Post on 06-Feb-2018
90 Ernährungs-Umschau 54 (2007) Heft 2
Basiswissen aktualisiert
AlkoholClaudia Weiß, Karlsruhe
Im chemischen Sinne sind Alkohkoleeine Stoffgruppe, welche die –OH („ol“bzw. Hydroxyl)-Gruppe in Bindung anein C-Atom besitzen. Dabei darf das C-Atom nicht Teil einer Dobbelbindungsein.
Umgangssprachlich ist Alkohol dieBezeichnung für Ethanol bzw. Ethyl-alkohol. Er gehört zu den energielie-fernden Nahrungsinhaltsstoffen. DieAufnahme erfolgt hauptsächlich überalkoholische Getränke. In kleineremUmfang tragen auch andere Lebens-mittel zur Zufuhr bei: Obst und Obst-säfte haben natürlicherweise einen ge-ringen Ethanolgehalt, anderen Le-bensmitteln wie Süßwaren, Soßen undDesserts wird Alkohol bei der Herstel-lung zugesetzt. Auch die Darmfloraproduziert kleine Mengen Ethanol.
Alkohol hat ein spezifische Gewichtvon 0,79 g/cm3, das bei der Umrech-nung von Volumen- in Gewichtspro-zent berücksichtigt werden muss:
Alkohol (Vol.-%) x 0,79 g/cm3 = Alkohol(Gew.-%)
Alkoholkonsum Der Pro-Kopf-Verbrauch an reinem Al-kohol lag im Jahr 2004 bei 10,1 l undzeigt damit seit 1991 (Spitzenwert von12,4 l/Jahr) eine leicht rückläufigeTendenz. Die Bevölkerungsgruppe mitdem höchsten Alkoholkonsum sind
Männer von 51–65 Jahren mit ca. 30 gpro Tag. Dies entspricht einem Anteilan der Energiezufuhr von etwa 7,0 %(Tab. 2).
Schon 34 % der 12- bis 25-Jährigentrinken regelmäßig mindestens ein-mal pro Woche Alkohol. Der durch-schnittliche Alkoholkonsum ist in die-ser Altersgruppe zwar rückläufig, rela-tiv verbreitet ist jedoch das sog. Binge-Drinking (Rauschtrinken) – die Hälfteder 16- bis 19-Jährigen betrinkt sichmindestens einmal im Monat.
Resorption und Verteilung imKörper
Da Alkohol sowohl fett- als auch was-serlöslich (lipophil und hydrophil) ist,kann er leicht durch Zellmembranendiffundieren. Schon etwa 20 % der auf-genommenen Menge werden im Ma-gen resorbiert, der größte Anteil imoberen Dünndarm.
Die Resorptionsrate wird unter an-derem durch folgende Faktoren beein-flusst:■ Füllungszustand des Magens: hem-
mend wirken vor allem Milch, Pro-tein und Fett
■ Konzentrationsgradient: Alkohol-konzentration des Getränkes undTrinkgeschwindigkeit
■ Zusammensetzung und Temperaturdes Getränkes: Zucker, Kohlensäureund eine hohe Temperatur be-schleunigen die Resorption
Die maximale Blutalkoholkonzentra-tion ist bereits 1–2 h nach der Zufuhrerreicht. Muskeln, Gehirn und Lebernehmen viel Alkohol auf, Fettgewebeund Knochen vergleichsweise wenig.Für die Berechnung der Blutalkohol-konzentration muss das Körperge-wicht daher mit einem sog. Reduk-tionsfaktor multipliziert werden. Die-ser liegt für Männer bei 0,7, für Frauen
aufgrund des höheren Körperfettan-teils und dadurch geringeren Wasser-verteilungsraumes bei 0,6.
Berechnung der maximalen Alkoholkon-zentration im Blut (näherungsweise):max. Blutalkoholkonzentration (‰) =
Alkoholzufuhr [g]Körpergewicht (kg) x Reduktionsfaktor
So erreicht die Blutalkoholkonzentra-tion einer 65 kg schweren Frau nachdem Verzehr von 2 Gläsern Wein (22 g Alkohol) etwa 0,56 ‰.(22 g/65 kg/0,6 = 0,56 ‰).
