Klassifikation. Was versteht man unter Klassifikation? -Versuch, die Vielfalt an Einzelerscheinungen...

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Klassifikation

Was versteht man unter Klassifikation?

- Versuch, die Vielfalt an Einzelerscheinungen in übergeordnete Einheiten zu ordnen

- Vorgang der Zuordnung eines Elements zu einer vorgegebenen Klasse

Klassifikation: Erste Versuche

- Die Ägypter und Sumerer unterschieden bereits zwischen zwei Störungsbildern, die später als Melancholie und Hysterie bezeichnet wurden

- Die alten Griechen beschrieben Kategorien wie Senilität, Alkoholismus, Manie, Melancholie und Paranoia

- Im Mittelalter hingegen galt die Auffassung, dass psychische Störungen von Geistern versursacht werden, worauf ein eigenes Klassifikationssystem dämonischer Diagnosen entstand

- Hippokrates (460 – 375 v.Chr.) unterschied 4 Menschentypen

Hippokrates: 4 Menschentypen

Choleriker Melancholiker Phlegmatiker Sanguiniker

Bilder aus: Samy Molcho – Körpersprache: mvg-Verlag

Wie kann man psychische Störungen sinnvoll klassifizieren?

Fragestellung: Wir wollen erfassen, wieviele Primarschulkinder im Kanton Fribourg gemobbt werden (Ziel: Angabe in Prozent).

Es folgt ein Entscheidungsproblem: Welche Kinder wollen wir der Klasse „gemobbt“ zuweisen?

Das Entscheidungsproblem führt zur Bildung eines Klassifikationssystems mit mindestens zwei Klassen und Zuordnungsregeln.

Ansätze zur Klassifikation

• Ätiologisch / Nosologisch: Klassifikation nach der Entstehungsgeschichte / Krankheitslehre

Beispiele: Psychoanalytische und lerntheoretische Konzepte Klassifikation der Depressionstypen nach Kielholz Das System von Hippokrates

• Phänomenologisch (= beschreibend): Klassifikation nach dem Erscheinungsbild

Beispiele: ICD-10 DSM-4-TR

ICD-10 und DSM-4-TR:Die bedeutendsten modernen Diagnosesysteme

ICD-10 steht für International Classification of Diseases – 10. Revision und wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegeben. Die psychischen Störungen werden im Kapitel V (F) klassifiziert.

DSM-4-TR steht für Diagnostik and Statistical Manual of Mental Disorders - 4. Revision – Textrevision. Es wird von der American Psychiatric Association (APA) herausgegeben.

ICD-10 und DSM-4-TR Favorisieren den phänomenologischen Ansatz

Erlauben Komorbidität

Erlauben eine multiaxiale Beschreibung (insbesondere DSM)

Verwenden eine operationale Diagnostik Symptom/e müssen vorhanden sein Symptom/e dürfen nicht vorhanden sein Von den Symptomen müssen mindestens x vorhanden sein

Achsen des DSM-4-TR

• Achse I: Klinische Störungen, andere klinisch relevante Probleme (z.B. Scheidung)

• Achse II: Persönlichkeitsstörungen, geistige Behinderung

• Achse III: Medizinische Krankheitsfaktoren

• Achse IV: Psychosoziale und umgebungsbedingte Probleme (9 Hauptbereiche)

• Achse V: Globale Erfassung des Funktionsniveaus (Skala mit 10 Abstufungen)

Beispiel Achse I: Anorexia Nervosa

a) Weigerung ein Körpergewicht aufrecht zu erhalten, das für das Alter und die Grösse der Betroffenen der untersten Grenze des Normalbereichs entspricht oder darüber liegt

b) Intensive Angst vor einer Gewichtszunahme oder dem Dickwerden, obwohl Untergewicht besteht

c) Störung in der Art, in der das eigene Gewicht oder die eigene Figur erlebt werden, übertrieben starke Orientierung der Selbstbewertung an Figur und Gewicht oder Leugnung der schwerwiegenden Bedeutung des niedrigen aktuellen Gewichts

d) Bei Frauen nach der Menarche: Amenorrhoe (mindestens dreimal nacheinander Ausbleiben der Regelblutung)

Zwangsstörung

a) Entweder Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen

b) Zu irgendeinem Zeitpunkt im Verlauf der Störung hat die Person erkannt, dass die Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen übertrieben oder unbegründet sind (Ausnahme: Kinder)

c) Falls eine andere Störung vorliegt, so ist der Inhalt der Zwangsgedanken nicht auf diese beschränkt

d) Das Störungsbild geht nicht auf die direkte körperliche Wirkung einer Substanz (Droge, Medikament) oder eines medizinischen Krankheitsfaktors zurück

Definition Zwangsgedanken

1. Wiederkehrende und anhaltende Gedanken, Impulse oder Vorstellungen, die zeitweise während der Störung als unangemessen empfunden werden und die ausgeprägte Angst oder grosses Unbehagen hervorrufen

2. Die Gedanken, Impulse oder Vorstellungen sind nicht nur übertriebene Sorgen über reale Lebensprobleme

3. Die Person versucht, diese Gedanken, Impulse oder Vorstellungen zu ignorieren oder zu unterdrücken oder sie mit Hilfe anderer Gedanken oder Tätigkeiten zu neutralisieren

4. Die Person erkennt, dass die Zwangsgedanken, -impulse oder Vorstellungen ein Produkt des eigenen Geistes sind (nicht von aussen auferlegt)

Pro und Contra Klassifikation psychischer Störungen

Contra Informationsverlust Stigmatisierung

(Etikettierung / Labeling) Verwechslung von

Beschreibung und Erklärung

Reifikation künstlicher Einheiten

Braucht Zeit und Geld

Pro Sinnvolle

Informationsreduktion Ökonomische

Informationsvermittlung Wissensakkumulation Handlungsanweisung Verbesserung der

Kommunikation