Aktuelle Rechtsprechung zum Kündigungsrecht und zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen Olaf...

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Aktuelle Rechtsprechung zum Kündigungsrecht und zur Beendigung von

Arbeitsverhältnissen

Olaf Möllenkamp Richter am Arbeitsgericht Lübeck

Programm

Kündigungsrecht

1. Allgemein Voraussetzungen

2. Betriebsbedingte Kündigung

3. Personenbedingte Kündigung

4. Verhaltensbedingte Kündigung

5. Sonderkündigungsschutz

6. Abmahnung

7. Änderungskündigung8. Sonstiges

Programm

Befristungsrecht

(Aufhebungsverträge, Taktik)

Kündigungsrecht

Allgemeine Voraussetzungen der Kündigung

KündigungsrechtAllgemeine Voraussetzungen

Bestimmtheit einer ordentlichen Kündigung I

BAG Urt. v. 20.06.2013 – 6 AZR 805/11

• es muss erkennbar sein, wann das Arbeitsverhältnis enden soll

• Angabe des Termins oder der Frist ausreichend• Hinweis auf gesetzliche Frist reicht aus

KündigungsrechtAllgemeine Voraussetzungen

Bestimmtheit einer ordentlichen Kündigung II

BAG Urt. v. 15.05.2013 – 5 AZR 130/12

• zu kurze Kündigungsfrist nur innerhalb der Drei-Wochen-Frist umdeut-/anfechtbar

• „fristgemäß zum …“ mit fehlerhafter Angabe ist auslegbar, wenn Arbeitnehmer erkennen kann, dass Arbeitgeber korrekte Frist will

• kein Verstoß gegen Bestimmtheitsgebot, wenn (nur) gesetzliche Kündigungsfristen anwendbar und mit einfachem Rechenschritt ermittelbar

KündigungsrechtAllgemeine Voraussetzungen

Berechnung der Betriebsgröße - Leiharbeiter

BAG Urt. v. 24.01.2013 – 2 AZR 140/12

• Leih-AN zu berücksichtigen, sofern Einsatz auf „in der Regel“ vorhandenem Personalbedarf beruht

• zu berücksichtigen, soweit mit ihnen ein regelmäßiger Beschäftigungsbedarf abgedeckt wird

• Rückblick und Blick auf zukünftige Entwicklung der Beschäftigungslage ist maßgeblich

KündigungsrechtAllgemeine Voraussetzungen

Leiharbeit und Vorbeschäftigung

LAG Nds. Urt. v. 05.03.2013 – 12 Sa 50/13

• die Tätigkeit als Leiharbeitnehmer für einen Entleiherbetrieb gilt nicht als Vorbeschäftigung i.S.v. § 1 Abs. 1 KSchG bei erfolgter Übernahme

KündigungsrechtAllgemeine Voraussetzungen

Kündigung durch vollmachtlosen Vertreter

BAG Urt. v. 09.06.2012 – 2 AZR 858/11

• Fristlauf für Erhebung der Kündigungsschutzklage bei Vertreter ohne Vertretungsmacht erst ab Zugang der Genehmigung des Arbeitgebers bei Arbeitnehmer

• Zurechenbarkeit erst ab Genehmigung

KündigungsrechtAllgemeine Voraussetzungen

Konsultationsverfahren bei Massenentlassung

BAG Urt. v. 21.03.2013 – 2 AZR 60/12

• fehlendes Konsultationsverfahren mit dem BR nach § 17 Abs. 2 KSchG führt zur Rechtsunwirksamkeit der Kündigung wegen Gesetzesverstoßes

• Konsultationsverfahren ist eigenständige Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung

• auch das Fehlen oder die ungenügende Abgabe einer Massenentlassungsanzeige führt zur Unwirksamkeit

KündigungsrechtAllgemeine Voraussetzungen

Zugang der Kündigung während des Urlaubs

BAG Urt. v. 22.03.2013 – 2 AZR 224/11

• an die Heimatanschrift des Arbeitnehmers gerichtete Kündigung auch dann zugegangen, wenn Arbeitgeber urlaubsbedingte Ortsabwesenheit kennt

• ein Irrtum über die Fristberechnung kann nur bei fehlendem Verschulden zur nachträglichen Klagzulassung führen