Alkoholmetabolismus 2–10 % des aufgenommenen Alkoholswerden unverändert über Lunge, Hautund Urin ausgeschieden. Der weitausgrößere Teil wird oxidativ abgebaut.
In geringerem Umfang ist bereitsder Magen an der Alkoholeliminationbeteiligt. Die in der Magenmukosa lo-kalisierte Alkoholdehydrogenase (ADH)oxidiert Ethanol zu Acetaldehyd. Derweitaus größte Teil des resorbierten Al-kohols wird in der Leber metabolisiert.Dafür stehen drei in unterschiedlichenZellkompartimenten lokalisierte En-zymsysteme zur Verfügung (Abb. 1):
1. Alkoholdehydrogenase (ADH) imZytosol
2. Mikrosomales ethanoloxidierendesSystem (MEOS) am endoplasmati-schen Retikulum
3. Katalase in den Peroxisomen
Geringe Alkoholmengen werden be-vorzugt mittels ADH oxidiert, ab etwa0,5 ‰ Blutalkoholkonzentration ge-winnt das MEOS an Bedeutung, das imGegensatz zur ADH durch Alkohol in-duzierbar1 ist. Die Katalase ist für denAlkoholmetabolismus von unterge-ordneter Bedeutung.
Alle drei Enzymsysteme bauenEthanol zu Acetaldehyd ab. Dieser to-xische Metabolit wird von der mito-chondrialen Aldehyddehydrogenase(ALDH) zu Acetat oxidiert, welches alsAcetyl-CoA in den Tricarbonsäurezy-
Die gesundheitlichen Schäden für die Betroffenen sowie die volks-wirtschaftlichen Auswirkungen des Alkoholmissbrauchs sind zwarallgemein bekannt, werden aber immer wieder verdrängt. Danebensind die gesundheitsförderlichen Wirkungen eines moderaten Alko-holkonsums in der Diskussion. Basiswissen aktualisiert liefert dasGrundlagenwissen zur „legalen Droge“ Alkohol.
Tab. 1: Durchschnittlicher Alkoholgehaltin Getränken
Getränke Alkohol- Portions- Alkohol-gehalt größe zufuhr proin % vol Portion
Bier 5 0,33 l ca. 13 g
Wein 12,5 0,2 l ca. 20 g
Sekt 11 0,1 l ca. 9 g
Schnaps (doppelter) 33 4 cl ca. 10 g
1Nimmt die Aktivität eines Enzyms bei Zufuhr derSubstanz, an deren Stoffwechsel das Enzym beteiligtist zu, spricht man von (Substrat-)Induktion.
Ernährungs-Umschau 54 (2007) Heft 2 91
Basiswissen aktualisiert
klus (=Zitratzyklus) fließt.Sowohl ADH als auch ALDHbenötigen NAD+ als Coen-zym. Der limitierende Fak-tor beim Alkoholabbau istdie Reoxidation von NADH/H+ zu NAD+.
Der Alkoholmetabolismuszeigt sowohl individuelleSchwankungen als auch er-hebliche Unterschiede zwi-schen ethnischen Gruppen.Dies ist auf verschiedeneGenotypen alkoholmetabo-lisierender Enzyme zurück-zuführen, die stark in ihrerAktivität variieren und zueiner Akkumulation vonAcetaldehyd führen kön-nen. Diese äußerst sich ineiner Alkoholintoleranz mitFieberanfällen, Kopschmer-zen, Schwindelgefühl, Übelkeit undBrechreiz.
Die durchschnittliche Eliminations-rate für Alkohol liegt für Männer bei0,1 g, für Frauen bei 0,085 g pro kgKörpergewicht und Stunde. Der Alko-holgehalt in zwei kleinen Gläsern Wein(22 g) wird bei einer 65 kg schwerenFrau in etwa 4 Stunden abgebaut: 22 g/(0,085 g/kg/h x 65 kg) = 3,98 h
Eine sinnvolle und sichere Strategie,die Eliminationsrate zu erhöhen, istbisher nicht bekannt. Lediglich hoheDosen an Fruktose beschleunigen denAlkoholabbau durch Steigerung derReoxidation von NADH/H+. Koffeinhat keinen Einfluss.
