Spieler (Deutschland) und relevante Institutionen (EU, EZB) zu Zugeständnissen zwingen soll.

• Die Haltung von Ländern wie Deutschland entspricht (noch) derjenigen eines gutmütigen Mitspielers, der zwar „cheating“ und „collusion“ zu seinen Lasten er-kannt hat, aber dennoch das Spiel fortsetzen möchte (aus politischem und ökonomischen Kalkül).

• Gleichzeitig bemüht sich Deutschland, als prinzipien-treuer Spieler, eine laufende Verbesserung und ver-schärfte Kontrolle der Spielregeln herbeizuführen

Zukunftsrisiko „Euro Break Up“

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(was jedoch eine Funktion der eigenen Verhandlungs-stärke und des „Status im Spiel“ ist).

• Im Hintergrund des Spiels agieren die spielbestimmen-den Institutionen (EU, EZB), die sich bereits mehrfach zu einer gravierenden „Lockerung“ der Spielregeln haben zwingen oder hinreißen lassen (EU: Notorisch man-gelnde Ahndung von Regelverstößen; EZB: Einführung eines Regimes massiver monetärer Intervention/Q.E.).

Dieser kurze Überblick über den derzeitigen „Spielplan“ der EMU macht deutlich, dass spieltheoretische Analysen einen wichtigen Beitrag leisten, um neue „Spielzüge“ (etwa die „Macron-Vorschläge“ von Seiten Frankreichs) besser verste-hen, bewerten und einordnen zu können.

Auch die wichtige Frage, ob das EMU-System aus spieltheo- retischer Sicht ein „Nullsummenspiel“ oder ein Spiel mit positiver „Wertschöpfung“ darstellt, schärft das Bewusstsein dafür, ob das Spiel eher regelkonform, also mit Blick auf einen möglichen Gemeinschaftsnutzen, oder eher nach strikt egois-tischen Motiven ablaufen wird.658

Zumindest in nächster Zeit gewinnt die spieltheoreti-sche Dimension der EMU deutlich an Brisanz:

Die neue populistische Regierung in Italien hat be-reits sehr deutlich erklärt, dass sie den „Spielplan“ der EMU nicht länger für verbindlich hält und des-halb auch bisherige „Spielregeln“ missachten wird.

Politische Verlautbarungen aus Italien deuten klar in Richtung Konfrontation und Verweigerung, was als „Aufbau einer harten Drohkulisse“ zu verstehen ist und direkt in ein EMU-weites „GameofChicken“ überleiten könnte.

Aus spieltheoretischer Sicht wird Italien so zum obstruktiven „Spieler“, der seine Mitspieler zu un-freiwilligen und schwierigen Spielzügen zwingt und

dabei wohl auch einen „Spielabbruch“ (EMU Break Up) in Kauf nehmen würde.

Wichtig: Aus spieltheoretischer Sicht verhält sich Italien dabei keinesfalls irrational, sondern verfolgt im Gegenteil ein sehr klares (individuelles) Kosten- Nutzen-Kalkül!

Da sich die Fragen nach einem latenten oder akuten „Euro Break Up“-Risiko nur vor dem Hintergrund dieser spieltheoretischen Dynamik sinnvoll beantworten lassen, werden diese Überlegun-gen in den nachfolgenden Ausführungen vertieft und fortgeführt.

6.4 Systemdynamik und Entwicklungspfade

„Die weitere Entwicklung der Euro-Union hin zu einer Transferunion ist so sicher wie das Amen in der Kirche.“659 Eine genaue Analyse der Ausgangslage, der inzwischen eta- blierten neuen „Spielregeln“ (dazu zählt etwa das neue EZB-Credo einer Garantie für den Erhalt des Euro) und der nicht-trivialen Strategeme und systemdynamischen Anreiz-strukturen innerhalb der EMU ermöglicht eine klarere Ein-schätzung der möglichen Entwicklungspfade, bis hin zur Ablei-tung spezifischer Verlaufs- oder Risikoszenarien.660 Auch hier empfiehlt sich die Anwendung einer spieltheoreti-schen Analytik: Struktur und Hintergrund der Szenarien werden dann durch eine Vielzahl komplexer Faktoren definiert; diese besitzen sowohl aus Sicht der einzelnen „Spieler“ (der EMU-Teil-nehmerländer) als auch aus Sicht des Gesamtsystems (stellver-tretend dafür stehen etwa die EU-Kommission oder die EZB) Re-levanz, oftmals jedoch in deutlich unterschiedlicher Gewichtung:

Zu diesen Faktoren zählen im Kontext von EMU und Euro die politischen Kosten, die finanziellen Belas-tungen, die wirtschaftlichen Vor- und Nachteile, die Erwartungswerte für zukünftig drohende Risiken und Folgekosten sowie oftmals auch rein ideologische, konstruktivistische oder geostrategische Motive.661

658 Die Möglichkeit eines „Nullsummenspiels“ ist somit eine der wichtigsten Leitfragen, die aus Sicht der EMU (also der „Spielleitung“) zu beantworten ist. Aus heutiger Sicht scheint diese Frage noch längst nicht eindeutig geklärt.

659 Berthold (2017, Euro-Kritiker).660 Vgl. zu diesen Punkten die ausführliche Herleitung: oben, Kap. 6.2.661 Jeder dieser Punkte lässt sich in der Vorgeschichte der EMU oder der heutigen Diskussion klar identifizieren.

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Aus Sicht wichtiger EMU-Institutionen, wie etwa EU- Kommission, EZB oder ESM, kommen dazu auch noch Motive eines „institutionellen Selbsterhaltungstriebs“: Einmal etablierte Institutionen werden in der Regel alles dafür tun, das eigene „Überleben“ zu sichern, selbst dann, wenn dies aus Sicht des Gesamtsystems nachteilig oder sogar klar destruktiv sein sollte.662

Unter Berücksichtigung dieser Faktoren – sowie deren komplexer spieltheoretischer und systemdynamischer Verknüpfungen auf dem „Spielfeld“ der laufenden EMU- Reformdebatte – lässt sich ein klareres Bild der möglichen Verlaufspfade und Risikoszenarien zeichnen. Als Ausgangs-punkt dient erneut die grundlegende Analyse von King (2016) mit den vier Möglichkeiten einer funktionsfähigen Währungsunion.663

Wie bereits dargestellt, hat die EMU-Politik bisher schon die Verlaufspfade (1) und (2) aus King’s Analyse ansatzwei-se beschritten. Sowohl die „interne Abwertung“ einzelner Krisenländer (Möglichkeit 1) als auch die verstärkte „Inflatio-nierung“ der „starken“ Länder (Möglichkeit 2) wurden inzwi-schen verfolgt, beide jedoch mit sehr begrenztem und eher zweifelhaftem Erfolg:

Möglichkeit 1 („Deflation“) führt in „schwachen“ Ländern, die bereits durch ökonomische Krisen gekennzeichnet sind, nahezu zwangsläufig zu starken politischen Reak-tionen, bis hin zu offenem Populismus und dem Verlust demokratischer Ordnungsprinzipien.664

Möglichkeit 2 („Inflation“) hingegen wird in „starken“ Ländern mit Stabilitätskultur ebenfalls schnell zu Kritik und politischen Gegenreaktionen führen, was eine län-gere Fortführung dieser Maßnahmen faktisch unmöglich macht.665

Sinn (2016) hat die „Inflationierungs-Lösung“ eingehend ana-lysiert und stellt fest:

„Soll (diese Reformoption) funktionieren, müsste Deutsch-land etwa 10 Jahre lang mit 5,2 % jährlich inflationieren, bis Südeuropa seine Wettbewerbsfähigkeit wieder erlangt hätte (…), bei gleichzeitigem jeglichem Verzicht auf eigene Inflation...“.666

Aufgrund der potentiell massiven und politisch sehr gefährlichen Rückwirkungen dieser beiden Teil-Strate-gien ist eine Fortsetzung oder gar Ausweitung für die Zukunft kaum denkbar. Beide Möglichkeiten haben somit, zumindest nach bisherigem Stand, den Punkt ihrer größtmöglichen Wirksamkeit bereits erreicht.667 Sinn (2015) konstatiert:

„Die zunehmenden Spannungen zwischen den durch Sparauflagen irritierten Menschen im Süden und den von Hilfsprogrammen genervten Men-schen in den nördlichen Ländern lassen derzeit keine allzu günstigen Zukunftsprognosen für das europäische Projekt mehr zu.“668

Auch Möglichkeit (4) der Analyse von King (2016), die par-tielle oder vollständige Auflösung der EMU, repräsentiert vorerst kein ernstzunehmendes Szenario. Gegen diese Va-riante sprechen zum einen die hohen Kosten eines „Euro Break Up“, die sich durch dynamische Prozesse im Zuge der „Euro-Rettung“ noch um ein Vielfaches erhöht haben:

Aus Sicht eines „starken“ Landes kämen, neben einem Ausfall diverser Rettungskredite, Bürgschaften und an-derer Haftungseinlagen, dazu inzwischen auch noch die Kosten aus einer Abschreibung uneinbringlicher TARGET- Forderungen.

662 Spätere wirtschaftshistorische Analysen werden möglicherweise zeigen, dass EZB und EU-Kommission schon heute dieser Tendenz den Vorrang vor einer objektiven Problemanalyse und –bekämpfung einräumen. Die forsche Aussage von Mario Draghi, den Euro retten zu wollen „whatever it takes“, deutet bereits klar in diese Richtung.

663 Vgl. dazu ausführlich bereits: oben, Kap. 5.5.664 Paradebeispiel für diese These ist der Fall Griechenland in den Jahren 2014-2016.665 Exemplarisch für diese Konstellation ist der Fall Deutschland. Dort ist zwar derzeit noch kein ernsthafter Inflationsdruck

spürbar (mit Ausnahme der Immobilienpreise); dennoch besteht in der deutschen Bevölkerung eine hohe Sensibilität gegenüber Inflationsrisiken, was den längerfristigen Einsatz dieser Variante klar begrenzt.

666 Sinn (2016, Juni), S. 313.667 In diesem Sinne etwa Becker und Fuest (2017, Odysseus-Komplex), S. 211-214.668 Sinn (2015, Euro), S. 7.

Zukunftsrisiko „Euro Break Up“

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Wie insbesondere Sinn (2012; 2015) mehrfach – auch auf Grundlage konkreter Modellrechnungen – feststellt, hätten ein „EMU-Austritt“ oder ein „Euro Break Up“ spe-ziell aus deutscher Sicht inzwischen so hohe Kosten zur Folge, dass diese Optionen faktisch nicht mehr möglich sind oder „um jeden Preis vermieden werden müssen“.669

Aus Sicht „anderer Länder“ könnten sich jedoch durch-aus starke Anreize dafür ergeben, das System der EMU „gezielt an die Wand zu fahren“. Für hochverschuldete Länder (wie insbesondere Italien), die zusätzlich mit hohen TARGET-Salden belastet sind, wäre ein „Euro Break Up“ eine akzeptable Möglichkeit, sich im großen Stil zu Lasten anderer Länder zu entschulden und zugleich, quasi als Bonus, wieder zu einer souveränen Währungspolitik zurückkehren zu können.670

Mindestens aber gibt diese Möglichkeit einigen Ländern in allen anstehenden Verhandlungen zur Reform der EMU eine nennenswerte „nukleare Option“, mit entspre-chend starker Drohkulisse und signifikantem Erpressungs- potential.671

Einstieg in das Prinzip der Transferunion:

Der nach Berücksichtigung aller Fakten, Möglichkeiten und Restriktionen wahrscheinlichste Verlaufspfad für die weitere Entwicklung der EMU liegt somit vorerst in King’s Möglichkeit (3), also dem mehr oder minder unvermeidlichen Einstieg in das Prinzip einer „Transferunion“. Darunter ist, in enger Anlehnung an King (2016), ein System dauerhafter Transfer-zahlungen von den „starken“ an die „schwachen“ Teilnehmer einer Währungsunion zu verstehen.672

In diesem Sinne erklärt auch Berthold (2017), der typi-sche Entwicklungspfade (und das spätere Scheitern) his-torischer Währungsunionen ausgiebig untersucht hat:

„Die weitere Entwicklung der Euro-Union hin zu einer Transferunion ist so sicher wie das Amen in der Kirche.“673

Die neuen Vorschläge des französischen Präsidenten Macron, wie auch aktuelle Diskussionsbeiträge und Strategie-Papiere der EU-Kommission, gehen bei näherer Betrachtung allesamt in diese Richtung.674 Noch wichtiger: Die vormalige schwarz-rote Bundesregierung schien, in enger Abstimmung mit Macron‘s Beraterstab, für diesen Weg prinzipiell bereit zu sein.675

Als Folge der Neuauflage der schwarz-roten „GroKo“ in Deutsch-land, diesmal mit klar europafreundlicher Ausrichtung, dürften diese Ansätze im politischen „Spielfeld“ der EMU wohl noch stärker zum Tragen kommen. Eine beschleunigte Hinwendung zu Grundelementen einer Transferunion ist somit, sogar mit deutscher Unterstützung, durchaus wahrscheinlich.676

Auch Herdegen (2018) sieht die Gefährlichkeit dieser Tendenzen und urteilt kritisch:677

„Die Vorschläge von Präsident Macron und die etwas bescheideneren Vorstellungen der Europäi-schen Kommission zielen auf einen weichen,aberradikalenSystemwechsel inderWirtschafts-undWährungsunion.“ Und weiter:

669 Vgl. dazu sehr ausführlich: Sinn (2012, Target-Falle); Sinn (2015, Euro).670 Klare Anreize dafür sieht die entsprechende Analyse von: Woo und Vamvakidis (2012, Game theory). Auch eine

ökonometrische Studie von Bagnai et al. (2017, Italy), sieht im Fall Italiens klare Vorteile eines EMU-Austritts.671 Aus spieltheoretischer Sicht entspricht diese „nukleare Option“ dem glaubwürdigen Aufbau eines „game of chicken“;

vgl. dazu bereits grundlegend: oben, Kap. 6.3. Auch Woo und Vamvakidis (2012, Game theory), S. 8, betonen: „…this could have important ramifications on the dynamics of the current negotiations between the core countries and some of the peripheral countries.”

672 Vgl. dazu grundsätzlich: King (2016, Alchemy), S. 232-233.673 Berthold (2017, Euro-Kritiker).674 Vgl. dazu ausführlich bereits: oben, Kap. 2.5-2.6 sowie Kap. 5.675 So zumindest einige Äußerungen aus dem SPD-geführten Außenministerium, aber auch die Einschätzung

namhafter Experten auf dem „2. FERI Science Talk“ am 5. Oktober 2017; vgl. dazu: www.feri-institut.de und https://www.feri-institut.de/media/1627/fcfi_sciencetalk-201710.pdf.

676 Darauf deuten zumindest aktuell bekannte Verlautbarungen und Zielsetzungen aus deutschen Regierungskreisen, vgl. etwa: Handelsblatt (2018, Plan). Die deutsch-französische „Meseberg-Erklärung“ von Juni 2018 geht ebenfalls bereits klar in diese Richtung; vgl. dazu auch bereits: oben, Kap. 2.6. sowie 5.3 und 5.7 (sowie Dokument im Anhang).

677 Herdegen (2018), Richtung, (Hervorhebungen durch Verfasser).

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„AlledieseReformenbeflügelnden‘MoralHazard‘–SolidaritätalsAnreizfürunsolidarischesRisiko-verhalten.“

Grundsätzlich steht die EMU-Politik somit 2018 vor einem echten Dilemma: Sofern die EMU und der Euro tatsächlich langfristig gestärkt und erhalten werden sollen, sind substan-tielle Reformen oder „Umbauten“ der zugrundeliegenden Architektur dringend erforderlich. Gleichzeitig ist jedoch der politische Wille, mancherorts auch die politische Handlungs-freiheit, zur Umsetzung derartiger Schritte spürbar gesunken. Und auch die monetäre Unterstützung der EMU durch eine freigiebige EZB wird 2018 deutlich geringer.678

Dies lässt aus heutiger Sicht allenfalls einen sehr schleppenden Reformprozess erwarten, der in seinen Ergebnissen deutlich hinter den eigentlichen Anforderungen zurückbleiben wird. Speziell aus deutscher Sicht ist nur schwer vorstellbar, wie den deutschen Wählern und Steuerzahlern der Einstieg in das System einer Transferunion „verkauft“ werden soll, das:

• erneut die wichtigsten Versprechungen bei Gründung der EMU verletzen,

• bisherige Ängste und Erfahrungen vieler Bürger seit der Euro-Krise bestätigen,

• Fehlverhalten und Reformverweigerung anderer EMU-Länder faktisch belohnen,

• substantielle Transfer-Zahlungen „an die EMU“ dauerhaft festschreiben,

• potentiell existenzbedrohende Bürgschafts- und Haftungssummen implizieren, und somit

• ein Land wie Deutschland unübersehbaren künftigen Finanzrisiken aussetzen würde.