KündigungsrechtAllgemeine Voraussetzungen

Treuwidrigkeit bei Formverstoß des Aufhebungsvertrags

LAG Hessen Urt. v. 22.03.2013 – 13 Sa 845/12

• i.d.R. kann sich eine Partei auf die Einhaltung des Schriftform des § 623 BGB berufen

• dies gilt nicht, wenn sich die Berufung zu einem vorausgegangenen Verhalten in Widerspruch setzt und die Partei der Endgültigkeit und Verbindlichkeit der Regelung besonderen Ausdruck verliehen hat

Kündigungsrecht

Betriebsbedingte Kündigung

KündigungsrechtBetriebsbedingte Kündigung

Vorübergehender Arbeitsmangel

BAG Urt. v. 23.02.2012 – 2 AZR 548/10

• keine dringenden betrieblichen Erfordernisse, wenn Reduzierung des Arbeitskräftebedarfs nicht absehbar dauerhaft

• kurzfristige Produktions- und Auftragsschwankungen müssen nach Arbeitgebervortrag ausgeschlossen sein

• Kurzarbeit spricht gegen einen dauerhaften Arbeitsmangel

KündigungsrechtBetriebsbedingte Kündigung

Wegfall einer Hierarchieebene

BAG Urt. v. 24.05.2012 – 2 AZR 124/11

• läuft die unternehmerische Entscheidung auf den Wegfall einer Hierarchieebene oder eines einzelnen Arbeitsplatzes hinaus, muss der Arbeitgeber erläutern, in welchem Umfang die bisherigen Arbeiten entfallen

• die Auswirkungen der unternehmerischen Entscheidung auf das erwartete Arbeitsvolumen müssen in einer schlüssigen Prognose im Einzelnen dargestellt werden

KündigungsrechtBetriebsbedingte Kündigung

Sozialauswahl in einem AÜ-Unternehmen

BAG Urt. v. 20.06.2013 – 2 AZR 271/12

• kann der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit und Ausbildung die zwar andere, aber gleichwertige Tätigkeit ausüben, ist er im Rahmen der Sozialauswahl vergleichbar

• im Einsatz befindliche Leiharbeitnehmer sind mit einsatzfreien Leiharbeitnehmern im Rahmen der Sozialauswahl grundsätzlich vergleichbar

KündigungsrechtBetriebsbedingte Kündigung

Darlegungslast bei IA mit Namensliste

BAG Urt. v. 27.09.2012 – 2 AZR 516/11

• der Arbeitnehmer muss darlegen und beweisen, dass sein Arbeitsplatz noch vorhanden ist oder wo er sonst im Betrieb oder Unternehmen weiterbeschäftigt werden kann

• Anknüpfungstatsachen für die gesetzliche Vermutung sind vom Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen (Vermutungsbasis)

• hiergegen ist nur der Beweis des Gegenteils zulässig; nur Zweifel reichen nicht aus; greifbare Anhaltspunkte notwendig

• Arbeitnehmer muss Informationsmöglichkeiten ausschöpfen

KündigungsrechtBetriebsbedingte Kündigung

Änderung einer Auswahl-RL durch IA mit Namensliste

BAG Urt. v. 24.10.2013 – 6 AZR 854/11

• die Abweichung von einer Auswahl-Richtlinie durch Interessenausgleich mit Namensliste ist zulässig

KündigungsrechtBetriebsbedingte Kündigung

Interessenausgleich bei Insolvenz

BAG Urt. v. 18.10.2013 – 6 AZR 289/11

• Einsatz von Leih-AN als externe Personalreserve zur Abdeckung von Vertretungsbedarf stellen i.d.R. keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit dar

• im IA mit Namensliste zugelassene Leih-AN-Quote von 10% widerlegt nicht die Vermutung des § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO

KündigungsrechtBetriebsbedingte Kündigung

Überprüfung der unternehmerischen Entscheidung

BAG Urt. v. 22.11.2012 – 2 AZR 673/11

• unternehmerische Entscheidung nur offensichtliche Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür überprüfbar

• kein Absehen von Fremdvergabe wenn von Kündigung betroffene Arbeitnehmer überwiegend ordentlich nicht kündbar

• Vorrang tariflicher Anpassungsmöglichkeiten sind zu nutzen; erst dann außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist nutzbar

