Post on 05-Jun-2020
Ruhr-Universität Bochum
PD Dr. med. Sven Schiermeier
Dienstort: Marien-Hospital Witten
Abteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der
Geburtsdokumentation in Europa
Inaugural-Dissertation
zur
Erlangung des Doktorgrades der Medizin
einer
Hohen Medizinischen Fakultät
der Ruhr-Universität Bochum
vorgelegt von
Nadja Syllwasschy
aus Bochum
2012
Dekan: Prof. Dr. med. K. Überla Referent: PD Dr. med. S. Schiermeier Korreferent: Prof. Dr. med. C. Tempfer Tag der mündlichen Prüfung: 25.06.2013
ABSTRACT
Syllwasschy
Nadja
Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in de r Geburtsdokumentation in Europa
Problem: Dokumentationsmängel bedingen einen hohen Anteil medizinischer Behandlungsfehler.
Insbesondere Missstände in der Geburtsdokumentation stellen eine (Mit-)Ursache von steigenden
Haftpflichtversicherungsprämien für Hebammen und Ärzte dar. Trotz der großen Bedeutung des
Geburtsprotokolls (Partogramm) für die Behandlungsqualität, die Patientensicherheit, den
Haftungsschutz und leistungsrechtliche Bedürfnisse, existieren im europäischen Raum kaum
einheitliche Regelungen und Leitlinien. Darüber hinaus fehlen evaluierte Vordrucke sowie Studien,
welche die praktische Umsetzung behandeln.
Methode: Neben einer selektiven Literaturrecherche zur Ermittlung der modernen Anforderungen an
die Kreißsaaldokumentation, wurden anhand einer deutschlandweiten empirischen postalischen
Fragebogenerhebung Ärzte und Hebammen aus 95 Geburtskliniken zu ihrer praktischen
Geburtsdokumentationsumsetzung befragt. Die Teilnehmerselektion erfolgte mittels geschichteter
Zufallsauswahl bei einer Fokussierung auf Kliniken der Maximalvesorgung. Der Fragebogen wurde im
Rahmen dieser Arbeit unter Berücksichtigung der Literaturanalyse und der Empfehlungen aus
Interviews mit geburtshilflichen Experten entwickelt und nach telefonischer Voranfrage und unter
Garantierung einer anonymen Auswertung versendet.
Ergebnisse: 49 Ärzte und 24 Hebammen sandten den ausgefüllten Fragebogen zurück, was einer
Rücklaufquote von 51,6% bzw. 25,3% entspricht. Ca. 60% der Antworten stammten aus Kliniken mit
einer Geburtenzahl von über 1000 Entbindungen pro Jahr und einer neonatologischen
Versorgungsstufe des Levels I. Rund 80% gaben an, regelmäßig und in Kooperation aller
geburtsbegleitenden Berufsgruppen ein Partogramm zu führen. Drei Viertel der Beteiligten wählten als
Aufzeichnungsmedium einen Vordruck, 8% ein leeres Blatt und 6% die EDV-gestützte Dokumentation.
Die Mehrzahl der von den Teilnehmern gewählten Geburts-Parameter wurde analog zur DGGG-
Leitlinie festgehalten. Abweichungen und Ergänzungen fanden sich insbesondere bei der CTG-
Auswertung und forensischen Aspekten. Etwa die Hälfte der Teilnehmer sah in der hauseigenen
Geburtsdokumentationspraxis Verbesserungsbedarf.
Diskussion: Die vorliegende Arbeit zeigt den Handlungsbedarf auf dem Gebiet der
Geburtsdokumentation auf und verdeutlicht die qualitätsfördernde und risikopräventive Funktion des
Partogramms. Durch die Fragebogenstudie kann gezeigt werden, dass die Mehrheit der befragten
Kliniken eine Geburtsdokumentation kongruent zu Leitlinien- und Literaturempfehlungen pflegt.
Nichtsdestotrotz können in einzelnen Bereichen Verbesserungspotentiale identifiziert und
Entwicklungsperspektiven aufgezeigt werden. Aus der Synthese der Erkenntnisse von Literaturanalyse
und Fragebogenerhebung erfolgen Anpassungsvorschläge der DGGG-Leitlinie und der Entwurf eines
Musterpartogramms.
Meiner Familie
1
Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG.......................................................................................... 9
1.1 Hinführung zum Thema ................................................................... 9
1.2 Einordnung in den klinischen Versorgungsprozess ....................... 13
1.3 Relevanz von Dokumentationsmängeln ........................................ 15
2 AUFBAU UND ZIELSETZUNG DER ARBEIT .................. ................... 18
3 THEORETISCHER HINTERGRUND.................................................... 19
3.1 Historische Entwicklung................................................................. 19
3.2 Geburtsdokumentation im Länderverlgleich .................................. 23
3.3 Anforderungen an die Geburtsdokumentation ............................... 24
3.3.1 Allgemeine Bedeutung der medizinischen Dokumentation..... 24
3.3.2 Ziele der Geburtsdokumentation ............................................ 25
3.3.3 Parameter............................................................................... 27
3.3.4 Layout..................................................................................... 30
3.3.5 Aufzeichnungsmedium ........................................................... 32
3.4 Forensische Aspekte ..................................................................... 33
3.4.1 Dokumentationspflichten ........................................................ 33
3.4.2 Beweislast .............................................................................. 37
3.4.3 Problematik von Kompetenzschnittstellen .............................. 38
3.5 Standardisierung der medizinischen Dokumentation..................... 40
4 METHODIK........................................................................................... 42
4.1 Klinikauswahl................................................................................. 42
4.2 Experteninterview .......................................................................... 43
4.3 Erhebungsbogen ........................................................................... 43
4.4 Versendung der Fragebögen......................................................... 44
4.5 Auswertung und Statistik ............................................................... 44
2
5 ERGEBNISSE ...................................................................................... 46
5.1 Stichprobenstruktur........................................................................ 46
5.1.1 Rücklaufquote......................................................................... 46
5.1.2 Berufliche Position.................................................................. 47
5.1.3 Geburtenzahl.......................................................................... 47
5.1.4 Neonatologische Versorgungsstufe........................................ 48
5.2 Zufriedenheit mit derzeitiger Geburtsdokumentation ..................... 48
5.3 Organisation .................................................................................. 49
5.3.1 Regelmäßige Partogrammführung ......................................... 49
5.3.2 Gemeinsame Partogrammführung ......................................... 49
5.3.3 Aufzeichnungsmedium ........................................................... 50
5.3.4 Beginn der Aufzeichnung ....................................................... 50
5.3.5 Geburtsphasen....................................................................... 50
5.3.6 Dokumentation weiterer Maßnahmen..................................... 51
5.3.7 Zeitachse................................................................................ 52
5.3.8 Aufklärungen .......................................................................... 52
5.3.9 Handzeichen .......................................................................... 52
5.3.10 Arztanforderung...................................................................... 52
5.4 Parameter...................................................................................... 52
5.4.1 Allgemein................................................................................ 52
5.4.2 Geburtsverlauf ........................................................................ 53
5.4.3 CTG........................................................................................ 54
5.4.4 MBU ....................................................................................... 56
5.4.5 Eckdaten der Geburt .............................................................. 56
5.4.6 Neugeborenes........................................................................ 57
5.4.7 Anmerkungen/Geburtsleitung................................................. 58
3
5.5 Beispielpartogramme..................................................................... 58
5.6 Handschriftliche Ergänzungen....................................................... 59
6 DISKUSSION ....................................................................................... 61
6.1 Stichprobe ..................................................................................... 61
6.2 Vergleich von Ergebnissen und Literaturrecherche ....................... 62
6.2.1 Organisation ........................................................................... 62
6.2.2 Parameter............................................................................... 65
6.2.3 Beispielpartogramme.............................................................. 68
6.3 Schlussfolgerungen ....................................................................... 71
6.4 Musterpartogramm ........................................................................ 74
6.5 Ausblick ......................................................................................... 75
7 ZUSAMMENFASSUNG.................................... .................................... 77
8 LITERATURVERZEICHNIS ............................... .................................. 79
9 ANHANG............................................. ................................................. 87
4
Abkürzungsverzeichnis
Abs. Absatz
AG MedR Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht
AGMFM Arbeitgemeinschaft für Materno-Fetale Medizin
AHRS Arzthaftpflicht-Rechtsprechung
AWMF Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen
Fachgesellschaften
BÄK Bundesärztekammer
BGH Bundesgerichtshof
BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshof in Zivilsachen
BMFSFJ Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
bspw. beispielsweise
ca. circa
CIRS Critical Incident Reporting System
CTG Kardiotokogramm
DESTATIS Deutsches Statistisches Bundesamt
DGGG Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe
DGPM Arbeitsgruppe der Deutschen Gesellschaft für Perinatale
Medizin
DHV Deutscher Hebammenverband
DIN Deutsches Institut für Normung
DRG Diagnosis Related Groups
ebd. ebenda
EDV Elektronische Datenverarbeitung
et al. und andere
etc. und so weiter
evtl. eventuell
5
f. folgende Seite
ff. folgende Seiten
FIGO Fédération Internationale de Gynécologie et d'Obstétrique
G-BA Gemeinsamer Bundesausschuss
ggf. gegebenenfalls
Hrsg. Herausgeber
i. m. intramuskulär
IT Informationstechnik
LHebG Landeshebammengesetz
MBO-Ä Musterberufsordnung für deutsche Ärztinnen und Ärzte
MBU Mikroblutuntersuchung
MDR Monatsschrift für Deutsches Recht
MDS Medizinischer Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen
MedR Medizinrecht
MERS Medical Error Reporting System
mind. mindestens
NEO-KISS Krankenhaus-Informations-Surveillance-System
neonatologischer Intensivstationen
NHS National Collaborating Centre for Women’s and Children’s
Health
NICE National Institute for Health and Clinical Excellence
NJW Neue Juristische Wochenschrift
Nr. Nummer
NRW Nordrhein-Westfalen
OLG Oberlandesgericht
OP Operation
PDA Periduralanästhesie
6
pH potentia Hydrogenii
RKI Robert Koch-Institut
RR Riva-Rocci
RVO Reichsversicherungsordnung
S. Seite
sog. sogenannt
u. a. unter anderem
usw. und so weiter
u. U. unter Umständen
VersR Versicherungsrecht
WHO Weltgesundheitsorganisation
z. B. zum Beispiel
Im Interesse des Leseflusses wird in der vorliegenden Arbeit die männliche
Sprachform stellvertretend für die Beschreibung beider Geschlechter
verwendet, sofern nicht die weibliche Form allgemeiner Sprachgebrauch ist.
7
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Ziele der Dokumentation (nach Berg, 2006)................................ 25
Tabelle 2: Besonderheiten der Anamnese und jetzigen Schwangerschaft
(nach DGGG und AG MedR, 2008a) ........................................................... 28
Tabelle 3: Informationen über Verlauf und Stand der Geburt (nach DGGG
und AG MedR, 2008a) ................................................................................. 29
Tabelle 4: Rücklauf der Fragebögen............................................................ 46
Tabelle 5: Geburtsphasenaufzeichnung ...................................................... 51
Tabelle 6: Dokumentation weiterer Maßnahmen ......................................... 51
Tabelle 7: Allgemeine Geburtsparameter .................................................... 53
Tabelle 8: Geburtsverlaufsparameter........................................................... 53
Tabelle 9: CTG-Beurteilung auf dem Partogramm....................................... 55
Tabelle 10: MBU-Dokumentation................................................................. 56
Tabelle 11: Eckdaten der Geburt ................................................................. 57
Tabelle 12: Neugeborenen-Parameter......................................................... 58
Tabelle 13: Ärzte-Bewertung der Beispielpartogramme............................... 58
Tabelle 14: Hebammen-Bewertung der Beispielpartogramme .................... 59
8
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Arzthaftung: Klagen und Kosten in Deutschland (nach Haller
und Fink, 2006)............................................................................................ 10
Abbildung 2: Organisatorische Mängel als (Mit-)Ursache von Fehlervorwürfen
(nach Hansis, 2001)..................................................................................... 16
Abbildung 3: Die Friedman-Geburtskurve (nach Friedman, 1954)............... 19
Abbildung 4: Cervicograph mit Alert und Action line (nach Philpott und Castle,
1972a).......................................................................................................... 20
Abbildung 5: WHO-Partograph (Ausschnitt) (nach WHO, 1993).................. 21
Abbildung 6: Optischer Effekt unterschiedlicher Achsenverhältnisse im
Partogramm ................................................................................................. 31
Abbildung 7: Meldung von Geburtsschäden bei der Versicherungskammer
Bayern unter Berücksichtigung von Melde- und Ereignisjahr (nach
Lichtmannegger und Kleitner, 2006) ............................................................ 36
Abbildung 8: Anteil der Klinikentbindungen in der Bundesrepublik
Deutschland 1955-2008 (nach BMFSFJ, 1999 und DESTATIS, 2010)........ 39
Abbildung 9: Berufliche Position der ärztlichen Studienteilnehmer .............. 47
Abbildung 10: Geburtenzahlen der teilnehmenden Kliniken pro Jahr, inklusive
Universitätskliniken ...................................................................................... 47
Abbildung 11: Neonatologische Versorgungsstufe der teilnehmenden
Kliniken ........................................................................................................ 48
Abbildung 12: Verbesserungsbedarf des hausinternen Partogramms aus
ärztlicher Sicht ............................................................................................. 48
Abbildung 13: Verbesserungsbedarf des hausinternen Partogramms aus
Hebammen-Sicht ......................................................................................... 49
Abbildung 14: Verwendetes Aufzeichnungsmedium.................................... 50
Abbildung 15: Score-Anwendung bei der CTG-Beurteilung auf dem
Partogramm ................................................................................................. 56
9
1 EINLEITUNG
Im Folgenden soll unter Berücksichtigung des aktuellen Kontextes zu Thema
und Problematik der Arbeit hingeleitet werden. Der Aufbau und die
Zielsetzung werden im Anschluss daran erläutert.
1.1 Hinführung zum Thema
Seit den Neunzigerjahren steigen die Prämien für die
Berufshaftpflichtversicherung der Gesundheitsberufe kontinuierlich an.
Neben Chirurgen und Orthopäden sind insbesondere Gynäkologen und
Hebammen betroffen (BÄK, 2010).
So muss ein niedergelassener Gynäkologe für eine Belegarzttätigkeit im
Bereich der Geburtshilfe bei einer Deckungssumme von 5 Mio. Euro zurzeit
zwischen 25 350 und 47 986 Euro jährlich zahlen, sofern bisher
Schadensfreiheit besteht. Das bedeutet, dass pro Jahr rund 200 Geburten
erbracht werden müssen, allein um die Versicherungssumme abzudecken
(Steinmeier et al., 2011). Einige Versicherungsanbieter verweigern sogar
gänzlich den Versicherungsschutz für die Hochrisikogruppe der
geburtshilflich tätigen Gynäkologen (Flintrop und Korzilius, 2010). Die
Situation ist somit sowohl für den einzelnen Versicherungsnehmer als auch
für das hiesige Gesundheitssystem problematisch.
Die beschriebenen Beitragssteigerungen resultieren in erster Linie aus den
stark gestiegenen Aufwendungen für Schadensfälle. So betrugen im Jahr
2009 die Ausgaben der Versicherungen rund das Doppelte der Einnahmen
aus den Beitragsprämien. Der Hauptgrund hierfür ist die Zunahme der
sogenannten Großschäden mit einer Versicherungsleistung von mehr als
200 000 Euro, wobei vor allem die Geburtshilfe mit Millionenschäden zu
Buche schlägt (Gerst, 2010).
Zur Veranschaulichung der Entwicklung sind in Abbildung 1 die
bundesweiten Arzthaftungsklagen und -kosten von 1980 bis 2000 dargestellt.
10
0
5000
10000
15000
20000
25000
1980 1991 1994 1996 2000
Jahr
Kla
gen
(n)
0
100
200
300
400
500
600
1980 1991 1994 1996 2000
Jahr
Kos
ten
Arz
thaf
tung
(M
io.
EU
R)
Abbildung 1: Arzthaftung: Klagen und Kosten in Deutschland (nach Haller und Fink, 2006)
Was liegt dieser Entwicklung ursächlich zugrunde? Hier existieren sicherlich
multiple Faktoren - teils medizinischer, teils gesellschaftlicher, teils rechtlicher
Natur.
Im Folgenden sollen hierzu einige Erklärungsversuche unternommen werden:
• Generell sind Patienten durch den wachsenden Qualitäts- und
Transparenzanspruch an medizinische Maßnahmen sensibler und
kritischer als noch vor einigen Jahren. Der Patient möchte sich nicht als
bloßer Empfänger von Ratschlägen und Anordnungen, sondern als
Partner des Arztes verstanden wissen (Berg und Ulsenheimer, 2006). Die
mediale Vernetzung eröffnet expandierende Möglichkeiten der
Informationsbeschaffung und des Informationsaustausches. Dass dies für
das Arzt-Patienten-Verhältnis nicht immer förderlich ist, spiegelt sich in
einer sinkenden Akzeptanz biologischer Gesetzmäßigkeiten und einem
zunehmenden Anspruch auf eine vollkommene Medizin wieder. Eine
zeitweise zu beobachtende antiärztliche Berichterstattung der Presse, im
Sinne wenig differenzierter, destruktiv-anklagender Darstellungen von
„Ärztepfusch“-Schadensfällen, trifft auf der Basis dieser Entwicklungen
auf positive Resonanz. Die fachliche und nichtfachliche öffentliche
Diskussion steigert die Wahrnehmung vermeintlicher ärztlicher
11
Fehlleistungen. (Haller und Fink, 2006). Die in der medizinischen
Versorgung notwendigen Grenzen zwischen Unglück und Unrecht,
Schicksal und Schuld verschwimmen (Berg und Ulsenheimer, 2006).
