Bewirtschaftung von dauerfeuchten …Schäfer, A. & W. Wichtmann 1999. Sanierte Niedermoore und...

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Bewirtschaftung von dauerfeuchten Niedermoorflächen – Perspektiven für die

Paludikultur

Achim Schäfer DUENE e.V. &

Lehrstuhl für Allgemeine Volkswirtschaftslehre und Landschaftsökonomie schaefea@uni-greifswald.de,

Seminar am 9. Mai 2012, TUTech Innovation GmbH, Hamburg-Harburg

Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) - Wo bleibt der Gewässerschutz?

Vorpommern Initiative Paludikultur

Wiedervernässung

+ Biomassenutzung

= Paludikultur

Paludikultur ist nasse, torferhaltende Landnutzung

Paludikultur?

= nasse, torferhaltende Landnutzung

auf wiedervernässten Mooren

Paludikultur *

*lat. „palus“ – Sumpf, Morast

Niedermoor Hochmoor

nasse, torferhaltende Landnutzung

auf wiedervernässten

• Schwarzerle (Alnus glutinosa) • Schilf (Phragmites australis)

• Rohrkolben (Typha spec.)

• Seggen (Carex spec.)

• Rohrglanzgras (Phalaris arundinacea)

• Torfmoos (Sphagnum spec.)

Paludikultur =

Potenziale aufdecken mit der DPPP (Database of Potential Paludiculture Plants)

• DPPP – Informationen über Feuchtgebietspflanzen, die direkt oder indirekt Produkte

liefern, welche von Menschen genutzt werden können (= ÖSD!)

• Informationen über – Charakteristika und Morphologie – Verbreitung und Habitat – Kultivierung und Vermehrung – Nutzungsoptionen

• Ergebnisse für Europa – ~ 200 potenzielle Paludikulturpflanzen (Arten und Artengruppen) – ~ 120 Arten Stauden/Kräuter, 40 Gräser, 25 Sträucher und 10 Bäume – aber nicht jede Art ist für Paludikultur geeignet – Ausweitung der DPPP auf alle Klimazonen

Aufnahmeprotokoll der DPPP

Essbare Beeren aus dem Moor

Moltebeere Rubus chamaemorus

Moosbeere Oxycoccus palustris

Blaubeere Vaccinium myrtillus

Apfelbeere Aronia melanocarpa

Fotos: wikimedia commons; Moltebeere: Primordial, Moosbeere: Folker Silge, Blaubeere: Marek Silarski, Apfelbeere: Pawvic

Aromastoffe aus dem Moor

Mariengras, Bisongras Hierochloe odorata

Kalmus Acorus calamus

Nutzung: als Aromastoff in Parfüms, Tabak in der Gourmetküche für Süßspeisen und Getränke

Nutzung: in der Heilkunde: kräftigend und appetitanregend

bei der Parfüm- und Likörherstellung

als Tinktur in Coca Cola Fotos: wikimedia commons; Kalmus: von Christian Fischer

Medizin aus dem Moor

Fieberklee Menyanthes trifoliata

Wirkung: gegen Appetitlosigkeit, Verdauungs-störungen, Hautprobleme, Erkältung und Fieber für Bier als Hopfenersatz!?