KündigungsrechtBetriebsbedingte Kündigung

Weiterbeschäftigung in ausländischem Betrieb

BAG Urt. v. 29.08.2013 – 2 AZR 809/11

• ein freier Arbeitsplatz eines Betriebes im Ausland gilt nicht als freier Weiterbeschäftigungsarbeitsplatz i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG

• § 23 KSchG gilt nur in Bezug auf inländische Betriebsstätten

Darlegungs- und Beweislastbei der betriebsbedingten Kündigung

Darlegungslast:

• Wer muss den Sachvortrag überhaupt leisten, aus dem sich der gerichtliche Prüfungsumfang

ergibt?

Beweislast:

• Wer muss den Sachvortrag beweisen, wenn die geschilderten Umstände streitig sind?

im Kündigungsschutzprozess grundsätzlich der Arbeitgeber

Darlegung:

• Strukturelle Darstellung des kündigungsrelevanten Sachverhalts

Beweismittel nach ZPO:

• Zeugen

• Sachverständige

• Augenschein

• Urkunden

• Parteivernehmung

„Vorfeldarbeit“ des Arbeitgebers vor Ausspruch der Kündigung:

• Fristberechnung

• Zustimmungs- und Anhörungserfordernisse

• Schriftformerfordernis (§ 623 BGB)

• kein Begründungserfordernis

• Hinweispflichten im Kündigungsschreiben

• Zugangsnachweis

• Absicherung für Kündigungsschutzprozess

Absicherung für Kündigungsschutzprozess

• sorgfältiges rechtliches Durchdenken der beabsichtigten Kündigung

• Dokumentation von Entscheidungsgrundlagen

• schriftliche Niederlegung von unternehmerischen Entscheidungen

• Bitte an mögliche Zeugen, sich Notizen vom Vorgang zu machen

Struktur der betriebsbedingten Kündigung

1. Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse, die den Beschäftigungsbedarf im Betrieb vermindert haben

2. keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit

3. fehlerfreie Sozialauswahl

Konzept der abgestuften Darlegungs- und Beweislast

1. Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse

2. keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit

3. fehlerfreie Sozialauswahl

Arbeitgeber

Arbeitnehmer

Arbeitnehmer

Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse

Ausgangspunkt:

nicht: Umsatzrückgang, Auftragswegfall, Gewinneinbruch, Lizenzentzug, Insolvenz o.ä.

Überhang an Arbeitskräften

Arbeitgeber

Überhang an Arbeitskräften

außerbetriebliche Gründe innerbetriebliche Gründe

gestaltende unternehmerische Entscheidung

Kündigung

Die Darlegungs- und Beweislast für

trägt der Arbeitgeber.

außerbetriebliche Gründe

innerbetriebliche Gründe

gestaltende unternehmerische Entscheidung

Überhang an Arbeitskräften

1. Darlegung dringender betrieblicher Erfordernisse

2. Beweis dringender betrieblicher Erfordernisse

falls Arbeitnehmer bestreitet

außerbetriebliche Gründe innerbetriebliche Gründe

• Auftragsrückgang• Umsatzrückgang• verschlechterte Ertragslage• Kundenverlust• Rohstoffmangel• Wegfall von Fördergeldern• Tarifentwicklung• politische Ursachen

• Rationalisierung• Betriebsstilllegung• Betriebseinschränkung• Outsourcing• Strukturveränderung• Änderung der

Produktionsmethoden

außerbetriebliche Gründe innerbetriebliche Gründe

Stützt sich der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess auf bestimmte außer- und/oder innerbetriebliche Gründe, muss er das zugrunde liegende Zahlenmaterial bei Gericht vorlegen, z.B.

• Bilanzen• Auftragsbestände• Ertragsentwicklung• Kundenkündigungen• Fremdverträge

gestaltende unternehmerische Entscheidung

Aufgrund der außer- und/oder innerbetrieblichen Ursachen wird eine „freie“ unternehmerische Entscheidung getroffen, infolge derer ein

entsteht.