Zur inhaltlichen Dimension und Bedeutung solcher Überle-gungen stellen Becker/Fuest (2017) mit erfrischender Deut-lichkeit fest:

„In diesem Fall sollte man das Kind beim Namen nennen; es geht dann um nichts anderes als dauerhafte Transfers vom Norden in den Süden der Eurozone.“679

Sinn (2016) ist noch skeptischer und vermutet für den Fall einer Transferunion:

„Das würde ganz sicherlich nicht funktionieren, weil die Umverteilung so hohe Zentrifugalkräfte auslösen würde, dass das Europäische Gebäude durch die Erschütterungen zum Einsturz kommen würde.“680

Am wahrscheinlichsten ist deshalb vorerst ein Szenario, in dem de facto erste Schritte in Richtung gezielter Finanzie-rungs- und Haftungsverbünde vollzogen werden, durch die sowohl bestehende Altlasten als auch künftige Risiken neu verteilt oder „sozialisiert“ werden. Aktuelle Tendenzen – wie etwa die Beschlussvorlagen zum EU-Gipfel im Juni 2018 in Brüssel – bestätigen diese Erwartung bereits sehr klar.681

In diesem Sinne konzediert auch Sinn (2016):

„Viele EU-Politiker bemühen in diesen Tagen die Versiche-rungsidee, wenn es um den Ausgleich von Lasten in der Eurokrise geht.“682

Beispiele dafür könnten der Umbau des ESM in eine neue „Europäische Fiskalkapazität“, eine kollektive Absicherung des Europäischen Bankenrettungsfonds sowie (vielleicht) auch die Umsetzung einzelner Varianten von „Euro-Bonds“ (etwa nach dem Muster der „ESBies“) sein.683

Aus Sicht vieler politischer Entscheidungsträger der EMU hätten solche Konstrukte sehr klare, um nicht zu sagen „unwiderstehliche“ Vorteile: Individuelle Verschuldungs-grenzen könnten erhöht und Bonitätsvorteile eines grö-ßeren Haftungsverbunds genutzt und „beliehen“ werden;

678 Vgl. zu diesem Dilemma bereits oben, Kap. 5.3 und 6.2; sowie: Rapp (2017, Herausforderungen). Analog auch: Rogoff (2018, Krise), S. 19.

679 Becker und Fuest (2017, Odysseus-Komplex), S. 215.680 Sinn (2016, Juni), S. 309.681 Vgl. dazu detailliert: Euro-Gipfel (2018, Euro 502/18), Eurogroup (2018, Brief), (Dokumente auch im Anhang).682 Sinn (2016, Juni), S. 309.683 Vgl. zu den genannten Punkten ausführlich bereits: oben, Kap. 5.6. Erkennbar in diese Richtung zielen auch die

neuen Vorschläge von CEPR (2018, Approach).

Zukunftsrisiko „Euro Break Up“

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gleichzeitig würden signifikante Haftungs- und Risiko- transfers auf „breitere Schultern“ erzielt.

Da gleichzeitig (zumindest in der Anfangszeit) keine echten Geldzahlungen stattfinden, sondern lediglich abstrakte Werte wie „Bonität“ und „Haftung“ innerhalb der EMU umverteilt würden, scheinen derartige Ideen prädestiniert für die weitere Diskussion in der EMU: stets im Vertrauen darauf, dass viele Bürger „echte“ Zahlungsströme (Kosten) heute und „erwartbare“ Zahlungsströme (Risiken) in der Zukunft ungleich bewerten (oder letztere gar nicht erst als Problem zur Kenntnis nehmen).

Es steht jedoch außer Frage, dass keines der Grund-probleme der EMU durch derartige Konzepte auch nur ansatzweise gelöst werden könnte. Stattdessen würden neue gravierende Fehlanreize im EMU- System etabliert.

Dies würde mit hoher Wahrscheinlichkeit einer er-neuten unsoliden Ausweitung von staatlicher oder privater Verschuldung deutlich Vorschub leisten, also letztlich eines der Grundprobleme der EMU nochmals weiter verstärken.

Nicht zuletzt aus diesem Grund haben im Mai 2018 (kurz vor wichtigen EU-Verhandlungen) 154 deutsche Wirtschaftsprofessoren als öffentlichen Appell eine Warnung gegen den Einstieg in eine solche Haftungs-union formuliert: „Der Euro darf nicht in die Haftungs-union führen!“684

Sollte hingegen ein weitergehender Einstieg in eine Transfer- union geplant werden, etwa unter dem Deckmantel einer „Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion“ (vulgo: „Fiskalunion“), so würde sich die Risikobetrachtung speziell aus deutscher Sicht nochmals deutlich verschärfen. Durch ein echtes Transfersystem innerhalb der EMU würden sich

neue pathologische Anreizstrukturen bilden, die der eigent-lichen Zielsetzung diametral zuwiderlaufen.

Analog stellen Becker/Fuest (2017) dazu kritisch fest: „Zudem haben Ausgleichssysteme ungünstige Wirkungen auf die Anreize der Mitgliedsstaaten.“685

Das Hauptproblem sind dabei dynamische Anreizwirkungen, insbesondere für die schwächeren Mitgliedsländer: Zwar könn-ten die Probleme einzelner Länder (z.B. Italien) durch Konzepte mit Solidarhaftung temporär durchaus gemildert werden. Dennoch werden derartige Probleme im Zeitablauf eher grö-ßer, als Folge der dynamischen Anreizstrukturen. Dabei gilt:

Für ein „schwaches“ Land wird es immer lohnend sein, weiter als „Trittbrettfahrer“ zu agieren, sobald eine „kostenlose“ Versicherungslösung bereit steht, anstatt selbst schwierige und politisch riskante Reformen durchzuführen.686

Somit würden Anreize zur ökonomischen Anpassung und zur eigenverantwortlichen Bereinigung ökonomi-scher und institutioneller „Bruchlinien“ durch das Prin-zip einer Transferunion letztlich nur weiter reduziert. Das in vielen Bereichen der EMU von Beginn an vorlie-gende Grundproblem, eine ungenügende Beachtung des Prinzips von Haftung und Eigenverantwortlichkeit, würde in einer Transferunion also keinesfalls bereinigt, sondern im Gegenteil verstärkt und perpetuiert.687

Wie Becker/Fuest (2017) bemerken, ist schon heute „…das Ver-hältnis zwischen Kontrolle und Haftung in der Eurozone funda-mental gestört und, darüber hinaus, in vielen Fällen unklar.“688

Das Phänomen pathologischer Anreizstrukturen in einer Transferunion hat sogar noch weitaus größere Konsequen-zen, denn es würde auch die zukünftige Struktur und Zusam-mensetzung des EMU-Systems unmittelbar beeinflussen. Becker/Fuest (2017) geben zu bedenken:

684 FAZ (2018, Aufruf); analog auch: FAZ (2018, Haftungsunion). Vgl. dazu auch: Anhang.685 Becker und Fuest (2017, Odysseus-Komplex), S. 216.686 Vgl. dazu die bereits dargestellten Anreize und daraus resultierende „Spielzüge“ und Strategeme, die in einem

„EMU-Spiel“ (je nach Spielplan) durchaus zu erwarten sind, oben: Kap. 6.3-6.4. 687 Unter anderem aus diesem Grund zielen die Reformansätze von CEPR (2018, Approach) ganz bewusst auf eine Begrenzung

negativer Anreizsysteme, eine Stärkung von Prinzipien der Eigenverantwortung und eine Wiederherstellung von Elementen finanzmarktorientierter Disziplinierung. Ziel ist nach Ansicht der Autoren dabei eine „Versöhnung von Marktdisziplin und Risikoteilung“.

688 Becker und Fuest (2017, Odysseus-Komplex), S. 124.

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„Ein Transfersystem innerhalb der Eurozone schafft, was Ökonomen adverseSelektion nennen: Potenzielle Geberländer wie Dänemark oder Schweden verlieren jegliches Interesse, designierte Geberländer wie die Niederlande und Finnland ziehen sich zurück, designierte Nehmerländer drängen in die Währungsunion.“689

6.5 Risikoszenarien und Risiko-Indikatoren

„In theory, there is a myriad of possible types of breakup of the Eurozone…“.690

Im Rahmen der vorangegangenen Ausführungen wurden die grundsätzlichen Probleme, Bruchlinien und Reformerforder-nisse des EMU-Systems aus unterschiedlichen Perspektiven dargestellt. Daraus wurden plausible Handlungspfade und Szenarien abgeleitet, anhand derer sich mutmaßliche Ent-wicklungslinien, aber auch erkennbare Risiken für den wei-teren Bestand der EMU skizzieren lassen.

Dabei wurde klar: Um das Risiko eines möglichen „Bruchs“ der Euro-Zone objektiv und rational ein-schätzen zu können, braucht es wesentlich mehr als nur eine ökonomische Analyse der zugrundeliegen-den Daten und Ungleichgewichte.

Von zentraler Bedeutung ist eine umfassende Be-trachtungsweise, die auch die politischen, institutio- nellen und spieltheoretischen Motive, Anreize und Restriktionen, sowie die daraus potentiell resultie-renden Handlungspfade und Gestaltungsmöglichkei-ten der wichtigsten „stakeholder“ der EMU, ganzheit-lich berücksichtigt und vernetzt analysiert.

Dieser Anspruch erfordert einen speziellen Analyseprozess, der über rein ökonomische Fragestellungen und Modellrech-nungen deutlich hinausgeht. Da die EMU von Beginn an als „politisches Projekt“ aufgesetzt und verstanden wurde, müssen vor allem auch die politischen Ziele und Ambitionen im Umfeld der EMU integraler Teil einer solchen Analyse sein (vgl. Abb. 28).

689 Becker und Fuest (2017, Odysseus-Komplex), S. 216 (Hervorhebung durch Verfasser).690 Nordvig (2014, Breakup), S. 9.

Quelle: FERI Cognitive Finance Institute, 2018

Abb. 28: Wichtige Einflussfaktoren auf EMU-Risikoszenarien

EMUDynamik

SystemischeFaktoren

Spieltheoretische Faktoren

Politische Faktoren

InstitutionelleFaktoren

Ökonomische Faktoren

„Verspannungen“ „Anreizstrukturen“

„Moral Hazard“

„Systemrisiken“

„Ideologie“„Divergenzen“

Zukunftsrisiko „Euro Break Up“

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Entsprechend diesem Grundverständnis lassen sich

dann plausible Verlaufs- und Risikoszenarien skizzie-ren, um sowohl das „worst case“-Risiko eines „Euro Break Up“ als auch anders gelagerte (mögliche oder absehbare) Fehlentwicklungen der EMU besser ein-schätzen zu können. Die wichtigsten dieser Szenarien wurden bereits an anderer Stelle kurz dargestellt.691

An dieser Stelle kommt auch die Frage nach sinnvollen Risiko-Indikatoren ins Spiel, mit deren Hilfe sich idealerweise gravierende Fehlentwicklungen, akute Verschärfungen oder mögliche Szenariowechsel frühzeitig erkennen und verfolgen lassen könnten. (Besonders bedrohlich wäre offensichtlich

ein schleichender oder abrupter Übergang von Szenario 2 zu Szenario 3 oder gar Szenario 5.) Ein Beispiel für solche Risiko-Indikatoren ist der „EMU Break Up-Indikator“, der ins-besondere die laufenden Erwartungen und Risikoeinschät-zungen für EMU-Staatsanleihen berücksichtigt (vgl. Abb. 29).

Dieser Indikator basiert auf impliziten Erwartungen der Finanzmärkte und leitet daraus einen Wert für die Wahr-scheinlichkeit ab, mit der risikosensitive Marktteilnehmer einen „Break Up“ der EMU erwarten. Obwohl derartige Indikatoren „eigentlich“ die bestmögliche Aggregation ver-fügbarer Risikosignale und individueller Erwartungen dar-stellen, ist deren Aussagekraft in komplexen Situationen tendenziell eingeschränkt (wie die Entwicklung im Mai/Juni 2018 um Italien klar gezeigt hat.)692

691 Vgl. dazu: oben, Kap. 6.2, Abb. 26. 692 Vgl. dazu bereits: oben, Kap. 2.7; Rapp (2018, Erwachen), spricht diesbezüglich kritisch von einer Rolle der

Finanzmärkte als „Nachtwächter“.

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Abb. 29: Euro Break Up Wahrscheinlichkeit (Markterwartungen)

Quelle: FERI, 2018

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Euro Break Up Wahrscheinlichkeit (Markterwartungen)

Euro Break Up Wahrscheinlichkeit- Tageswerte -

Scharfer Anstieg durch Italien-Effekt Mai/Juni 2018

Euro Break Up-Indikator: Die Euro Break Up Wahrscheinlichkeit basiert auf am Kapitalmarkt geforderten Risikoprämien und den dadurch ausgedrückten Risikoerwartungen der Marktteilnehmer. Speziell die Risikozuschläge 5-jähriger Staats- anleihen diverser EMU-Ländern gegenüber den als „sicher“ wahrgenommenen deutschen Staatsanleihen ermöglichen die Ableitung einer entsprechenden mittelfristigen Risikoerwartung zum Bestand des Euro.

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Sinnvoll ist deshalb (alternativ oder ergänzend) ein modi-fizierter Indikator, der um andere – eher fundamentale oder strukturelle – Aspekte ergänzt werden muss: Dazu zählen etwa das Niveau und die laufende Dynamik spe-zieller TARGET-Salden, aber auch politische Risikopara-meter, wie etwa die die Zustimmungswerte EU-kritischer Parteien in exponierten EMU-Ländern.693

Der EMU-Erwartungsindikator ist zuletzt, nach ersten un-missverständlichen Ansagen der neuen italienischen Regie-rung, deutlich angestiegen. Dies reflektiert eine zumindest deutlich sensiblere Wahrnehmung latenter EMU Break Up-Risiken.

