Auswirkungen sozialer Netzwerke am Arbeitsplatz München – 17. Oktober 2014.

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Auswirkungen sozialer Netzwerkeam Arbeitsplatz

München – 17. Oktober 2014

Einstellung / Recruiting

Kündigung

Soziale Netzwerke als Arbeitsmittel

Datenschutz

Nicht-dienstliche Bezüge

I. Soziale Netzwerke im Unternehmen

II. Einstellung – Recruiting

III. Soziale Netzwerke als Arbeitsmittel

IV. Private Nutzung Sozialer Netzwerke

V. Kündigung

VI. Mitbestimmungsfragen

Fall 1:

Arbeitgeber A informiert sich über Bewerber B im Rahmen des Bewerbungsverfahrens über Facebook, Xing und Twitter. B hat dem nicht ausdrücklich zugestimmt. Nach der Einstellung sieht er weiter auf diesen Wegen regelmäßig nach, ob „alles in Ordnung ist“.

Zulässig?

Fall 2:

Arbeitnehmer A posted auf Facebook:

„Dieser Job ist unerträglich. Mein Vorgesetzter ist ein Riesena… Ich hau dem noch in die Fresse, wenn der so weiter macht. Geht‘s jemandem besser als mir?“

Der Arbeitgeber ist im Profil genannt. Das Profil ist öffentlich einsehbar.

A erhält eine fristlose Kündigung.

Wirksam?

Fall 3:

Das Facebook-Profil vom Mitarbeiter M zählt 479 Freunde. M posted einen Beitrag, aus dem sich ein Entgeltfortzahlungsbetrug eindeutig ergibt. Arbeitgeber A kündigt fristlos. M klagt gegen die Kündigung. Vor Gericht bestreitet M den ihm zur Last gelegten Vorwurf. A zieht als Zeugen einen „Freund“ heran und legt einen Bildschirmausdruck vor. M beanstandet die Beweismittel als unverwertbar.

Darf verwertet werden?

I. Soziale Netzwerke im Unternehmen

Aktuelle Markttrends im Social Media:

• (weitere) Verlagerung auf mobile Endgeräte

• (noch) höhere Abhängigkeit der Unternehmen vom Vertriebskanal Social Media

• Trend zu Bilder- und Videodiensten

• Facebook bleibt dominierend, aber …

II. Einstellung - Recruiting

Bewerberinformationen über Soziale Netzwerke:

• keine Verbotsnorm (Beschäftigendatenschutzgesetz kam bislang nicht)

• keine Trennung zwischen berufsbezogenen und privaten Netzwerken (str.)

• Anlehnung an Fragerecht des Arbeitgebers

• maßgeblich § 32 BDSG

• Einschleichen unzulässig !!

Regelung des Beschäftigtendatenschutzes:

• gesetzliche Regelung war stecken geblieben

• Warten auf EU-Datenschutzgrundverordnung

• „über das EU-Niveau hinaus gehende Standards“

VAGE

Folgen unzulässigen Sammelns von Bewerberinformationen über Soziale Netzwerke:

• Unterlassungsanspruch ?

• Entschädigung nach AGG ?

• Schadensersatz, Schmerzensgeld?

• datenschutzrechtliche Ahndung

Schadensersatz für durchgehende Videoüberwachung –LAG Hessen Urt. v. 25.10.2010 – 7 Sa 1586/09

• Montage 02.06.2008 („spätestens“) Klage 13.10.2008• unstreitig zur Überwachung des Eingangsbereichs• Klägerin aber ebenfalls dauerhaft im Bild• Ausmaß der Überwachung streitig• Schmerzensgeld: 7.000 EUR• Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen

Unzulässige Videoüberwachung bei Mr. Wash –Datenschutzbeauftragter NRW

• 60 Einzelfälle an unterschiedlichen Standorten• Bußgeld EUR 64.000,--

Mitarbeiterinformationen über Soziale Netzwerke(Background-Screening):

• problematisch, da Arbeitsverhältnis schon begründet

• Eigengewinnung ist nicht gleich Drittbeschaffung

• beachte: Wirkung auf Mitarbeiter

• Messlatte: § 32 BDSG

§ 32 BDSG – Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses

• Neuregelung bereits zum 01.09.2009

• betrifft „Beschäftigte“

• zentrales Merkmal: Erforderlichkeit(vorher § 28 BDSG: „dienen“)

• besondere Regelung bei Straftaten

(1) Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist.