Überhang an Arbeitskräften

gestaltende unternehmerische Entscheidung

• geschützt durch Art. 14 Abs. 1 GG

• gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar auf offenbare Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür

• nicht überprüfbar auf Notwendigkeit,Zweckmäßigkeit oder Sinnhaftigkeit

• tatsächliche Entscheidung voll überprüfbar

• oft entbehrlich bei bereits erfolgter Umsetzung

gestaltende unternehmerische Entscheidung

Da bei Streit darüber voll überprüft wird, ob die Entscheidung überhaupt getroffen worden ist, sollte dokumentiert werden:

• Wann, wo in welcher Besetzung von wem getroffen?

• Was wurde konkret zu wann beschlossen?

• Warum wurde der Beschluss gefasst (Gründe)?

• Wie wirkt sich der Beschluss auf die Beschäftigungslage aus?

Überhang an Arbeitskräften

Aus der gestaltenden unternehmerischer Entscheidung muss sich ein Überhang an Arbeitskräften ergeben.

Dieser ist nicht selbsterklärend und muss ggf. rechnerisch nachvollziehbar dargestellt werden.

Überhang an Arbeitskräften

Einfach darzustellen bei

• Abteilungsschließung• Outsourcing• Betriebsschließung• Wegfall einzelner Arbeitsplätze

Schwieriger darzustellen bei Volumenentscheidungen

Überhang an Arbeitskräften

Beispiel: Reduziertes Arbeitsvolumen

2005 120.000 Maschinenstunden 60 Arbeitnehmer

2006 80.000 Maschinenstunden 58 Arbeitnehmer

2007(erwartet)

62.000 Maschinenstunden 35 Arbeitnehmer(nach Kündigungen)

Überhang an Arbeitskräften

Beispiel: Strukturelle Verdichtung

bisher 3 Arbeitnehmer für Abteilung Buchhaltung (Vollzeit)

1 AN Lohnbuchhaltung1 AN Finanzbuchhaltung1 AN Personalsachbearb.

neu 2 Arbeitnehmer für Abteilung + 1 Minijob 400,-- EUR

1 AN Lohnbuchhaltung1 AN FinanzbuchhaltungPersonalsachbearb. wird aufgeteilt zw. VollzeitÜberhang durch Minijob

Überhang an Arbeitskräften

• muss dauerhaft bestehen

• kann sich auch aus geänderten Anforderungen an Qualifikationsprofil für Arbeitsplatz ergeben

• kann sich auch aus geänderter zeitlicher Anforderung an den Arbeitsplatz ergeben

Überhang an Arbeitskräften

• betriebsbezogene Sichtweise, aber ggf. unternehmensweite Weiterbeschäftigung bedenken

• muss sich nicht auf einen konkreten Arbeitsplatz oder Arbeitnehmer beziehen

Überhang an Arbeitskräften

außerbetriebliche Gründe innerbetriebliche Gründe

gestaltende unternehmerische Entscheidung

Kündigung

Typische Fallgruppen:

• Auftrags- und Umsatzrückgang

• Betriebsstilllegung und Verlagerung

• Betriebseinschränkung

• Outsourcing

• sinkende Rentabilität, Gewinnverfall

• Leistungsverdichtung

• Rationalisierung

Auftrags- und Umsatzrückgang:

• verminderter Beschäftigungsbedarf erforderlich

• geringer wertige Tätigkeiten an höher qualifizierte AN übertragbar

• Selbstbindung des AG durch dynamische Anpassung an Arbeitsmenge möglich

• AN kann kein besseres Konzept zum Arbeitsplatzerhalt erzwingen

Betriebsstilllegung:

• problematisch nur bei alsbaldiger Wiedereröffnung

• Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit wird nicht überprüft

• falls erst anstehend, Beweis durch Mitteilungen ggü. Banken, Vermieter, Kunden, Lieferanten

• falls vollzogen, kaum Beweis mehr erforderlich

Verlagerung / Betriebseinschränkung:

• Prüfung wie Stilllegung

• problematisch allein Weiterbeschäftigungsmöglichkeit

(an neuem Standort)

Outsourcing:

• bei Leiharbeit unzulässig (Austauschkündigung)

• unproblematisch bei Übertragung zur eigenständigen Erledigung

• Konzeptwechsel eigene AN freie Handelsvertreter zulässig

• unzulässig bei Umgehung von Kündigungsschutz

• problematisch bei Scheinselbständigkeit

Sinkende Rentabilität, Gewinnverfall:

• muss bei Bestreiten durch Zahlenmaterial dargelegt werden

• auch auf hohem Niveau Arbeitsplatzabbau möglich

• sonst zu prüfen wie Auftrags- und Umsatzrückgang

Leistungsverdichtung:

• Arbeit muss noch zu bewältigen sein

• Mehrbelastung aber hinzunehmen

• häufig begleitet von anderen Umständen (Verlagerung, Outsourcing)

• Einsparpotenzial muss dargelegt werden

• problematisch bei schwer messbarer Leistung

Rationalisierung:

• sehr vielschichtig möglich

• nur Kontrolle von Rechtsmissbrauch, darzulegen durch AN

• besonders hier ist sorgfältige Darlegung des (Gesamt-) Konzepts erforderlich

Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit

Ausgangspunkt:

Der Arbeitnehmer muss den freien Arbeitsplatz bezeichnen, auf dem er aus seiner Sicht weiterbeschäftigt werden kann.

Arbeitnehmer

Hat der Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz bezeichnet, wechselt die Darlegungs- und Beweislast auf den

Dieser entgegnet häufig mit den Argumenten

• der bezeichnete Arbeitsplatz ist nicht frei

• der Arbeitnehmer ist fachlich für diesen nicht geeignet

Arbeitgeber

Häufiger Arbeitnehmerfehler bei behaupteter Weiterbeschäftigungsmöglichkeit:

• der Arbeitnehmer verlangt höherwertige Beschäftigung

• der Arbeitnehmer verlangt Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes

Weiterbeschäftigung ist grundsätzlich unternehmensweit geschuldet, aber

• Arbeitsvertrag muss Versetzung hergeben

• eine Änderungskündigung kann im Raum stehen

• auch zu verschlechternden Konditionen

Richtigkeit der Sozialauswahl

Ausgangspunkt:

Der Arbeitnehmer muss den oder diejenigen Arbeitnehmer benennen, die sozial weniger schutzwürdig sind als er.

Der Arbeitgeber muss allerdings zuvor zu den Maßgaben der Sozialauswahl vortragen, wenn der Arbeitnehmer dies verlangt.

Arbeitnehmer

Verlangt der Arbeitnehmer die Offenlegung der Sozialdaten der anderen Arbeitnehmer, muss der Arbeitgeber diese Daten hergeben.

Der Arbeitnehmer kann auch ins Blaue hinein einen anderen Arbeitnehmer als sozial weniger schutzwürdig bezeichnen.

Die Darlegungs- und Beweislast wechselt dann auf den

Arbeitgeber

• keine abstrakte Rüge eines Auswahlfehlers möglich

• Einbeziehung nur der Arbeitnehmer, die derarbeitsvertraglichen Beschäftigung nach vergleichbar sind

• BAG hat sog. „Dominotheorie“ bei Listenauswahl aufgegeben

Bei der Sozialauswahl sind allein folgende Kriterien maßgeblich (§ 1 Abs. 3 KSchG):

1. Dauer der Betriebszugehörigkeit

2. Lebensalter

3. Unterhaltsverpflichtungen

4. Schwerbehinderung

Von der Sozialauswahl kann der Arbeitgeber Arbeitnehmer ausnehmen, deren Weiterbeschäftigung wegen

• ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen

oder

• zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebs

im berechtigten betrieblichen Interesse liegt (§ 1 Abs. 3 S. 2 KSchG).

Betriebsratsanhörung

• muss vor Ausspruch der Kündigung erfolgen

• hat substantiiert zu erfolgen

• Fehler in der Anhörung führen zur Unwirksamkeit der Kündigung, auf die sich der AN im Kündigungsschutzprozess berufen kann

• Arbeitgeber hat Darlegungs- und Beweislast

• Arbeitnehmer muss aber zunächst rügen

Mindestinhalt der Betriebsratsanhörung

• Name des zu Kündigenden

• Sozialdaten des Arbeitnehmers

• Angaben zum Arbeitsverhältnis(Beginn, Art, derzeitiger Arbeitsplatz)

• Kündigungszeitpunkt

• Kündigungsgründe

Kündigungsrecht

Personenbedingte Kündigung

KündigungsrechtPersonenbedingte Kündigung

Kündigung wegen Alkoholsucht

BAG Urt. v. 20.12.2012 – 2 AZR 32/11

• Kündigung wegen Alkoholsucht unterliegt identischen Maßgaben wie Kündigung wegen Krankheit; i.d.R. keine außerordentliche Kündigung möglich