Noch im März 2018 (bei Drucklegung der ersten Auflage dieser Analyse) – und selbst im Mai 2018, deutlich nach der Italien-Wahl – zeigte dieser Indikator (völlig zu Unrecht) ein äußerst entspanntes Bild. Diese sorglose Haltung entsprach zu jener Zeit ganz klar der „öffentlich gefühlten“ Risikowahr-nehmung innerhalb der EMU. Noch vor kurzem wurde dort, trotz massiv ansteigender Risikosignale, keinerlei Anlass zu Sorge oder gar Risikovorsorge verspürt.694

Auch die Finanzmärkte folgten sehr lange diesem freund-lichen Trugbild. Mit Blick auf das aktuelle EMU-Szenario 2018/19, das durch eine massive Verschärfung der Politik in Italien, das Auslaufen der EZB-Wertpapierkaufprogramme sowie anhaltende Reformunfähigkeit in EU und EMU geprägt sein wird, muss diese Illusion jedoch inzwischen massiv korrigiert werden.695

Rapp (2017) erwartet in diesen Punkten harte Heraus-

forderungen für Europa und die EMU:

„… speziell das zeitliche Zusammentreffen dieser drei Faktoren (…) verspricht eine potenzielle Risiko-

dynamik. [Die Märkte] …dürften dann kritisch hinter-fragen, welche Schritte die Politik in puncto Reform der EMU-Architektur tatsächlich plant oder umset-zen kann.“696

Trotz aktuell stark zunehmender Betriebsamkeit in Brüssel, Paris und Berlin – zuletzt anlässlich diverser EU-Gipfel – wird wohl auch die EMU-Politik (aus bereits dargelegten Grün-den) nicht die Reformfortschritte erzielen, die für eine dauer- hafte Stabilisierung und Absicherung der EMU-Architektur erforderlich wären. Insbesondere Italien und dessen popu-listisch-obstruktive Regierung werden jeden sinnvollen Kom-promiss massiv erschweren; zugleich werfen die dort ange-kündigten Regierungsprogramme äußerst beunruhigende Fragen zum Finanzgebaren des Landes sowie der Nachhaltig-keit seiner Staatsfinanzen auf.697

Bereits vor der Wahl in Italien wurden kritische Berechnungen zur (mangelnden) Tragfähigkeit der Staatsschulden diverser EMU-Länder angestellt: Matthes (2017) führt entsprechende Modellrechnungen für Italien, Spanien und Portugal durch, die ein schlechtes Licht auf eines der dringendsten und weiterhin ungelösten Kernprobleme der EMU werfen: Diese bieten für Länder wie Italien sogar sehr konkreten Grund zur Sorge, wie Abb. 30 deutlich macht:698

Matthes (2017) zieht bei dieser Analyse auch mögliche politische Veränderungen ins Kalkül (die inzwischen in voller Schärfe eingetreten sind):

„Populistische Parteien könnten an die Regierung kom-men und den Sparkurs aufkündigen, sodass ohne hin-reichende Primärüberschüsse die Schuldentragfähigkeit nicht mehr gewährleistet wäre. (…) In den beiden letzt-genannten Fällen ist zudem mit einem Anstieg der Risiko-

693 Vgl. dazu ausführlich: unten, Kap. 6.8, insbesondere Abb. 31.694 Rapp (2018, Euro Break Up-Risiken) kritisiert diese „Schlafmützigkeit“ und urteilt: „In Bezug auf strukturelle Risiken

der EMU hatten die Märkte bis zuletzt einen blinden Fleck.“ Analog warnt auch Rapp (2018, Erwachen) vor diesem Effekt: „Er entlarvt die Finanzmärkte in wichtigen Fragen der EMU als „Nachtwächter“ ohne ernstzunehmende Prognosefähigkeit.“ Hingegen warnte Rapp (2017, Herausforderungen) sowie Rapp (2018, Zerfall) (zuletzt im März 2018) eindringlich vor einer klar absehbaren Verschärfung akuter EMU-Break Up-Risiken.

695 Vgl. dazu bereits: oben, Kap. 6.3; analog auch: Rapp (2017, Herausforderungen). Zschäpitz (2018, Euro) konstatiert dazu: „Die kollektive Ignoranz hat ein Ende.“

696 Rapp (2017, Herausforderungen).697 Das italienische Regierungsprogramm sieht erhöhte Staatsausgaben, deutliche Steuersenkungen, Rentenerhöhungen

sowie ein staatlich garantiertes Grundeinkommen vor; vgl. dazu ausführlich: NZZ (2018, Wirtschaftsprogramm) sowie: Zilibotti (2018, Endspiel).

698 Matthes (2017, Staatsschulden).

Zukunftsrisiko „Euro Break Up“

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prämien zu rechnen, was die Situation noch weiter ver-schärfen würde.“699

Ergänzend betont Matthes (2017):

„So könnte eine hohe Nervosität am Finanzmarkt auch ohne tiefere Krisen zu sich selbsterfüllenden Prophezeiun-gen führen, indem Risikoprämien auf Staatsanleihen so stark steigen (…), dass die Schuldentragfähigkeit gefähr-det wird. Ein solches „schlechtes“ Gleichgewicht ist denk-bar, obwohl sich die Staatsschuldenquoten auch in dem eher pessimistischen Szenario wieder stabilisieren.“700

Im Rahmen seiner grundlegenden Kritik an parado-xen Mechanismen und fehlerhaften Institutionen der EMU zieht auch NobeIpreisträger Stiglitz (2016) das nüchterne Fazit:

„Wahrscheinlich erwartet uns in nicht allzu ferner Zukunft die nächste Episode der Eurokrise.“701

Diese grundsätzlichen Überlegungen machen deutlich, dass das Risikoszenario eines „Euro Break Up“ aus heutiger Sicht keinesfalls auszuschließen ist. Durch die neue politische Kon-stellation in Italien, die schon in Kürze ein gefährliches „Game of Chicken“ auf europäischer Ebene erwarten lässt, hat sich die Wahrscheinlichkeit für ein solches Szenario spürbar erhöht.

Angesicht klar erkennbarer – und weiter ansteigender – Risi-ken liegen inzwischen zunehmend auch „harte“ Indikationen für ein solches Szenario vor:

Abgeleitet aus den vorangegangenen Ausführungen muss bis auf weiteres eine erhöhte Wahrschein-

699 Matthes (2017, Staatsschulden), S. 16. Wie der Ausgang der Wahl in Italien gezeigt hat, waren diese zusätzlichen Annahmen absolut berechtigt.

700 Matthes (2017, Staatsschulden), S. 16. 701 Stiglitz (2016, Europa), S. 27.

140,0

135,0

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115,0

2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022

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BIP

Abb. 30: Szenarien zur Schuldentragfähigkeit von Italien

Quelle: Matthes (2017, Staatsschulden)

Basisszenario

Verhalten optimistisches Szenario

Verhalten pessimistisches Szenario mit Primärsaldo von 1,9% des BIP in 2022

Verhalten pessimistisches Szenario mit höherem Primärsaldo von 2,5% des BIP in 2022

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lichkeit für ein „Euro Break Up-Szenario“, also den plötzlichen Zerfall oder eruptiven „Bruchs“ des EMU-Systems unterstellt werden.

Dreh- und Angelpunkt einer solchen Risikolage bleibt vorerst die politische Situation in Italien, die auch völlig unkalkulierbare Risiko-Szenarien nach sich ziehen könnte.

Wahrscheinlicher ist allerdings nach wie vor der – mehr oder weniger geordnete – Übergang in ein teures und pervertiertes System einer „Europäi-schen Transferunion“.

Jüngste politische Beschlüsse, sowohl auf EU-Ebene als auch zwischen Frankreich und Deutschland, deu-ten vorerst sehr klar in diese (erwartbare) Richtung einer erhöhten Kosten- und Risikoübernahme durch „starke“ EMU-Länder (speziell Deutschland).

Doch auch das Szenario einer „Europäischen Transfer- union“ besitzt aus heutiger Sicht langfristig nur begrenzte Plausibilität. Ein solcher Verlaufspfad würde, über den Umweg zunehmend als ungerecht und unsinnig empfundener Vermögenstransfers, die strukturellen Spannungen im EMU-System wohl ebenfalls erhöhen.

Bereits jetzt ist erkennbar, dass zahlreiche Länder sich einem „weiter so“ der EMU, mit immer weiter steigenden Beiträgen, Finanztransfers und Zukunfts-risiken, verweigern, was latente Spannungen und mögliche „Exit-Risiken“ auch von dieser Seite erhöht.

Eine spätere Mutation und Eskalation – vom Szenario einer „Europäischen Transferunion“ in ein „Euro Break Up“-Szenario – bleibt also nicht nur vorstell-bar, sondern dürfte im Laufe der Zeit sogar deutlich an Wahrscheinlichkeit gewinnen.

Investoren sollten sich deshalb genauestens mit den zu-grundliegenden Fragestellungen sowie Struktur und poten-tieller Dynamik der entsprechenden „EMU-Risiken“ vertraut machen. Die nachfolgenden Ausführungen versuchen, die-sem Ziel näherzukommen.

6.6 Mögliche Auslöser und Ablauf eines Euro Break Up

„Die Vorstellung, dass die Eurozone zerfällt, ist keines-wegs abwegig.“702

Die Frage nach der Eintrittswahrscheinlichkeit sowie dem möglichen Ablauf eines „Euro Break Up“ ist aus heutiger Sicht kaum seriös zu beantworten. Dennoch sollte ein solches Szenario nicht vorschnell ausgeschlossen werden:

Ein „Break Up“-Szenario bleibt realistisch, solange die grundlegenden Konstruktionsmängel des Sys-tems fortbestehen und hohe politische, ökonomi-sche und finanzielle Kosten für die Teilnehmerlän-der und das System als Ganzes induzieren.

Aufgrund der stabilisierenden Eingriffe der EZB seit 2012 konnten zwar die systemischen Risiken (und länderspezi-fischen Kosten) deutlich gesenkt oder zumindest auf eine andere Ebene der EMU verlagert werden. Dennoch hat das System weiterhin die Tendenz:

• aufgrund fehlerhafter Ausgestaltung hohe Ineffizienzen zu generieren,

• als Folge ökonomischer Divergenzen starke Zentrifugal-kräfte zu induzieren,

• daraus entstehende individuelle Kosten und Fehlanreize lediglich zu verlagern,

• tektonische Verspannungen des Systems nicht sinnvoll zu bereinigen,

• immer höhere Kosten zur „Rettung“ oder „Stabilisierung“ im Krisenfall auszulösen.

Entsprechend könnte das EMU-System, trotz seiner zuletzt scheinbar „ruhigeren“ Verfassung, auch zukünftig krisen-hafte Tendenzen und toxische Episoden entwickeln, die – als Folge laufend erhöhter Kosten der Krisen-Intervention – immer schwerer zu lösen sein werden.

702 Stelter (2015, Euro).

Zukunftsrisiko „Euro Break Up“

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Ein „Euro Break Up“ könnte deshalb in einer mittel-fristigen Perspektive (5-10 Jahre) durchaus stattfin-den, trotz anhaltender Bemühungen zur Stabilisie-rung des Systems.

Dieses Szenario könnte sich sogar relativ „organisch“ entwickeln, etwa als logische Konsequenz aus einer (zunehmend wahrscheinlichen) „Transferunion“.703

Dabei wäre auch ein möglicher EMU-Austritt „klei-nerer“ Länder denkbar, die sich zuletzt vehement gegen weitere Schritte in Richtung Transferunion zur Wehr setzen und dabei zunehmend koordiniert agieren („HanseatischeLiga“).704

Ein „akuter“ Break Up-Auslöser könnte jedoch auch Italien sein, das durch seinen aggressiven Kurs der Konfrontation, der Erpressung und der geziel-ten „Entreicherung“ anderer EMU-Länder latente Spannungen in der EMU (aber auch an den Finanz-märkten) zur kritischen Eskalation treiben könnte.705

Im Rahmen der bereits dargestellten spieltheoretischen Ana-lyse wird schnell deutlich, dass die Wahrscheinlichkeit für ein „Euro Break Up“-Szenario vom jeweiligen Stand des „Spiels“ und des „Spielplans“ abhängt, einschließlich mutmaßlich erwarteter Veränderungen in der Zukunft.

Diese Zustände werden von einer Vielzahl politischer, ökonomischer und finanzieller Aspekte, divergenter Anreizsysteme und vielfach gegenläufiger „Spielzüge“ und multidimensionaler Strategeme der „Spieler“ determiniert.

Ein „Break Up“, also ein Ende des Spiels (oder der Ausstieg einzelner Spieler), wird genau dann eintre-

ten, wenn spezifische Kosten-/Nutzen-Kalküle (bzw. deren Grenzwerte) aus Sicht einzelner „Spieler“ (oder des Gesamtsystems) untragbar geworden sind.

Für den möglichen Ablauf eines „Euro Break Up“-Szenarios gibt es nur wenige sinnvolle Präzedenzfälle. Der oftmals zitierte Zerfall der „Lateinischen Münzunion“, eines frühen Vorläufers der EMU, liegt rund 100 Jahre zurück und fand in einem völlig andersartigen Wirtschafts- und Finanzsystem statt.706

Dennoch liefert die Geschichte zahlreiche klare Hinweise auf die praktischen Schwierigkeiten, insbesondere die gefährli-chen Anreizwirkungen, eines „heterogenen“ Währungsver-bundes. So ziehen Berthold et al. (2014) im Rahmen einer historischen Vergleichsanalyse folgendes Fazit:

„Einige historische Austritts- und Auflösungsgründe könn-ten auch heute auf die EWU und ihre Mitglieder zutreffen (…) Mit steigender Heterogenität innerhalb der Union, nimmt auch die Austrittswahrscheinlichkeit einiger Länder weiter zu.“707

Zu den zentralen Ursachen und Motiven stellen Berthold et al. (2014) fest:

„Hinter den Ursachen zur Auflösungs- bzw. Austrittsent-scheidung stehen stets divergierendenationaleInteressen. Diese manifestieren sich in unterschiedlichen geldpoliti-schen Zielen und fiskalpolitischen Entscheidungen, welche sich zuerstandennationalenBedürfnissen und danach an den Unionsinteressen orientieren.“708

Diese Schlussfolgerungen, die aus unterschiedlichen Episo-den der Vergangenheit abgeleitet wurden, besitzen offen-sichtlich auch mit Blick auf die heutige EMU noch einige Re-levanz. Somit ist zumindest historisch belegt, dass der Erfolg – oder das Scheitern – einer Währungsunion in der Regel von klar definierten Faktoren bestimmt wird:

703 Die impliziten Kosten einer „Transferunion“, die sich nach derzeitigem Stand auf immer weniger zahlungskräftige Mitgliedsländer verlagern würden, machen einen solchen Entwicklungspfad durchaus plausibel und wahrscheinlich.

704 Gemeint ist das koordinierte Auftreten einer Gruppe von 12 „kleineren“ und „nördlichen“ EU-Länder, die als „Hanseatische Liga“ deutlichen Widerstand gegen vorschnelle Beschlüsse der EU formuliert und beim jüngsten EU-Gipfel Ende Juni 2018 dort auch als Ablehnung eingebracht haben; vgl. dazu bereits: oben, Kap. 6.3; sowie ausführlich: DW (2018, Antwort), Welt (2018, Brandbrief), Süddeutsche (2018, Proteste), Süddeutsche (2018, Wiedervorlage).

705 Vgl. dazu bereits ausführlich: oben, Kap. 2.7, 4.5, 5.4, 6.3 und 6.5.706 Vgl. dazu weiterführend: Hoffritz (2015, Scheitern). 707 Berthold et al. (2014, Scheitern), S. 21. 708 Berthold et al. (2014, Scheitern), S. 20 (Hervorhebungen durch Verfasser).

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Erfolg: Mehrzahl der Teilnehmer kann daraus einen klar erkennbaren Nutzen oder Vorteil ziehen, hat also diesbezüglich ein positives Kosten-/Nutzen-Kalkül.

Scheitern: Einzelne Teilnehmer gelangen zu der Ein-sicht, dass die Fortführung der Teilnahme ein negati-ves Kosten-/Nutzen-Kalkül aufweist.

Referenzpunkt: Entscheidendes Kriterium für die Ein-schätzung und Bewertung dieser Kalküle ist stets das eigene „nationale“ Interesse eines Teilnehmerlandes.

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen, und ergänzt durch die Ergebnisse der spieltheoretischen Analyse, er-scheint das EMU-System heute nicht wirklich stabil oder gar robust. Es hat sich stattdessen – auch als Folge der Euro- Krise und der nachfolgenden „Rettungsmaßnahmen“ – eher zu einem „Gleichgewicht des Schreckens“ entwickelt:709

Darin werden – oftmals subtil und vielfach noch zu wenig registriert, oftmals auch nur als „Drohkulisse“ – „starken“ Ländern (wie Deutschland) laufend höhere Kosten und Risiken aufgebürdet, die insbesondere im Fall eines „Euro Break Up“ schlagend würden: das Phänomen der „TARGET- Salden“ ist hierfür ein besonders deutliches Beispiel.710

Dadurch verschiebt sich das Kosten-Nutzen-Kalkül der „star-ken“ Länder laufend in eine neue Richtung. Die Verhinde-rung eines „Euro Break Up“ und der „artifizielle“ Erhalt des Systems – etwa durch hohe „verlorene Zuschüsse“ oder dau-erhafte Transfers und Subventionen – erscheinen dann letzt-lich vorteilhafter als der eigene Austritt oder eine Auflösung des Systems.

Das implizite Drohpotential des „Euro Break Up“ dürfte folglich, in allen Verhandlungen zur Reform oder Neukalibrierung der EMU, künftig ein sehr dominanter Faktor sein.

„Starke“ Länder wie Deutschland haben diesem Pro-blem bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt und dadurch wichtige Verhandlungsmasse aus der Hand gegeben.