Fotos: wikimedia commons; Drosera by Rosťa Kracík

Sonnentau Drosera rotundifolia

Wirkung: gegen Husten

für die Libido: „kleine Zutaten mit starker Wirkung“

Holz aus dem Moor

Erlenwald Alnion glutinosae

Nutzung: gegen Rote Listen

für Tiere und Pflanzen

Foto: Institut für Botanik und Landschaftsökologie, Greifswald, Andreas Kaffke

Großseggen Eschen-Erlenwald

Nutzung: gegen Holzmangel

für schöne Möbel

Küchen und Schlafzimmer aus dem Moor

Küche Alnus glutinosa

Schlafzimmer Alnus glutinosa

Wirkung: für den guten Geschmack

gegen Hunger

Wirkung: für die Libido

gegen Müdigkeit

Fotos: team7 Möbel

Nachhaltige Schilfrohrwirtschaft

Schilfrohrwirtschaft in Rozwarowo

Fotos Achim Schäfer

Schilfrohrkultur

Foto: Franziska Tanneberger

Tanneberger 2008 Foto: Achim Schäfer

Foto: Achim Schäfer

Qualitätsschilf und -biomasse

„first class“

„second class“ Fotos: Cosima Tegetmeyer

Foto: Wendelin Wichtmann

Seiga mit Ballonreifen

Wetlandtruck Seiga Nachbau

Ernte von Qualitätsschilf

Seiga mit Ketten

Fotos: Wendelin Wichtmann

Von einer Pisten- zu einer Paludiraupe…

Foto: Achim Schäfer

Von einer Pisten- zu einer Paludiraupe…

Foto: Wendelin Wichtmann

Handwerkliche-/industrielle Verwertung

Formkörper (II): „Gitterstein“ und Gesteckträger

Isolationsmaterial (Schilf)

Formkörper (III): Topf und Schwalbennest

Möbel (Erlenholz)

Formkörper aus Rohrkolben

Sandwichplatten (Rohrkolben)

Rohrkolbenanbau in Niedermooren Integration von Rohstoffgewinnung, Wasserreinigung und

Moorschutz zu einem nachhaltigen Nutzungskonzept

Foto: DBU-Projekt: Rohrkolbenanbau in Niedermooren

Dämmstoffe aus Rohrkolben und Schilf

Putzträger für Lehmputz aus Rohrkolben-Schilf

Zusatzfreier Einblasdämmstoff aus Rohrkolben

Kompostierbare, flexible Dämmplatte Rohrkolben-Schilf www.naporo.com

Briketts und Pellets aus Paludibiomasse

Briketts

Pellets

Foto: Schröder

Foto: Schröder

Foto: Lachmann

„Umweltminister fordern Studie zur ökonomischen Bewertung des Moorschutzes“

77. Umweltministerkonferenz vom 2. bis 4. November 2011 in Dessau-Roßlau

„Die Umweltminister der Bundesländer wollen die Leistungen intakter Moore finanziell bewerten lassen. Sie forderten bei ihrer Konferenz am vergangenen Freitag in Dessau

das Bundesumweltministerium dazu auf, eine entsprechende Studie vorzulegen“ (agrar-europe45/2011).

Ökonomische Bewertung für wen und wozu?

Irland Schwedische Landesaufnahme von Barschow bei Anklam im Jahre 1694

Ausgangssituation

Herkömmliche Moorlandwirtschaft – belastet die Umwelt

– verursacht volkswirtschaftliche Kosten und

– ist nur durch Subventionen rentabel

Subventionen fördern eine nicht-umweltverträgliche Nutzung der Moore

Landwirte haben keinen Anreiz zur Suche nach umweltverträglicheren Nutzungsweisen

Emissionsfaktoren Bioenergie vom Moor

Konventionell t CO2 / TJ 1)

• Mais für Biogas 2) 880 • Torf 106 zum Vergleich: Heizöl 75 Paludikultur 3)

• Schilf -136 • Schwarzerle -167

1) Emissionen CO2-Äquivalente pro Terajoule verwertbare Energie. Nach Couwenberg 2007.

2) Werte immer für den Anbau auf Moor. 3) Im Vergleich zu den Ausgangsbedingungen unter Berücksichtigung des Ersatzes von Heizöl.

Berechnungen nach Wichtmann et al. 2009.

Umweltrelevante Prozesse

O2 CO2

Torf

O2 N2O

CO2

P, K, N

Pflanzen

CH4

Torf C, N, P

Heutiges Knappheitsproblem: Durch Vorgaben der WRRL begrenzte Aufnahmekapazität der Gewässer mit Nährstoffen

… im wachsenden Moor … im entwässerten Moor

Hoher Nutzungsdruck • Hohe Futterqualität (v.a.