(1) … Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.

Datenschutzrechtliche Voraussetzungen Straftatermittlung:

• Dokumentation von tatsächlichen Anhaltspunkten

• Verdacht auf Straftat (nicht: Vertragspflichtenverstoß)

• Erforderlichkeit zur Aufdeckung

• Verhältnismäßigkeitsprüfung

§ 32 BDSG betrifft

• Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten

• anlässlich Entscheidung über Begründung, für die Durchführung oder die Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen

BDSG allgemein

nur automatisierte DV

§ 32 BDSG

auch manuelle und sonstige DV

(2) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn personenbezogene Daten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, ohne dass sie automatisiert verarbeitet oder in oder aus einer nicht automatisierten Datei verarbeitet, genutzt oder für die Verarbeitung oder Nutzung in einer solchen Datei erhoben werden.

Merkmal der Erforderlichkeit:

• Müssen für diesen Zweck überhaupt Daten erhoben werden?

• Müssen gerade diese Daten erhoben werden?

• Mindestergebnis oder bestes Ergebnis?

• objektiver oder individueller Maßstab?

Erforderlichkeit immer gegeben bei gesetzlichen Vorgaben oder Folgen gesetzlicher Vorgaben, z.B.:

• Betriebliches Eingliederungsmanagement

• Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

• Unfallverhütungsvorschriften

• Arbeits- und Gesundheitsschutz

• Pflegedokumentationen

Fazit:

• Erforderlichkeitsfeststellung erfolgt am vom Arbeitgeber

verfolgten Zweck

• breiter Einschätzungsspielraum für den Arbeitgeber

• Ausscheiden nur von schlicht überflüssigen Erhebungen

• Verschärfung gegenüber § 28 BDSG a.F.

Rechte der Betroffenen nach dem BDSG:

• Benachrichtigung (§ 33 BDSG)

• Auskunft (§ 34 BDSG)

• Berichtigung (§ 35 BDSG)

• Sperrung (§ 35 BDSG)

• Löschung (§ 35 BDSG)

• Anrufung der Aufsichtsbehörde (§ 38 BDSG)

Ist Anrufung der Aufsichtsbehörde unzulässiges „Whistleblowing“?

• gesetzliche Regelung zum „Whistleblowing“ fehlt

• vielfach Regelungen in Compliance-Werken enthalten

• innerbetrieblicher Klärungsversuch i.d.R. vorrangig

• bloßes Posten in Sozialen Netzwerken kein eigentliches Whistleblowing

Whistleblowing und innerbetrieblicher Klärungsversuch –LAG Schleswig-Holst. Urt. v. 20.03.2012 – 2 Sa 331/11

• innerbetrieblicher Klärungsversuch vorrangig vor Strafanzeige

• Auflösungsantrag i.d.R. gerechtfertigt, da zukünftig weiteres sofortiges Anschwärzen erwartet werden muss

• keine Bedeutung, ob Vorwurf zutreffend oder unzutreffend

Aktuelle „Antrags-Trends“:

• Die Beklagte wird verurteilt, die elektronisch gespeicherten Daten betreffend die Abmahnung vom … von sämtlichen Datenträgern zu löschen.

• Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger darüber Auskunft zu erteilen, welche personenbezogenen Daten sie über ihn speichert, den Zweck dieser Speicherung und Herkunft dieser Daten sowie die Empfänger oder die Kategorien von Empfängern zu benennen, die die personenbezogene Daten des Klägers weitergegeben werden.

• Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger den logischen Aufbau der automatisierten Verarbeitung der ihn betreffenden Daten mitzuteilen.