Die Verhinderung eines „Euro Break Up“ „um jeden Preis“, notfalls durch Einwilligung in eine „Transfer- union“ zum eigenen Nachteil, dürfte somit das Kalkül der „starken“ EMU-Teilnehmerländer zwangsläufig immer stärker beeinflussen.711

Letztlich (und paradoxerweise) trägt das „Gleichge-wicht des Schreckens“ also dazu bei, das Risiko eines „Euro Break Up“ vorerst zu reduzieren.712

Die weiteren Konsequenzen könnten dann der Logik „Geld gegen Reformen“ folgen, die im politischen Raum (als Blaupause einer „Transferunion“) bereits angedeutet wird.713

Da „erzwungene Transfers“ aus spieltheoretischer Sicht jedoch signalisieren, dass „cheating“ und „collusion“ im Zweifel erfolgreiche Strategien sind, würden wohl auch hier wieder negative – und für die Transfergeber nachteilige – Anreizsysteme etabliert, mit entsprechender Eigendynamik und langfristig pathologischer Wirkung.714

709 Der Begriff „Gleichgewicht des Schreckens“ stammt aus der Zeit des kalten Krieges und umschreibt das Konzept der bilateralen nuklearen Abschreckung zwischen den beiden Supermächten USA und UdSSR. Auch dieses Konzept basierte stark auf grundlegenden Ansätzen der Spieltheorie.

710 Vgl. dazu bereits ausführlich: oben, Kap. 4.5.711 Dieses implizite Kalkül zeigt sich bereits in den jüngsten deutsch-französischen „Meseberg-Beschlüssen“, die aus

deutscher Sicht als zu weitgehend und nicht unbedingt zielführend eingeordnet werden müssen; vgl. dazu analog: NZZ (2018, Geldtöpfe), wo festgestellt wird: „Sie [Merkel] hat sich (…) bei einem Treffen mit Präsident Macron dazu erweichen lassen, Frankreichs Wunsch nach einem separaten Haushalt für die Euro-Zone in die gemeinsame «Erklärung von Meseberg» aufzunehmen. (…) Welches Problem das angeregte Euro-Zonen-Budget genau lösen soll, bleibt indes rätselhaft. Die von Merkel und Macron verabschiedete Erklärung liefert wenig Handfestes.“

712 Auch dieser Befund entspricht dem „Original“, das seit Jahrzehnten den (nuklearen) Ernstfall verhindern konnte. 713 Die Grundidee ist dabei, ähnlich wie im Fall Griechenland, großzügigere Regelauslegung oder direkte finanzielle

Zugeständnisse zugunsten „des Systems“ sowie der „schwachen“ Mitglieder in Aussicht zu stellen, sofern diese einem nachvollziehbaren (und nachprüfbaren) Reformkurs folgen. Die neuen Vorschläge von CEPR (2018, Approach) gehen bekanntlich tendenziell in diese Richtung.

714 Vgl. dazu ausführlich bereits oben: Kap. 6.3.

Zukunftsrisiko „Euro Break Up“

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Aus dieser kurzen Reflexion folgt, dass der Zusammenhalt der EMU keinesfalls so sicher ist, wie dies in europapolitischen Diskussionen gerne dargestellt wird, denn:

Solange das „nationale Interesse“ eines Teilnehmer-landes „gemeinsame Interessen“ (Politische Union etc.) überwiegt, wird der mögliche Impuls zu einem Verlassen der EMU (oder zu einem echten Break Up) stets von demjenigen Teilnehmerland ausgehen, das – individuell und nur für sich – in der Abwägung der relevanten Kosten-/Nutzen-Kalküle einen nega-tiven Erwartungswert ermittelt hat.715

Aus heutiger Sicht scheint insbesondere das Teil-nehmerland Italien diesem Profil schon sehr nahe gekommen zu sein; auch bestehen dort nur geringe Aussichten auf eine Stabilisierung des Landes aus eigener Kraft.716

Gleichzeitig erkennen „starke“ Länder wie Öster-reich, Finnland oder die Niederlande, dass die zu-nehmend asymmetrische Lastenverteilung inner-halb des Systems hohe zukünftige Haftungs- und Abschreibungsrisiken nach sich ziehen könnte.

Die Bereitschaft, weiterhin konstruktiv und „gut-gläubig“ an einem solchen System teilzunehmen (und durch immer höhere Kosten dafür bestraft zu werden), dürfte entsprechend für diese Länder ten-denziell abnehmen.

Bedingt durch diese Grundkonstellation, und ver-stärkt durch die unweigerlich steigende Kosten-intensität einer „Transferunion“, wird sich das EMU-System nicht wirklich stabilisieren. Stattdes-sen wird wohl lediglich der Zeitpunkt seiner nächs-ten Krise in die Zukunft verschoben.

Maßgeblicher Faktor für diese „Verschiebung auf dem Zeitstrahl“ war bisher die EZB, die über ihre massive monetäre Subventionierung des Sys-tems (und seiner schwächsten Glieder) zumindest temporär eine deutliche Veränderung inhärenter Kosten-/Nutzen- und Risiko-Kalküle bewirkt hat (vgl. dazu Abb. 31).

Hieran anknüpfend stellt sich die Frage, was mögliche Aus-löser für einen „Euro Break Up“ – oder auch nur den Austritt einzelner Länder – sein könnten, und wie ein solcher Vorgang mutmaßlich ablaufen würde:

Mögliche Auslöser eines „Euro Break Up“

Für den Eintritt eines „Euro Break Up“-Szenarios gibt es viele unterschiedliche, aber dennoch plausible Auslöser. Diese lassen sich in zwei grundsätzliche Kategorien differenzieren: „Ermüdungs-Szenarien“ und „Krisen-Szenarien“.

„Ermüdungs-Szenarien“:

Dieser Ablauf impliziert den Austritt einzelner (oder mehrerer) Teilnehmerländer, für die der politische und ökonomische Preis einer EMU-Mitgliedschaft (und folglich einer festen Bindung an den Euro als Währung) nicht mehr länger tragbar erscheint. Vor-aussetzung für ein solches Szenario ist also meist ein deutlicher ökonomischer Rückstand sowie, parallel dazu, zunehmender politischer Druck von Seiten der eigenen Bevölkerung.

Aktuelle Beispiele für dieses Grundmuster sind Grie-chenland und Italien: Für ein kleines Land wie Grie-chenland konnte dieser „Schmerz“ ab 2010 durch

715 Aus Sicht von Deutschland kommt hier jedoch als Nebenbedingung immer auch die historische Schuld aus zwei Weltkriegen hinzu, die das „nationale“ Kalkül gegenüber „gemeinsamen“ Interessen deutlich zurücksetzt.

716 Zum Risikofall „Italien“ vgl. ausführlich: oben, Kap. 5.4. Im Kalkül Italiens dürfte dabei, neben den bisher bereits hohen Kosten der ökonomischen Stagnation, auch das Problem der überhöhten Staatsverschuldung eine Rolle spielen: Im Falle eines Austritts aus der EMU und Rückkehr zu einer eigenen Währung könnte wohl parallel auch eine Reduktion von Staatsschulden „organisiert“ werden, sei es durch echten „default“ oder durch andere Formen staatlicher Notmaßnahmen. Der Anreiz für einen Euro Break Up könnte dann für Italien durchaus attraktiv sein.

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großzügige Finanzhilfen des Systems auf ein erträgli-ches Niveau abgesenkt werden.717 Für ein großes Land wie Italien scheint dies jedoch, zumindest aus heutiger Sicht, kaum noch vorstellbar. Das „Ermüdungs-Szena-rio“ als reales Risiko wird folglich umso wahrschein-licher, je größer (und schwerer zu stabilisieren) das zugrundliegende „ermüdete“ Mitgliedsland ist.718

Theoretisch denkbar, jedoch mit umgekehrten Vor-zeichen, ist ein „Ermüdungs-Szenario“ aber auch für EMU-Mitglieder mit gesunder Wirtschaft und intak-ter Bonität. Sofern solche Länder – etwa im Zuge einer Transferunion – zu hohen Zahlungen an das

System verpflichtet würden, und diese der eigenen Bevölkerung ab einem bestimmten Punkt nicht mehr vermittelbar wären, würde auch ein solches Land „er-müden“ und könnte einen EMU-Austritt in Betracht ziehen. Auch dieses Szenario ist für die Zukunft kei-nesfalls unrealistisch (obwohl Deutschland dafür wohl eher nicht in Frage kommt).719

Der formal erforderliche Akt eines „EMU-Austritts“ wird in einer solchen Lage wohl kein Land davon ab-halten, einen solchen Schritt zu unternehmen. Ob da-für auch ein formaler Austritt aus der EU erforderlich wäre, bleibt vorerst umstritten.720

717 Dennoch gab es seit 2011 mehrfach Gerüchte um einen bevorstehenden EMU-Austritt Griechenlands, vgl. etwa: Handelsblatt (2011, Euro-Austritt).

718 Zum potentiellen Problemfall „Italien“ vgl. ausführlich bereits: oben, Kap. 5.4.719 Der Grund für diese Einschätzung liegt in der speziellen, historisch belasteten Rolle Deutschlands. Dadurch obliegt

dem Land auf absehbare Zeit eine besondere Verantwortung für Europa und damit auch für die EMU. Vgl. aber zum durchaus signifikanten Risiko eines Austritts „kleiner“ Länder insbesondere die Ergebnisse der Studie von Berthold et al. (2014, Scheitern).

720 Diese Annahme entspricht zwar formaljuristisch geltender Rechtsauffassung, wäre aber in einem echten EMU- Austrittsfall möglicherweise nicht entscheidend.

Kosten-/Nutzenfunktion

Zeit

T 2T 1

Abb. 31: Euro Break Up-Funktion aus Sicht exponierter Teilnehmer

Quelle: FERI Cognitive Finance Institute, 2018

Beispielhafte Konstellation Italien und Deutschland(Kosten/Nutzen einer Teilnahme an der EMU)

Transformation von Zustand „1“ zu „2“ durch Intervention der EZB

Nutzenfunktion Italien 2Nutzenfunktion Italien 1

Kostenfunktion Deutschland 1 Kostenfunktion

Deutschland 2

Zukunftsrisiko „Euro Break Up“

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„Krisen-Szenarien“:

Deutlich anders gelagert als ein „Ermüdungs-Szenario“ wäre ein – ebenfalls denkbares –„Krisen-Szenario“. Ein solches Szenario würde typischerweise durch die Finanzmärkte ausgelöst, die ihr Vertrauen in den dauerhaften Bestand der EMU verlieren wür-den. Die Finanzmärkte würden sich dann massiv vom Euro abwenden, die Finanztitel der als „am schwächsten“ wahrgenommenen EMU-Mitglieder abstoßen und so schwerwiegende Marktverwer-fungen auslösen. Diese könnten sich dann, ähnlich wie im Sommer 2012, zu einer gefährlichen „nega-tiven Feedback-Schleife“ hochschaukeln. Ähnlich wie beim zwangsweisen Austritt des britischen Pfund aus dem Europäischen Währungssystem im September 1992 könnte daraus eine massive Krise des Euro resultieren. Dies würde das Euro-System möglicherweise so erschüttern, dass daraus in kür-zester Zeit ein faktischer „Euro Break Up“ resultie-ren könnte.

Solange die EZB, wie bisher, eine finanziell glaub-würdige Bestandsgarantie für den Euro (und damit implizit auch für die EMU) aufrechterhält, scheint ein solches Szenario nur wenig wahrscheinlich. Da die EZB jedoch zahlreiche Freiheitsgrade ihres Mandats bereits voll ausgeschöpft hat und zunehmend am Rande der Legalität operiert, könnte sich die Glaub-würdigkeit ihrer Garantien zukünftig deutlich redu-zieren. Ein kritischer Testfall wäre etwa ein drohen-der Staatsbankrott Italiens, der die EZB dann wohl zu äußerst umfangreichen und schwerwiegenden monetären Interventionen zwingen würde.721

Ob das bisherige Vertrauen in die Integrität und Stabi-lität der EZB in einem solchen Fall weiterhin Bestand hätte, ist völlig unklar. Möglicherweise würde ein sol-ches Szenario den Einsatz ganz neuer geldpolitischer Strategien und Instrumente erfordern, die sich sum-marisch als „OMF“ („Overt Monetary Financing“) klas-sifizieren lassen.722

Abschließend lässt sich feststellen, dass ein „Euro Break

Up“ aus heutiger Sicht weder utopisch noch unrealis-tisch erscheint. Diese Einschätzung sollte sich auch von dem aktuell eher „moderaten“ Erscheinungsbild der EMU nicht täuschen lassen.

Eine weitergehende Festlegung oder gar Präzisie-rung, etwa hinsichtlich des möglichen Ablaufs oder potentieller Auslöser, ist jedoch kaum möglich.

Die inhärente Fragilität und „destruktive Dynamik“ der EMU spricht jedoch vorerst klar dafür, ein sol-ches Szenario mittelfristig weiter ernst zu nehmen.

Die bisher vorliegenden oder realistisch zu erwar-tenden Reformschritte können nicht als ausrei-chend qualifiziert werden, um die EMU nachhaltig und dauerhaft zu stabilisieren.

Die EMU, als Musterfall eines fehlspezifizierten Systems mit gravierenden Konstruktionsmängeln und nur schwach ausgeprägten Selbstheilungskräf-ten, bleibt somit weiterhin anfällig für systemische Krisen, bis hin zum möglichen „Euro Break Up“.

721 Um die Dimension deutlich zu machen: Die Staatsschulden Italiens entsprechen mit 2,3 Bio. € in etwa dem Betrag, der von der EZB im Rahmen ihrer umstrittenen Q.E-Programme für den Ankauf von Staatsanleihen von 2015 bis Ende 2018 insgesamt aufgewendet werden wird. Vgl. dazu analog: Stelter (2015, Euro).

722 „Overt Monetary Financing“ steht für eine offene und dauerhafte Übernahme von Staatsschulden durch die betreffende Zentralbank, also faktisch deren „Monetisierung“; vgl. dazu bereits: oben, Kap. 5.3 sowie: Werner et al. (2017, OMF).

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6.7 Potentielle Konsequenzen für die Kapitalmärkte

„In a full-blownbreakup, all countries within the Euro-zone move away from the Euro to new currencies, and the Euro ceases to exist as a currency.“723

Die vorangegangenen Ausführungen und Überlegungen machen deutlich, dass ein echtes „Euro Break Up“-Szenario in nächster Zeit nicht sehr wahrscheinlich erscheint. Diese Einschätzung wird derzeit auch vom sehr moderaten Niveau des „FERI Euro Break Up-Indikators“ reflektiert.724

Die längerfristigen Szenario-Annahmen für die EMU ergeben jedoch ein anderes Bild:

• Sofern Europa in den kommenden Jahren keinen glaubwürdigen Ansatz findet, um die ökonomischen Divergenzen in der EMU deutlich zu reduzieren,

• oder nicht bereit ist, diese Divergenzen durch ein ineffizientes, extrem kostspieliges und langfristig destruktives System finanzieller Transfers dauer-haft zu kompensieren,

• wird die EMU in einem gefährlichen Geflecht aus unklaren Regeln, dysfunktionalen Institutionen, pathologischen Anreizstrukturen („Moral Hazard“) sowie latent drohenden finanziellen und ökonomi-schen Großrisiken gefangen bleiben.

Die zukünftige Relevanz eines „Euro Break Up“ sollte somit weder unterschätzt noch ignoriert werden, da ein solches Szenario aus Sicht der Finanzmärkte gravierende Konse-quenzen hätte:

Das Szenario eines „Euro Break Up“ ist (in der Spra-che der Finanzmärkte) ein klassisches „Tail Risk“. Dieser Begriff steht, mit Blick auf eine typische Risi-koverteilung, für eine relativ geringe Eintrittswahr-scheinlichkeit, jedoch für einen sehr hohen „Impact“, also einen potentiell extremen Risikowert der Ereig-nisrealisation.

Der tatsächliche Eintritt eines „Euro Break Up“, also einer graduellen oder krisenhaften Auflösung der Euro-Zone, wäre für Europa ein potentielles „worst case“-Szenario. Dessen Auswirkungen hätten nicht nur Relevanz für die Kapitalmärkte, sondern wären weit darüber hinaus spürbar.