• Prognose muss dauerhaften Ausschluss der Gewähr für die Erbringung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit ergeben

• Beeinträchtigung betrieblicher Belange liegt nicht notwendig in erwarteten hohen Fehlzeiten

Kündigungsrecht

Verhaltensbedingte Kündigung

KündigungsrechtVerhaltensbedingte Kündigung

Verbotene Internetnutzung durch Leitenden

BAG Urt. v. 14.04.2012 – 2 AZR 186/11

• auch ein nach zeitlichem Umfang erheblicher Verstoß gegen ein ausdrückliches Verbot der privaten Nutzung des dienstlichen Internetanschlusses sowie das Herunterladen pornografischen Bildmaterials schafft keinen absoluten Kündigungsgrund

• alle relevanten Umstände des Einzelfalls zu beachten

KündigungsrechtVerhaltensbedingte Kündigung

Kündigung wegen Stalkings einer Kollegin

BAG Urt. v. 19.04.2012 – 2 AZR 258/11

• stellt ein Arbeitnehmer einer Kollegin im Betrieb oder im Zusammenhang mit der geschuldeten Tätigkeit beharrlich nach, ist dies an sich ein Grund für eine außerordentliche Kündigung

• maßgeblich ist die damit verbundene Störung des Betriebsfriedens

KündigungsrechtVerhaltensbedingte Kündigung

Kündigung wegen Verdachts einer Straftat

BAG Urt. v. 25.10.2012 – 2 AZR 700/11

• dringender Tatverdacht der Strafverfolgungsbehörden allein nicht ausreichend für eine Verdachtskündigung

• Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflicht und damit verbundener Vertrauensbruch maßgeblich

• alleiniger Verweis auf strafrechtliche Ermittlungen ersetzen nicht den erforderlichen Parteivortrag

KündigungsrechtVerhaltensbedingte Kündigung

Videoüberwachung und Beweisverwertung

BAG Urt. v. 21.06.2012 – 2 AZR 153/11

• die Entwendung einer einzelnen Zigarettenschachtel aus dem Bestand des Arbeitgebers kann auch nach längerer Beschäftigungsdauer eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen

• kein Beweisverwertungsverbot wegen Verstoßes gegen §6 b BDSG allein (Kennzeichnungspflicht)

KündigungsrechtVerhaltensbedingte Kündigung

Kündigung wegen fehlerhafter Überweisung

LAG Hessen Urt. v. 07.02.2013 – 9 Sa 1315/12

• fälschliche Überweisung von 222 Mio. Euro durch Sekundenschlaf kein Kündigungsgrund

KündigungsrechtVerhaltensbedingte Kündigung

Fehlerhaftes Verhalten des Ehemanns

LAG Berlin-B. Urt. v. 05.04.2013 – 10 Sa 2339/12

• arbeitsvertragliches Fehlverhalten des Ehemanns rechtfertigt i.d.R. keine Kündigung der ebenfalls im Betrieb beschäftigten Ehefrau

KündigungsrechtVerhaltensbedingte Kündigung

Angekündigte Erkrankung

LAG Berlin-B. Urt. v. 15.03.2013 – 10 Sa 2427/12

• eine angekündigte AU ist bei objektivem Bestehen einer Erkrankung keine Pflichtverletzung

• behauptet der Arbeitnehmer eine Erkrankung, hat der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, dass diese Behauptung falsch ist

KündigungsrechtVerhaltensbedingte Kündigung

Bewerbungsteilnahme während einer AU

LAG Meck-Pom. Urt. v. 05.03.2013 – 5 Sa 106/12

• die Teilnahme an einem Vorstellungsgespräch während einer AU rechtfertigt nicht in jedem Fall eine Kündigung

• i.d.R. liegt nur genesungswidriges Verhalten vor• ein genereller Abkehrwille des Arbeitnehmers rechtfertigt

keine Kündigung

KündigungsrechtVerhaltensbedingte Kündigung

Nichtvorlage AU wegen Unzumutbarkeit

BAG Urt. 2 AZR 748/11

• der aus krankheitsbedingten Gründen die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht oder verspätet vorlegende Arbeitnehmer handelt i.d.R. nicht schuldhaft