Weitere Praxisbeispiele:

• (Ex-)Bewerber verlangt sofortige Löschung von über ihn in Sozialen Netzwerken gewonnenen Informationen

• Mitarbeiter verlangt Löschung von im Facebook-Auftritt des Arbeitgebers enthaltenen Bildern, auf denen er zu sehen ist

Löschung von Fotos aus dem Internetauftritt des Arbeitgebers nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses –

LAG Hessen Urt. v. 24.01.2012 – 19 SaGa 1480/11

• Verstoß gegen §§ 241, 1004, 823 BGB, 22, 23 KUG• Beeinträchtigung durch Fehlleitung von Suchmaschine

bei Namenssuche• (kein Löschungsanspruch bei Darstellung als

„Zufallsmitglied“ einer Mitarbeitergruppe)

Fall 1:

Arbeitgeber A informiert sich über Bewerber B im Rahmen des Bewerbungsverfahrens über Facebook, Xing und Twitter. B hat dem nicht ausdrücklich zugestimmt. Nach der Einstellung sieht er weiter auf diesen Wegen regelmäßig nach, ob „alles in Ordnung ist“.

Zulässig?

Headhunting über berufsbezogene Netzwerke:

• eröffnet „Abwerbekanal“

• Abwerben grundsätzlich erlaubt

• nur Kontaktaufnahme und Erstbeschreibung der neuen Stelle wettbewerbsrechtlich zulässig (auch bei der Arbeit)

• unzulässig, wenn Verleiten zum Vertragsbruch und Druckausübung durch Kontakt über Erstgespräch hinaus

Aufforderung zu Präsenzunterlassung in Sozialen Netzwerken durch den Arbeitgeber?

• grundsätzlich nicht möglich

• Arbeitgeberangabe nicht untersagbar

• Untersagung der Darstellung von Interna möglich (Projekte, Verfahren pp., u.U. problematisch bei Befugnissen, Kompetenzen und Stellungen u.s.w.)

III. Soziale Netzwerke als Arbeitsmittel

Soziale Netzwerke sind „normale“ Arbeitsmittel:

• „Eigentum“ des Arbeitgebers

• Leistungs- und Nutzungsbestimmungen werden durch den Arbeitgeber definiert (ggf. mitbestimmt)

• Nutzungsverhalten wird durch Direktionsrecht bestimmt

Weisungsrecht § 106 GewO:

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.

Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb.

Das Weisungsrecht umfasst

• sämtliche dienstlichen Äußerungsinhalte

• Pflicht zur Entfernung dienstlicher Beiträge

• Anordnungsberechtigung zur Änderung

• Berechtigung zum Erstellen konkreter Beiträge und Inhalte

Ist die Verpflichtung zur Nutzung vom Arbeitsvertrag umfasst?

• abhängig von der vereinbarten Tätigkeit

• Nutzung sozialer Netzwerke gibt Tätigkeit i.d.R. kein wesentliches Gepräge

• kaufmännischer Bereich i.d.R. unproblematisch

• sogar meist notwendiger Inhalt im Bereich Marketing/Vertrieb/IT

Wer ist Urheber der veröffentlichten Inhalte:

• Mitarbeiter erstellt Inhalte für den Arbeitgeber im Rahmen seines Arbeitsvertrages

• Urheberrecht hat der Arbeitgeber, nicht der Mitarbeiter

• keine besondere Vergütungspflicht für „Schöpfungen“

Wem gehören im Job erflogene Bonusmeilen? – BAG Urt. v. 11.04.2006 – 9 AZR 500/05

• Früchte der Arbeit stehen umfassend dem Arbeitgeber zu

• Anspruchsgrundlage § 667 BGB

Zahngold im Krematorium – BAG Urt. v. 21.08.2014 – 8 AZR 655/13

• Früchte der Arbeit stehen umfassend dem Arbeitgeber zu

• Anspruchsgrundlage § 667 BGB

Häufige Probleme im dienstlichen Umgang mit Sozialen Netzwerken durch Mitarbeiter:

• Verletzung von Urheberrechten (insb. Bilder)