Sowohl die Stabilität des Europäischen Banken- und Finanzsystems als auch die Bilanzen und Finanzposi-tionen zahlreicher Unternehmen wären im Fall eines „Euro Break Up“ schlagartig gefährdet. Multinationale Verrechnungssysteme und Vermögenspositionen in fremder Währung wären dann plötzlich Elemente von großer Signifikanz.725

Ein echter „Euro Break Up“ hätte deshalb unmittel-bar krisenhafte Auswirkungen, sowohl für Europa als auch für andere Teile der Weltwirtschaft.

Massive Verwerfungen an den Kapitalmärkten wä-ren dann ebenso zu befürchten wie stark negative Abstrahleffekte auf die Realwirtschaft in Europa.

In ihrer Konsequenz würden diese Auswirkungen wohl einer hochgradig toxischen Kombination von „Lehman-Krise 2008-2010“ und „Euro-Krise 2010-2012“ entsprechen.

723 Nordvig (2014, Breakup), (Hervorhebung im Original).724 Vgl. dazu bereits: oben, Kap. 6.5, Abb. 25.725 Lucke (2017, Auflösung), stellt dazu fest: „Das Problem bei einer Währungsumstellung sind immer die grenzüber-

schreitenden Vermögensansprüche.“ Vgl. analog auch: Straubhaar (2013, D-Mark). Auch Szenario-Rechnungen verschiedener Beratungsunternehmen haben diese latenten Risiken, speziell auf der Ebene multinational agierender Unternehmen, drastisch offengelegt (vgl. exemplarisch: Mettenheimer (2012, Euro-Austritt)).

Zukunftsrisiko „Euro Break Up“

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Aus Sicht von Kapitalmarktteilnehmern und Investoren wäre ein „Euro Break Up“ somit ein sehr potentes Risiko- szenario, das massive Schocks und finanzielle Turbulenzen auslösen würde.

Staatliche Notmaßnahmen wären in diesem Fall wohl sehr schnell zu erwarten.

Zur Eindämmung einer „Euro Break Up“-Krise könn-ten repressive Maßnahmen zum Einsatz kommen, unter anderem durch strikte Anwendung von restrik-tivem EU-Recht.

Wie der Fall „Zypern“ im Jahr 2013 gezeigt hat, könn-ten Kapitalverkehrsbeschränkungen in und aus der EMU ebenso dazu zählen wie das Sperren von Bank-konten („Einfrieren“) oder repressive Vermögensab-gaben (etwa auf größere Guthaben bei Banken).726

Sparer, Bankkunden und Finanzinvestoren wären in einem solchen Szenario unmittelbar gefährdet, müss-ten also Vorsorge für ihren individuellen Vermögens-schutz treffen.727

Gleichzeitig würde ein „Euro Break Up“ mit absoluter Sicher-heit zu einer Neubewertung europäischer Währungen füh-ren. Ein „Euro Break Up“ würde faktisch einem „Aufbruch“ des Euro in die zugrundliegenden nationalen Währungen entsprechen. Diese „Renomination“ würde mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu einer sprunghaften Aufwertung des

Außenwertes einer DM (neu) führen, während Franc (neu) oder Lire (neu) deutlich abwerten würden.728

Szenario-Berechnungen lassen darauf schließen, dass die entsprechenden Effekte einer solchen Renomination für Deutschland eine Aufwertung um bis zu 20 % gegenüber heutigem Niveau implizieren, während etwa Italien eine Abwertung um rund 15 % gegenüber dem heutigen Niveau durchlaufen würde.729

Eine solche „Umwertung“ des Systems europäischer Währun-gen hätte für die betroffenen Länder dramatische Auswirkun-gen, die hier nur in Kürze angesprochen werden sollen.730

• Deutschland, die Niederlande und Finnland als potentielle „Aufwertungsländer“ würden eine abrupte Verschlechte-rung ihrer Wettbewerbsfähigkeit erleiden. Dies könnte im Einzelfall sogar zu einem „deflationären Schock“ mit star-kem Einbruch der Wirtschaftsleistung führen.

• Mutmaßlich noch bedeutender wäre die parallel ausge-löste Abwertung von Forderungen und anderen Vermö-genspositionen im Ausland. Dieser Effekt würde einen massiven Vermögensverlust für die betreffenden Länder induzieren, der von einer gleichzeitigen realen Abwertung anderer EMU-Länder (etwa Italien) noch deutlich verstärkt würde.

• Negative TARGET-Salden anderer Länder würden die-ses Problem deutlich verschärfen, da auch diese Forde-rungen abgewertet oder ganz abgeschrieben werden müssten.731

726 Vgl. dazu beispielhaft: Welt (2013, Zypern).727 Vgl. dazu ausführlich und weiterführend: unten, Kap. 6.8. 728 Vgl. zu derartigen Szenarien beispielhaft: Wolff (2017, Staatsbankrott).729 Vgl. dazu beispielhaft: Woo und Vamvakidis (2012, Game theory), S. 5-6. Analog auch: Focus Money (2013, Euro-

Austritt), unter Verweis auf Szenarioberechnungen des Prognos Instituts. Eine sehr deutliche Aufwertung der deutschen Währung, auch über das fundamental gerechtfertigte Maß hinaus, würde aus der sofortigen Wahrnehmung der „DM neu“ als europäisches „safe asset“ resultieren. Dies würde mit hoher Wahrscheinlichkeit hohe Kapitalzuflüsse aus Bereichen auslösen, die zuvor in anderen Euro-Anlagen investiert waren.

730 Vgl. dazu beispielhaft die Ausarbeitung von: Woo und Vamvakidis (2012, Game theory). 731 Sinn (2012, Target-Falle), S. 205ff, geht in diesem Fall von einer faktischen Uneinbringlichkeit solcher

TARGET-Forderungen aus; vgl. dazu bereits oben, Kap. 4.5.

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Zur Verdeutlichung der potentiellen Dimension folgende hypothetische Modellrechnung:732

- Deutschland verfügt über Auslandsvermögen in Höhe von rund 8000 Mrd. € (Stand 2016).

- Hinzu kommen aufgelaufene TARGET-Forderungen der Bundesbank in Höhe von über 960 Mrd. €.

- Sollte Deutschland im Zuge eines „Euro Break Up“ um ca. 25 % aufwerten, wäre rund ein Drittel dieser Beträge, insgesamt rund 2,9 Bio. €, faktisch „abzu-schreiben“, also verloren.733

- Dieser Betrag entspricht rechnerisch rund 90 % des deutschen Bruttosozialprodukts (2017), rund 140 % der offiziellen deutschen Staatsschulden oder rund 35.000 € pro Kopf der deutschen Bevölkerung.734

Aus diesen Überlegungen wird erneut deutlich, dass die EMU (speziell Deutschland) sich einen „Break Up“ im Grunde überhaupt „nicht mehr leisten könnte“.

Die ökonomischen, finanziellen, sozialen und politi-schen Konsequenzen wären derart gravierend, dass ein solches Szenario wohl „um jeden Preis“ verhin-dert werden müsste.

Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass der bisherige Ent-wicklungspfad der EMU die inhärent systemischen „Break Up“-Risiken im Verlauf der letzten 10 Jahre kontinuierlich erhöht hat:

Jedes neue Euro-Rettungspaket, jede Erhöhung der TARGET-Salden und jede Ausweitung der öko-nomischen Divergenz innerhalb der EMU hat zwi-schenzeitlich dazu beigetragen, potentielle „Break Up“-Kosten für das Gesamtsystem zu steigern.735

Entsprechend ist das EMU-System in einem laten-ten „bad equilibrium“-Zustand gefangen, der mit „Gleichgewicht des Schreckens“ noch sehr moderat beschrieben ist.736

Im Grunde ist der Zustand der EMU somit systemisch fragil und „latent katastrophal“.737

Der grundlegende ökonomische Druck innerhalb einer divergenten EMU hat sich bisher kaum reduziert. Gleich-zeitig verschärfen sich politische Verspannungen auf mehreren Ebenen, was konsensuale Einigung auf gemein-same, sinnvolle und systemisch wirksame Reformen deut-lich erschwert. Dabei verlaufen die heutigen Konfrontati-onslinien innerhalb von EU und EMU nicht mehr länger nur „Süd gegen Nord“, sondern zunehmend auch „Ost gegen West“.738

732 Zugrundegelegte Zahlenwerte: Statistiken der Weltbank, der Bundesbank und anderer offizieller Quellen. 733 Aus heutiger Sicht ist nicht sicher geklärt, ob ein Land wie Deutschland in einem solchen Szenario den vollen

Gegenwert bestehender Target-Forderungen gegenüber anderen Ländern berücksichtigen müsste, oder lediglich einen quotalen Anteil (im Rahmen der vorherigen Beteiligung am EZB-System). Da im skizzierten Szenario jedoch das EZB-System in toto obsolet wäre, ist wohl vom Gesamtwert der Forderungen auszugehen. Vgl. zu dieser Problematik ausführlich auch: Sinn (2012, Target-Falle); sowie Sinn (2015, Euro), der feststellt: „Das bei weitem größte Risiko bei all diesen Rechnungen wird durch die Target-Kredite der GIPSIZ-Länder erklärt.“ (S. 381).

734 Richtigerweise müsste hier die Aufwertung deutscher Inlands-Vermögenswerte gegengerechnet werden. Dieser Effekt würde etwa einen Investor, der nur deutsche Bundesanleihen hält, schlagartig um 25 % „reicher“ machen (zumindest relativ und mit Blick auf seine Kaufkraft in anderen Währungen).

735 Vgl. dazu analog – mit Aufstellung potentieller Kosten und Haftungsrisiken – auch: Sinn (2015, Euro), S. 351-382.736 Als „bad equilibrium“ bezeichnen die Volkswirtschaftslehre, aber auch die Risiko- und Systemtheorie, einen System-

zustand, der nicht stabil ist, sondern durch „negative feedback“-Schleifen einen selbstzerstörerischen Zyklus einleiten kann (vgl. zu derartigen Überlegungen bereits: oben, Kap. 4.2). Zum Konzept eines „Gleichgewichts des Schreckens“ vgl. bereits: oben, Kap. 6.6.

737 „Latent katastrophal“ bedeutet, dass bereits ein relativ kleiner Impuls (als „systemischer Schock“) ausreichen könnte, das Gesamtsystem in eine Negativ-Dynamik mit potentiell katastrophalem Ergebnis zu versetzen.

738 Zusätzlich zur deutlichen EU-Kritik aus Polen, Ungarn und Tschechien wendet sich inzwischen auch Österreich zunehmend von der Idee einer „immer engeren Kooperation“ in EU und EMU ab; vgl. beispielhaft: Welt (2017, Rechtsruck), sowie analog: Handelsblatt (2018, Konfliktlinien).

Zukunftsrisiko „Euro Break Up“

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Die einzige Institution, die vorerst noch in der Lage scheint, ein solch fragiles System zu stabilisieren (zumindest tem-porär), ist die EZB:

Einer Notenbank stehen per Definition unbegrenzte Mittel zur Verfügung, um notfalls jedes auftreten-de Problem mit frisch gedrucktem Geld lösen zu können.

Genau dies war der Weg aus der ersten Euro-Krise (2010-2012) und könnte somit auch der Ansatz zur Beherrschung einer nachfolgend drohenden zweiten Krise der EMU sein.

In diesem Fall wäre mit einem noch viel massiveren Engagement der EZB zu rechnen, die dann wohl end-gültig zur „Bad Bank“ des gesamten Euro-Systems mutieren würde.

Aus heutiger Sicht ist ein solches Szenario nicht aus-zuschließen, würde dann jedoch zu neuen Proble-men und pathologischen Wirkungsmechanismen in der Zukunft führen.739

Analog attestiert bereits Schüller (2012) aus ordnungspoliti-scher Sicht den schleichenden, aber unaufhaltsamen Verfall der EMU:740

„Wird der eingeschlagene Weg der Währungsunion fort-gesetzt, entsteht mit der systematischen Einbeziehung des ESM und der EZB in die Staats- und Bankenfinanzierung ein europäischer ‚Fiskalsozialismus‘.“

„Er ist am unverhohlenen Bestreben erkennbar, die Geld- emission systematisch zu politisieren: sie für das Konzept der fiskalpolitischen Nachfragesteuerung (…) sowie für die staatliche Schuldenfinanzierung zu nutzen.“

„DamitweistderWegvonderWährungsunionüberdieFinanzunionineineInflationsunion.“

Zusammenfassend und mit Blick auf die Kapitalmärkte ist zu konzedieren, dass ein „Euro Break Up“ für das zugrundelie-gende Finanz- und Währungssystem inzwischen ein so gra-vierendes Kardinalrisiko darstellt, dass ein solches Szenario wohl (fast) um jeden Preis verhindert würde:

Die einzige Option, dieses Ziel mit vertretbarer Aus-sicht auf Erfolg auch in einer neuen EMU-Krise zu realisieren, liegt in einem massiven geldpolitischen Eingriff; dies würde einen erneuten (massiven) Ein-satz der EZB und der Euro-Notenpresse erfordern.

Faktisch könnte die EZB damit sogar eine dauerhaf-te „Konservierung“ des bestehenden „bad equili-briums“ herbeiführen, einfach durch „Drucken von Geld“ im Krisenfall.

Da sowohl die EZB als auch andere europäische Insti-tutionen diesem „Lösungsweg“ schon bisher alle Türen weit geöffnet haben, dürfte ein solches Prozedere in Zu-kunft kaum noch auf politischen Widerstand stoßen.741

Der ultimative Preis für den „Erhalt des Euro“ wäre dann eine systematische Erosion, Verwässerung und Verschlechterung seines Geldwertes.742

739 Vgl. dazu ausführlich die Studie von Werner et al. (2017, OMF), die ein solches Szenario explizit vorwegnimmt. Zentrale Konsequenz eines solchen „monetary bailout“ wäre die fortschreitende „Verwässerung“ des Finanzsystems durch neu gedrucktes Geld, dessen Werthaltigkeit und reale Kaufkraft immer stärker in Zweifel gezogen würden. Daraus könnte ein spürbarer Ausbruch von Inflation, aber auch eine echte Vertrauenskrise gegenüber „Geld“ und den derzeitigen monetären Institutionen resultieren.

740 Schüller (2012, Eurosystem), S. 25 (Hervorhebung durch Verfasser).741 Interessant sind in diesem Kontext aktuelle Ausführungen von EZB-Direktor Benoit Coeré, der diese These tendenziell

bestätigt und (nach Rückblick auf das bisherige Krisenmanagement der EZB) feststellt: „Aberwirwissennicht,wiedienächsteKriseaussieht.Undwirmöchtennicht,dasssieunsandieGrenzenunseresMandatsführt.“ (Coeré (2017, Überlastung), S. 28).

742 Dieser Effekt würde dann durch Inflation und/oder Abwertung gegenüber anderen Weltwährungen spürbar.

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6.8 Implikationen mit Blick auf „Vermögensschutz“

„Damit weist der Weg von der Währungsunion über die Finanzunion in eine Inflationsunion.“743

Die oben dargelegten Risiko-Betrachtungen und Szenarien sprechen dafür, einen „Euro Break Up“ (in seinen möglichen Varianten) vorerst weiterhin als valides Risikoszenario zu betrachten.