• Eine nicht unbedeutende Rolle spielt auch die Rechtssprechung der
jüngsten Zeit, da diese Neuregelungen im Bereich der Beweislast und
des Schmerzensgeldes getroffen hat. Dies hat neue Anreize und
geringere Hürden für Kläger geschaffen (Ulsenheimer, 2006).
• Der vermehrte Abschluss von Rechtsschutzversicherungen deckt das
Kostenrisiko bei Rechtsverfolgungen ab und senkt die Hemmschwelle
einer Prozesseröffnung (ebd.).
• Aufgrund des medizinisch-technischen Fortschritts haben auch Schwer-
und Schwerstgeschädigte eine verbesserte Lebenserwartung. Diese im
Sinne des wissenschaftlichen Progresses positive Entwicklung bedeutet
jedoch hinsichtlich der Frage der Haftung, dass die Absicherung der
Heilbehandlungs-, Pflege- und Alterssicherungskosten sowie von
Schmerzensgeldern bzw. potentiellen Verdienstausfällen zu höheren
finanziellen Summen als noch vor einigen Jahren führt (Steinmeier et al.
2011). Eine Untersuchung des Gesamtverbandes der Deutschen
Versicherungswirtschaft (GDV) hat gezeigt, dass die Schadenshöhen im
Schnitt um 6% pro Jahr steigen (Langeder, 2010).
• Auch eine Vielzahl an neuen Diagnoseverfahren birgt haftungsrechtliche
Risiken, denn je mehr Diagnosemöglichkeiten dem Arzt zur Verfügung
stehen, desto höher ist die Gefahr, später der mangelnden
Befunderhebung bezichtigt zu werden. Hierbei besteht die Problematik
darin, dass drohende Budgetüberschreitung oder fehlende Vergütungen
durch die Krankenkassen den Arzt haftungstechnisch nicht entlasten
(Flintrop und Korzilius, 2010).
• Die Entwicklung einer Fehleranerkennungskultur im Medizinbereich steckt
in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Anonyme Fehler-
meldesysteme, wie sie beispielsweise in der Luftfahrt üblich sind,
kommen im klinischen Alltag nur schleppend in Gang. Dabei könnte ein
etabliertes Risikomanagement in Form von „Critical Incident Reporting
12
Systemen“ (CIRS) zur Schadensbegrenzung und Schadensverhütung
beitragen, damit sich Fehler oder Beinahefehler nicht wiederholen (Haller
und Fink, 2006).
• An der Patientenversorgung sind immer mehr Glieder beteiligt, die einen
steigenden Grad an Spezialisierung aufweisen. Zum Einen wird so eine
gewisse Unpersönlichkeit gefördert, welche die Hemmschwelle der
Verfahrenseinleitung herabsetzt. Zum Anderen ist ein Versagen der
Organisationskette infolge von Kommunikations- und Koordinations-
defiziten bei der Zusammenarbeit der Beteiligten in Klinik und Praxis zu
beobachten (Berg und Ulsenheimer, 2006).
Es liegt in der Natur der Geburtshilfe, dass diese einen außerordentlich
sensiblen Bereich der Medizin darstellt. Kleine Nachlässigkeiten können weit
reichende Auswirkungen haben, die auch für den medizinischen Laien leicht
erkennbar oder zumindest zu vermuten sind. Ohnehin bewegen sich
Schwangere heutzutage in einem medizinischen Spannungsfeld zwischen
Pathologisierung und Idealisierung (Schücking und Schwarz, 2002). Vor dem
Hintergrund der steigenden Erwartungshaltungen wird vielfach nicht
wohlwollend über Komplikationen hinweggesehen, sodass das Fachgebiet
der Geburtshilfe für Haftpflichtforderungen prädestiniert ist.
Es sollte jedoch nicht vergessen werden: Irren ist menschlich (Cicero, 43 v.
Chr.). Wo immer Menschen tätig sind, entstehen Irrtümer, Nachlässigkeiten,
Fehleinschätzungen, Unwissenheit und Selbstüberschätzung (Rasmussen
und Jensen, 1974). Das bedeutet, dass es nie zu einem Zustand der
Fehlerfreiheit in der Medizin kommen wird.
Die Medizin steht allerdings in der Pflicht zu ermitteln, welche
fehlerbegünstigenden Faktoren - die der Mensch im Stande ist zu
beeinflussen - eine Rolle spielen und was getan werden kann, um
geburtshilfliche Behandlungsfehler zu dezimieren. Dies ist von
beiderseitigem Interesse, sowohl des Patienten als auch des Arztes.
13
Diese Arbeit verfolgt daher zwei höhere Ziele:
• Die Sicherheit des Patienten in der Geburtshilfe zu fördern und
• die Risiken des geburtshilflich tätigen Arztes, die er in der Gestalt der
Haftung für seine ärztliche Tätigkeit eingeht, zu verringern.
Als Ansatzpunkt ergaben verschiedene Untersuchungen, dass eine
unzureichende Dokumentation in einem nicht unerheblichen Teil von
Haftungsfällen bemängelt wird und diese eine (Mit-)Ursache für schlechte
Behandlungsverläufe darstellt (siehe Kapitel 1.3). Dies ist eine Fehlerquelle,
auf die durch präventive Maßnahmen eingewirkt werden kann und mit der
sich diese Arbeit genauer beschäftigen soll.
Im Geburtswesen werden an die Dokumentation besonders hohe
Anforderungen gestellt. Sie spielt eine Schlüsselrolle im Informationsfluss
zwischen Patient, Arzt, Hebamme, Pflegekräften und Dritten (Gutachtern,
Krankenkassen etc.) und ist für medizinische Entscheidungen und den
zufriedenstellenden Ausgang einer Geburt für alle Beteiligten ein
entscheidendes Werkzeug. Es soll daher eine Bestandsaufnahme der zurzeit
gängigen Geburtsdokumentationspraxis erhoben und mögliche
Verbesserungspotentiale aufgezeigt werden. Vergleichbare Analysen dieser
Art fehlen bisher.
1.2 Einordnung in den klinischen Versorgungsprozess
Aus heutiger Sicht fungiert die Geburtshilfe als wichtiger Imagefaktor für ein
Krankenhaus. Als emotional gefärbte Disziplin lassen sich durch sie
Professionalität, Empathie und Engagement besonders einprägsam nach
außen vermitteln. Es liegt also im Interessensbereich eines Krankenhauses,
Qualitäts-, Kosten-, Zeit- und Servicegesichtspunkte in diesem Feld zu
optimieren, da dies, neben einer Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben, auch
eine Verbesserung der eigenen Wettbewerbsposition erzielt. Um
Verbesserungspotentiale identifizieren zu können und die medizinische,
pflegerische und emotional-soziale Leistungsqualität zu steigern, ist ein
professionelles Dokumentationsmanagement Voraussetzung. Neben einer
Fehlerprävention kann eine Verbesserung der interdisziplinären
14
Zusammenarbeit und des Gesamtprozesses erreicht werden (Braun von
Reinersdorff et al., 2011).
Die klinische Geburtsbetreuung wird in Deutschland durch ein
multiprofessionelles Team - bestehend aus Ärzten verschiedener
Fachrichtungen, Hebammen und Pflegefachkräften - gewährleistet. Dieses
Team nimmt Eintragungen in einer Reihe von Dokumenten vor, wie
beispielsweise in den Pflegedokumentationsbogen, den Aufnahmebogen, die
„Kurve“, ggf. den Anästhesiebogen und OP-Bericht, den Mutter-Pass und
den Entlassungsbrief. Darüber hinaus spielen u. U. weitere Informationen,
entnommen aus Kardiotokogramm (CTG), Ultraschallbefund,
Mikroblutuntersuchung (MBU), Allergiepass, alten Entlassungsbriefen etc.,
eine für die Geburtsbetreuung relevante Rolle. Um während der mitunter
kritischen Geburtsphase eine schnelle und übersichtliche Zusammenfassung
relevanter Informationen zu erhalten, dient die Geburtsverlaufs-
dokumentation als Fundament und Bindeglied des interdisziplinären
medizinischen und geburtshilflichen Handelns.
Durch die Knappheit an konkreten Vorgaben und Leitlinien und dem Mangel
an geprüften und anerkannten Vordrucken, stellt sich die praktische
Handhabung der Geburtsdokumentation europaweit jedoch mannigfaltig dar.
Dabei gilt es zu beachten, dass der Zeitaufwand für die Dokumentation für
alle patientenbetreuenden Berufsgruppen gestiegen ist und zu einer
bedeutsamen Arbeitsmehrbelastung geführt hat. Ein Mehraufwand ist nicht
nur für die Dokumentation unmittelbarer Behandlungsleistungen, sondern
insbesondere für rechtliche und finanzielle Bereiche zu verzeichnen. Es wird
angenommen, dass Ärzte mittlerweile 25-40% ihrer Arbeitszeit mit
administrativen Aufgaben verbringen - mit steigender Tendenz (Berg, 2006).
Nicht selten sind wenig sinnvolle Mehrfachdokumentationen zu beobachten.
Besonders ausgeprägt stellt sich dieses Problem in Bereichen großer
Schnittstellen verschiedener Berufsgruppen dar, wie es u. a. in der
Geburtshilfe der Fall ist (Meilwes, 2005). Um Ressourcen nicht unnötig zu
vergeben und widersprüchliche Eintragungen zu vermeiden, muss daher
15
versucht werden, das Dokumentationswesen zu vereinfachen und zu regeln
(Berg, 2006).
1.3 Relevanz von Dokumentationsmängeln
Bislang existiert in Deutschland keine einheitliche, zusammenfassende
Erhebung vermuteter oder tatsächlich nachgewiesener medizinischer
Behandlungsfehler. Schätzungen stützen sich auf Angaben der
Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Landesärztekammern,
des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen, sowie der
Haftpflichtversicherer (RKI et al., 2001). Zwar werden die Daten aus den
Gutachter- und Schlichtungsstellen der Länder mithilfe des „Medical Error
Reporting Systems“ (MERS) seit 2006 in einer Bundesstatistik
zusammengeführt (Weidinger, 2010), allerdings ist keine Fehlerursachen-
zuschreibung im Bezug auf Dokumentationsmängel ablesbar.
Bundesweit erfasste, valide Daten zur haftungsrechtlichen Relevanz von
Dokumentationsmängeln stehen demnach nicht zur Verfügung. Es können
jedoch Rückschlüsse über Einzeluntersuchungen gezogen werden.
Das Robert Koch-Institut sieht in organisatorischen Defiziten
unterschiedlicher Art bedeutende, fachunabhängige fehlerverursachende
Faktoren. Dokumentationsmängel, die den schlechten Verlauf bzw. den
Fehlervorwurf einer Behandlung erkennbar (mit-)verursacht haben, nehmen
hierbei einen hohen Anteil ein (Abbildung 2). Im Teilbereich der rechtzeitigen,
umfassenden und verständlichen Aufklärung über eine vorgesehene
Behandlung, ihrer Alternativen und Risiken sowie weitere
Behandlungsschritte, werden in 7% der Bescheide deutliche Defizite
offenbart (RKI et al., 2001). Daher wird dringend die Dokumentation des
Aufklärungsgespräches unter Verwendung der handelsüblichen
Aufklärungsbögen empfohlen (Berg, 2006).
16
0 5 10 15 20 25
Prozent
Koordinationsmängel
Dokumentationsmängel
Übernahmeverschulden
Erkennen und Behandelnvon Komplikationen
Aufklärungsmängel
Notfallsituation
Abbildung 2: Organisatorische Mängel als (Mit-)Ursache von Fehlervorwürfen (nach Hansis, 2001)
Auch in Untersuchungen der Bayerischen Versicherungskammer wird bei
20% der Haftungsfälle eine unzureichende Dokumentation bemängelt (Berg,
2006).
Laut einer internen Erhebung der Gutachterinnenkommission des Deutschen
Hebammenverbandes (DHV) sind in den Jahren 2003 bis 2005 die
Meldungen über Schadensfälle von 67 auf 107 Fälle angestiegen. Von 70
untersuchten Fall-Dokumentationen konnten nur sechs mit „gut“ bewertet
werden. In den übrigen Geburtsprotokollen waren die Vorgänge nicht
ausreichend nachvollziehbar. Insbesondere wurden CTG-Befunde nicht
korrekt interpretiert, Arztrufe erfolgten zu spät oder es existierten
organisatorische Probleme anderer Natur. Die Ursachen werden in einem
Interessenskonflikt von Hebammen und Ärzten, in Überlastungsanzeichen, in
der mangelhaften Dokumentation und in der inkorrekten CTG-Auswertung
gesehen (Gutachterinnenkommission des DHV, 2005).
In einer schwedischen Studie wurden retrospektiv 212
Geburtsverlaufsdokumentationen analysiert. Obwohl eine exakte
Übertragung der Ergebnisse auf die deutsche Praxis nicht vorgenommen
werden kann, so ist doch aufgrund ähnlicher Qualitätsstandards, wie
materieller Ausstattung und personeller Verfügbarkeit, ein Vergleich statthaft.
In einer Vielzahl der analysierten Geburtsverläufe wurden dokumentarische
Mängel festgestellt. Neben einer seltenen Aufzeichnung des mütterlichen
17
Befindens, wurde insbesondere die Indikationsdokumentation für
Interventionen vernachlässigt. So waren bspw. nur in etwa der Hälfte der
Fälle die Indikation für eine Blasensprengung oder Episiotomie festgehalten
worden (Sandin-Bojö et al., 2006).
Die genannten Untersuchungen zeigen also, dass Dokumentations-
verbesserungen - insbesondere in der Geburtshilfe - erforderlich sind.
Sofern es durch qualitätssichernde Maßnahmen gelingt, dieser Fehlerquelle
der unzureichenden Dokumentation beizukommen, müsste sich ein Gutteil
der Fehlervorwürfe bzw. der tatsächlich nachgewiesenen Fehler vermeiden
lassen (RKI et al., 2001).
18
2 AUFBAU UND ZIELSETZUNG DER ARBEIT
Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel,
• die modernen Anforderungen an die Geburtsdokumentation
darzustellen,
• den derzeitigen Standard zu untersuchen und
• mögliche Entwicklungsperspektiven aufzuzeigen.
Zunächst wird mittels selektiver Literaturanalyse die klinische Dokumentation
in der Geburtshilfe wissenschaftlich ergründet. In Anbetracht der sich
wandelnden Ansprüche, Erwartungen und Qualitätskriterien werden die
medizinischen und rechtlichen Rahmenbedingungen erläutert.
Im Anschluss an diese theoretische Grundlage folgt die Darstellung der im
Rahmen dieser Arbeit durchgeführten klinisch-prospektiven
Fragebogenstudie, welche durch Befragung von Hebammen und
geburtshilflich tätigen Ärzten erstmalig die derzeitige praktische
Dokumentationsumsetzung in Kreißsälen der Bundesrepublik Deutschland
erhebt.
Der Diskussionsteil der Arbeit vollzieht abschließend die Synthese aus
beiden Erkenntnisgewinnen, indem die erhobenen Daten einer kritischen
Analyse unterzogen und mit den aktuellen Erfordernissen abgeglichen
werden. Daraus folgend, können Empfehlungen für eine Optimierung der
Geburtsdokumentation und Impulse für einen möglichen Standard gegeben
werden.
19
3 THEORETISCHER HINTERGRUND
Der medizinischen Dokumentation wird ein steigender Stellenwert
beigemessen, wobei insbesondere im Bereich der Geburtshilfe spezielle
Erfordernisse existieren. Die folgenden Untersuchungspunkte sollen diesem
Sachverhalt Rechnung tragen und dem Leser Einblicke in Historie,
Handhabung in anderen Ländern, Anforderungen und Forensik verschaffen.
3.1 Historische Entwicklung
Die Geburtsbetreuung ist eine der ältesten Aufgaben der Menschheit. Wie
sich in diesem Zusammenhang die Geburtsdokumentation entwickelt hat und
welche Personen und Institutionen dazu beigetragen haben, soll der folgende
Abschnitt aufzeigen. Im Anschluss daran wird diese Fortentwicklung einer
kritischen Prüfung im Spiegel aktueller Studien unterzogen.
Die Grundlage für die heutige Form der Geburtsdokumentation wurde durch
den US-amerikanischen Geburtshelfer Emanuel Friedman 1954 gelegt
(Friedman, 1954). Er untersuchte bei Erstgebärenden die Geburtsphasen
und deren Dauer, insbesondere die Muttermundsöffnung im zeitlichen
Verlauf. Daraus entwickelte er eine s-förmige Kurve, die „Friedman-
Geburtskurve“ (Abbildung 3).