• unabgestimmte Löschvorgänge durch Mitarbeiter

• wettbewerbsrechtliche Problematiken

• Verletzung von Betriebsgeheimnissen

Löschen von lokalen, nicht servergespeicherten Daten straflos –

OLG Nürnberg Beschl. v. 23.01.2013 – 1 Ws 445/12

• kein Verstoß gegen § 303 a StGB• Datenverfügungsbefugnis i.d.R. beim Eingebenden• Schutz nur aus schuldrechtlichen Verpflichtungen• Konsequenz: Arbeitgeber muss Sicherungen

durchführen

Datenabflüsse aus Unternehmen in der Praxis:

• Löschung durch Mitarbeiter

• Verwendung von Cloud-Diensten (Dropbox pp.)

• Einbringung eigener Hardware durch Mitarbeiter (BYOD = Bring Your Own Device; Mobiltelefon/USB-Stick)

• Übersetzung durch Cloud-Dienste(Google Translate, OCR)

• Versand von E-Mail-Anhängen und Nutzung privater Webmail-Dienste

Bring Your Own Device - BOYD:

• BOYD vs. COPE (Corporate Owned, Personally Enabled)

• Arbeitgeber als Diensteanbieter nach TKG?

• Gewährleistung der Datensicherheit

• Nutzungsentschädigung?

• Überwachungsrecht an BOYD-Endgeräten?

• lizenzrechtliche Fragen

• Nutzungsvereinbarungen (ggf. mitbestimmt?)

Probleme anlässlich der Beendigung von Arbeitsverträgen:

• Wem gehören Account-Daten?

• Herausgabepflicht für Passwörter?

• Anspruch auf Löschen von Mitarbeiterbildern und Textbeiträgen?

• Anfertigung von Dokumentationen?

• Verpflichtung zu Nacharbeiten(auch über das Beendigungsdatum hinaus?)

IV. Private Nutzung Sozialer Netzwerke

• Private Nutzung Sozialer Netzwerke ist grds. Privatverhalten

• kein Zugriff auf privates Verhalten durch Direktionsrecht

• keine Regelung durch arbeitsvertragliche Vereinbarungen möglich (AGB)

• privater Bereich wird verlassen, sobald dienstliche Bezüge entstehen

• Ansehensbeeinträchtigungen des Arbeitsgebers durch privates Mitarbeiterverhalten i.d.R. irrelevant

Ansehensbeeinträchtigung des öffentlichen Arbeitgebers –

BAG Urt. v. 28.10.2009 – 2 AZR 293/09

• nach neuem Tarifrecht keine Pflicht mehr, gesamtes Privatleben auf Ansehen des Dienstherrn abzustimmen

• aber: Geltung von § 241 Abs. 2 BGB (Rücksicht auf Vertragspartner)

• nur bei Bezug zur dienstlichen Tätigkeit

Tätowierung bei Bewerbung für den Polizeidienst –OVG Münster Beschl. v. 26.09.2014 – 6 B 1064/14

• keine unverhältnismäßige Einschränkung des Zugangs bei großflächigen Tätowierungen

• Ansehensbeeinträchtigung des öffentlichen Arbeitgebers muss nicht hingenommen werden

Private Nutzung Sozialer Netzwerke am Arbeitsplatz:

• verletzt die Arbeitspflicht (Ausnahme: Pausen)

• problematisch, wenn private Internetnutzung (ggf. teilweise) erlaubt oder wenigstens geduldet

• kein Unterschied, ob mit privatem Smartphone oder über Arbeitgeber-EDV

• singulärer Verstoß eher geringfügige Vertragspflichtverletzung

Keine Mitbestimmung bei Nutzungseinschränkungen von Mobiltelefonen am Arbeitsplatz –

LAG Rheinland-Pf. Beschl. v. 30.10.2009 – 6 TaBV 33/09

• Verbot der Privatnutzung von Mobiltelefonen während der Arbeitszeit mitbestimmungsfrei