Keinesfalls sollte dieses Thema, nur aufgrund des momentan noch relativ gemäßigten Umfelds oder beruhigender Aussagen europäischer Spitzenpoliti-ker, vorschnell als irrelevant oder unrealistisch ver-worfen oder ganz negiert werden.744

Ein sehr kritisches Warnsignal in diese Richtung gibt auch das neue Buch des renommierten Ökonomen Ashoka Mody, der dem Euro-System weitgehende Dysfunktionalität, gleichzei-tig aber enorme Risiken bescheinigt – sowohl ökonomisch, finanziell und politisch:

„The euro defied the principles of economics. (…) It could do a lot of harm. It could get worse, much worse. That is the EuroTragedy.”745

Auch Müller (2018) stellt zur Relevanz der Ausgangsüberle-gung unmissverständlich fest:

„Wir – und das heißt in diesem Fall Deutschland – sollten uns darauf gefasst machen. Wir brauchen einen Plan für den Worst Case. Denn wie die Dinge liegen, ist es

durchaus möglich, dass die Eurozone in nicht allzu ferner Zukunft auseinanderbricht.“746

Diese Einschätzung lässt es aus Sicht von Investoren und Ver-mögensinhabern als absolut sinnvoll oder sogar zwingend erscheinen, sich die Struktur und möglichen Implikationen des Problems genau zu verdeutlichen und einen eigenen Standpunkt zu entwickeln. Gleichzeitig sollten dazu indivi-duelle Risikowahrscheinlichkeiten abgeleitet werden. Durch laufende Überwachung der relevanten Szenario-Dynamik sollten diese Wahrscheinlichkeiten eng kontrolliert und bei Bedarf überprüft und angepasst werden.747

Als Beitrag zur Überwachung derartiger Risiken kann der bereits dargestellte „Euro Break Up-Indikator“ dienen, der auf Markt-preisen und darin zum Ausdruck gebrachten langfristigen Erwartungen der Finanzmarktteilnehmer basiert. Allerdings ist die von Italien im Mai/Juni 2018 ausgelöste schockartige Episode am europäischen Rentenmarkt ein deutliches Warn- signal, sich nicht zu sehr auf die Prognosekraft kollektiver Markterwartungen zu verlassen: Obwohl bereits Anfang März durch den Wahlausgang in Italien eine Verschärfung der dor-tigen Situation klar zu erwarten war, ignorierten die Finanz-märkte diesen strukturellen und politischen Risikoanstieg zunächst vollständig. Diese (naive) Sorglosigkeit reflektierte sich zunächst auch im anhaltend niedrigen Niveau der markt-basierten Euro Break Up-Wahrscheinlichkeit (vgl. Abb. 29).

Erst Ende Mai 2018 (also rund 10 Wochen zu spät) reagierten die Finanzmärkte höchst alarmiert, was zu einem abrupten, sehr massiven Anstieg der Zinsen und Risikoprämien für italie-nische Staatsanleihen führte (und analog auch zu einem deutli-chen Anstieg des Indikators). (Vgl. dazu die Abb. 2 und 29).

Dieses kollektive Versagen der Finanzmärkte bei einer rela-tiv einfachen Risikoabschätzung ist beunruhigend und sollte als Warnung für künftige Episoden sehr genau zur Kenntnis genommen werden. Rapp (2018) bemerkt dazu kritisch:

743 Schüller (2012, Eurosystem), S. 25.744 Bekanntlich sind es nicht eigene Selbstheilungskräfte, sondern vorwiegend die massive Hilfeleistung der EZB, die zu

diesem „ruhigen“ (wenngleich sehr artifiziellen) Erscheinungsbild beigetragen haben; vgl. dazu analog: Rapp (2017, Herausforderungen).

745 Mody (2018, Eurotragedy), Epilog. 746 Müller (2018, Sollbruchstelle), S. 1.747 Ein entsprechendes „framework“ existiert bereits und wird im Umfeld des Verfassers laufend eingesetzt.

Zukunftsrisiko „Euro Break Up“

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„Wieder einmal haben die Finanzmärkte gezeigt, dass sie zur Einschätzung komplexer Sachverhalte nur ein-geschränkt fähig sind. In Bezug auf strukturelle Risiken der EMU hatten die Märkte bis zuletzt einen blinden Fleck.“748

Entsprechend zeigt Abb. 32 beispielhaft eine alternative Ver-sion eines FERI Euro Break Up-Indikators, der auch strukturelle Risikofaktoren und erweiterte Risikoszenarien reflektieren

kann. Dieser Indikator erfasst unter anderem die Dynamik der TARGET-Salden, was bereits ein deutlich konkreteres Bild potentieller Break Up-Risiken in der EMU zeichnet.749 Trotz eines leichten Rückgangs in den Monaten März bis Mai 2018 (was auf eine kurzfristige Entspannung der TARGET- Salden in diesem Zeitraum zurückgeht), wies dieser Indikator seit 2016 durchgängig auf sehr hohe (strukturelle) „Break Up-Risiken“ hin, was der tatsächlichen EMU-Risikolage offen-kundig eher entspricht (vgl. Abb. 32).

748 Rapp (2018, Euro Break Up-Risiken) [Wörtliches Zitat im angegebenen Beitrag]. 749 Zum grundsätzlichen Konzept des „FERI Euro Break Up-Indikators vgl. bereits: oben, Kap. 6.5; die Modifikationen

gehen zurück auf eigene Analysen und Berechnungen der FERI AG, unter Bezugnahme auf frei verfügbare Daten von EZB und anderen Quellen statistischer oder politischer Erhebungen.

Abb. 32: FERI Euro Break Up-Indikator

00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19

FERI Euro Break Up Indikator (modifiziert) Euro Break Up Wahrscheinlichkeit

FERI Euro Break Up-Indikator vs. Euro Break Up-Wahrscheinlichkeit- Monats- und Tageswerte -

Inde

x in

%

Wah

rsch

einl

ichk

eit i

n %

100

90

80

70

60

50

40

30

20

10

0

100

90

80

70

60

50

40

30

20

10

0

Quelle: FERI, 2018

FERI Euro Break Up Indikator: Der FERI Euro Break Up-Indikator unterscheidet sich konzeptionell von dem rein erwar-tungsbasierten Indikator. Im Gegensatz zu jenem basiert der modifizierte Indikator nicht auf den (oftmals überoptimis-tisch und kurzfristig fehlgeleiteten) Erwartungen der Marktteilnehmer, sondern berücksichtigt primär „harte“ ökonomi-sche Divergenzen, insbesondere das jeweilige Ausmaß und die Verteilung der TARGET-Salden. Beide Indikatoren zeigen zwar einen erkennbaren zyklischen Gleichlauf, aber am aktuellen Rand auch erkennbare Unterschiede: Während der erwartungsbasierte Indikator aktuell (erneut) nur geringes „Break Up-Risiko“ signalisiert, zeigt der modifizierte Indikator anhaltend erhöhte Risikowerte.

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Der mögliche Eintritt eines „Euro Break Up“-Szenarios würde Investoren und Vermögensinhaber mit substantiellen Fragen und schwerwiegenden Vermögensrisiken konfrontieren.750 Der Ausbruch eines solchen Szenarios könnte durchaus einige (oder alle) der nachfolgenden Schritte und Notmaßnahmen auslösen, auf EU-Gesamtebene oder von Seiten einzelner EU/EMU-Regierungen:

• Kapitalverkehrskontrollen im Innen- und Außenverhältnis Europas

• Einschränkungen des Bargeld- und Überweisungsverkehrs innerhalb Europas

• Mögliche „Bankfeiertage“ und Kontensperren (in besonders betroffenen Ländern)

• Erhebung von Sonderabgaben (Vermögens- abgaben, Gewinnabschöpfungen etc.)751

Zusätzlich (oder alternativ) wären großvolumige Interventio-nen und Stabilisierungs-Operationen von Seiten der EZB zu erwarten. Da ein „Euro Break Up“ unmittelbare Auswirkun-gen auf die Struktur des globalen Finanzsystems hätte, wäre darüber hinaus mit ähnlichen Aktivitäten anderer großer Notenbanken zu rechnen. Ein Rückblick auf die Phase der „Großen Finanzkrise“ zeigt die grundsätzliche Tendenz sol-cher Szenarien.752

Doch auch der Eintritt des Szenarios „Transferunion“ wäre aus Sicht von Investoren und Vermögensinhabern nicht trivial. Dieses Szenario würde prinzipiell ein deutlich steigendes fiskalisches Exposure bedeuten, also – direkt oder indirekt – höhere Steuern und andere zweckgebundene Abgaben.

Diese würden dann im Rahmen erhöhter Zahlungs-, Haf-tungs- und Absicherungs-Fazilitäten innerhalb der EMU- Struktur eingesetzt und entsprechend implementiert.

Allerdings spricht aus heutiger Sicht vieles dafür, dass die EMU-Politik sich, wie schon bisher, hauptsächlich auf eine Strategie der „Eventualverbindlichkeiten“ und „Zukunftskosten“ konzentrieren würde:

Durch erweiterte oder neue „Bürgschaften“, „Kredit- absicherungen“ und „Haftungszusagen“ könnten vorhandene Finanzströme innerhalb der EMU deut-lich ausgeweitet werden, ohne dafür bereits heute „sichtbare“ Kosten (in Form höherer Steuern und Abgaben) zu produzieren.

Einige der Vorschläge zur „Vollendung der EWWU“ gehen genau in diese Richtung: wie etwa die „Voll-endung der Bankenunion“, die „Vollendung der Sozialunion“, der „Umbau des ESM“ in eine neue Kre-ditinstanz sowie die Einführung einer eigenständigen „EU-Fiskalkapazität.“753

Es liegt auf der Hand, dass solche Strategien im Zweifel:

• negative Anreize und systemische Risiken in der EMU weiter erhöhen,

• inhärente Probleme damit lediglich verschleppen anstatt zu lösen,

• zukünftige Kosten und Risiken folglich umso sicherer eintreten lassen.

Das allgegenwärtige Problem des negativen „Moral Hazard“ würde in derartigen Konstellationen dafür sorgen, dass be-reitgestellte Transfers, Kreditbürgschaften oder Haftungs- zusagen wohl letztlich nur die bekannten (oder zumindest klar absehbaren) Konsequenzen hätten:

750 Vgl. dazu analog: Stelter (2015, Euro), Stelter (2018, Ende), Warth (2018, Zukunft). 751 Dieser Punkt wäre dann realistisch, wenn im Zuge eines „Euro Break Up“ schlagartig hohe Verlust- und Abschrei-

bungsrisiken einzelner Gläubigerländer zutage treten würden. 752 Vgl. dazu ausführlich etwa: Peukert (2013, Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise).753 Vgl. dazu ausführlich: EU-Kommission (2017, Reflexionspapier); sowie überblickartig bereits: oben, Kap. 5.1-5.2.

Zukunftsrisiko „Euro Break Up“

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• ungehinderte Ausdehnung bereits jetzt überhöhter Staatsverschuldung,

• anhaltend undisziplinierter oder fahrlässiger Umgang mit Gemeinschaftsmitteln,

• Aufbau asymmetrischer oder extrem opportunisti-scher Entscheidungsstrukturen,

• Eingehen überhöhter Fiskal-Risiken ohne Rücksicht auf zukünftige Konsequenzen.

Dem faktischem Missbrauch neuer „Transfers“, „Gemeinschafts- Hilfen“ oder „Absicherungs-Instrumente“ wäre damit erneut Tür und Tor weit geöffnet. Bestehende Probleme der EMU würden somit nicht nur einfach ungelöst „verschoben“, son-dern letztlich in die Zukunft perpetuiert und damit weiter „vergrößert“.

Sollten hingegen im Szenario einer „Transferunion“ die zen-tralen Probleme der EMU ernsthaft adressiert werden, so wäre zumindest mit deutlich erhöhten Transferleistungen „starker“ Länder wie Deutschland zu rechnen:

Diese müssten dann, laufend und dauerhaft, aus ei-genem wirtschaftlichem Einkommen, hohe Transfers an ein „EMU-Finanzausgleichssystem“ oder einen vergleichbaren Umverteilungs- und Subventionie-rungsmechanismus entrichten.754

Aus heutiger Sicht, und vor dem Hintergrund der jüngsten politischen Dynamik in Europa, erscheinen ein solches Vorgehen und dessen Durchsetzung auf der nationalen politischen Bühne in Deutschland mehr als zweifelhaft.755

Trotz der aktuell skeptischen Bewertung des Szenarios „Transferunion“, sowohl in der deutschen Politik als auch in der deutschen Bevölkerung, sollte die Wahrscheinlichkeit für ein solches Szenario keinesfalls unterschätzt werden. Die derzeitige Dynamik deutsch-französischer Beziehungen, insbesondere aber der latente „Risikofall Italien“, machen eine Politik erhöhter finanzieller Zugeständnisse inzwi-schen für Deutschland nahezu unabwendbar:

Wie bereits dargestellt wurde, wären die Kollate-ral-Kosten „alternativer“ Szenarien (darunter ein „Ausstieg“ Deutschlands oder ein echter „Euro Break Up“) inzwischen so hoch, dass wohl jede Regierung versuchen würde, dies „um jeden Preis“ zu verhindern.756

Strategisch denkende Investoren sollten sich somit schon jetzt bewusst auf die skizzierten Szenarien einstellen. Mit Blick darauf sollten gezielt private Risikovorsorge oder aktive Maßnahmen zum individuellen Vermögensschutz eingeleitet werden.

1. „Euro Break Up“: Das Szenario eines unkontrollierten „Bruchs“ der EMU wäre in dieser Betrachtung das am stärksten bedrohliche. Die möglichen Konsequenzen dieses Szenarios können aus heutiger Sicht allerdings nur sehr grob abgeschätzt werden. Wichtig ist an dieser Stelle der historisch gut belegte Hinweis, dass ein „Euro Break Up“ nicht nur durch Austritt der „gro-ßen“ Mitglieder (wie etwa Italien), sondern ebenso durch Austritt eher „kleiner“, aber wirtschaftlich star-ker Mitglieder ausgelöst werden kann.757

Aus diesem und anderen Gründen ist die Wahr-scheinlichkeit für den Eintritt eines solchen Szena-

754 Prinzipiell müsste ein solcher Transfermechanismus die „strukturellen“ Leistungsbilanzdefizite der schwachen Länder dauerhaft kompensieren, also substantielle Summen an die „schwächeren“ oder „defizitären“ EU-Mitglieder transfe-rieren. Dies könnte nach überschlägiger Berechnung Größenordnungen von 5-10 % des BIP der „abgebenden“ Länder erreichen; vgl. dazu bereits: oben, Kap. 5.5, sowie insbesondere: King (2016, Alchemy), S. 232-233 (der von einem laufenden Transfervolumen von 5 % und mehr ausgeht, bezogen auf das BIP der „abgebenden“ Länder).

755 Die Stichworte lauten hier: AfD und FDP als neue kritische Oppositionsparteien, politische Trends in Österreich und den Niederlanden und vieles mehr. Auch der Auftritt neuer Gruppierungen wie der „Hanseatischen Liga“, die sich schon jetzt den ausufernden Transferwünschen der EU-Kommission widersetzen, deutet klar in Richtung zunehmender Verspannungen.

756 Dieses politische Leitmotiv gilt wohl leider selbst dann, wenn dadurch die Zukunftsrisiken sich noch weiter deutlich erhöhen würden. Zu den entsprechenden Zusammenhängen vgl. ausführlich: oben, Kap. 6.1-6.7.

757 Vgl. dazu bereits: oben, Kap. 6.3 sowie 6.6.

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rios wohl deutlich höher, als vielfach unterstellt. Ein „Ausbruch“ des Szenarios würde mutmaßlich von negativen Aktionen der Finanzmärkte induziert, provoziert oder kausal ausgelöst (etwa durch massi-ve Kapitalflucht aus gefährdeten Ländern der EMU). Schockartige Marktreaktionen und/oder spekulative Attacken gegen den Euro, das Euro-Bankensystem und andere Teilbereiche des EMU-Finanzsystems wären dann unmittelbare Konsequenzen, die das EMU-Finanzsystem – ähnlich wie 2010-2012 – an den Rand des Zusammenbruchs (oder darüber hinaus) führen könnten.

Für eine Absicherung gegen dieses Szenario sollten grundsätzlich Vermögenswerte im Geltungsbereich der (deutschen) „Heimatwährung“ konzentriert wer-den, da diese im „Break Up“-Fall annahmegemäß deutlich aufwerten würde.758

Als „ultima ratio“ wäre wohl von einer neuen massiven

monetären Intervention der EZB auszugehen. Von ei-ner „Flutung des Systems“ mit Notenbankgeld, mögli-cherweise sogar im Stil echter „OMF“-Ansätze (also de facto einer massiven Inflationierung), würden primär Sachwert-Anlagen profitieren (Aktien, Immobilien, Beteiligungen, Gold etc.), später möglicherweise auch Anlagen in Fremdwährungen wie Norwegischer Krone, Kanadischem Dollar oder US-Dollar.759

Gleichzeitig sollte mit repressiven staatlichen Maß-nahmen gerechnet werden, insbesondere mit Aus-prägungen wie „Kapitalverkehrskontrollen“, „Vermö-gensabgabe“ oder „Steuererhöhung“ (speziell für wohlhabende Privatpersonen).760

2. „Transferunion“: Das Szenario einer fortschreiten-den „Transferunion“ erscheint aus heutiger Sicht durchaus realistisch. Obwohl aus ökonomischer und

spieltheoretischer Sicht klar negativ einzuschätzen, erscheint ein solches Szenario aus politischer Perspek- tive zunehmend „unvermeidlich“.