• Nichtvorlage ist i.d.R. reiner Ordnungsverstoß und erfordert eine Abmahnung

KündigungsrechtVerhaltensbedingte Kündigung

Vorlage der AU am ersten Krankheitstag

BAG Urt. v. 14.11.2012 – 5 AZR 866/11

• die Aufforderung zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits am ersten Krankheitstag verstößt selbst dann nicht gegen § 106 GewO, wenn die Aufforderung begründungslos gegenüber einer einzelnen Arbeitnehmerin erfolgt

KündigungsrechtVerhaltensbedingte Kündigung

Gesundheitliche Störungen nach Kündigung

LAG Hessen Urt. v. 01.12.2012 – 7 Sa 186/12

• im Einzelfall kann eine Kündigung auch zu einer Destabilisierung des kurz zuvor noch stabilen Gesundheitszustandes führen

KündigungsrechtVerhaltensbedingte Kündigung

Gesundheitliche Störungen nach Kündigung

LAG Köln Urt. v. 05.07.2012 – 6 Sa 71/12

• die unmittelbare Anzeige des Arbeitgebers beim Jugendamt ohne innerbetrieblichen Klärungsversuch kann einen außerordentlichen Kündigungsgrund darstellen

KündigungsrechtVerhaltensbedingte Kündigung

Arbeitszeitbetrug bei Verfall von Überstunden

LAG Berlin-B. Urt. v. 13.06.2012 – 15 Sa 407/12

• bei einer Kündigung wegen vorgeworfenen Arbeitszeitbetrugs ist im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass durch den Arbeitnehmer geleistete Überstunden durch unwirksame arbeitsvertragliche Regelung zu Unrecht verfallen sind

KündigungsrechtVerhaltensbedingte Kündigung

Löschung von Daten auf Firmenlaptop OLG Nürnberg Beschl. v. 23.01.2013 – 1 Ws 445/12

• keine Datenlöschung nach § 303 a StGB bei bestehender Datenverfügungsbefugnis zugunsten des Arbeitnehmers und Speicherung durch diesen

• Straftat erst ab Aushändigung der Daten an Arbeitgeber

Kündigungsrecht

Sonderkündigungsschutz

KündigungsrechtSonderkündigungsschutz

Sonderkündigungsschutz für Mandatsträger

BAG Urt. v. 21.06.2012 – 2 AZR 343/11

• Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist erforderlich

• unwirksame außerordentliche Kündigung des Mandatsträgers kann nicht in eine außerordentliche Kündigung mit einer sozialen Auslauffrist oder ordentliche Kündigung umgedeutet werden

KündigungsrechtSonderkündigungsschutz

Sonderkündigungsschutz für Vertrauensperson

BAG Urt. v. 19.07.2012 – 2 AZR 989/11

• die Kündigung einer Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen bedarf keiner Zustimmung der Schwerbehindertenvertretung

• Kündigungsablauf analog Betriebsratsmitglieder• heimlicher Mitschnitt eines Personalgesprächs kann

außerordentliche Kündigung rechtfertigen• maßgeblich Vertrauensverstoß, nicht Straftatcharakter

KündigungsrechtSonderkündigungsschutz

Unverzügliche Kündigung nach IAmt-Zustimmung

BAG Urt. v. 19.04.2012 – 2 AZR 118/11

• nach Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 BGB muss bei Zustimmung oder Zustimmungsfiktion der IAmt-Zustimmung unverzüglich gekündigt werden

• schuldhaftes Zögern dann, wenn Zuwarten objektiv nicht geboten ist

• Arbeitgeber trifft Obliegenheit, sich ggf. beim IAmt nach Entscheidung zu erkundigen

KündigungsrechtSonderkündigungsschutz

Festhalten an Kündigung bei fehlender Kenntnis der Schwangerschaft

BAG Urt. v. 17.10.2013 – 8 AZR 742/12

• das Festhalten an einer Kündigung bei Bestehen einer Schwangerschaft, von der der Arbeitgeber keine Kenntnis hatte, stellt keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar

Kündigungsrecht

Abmahnung

KündigungsrechtAbmahnung

Entfernung einer berechtigten Abmahnung

BAG Urt. v. 19.07.2012 – 2 AZR 782/11

• berechtigte Abmahnung muss nur entfernt werden, wenn das gerügte Verhalten in jeder Hinsicht bedeutungslos geworden ist