• Unterlassung selbstverständlicher Kernbereich der Arbeitsleistung

• Handyverbot ist Konkretisierung der Arbeitspflicht• kein Prüfung für Pausennutzung

V. Kündigung

Verhaltensbedingte Kündigung

1. Pflichtenverstoß an sich geeignet, Kündigung zu begründen

2. grundsätzlich Abmahnungserfordernis

3. Interessenabwägung

fristlos oder fristgemäß denkbar(graduelle Entscheidung)

Abmahnungserfordernis

• es sei denn, Pflichtenverstoß ist so erheblich, dass auch Abmahnung Verhaltensänderung absehbar nicht bewirken würde und Fortsetzung unzumutbar ist

• hat Gewicht insbesondere bei jüngerem Publikum

• sichererer Weg gegenüber sofortiger Kündigung

• „vorweggenommene Abmahnung“ durch Social-Media-Guidelines und Nutzungsrichtlinien?

Kündigungsperspektive bei

• Beleidigungen von Arbeitgeber, Vorgesetzten, Kollegen und Kunden

• Drohungen

• Geheimnisverrat / Verstoß gegen Vertraulichkeit

• Verletzung der Arbeitspflicht durch Aktivität in Sozialen Netzwerken

• Dokumentation von Pflichtverletzungen, insb. EfZ-Betrug

Typische Tathandlungen bei Beleidigungen in Sozialen Netzwerken:

• direktes Äußern durch posten eines entsprechenden Beitrags (Statusmitteilung, Tweet pp.)

• Empfehlen- oder Teilen Funktion (Facebook)

• Re-Tweet (Twitter)

• „Gefällt-mir-Button“ auf Beitrag eines Dritten angeklickt (Facebook)

Beleidigungen

Like-Button für kritischen Arbeitgeberbeitrag gesetzt –ArbG Dessau-Roßlau Urt. v. 21.03.2012 – 1 Ca 148/11

• Setzen des Like-Buttons als Zustimmung zu beleidigenden Äußerungen des Ehemanns gegenüber eigenem Arbeitgeber

• Kündigung nur nach vorhergehender Abmahnung

Relevante Beurteilungsfaktoren:

• Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit Art. 5 GG

• aber: Beleidigung ist Straftat

• „Betriebsüblichkeit“?

• Abgrenzung zur Kritik

• aber: Grenze zur Schmähkritik

Freie Meinungsäußerung und „Whistleblowing“ –EGMR Urt. v. 21.07.2011 – 28274/08 (Heinisch)

Kritische Arbeitnehmeräußerungen in einem Internetbeitrag –

LAG Baden-Württ. Urt. v. 10.02.2010 – 2 Sa 59/09

• „menschenverachtende Jagd auf Kranke“• „verschärfte Ausbeutung und Angriff auf

gewerkschaftliche Rechte“• keine Vertragspflichtverletzung, wenn von

Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt• Auflösungsantrag unbegründet

Wissentlich falsche Äußerungen auf Youtube (Streik.TV) –BAG Urt. v. 31.07.2014 – 2 AZR 505/13

• keine Berechtigung zur Verbreitung unwahrer Tatsachen über digitale Medien

• sachliche Kritik an betrieblichen Gegebenheiten über digitale Medien erlaubt

• Entscheidung im Kontext einer Betriebsratswahl

KZ-Vergleich „Arbeitsbedingungen wie im KZ“ – LAG Berlin-Brand. Beschl. v. 02.10.2014 – 10 TaBV 1134/14

• Verfahren nach § 103 BetrVG betreffend Betriebsratsmitglied

• interne Äußerung in BR-Sitzung ggü. Personalleiterin• emotionale Sachdiskussion• noch hinzunehmende Sachkritik• keine Grenze zur Schmähkritik überschritten

• Ernsthaftigkeit (oder nur Gefasel?)

• Androhung eines empfindlichen Übels

• Widerrechtlichkeit

Drohungen

Fall 2:

Arbeitnehmer A posted auf Facebook:

„Dieser Job ist unerträglich. Mein Vorgesetzter ist ein Riesena… Ich hau dem noch in die Fresse, wenn der so weiter macht. Geht‘s jemandem besser als mir?“

Der Arbeitgeber ist im Profil genannt. Das Profil ist öffentlich einsehbar.