Milchvieh) • Nachwachsende Rohstoffe,

Bioenergie (EEG)

Intensivierung • Optimierung der Entwässerung • Grassilage (Milchvieh, Biogas) • Grünlandumbruch (Niedermoor) • Maisanbau

Grünlandüberschuss • Rückgang der Viehbestände (MV) • Futtererzeugung auf Acker • Verwertungsprobleme

Fehlende Nutzungsoption • Pflegenutzung (Direktzahlungen) • Vorhaltung

Kompensationsflächen • Auflassung (z.T. wiedervernässt) • Einkommensverluste

Trends auf Moorstandorten

weiterhin: Entwässerung + Umweltbelastung

Paludikultur und GAP

• Landwirtschaft ein wichtiger Akteur und Partner – N + P-Einträge in Oberflächengewässer durch landwirtschaftliche Nutzung – Ausgangssituation, nicht standortgerechte Nutzung, Instrumente, Freiwilligkeit

• Verwertungslinien – Nutzungsoptionen - Potenziale – Medizinisch: Nischenmarkt – Stofflich: Nachfrage > Angebot (Rohrkolben, Schilf, Erlenwertholz) – Energetisch: Nachfrage > Angebot (Schilf, Erlenwertholz) – aber Markteinführung wird durch agrarpolitische Rahmenbedingungen verhindert

• Harte und weiche Möglichkeiten GAP – Perverse Anreize abbauen, Verursacherprinzip steht auf dem Kopf – CC-Anforderungen, neuer Standard GLÖZ 7: „Schutz von Feuchtgebieten und

kohlenstoffreichen Böden einschließlich eines Erstumbruchverbotes“ – 100%-iger Vollzug des Ordnungsrechts (Bundesbodenschutzgesetz § 17 Abs. 2) – Regelungsbedarf

• Vermeidung von Planfeststellungsverfahren • Anpassung der Schilfmahd-Richtlinie in MV für neu angelegte Paludikulturen • bei Erlenwald (keine Sonderbiotope)

Verursacherprinzip

Instrumente für die Paludikultur • Investive Maßnahmen vs. Wirtschaftsförderung

• Agrarstrukturelle Maßnahmen – Flurneuordnung, Wasserstandsmanagement

• Paludi-Betriebe – Spezialerntemaschinen, Brikettierungs- und Pelletierungsanlagen

• Nachfrageseite – Förderung von Bioenergieanlagen und Infrastruktur (z.B. Bioenergiedörfer)

• Agrarumweltberatung

• Aufbau von Beratungsnetzwerken • Integration in die Agrarberatung und in betriebliche Entwicklungskonzepte

• Agrarumweltmaßnahmen (2. Säule, Ländliche Entwicklung)

• Punkt 4: „Wiederherstellung, Erhaltung und Verbesserung von Ökosystemen“ • Punkt 5: „ Ressourceneffizienz, Übergang zu einer low-carbon economy“ • aber falscher konzeptioneller Ansatz: GfP Paludikultur, drastische Mittelkürzung, MV 50%

• ÖSD honorieren / Bonus- und Malussystem • Maßnahmenorientiert – Zielwasserstände vertraglich regeln • Erfolgsorientiert - GEST-Kontrolle kombiniert mit Gewässerschutzindikatoren

ÖSD-Gewässerschutz dauerfeuchter Niedermoorflächen

• Elimination von Nitrat-Stickstoff durch Denitrifikation – Denitrifikationsleistung bis zu 100% – Denitrifikationsrate über 50 kg N ha-1 a-1

• Speicherung Nährstoffen durch Torfakkumulation – Durchschnittlicher Torfzuwachs zwischen 0,5 und 1 mm ha-1 a-1 – N-Festlegung zwischen 6,25 und 12,5 kg ha-1 a-1 – P-Festlegung zwischen 0,05 und 0,6 kg ha-1 a-1

• Nährstoffentzug durch winterliche Mahd des Schilfes – Durchschnittliche Ernte von 6 bis 12 t TS ha-1 a-1 – N-Entzug zwischen 3,2 und 6,5 kg ha-1 a-1 – P-Entzug zwischen 0,9 und 1,8 kg ha-1 a-1

Paludikultur bietet Vorteile

• Wasserfiltration und Nährstoffrückhalt

• Reduktion von Treibhausgasen

• Substitution fossiler Rohstoffe

• keine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion

• Perspektiven für Wirtschaft, Tourismus und Naturschutz Foto: Achim Schäfer

Vielen Dank

für Ihre

Aufmerksamkeit!