Alkohol und KörpergewichtAlkoholische Getränke sind bedeuten-de Energielieferanten. Alkohol liefertpro Gramm 7,1 kcal bzw. 29 kJ undliegt damit im Energiegehalt zwischenKohlenhydraten und Fett. Der appetit-steigernde Effekt und die hemmendeWirkung auf die Fettoxidation begüns-tigen darüber hinaus eine Gewichtszu-
nahme. Regelmäßiger moderater Al-koholkonsum kann somit zur Entste-hung von Übergewicht beitragen.
Es besteht jedoch kein eindeutigerZusammenhang zwischen Alkoholzu-fuhr und Körpergewicht (BMI). Ent-scheidend ist, ob alkoholische Geträn-ke additiv zur normalen Ernährungaufgenommen werden oder die Nah-rung substituieren. Letzteres trifft vorallem für Personen mit hohem Kon-sum zu (über 50 g/Tag), besonders fürAlkoholiker, bei denen alkoholischeGetränke einen Großteil der Nah-rungszufuhr ausmachen können. Diesführt zu Mangelernährung und Ge-wichtsverlust.
Folgen eines hohen AlkoholkonsumsDie gesundheitsschädlichen Folgendauerhaft hoher Alkoholzufuhr sindvielfältig und schwerwiegend. Rund42 000 Todesfälle pro Jahr stehen inZusammenhang mit riskantem Alko-holkonsum, bei etwa 17 600 Todesfäl-len ist dieser die entscheidende Todes-ursache. Zu unterscheiden sind akute
Alkoholintoxikation, Folge-schäden langfristigen Alko-holmissbrauchs und Alko-holabhängigkeit.
Akute Alkoholintoxikation
Für die akute Wirkung vonEthanol ist das Gehirn dasprimäre Zielorgan. Der Wir-kungsmechanismus ist nochnicht genau geklärt. Er gehtmöglicherweise von Acetal-dehyd bzw. dessen Konden-sationsprodukten mit Neu-rotransmittern aus. Ab ei-ner Blutalkoholkonzentra-tion von 0,2 ‰ verändernsich subjektives Erleben und persönliches Verhal-ten, Konzentrationsvermö-gen und Bewegungskoordi-
nation lassen nach und die Reaktions-zeit verlängert sich. Blutalkoholkon-zentrationen ab 1,4 ‰ gelten als akuteVergiftung und führen konzentrations-abhängig zu Stimmungs- und Per-sönlichkeitsveränderungen, gestörterWahrnehmung und Bewegungskoor-dination, Sprachstörung, Übelkeit, Er-brechen und Gedächtnisschwund. Dieletale Blutalkoholkonzentration liegtbei etwa 4–5 ‰.
Die Alkoholintoxikation ist häufigvon schweren Hypoglykämien beglei-tet (s. u.). Eine akute Gefahr bestehtauch durch das erhöhte Risiko für ei-nen gewaltsamen Tod durch Unfällesowie für Verbrechen wie Sachbeschä-digung, Körperverletzung und Tot-schlag.