Abbildung 3: Die Friedman-Geburtskurve (nach Friedman, 1954)
20
Weiterentwickelt wurde Friedmans Arbeit durch R. H. Philpott und W. M.
Castle (Philpott und Castle, 1972 a+b). Sie sahen sich im ländlichen Afrika
(Südrhodesien, heute Zimbabwe) mit den fatalen Folgen verschleppter
Geburtsverläufe konfrontiert. Mit dem Ziel für betreuende Hebammen in
abgelegenen Dörfern eine Leitlinie zu entwickeln, ob und wann sie mit einer
unter der Geburt stehenden Frau eine Klinik aufsuchen sollten, entwarfen sie
eine Grafik, in welcher die Muttermundsöffnung gegen die Zeit aufgetragen
wird (Cervixdilatationskurve), der „Cervicograph“. In dieser Grafik sind zwei
diagonale Linien eingezeichnet, welche parallel zueinander um vier Stunden
versetzt sind und eine Beurteilung des Geburtsfortschritts erlauben sollen
(Abbildung 4). Das Kreuzen der Cervixdilatationskurve mit der ersten Linie
(„Alert line“ oder „Warnlinie“) impliziert eine erhöhte Achtsamkeit und einen
Transport der werdenden Mutter ins Hospital, das Kreuzen der zweiten Linie
(„Action line“ oder „Handlungslinie“) fordert zum aktiven Eingreifen des
Geburtshelfers auf. Die zuvor hohe perinatale Morbidität und Mortalität
konnte so signifikant gesenkt werden (Helms und Perl, 2004).
0
2
4
6
8
10
0 2 4 6 8 10 12 14
Time (hrs)
Cer
vica
l Dila
tatio
n (c
ms)
Alert line
Action line
Abbildung 4: Cervicograph mit Alert und Action line (nach Philpott und Castle, 1972a)
In den folgenden Jahren wurden vielfache Studien zur weiteren Erforschung
der Thematik durchgeführt. Exemplarisch seien hier die Autoren Beazley,
Studd, O’Driscoll und Drouin genannt, welche leichte Variationen oder
21
Ergänzungen anbrachten (Beazley und Kurjak, 1972, Drouin et al., 1979,
O’Driscoll et al., 1973, Studd, 1973).
Auf der Basis der damaligen Studienlage griff die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Modell auf und modifizierte dieses
mehrmals im Rahmen ihrer 1987 gestarteten Initiative für sichere
Mutterschaft (WHO, 1993, 1994 a+b). Der „Partograph“, als Synthese der
damaligen wissenschaftlichen Erkenntnisse, berücksichtigt, neben der
Muttermundsöffnung inklusive „Alert“ und „Action line“, auch das Tiefertreten
des vorangehenden Kindsteils, den kindlichen Zustand und mütterliche
Parameter (Abbildung 5). Um protrahierten Geburtsverläufen entgegen zu
wirken, fungiert diese Art der Geburtsdokumentation - speziell in
Entwicklungsländern - als ein einfaches, übersichtliches und kostengünstiges
Instrument zur Betreuung der Gebärenden und wird bis heute angewandt
(Tomaselli, 2009).
Abbildung 5: WHO-Partograph (Ausschnitt) (nach WHO, 1993)
Da Faktoren wie die Nicht-Erreichbarkeit fachkundiger Hilfe oder lange
Transportzeiten in ein spezialisiertes Krankenhaus hierzulande
weitestgehend entfallen und eine dauerhafte Überwachung des
Wohlbefindens von Mutter und Kind durch CTG, MBU etc. gewährleistet ist,
22
empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe
(DGGG) in ihrer Leitlinie die Verwendung eines „Partogramms“, jedoch ohne
expliziten Einsatz einer eingezeichneten idealen Cervixdilatationsrate
(DGGG und AG MedR, 2008a). Die Inanspruchnahme von Interventionen
kann dadurch in Kenntnisnahme mehrerer Faktoren abgewogen werden,
sodass nicht alleinig die Cervixdilatationsrate für das geburtshilfliche Handeln
bestimmend ist. Ausführlichere Erläuterungen zum DGGG-Partogramm sind
in Kapitel 2.3 aufgeführt.
Dieses Vorgehen deckt sich mit Erkenntnissen aus aktuellen Studien, welche
die Anwendung von Normkurven hinterfragen. Auch wenn Friedman
grundlegend zum Verständnis des Geburtsverlaufs beigetragen hat, ist die
von ihm konstatierte Mindest-Muttermundsöffnung in der aktiven Phase der
Eröffnungsperiode bei Erstgebärenden von >1,5 cm pro Stunde bzw. >1 cm
pro Stunde, wie von Philpott gefordert, im Angesicht der heutigen Datenlage
nicht haltbar. Es konnte gezeigt werden, dass eine große Variationsbreite an
Geburtslängen existiert und dass auch langsamere Eröffnungsverläufe bis
etwa 0,5 cm Cervixöffnung pro Stunde nicht automatisch mit erhöhter
Morbidität und Mortalität assoziiert sind (Albers, 1999, Cesario, 2004, Perl
und Hunter, 1992, Zhang et al., 2002). Diese Feststellung wird durch weitere
Studien unterstrichen, die verschiedene „Action line“-Positionierungen, zwei
bis vier Stunden nach der „Alert line“, im Partogramm miteinander
vergleichen (Lavender et al., 1998, 2006, 2008, Leanza et al., 2011,
Pattinson et al., 2003, Van Bogaert, 2006). Durch das frühere Kreuzen der
Cervixdilatationskurve mit der „Action line“ ist lediglich eine erhöhte
Interventionsrate zu beobachten, jedoch kein Benefit im Outcome von Mutter
oder Kind. Leider wurde bis dato die Verwendung eines Blanko-Patogramms
ohne Eingreiflinien keiner wissenschaftlichen Überprüfung unterzogen.
So kommen auch das britische National Collaborating Centre For Women’s
and Children’s Health (NHS) und das National Institute for Health and Clinical
Excellence (NICE) in der „Intrapartum care“-Leitlinie zu dem Ergebnis
entweder ein Partogramm ohne Interventionsimplikation zu verwenden oder
eines mit einer um vier Stunden versetzten „Action line“ nach WHO-Vorbild
(NHS und NICE, 2007).
23
Wenn also andere Technologien, wie CTG und MBU, zur Verfügung stehen,
die es erlauben, das mütterliche und kindliche Befinden realistisch
einzuschätzen, sollte nicht rigide an Zeitgrenzen festgehalten werden.
Vielmehr steht eine individuelle Entscheidungsfindung im Vordergrund, um
nicht unreflektiert unnötige und mit weiteren Risiken verbundene Einsätze
von Oxytocin oder geburtshilflichen Operationen zu induzieren (Helms und
Perl, 2004).
Zu erwähnen ist, dass im Laufe der Jahre die Betitelung des
Geburtsprotokolls leicht variierte. Verwendet wurden Begriffe wie
„Partogram(m)“, „Partograph“ und „Cervicograph“, welche jedoch letztendlich
das gleiche beschreiben: Die grafische Darstellung der Muttermundsöffnung
im zeitlichen Verlauf. Mit den Jahren wurden weitere Parameter im
Geburtsprotokoll erfasst, wie die Schwangerschaftsanamnese, mütterliches
und kindliches Befinden etc., sodass der Terminus „Partogramm“ mittlerweile
synonym für die gesamte Geburtsverlaufsdokumentation verwendet wird.
Dies wird u. a. am Titel der Leitlinie der DGGG deutlich: „Empfehlungen zur
Dokumentation der Geburt – Das Partogramm“. Ebenso verwenden weitere
Autoren (Berg, 2006, Straub, 2006, Wolff, 2004) - wie auch diese Arbeit - den
Begriff in seiner erweiterten Bedeutung.
3.2 Geburtsdokumentation im Länderverlgleich
Leitlinien zur Verwendung eines normierten Partogramms existieren nur
vereinzelt. Dies mag mitunter daran liegen, dass wenig Evidenz-basierte
Daten zur Verfügung stehen. Somit haben sich eher historisch geprägte
Vorgehensweisen gefestigt, welche durch aktuelle Rechtssprechungen
Modifikationen erfahren.
Im anglo-amerikanischen Raum und in Entwicklungsländern stellt die
Verwendung des WHO-Partographen wohl den Standard dar (Tomaselli,
2009). Aus oben genannten Gründen hat sich dieser auf dem europäischen
Festland nicht etablieren können, sodass von eine enormen
Gestaltungsvielfalt auszugehen ist. Nationale oder internationale Studien zur
konkreten Umsetzung dieser Thematik fehlen jedoch. Daher ist es eine
Teilaufgabe dieser Arbeit, eine Zusammenschau der
24
Geburtsdokumentationspraxis in der Bundesrepublik Deutschland zu
erstellen.
3.3 Anforderungen an die Geburtsdokumentation
Im Folgenden werden die allgemeinen und speziellen Anforderungen an die
Dokumentation des Geburtsverlaufs im europäischen Raum dargestellt.
3.3.1 Allgemeine Bedeutung der medizinischen Dokume ntation
Dokumentation bedeutet im Allgemeinen die gezielte Sammlung,
Erschließung und Speicherung von Daten. Menschen dokumentieren in der
Absicht, Informationen oder Wissen nutzbar zu machen. Die Dokumentation
stellt also keinen Selbstzweck dar. Es geht vielmehr darum, berechtigten
Personen gezielt relevante Informationen zur Verfügung zu stellen, und zwar
zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort und in der richtigen Form - im
medizinischen Aufgabenkreis zum Wohle der Patientenversorgung. Schon
Hippokrates empfahl daher seinen Schülern, sich Aufzeichnungen über ihre
Patienten zu machen. Neben diesem ursprünglichen Ziel, existieren
mittlerweile juristisch, wirtschaftlich und wissenschaftlich motivierte
Dokumentationsaufgaben (Leiner et al., 2006).
Primär dient die medizinische Dokumentation jedoch der wirkungsvollen und
angemessenen Behandlung des Patienten, indem sie
• deren Verlauf dokumentiert,
• die Basis für alle Entscheidungen darstellt und dadurch
• alle getroffenen Entscheidungen begründet und nachvollziehbar
macht (Haas, 2005).
Die folgende Tabelle veranschaulicht die dokumentarischen Ziele.
25
Tabelle 1: Ziele der Dokumentation (nach Berg, 2006)
Ärztliche/ pflegerische
Gesichtspunkte
Patienten-rechte
Haftungs-rechtliche
Bedürfnisse
Leistungs- rechtliche
Bedürfnisse *
Gedächtnisstütze für den
behandelnden Arzt
X
Information mitbe- handelnder Ärzte und
Pflegekräfte
X
Information des
Patienten
X
Information Dritter (Versicherungen,
Gutachter, Gericht)
X
X
Nachweis diagnos-tischer und thera-
peutischer Maßnahmen
X
X
*Fehlbelegungsprüfung der Kostenträger, unnötige/unwirtschaftliche Leistungserbringung, ambulante vs. stationäre Behandlung etc.
3.3.2 Ziele der Geburtsdokumentation
Im Geburtswesen ist die Verlaufsdokumentation der Geburt von
außerordentlicher Bedeutung. Sie gestaltet sich allerdings, aufgrund der
multiplen Beteiligten sowie der unterschiedlichen Zuständigkeitsbereiche, als
besonders komplex.
Die schriftliche Fixierung des Geburtsvorgangs vertritt jedoch die Interessen
aller beteiligten Personenkreise, denn sie dient sowohl der
Patientensicherheit als auch dem Haftungsschutz und leistungsrechtlichen
Bedürfnissen. Das Geburtsprotokoll ermöglicht alle erbrachten
therapeutischen Teilleistungen zu dokumentieren, zu visualisieren und es
bildet gleichsam die Verständigungsbasis zwischen den kooperierenden
Berufsgruppen.
Da detailliertere Anforderungen an das Geburtsprotokoll im europäischen
Raum bisher von keiner Fachgesellschaft oder Organisation – außer der
Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe in
Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht – ausgesprochen
wurden, beziehen sich nachfolgende Angaben im Wesentlichen auf jene
26
Leitlinie „Empfehlungen zur Dokumentation der Geburt – Das
Partogramm“ (DGGG und AG MedR, 2008a).
Die Geburtsdokumentation dient:
1. als Instrument zur chronologischen und grafischen Darstellung des
Geburtsverlaufs,
2. als Gedächtnisstütze für den behandelnden Arzt,
3. zur Information mit- und nachbehandelnder Ärzte, Hebammen und
Pflegekräfte,
4. zur Information der Patientin,
5. zur Information Dritter wie z. B. Qualitätssicherung, Gutachter und
Gericht und Krankenkassen.
Diese Punkte werden im Folgenden näher erläutert:
Zu 1.: Die chronologische und grafische Aufzeichnung des
Geburtsgeschehens erlaubt dem Informationssuchenden eine schnelle
Übersichtsverschaffung über die Abläufe. Der grafische Anteil des
Partogramms bietet hierbei dem menschlichen Auge eine besonders präzise
und schnell nachvollziehbare visuelle Informationsqualität, die einer rein
schriftlichen Protokollierung überlegen ist (Washburne, 1927 a+b).
Zu 2.: Im Klinikalltag befindet sich der geburtsbetreuende Arzt zumeist in
einem vielschichtigen Aufgabenareal. Nicht selten werden mehrere Geburten
gleichzeitig betreut. Um trotzdem die Übersicht über die einzelnen Verläufe
zu behalten, fungiert das Geburtsprotokoll als Erinnerungshilfe (Berg, 2006).
Zu 3.: Der zeitliche Rahmen einer Geburt ist sehr variabel und kaum
vorhersehbar. In der Regel ist die Gebärende daher von Schichtwechseln der
Ärzte und Hebammen betroffen. Die Dokumentation dient hier der
Vermeidung eines Informationsverlustes an Nachbehandelnde und
unterstützt die Kommunikation zwischen den Berufsgruppen. Aus diesem
Grund ist eine einheitliche und von Ärzten und Hebammen gemeinsam
vorgenommene Dokumentation von eminenter Bedeutung. So wird ein
doppelter Arbeitsaufwand und widersprüchliche Eintragungen vermieden
(Meilwes, 2005).
27
Zu 4. und 5.: Des Weiteren wird durch die Dokumentation das
Informationsrecht der Patientin und ggf. Dritter gestillt. Idealerweise erhöht
die Geburtsdokumentation damit die Transparenz der Vorgänge und
ermöglicht Vergleichbarkeit, bietet forensische Absicherung und gewährt
unter ökonomischen Gesichtspunkten eine angemessene Leistungs-
vergütung (Leiner, 2006).
Zusätzliche Ansprüche ergeben sich laut DGGG daraus, dass das
Geburtsprotokoll in seiner Bedeutung einem OP-Bericht entspricht. Es soll
den Geburtsverlauf so darstellen, dass es auch einem fachkundigen Dritten
möglich ist, sich in kürzester Zeit einen Überblick über die handelnden
Personen, die Zeiten, die getroffenen Maßnahmen, Beobachtungen und
Überlegungen zu verschaffen. Auch die Nichtdurchführung eines zwar
erwogenen, aber schließlich doch nicht durchgeführten Eingriffes und die
Gründe hierfür sollten dokumentiert werden (DGGG und AG MedR, 2008a).
Aufgrund der Komplexität und praktischen Relevanz der forensischen
Obliegenheiten, werden diese im nachfolgenden Kapitel detaillierter
betrachtet.
An dieser Stelle sei angemerkt, dass die erwähnte Leitlinie der DGGG, wie
alle Leitlinien, die Summe Evidenz-basierter medizinischer Erkenntnisse und
ärztlicher Erfahrung darstellt. Ihnen kommt zwar kein Gesetzesrang zu, in der
Regel stellen sie aber im Falle von Haftungsklagen den rechtlichen Maßstab
und den Mindeststandard dar (Pelz und Hickl, 1999).
Leitlinien sind also unverbindliche Handlungsanleitungen, von welchen im
individuellen Fall aufgrund der Therapiefreiheit abgewichen werden kann.
Damit aus diesem Abweichen kein Haftungstatbestand folgt, sollte das
Abweichen mit Begründung dokumentiert werden (Weidinger, 2007).
3.3.3 Parameter
Ein allgemein anerkannter Vordruck des Partogramms auf Basis der Leitlinie
existiert bisher nicht, allerdings sind die einzelnen Aufzeichnungsparameter
näher benannt und erläutert.
Das Partogramm sollte neu hinzukommenden Hebammen und Ärzten rasch
und übersichtlich folgendes darlegen:
28
1. Information über die Besonderheiten der Anamnese und jetzigen
Schwangerschaft (Tabelle 2),
2. Information über Verlauf und Stand der Geburt (Tabelle 3).
Ergänzend kommen hinzu:
• das CTG,
• evtl. OP-Berichte,
• Eingaben in das klinikübliche Programm der Qualitätssicherung,
• Aufklärungen über geburtshilfliche Operationen und die PDA, eine
eventuelle Blenorrhoe-Prophylaxe, die Konakion-Gabe etc.