www.paludikultur.de

Literatur Couwenberg, J. 2007. Biomass energy crops on peatlands: on emissions and perversions. IMCG-Newsletter 2/2007: 12-14. Couwenberg, J. 2011. Vegetation as a proxy for greenhouse gas fluxes – the GEST approach. In: Tanneberger, F. & W. Wichtmann (Eds.):

Carbon credits from rewetting. Schweizerbart, Stuttgart, pp. 37-42. Couwenberg, J., Augustin, J., Michaelis, D. Wichtmann, W. & H. Joosten 2008: Entwicklung von Grundsätzen für eine Bewertung von

Niedermooren hinsichtlich ihrer Klimarelevanz. DUENE e.V., Greifswald. Kowatsch, A., A. Schäfer & W. Wichtmann 2008. Nutzungsmöglichkeiten auf Niedermoorstandorten Umweltwirkungen, Klimarelevanz und

Wirtschaftlichkeit sowie Anwendbarkeit und Potenziale in Mecklenburg-Vorpommern. IfBL & DUENE e.V., Greifswald. Müller, J. & H. Heilmann 2011. Stand und Entwicklung der agrarischen Nutzung von Niedermoorgrünland in Mecklenburg-Vorpommern.

Telma, Beiheft 4: 235-248. Schäfer, A. 1999. Schilfrohkultur auf Niedermoor. Archiv für Naturschutz und Landschaftsforschung 38: 129-216. Schäfer, A. & W. Wichtmann 1999. Sanierte Niedermoore und weitergehende Abwasserreinigung. Archiv für Naturschutz und

Landschaftsforschung 38: 315-334.. Schäfer, A. 2002. Monetarisierung ökologischer Leistungen von Mooren. Greifswalder Geographische Arbeiten 31: 21-30. Schäfer, A. 2004. Umwelt als knappes Gut – Ökonomische Aspekte von Niedermoorrenaturierung und Gewässerschutz. Archiv für

Naturschutz und Landschaftsforschung 43: 87-105. Schäfer, A. 2009. Moore und Euros – die vergessenen Millionen. Archiv für Forstwesen und Landschaftsökologie 43 (4): 156-160. Schäfer, A. & H. Joosten (Hrsg.) 2005. Erlenaufforstung auf wieder vernässten Niedermooren. DUENE e.V., Greifswald. Schätzl, R., Schmitt, F., Wild, U. & H. Hoffmann: Gewässerschutz und Landnutzung durch Rohrkolbenbestände. Wasserwirtschaft

11/2006: 24-27. Schwill, S. 2003. Wirkungen von Wiedervernässungen auf degradierten Niedermoorstandorten in Mecklenburg-Vorpommern – eine

Literaturstudie. In: LUNG Mecklenburg-Vorpommern: Stoffausträge aus wiedervernässten Niedermooren. Materialien zur Umwelt 1: 10-27.

Wild, U., Kamp. T., Lenz, A., Heinz, S. & J. Pfadenhauer 2001. Cultivation of Thypha spp. in constructed wetlands for peatland restoration. Ecological Engineering 17: 49-54.

Wichtmann, W. & A. Schäfer 2004. Nutzung von Niederungsstandorten in Nordostdeutschland. Wasserwirtschaft 5/2004: 19-22. Wichtmann, W., Couwenberg, J. & A. Kowatsch 2009. Standortgerechte Landnutzung auf wiedervernässten Niedermooren - Klimaschutz

durch Schilfanbau. Ökologisches Wirtschaften 1/2009: 25-27. Wichmann, S. & W. Wichtmann 2011. Paludikultur: Standortgerechte Bewirtschaftung wiedervernässter Moore. Telma, Beiheft 4: 215-

234. Zak, D., Augustin, J., Trepel, M. & J. Gelbrecht 2011. Strategien und Konfliktvermeidung bei der Restaurierung von Niedermooren unter

Gewässer-, Klima- und Naturschutzaspekten, dargestellt am Beispiel des nordostdeutschen Tieflandes. Telma, Beiheft 4: 133-150.