A erhält eine fristlose Kündigung.

Wirksam?

Verbotene Internetnutzung durch LeitendenBAG Urt. v. 14.04.2012 – 2 AZR 186/11

• auch ein nach zeitlichem Umfang erheblicher Verstoß gegen ein ausdrückliches Verbot der privaten Nutzung des dienstlichen Internetanschlusses sowie das Herunterladen pornografischen Bildmaterials schafft keinen absoluten Kündigungsgrund

• alle relevanten Umstände des Einzelfalls zu beachten

Verletzung der Arbeitspflicht

Kündigung wegen missbräuchlicher InternetnutzungBAG Urt. v. 07.07.2005 – 2 AZR 581/04

• ausschweifende private während der Arbeitszeit Internetnutzung kann außerordentliche Kündigung rechtfertigen

• ausdrückliches Verbot nicht zwingend notwendig• Duldung bedeutet nicht Billigung für die Zukunft• Abmahnung nicht erforderlich• Herunterladen pornografischen Materials birgt

Risiko der Rufschädigung des Arbeitgebers

Feststellung pflichtwidrigen Verhaltens über Beiträge in Sozialen Netzwerken:

• Hauptfallgruppe: AU/Efz-Betrug

• meist (nur) Verdachtskündigung

• Dokumentation?

Dokumentation von Pflichtverletzungen

Verdachtskündigung

• Ermittlungspflicht falls bislang bloß Anhaltspunkte (hemmt Frist nach § 626 Abs. 2 BGB)

• Anhörung des Mitarbeiters – ggf. schriftliche – ist Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung

• Nachermittlungspflicht bei Verteidigungsvorbringen

• ggf. erneute Anhörung des Mitarbeiters

Anhörungspflicht bei Verdachtskündigung –BAG Urt. v. 20.03.2014 – 2 AZR 1037/12

• Ermittlungspflicht bringt Fristaufschub• Fristaufschub entfällt nicht nachträglich, wenn

Stellungnahmefrist für Arbeitnehmer verstreicht und Arbeitgeber nun auf Anhörung verzichtet

• Anhörung kann bei von vornherein geäußerter Ablehnung der Stellungnahme unterbleiben

• Stellungnahme muss auch bei unfreiwilligem Schweigen nicht abgewartet werden

Anforderungen an die Verdachtskündigung –LAG Köln Urt. v. 12.12.2013 – 7 Sa 537/13

• Beschränkung der Verdachtskündigung auf besondere Ausnahmefälle

• scheidet aus, wenn Arbeitgeber nicht zuvor alle erdenklichen Anstrengungen zur Aufklärung unternommen hat

Dokumentation von Pflichtenverstößen in Sozialen Netzwerken:

• Screenshots/Bildschirmausdrucke

• Bild- und Videodateien auf Datenträgern

• Zeugenbekundungen

• schriftliche Vermerke durch Zeugen

Dokumentation von AU/EfZ-Betrug:

„Er wurde auf der Straße gesehen“

„Sie fuhr immer genau während der AU Hunde-schlittenrennen

in Kanada“

Fall 3:

Das Facebook-Profil vom Mitarbeiter M zählt 479 Freunde. M posted einen Beitrag, aus dem sich ein Entgeltfortzahlungsbetrug eindeutig ergibt. Arbeitgeber A kündigt fristlos. M klagt gegen die Kündigung. Vor Gericht bestreitet M den ihm zur Last gelegten Vorwurf. A zieht als Zeugen einen „Freund“ heran und legt einen Bildschirmausdruck vor. M beanstandet die Beweismittel als unverwertbar.

Darf verwertet werden?

Querschnittsproblematiken

• Wann ist eine Äußerung öffentlich?

• Beweisverwertungsfragen

• Schutzbehauptungen/Ausreden

• Frist § 626 Abs. 2 BGB

Wann ist eine Äußerung öffentlich?