Im Einzelnen werden von der DGGG folgende Datenerhebungen gefordert:
Tabelle 2: Besonderheiten der Anamnese und jetzigen Schwangerschaft (nach DGGG und AG MedR, 2008a)
Notwendige Stammdaten der Patientin
Name, Geburtsdatum, Wohnort, Ansprechpartner in Notfällen, Religion, Krankenkasse Anzahl der Schwangerschaften, Fehlgeburten, EUG, Mole, Geburten mit Angabe des Jahres, relevante Voroperationen Tragzeit, Geburtsmodus, Geburtsverlauf, Kindsgewicht, „schwere oder lange“ Geburt, Zustand des Kindes, Geburtsverletzungen, sonstige Besonderheiten
Synopsis früherer Schwangerschaften
Pathologie der Schwangerschaft, der Nachgeburtsperiode oder des Wochenbetts
Besonderheiten der jetzigen Schwangerschaft
z. B. Frühgeburt, Hypertonie, Diabetes, Rh-Inkompatibilität, fetale Retardierung, Einnahme von Medikamenten, Drogen, Nikotin etc.
Angaben zum Geburtstermin
Errechneter Termin Korrigierter Termin Tragzeit bei Kreißsaaleintritt
Angaben zum Geburtsbeginn
Zeitpunkt der Wehenbeginns Blasensprung Fruchtwasserfarbe
Wichtige serologische Angaben
Blutgruppe, Rh-Faktor, Infektionen (z. B.: beta-hämolysierende Streptokokken nachgewiesen?) Allergien
Angaben zur Krankenhaus- und Kreißsaalaufnahme und zur Erstuntersuchung
Datum und Uhrzeit des Klinikeintritts Datum und Uhrzeit des Kreißsaaleintritts Datum und Uhrzeit der Erstuntersuchung Befunderhebung: - Wehentätigkeit - Schmerzen - Muttermundseröffnung - Höhenstand des vorangehenden Teils - Lage und Haltung des Kindes - ggf. Pfeilnaht - geschätztes Kindsgewicht - Fruchtblase, Fruchtwasser (Abgang, Farbe) - Aufnahme-CTG (normal, suspekt, pathologisch) - Blutdruck und Puls, ggf. Temperatur der Schwangeren
29
Tabelle 3: Informationen über Verlauf und Stand der Geburt (nach DGGG und AG MedR, 2008a)
In tabellarischer Form
Die Tabelle enthält Spalten für - Datum und Uhrzeit - Befund/Anordnung/
Besonderheiten/ Aufklärung - Unterschrift von Arzt und
Hebamme
Hier sind alle erhobenen Befunde zeitgerecht zu dokumentieren und durch Unterschrift zu bestätigen. Erfasst werden sollten auch Anordnungen und Maßnahmen wie - Verständigung des Arztes bzw.
Oberarztes - Eintreffzeit des Hinzugezogenen - Gabe von Medikamenten und
Infusionen - Besondere Lagerung/Haltung der
Gebärenden CTG Jeder CTG-Streifen ist mit
Name der Patientin, Datum und Uhrzeit zu versehen.
Jedes CTG ist vom Arzt abzuzeichnen. Der Arzt soll sich auf eine Diagnose, am besten nach dem FIGO-Score, festlegen: - Pathologisch - Suspekt - Unauffällig - Wiederholung (wenn technisch
mangelhaft) Die Zeitangaben des Kardiotokographen müssen mit der tatsächlichen Uhrzeit und allen anderen benutzten Uhren übereinstimmen.
Gesonderte Berichte
Geburtshilfliche Operationen (auch Nichtdurchführung einer erwogenen Operation)
Im Geburtsbericht ist die geburtshilfliche Gesamtsituation zu beschreiben, die zur Operation bzw. deren Unterlassung führte. Es sind die Namen aller Beteiligten und Zeiten zu dokumentieren.
Beurteilung des Neugeborenen
Nach den Regeln der entsprechenden Leitlinien und gesetzlicher Qualitätssicherungsmaßnahmen
Apgar-Wert, pH, Gewicht, Länge, Kopfumfang, U1, Besonderheiten, evtl. Verlegung
Der Zustand von Mutter und Kind post partum sollte nach den Regeln der
gesetzlichen Qualitätssicherungsmaßnahmen erfasst werden.
Zur Vermeidung widersprüchlicher Eintragungen sollte das Geburtsprotokoll
abgeglichen und von Hebamme und Arzt unterschrieben werden.
Die Auswertung des CTGs kann unter Anwendung verschiedener Methoden
erfolgen, am gebräuchlichsten sind FIGO- und Fischer-Score. Der FIGO-
Score ist sowohl zur ante- als auch zur subpartualen Beurteilung des CTGs
geeignet, der Fischer-Score gestattet lediglich die antepartuale Auswertung
(Schneider und Gnirs, 2006). Aus diesem Grund empfiehlt die DGGG eine
30
Auswertung nach FIGO (DGGG und AG MedR, 2008a, DGGG et al., 2007).
Es besteht die Möglichkeit, die Eintragung von Befunden, Anordnungen und
Maßnahmen auf dem CTG-Streifen als Ersatz für Eintragungen im
Partogramm zu verwenden (DGGG und AG MedR, 2008a).
3.3.4 Layout
Der - wie von der DGGG geforderte - tabellarische Anteil des Partogramms
eignet sich insbesondere für eine schnelle Übersichtsverschaffung über den
Geburtsverlauf. Ob die Öffnung des Muttermundes und das Tiefertreten des
vorangehenden kindlichen Teils grafisch, also durch eine Abszisse, die den
zeitlichen Verlauf und eine Ordinate, welche Höhenstand und Cervixdilatation
beschreibt, visualisiert werden sollte, bleibt jedoch mangels Konkretisierung
seitens der Leitlinie offen. Aufgrund dessen, dass im Leitlinien-Titel der
historisch geprägte Begriff „Partogramm“ Verwendung findet, ist jedoch von
der Empfehlung einer grafischen Darstellung auszugehen.
Es existiert allerdings kein universell anerkanntes Design dieses
bedeutsamen Instruments. Daher besteht eine große Variationsbreite der
Achsenverhältnisse in den verschiedenen zurzeit verwendeten
Partogrammen. Dies wirkt sich insofern aus, als dass trotz identischer Daten,
die eingezeichneten Kurven steiler oder flacher verlaufen können. Zur
Veranschaulichung sind in Abbildung 6 in zwei Diagramme mit
unterschiedlicher Achsenrelation identische Cervixdilatationswerte gegen
den zeitlichen Verlauf aufgetragen.
Obwohl dies ein rein optisches Phänomen darstellt, ist eine Beeinflussung
des geburtshilflichen Handelns nicht auszuschließen. So kann eine flach
verlaufende Cervixdilatationskurve einen scheinbar prolongierten
Geburtsverlauf implizieren und eine ärztliche Entscheidung eher in Richtung
eines großzügigen Interventionseinsatzes lenken (Cartmill und Thornton,
1992).
31
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Zeit (h)
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(cm
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Abbildung 6: Optischer Effekt unterschiedlicher Achsenverhältnisse im Partogramm
Diese Hypothese wurde in einer Studie aufgegriffen, welche drei
verschiedene Achsenverhältnisse im klinischen Einsatz miteinander
verglichen hat. Es konnte gezeigt werden, dass bei flachem Kurvenanstieg
signifikant häufiger Oxytocin zur Kontraktilitätssteigerung des Uterus
verwendet wurde, während jedoch andere Indikatoren, wie die Dauer der
Eröffnungsphase, Anzahl der vaginalen Untersuchungen und
32
geburtshilflicher Operationen, in allen Gruppen sich ähnlich verhielten (Tay
und Yong, 1996).
Eine eindeutige Aussage zur Relevanz des Achsenlayouts kann somit noch
nicht getroffen werden. Bei künftigen Entwürfen sollte eine mögliche
Beeinflussung der geburtshilflich handelnden Personen jedoch im Hinterkopf
behalten werden.
3.3.5 Aufzeichnungsmedium
Als Aufzeichnungsmedium sind drei mögliche Varianten denkbar:
Zum Einen können jegliche Eintragungen auf einem Blanko-Zettel
vorgenommen werden. Als problematisch können sich hierbei die geringe
Strukturierung und die Gefahr der Unvollständigkeit erweisen. Die
Übersichtlichkeit hängt stark vom Ausfüllenden ab und ist für
Hinzukommende möglicherweise nicht selbsterklärend. Eine reine Auflistung
der Geschehnisse, ohne Grafik, ist zudem schwer verständlich und
arbeitsintensiv.
Zum Anderen existiert die derzeit wohl am häufigsten praktizierte Option des
Vordrucks auf Papier, meist im DIN A3- oder DIN A4-Format mit
eingebundener Grafik, in welchen handschriftliche Eintragungen
vorgenommen werden. Hierbei ist eine klare Strukturierung vorgegeben und
dem Ausfüllenden stehen wesentliche Eintragsvorschläge zur Verfügung.
Nachteilig ist die große Vielfalt der verwendeten Vordrucke.
Drittens besteht die Möglichkeit der digitalen Aufzeichnung, welche mit
steigender Tendenz genutzt wird. Diesbezüglich stehen verschiedene
Softwaresysteme zur Verfügung. Neben den Stärken und Schwächen, die
sich ähnlich wie beim Vordruck verhalten, ist es erwähnenswert, dass hier
optional die Möglichkeit der elektronischen Erinnerung bei Unvollständigkeit
gegeben ist (Haas, 2005). Informationsbündelnd kann auch eine Anbindung
an geburtsmedizinische Geräte, wie beispielsweise die Einspeisung von
CTG-Daten mit evtl. computergestützter Auswertung, wirken. Des Weiteren
wäre eine Informationsweitergabe an andere berechtigte Dokumentations-
systeme, wie z. B. an die Qualitätssicherung (Perinatal-, Neonatal-
erhebungen, NEO-KISS), elektronische Krankenakte und DRG-Kodierung,
33
denkbar. So kann eine erhöhte Arbeitsbelastung durch Mehrfach-
dokumentation vermieden werden (Meilwes, 2005). Ein nicht zu
unterschätzender Vorteil ergibt sich aus der gleichzeitigen Verfügbarkeit der
Daten an mehreren Orten (Leiner et al., 2006). So wäre es bspw. möglich,
dass ein auf Station tätiger Arzt in der Anfangsphase der Geburt
Einsichtnahme in deren Verlauf hat ohne Wegstrecken auf sich nehmen zu
müssen. Die Einarbeitung mag hierbei wohl am aufwendigsten sein und es
sind spezielle rechtliche Anforderungen zu erfüllen, die im nachfolgenden
Kapitel näher dargestellt werden.
Ob die EDV-gestützte Dokumentation vollständiger ist als diejenige auf
Papier, ist umstritten. In einer amerikanischen Studie fehlten in den
herkömmlichen Papierakten der Aufnahmeuntersuchung signifikant häufiger
Angaben bezüglich Wehentätigkeit, Fruchtblasenstatus, vaginaler Blutung,
Kindsbewegungen, und serologischer Ergebnisse gegenüber der
computergestützten Aufzeichnung (Eden et al., 2008). Ist jedoch die
elektronische Erinnerungsfunktion, die bei nicht ausgefüllten Feldern für
Vollständigkeit sorgen soll, deaktiviert, so sinkt der Anteil ordnungsgemäß
ausgefüllter Akten drastisch (Habermann et al., 2007, Tomaselli, 2009).
Schlussfolgernd kann ein elektronisches Dokumentationssystem also eine
gute, wenn nicht gar bessere, Alternative zur handschriftlichen
Dokumentation darstellen, wenn die Risiken dabei beachtet werden. Hier ist
auf eine Weiterentwicklung der Software-Technik, gerade in Bereichen der
forensischen Sicherheit und Anwenderfreundlichkeit, in den nächsten Jahren
zu bauen.
3.4 Forensische Aspekte
In diesem Teil der Arbeit werden die vielschichtigen rechtlichen Aspekte der
medizinischen Dokumentation und der Geburtsdokumentation im Speziellen
erörtert.
3.4.1 Dokumentationspflichten
Gemäß § 10 der Musterberufsordnung für deutsche Ärztinnen und Ärzte
(MBO-Ä) gehört die Dokumentation zur Berufspflicht des Arztes. Zwar soll sie
34
in erster Linie als Kommunikations- und Qualitätssicherungsinstrument der
ordnungsgemäßen Behandlung des Patienten dienen (OLG Oldenburg,
MedR 1992, 114; BGH VersR 1995, 340), jedoch kommt ihr immer mehr die
Bedeutung eines Beweismittels bei haftungsrechtlichen Auseinander-
setzungen zu. Eine Dokumentation zur Information Dritter (z. B. Gutachter)
ist also nicht zwingend erforderlich, erscheint aber in Anbetracht der
juristischen Entwicklungen zweckmäßig und sinnvoll. Der frühere Standpunkt
der Rechtssprechung, wonach ärztliche Aufzeichnungen lediglich als
Gedächtnisstütze des Arztes galten, wurde im Jahr 1978 vom BGH
aufgegeben (Ulsenheimer, 2006).
Grundsätzlich gilt, dass einer vertrauenswürdigen ärztlichen Dokumentation
bis zum Beweis des Gegenteils Vertrauen zu schenken ist und diese die
Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich hat (BGH MDR 1978,
917). Hierfür ist eine exakte, ausführliche und glaubwürdige Dokumentation
jedoch unerlässlich.
Ebenso besteht auf Seiten der Hebammen eine in der Berufsordnung der
Länder verankerte Dokumentationspflicht (z. B. für Nordrhein-Westfalen gilt:
§ 1 Abs. 2 Nr. 3 LHebG NRW).
Die Dokumentation ist ebenfalls eine geschuldete Nebenpflicht des
Behandlungsvertrages zwischen Arzt und Patient (Meister, 1999). Im
Klinikbetrieb steht der Krankenhausträger in der Verpflichtung, für die
Durchführung einer ordnungsgemäßen Dokumentation zu sorgen und deren
Einhaltung zu kontrollieren. In der Regel wird dieser Aufgabenbereich an den
leitenden Arzt einer Abteilung bzw. die leitende Pflegekraft delegiert (Berg,
2006).
Die Dokumentation muss zeitnah durchgeführt werden und darf nach ihrem
Abschluss nicht mehr verändert werden, da sonst der Tatbestand der
Urkundenfälschung erfüllt ist (OLG Koblenz, MedR 1995, 29 ff.). Ist die
Dokumentation jedoch fehlend, unzureichend oder fehlerhaft, kann auch
noch nachträglich ergänzt und kommentiert werden, wenn dies unter Angabe
des Veranlassenden, des Datums und der Uhrzeit erfolgt (OLG Oldenburg
1991, 5 U 120/90, MedR 1992, 111).
35
Falls Komplikationen zu sich überstürzenden Ereignissen führen und ein
zeitgleiches protokollieren nicht möglich ist, sollte nach Behandlungs-
abschluss ein ausführliches Gedächtnisprotokoll von allen Beteiligten
angefertigt werden (Rumler-Detzel und Beck, 1999).
Die Dokumentation hat zum Ziel, die üblichen Daten der Beratung, der
Diagnostik, der Therapie und des Verlaufs festzuhalten, um den
behandelnden Arzt, Mitarbeiter und ggf. Gutachter in die Lage zu versetzen,
das Geschehen zu verstehen und zu bewerten. Die Qualität der laufenden
Behandlung sowie von Anschlussbehandlungen wird auf diese Weise
sichergestellt. Hierbei ist zu beachten, dass Routinemaßnahmen, wie
beispielsweise die Desinfektion vor einer i.m.-Injektion, nicht vermerkt zu
werden brauchen. Die Notizen sollten jedoch umso ausführlicher sein, wenn
von der Norm abgewichen wird und Ausnahmen gemacht werden (BGH VI
ZR 170/88, NJW 1989, 2330; OLG Zweibrücken, 1997, 5 U 7/95, Pflegerecht
1998, 88). Bei Standardverfahren können gängige Kürzel, wie etwa „PA“ für
Pudendusanästhesie ohne Komplikationen, verwendet werden (OLG
Saarbrücken, 1993, AHRS KzA 6450/107).
Zu beachten ist, dass immer auch der Normalverlauf dokumentiert werden
muss, da sonst Vermutungen angestellt werden können, dass Abweichungen
nicht beachtet wurden. Wenn beispielsweise Eintragungen zwischen der
Aufnahme der Gebärenden in den Kreißsaal und der Geburt des Kindes
fehlen, kann einem Vorwurf der Patientin, es habe sich niemand um sie
gekümmert, nichts entgegengehalten werden (Berg, 2006).
Die ordnungsgemäße Dokumentation dient auch der Wahrung des
Persönlichkeitsrechts des Patienten (BGH MedR 1987, 238). Sie soll der
behandelten Person darüber Rechenschaft ablegen, was mit Körper und
Gesundheit im Behandlungsverlauf geschehen ist. Dieser Anspruch
begründet sich auf dem durch Artikel 2 Abs. 2 des Grundgesetzes
geschützten Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Rumler-Detzel
und Beck, 1999). Daher hat der Patient ein Recht auf Einsichtnahme in die
Unterlagen. Ausnahmen bilden lediglich Passagen, die subjektive Eindrücke
und Wahrnehmungen des Arztes enthalten (§ 10 MBO-Ä). Auf Verlangen
36
sind Kopien der Unterlagen gegen Erstattung der Kosten herauszugeben
(Dettmeyer, 2001).