• Entfernung selbst nur dann, wenn die weitere Aufbewahrung des Vorgang zu unzumutbaren beruflichen Nachteilen führen kann

Kündigungsrecht

Änderungskündigung

KündigungsrechtÄnderungskündigung

Überflüssige Änderungskündigung

BAG Urt. v. 19.07.2012 – 2 AZR 25/11

• ergibt bereits das Direktionsrecht des Arbeitgebers aus § 106 GewO die Möglichkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen, ist die Änderungskündigung überflüssig

• die Änderungsschutzklage ist unbegründet, weil der Vertragsinhalt nicht geändert wird (Kostenfolge!)

Kündigungsrecht

Sonstiges

KündigungsrechtSonstiges

Rückkehrrecht in einer Betriebsvereinbarung

BAG Urt. v. 14.03.2012 – 7 AZR 147/11

• eine BV anlässlich eines Betriebsübergangs kann als zulässigen Regelungsinhalt ein Rückkehrrecht der – zunächst – übergegangenen Arbeitnehmer enthalten

• die Vollstreckungsregel des § 894 S. 1 ZPO erfordert hierzu eine Regelung mit Festlegung des vertraglichen Mindestinhalts

KündigungsrechtSonstiges

Wiedereinstellung bei Rückkehrzusage

BAG Urt. v. 15.10.2013 – 9 AZR 564/12

• ein unbefristetes Rückkehrrecht begründet den Anspruch auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages bei Eintritt der an das Rückkehrrecht geknüpften Bedingungen

• die Auslegung des Rückkehrrechts kann auch die Rückkehr von einem Rechtsnachfolger des ursprünglichen Arbeitgebers ergeben, auf den das Arbeitsverhältnis zunächst übergegangen war

Befristungsrecht

Befristungsrecht

Wirksamkeit einer Zweckbefristung

BAG Urt. v. 15.05.2012 – 7 AZR 35/11

• Befristungskontrollklage erst nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber nach § 15 Abs. 2 TzBfG über den Zeitpunkt der Zweckerreichung möglich

• Zeitpunkt der Zweckerreichung muss vertraglich zweifelsfrei feststellbar sein

• bereits bei Vertragsschluss muss deutlich werden, dass Zweck zu irgendeinem Zeitpunkt erreicht werden kann; je weiter in die Zukunft, je höher die Prognoseanforderungen

Befristungsrecht

Prognose bei Befristungsvereinbarung

BAG Urt. v. 11.09.2013 – 7 AZR 107/12

• bloße Möglichkeit des Entfalls einer Aufgabe reicht nicht für Befristungsprognose aus

• die zunächst bestehende Ungewissheit über das Fortbestehen einer Aufgabe rechtfertigt keine Befristung des Arbeitsvertrags

Befristungsrecht

Versetzung nach fehlerhafter Befristung

BAG Urt. v. 10.07.2013 – 10 AZR 915/12

• Versetzung entspricht nicht billigem Ermessen, wenn in die Auswahl nur Arbeitnehmer einbezogen werden, deren Arbeitsverhältnis zuvor befristet war

Befristungsrecht

Missbrauchskontrolle

BAG Urt. v. 13.02.2013 – 7 AZR 225/11

• Gerichte dürfen sich nicht auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrundes beschränken, sondern müssen die Gesamtumstände betrachten

• missbräuchlicher Rückgriff auf befristete Arbeitsverträge ist auszuschließen

Befristungsrecht

Anfechtung eines befristeten Arbeitsvertrags

LAG Meck.-Pom. Urt. v. 17.04.2013 – 2 Sa 237/12

• die versehentliche Überschreitung der Höchstbefristungsdauer nach § 14 Abs. 2 TzBfG rechtfertigt keine Irrtumsanfechtung

• es liegt ein bloßer Kalkulationsirrtum vor

Befristungsrecht

Vorbeschäftigungsverbot

LAG Baden-Würt. Urt. v. 26.09.2013 – 6 Sa 28/13

• das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG besteht uneingeschränkt

• die Norm ist nicht auslegbar

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Olaf Möllenkamp Richter am Arbeitsgericht Lübeck