Alkoholbedingte Stoffwechsel-störungen
Vielfältige Störungen im Leberstoff-wechsel sind auf einen relativen Über-schuss an NADH/H+ zurückzuführen,das sowohl bei der ADH- als auch beider ALDH-Reaktion entsteht. Die Ver-schiebung des Redoxgleichgewichtes
Tab. 2: Alkoholkonsum der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland und Anteil an der Energiezufuhr [4]
Zufuhr an Alkohol Männer Frauen(in Gramm pro Tag) Alte Bundesländer Neue Bundesländer Alte Bundesländer Neue Bundesländer
g/Tag Anteil an d. g/Tag Anteil an d. g/Tag Anteil an d. g/Tag Anteil an d.Energiezufuhr Energiezufuhr Energiezufuhr Energiezufuhr
19–25 Jahre* 2 0,6% 3 0,9% 3 0,8% 4 1,3%
25–51 Jahre 18 5,1% 23 6,4% 11 3,4% 14 4,2%
51–65 Jahre 27 7,0% 31 7,3% 10 2,9% 10 2,8%
65 Jahre und älter 24 5,7% 26 5,8% 6 1,8% 6 1,6%
* Die Daten lassen methodenbedingt keine valide Schätzung des Alkoholkonsums von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu (Unterschätzung des Außer-Haus-Verzehrs)
Abb. 1: Alkoholmetabolismus. Oxidation von Alkohol über Acet-aldhyd zu Essigsäure/Acetat. NAD+/NADH und NADP+/NADH sindsog. Redoxäquivalente, die während der Oxidations- bzw. Reduk-tionsreaktionen im Gegenzug reduziert bzw. oxidiert werden.ADH = Alkoholdehydrogenase, ALDH = Aldehyddehydrogenase,MEOS = Mikrosomales ethanoloxidierendes System
Ethanol Acetaldehyd
ADH
MEOS
Acetat
NAD+ NADH/H+
Katalase ALDH
NAD+ NADH/H+
H2O2 2 H2O
NADPH/H+ (+O2) NADP+ (+H2O)
Gra
fik:
mp
m
92 Ernährungs-Umschau 54 (2007) Heft 2
Basiswissen aktualisiert
hat vor allem folgende Auswirkungen:■ Hemmung des Tricarbonsäurezy-
klus. Im Ethanol-Stoffwechsel ge-bildetes Acetyl-CoA fließt deshalbin stärkerem Umfang in die Fettsäu-resynthese. Zusätzlich wird die Bil-dung von α-Glycerophosphat ge-fördert, das zur Veresterung derFettsäuren dient. Dadurch kommtes zu einer starken Erhöhung derTriglyceridsynthese und zur Akku-mulation von Fett in der Leberzelle.
■ Hemmung der Glukoneogenese.Dies kann bei erschöpftem Glyko-genspeicher schwere Hypoglyk-ämien hervorrufen.
■ Die verstärkte Bildung von Lactataus Pyruvat begünstigt eine meta-bolische Acidose, die die Ausschei-dung von Harnsäure über die Nie-ren hemmt und zu Hyperurikämieführen kann.
Eine schädigende Wirkung geht außer-dem von dem lebertoxischen und re-aktiven Metabolit Acetaldehyd aus. Erbildet Protein-Acetaldehyd-Addukte,die eine Retention von Proteinen inder Leber bewirken und wahrschein-lich zellschädigende Immunreaktio-nen auslösen. Zudem fördert Acetal-dehyd die Lipidperoxidation.
Die Aktivierung des MEOS führt zueiner vermehrten Bildung freier Radi-kale und verändert den Metabolismusvon Pharmaka und anderen körper-fremden Substanzen. Dies kann eineAktivierung von prokanzerogenenSubstanzen zu Kanzerogenen zur Fol-ge haben.
Organschäden und -funktions-störungen
Grundsätzlich schädigt Alkohol alleOrgane und Gewebe. Die Leber alsHauptstoffwechselorgan ist allerdingsbesonders gefährdet. Bereits ab einertäglichen Alkoholzufuhr von 40 g beiMännern und 20 g bei Frauen zeigtsich eine signifikante Korrelation zwi-schen Höhe der Zufuhr und dem Auf-treten der Leberzirrhose.
Bei etwa 90 % der Personen mitchronischem Alkoholabusus ist eineFettleber nachweisbar. Der normaleFettanteil der Leber liegt bei 5 %, erkann aber bis auf über 50 % ansteigen.In diesem Stadium ist die Leberschä-digung noch vollständig reversibel. Beietwa 10–30 % der Alkoholiker entwi-ckelt sich eine Hepatitis, die durch zu-nehmende entzündliche Veränderun-gen und Nekrosen gekennzeichnet ist.Die Leberzirrhose stellt das Endsta-
dium der alkoholinduzierten Leber-schädigungen dar. Sie führt zum fort-schreitenden Untergang von Leberge-webe und zur Zerstörung der Organ-struktur und hat zahlreiche Folgen fürden Organismus. Eine Anreicherungvon Ammoniak und anderen toxi-schen Substanzen schädigt das Gehirn(hepatische Enzephalopathie) undkann zum hepatischen Koma führen.