Die Berufsordnung verlangt eine Aufbewahrungsfrist der Unterlagen von 10
Jahren. Aus haftungsrechtlicher Sicht besteht die Empfehlung diese auf 30
Jahre auszuweiten, da gerade im geburtshilflichen Bereich Klagen noch nach
Jahrzehnten zu erwarten sind (Berg, 2006). Abbildung 7 verdeutlicht dies
exemplarisch anhand einer Statistik der Versicherungskammer Bayern.
Abbildung 7: Meldung von Geburtsschäden bei der Versicherungskammer Bayern unter Berücksichtigung von Melde- und Ereignisjahr (nach Lichtmannegger und Kleitner, 2006)
Die Archivierung der Daten sollte so erfolgen, dass auf sie auch noch nach
Jahren zurückgegriffen werden kann. Neue Herausforderungen warten hier
in der Übergangsphase zur digitalen Speicherung. Während ein schriftliches
Dokument Urkundenstatus besitzt, müssen digitale Daten erst gegen
nachträgliche Manipulierbarkeit geschützt werden und es muss gewährleistet
sein, dass diese auch nach Jahren noch auslesbar sind. Eine unrechtmäßige
Einsichtnahme und Verwendung muss ausgeschlossen sein (Berg, 2006).
Aus diesem Grund wird zurzeit noch empfohlen, dass digital erstellte Daten
zeitnah ausgedruckt und handschriftlich abgezeichnet werden (DGGG und
AG MedR, 2008a).
37
3.4.2 Beweislast
Im Falle eines Arztfehlerprozesses muss der Arzt dem klagenden Patienten
Aufschluss über sein Vorgehen geben. Dieser Beweispflicht kommt er durch
Vorlage einer ordnungsgemäßen Dokumentation nach. Ist diese nicht
vorhanden oder lückenhaft, stellt dies zwar keine eigenständige
Anspruchsgrundlage für Schadensersatz- und/oder Schmerzensgeld-
ansprüche dar (BGH NJW 1988, 2949 ff.), dies kann jedoch zu einer
Beweislasterleichterung zugunsten des Patienten bzw. sogar zur
Beweislastumkehr zu Lasten des Arztes führen.
In der Regel trägt der Kläger die Beweislast. Das heißt, er muss
Nachforschungen anstellen, die juristisch ein Fehlverhalten des Arztes
nachweisen. Im Falle der Beweislastumkehr liegt jedoch die Beweispflicht für
den kausalen Zusammenhang der defizitären Behandlung mit dem
eingetretenen Schaden nicht auf Seiten des Patienten, sondern der Arzt hat
nachzuweisen, dass ein fehlerhaftes Verhalten auf seiner Seite
ausgeschlossen ist (Ulsenheimer, 2006). Zu dieser Umkehrung kann es
kommen, wenn die Dokumentationslücke einen groben Behandlungsfehler
indiziert, der als solcher die Grundlage für eine Beweislastumkehr bildet
(BGH NJW 1993, 2376). Von einem groben Behandlungsfehler spricht man,
wenn bei allem Verständnis für ein gelegentliches menschliches
Fehlverhalten bei Anwendung des gebotenen Ausbildungs- und
Wissensmaßstabes so sehr gegen elementare Regeln verstoßen wird, dass
ein solcher Fehler nicht vorkommen darf (BGH NJW 1983, 2080 = VersR
1983, 729, ständ. Rspr.). Hier sei exemplarisch das Zuwarten trotz
pathologischen CTGs genannt.
Die korrekte Dokumentation stellt bei diesem Sachverhalt also einen
zentralen Aspekt dar: „Was nicht dokumentiert ist, gilt als nicht
geschehen.“ (BGHZ 99, 391, S. 396 f.).
Bei Dokumentationsdefiziten und vermutetem groben Behandlungsfehler ist
es demnach dem Arzt unmöglich, sein mutmaßlich korrektes Vorgehen vor
Gericht zu beweisen und er verliert, unabhängig davon, ob ein
Behandlungsfehler vorliegt oder nicht, den Prozess.
38
3.4.3 Problematik von Kompetenzschnittstellen
Durch zunehmende Spezialisierung im Gesundheitssektor kommt der
interdisziplinären Zusammenarbeit in Krankenhaus und Praxis eine
steigende Bedeutung zu. Im geburtshilflichen Bereich wird die
Patientenbetreuung in der Regel durch ein umfangreiches
multiprofessionelles Team sichergestellt, bestehend aus niedergelassenen
und klinisch tätigen Gynäkologen, Anästhesisten, Pädiatern, Hebammen,
Pflegepersonal und ggf. weiteren Beteiligten. Eine gute Kommunikations-
und Organisationsstruktur dieser Schnittstellen verschiedener Berufsgruppen
und Abteilungen hat entscheidenden Einfluss auf ein erfolgreiches
Behandlungskonzept. So verwundert es nicht, dass die Auswertung von
Schadensfällen mehrfach belegt hat, dass nicht der klassische
Behandlungsfehler das größte Risiko darstellt, sondern Koordinations- und
Organisationsmängel (Berg, 2004, Lichtmannegger, 2004, Rumler-Detzel
und Beck, 1999). Dies verdeutlicht den Stellenwert der Dokumentation als
Kommunikationsinstrument zwischen den einzelnen Beteiligten.
Eine besondere Hersausforderung ist im sich ergänzenden Arbeitsfeld von
Hebamme und geburtshilflich tätigem Arzt zu verzeichnen. Während noch
über den zweiten Weltkrieg hinaus in Deutschland die Hausgeburt unter der
alleinigen Leitung einer frei praktizierenden Hebamme üblich war, wandelte
sich dieser Sachverhalt im Laufe der Jahre. Die medizinische Wissenschaft
drang auf dem Gebiet der Geburtshilfe vor und setzte neue Maßstäbe im
Bereich der Sicherheit für Mutter und Kind. Deutschland nimmt, dank der
Beiträge von beiden Berufsgruppen, im Ländervergleich eine Spitzenstellung
ein, wenn es um die geringe Mortalität und Morbidität von Mutter und Kind
geht (Franzki, 2006). Seit in Kraft treten der Paragraphen §§ 195, 196 RVO,
welche Schwangeren das Wahlrecht einräumen, bei und nach der
Entbindung ärztliche Betreuung in Anspruch zu nehmen, verschiebt sich das
Gewicht von Hausgeburt in Richtung Klinikentbindung und stagniert auf
einem konstanten Niveau (Abbildung 8).
39
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010
Jahr
Klin
iken
tbin
dung
en in
%
Abbildung 8: Anteil der Klinikentbindungen in der Bundesrepublik Deutschland 1955-2008 (nach BMFSFJ, 1999 und DESTATIS, 2010)
Somit hat sich auch das Betreuungs- und Kompetenzbereichverhältnis
verschoben. Doch die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Hebamme im
Klinikbetrieb ist im Berufsrecht nicht detailliert geregelt, sondern zeichnet sich
vielmehr durch örtliche Absprachen, klinische Dienstanweisungen, sowie
durch Rechtssprechungen aus (Franzki, 2006).
Aus dem Reichshebammengesetz von 1938 wurde in das aktuelle
Hebammengesetz von 1985 die Pflicht übernommen, bei jeder Geburt eine
Hebamme mitwirken zu lassen. Ein Arzt muss nicht regelhaft hinzugezogen
werden, denn allgemein gilt, dass gemäß § 4 des Hebammengesetzes
Hebammen dazu befähigt sind, alle regelrechten Vorgänge der
Schwangerschaft, der Geburt und des Wochenbettes selbstständig zu
betreuen. Jedoch ist bei regelwidrigen Ereignissen der Arzt verpflichtend
einzuschalten.
Entscheidet sich die Schwangere allerdings bewusst für eine stationäre
Geburtsbetreuung in einer Klinik, liegt die organisatorische
Endverantwortung auf ärztlicher Seite. Falls die Gebärende nicht
ausdrücklich darauf verzichtet, darf sie erwarten, dass die Leitung der Geburt
regelhaft ab einem bestimmten Stadium von einem Arzt übernommen wird.
Dies ist spätestens mit Beginn der Pressperiode der Fall (DGGG und AG
MedR, 2008b). Der die Geburtshilfeabteilung leitende Arzt befindet darüber,
40
in welchem Umfang bestimmte Aufgaben von der Ärzteschaft
wahrgenommen oder von Hebammen ausgeführt werden. Bei Hausgeburten
und Entbindungen in Geburtshäusern verhält sich die Rechtslage anders. Da
diese aus prozentualer Sicht eine untergeordnete Rolle spielen und sich
diese Arbeit auf den klinischen Bereich konzentriert, soll an dieser Stelle
nicht näher darauf eingegangen werden.
Hebammen befinden sich demnach in einer außergewöhnlichen beruflichen
Situation, da sie teils selbstständig und teils als Gehilfin des Arztes agieren
und sich ihr Berufsbild durch die erwähnte Verlagerung von der Haus- zur
Klinikgeburt stark gewandelt hat (Franzki, 2006). Aufgrund ihrer Doppelrolle
als Heilhilfs- und eigenständigem Medizinalberuf, befinden sie sich in einem
Spannungsfeld aus horizontaler und vertikaler Arbeitsteilung (Ratzel, 1999).
Um diesem Konfliktpotential Einhalt zu gewähren, ist jeder Klinik anzuraten,
berufsgruppenübergreifende Kompetenz- und Zuständigkeitsabgrenzungen
zu erarbeiten und schriftlich niederzulegen, um Schadensfälle abzuwenden
und die Verantwortlichen vor dem Vorwurf verletzter Organisations- und
Aufsichtspflichten zu bewahren (Lichtmannegger und Burdelski, 2006).
3.5 Standardisierung der medizinischen Dokumentatio n
Unter standardisierter Dokumentation versteht man die einheitliche
Aufzeichnung bestimmter Merkmale (Leiner, 2006). Im medizinischen
Verwendungszweck existieren alle Grade der Standardisierung, also von
nichtstandardisierter Dokumentation (z. B. Freitextanamnese) bis zu
überwiegend vollstandardisierter Dokumentation (z. B. Todesbescheinigung
NRW).
Vom Standardisierungsgrad der Dokumentation ist sowohl die Nutzung für
nachgeordnete Verwendungszwecke als auch ihre Vollständigkeit, Qualität,
Kontinuität und Unabhängigkeit von einzelnen Beobachtern abhängig (Haas,
2005). Feinstein geht sogar davon aus, dass die Standardisierung die Basis
einer fortschrittsorientierten und zum medizinischen Erkenntnisgewinn
beitragenden medizinischen Dokumentation darstellt und definiert sie als den
kritischen Erfolgsfaktor für die Medizin der Zukunft (Feinstein, 1987).
41
Die Erhöhung der Vergleichbarkeit, die mit zunehmender Standardisierung
gewonnen wird, ist eine wesentliche Bedingung für Qualitätstransparenz und
schafft die Voraussetzung für eine Nutzung der Daten für klinisch-
wissenschaftliche Forschung. Dieser Zugewinn muss jedoch mit einer
reduzierten Spezifität abgewogen werden, welche sich durch eine
vergröberte Abbildung der tatsächlichen Verhältnisse in standardisierten
Verfahren manifestiert (Leiner, 2006).
Als Schlussfolgerung für die Geburtshilfe, die einen Bereich darstellt, in dem
eine hohe Transparenz durch Ärzte, Patienten, Qualitätssicherung etc.
eingefordert wird, ist also ein hohes Maß an Standardisierung
wünschenswert. Jedoch sollten ergänzende individuelle Eintragungen sowohl
im Papier- als auch im EDV-Dokument durch Freitextangaben möglich sein.
42
4 METHODIK
Zur Erfassung der deutschlandweiten Dokumentationspraxis wurde im
Rahmen dieser Arbeit eine empirische klinisch-prospektive Fragebogen-
erhebung als Studiendesign gewählt.
Die Durchführung der Studie wurde durch die Ethik-Kommission der
Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum genehmigt (Registrier-
Nr. 3743-10).
4.1 Klinikauswahl
In der Bundesrepublik Deutschland werden rund 98% aller Kinder in einer
geburtshilflichen Klinik, mit einer Betreuung durch Ärzte und Hebammen,
geboren (DESTATIS, 2010). Dies war Anlass, im Rahmen dieser Arbeit
lediglich in Geburtskliniken tätige Ärzte und Hebammen zu befragen und die
Untersuchung nicht auf Geburtshäuser unter Hebammenleitung und
freiberuflich tätige Hebammen im hausgeburtlichen Bereich auszudehnen.
Zur Auswahl der in dieser Studie befragten Kliniken wurde die Milupa-
Geburtenliste 2007/2008 herangezogen. In dieser Liste sind alle
geburtshilflich tätigen Kliniken der Bundesrepublik Deutschland,
einschließlich ihrer Geburtenzahlen des Jahres 2008, verzeichnet (Milupa,
2009). Ausgehend von 887 Geburtskliniken und einem gewünschten Recall
von 50% wurde eine Gesamtzahl von 95 Kliniken einkalkuliert um etwa 5%
aller deutschen Geburtskliniken durch die Befragung abzudecken.
Diese Kliniken wurden in vier Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe bilden die 35
Universitätskliniken. Die übrigen drei Klinikgruppen wurden mittels
geschichteter Zufallsauswahl gegliedert. Anhand der Anzahl der Geburten im
Jahr 2008 wurde eine Stichprobenschichtung in Häuser mit mehr als 1000
Geburten, 500 bis 999 und weniger als 500 vorgenommen. Aus jeder
Schichtgruppe sind jeweils 20 Häuser randomisiert ausgewählt worden.
Insgesamt wurden also 95 Geburtskliniken um Teilnahme an der Studie
gebeten.
Die Stichprobe ist demnach nicht als repräsentativ zu verstehen. Sie bildet
zwar alle Klinikgrößen ab, trägt aber der Tatsache Rechnung, dass in
43
Kliniken der Maximalversorgung aufgrund des Hochrisikokollektivs und der
damit verbundenen erhöhten Komplikationsrate besonders komplexe
Anforderungen an die Dokumentation gestellt werden. Darüber hinaus wird
den Universitätskliniken ein gesteigertes Interesse an der Umsetzung
evidenzbasierter Praktiken und aktuellster wissenschaftlicher Erkenntnisse
unterstellt.
4.2 Experteninterview
Nach Einarbeitung in die Thematik wurden einige Experten aus dem Bereich
der Geburtshilfe um Teilnahme an einem telefonischen Interview gebeten.
Zur Verfügung gestellt haben sich freundlicherweise Prof. Dr. med. Werner
Bader aus Hannover, Prof. Dr. med. Hartmut Hopp aus Berlin, Prof. Dr. med.
Thomas Schwenzer aus Dortmund und Prof. Dr. med. Werner Rath aus
Aachen. Die Gespräche fanden im Juni 2009 statt. Diskutiert wurden die
Bedeutung der Studie und der Aufbau des Fragebogens. Es wurde als
sinnvoll erachtet, sowohl Ärzte als auch Hebammen zur Thematik zu
befragen.
4.3 Erhebungsbogen
Die Erhebung der Daten erfolgte über einen standardisierten Fragebogen,
welcher im Rahmen der vorliegenden Arbeit entwickelt wurde (siehe Anhang
S. 88-93). Der Fragebogen gliedert sich in drei Teile und umfasst 17 Fragen.
Im ersten Teil (Frage 1 bis 3) werden Angaben zum Berufsstand der
ausfüllenden Person (Assistenzarzt, Facharzt, Oberarzt, Chefarzt, Hebamme)
und Daten zur Eingruppierung der Geburtsklinik erhoben. Zum einen wird
nach der Anzahl der Entbindungen pro Jahr (>1000, 500 - 999, <500) und
dem eventuell vorhandenen Status einer Universitätsklink gefragt. Zum
anderen wird die neonatologische Versorgungsstufe ermittelt
(Perinatalzentrum Level I/II, perinataler Schwerpunkt, Geburtsklinik) gemäß
der „Vereinbarung über Maßnahmen zur Qualitätssicherung von Früh- und
Neugeborenen“ (G-BA, 2005).
Der zweite Fragenblock (Frage 4 bis 16) thematisiert die in der Klinik derzeit
durchgeführte Geburtsdokumentationspraxis und etwaige Verbesserungs-
44
vorschläge. Unter anderem wird nach der regelmäßigen Durchführung eines
Partogramms, der gemeinsamen Nutzung eines Partogramms durch Ärzte
und Hebammen, dem Aufzeichnungsmedium und den einzelnen erhobenen
Parametern gefragt. Entwickelt wurden die Fragen u. a. aus der Leitlinie der
Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe „Empfehlungen zur
Dokumentation der Geburt – Das Partogramm“ (DGGG und AG MedR,
2008a), sowie dem Kapitel „Geburtsdokumentation“ aus „Facharzt
Geburtsmedizin“ (Kainer, 2005). Des Weiteren fanden Anregungen aus den
Experteninterviews Verwendung.