• bei Twitter immer

• in offenen Facebook-Profilen

• Problem: „Begrenztheit“ des Freundeskreises in anderen Sozialen Netzwerken, wenn Profil auf privat eingestellt

• Auffindungswahrscheinlichkeit relevant?

Kritische Arbeitnehmeräußerungen in einem Facebook-Beitrag – öffentlich?

VGH München Beschl. v. 29.02.2012 – 12 C 12.264

• „zum kotzen diese Penner“, neuer Anbieter• „besonderer Fall“ i.S.v. § 9 Abs. 3 S. 1 MuSchG• Abgrenzung zwischen privat und öffentlich

erforderlich

Diffamierende Arbeitgeberangabe auf FacebookLAG Hamm Urt. v. 10.10.2012 – 3 Sa 644/12

• Arbeitgeberangabe auf Facebook: „Menschen-Schinder & Ausbeuter, Leibeigener, dämliche Scheiße für Mindestlohn -20% erledigen“

• Äußerung Vielzahl von Personen zugänglich• Beschränkung auf Freundeskreis kann maßgeblich

sein

Posten von Patientenbildern auf FacebookLAG Berlin-Brand. Urt. v. 11.04.2014 – 17 Sa 2200/13

• Abbildung mit 2 Monate altem Säugling• Verstoß gegen Persönlichkeitsrecht der Patienten• Verstoß gegen die Schweigepflicht• Öffentlichmachung trotz geschlossenem Profil• besondere Schwere der Pflichtverletzung, aber kein

Grund für eine außerordentliche Kündigung

Beweisverwertungsfragen:

• Persönlichkeitsrechte

• Datenschutzverstöße

• Abwägungsvorgang

• keine „Früchte des verbotenen Baumes“-Doktrin

Beweisverwertungsfragen:

• kein Beweisverwertungsverbot aufgrund Verstoßes gegen datenschutzrechtlich Vorgaben

• Maß des Verstoßes gegen Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers entscheidend

• BAG eher kulant

Verwertung der unzulässigen Videoüberwachung –BAG Urt. v. 21.06.2012 – 2 AZR 59/09

• verdeckte Videoüberwachung öffentlicher Plätze• Verstoß gegen § 6 b BDSG führt nicht per se zur

Unverwertbarkeit einer Videoüberwachung• Interesse an einer funktionstüchtigen

Rechtspflege ./. Persönlichkeitsrechte• bei Verdacht einer Straftat oder schweren

Vertragspflichtverletzung

Schutzbehauptungen/Ausreden:

• Affekthandlung (ohne nachfolgende Löschung?)

• Bedienungsfehler (öffentlich)

• keine Namensnennung der Beteiligten

• missbräuchliche Nutzung durch Dritte

• gleich wieder gelöscht, war nur kurz online

Frist § 626 Abs. 2 BGB:

• 2 Wochen ab Kenntnis

• Hemmung bei Anhörungserfordernis bei Verdachtskündigung

• Dauertatbestand wegen ständiger Verfügbarkeit in Sozialen Netzwerken?

VI. Mitbestimmungsfragen

• (verbindliche) Social Media Guidelines betreffend dienstliche Bezüge § 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG

• Nutzungsverbote während der Arbeitszeit mitbestimmungsfrei, im Übrigen streitig

• bei technischer Überwachung der Nutzung § 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG

• kein Einfluss des BR auf einzelvertragliche Regelungen (sofern nicht kollektiver Zusammenhang)

„Folgen Sie uns auf Facebook“ – mitbestimmungspflichtig? –

ArbG Düsseldorf Urt. v. 27.06.2014 – 14 BV 104/13

• Facebook „technische Einrichtung“ i.S.v. § 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG

• Kunden als weitergehende Kontrollinstanz• unerheblich, dass Dateneingabe manuell erfolgt• maßgeblich, dass Leistungsdaten technisch erfasst

und abrufbar• Mitarbeiterverhalten bei Arbeit an Facebook

nachvollziehbar