Besonders häufig sind außerdemdie folgenden Organe und Organsyste-me von alkoholinduzierten Schädi-gungen betroffen:■ Speiseröhre: Alkohol verringert den
Druck des unteren Ösophagus-sphinkters und begünstigt so denReflux von Mageninhalt und infol-gedessen entzündliche Schädigun-gen der Ösophagusschleimhaut.
■ Magen: Es treten Schleimhautver-änderungen und -risse auf, die zuschweren Blutungen führen kön-nen. Umstritten ist noch, ob sichdas Risiko für Gastritis und Magen-ulzera erhöht.
■ Dünndarm: Durch Schädigung derSchleimhaut kommt es zur Störungder Mukosabarriere mit erhöhterPermeabilität für Makromolekülewie bakterielle Toxine. Dies ist ver-mutlich die Ursache für alkoholin-duzierte Endotoxinämien. Häufigsind außerdem Resorptionsstörun-gen vieler Nahrungsbestandteile.
■ Pankreas: Alkohol ist die häufigsteUrsache bei der Entstehung derchronischen Pankreatitis. Das Risi-ko steigt dosisabhängig. Frauenweisen eine höhere Organempfind-lichkeit auf als Männer.
■ Herz-Kreislauf-System: Regelmäßi-ger Alkoholkonsum ist ein wichtigerRisikofaktor für Bluthochdruck. Erführt außerdem zur Schädigung desHerzmuskels und vermehrter Kate-cholaminausschüttung. Häufig re-sultieren daraus Herzrhythmusstö-rungen wie z. B. Vorhofflimmern.
■ Nervensystem: Schädigungen sindeinerseits auf die toxischen Wirkun-gen des Alkohols zurückzuführen.Andererseits sind sie Folge von Vit-amin-B-Mangelzuständen, die beichronischem Alkoholmissbrauchweit verbreitet sind.
Kanzerogene Wirkung
Dauerhaft hoher Alkoholkonsum stei-gert das Risiko für Krebserkrankungen.Am deutlichsten zeigt sich dies für Le-ber- und Brustkrebs sowie für Karzino-me in Mund, Rachen, Kehlkopf und
Speiseröhre. Auch für Magen-, Dick-darm- und Mastdarmkrebs ist ein risi-koerhöhender Effekt nachweisbar.Über welche biologischen Mechanis-men Alkohol die Kanzerogenese be-einflusst, ist noch nicht genau be-kannt. Vermutlich geht die Wirkungvor allem von Acetaldehyd aus sowievon im Alkoholstoffwechsel entste-henden freien Radikalen. Durch Ver-änderungen im Zellstoffwechsel derLeber können prokanzerogene Sub-stanzen aktiviert werden. Schäden anSchleimhäuten sowie Mangel- undFehlernährung tragen vermutlichebenfalls zur Wirkung bei.
Teratogene Wirkung
Schon geringer bis moderater Alkohol-konsum kann zu Störungen in der Embryonalentwicklung führen. Be-sonders hoch ist das Risiko in den er-sten 4–5 Schwangerschaftsmonaten.Bei 30–45 % der Kinder von Alkoholi-kerinnen entwickelt sich ein Embryo-fetales Alkoholsyndrom. Die Sympto-me sind unter anderem Wachstumsre-tardierung und Untergewicht, Missbil-dungen von Schädel, Gliedmaßen, Ge-lenken und Nieren sowie Funktions-störungen des Gehirns. Die Folgenmanifestieren sich zum Teil erst imVorschul- und Schulalter in Form vonLern- und Verhaltensstörungen sowiemotorischen und sozialen Entwick-lungsstörungen.
Schädlich wirken sowohl der gele-gentliche Konsum relativ großer Alko-holmengen als auch die regelmäßigegeringe Aufnahme.
Mangelerscheinungen
Chronischer Alkoholabusus führt imNormalfall früher oder später zurMangelernährung. Ursache dafür isteinerseits die Substitution von Nah-rungsmitteln durch alkoholische Ge-tränke – bis über 50 % der Energiezu-fuhr erfolgt über Alkohol – und die da-durch bedingte geringe Aufnahme es-senzieller Nährstoffe.