Im dritten Teil des Fragebogens (Frage 17) werden drei anonymisierte, auf
DIN A4-Format verkleinerte Fragebögen aus drei deutschen
Universitätskliniken einer Bewertung nach Schulnoten unterzogen.
Abschließend steht ein Freitext-Feld zur Verfügung, um Kommentare und
Anmerkungen vornehmen zu können.
4.4 Versendung der Fragebögen
Die ausgewählten Frauenkliniken wurden zunächst telefonisch um Teilnahme
gebeten. Nach Nennung eines Ansprechpartners erfolgte die Versendung
des Fragebogens in der Mehrzahl der Fälle per E-Mail. Wahlweise konnte
dies aber auch per Fax oder Brief erfolgen. Nach Möglichkeit wurden Ärzte
und Hebammen einzeln kontaktiert. In einem beiliegenden kurzen
Anschreiben wurde die Thematik erläutert und die Anonymität der
Auswertung versichert.
Die Versendung der Fragebögen erfolgte im Zeitraum von Dezember 2009
bis April 2011. Es wurden insgesamt 190 Fragebögen versandt, 95
Fragebögen an Ärzte und 95 Fragebögen an Hebammen. Berücksichtigt
wurden Antwortbögen, die bis zum 30.06.2011 eingetroffen sind.
4.5 Auswertung und Statistik
Die Auswertung erfolgte nach anonymer Übertragung der Antworten in ein
Tabellensystem in Microsoft Excel. Zur Auswertung gelangten 73
Fragebögen. Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt in Form einer
deskriptiven Statistik.
45
Ursprünglich waren in Fragenblock 2 (Frage 4 bis 16) zwei verschiedene
Antwortoptionen für jede Frage (außer Nr. 8) vorgesehen: zum einen die
Darstellung des Ist-Zustandes der Geburtsdokumentation in den jeweiligen
Kliniken, zum anderen die Möglichkeit das derzeitige Vorgehen zu bewerten
und Wünsche zu äußern, was in ein etwaiges standardisiertes Partogramm
mit aufgenommen werden sollte. Auf Grund von häufig unvollständiger oder
widersprüchlicher Bearbeitung der zweiten Antwortoption, wurde diese nicht
in die Auswertung aufgenommen.
46
5 ERGEBNISSE
Nachfolgend werden die Ergebnisse der Fragebogenstudie zur
Geburtsdokumentation in der Bundesrepublik Deutschland in deskriptiver
Form dargelegt.
Um eine Verzerrung der Ergebnisse zugunsten der Kliniken, von welchen
sowohl Ärzte als auch Hebammen geantwortet haben, zu vermeiden, werden
die Antworten nach Berufsgruppe separat ausgewertet. Da sich das
Antwortverhalten von Ärzten und Hebammen sehr ähnlich gestaltete, finden
von Seiten der Hebammen lediglich stark differierende Ergebnisse Eingang.
5.1 Stichprobenstruktur
Die bundesweite schriftliche Befragung wurde mit jeweils 95 Ärzten und
Hebammen aus 95 verschiedenen Geburtskliniken durchgeführt. Die
Auswertung der Fragen 1 bis 3 stellt sich wie folgt dar.
5.1.1 Rücklaufquote
Auf Seiten der Ärzte wurden 49 Fragebögen zurückgesandt. Auf Seiten der
Hebammen waren es insgesamt 24 Bögen, die in die statistische Auswertung
mit eingingen. Die ärztliche Rücklaufquote beträgt somit 51,6%, die
Antwortrate der Hebammen 25,3%. Eine weitere Aufschlüsselung des
Rücklaufs in die vier Klinikkategorien ist folgender Tabelle zu entnehmen.
Tabelle 4: Rücklauf der Fragebögen
Kliniktyp Berufsgruppe
Versendete
Fragebögen
(n)
Zurückgesandte
Fragebögen
(n) (%)
Unikliniken Ärzte
Hebammen
35
35
19
7
54,3
20,0
> 1000 Geburten
pro Jahr
Ärzte
Hebammen
20
20
10
6
50,0
30,0
500-999 Geburten
pro Jahr
Ärzte
Hebammen
20
20
10
5
50,0
25,0
< 500 Geburten
pro Jahr
Ärzte
Hebammen
20
20
10
6
50,0
30,0
Summe Ärzte
Hebammen
95
95
49
24
51,6
25,3
47
5.1.2 Berufliche Position
Auf ärztlicher Seite wurde der Fragebogen überwiegend von Oberärzten
ausgefüllt. Folgende Grafik gibt eine Übersicht über die berufliche Position
der ärztlichen Befragungsteilnehmer.
Facharzt12,2%
Oberarzt51,0%
Chefarzt8,2% Assistenzarzt
28,6%
Abbildung 9: Berufliche Position der ärztlichen Studienteilnehmer
5.1.3 Geburtenzahl
Eine Einordnung der teilnehmenden Universitätskliniken nach ihrer jährlichen
Geburtenzahl in die drei übrigen Klinikgruppen zeigt ein Überwiegen der
Kliniken mit mehr als 1000 Geburten pro Jahr (Abbildung 10).
<500 Geburten22,4%
500-999 Geburten
22,4%
>1000 Geburten55,1%
Abbildung 10: Geburtenzahlen der teilnehmenden Kliniken pro Jahr, inklusive Universitätskliniken
48
5.1.4 Neonatologische Versorgungsstufe
Die Hauptbeteiligung lag auf Seiten der Kliniken, die als Perinatalzentrum
Level I ausgewiesen sind. Die übrigen neonatologischen Versorgungsstufen
gemäß GB-A werden von den teilnehmenden Abteilungen wie folgt
repräsentiert (Abbildung 11).
perinataler Schwerpunkt
2,0%
Geburtsklinik28,6%
Perinatalzentrum Level II8,2%
Perinatalzentrum Level I61,2%
Abbildung 11: Neonatologische Versorgungsstufe der teilnehmenden Kliniken
5.2 Zufriedenheit mit derzeitiger Geburtsdokumentat ion
Die Teilnehmer wurden interviewt, ob sie Verbesserungsbedarf in ihrem
verwendeten Partogramm sehen (Frage 8). Die Antwortenverteilung verhielt
sich bei Ärzten (Abbildung 12) und Hebammen (Abbildung 13) wie folgt.
keine Angabe16,3% Verbesserungs-
bedarf40,8%
kein Verbesserungs-
bedarf42,9%
Abbildung 12: Verbesserungsbedarf des hausinternen Partogramms aus ärztlicher Sicht
49
keine Angabe8,3%
Verbesserungs-bedarf50%
kein Verbesserungs-
bedarf41,7%
Abbildung 13: Verbesserungsbedarf des hausinternen Partogramms aus Hebammen-Sicht
Etwa die Hälfte der Studienteilnehmer, auf ärztlicher Seite etwas weniger,
sah in der hausinternen Umsetzung der Geburtsdokumentation
Verbesserungsmöglichkeiten. Weniger als die Hälfte der Teilnehmer sah
keinerlei Verbesserungsbedarf.
5.3 Organisation
Zur Darstellung der organisatorischen Dokumentationsverhältnisse in den
jeweiligen Kliniken sind in diesem Abschnitt die Auswertungen der Fragen 4
bis 7 und 9 bis 15 aufgeführt.
5.3.1 Regelmäßige Partogrammführung
Die Teilnehmer wurden dazu befragt, ob sie regelmäßig bei jeder Geburt ein
Partogramm führen. Dies war in der überwiegenden Zahl der Antworten der
Fall. Auf ärztlicher Seite wurde die Frage von 79,6% der Teilnehmer bejaht,
auf Seiten der Hebammen von 79,2%.
5.3.2 Gemeinsame Partogrammführung
Auf die Frage, ob die Geburtsdokumentation von Ärzten und Hebammen
gemeinsam in einem Partogramm vorgenommen wird, antworteten 73,5%
aller Ärzte, dass die Eintragungen von beiden Berufsgruppen gemeinsam
geführt werden, bei einer Enthaltungrate von 6,1%. Von den regelmäßigen
Nutzern wurde die Frage zu 82,1% enthaltungslos bejaht.
50
5.3.3 Aufzeichnungsmedium
In Abbildung 14 ist das Antwortverhalten bezüglich des
Aufzeichnungsmediums wiedergegeben. Knapp drei Viertel der Teilnehmer
verwenden einen Vordruck oder eine Kombination aus Vordruck und einem
leeren Blatt.
Leeres Blatt8,2%
Vordruck61,2%
Leeres Blatt + Vordruck12,2%
Elektronisches Partogramm
6,1% keine Angabe12,2%
Abbildung 14: Verwendetes Aufzeichnungsmedium
In den Kliniken, in welchen eine Papierdokumentationsform zur Anwendung
kommt, wurde in 48,7% der Fälle das DIN A3-Format angegeben. Das DIN
A4-Format wurde in 41,0%, eine Kombination aus DIN A3 und DIN A4 in
5,1% gewählt. In einem Fall wurde das DIN A2-Format handschriftlich
ergänzt, in einem anderen erfolgte keine Formatsangabe.
5.3.4 Beginn der Aufzeichnung
Die Aufzeichnung des Partogramms wurde in 65,3% der Antworten mit dem
Betreten des Kreißsaals durch die Gebärende begonnen. 10,2% der
Teilnehmer ließen eine Angabe hierzu aus.
5.3.5 Geburtsphasen
Die Antwortenverteilung auf die Frage, welche Geburtsphasen im
Partogramm aufgezeichnet werden, ist in Tabelle 5 dargestellt.
51
Tabelle 5: Geburtsphasenaufzeichnung
Antwort
Phase Ja Nein Keine Angabe
Evtl. durchgeführtes
Priming 55,1% 30,6% 14,3%
Eröffnung 89,8% 2,0% 8,2%
Austreibung 89,8% 2,0% 8,2%
Nachgeburt 81,6% 10,2% 8,2%
Versorgung evtl.
Geburtsverletzungen 79,6% 12,2% 8,2%
Relativ homogen gestaltet sich das Antwortverhalten bei der Aufzeichnung
von Eröffnung, Austreibung, Nachgeburt und Versorgung eventueller
Geburtsverletzungen im Partogramm. Ein möglicherweise durchgeführtes
Priming (Geburtseinleitung durch Unterstützung des cervikalen
Reifungsprozess mittels Prostaglandin) wird dagegen nur von ca. der Hälfte
der Mitwirkenden aufgezeichnet.
5.3.6 Dokumentation weiterer Maßnahmen
Die Teilnehmer wurden zur Dokumentation weiterer Maßnahmen befragt.
Tabelle 6 zeigt, dass etwa die Hälfte der Teilnehmer die aufgeführten
Maßnahmen im Partogramm festhalten.
Tabelle 6: Dokumentation weiterer Maßnahmen
Antwort
Maßnahme Ja Nein Keine Angabe
Ultraschall 51,0% 40,8% 8,2%
Legen einer
Venenverweilkanüle 49,0% 44,9% 6,1%
Labor 49,0% 44,9% 6,1%
52
5.3.7 Zeitachse
Die Darstellung der Geburt kann einer konstanten Zeitachse unterliegen,
welche den Geburtsverlauf bspw. in einstündige Abstände unterteilt, wie im
WHO-Partographen dargestellt. Diese Darstellungsform wurde von 51,0%
der Teilnehmer ausgewählt, bei einer Antwortenthaltung von 10,2%.
5.3.8 Aufklärungen
Getätigte Aufklärungen werden von 53,1% im Partogramm dokumentiert.
12,2% der Beteiligten machten zu dieser Frage keine Angaben.
5.3.9 Handzeichen
Die Frage, ob alle vorgenommenen Partogrammeinträge per Handzeichen
dokumentiert werden und somit bestimmten Personen zuzuordnen sind,
wurde in 71,4% bejaht. 10,2% der Teilnehmer enthielten sich.
5.3.10 Arztanforderung
Die Arztanforderung durch die Hebamme, z. B. im Falle eines
Komplikationseintrittes, und der Eintreffzeitpunkt des Angeforderten werden
von 67,3% dokumentiert. 6,1% der Teilnehmer machten hierzu keine
Angaben.
5.4 Parameter
Dieser Abschnitt führt die Auskünfte zu den Parametern auf, welche in der
Geburtsdokumentation der Studienteilnehmer Anwendung finden (Frage 16).
5.4.1 Allgemein
Tabelle 7 gibt einen Überblick über die Antwortenverteilung zu den
allgemeinen Geburtsdaten. Die überwiegende Zahl der Teilnehmer erhebt
sämtliche vorgeschlagenen Parameter. Die größte Abweichung im
Antwortverhalten bestand in der Aufzeichnung der Blutgruppe und von
Allergien/Rhesusprophylaxe mit ca. 15% Verneinung.
53
Tabelle 7: Allgemeine Geburtsparameter
Antwort
Parameter Ja Nein
Keine
Angabe
Name und Geburtsdatum der Mutter 98,0% 2,0% 0,0%
Datum und Uhrzeit der Aufnahme 91,8% 8,2% 0,0%
Gravidität 98,0% 2,0% 0,0%
Parität 98,0% 2,0% 0,0%
Gestationsalter 98,0% 2,0% 0,0%
Geburtsrelevante Risiken und Besonderheiten 93,9% 6,1% 0,0%
Kindslage 93,9% 6,1% 0,0%
Blutgruppe 85,7% 14,3% 0,0%
Allergien/Rhesusprophylaxe 83,7% 16,3% 0,0%
5.4.2 Geburtsverlauf
Zur Darstellung des Geburtsverlaufs wurden von den Studienteilnehmern
folgende Antwortmöglichkeiten gewählt (Tabelle 8).
Tabelle 8: Geburtsverlaufsparameter
Antwort
Parameter Ja Nein
Keine
Angabe
Muttermundsweite 79,6% 14,3% 6,1%
Höhenstand nach DeLee 44,9% 42,9% 12,2%
Höhenstand nach Hodge 44,9% 40,8% 14,3%
Pfeilnaht 85,7% 8,2% 6,1%
Fontanellenposition 83,7% 10,2% 6,1%
Fruchtwasserabgang 83,7% 10,2% 6,1%
Fruchtwasserfarbe 77,6% 16,3% 6,1%
Wehentätigkeit 73,5% 20,4% 6,1%
Analgesie/PDA 81,6% 12,2% 6,1%
Wehenmittel 81,6% 12,2% 6,1%
Medikamente/Infusionen 79,6% 14,3% 6,1%
Urin 67,3% 26,5% 6,1%
RR 77,6% 16,3% 6,1%
Puls 75,5% 18,4% 6,1%
54
Temperatur 77,6% 16,3% 6,1%
Lagerung 69,4% 24,5% 6,1%
Befinden 61,2% 32,7% 6,1%
Diagnosen des Arztes 73,5% 18,4% 8,2%
Therapieentscheidungen des Arztes 75,5% 18,4% 6,1%
Die überwiegende Zahl der vorgegebenen Parameter findet in mehr als 70%
der Klinikpartogramme Anwendung. Abweichend davon verhielten sich die
Erfassung des Höhenstandes des vorangehenden Kindsteils, des Urins, der
Lagerung und des Befindens der Gebärenden.
Von denjenigen Mitwirkenden, die eine Erfassung des Höhenstandes
angaben, wählten etwa ein Drittel die Methode nach DeLee, ein Drittel die
Methode nach Hodge und ein weiteres Drittel eine Kombination aus beiden
Methoden.
Die Parameter Urin, Lagerung und Befinden verhielten sich insofern
abweichend, als dass sie von mindestens einem Viertel der Teilnehmer nicht
erfasst wurden.
5.4.3 CTG
Auf die Frage nach der CTG-Beurteilung auf dem Partogramm antworteten
die Beteiligten wie folgt (Tabelle 9).
55
Tabelle 9: CTG-Beurteilung auf dem Partogramm
Antwort
Parameter Ja Nein
Keine
Angabe
Basalfrequenz 67,3% 24,5% 8,2%
Bandbreite 63,3% 28,6% 8,2%
Nulldurchgänge/min 55,1% 34,7% 10,2%
Akzelerationen 63,3% 28,6% 8,2%
Dezelerationen 69,4% 22,4% 8,2%
Punkte nach Fischer 28,6% 65,3% 6,1%
Punkte nach FIGO 30,6% 61,2% 8,2%
Besonderheiten 77,6% 16,3% 6,1%
Elektronische CTG-Beurteilung nach Roemer 2,0% 89,8% 8,2%
Elektronische CTG-Beurteilung nach Dawes/Redman 2,0% 89,8% 8,2%
Elektronische CTG-Beurteilung mit „CTG-Online“ 4,1% 87,8% 8,2%
Keine CTG-Beurteilung auf dem Partogramm 22,4% 71,4% 6,1%
Etwa 70% der Teilnehmer gaben an, die Beurteilung des CTGs auf dem
Partogramm festzuhalten. Ein kleiner Teil derjenigen, welche keine generelle
CTG-Dokumentation auf dem Partogramm angaben, registrierte jedoch
zumindest CTG-Auffälligkeiten auf dem Geburtsprotokoll.