Die mutmaßlichen Folgen eines solchen Szena-rios wären zunächst eher „schleichend“: Steigende „Kosten der Gemeinschaft“ würden (in bewährter Manier) zunächst in Form von „Bürgschaften“, „Ga-rantien“ und anderen Instrumenten einer erhöhten „Solidar-Haftung“ dargestellt. Erhöhte Solidarkosten würden so zunächst nicht zahlungswirksam, was eine „geräuschlose“ politische Umsetzung deutlich erleichtern dürfte.

Die Tragfähigkeit eines solchen Systems wäre aller-dings eng begrenzt. Da es im Kern von negativen An-reizstrukturen angetrieben, pervertiert und „dege-neriert“ würde, wäre der Weg zur nächsten großen Systemkrise („Euro-Krise 2.0“) wohl klar vorgezeich-net. Auch in diesem Fall gingen die potentiellen Aus-wirkungen dann einerseits in Richtung „Steuer- und Abgabenerhöhung“, andererseits (und wahrschein- licher) jedoch in Richtung einer neuen massiven monetären Intervention von Seiten der EZB.761

3. „Flexible Union“: Eine „flexible Union“ beschreibt das Szenario einer „atmenden“ Währungsunion, in der fragile Mitglieder „auf Zeit“ aus der EMU austre-ten könnten. Sie könnten, durch die dann einsetzen-de Abwertung, wieder Wettbewerbsfähigkeit zurück-gewinnen und zu einem späteren Zeitpunkt wieder in die EMU eintreten.762

Obwohl theoretisch überzeugend, erscheint dieses Konzept – aus vielen Gründen – weder politisch noch ökonomisch umsetzbar. Entsprechend besitzt dieses Szenario im Rahmen der hier vorgetragenen Überlegun-gen nur eine sehr geringe (Rand-)Wahrscheinlichkeit.

758 Vgl. dazu bereits: oben, Kap. 6.7.759 Diese Schlussfolgerungen entsprechen weitestgehend den Erfahrungen nach der letzten Euro-Krise seit 2010.

Zum Konzept des „OMF“ und dessen möglichen Auswirkungen auf Vermögenspreise vgl. ausführlich: Werner et al. (2017, OMF).

760 Die letztgenannten Annahmen resultieren in diesem Szenario aus der Tatsache, dass der deutsche Staat im „Break Up-Fall“ unmittelbar bedeutende Vermögensverluste erleiden würde.

761 Die möglichen Konsequenzen wären damit weitgehend vergleichbar zum Szenario 1 („Euro Break Up“), könnten aber durchaus deutlich zeitverzögert eintreten.

762 Ein solches Konzept empfiehlt etwa Sinn (2016, Juni), im Rahmen des dort skizzierten EMU-Reformplans.

Zukunftsrisiko „Euro Break Up“

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Sollte sich ein solches Szenario abzeichnen, wäre mit sofortiger massiver Kapitalflucht aus dem be-treffenden Land zu rechnen. Diese müsste durch – ebenso massive – Restriktionen und Kapitalver-kehrskontrollen begrenzt werden, um nicht einen sofortigen Finanz-Kollaps des entsprechenden Lan-des zu riskieren. Folglich müsste ein Investor bei Eintreten eines solchen Szenarios bereits Vorsorge dafür getroffen haben, möglichst keine Anlagen im „virtuellen Währungsraum“ des entsprechenden Landes zu halten.763

4. „Nord Euro“ & „Süd Euro“: Auch dieses Szenario, das eine planvolle Spaltung der heutigen EMU in einen „Nord-Euro“ (insbesondere mit Deutschland, Finn-land und den Benelux-Ländern) sowie einen „Süd- Euro“ (mit Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Griechenland etc.) erfordern würde, ist aus realpoli-tischen Gründen kaum vorstellbar.

Eine solche EMU-Segmentierung würde zwar dem heutigen Stand der EMU, speziell ihren heterogenen ökonomischen Gegebenheiten, deutlich mehr ent-sprechen als das heutige System. Diese Erkenntnis hätte jedoch bereits bei Gründung der EMU beach-tet werden müssen, wo sie jedoch aus Gründen einer „europäischen Staatsraison“ bewusst ignoriert und negiert wurde. Heute dürfte diese Einsicht deutlich zu spät kommen.

Eine nachträgliche Aufspaltung der EMU, des Euro und aller daran inzwischen anknüpfenden Verträge, Transaktionen, Zahlungsströme, Vermögensgegen- stände und Schulden, erscheint schlicht nicht durchführbar, zumindest nicht „planvoll“ und „ra-tional“. Die Umsetzung eines solchen Planes würde so weitreichende Überlegungen und Vorkehrungen erfordern, dass deren Vorbereitung „im Verborge-nen“ kaum möglich wäre. Sobald nur erste Gerüch-te eines solchen Planes in Umlauf kämen, würde ein solches Szenario mit großer Wahrscheinlichkeit

unkontrollierbar eskalieren, also mehr oder we-niger direkt in das Szenario eines „Euro Break Up“ „umkippen“.

Aus Sicht dieser Ausarbeitung hat ein solches Szena-rio deshalb nur eine marginale Restwahrscheinlich-keit. Die daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen und Empfehlungen für Investoren entsprechen weit-gehend den unter 1. („Euro Break Up“) genannten.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die derzeitige Konstellation von EMU und Euro strategisch denkende Inves-toren mit zahlreichen Fragen und Herausforderungen kon-frontiert:

Wie die vorangegangenen Ausführungen deutlich zeigen, sind die Perspektiven für eine positive Wei-terentwicklung der EMU, speziell nach einem abseh-baren Rückzug der EZB als temporärem Stabilisator, derzeit eher skeptisch einzuschätzen.764

Diese Einschätzung gilt trotz des aktuellen politischen „Tauwetters“ zwischen den beiden alten „EMU- Kontrahenten“ Frankreich und Deutschland; sie wird dadurch in langfristiger Betrachtung sogar noch deutlich verstärkt.765

Strategische Investoren sollten sich deshalb schon jetzt mit den potentiellen Risiken der EMU auseinanderset-zen, die sich in den nächsten Jahren deutlich akzentuieren könnten:

Zu den erkennbaren Haupt-Risiken zählt einerseits der schleichende Übergang der EMU in eine fragile „Transferunion“, andererseits deren „Abrutschen“ in ein progressives Szenario von Erosion und Zerfall, mit dem möglichen Endpunkt „Euro Break Up“.

763 Folglich wären die anlagepolitischen Vorkehrungen und Maßnahmen hier weitgehend analog zu Szenario 1 („Euro Break Up“).

764 Analog mahnt auch: Heinemann (2017, EZB-Anleihekäufe), S. 1: „…dass der scheinbaren Stabilität der Euro-Anleihemärkte die wirkliche Bewährungsprobe noch bevorsteht, wenn nämlich die Finanzierungshilfe durch das Eurosystem endet.“

765 Diese Einschätzung folgt der Annahme, dass größere Zugeständnisse an französische Ziele (die häufig identisch sind mit „Visionen“ der EU-Kommission) mittel- bis langfristig die politischen Verspannungen sowie die finanziellen Risiken der EMU eher erhöhen als senken dürften; zur Herleitung vgl. ausführlich: oben, Kap. 3, 4 und 5.

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Die Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit die jeweili-gen Risikoszenarien eintreten können, ist mit heutigem Wissensstand objektiv nur schwer zu beantworten.

Allerdings spricht die hier vollzogene, sehr weitrei-chende Problemanalyse dafür, die genannten Risiko- szenarien ernst zu nehmen und im Rahmen einer langfristigen Vermögensschutz-Strategie aktiv und fortlaufend einzubeziehen.

Abb. 33 stellt die wichtigsten Ausgangsszenarien, deren mög-liche Konsequenzen sowie die aus heutiger Sicht erkennbaren Wahrscheinlichkeiten zusammenfassend dar. Sie ermöglicht damit sowohl einen grundlegenden Überblick über die maß-geblichen Risikoszenarien als auch eine grobe Abschätzung möglicher Vorkehrungen und Schutzmaßnahmen.766

766 Die genannten Wahrscheinlichkeiten basieren auf Einschätzungen zum Referenz-Zeitpunkt 2018; spätere Verände-rungen dieser Wahrscheinlichkeiten sind nicht nur möglich, sondern sogar extrem wahrscheinlich. Insbesondere eine Verschiebung von Szenario 2 zu Szenario 5 erscheint im Zeitablauf sehr plausibel; vgl. dazu und zur Annahme einer entsprechenden „Szenario-Mutation“ grundlegend bereits: oben, Kap. 6.4-6.5. Anmerkung: Gegenüber dem Stand der ersten Auflage dieser Analyse haben sich diverse Szenario-Wahrscheinlichkeiten bereits leicht verändert, nicht zuletzt aufgrund der neuen politischen Konstellation in Italien.

Abb. 33: Fünf Szenarien für die Zukunft der EMU

Funktionsfähige und reformierte EMU („stabile EMU“)

– Ökonomische Tragfähigkeit– Geringe Krisenanfälligkeit– Potential für Systemeffizienz– Stabile Währungsgrundlagen

S Z E N A R I O Konsequenzen Wahrsch.

0 %1

Degenerierte und transferbasierte EMU („fragile EMU“/„Transferunion“)

– Laufende Transferzahlungen– Hohe System-Ineffizienzen– Pathologische Anreizwirkung– Problem-Perpetuierung

40 %2

Austritt einzelner EMU-Mitglieder(„atmende EMU“)

– Disziplinierende Wirkung– Aktive „Selbstheilungskräfte“– Mögliche Marktverwerfungen– Restriktive Markteingriffe

15 %3

Spaltung in „Nord-Euro“ und „Süd-Euro“(„EMU-Spaltung“)

– Ökonomisch sinnvolle Logik – Politisch toxische Effekte – Geringe Realisierbarkeit– Hohe Umsetzungsrisiken

5 %4

Abrupter und krisenhafter Zerfall der EMU („Euro Break Up“)

– Eskalation systemischer Risiken– Entladung als multiple Schocks – Massive Marktverwerfungen– Repressive Markteingriffe

40 %5

Quelle: FERI Cognitive Finance Institute, 2018

Mut

ation

mög

lich

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Mit Blick auf das europäische Prestigeprojekt „EMU“ gab der große Denker, Staatsmann und Philosoph Ralf Dahrendorf schon 1995 folgendes, sehr nachdenklich stimmende Urteil ab:

„Die Währungsunion ist ein großer Irrtum, ein abenteuerliches, waghalsiges und verfehltes Ziel, das Europa nicht eint, sondern spaltet.“767

Diese Aussage zeugt von bemerkenswerter Klarheit und tiefer Einsicht in die inneren Widersprüche einer Europä-ischen Währungsunion; sie ist zugleich aber auch ein sel-tenes Beispiel für den Mut, unbequeme Wahrheiten mit voller Überzeugung öffentlich zu äußern.

Die von Dahrendorf (1995) vorhergesehene „Spaltung“ Europas durch den Euro kann heute, speziell nach der öko-nomischen und politischen Nahtod-Erfahrung der „Euro- Krise“, als ebenso weitsichtiges wie zutreffendes Bild inter-pretiert werden.

Stellvertretend für viele resümiert aus heutiger Sicht Sinn (2016):

„… der Euro und die mit ihm bis heute verbundenen po-litischen Maßnahmen haben sich nicht als Friedens- und Integrationswerk, sondern als Krisentreiber und Herd des Unfriedens gezeigt.“768

In gleicher Weise beklagt auch Nobelpreisträger Stiglitz (2016):

„Der Euro hat keines seiner beiden wichtigsten Ziele – Wohl-stand und politische Integration – erreicht: Diese Ziele liegen heute in weiterer Ferne als vor der Gründung der Eurozone. Statt in Frieden und Eintracht zu leben, begegnen sich die Länder Europas heute mit Misstrauen und Wut.“769

Obwohl Dahrendorfs weitsichtige Analyse sich in der euro-päischen Realität zunehmend als richtig erweist, findet ein kritischer Diskurs – oder gar eine offene Diskussion – zu den Grundproblemen und möglichen Zukunftsrisiken der EMU heute kaum noch statt:

Der von Dahrendorf gezeigte Mut, „politisch nicht korrekte“ Aussagen zum Status und der möglichen Zukunft des „Pro-jekts EWWU“ zu treffen, ist heute kaum noch vorhanden.

Zahlreiche renommierte Kritiker der EMU – aus Wissen-schaft, Politik oder Wirtschaft – wurden im politisch- medialen „Mainstream“ marginalisiert, kritische Sach- argumente durch oftmals naive „Pro Europa“-Parolen neutralisiert.770

Sinn (2016) konstatiert frustriert:

„Die Politiker in Europa (…) treffen Entscheidun-gen, von denen sie glauben oder glauben machen möchten, sie würden den Einigungsprozess voran-bringen. Das Gegenteil tritt ein. Und doch korrigiert kaum jemand den beschrittenen Weg. Fast will es scheinen, als könne niemand mehr dazulernen.“771

7 Fazit

767 Dahrendorf (1995, Korb), S. 28 (Hervorhebung durch Verfasser). Alternative Nachweise bei Sinn (2012, Target-Falle), S. 31; sowie bei Becker und Fuest (2017, Odysseus-Komplex), S. 32.

768 Sinn (2016, Juni), S. 18. 769 Stiglitz (2016, Europa), S. 35.770 Zu den prominenten Kritikern zählen etwa die Ökonomie-Professoren Sinn, Lucke, Hankel, Starbatty, Nölling, Ohr und

Vaubel. Andere Kritiker, die teilweise auch Verfassungsklagen gegen die EMU erhoben, sind der Rechtswissenschaftler Schachtschneider, der Bundestagsabgeordnete und Jurist Gauweiler oder die ehemaligen Top-Manager Spethmann und Henkel. Eine kritische Bestandsaufnahme dazu findet sich bei: Plickert (2017, Euro-Kritiker).

771 Sinn (2016, Juni), S. 18.

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Offensichtlich befindet sich heute, rund 18 Jahre seit Grün-dung, die Europäische Währungsunion – und damit ein er-heblicher Teil des europäischen Kontinents – in einer schwie-rigen Situation:

Die zahlreichen Geburtsfehler, Divergenzen und Bruchlinien der EMU wurden im Laufe der letzten Jahre nicht kleiner, sondern entwickelten vielfach enorme Sprengkraft, die jedoch teilweise verdeckt wird und (noch) nicht immer offen zutage tritt.772

Der Ausbruch der Euro-Krise im Jahr 2010 hat die-sen kritischen Befund nicht nur nachdrücklich be-stätigt, sondern – auf dem Umweg über zahlreiche „Rettungspakete“ – vielfach noch weiter verstärkt.773

Viele grundsätzliche Überlegungen im Rahmen dieser Analyse lassen darauf schließen, dass die EMU und der Euro in ihrer derzeitigen Form weder stabil noch dauerhaft überlebensfähig sind. Einschneidende Refor-men und fundamentale Änderungen von Architektur und Statik der EMU wären erforderlich, um diese Ansprüche tatsächlich zu erfüllen und abzusichern.

Wie die Analyse in vielen Punkten deutlich macht, wurde je-doch – trotz wohlfeiler Lippenbekenntnisse – bisher nur we-nig Grundlegendes unternommen. Architektur und Statik der EMU waren von Beginn an fehlerhaft und erscheinen heute in zahlreichen Punkten extrem fragil, die politische und öko-nomische Divergenz in Kerneuropa schreitet voran, und der Reformeifer erschöpft sich in wolkigen Thesen zur „Neugrün-dung Europas“.774

Entsprechend liegt seit der Euro-Krise die gesamte Last einer EMU-Stabilisierung bei der EZB, die sich zu einer immer abenteuerlicheren „Geld“-Politik gezwungen sieht und deren Warnrufe an die Politik oft nur als rhetorische Inszenierung belächelt werden.