Andererseits sind Resorption undStoffwechsel der Nährstoffe in vielfa-cher Weise gestört, die renale Aus-scheidung ist für einige Mineralstoffeerhöht. Besonders weit verbreitet istder Thiaminmangel, ein wesentlicherFaktor für Nervenfunktionsstörungenbei Alkoholikern (Wernicke-Korsa-kow-Syndrom). Mangelsymptome tre-ten auch bei allen anderen B-Vitami-nen auf, vor allem Pyridoxin und Fol-säure sind betroffen. Darüber hinaus
Ernährungs-Umschau 54 (2007) Heft 2 93
Basiswissen aktualisiert
wird eine Unterversorgung auch fürVitamin A, C, D und K sowie für Zinkund Magnesium beobachtet.
Alkoholabhängigkeit – AlkoholismusAlkohol kann eine psychische undphysische Abhängigkeit erzeugen. DieEntstehung der Alkoholkrankheit istein multifaktorielles Geschehen mitgenetischen, psychosozialen und um-weltbedingten Ursachen. Ein be-sonders hohes Krankheitsrisiko liegtvor, wenn ein langfristig erhöhter Al-koholkonsum und die genetische Dis-position zusammenkommen. InDeutschland sind etwa 1,7 Mio. Men-schen alkoholabhängig.
Nach der „International Classifica-tion of Diseases“ (ICD-10) wird eineAlkoholabhängigkeit diagnostiziert,wenn mindestens drei der folgendenKriterien erfüllt sind:■ Starker Wunsch nach Alkoholkon-
sum■ Verminderte Kontrollfähigkeit des
Konsums■ Körperliches Entzugssyndrom bzw.
Alkoholkonsum zur Verminderungvon Entzugssymptomen
■ Toleranzentwicklung mit zuneh-mend höherer Alkoholaufnahme
■ Eingeengtes Verhaltensmuster imUmgang mit Alkohol
■ Vernachlässigung anderer Interes-sen zugunsten des Alkoholkonsums
■ Anhaltender Konsum trotz nachge-wiesener schädlicher Folgen
Gesundheitsfördernde Wirkungen eines modera-ten Alkoholkonsums
Moderater Alkoholkonsum kann posi-tive Auswirkungen auf die Gesundheithaben. Er senkt das Risiko für die koro-nare Herzkrankheit und dadurch dieGesamtmortalität. Die kardioprotekti-ve Wirkung zeigt sich v. a. für Personenmittleren und höheren Alters, wäh-rend junge Menschen kaum profitie-ren.
Die Wirkungsmechanismen sindnoch nicht abschließend geklärt.Nachgewiesen ist ein positiver Einflussauf den Lipidstoffwechsel, insbeson-dere die Erhöhung der HDL-Plasma-konzentration. Durch eine gesteigerteFibrinolyse und Hemmung derThrombozytenaggregation verringertsich die Blutgerinnungsneigung.
Bisherige Studien weisen darauf
hin, dass die protektive Wirkung in ers-ter Linie auf den Alkohol selbst zu-rückzuführen ist und daher nicht we-sentlich vom Getränketyp abhängt.Gesundheitsfördernde Wirkungenwurden studienabhängig bei Zufuhr-mengen bis zu 40 g pro Tag beobach-tet. Wesentlich scheint dabei die regel-mäßige Aufnahme zu sein, der gele-gentliche Konsum größerer Mengenzeigt keinen vorbeugenden Effekt.
EmpfehlungenEs gibt keine Zufuhrmengen für Alko-hol, die einen gefahrlosen Konsum ga-rantieren. Um gesundheitsförderndeWirkungen nicht unberücksichtigt zulassen, wurden sog. TOAM – tolerier-bare tägliche Alkoholzufuhrmengen –erarbeitet. Sie sollen einerseits daspräventive Potenzial von Alkohol weit-gehend ausschöp-fen, andererseits ei-nen Schutz vor ge-sundheitsschädigen-den Konsequenzeninklusive des Sucht-potenzials bieten.Aus Sicherheitsgrün-den sind die er-mittelten Werte nichtals Richtwerte son-dern als obereGrenzwerte für dieAlkoholaufnahme zusehen. Sie liegen fürFrauen bei 10–12g/Tag, für Männerbei 20–24 g/Tag [2,3].Vergleichbare Zahlensind auch in den D-A-CH-Referenz-werten für die Nähr-stoffzufuhr zu fin-den. Hier werden 10 g Alkohol pro Tagfür Frauen und 20 g für Männer als ge-sundheitlich verträglich angesehen.