Am häufigsten wurde die Angabe von Besonderheiten gewählt, gefolgt von
Dezelerationen, Basalfrequenz, Akzelerationen, Bandbreite und
Nulldurchgängen pro Minute.
Zur Beurteilung des CTGs existieren zwei gängige Scoring-Systeme, der
FIGO- und der Fischer-Score. Abbildung 15 zeigt die gegebenen Antworten
zu dieser Thematik von denjenigen Teilnehmern, welche generell eine CTG-
Beurteilung auf dem Partogramm vornehmen.
56
kein Score40,0%
beide Scores8,6%
FIGO-Score28,6%
Fischer-Score22,9%
Abbildung 15: Score-Anwendung bei der CTG-Beurteilung auf dem Partogramm
Eine EDV-gestützte CTG-Auswertung teilten die Mitwirkenden in den
wenigsten Fällen mit.
5.4.4 MBU
In Tabelle 10 sind die Auskünfte der Teilnehmer über die Dokumentation
einer evtl. durchgeführten kindlichen Mikro-Blut-Untersuchung dargestellt.
Tabelle 10: MBU-Dokumentation
Ja Nein Keine Angabe
Zeitpunkt 93,9% 4,1% 2,0%
pH-Wert 93,9% 4,1% 2,0%
Base-Excess 87,8% 10,2% 2,0%
Nahezu alle Beteiligten führten an, die MBU-Parameter aufzuzeichnen.
5.4.5 Eckdaten der Geburt
Die Erfassung der Eckdaten der Geburt wurde von den Mitwirkenden in
folgender Weise angegeben (Tabelle 11).
57
Tabelle 11: Eckdaten der Geburt
Antwort
Parameter Ja Nein Keine Angabe
Zeitpunkt der Aufnahme 89,8% 8,2% 2,0%
Wehenbeginn 91,8% 6,1% 2,0%
Blasensprung 95,9% 2,0% 2,0%
Muttermund vollständig 95,9% 2,0% 2,0%
Pressbeginn 83,7% 14,3% 2,0%
Geburtszeit 98,0% 0,0% 2,0%
Geburt Plazenta 89,8% 8,2% 2,0%
Vollständigkeit Plazenta 89,8% 8,2% 2,0%
Plazentagewicht 42,9% 55,1% 2,0%
Nabelschnurumschlingungen 87,8% 10,2% 2,0%
Geschätzter Blutverlust in ml 85,7% 12,2% 2,0%
Dauer Eröffnungsperiode 77,6% 20,4% 2,0%
Dauer Austreibungsperiode 77,6% 20,4% 2,0%
Dauer Nachgeburtsperiode 79,6% 18,4% 2,0%
Geburtsmodus 95,9% 2,0% 2,0%
Geburtsverletzungen 93,9% 4,1% 2,0%
Operative Eingriffe 91,8% 6,1% 2,0%
Kontraktilität des Uterus 81,6% 16,3% 2,0%
Die meisten Teilnehmer gaben an, alle aufgeführten Parameter
aufzuzeichnen, mit Ausnahme der Aufzeichnung des Plazentagewichts.
Erhöhte Verneinungsraten fanden sich darüber hinaus bei der Aufzeichnung
der Dauer der Geburtsperioden sowie bei der Erfassung des Pressbeginns
und der Uteruskontraktilität.
5.4.6 Neugeborenes
Wie sich die Antwortenverteilung bezüglich der erhobenen Parameter des
Neugeborenen darstellt, gibt Tabelle 12 wieder.
58
Tabelle 12: Neugeborenen-Parameter
Ja Nein Keine Angabe
Apgar 93,9% 4,1% 2,0%
Nabelarterien-/venen-pH-Messung 93,9% 4,1% 2,0%
Geschlecht 93,9% 4,1% 2,0%
Gewicht 93,9% 4,1% 2,0%
Länge 93,9% 4,1% 2,0%
Kopfumfang 93,9% 4,1% 2,0%
Besonderheiten 93,9% 4,1% 2,0%
5.4.7 Anmerkungen/Geburtsleitung
Raum für Anmerkungen ist nach Angaben der Beteiligten zu 91,8%
vorhanden und die Leitung der Geburt wird durch Namensvermerk von
Hebamme und Arzt von 93,3% der Befragten dokumentiert. Keine Angaben
hierzu machten jeweils 4,1% der Mitwirkenden.
5.5 Beispielpartogramme
Abschließend wurden die Teilnehmer um eine Schulnoten-Bewertung von
drei anonymisierten Partogrammvordrucken aus drei deutschen
Universitätskliniken gebeten (Frage 17). Die Antwortenverteilung der
ärztlichen Teilnehmer gibt Tabelle 13 wieder, die der Hebammen Tabelle 14.
Tabelle 13: Ärzte-Bewertung der Beispielpartogramme
Schulnote
Beispiel-
Partogramm
1 2 3 4 5 6 K. A. Durch-
schnitt
Partogramm 1 2,0% 12,2% 22,4% 32,7% 24,5% 2,0% 4,1% 3,74
Partogramm 2 8,2% 46,9% 26,5% 6,1% 4,1% 0,0% 8,2% 2,47
Partogramm 3 2,0% 24,5% 42,9% 18,4% 2,0% 2,0% 8,2% 3,00
59
Tabelle 14: Hebammen-Bewertung der Beispielpartogramme
Schulnote
Beispiel-
Partogramm
1 2 3 4 5 6 K. A. Durch-
schnitt
Partogramm 1 0,0% 4,2% 8,3% 37,5% 41,7% 0,0% 8,3% 4,27
Partogramm 2 0,0% 33,3% 33,3% 20,8% 4,2% 0,0% 8,3% 2,95
Partogramm 3 0,0% 25,0% 16,7% 37,5% 12,5% 0,0% 8,3% 3,41
Die Benotungsenthaltung einiger Teilnehmer begründete sich in erster Linie
auf einer Verschlechterung der optischen Qualität, welche sich bei einer
Versendung der Fragebögen per Fax eingestellt hat.
Durchschnittlich bewerteten Ärzte die Beispielpartogramme eine halbe
Schulnote besser im Vergleich zu den Hebammen. Die beste Benotung
erhielt Partogramm 2, gefolgt von Partogramm 3 und 1.
5.6 Handschriftliche Ergänzungen
Es bestand für die Teilnehmer die Möglichkeit, Bemerkungen und
Anregungen in einem Freitextfeld zu erteilen. Diese Option wurde
insbesondere für Anmerkungen zu den Beispielpartogrammen genutzt. Die
häufigsten Kommentare werden im Folgenden dargestellt.
Partogramm 1:
• zu wenig Information zu Frau, Kind und Geburt
• unübersichtlich
• zu viel Raum für CTG-Bewertung
• Positive Beurteilung des Sonografie-Feldes
• Positive Wertung des Raumes für Verlaufsbeurteilung
Partogramm 2:
• bessere Übersichtlichkeit
• wenig Freitextraum
• Empfehlung einmalige Befunde oder Eingriffe, wie Blasensprung und
PDA, nicht in der laufenden Kurve erscheinen zu lassen
60
• Gute Beurteilung der Legende
• Empfehlung der Ergänzung um das Befinden und Lagerung der
Gebärenden
Partogramm 3:
• zu wenig Information zu Frau, Kind und Geburt
• kein Platz für zusätzliche Eintragungen
• gute Darstellung der Muttermundsöffnung und des Höhenstandes
• zu enge und schmale Felder
Des Weiteren war einzelnen Kommentaren zu entnehmen:
• Ergänzungswunsch nach Dokumentation der postpartalen
Überwachung und Übergabe an die Station
• Absicht, in Zukunft EDV-gestützt zu dokumentieren
• Unklarheiten über die Partogramm-Definition
• Wunsch nach ausschließlicher Partogrammentwicklung durch
Hebammen
• Empfehlung zur Entwicklung unterschiedlicher Partogramme bezogen
auf die neonatologische Versorgungsstufe
• Bevorzugung einer Fließtextdokumentation
61
6 DISKUSSION
In der folgenden Diskussion werden die Ergebnisse der Fragebogenstudie
mit den Theorieteil-Feststellungen über die modernen Geburtsanforderungen
verglichen und kritisch reflektiert. Abschließend erfolgt aus den
Erkenntnissen eine Synthese, um Empfehlungen für die
Geburtsdokumentation aussprechen zu können und ein Musterpartogramm
zu entwickeln.
6.1 Stichprobe
Die vorliegende Arbeit ist die erste bundesweit durchgeführte Studie, die
sowohl Ärzte als auch Hebammen zum Thema Geburtsdokumentation
befragt hat. Bewusst wurde die Erhebung auf den stationären Bereich
geburtshilflicher Abteilungen beschränkt, da dieser von ca. 98% aller
Schwangeren in Deutschland als Geburtsort gewählt wird (DESTATIS, 2010).
Die Rücklaufquote von ca. 50% auf ärztlicher Seite und ca. 25% auf
Hebammen-Seite verhält sich bei allen vier Kliniktypen ähnlich, sodass keine
Gruppe über- oder unterrepräsentiert ist. Über die Ursache der doppelt so
hohen ärztlichen Rücklaufquote gegenüber der Hebammen-Rücklaufquote
kann nur gemutmaßt werden. Womöglich besteht auf ärztlicher Seite ein
ausgeprägteres Interesse an Forschungsunterstützung.
Die Rücklaufquote ist im Vergleich mit anderen postalischen
Fragebogenstudien als durchschnittlich bis gut einzustufen. Dies ist mitunter
der telefonischen Voranfrage und dem in Kommentaren mitgeteilten
thematischen Interesse zuzuschreiben (Diekmann, 2004b).
Der Recall wäre durch Erinnerungsschreiben möglicherweise weiter
steigerungsfähig gewesen (Longworth, 1953). Da die Fragebögen zur
Wahrung der Anonymität allerdings nicht nummeriert oder namentlich
gekennzeichnet waren, war ein gezieltes Erinnern einzelner Teilnehmer nicht
möglich.
Den Teilnehmern wurde eine anonyme Auswertung ausdrücklich versichert.
Trotzdem ist eine Verzerrung der Ergebnisse in Form einer Selektionsbias
denkbar (Diekmann, 2004a). Tendenziell könnten eher Abteilungen zur
62
Antwort bereit gewesen sein, die einen höheren Wert auf korrekte
Dokumentation legen, während diejenigen Kliniken, die sich Nachlässigkeiten
bewusst waren, eher zur Nicht-Teilnahme bewegt waren.
Die Auswertung der neonatologischen Versorgungsstufe der teilnehmenden
Kliniken verhält sich erwartungsgemäß. Da der Fokus der Stichprobe auf
Häusern mit hoher Geburtenzahl und universitärem Hintergrund liegt, drückt
sich dies in einer hohen Rate von Perinatalzentren der Stufe 1 aus. Diese
sind mit 61,2% in der Stichprobe vertreten, während der bundesweite
Durchschnitt bei ca. 1,21% liegt (MDS, 2007). Somit ist gewährleistet, dass
Partogrammempfehlungen auch auf Kliniken der Maximalversorgung
anwendbar sind.
6.2 Vergleich von Ergebnissen und Literaturrecherch e
In der vorliegenden Studie wurden Ärzte und Hebammen zu ihrem
derzeitigen Vorgehen bei der Geburtsdokumentation befragt. Knapp die
Hälfte der Teilnehmer gibt einen Verbesserungsbedarf ihrer jeweiligen
Dokumentationspraxis an. Dies verdeutlicht den Handlungsbedarf innerhalb
des Themengebiets und den Stellenwert der vorliegenden Arbeit.
6.2.1 Organisation
Etwa 80% der Teilnehmer bestätigen ein Leitlinien-konformes Vorgehen,
welches eine regelhafte Geburtsdokumentation in einem Partogramm mit
einer gemeinsamen Nutzung und Bearbeitung durch Ärzte und Hebammen
vorsieht (DGGG und AG MedR, 2008a). Dies ist aus vielerlei Hinsicht
geboten: Zum einen wird so die Erinnerungsfunktion in Form einer
Gedächtnisstütze für Ärzte und Hebammen erfüllt. Zum anderen dient die
gemeinsame Dokumentationsführung als kommunikatives Instrument
zwischen den beteiligten Berufsgruppen und beugt so einem
Informationsverlust vor (Leiner et al., 2006). Auch unter ökonomischen
Gesichtspunkten ist eine berufsgruppenübergreifende Dokumentation
anzuraten, da so eine Mehrfachdokumentation unter dem Aspekt der
knappen Zeitressourcen vermieden wird (Meilwes, 2005). Darüber hinaus
existieren forensische Gründe, wie die Vermeidung widersprüchlicher
Eintragungen (DGGG und AG MedR, 2008a), welche eine gemeinsame
63
Partogrammführung obligat erscheinen lassen. Jeder Klinik ist anzuraten, die
berufsgruppenübergreifende Organisations- und Zuständigkeitsbereiche
schriftlich niederzulegen, um Schadensfälle abzuwenden und die
Verantwortlichen vor dem Vorwurf verletzter Organisations- und
Aufsichtspflichten zu bewahren (Lichtmannegger und Burdelski, 2006).
Handschriftlichen Anmerkungen der Befragten ist zu entnehmen, dass
gelegentlich Unklarheit über die Begrifflichkeit des Partogramms besteht. Wie
in Kapitel 2.1 erläutert, wird in dieser Arbeit - in Anlehnung an die Leitlinie der
DGGG (DGGG und AG MedR, 2008a) - der Terminus „Partogramm“ für die
gesamte Geburtsverlaufsdokumentation verwendet. In zukünftigen Studien
könnte durch eine vorangestellte Begriffsdefinition Missverständnissen
vorgebeugt werden.
Aus der Beantwortung der Fragen kann geschlossen werden, dass das
derzeit gängigste Aufzeichnungsmedium einen Papier-Vordruck darstellt, in
welchen handschriftliche Eintragungen vorgenommen werden. Das zumeist
gewählte DIN A3-Format unterstützt die Anforderungen an eine gute
Übersichtlichkeit und gewährt ausreichend Aufzeichnungsplatz. Ein
elektronisches Dokumentationssystem kommt in den wenigsten Kliniken zur
Anwendung. Handschriftlich mitgeteilte Absichtsbekundungen der Einführung
eines solchen lassen jedoch vermuten, dass hier ein Umbruch zur
Digitalisierung, wie in vielen anderen medizinischen und nicht-medizinischen
Bereichen, stattfindet (Haas, 2005). Im Hinblick auf eine zukünftig
möglicherweise verstärkte Nutzung einer EDV-gestützten
Geburtsdokumentation, lassen sich der Literatur folgende Empfehlungen
entnehmen. Zur Vermeidung unvollständiger Angaben, sollte eine
elektronische Erinnerungsfunktion bei nicht sachgerecht ausgefüllten Feldern
implementiert sein (Eden et al., 2008). Um zur Arbeitserleichterung der
Beteiligten beizutragen, ist eine Einspeisung der Daten aus anderen
Informationssystemen, z. B. Aufnahmedaten und Vorerkrankungen aus
vorherigen Aufenthalten, sowie geburtsmedizinischer Geräte, wie z. B. dem
CTG, wünschenswert. Ebenso sollte eine Weitergabe relevanter Daten an
andere berechtigte Dokumentationssysteme, wie bspw. die Qualitätkontrolle,
elektronische Krankenakte und DRG-Kodierung, erfolgen. Zeitaufwendige
64
und unnötige Mehrfachdokumentationen können so reduziert werden
(Meilwes, 2005). Gefordert wird, dass jede Eingabe ins Dokument die
Feststellung von Datum, Uhrzeit und Angaben zur eingebenden Person
ermöglichen muss (DGGG und AG MedR, 2008a). An die Archivierung der
Daten wird die Anforderung gestellt, dass eine nachträgliche spurlose
Manipulierung und unberechtigte Einsichtnahme ausgeschlossen sind, damit
dem Dokument Urkundenstatus zukommt. Ebenso muss gewährleistet sein,
dass jederzeit ein Auslesen der Daten, mindestens bis zum Ablauf der
gesetzlichen Aufbewahrungsfrist von 10 Jahren, besser über einen Zeitraum
von 30 Jahren, möglich ist (Berg, 2006). Im Zweifelsfalle sollte zusätzlich ein
unterzeichneter Ausdruck angefertigt werden (DGGG und AG MedR, 2008a).
Der Beginn der Aufzeichnung erfolgt in der Mehrzahl der Fälle mit dem
Betreten des Kreißsaals durch die Gebärende. Dies ist vor dem Hintergrund
der Literatur zu befürworten, da so eine lückenlose Dokumentation
gewährleistet ist. Ebenso sollten alle Phasen der Geburt, einschließlich
Nachgeburtsperiode und die Versorgung eventueller Geburtsverletzungen
gemäß dem Konsens dieser Studie aufgezeichnet werden. Ein weiterer
interessanter Anstoß ergibt sich aus dem Kommentar eines
Studienteilnehmers, welcher die Dokumentation der postpartalen
Überwachung bis zur Verlegung der Mutter auf Station im Partogramm
empfiehlt. Diese Vorgehensweise könnte also eine zusätzliche Aufzeichnung
von mütterlichem und kindlichen Befinden und der weiteren Betreuung nach
abgeschlossener Geburt inkludieren, einschließlich einer Beurteilung von
Bonding und erstem Anlegen des Kindes an die mütterliche Brust,
Durchführung einer Vitamin K-Gabe, Credeschen und Anti-D-Prophylaxe etc.,
und das Partogramm als universelles Kreißsaaldokument abrunden. Der
gesamte Kreißsaalaufenthalt wäre somit in einem Dokument auffindbar und
würde ein Blättern durch verschiedene Formulare unnötig machen. Dies
könnte zu einer Erleichterung für nachfolgende Patientenkontakte mit Ärzten
und Pflegepersonal führen und eine Verbesserung des
Versorgungsprozesses unterstützen.