Der Ausgang der deutschen Bundestagswahl, mit Neu-auflage der unbeliebten „Großen Koalition“, zunehmen-den internen Konflikten und deutlich aktiverer politi-scher Opposition, erzeugt erhöhte Unsicherheit, was die politische Reform-, Handlungs- und Gestaltungs- fähigkeit der EMU schwächt und so die Fragilität der EMU insgesamt erhöht.

Schon sehr bald muss sich zeigen, ob „die Politik“ die grundlegenden Probleme der EMU tatsächlich erkennt und diese sowohl glaubwürdig als auch in-haltlich sinnvoll und langfristig tragfähig adressieren kann. Nach allen bisherigen Erfahrungen scheinen Zweifel hier durchaus angebracht.

Als neues, potentiell sehr ernstes Risiko muss das Dilemma der „Zeitbombe Italien“ eingeschätzt werden, das sich schon in naher Zukunft zu einem existentiellen Problem der EMU entwickeln dürfte.

Vor dem Hintergrund dieses komplexen und extrem viel-schichtigen Problemhintergrunds besteht das Ziel dieser Ausarbeitung primär darin, ein „ungeschminktes“ und rea-listisches Bild der heutigen EMU zu zeichnen. Aufbauend auf einer genauen Analyse der politischen und ökonomischen Vorgeschichte wurden zunächst die zentralen Probleme und „Bruchlinien“ der EMU identifiziert.

Daran anschließend wurden aktuell vorhandene, vor allem aber zukünftige, latent zunehmende Risiken der EMU heraus-gearbeitet und – soweit absehbar – hinsichtlich ihrer wichtigs-ten Konsequenzen und möglichen toxischen „feedback-Effekte“ erörtert. Der Komplex der „TARGET-Salden“ wurde dabei als ein zentrales und zunehmend gefährliches Kernproblem iden-tifiziert, speziell in Kombination mit spieltheoretisch gefähr- lichen Drohpotentialen.

Auch die unklare und ambivalente Rolle der EZB, einerseits als „Garant des Euro“, andererseits als „Bremser von Reformen“, wurde ausführlich problematisiert. Ein weiterer wichtiger Aspekt lag in der Analyse inhärenter Anreizprobleme und spieltheoretisch motivierter Verhaltensrisiken (Moral Hazard) innerhalb der EMU.775

772 Vgl. dazu ausführlich: oben, Kap. 3 und 4.773 Zu den hier nur angedeuteten „neuen“ Risiken vgl. ausführlich: oben, Kap. 5 und 6.774 Vgl. dazu, unter Bezug auf den neuen französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron, insbesondere: oben,

Kap. 2.5 sowie 5.6 und 5.7. 775 Vgl. zu den letztgenannten Aspekten insbesondere: oben, Kap. 6.3.

Zukunftsrisiko „Euro Break Up“

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Die aus dieser Analyse resultierenden Ergebnisse und Schlussfolgerungen sind in vielen Punkten ernüch-ternd und sollten als klare Warnung vor Sorglosigkeit im Hinblick auf Euro und EMU dienen. Trotz des bislang noch ruhigen Erscheinungsbilds der EMU (primär von der EZB mit neu gedrucktem Geld „erkauft“) und „frischen Windes“ für das deutsch-französische Tandem sollten die Risiken einer anhaltenden Erosion und/oder erneuten Krise der EMU weiterhin sehr ernst genommen werden.

Mody (2018) bestätigt diesen skeptischen Befund in Gänze und stellt unmissverständlich fest:

„A new crisis – and there will always be a new crisis – will test the eurozone severely, especially if, as is likely, Italy is the epicenter of the crisis.

Political divisions will deepen as financial tensions un-fold, and the crisis could tear through the eurozone’s financial safety nets.”776

Die Ausarbeitung geht explizit auf derartige Risiken ein und beschreibt diese anhand spezifischer Risikoszenarien. Die Analyse zieht daraus den Schluss, dass eine zwangsweise Umwandlung der EMU in eine „fragile Transferunion“ das vorerst wahrscheinlichste Szenario darstellt:

Aus Sicht wirtschaftlich starker EMU-Mitglieder wie Deutschland würde dies sowohl eine signifikante Erhöhung der „Mitgliedskosten“ (über implizite oder explizite Finanztransfers) als auch eine deutliche Zunahme latenter Zukunftsrisiken bedeuten (über implizite oder explizite Haftungsrisiken sowie latent steigende „Break Up“-Kosten).

Trotz zahlreicher komplexer Fehlanreize und patho-logischer Moral Hazard-Effekte könnte ein solches System noch für einige Zeit scheinbar funktionie-ren; dies jedoch nur bei laufend erhöhten „System-kosten“ und mit dem latenten Risiko eines später folgenden finalen „Break Up“.777

Folgerichtig geht die Analyse unter dem Stichwort „Euro Break Up“ ausführlich auch auf das „Worst Case“-Risiko- szenario eines „Zerfalls“ der EMU ein. Die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines solchen Szenarios scheint zwar vorerst noch begrenzt. Dennoch – und dies ist wichtig – deuten zahl-reiche dynamisch wirkende System-Variablen und patho-logische Anreiz-Mechanismen in Richtung einer stetigen Zunahme dieser Wahrscheinlichkeit in der Zukunft.778

Ein späterer (abrupter oder schleichender) Übergang aus dem „Transferunion“-Szenario in ein „Break Up“-Szenario erscheint vor dem vorliegenden Hintergrund nicht unrealistisch. Rogoff (2017) warnt diesbezüglich bereits unmissverständlich:

„…the status quo is probably notsustainable; even-tually, there must be either significantly greater fiscal integration or a chaotic break-up.”

„It is astonishingly naive to think the euro will not face further real-life stress tests over the next 5-10years, if not sooner.”779

Interessant sind in diesem Kontext die Erfahrungen aus frühe-ren Währungsunionen, die vielfach durch den Austritt „kleiner“, aber ökonomisch starker Mitgliedsländer beendet wurden. Vergleichbare Szenarien würden für die EMU eine erhöhte Aus-trittswahrscheinlichkeit von Ländern wie Finnland, Österreich oder den Niederlanden implizieren (die neue Formation einer „HanseatischenLiga“ sendet bereits erste unmissverständliche Signale in diese Richtung).780

776 Mody (2018, Eurotragedy), Epilog.777 Vgl. dazu ausführlich: oben, Kap. 6. In diese Richtung geht auch die Analyse von Berthold (2017, Euro-Kritiker), der glaubt,

dass die Währungsunion trotz aller Spannungen vorerst Bestand haben wird: „Sie ist primär ein politisches Projekt. Der politische Druck ist so groß, dass man damit in den nächsten Jahrzehnten leben muss.“

778 Vgl. dazu insbesondere: oben, Kap. 6.5 bis 6.7.779 Rogoff (2017, Eurozone), (Hervorhebungen durch Verfasser).780 Vgl. sinngemäß auch: Rapp (2018, Bruchlinien): „Sollten Länder wie Österreich, Finnland, Irland oder die Niederlande – aus

gutem Grund – die zentralistischen Pläne der EU-Kommission anhaltend blockieren, käme die fragile Statik der Währungsunion weiter unter Druck.“ Vgl. dazu bereits: oben, Kap. 5.7, 6.3, 6.5 und 6.6. Es ist bemerkenswert, dass weder diese Analogie noch die daraus resultierenden Überlegungen bisher in aktuellen EMU-Risikoszenarien ernsthaft thematisiert wurden.

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Die Untersuchung kommt zudem zu der Erkenntnis, dass die impliziten Kosten eines möglichen „Euro Break Up“ in den letzten Jahren signifikant gestiegen sein dürften, nicht zuletzt durch die missbräuchliche und systemgefährdende Ausweitung der sogenannten TARGET-Salden.781

Paradoxerweise könnte genau dieses Phänomen dazu füh-ren, dass die EMU länger existieren kann, als eigentlich zu vermuten wäre. Die Aussicht auf prohibitiv hohe oder sogar ruinöse „Break Up-Kosten“ wäre für jeden Politiker ein Motiv, um zumindest diejenigen Minimum-Schritte vor-zunehmen, die einen „Break Up“ gerade noch verhindern können.782 Die aktuellen Verhaltensweisen und Kalküle von Italien (die spieltheoretisch sehr klar identifizierbar sind), dürften genau diesen potentiellen „weakspot“ bei anderen EMU-Ländern zum Ziel haben.783

Aus Sicht von Investoren und Vermögensinhabern, an die diese Analyse sich primär richtet, besteht mit Blick auf die EMU und die Zukunftsfähigkeit des Euro weiterhin ein unübersichtliches und schwer prognostizierbares Bild.

Dennoch sollten die möglichen Zukunftsrisiken der EMU, die sowohl das Szenario einer „Transferunion“ als auch eines „Euro Break Up“ umfassen, sehr ernst genommen, über-wacht und laufend bewertet werden. Die Analyse gibt dazu entsprechende Hilfestellungen, sowohl in Form spezifischer Risikoindikatoren als auch möglicher szenariospezifischer Handlungsoptionen.

Zusammenfassend resultiert für die EMU ein anhal-tend skeptisches Bild, das Optimismus oder gar blindes Vertrauen in ihre Zukunft kaum rechtfertigen kann.

Sinn (2014) stellt dazu fest:

„Gerade beim Euro sehen wir also: Die Politik kann nicht auf Dauer gegen die ökonomischen Gesetze funktionieren.“784

Dennoch ist und bleibt die EMU ein zutiefst politisches Spielfeld, und deshalb gilt auch:

„Der Euro ist mehr als nur eine Währung. Er ist ein politisches und wirtschaftliches Projekt.“785

Folglich wird sich die Zukunft der EMU und des Euro im stän-digen Wettstreit oder sogar existenziellen Konflikt zwischen den mächtigen Gesetzen der Ökonomie und einem ebenso machtvollen Gestaltungsanspruch der Politik entscheiden. Zur Vorsicht sollte mahnen, dass in der Vergangenheit fast immer die Ökonomie diesen Kampf gewonnen hat.786

Dem kritischen Fazit von Stiglitz (2016) ist deshalb nichts hinzuzufügen:

„Heute ist klar, dass die Eurozone und der Euro – sowohl die Struktur als auch die Politik – tiefgrei-fend reformiert werden müssen, wenn das europä-ische Projekt gerettet werden soll.“787

Allerdings formuliert der renommierte Harvard-Öko-nom Kenneth Rogoff (2017) diese These, wohl für Politiker, Träumer und sonstige Realitätsverweigerer, noch etwas drastischer:

„Die Eurozonemuss sich reformieren – oder siewirduntergehen.“788

781 Vgl. dazu insbesondere: oben, Kap. 4.5 sowie 6.1 bis 6.7. 782 Zyniker könnten dazu bemerken, dass genau das die Strategie von EZB-Chef Draghi war, als er eine erneute massive

Ausweitung der TARGET-Salden mehr als nur billigend in Kauf nahm. 783 Vgl. dazu ausführlich bereits: oben, Kap. 6.3. 784 Sinn (2014, Gefangen), S. 16.785 EU-Kommission (2015, Wirtschafts- und Währungsunion), S. 4.786 Schlagende Beispiele für diese These sind etwa der Zusammenbruch der ehemaligen Sowjetunion 1989 oder der

zwangsweise Austritt des britischen Pfunds aus dem EWS 1992. 787 Stiglitz (2016, Europa), S. 21.788 Rogoff (2017, Eurozone), (Hervorhebung durch Verfasser).

Zukunftsrisiko „Euro Break Up“

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Bisherige Publikationen im FERI Cognitive Finance Institute:

2017 Paper

Network Based

Financial Markets

Analysis

Carbon Bubble und Dekarbonisierung

Overt Monetary Finance (OMF)

Die Rückkehr des Populismus

KI-Revolution in der Asset & Wealth Management Branche

Network Based Financial Markets Analysis

Zwischen Populismus und Geopolitik

„Neue Weltordnung 2.0“

Zukunftsrisiko „Euro Break Up“

Die Transformation zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft

Wird China zur Hightech-Supermacht?

Kryptowährung, Cybermoney, Blockchain

Dekarbonisierungsstrategien für Investoren

Innovation in blockchain-based business models and applications in the enterprise environment

2017 Studien

Carbon Bubble und

Dekarbonisierung

Unterschätzte Risiken für Investoren

und Vermögensinhaber

„Doch der britische Notenbankchef Mark Carney, Finanzinstitute wie das FERI Cognitive

Finance Institute, die UN-Klimachefin Christiana Figueres oder auch die Naturschützer

des World Wide Fund for Nature (WWF) warnen inzwischen vor der „Carbon Bubble“ […].“

Claudia Kemfert, Energieökonomin und Abteilungsleiterin DIW im Manager Magazin vom 08.05.2017

Zukunftsrisiko

„Euro Break Up“ Hintergründe, aktuelle Entwicklungen

und mögliche Konsequenzen

„Angesichts des fortgesetzten Missbrauchs der Geldschöpfungsmaschinerie des Eurosystems

stellt sich die Frage immer drängender, wie lange ein Land wie Deutschland noch am Eurosystem

festhalten kann und wird. (…) Es mag richtig sein, dass man den Euro durch eine Transferunion

retten kann. Die Frage, ob man nicht lieber Europa retten sollte, ist mit dieser Erkenntnis noch

nicht beantwortet.“

Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Werner Sinn, Präsident a.D. des ifo Instituts, Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München

(Stellungnahme für das FERI Cognitive Finance Institute zur vorliegenden Studie, Februar 2018)

2018 Studien

Kryptowährung,

Cybermoney, Blockchain

2018 Paper

Diese und noch weitere themenspezifische Veröffentlichungen haben wir auf unserer Webseite hinterlegt: www.feri-institut.de

Zwischen Populismus und GeopolitikDie "Neue Türkei" im Spannungsfeld des 21. Jahrhunderts

Die Transformation zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft Auswirkungen auf Sektoren und Bedeutung für Investoren

„Finanzielle Renditen und Nachhaltigkeit schließen sich nicht aus. Sie ergänzen sich vielmehr.

Nachhaltigkeit führt zu einer Anlagestrategie, die gewisse Risiken ausschließen kann.“

Prof. Dr. Lars Tutt (Evangelische Kirche Rheinland), COP23 Side-Event 15. November 2017, Bonn

Dekarbonisierungs-strategien für Investoren

„Neue Weltordnung 2.0“Die Welt nach BREXIT und TRUMP

Wird China zur Hightech-Supermacht? Verschiebung globaler Kräfteverhältnisse

Innovation in blockchain-based business models and applications in the enterprise environment

Overt Monetary

Finance (OMF)

and its Implications Blessing or Curse?

„Die Geldpolitik in Europa ist fehlgeleitet, stellt eine Studie des FERI Cognitive Finance

Institutes fest, die in Zusammenarbeit mit Richard Werner, Professor für Internationales

Bankwesen an der University of Southampton und Begründer des QE-Begriffs, erstellt wurde.“

Bankmagazin vom 01.08.2017

Die Rückkehr des Populismus Hintergründe, Mechanismen und Konsequenzen

„Der derzeit aufkommende Populismus birgt massive Gefahren für die politische und

wirtschaftliche Stabilität in der westlichen Welt. Die Ursachen dieser Entwicklung zu

verstehen und Konzepte zur Eindämmung des Populismus zu entwickeln ist von hoher

Bedeutung. Diese spannende Studie leistet dazu einen wichtigen Beitrag.“

Prof. Dr. Dr. h.c. Clemens Fuest, Präsident ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V.

KI-Revolution in der Asset & Wealth Management-Branche Eine realistische Einschätzung intelligenter Methoden zur Verarbeitung komplexer Daten

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Erkennen ist mehr als Sehen Erkenntnisgewinn beruht auf Vernetzung. Wir bringen hochkarätige Experten zusammen und analysieren systemrelevante Themenstellungen. Das FERI Cognitive Finance Institute versteht sich als kreativer Think Tank und beantwortet wirtschaftliche und strategische Fragestellungen.Vorausschauend.Innovativ.Strategisch.

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Erkenntnisse der Cognitive Finance ISSN 2567-4927

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