Generell bestehen große Bedenken,Empfehlungen zu moderatem Alko-holkonsum in die Ernährungsprophy-laxe einzubeziehen. Bei der Vorbeu-gung von Herz-Kreislauferkrankungenstehen andere Risikofaktoren wie Rau-chen, erhöhte Blutlipide und Blut-hochdruck im Vordergrund, zumaldiese für die Krankheitsprävention ei-ne größere Rolle spielen als die Aus-wirkungen eines moderaten Alkohol-konsums. ■ Schwangere und stillende Frauen
sollten Alkohol meiden.■ Der Alkoholkonsum Jugendlicher
und junger Erwachsener sollte soweit wie möglich reduziert werden.
Literatur1. Biesalski, H.-K. (Hrsg.): Ernährungsmedizin.
3. Aufl. Thieme Verlag Stuttgart 2004 2. Burger, M., Brönstrup, A., Pietrzik, K. Alkohol-
konsum und Krankheiten. Schriftenreihe desBundesministeriums für Gesundheit, Band134, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Ba-den 2000
3. Burger, M., Mensink, G. Bundes-Gesundheits-survey: Alkohol. Konsumverhalten inDeutschland. Beiträge zur Gesundheitsbe-richterstattung des Bundes. Robert Koch In-stitut, Berlin 2003
4. Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.(DGE) (Hrsg.):Ernährungsbericht 2004.
5. Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS)e. V. (Hrsg.) Alkohol Basisinformation, Hamm
6. Deutsche Hauptstelle für Suchtgefahren(DHS) e. V. (Hrsg.): Daten und Fakten: Alko-hol. Stand 02.01.2007 www.optiserver.de/dhs/daten_zahlen_alkohol.html
7. DGE, ÖGE, SGE/SVE (Hrsg.):D-A-CH-Refe-renzwerte für die Nährstoffzufuhr. 1. Aufl.Umschau/Braus, Frankfurt 2000
8. Elmadfa, I., Leitzmann, C. Ernährung desMenschen. 4. Aufl. Verlag Eugen Ulmer,Stuttgart 2004
9. Hahn, A., Ströhle, A., Wolters, M. Ernährung,Physiologische Grundlagen, Prävention,Therapie. Wissenschaftliche Verlagsgesell-schaft, Stuttgart 2005
10. Kasper, H.: Ernährungsmedizin und Diätetik.10. Aufl. Urban & Fischer, München 2004
11. Rehner, G., Daniel, H. Biochemie der Ernäh-rung. 2. Aufl. Spektrum Akademischer Verlag,Heidelberg 2002
12. Robert-Koch-Institut (Hrsg.): Gesundheit inDeutschland. Gesundheitsberichterstattungdes Bundes, Berlin 2006
13. Schauder, P., Ollenschläger, G. (Hrsg.): Ernäh-rungsmedizin. Prävention und Therapie. 3.Aufl. Urban & Fischer, München 2006
Anschrift der VerfasserinDipl. oec. troph. Claudia Weiß Karolinger Str. 1276137 Karlsruhe
Abb. 2: Kardioprotektive Wirkung von Alkohol in Abhängigkeit vonder konsumierten Menge. Mod. n. Kluthe, R., Kasper, H. AlkoholischeGetränke und Ernährungsmedizin. Thieme, Stuttgart 1998
Gesamtmortalitätsraten
KHK-Inzidenzraten(tödlich und nicht tödlich)
keinAlkohol-konsum
<20 20–39
20
16
pro
100
0 Pe
rso
nen
jah
re
12
8
4
Alkoholkonsum [g/Tag]
40–79 80