Etwa die Hälfte der Studienteilnehmer dokumentiert weitere Maßnahmen,
wie die Sonografie-Untersuchung, das Legen einer Venenverweilkanüle und
65
Laboruntersuchungen, im Partogramm. Im Hinblick auf die hohe Relevanz
der durchgeführten Maßnahmen für den weiteren Geburtsverlauf und eine in
Anmerkungen mitgeteilte positive Resonanz, insbesondere auf die Eckdaten
der Ultraschall-Untersuchung, erscheint eine regelhafte Aufzeichnung
sinnvoll.
Forensische Anforderungen werden durch das Vorgehen der meisten
Teilnehmer zweckdienlich erfüllt, indem getätigte Aufklärungen und
Arztanforderungen im Partogramm festgehalten werden und Eintragungen
durch Handzeichen den Beteiligten zuzuordnen sind (DGGG und AG MedR,
2008a). Allerdings stellt sich in diesem Themenfeld, insbesondere bei der
Dokumentation der Aufklärungen, eine im Vergleich zu anderen Fragen hohe
prozentuale Nichtdurchführung dar. Dies lässt zwar nicht darauf schließen,
dass Aufklärungen generell vernachlässigt werden, sondern nur, dass die
Durchführung nicht im Partogramm festgehalten wurde. Aufgrund des häufig
zu beobachtenden Defizits in Haftungsklagen (RKI et al., 2001) ist eine
übersichtliche Zusammenfassung der getätigten Aufklärungen, welche am
sinnvollsten unter Zuhilfenahme der handelsüblichen Aufklärungsbögen
erfolgen sollten (Berg, 2006), jedoch im Partogramm ausdrücklich zu
befürworten.
6.2.2 Parameter
Aus der Studie geht hervor, dass die Erhebung der allgemeinen Parameter
sich nahezu gänzlich mit den Empfehlungen der Partogramm-Leitlinie deckt.
Die Stammdaten der Patientin, Besonderheiten früherer Schwangerschaften
und der jetzigen sollten also in jedem Falle im Partogramm vorzufinden sein,
ebenso wie weitere geburtsrelevante Angaben wie Blutgruppe, Allergien etc.
(DGGG und AG MedR, 2008a).
Bei der Erfassung des Geburtsverlaufs wird durch die Mehrzahl der
Beteiligten die Verwendung der vorgeschlagenen Parameter bestätigt.
Uneinigkeit besteht jedoch in der Messung des Höhenstandes des
vorangehenden Kindsteils. Nach einer vaginalen Untersuchung zur
Ermittlung des Höhenstandes stehen zwei gebräuchliche
Beschreibungsmöglichkeiten zur Verfügung: die Parallelebenen nach Hodge
66
und die Höhenstandsdiagnose nach DeLee (Breckwoldt und Schneider,
2008). Zwar empfiehlt die DGGG bei vaginal-operativen Entbindungen die
Beschreibung nach DeLee (DGGG, 2007), allerdings erscheint aus Gründen
der mangelnden Evidenzlage und der gleichmäßigen Antwortenverteilung auf
beide Systeme ein nebeneinander der beiden Methoden nicht von Nachteil.
Wie von einem Drittel der Teilnehmer praktiziert und in Beispielpartogramm 1
dargestellt, können beide Messverfahren nebeneinander verwendet und
abgebildet werden.
Die im Vergleich zu anderen Parametern reduzierte Erfassung von Lagerung
und Befinden der Schwangeren, deckt sich mit den Feststellungen aus einer
schwedischen Studie, welche eine Dokumentationsschwachstelle im Bereich
dieser Parameter aufgedeckt hat (Sandin-Bojö et al., 2006). Da Angaben
hierzu für den Geburtsverlauf und unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten
nicht unerheblich sind, sollte stets eine Aufzeichnung erfolgen (DGGG und
AG MedR, 2008a).
Die Mehrheit der Befragten von ca. 70% macht auf dem Partogramm
Angaben zum CTG. Neben einer Dokumentation von Besonderheiten
werden zumeist die Beurteilungsparameter (Basalfrequenz, Bandbreite,
Nulldurchgänge pro Minute, Akzelerationen und Dezelerationen) erfasst. Das
von der DGGG empfohlene Beurteilungsschema, der FIGO-Score (DGGG
und AG MedR, 2008a, DGGG et al., 2007), wird dagegen nur von einer
Minderheit (28,6% derjenigen, welche generell die CTG-Auswertung auf dem
Partogramm dokumentieren) festgehalten. Jedoch wird von einem nahezu
ebenso großen Anteil (22,9%) eine Auswertung nach dem Fischer-Score
vorgenommen, wobei 8,6% beide Scoring-Systeme verwenden. Zu
bemängeln ist, dass der Fischer-Score zur subpartualen Verwendung nicht
zugelassen ist, während der FIGO-Score sowohl ante- als auch subpartual
zur CTG-Bewertung herangezogen werden kann (Schneider und Gnirs,
2006). Es scheint also auf diesem Themengebiet noch Aufklärungsbedarf zu
bestehen. Computergestützte CTG-Auswertungen spielen eine
untergeordnete Rolle. Kritisch zu hinterfragen ist die von der DGGG
gewährte Option, die Eintragung von Befunden, Anordnungen und
Maßnahmen auf dem CTG-Streifen als Ersatz für Eintragungen im
67
Partogramm zu verwenden (DGGG und AG MedR, 2008a). Dieses Vorgehen
würde eine Zerstückelung der Geburtsdokumentation an verschiedene Orte
bedeuten, welche es gerade durch die zentrale Partogrammführung zu
vermeiden gilt. Darüber hinaus erscheint der CTG-Streifen zur schnellen
Übersichtsverschaffung nicht geeignet, da er im Geburtsverlauf leicht
mehrere Meter bemessen kann.
Die Dokumentation einer etwaigen Durchführung und Auswertung einer MBU
wird in der DGGG-Leitlinie zwar nicht explizit gefordert, erscheint aber
aufgrund der Teilnehmer-Antworten und der Relevanz für geburtshilfliche
Entscheidungen sinnvoll.
Von fast allen Teilnehmern werden die vorgeschlagenen Parameter der
Eckdaten der Geburt erfasst. Eine Ausnahme bildet die Niederschrift des
Plazentagewichts, welche von weniger als der Hälfte der Beteiligten
durchgeführt wird. In der Leitlinie findet diese Maßnahme keine Erwähnung,
ebenso wie die gesamte Nachgeburtsperiode im Detail unbehandelt bleibt.
Diese Phase gehört jedoch definitionsgemäß zur Geburt dazu (Breckwoldt
und Pfleiderer, 2008), wodurch aus diesem Blickwinkel die Erfassung der
Nachgeburtsparameter komplettierend und sinnvoll erscheint.
In nahezu sämtlichen befragten Abteilungen werden Daten zum
Neugeborenen auf dem Partogramm festgehalten, deckungsgleich zur
Leitlinie (DGGG und AG MedR, 2008a).
Ebenso Leitlinien-gerecht und besonders im Hinblick auf die
haftungsrechtliche Relevanz von Bedeutung, findet überwiegend eine
Dokumentation der Namen der Geburtsleitenden statt.
Eine Standardisierung der medizinischen Dokumentation ist vor dem
Literaturhintergrund wünschenswert, solange nicht die Informationsqualität
darunter leidet (Feinstein, 1987, Leiner, 2006, Haas, 2005). In der
Geburtshilfe wird eine hohe Transparenz und Effizienz durch Ärzte, Patienten,
Qualitätssicherung etc. eingefordert, sodass der Grad der Standardisierung
relativ hoch angesiedelt sein sollte. Demgegenüber darf nicht die Spezifität
und der individuelle Spielraum außer Acht gelassen werden. So ist es, wie es
68
der Großteil der Teilnehmer praktiziert, empfehlenswert, Raum für
freitextliche Anmerkungen im Partogramm vorzusehen.
6.2.3 Beispielpartogramme
Die im Fragebogen zu benotenden Beispielpartogramme (S. 91-93) stammen
aus drei deutschen Universitätskliniken, da im europäischen Raum kein
evaluierter Vordruck Verwendung findet, der herangezogen werden konnte.
Im Erklärungstext zu den Partogrammen wurde versäumt einen Hinweis
dazu anzubringen, dass die Vordrucke verkleinert sind und nicht der
Originalgröße entsprechen. Ein Teil der Kommentare, lässt darauf schließen,
dass die Darstellung nicht selbsterklärend ist und deutet darauf hin, dass sich
dieser Umstand in der Benotung niedergeschlagen hat.
Die Partogramme unterscheiden sich in einigen Elementen, in anderen
ähneln sie einander. Übereinstimmend gestalten sich das Querformat und
der tabellarische Aufbau entlang einer Zeitachse. Ebenso erfassen alle drei
Vordrucke anamnestische Daten zu Mutter und Schwangerschaft. Die
ausführlichste Variante mit einem eigenen Abschnitt für
Einzeldatenerhebungen bietet Partogramm 2. Diese übersichtliche
Aufbereitung der Informationen wurde von vielen Teilnehmern positiv
bewertet und trägt den Anforderungen der Leitlinie weitestgehend Rechnung
(DGGG und AG MedR, 2008a).
Ebenso findet in allen drei Beispielen die grafische Darstellung von
Muttermundsöffnung und Höhenstand Anwendung - wie im europäischen
Raum üblich, ohne vorgezeichnete Warn- und Handlungslinie nach Vorbild
des WHO-Partographen (WHO, 1993, 1994 a+b). Die deutsche Leitlinie
spricht sich zwar nicht explizit gegen eine Verwendung aus, vor dem
Hintergrund der Studienlage kann der Einsatz vorgegebener
Cervixdilatationsraten jedoch nicht befürwortet werden (Albers, 1999,
Cesario, 2004, Lavender et al., 1998, 2006, 2008, Leanza et al., 2011,
Pattinson et al., 2003, Perl und Hunter, 1992, Van Bogaert, 2006, Zhang et
al., 2002). Die personelle und materielle Ausstattung ist in Europa eine
andere als in Entwicklungsländern, für welche der WHO-Partograph
entworfen wurde, sodass dieser bei mangelnder Möglichkeit zur dauerhaften
69
Überwachung des mütterlichen und kindlichen Wohlbefindens durchaus
seine Anwendungsberechtigung erfährt.
Verschiedene Studien erwägen, dass das Verhältnis der Partogrammachsen
einen Einfluss auf die Handlungen der Geburtsbetreuer haben könnte. Je
nach optischem Effekt, ist die Vortäuschung eines scheinbar prolongierten
Geburtsverlaufes denkbar, der zu unnötigen geburtshilflichen Interventionen
verleiten könnte (Cartmill und Thornton, 1992, Tay und Yong, 1996).
Klärende Untersuchungen fehlen bisher. Bei der Betrachtung der
Beispielpartogramme, bestätigt sich eine im Verhältnis zur Cervixdilatation
lange Zeitachse, sodass das angesprochene Phänomen eintreten könnte.
Der Zeitachse wird in keinem Beispiel eine Einheit zugeschrieben, es wäre
also eine Unterteilung in Zeitstunden nach WHO-Vorbild ebenso wie
Eintragungen pro Untersuchungsvorgang möglich. Eine feste Unterteilung
wird laut Fragebogen nur von etwa der Hälfte der Teilnehmer genutzt, was
die Frage nach den Vor- und Nachteilen aufwirft. Bei einer festen Zeitachse
ist zu bemängeln, dass das Partogramm u. U. sehr umfangreich werden
könnte und weitere Vordruckblätter angehängt werden müssten. Dies kann
z. B. der Fall sein, wenn sich die Gebärende in einer sehr frühen
Geburtsphase befindet, in welcher sie den Kreißsaal aufsucht. Ebenso
problematisch kann sich das Platzangebot für Eintragungen bei mehreren
Untersuchungen/Maßnahmen in kurzen zeitlichen Abständen gestalten. Die
konstante Zeitachse birgt jedoch den Vorteil, dass ein intuitives Ablesen des
Geburtsfortschritts möglich ist, ohne auf Uhrzeiteintragungen achten zu
müssen. Ebenso kann vermutet werden, dass die Geburtsbetreuer eher dazu
angehalten werden, regelmäßige Eintragungen vorzunehmen. Das optische
Problem des Achsenverhältnisses wird in Partogramm-Vordrucken auf
Papier wohl schwerlich zu lösen sein, da sonst ein eingeschränktes
Platzangebot für weitere Eintragungen droht. Bei einer Computer-gestützten
Dokumentation sind jedoch suffiziente Darstellungsvarianten vorstellbar.
Tabellarisch werden von allen drei Beispielpartogrammen weitere Daten über
Verlauf, Untersuchungen und Maßnahmen festgehalten. Unterschiede
werden im Hinblick auf den Grad der Vorgabe sichtbar. Während Vordruck 1
den Ausfüllenden relativ viel Freiraum in der Parameterwahl und Gestaltung
70
überlässt, steigert sich die Regulierung über Partogramm 2 bis zu
Partogramm 3, welches ein verhältnismäßig starres Konzept verfolgt und
Freitextanmerkungen nicht vorsieht. Sowohl die Literatur als auch die
Bewertung der Teilnehmer stimmen darin überein, der Gestaltung von
Partogramm 2 den Vorzug zu geben. Der Grad der Standardisierung wird so
auf einem hohen Level gehalten und lässt trotzdem individuelle Eintragungen
zu (Leiner, 2006).
Ein Unterscheidungsmerkmal stellt die CTG-Beurteilung dar. Zwar ist in
jedem Vordruck die regelmäßige Dokumentation der CTG-Auswertung
vorgesehen, Partogramm 1 räumt diesem Aspekt jedoch besonders viel
Raum ein. Von den Studienteilnehmern wurde diese Tatsache häufig
bemängelt. Die DGGG empfiehlt jedoch eine Auswertung des CTGs nach
FIGO-Richtlinien (DGGG und AG MedR, 2008a, DGGG et al., 2007), sodass
die Intention, die Partogrammnutzer dazu anzuhalten eine Bewertung
anhand dieses Scoring-Systems vorzunehmen, positiv zu werten ist. Anhand
der Ergebnisse der vorliegenden Erhebung wird eine Vernachlässigung
dieser Auswertungsmethode bestätigt, wonach nur ca. ein Drittel den FIGO-
Score nutzen. Allerdings bewirkt die Verwendung des Scores eine
intensivere Auseinandersetzung mit dem CTG und schafft die Möglichkeit
einer objektiven Verlaufskontrolle (Gonser et al., 1995). In Anbetracht der
häufigen Haftungsfälle durch ungenügende CTG-Interpretation
(Gutachterinnenkommission des DHV, 2005, Ratzel, 1999), offenbart das
Partogramm eine einfache Möglichkeit diesem Sachverhalt präventiv zu
begegnen.
Eine schwedische Studie zeigte Dokumentationsmängel bei der Erfassung
des Befindens der Schwangeren auf (Sandin-Bojö, 2006). Auch in der
vorliegenden Studie konnte eine erniedrigte Anwendungsrate festgestellt
werden. Partogramm 1 und 3 sehen Felder für die Erfassung vor,
Partogramm 2 hingegen nicht, wodurch Studienteilnehmer um Ergänzung
gebeten haben.
Die Eckdaten der Geburt und Einzelangaben zur Nachgeburtsperiode
werden lediglich von Partogramm 2 abgefragt. Dieses Vorgehen wird jedoch
von den Beteiligten honoriert, ebenso wie die Legende zur
71
Höhenstandseinzeichnung. Insbesondere Berufsanfänger und „Dokumentier-
Faule“ dürften von diesen zusätzlichen Vorgaben profitieren.
Partogramm 1 erhält für das zusätzliche Ultraschall-Dokumentationsfeld
positive Resonanz, da Kindslage und geschätztes Gewicht für die
Einschätzung des Geburtsverlaufs von hoher Bedeutung sind.
6.3 Schlussfolgerungen
Die vorliegende Arbeit zeigt den Handlungsbedarf auf dem Gebiet der
Geburtsdokumentation auf und macht auf die unterstützende und
risikopräventive Funktion des Partogramms aufmerksam.
Aufgrund der Ergebnisse von Literaturrecherche und Fragebogenstudie wird
für die praktische Umsetzung der Geburtsdokumentation die
Schlussfolgerung gezogen, dass die DGGG-Leitlinie einen guten Leitfaden
für eine qualitativ hochwertige und forensisch abgesicherte Geburts-
dokumentation darstellt. Die Fragebogenerhebung konnte zeigen, dass in der
Mehrzahl der befragten Häuser eine hauptsächlich Leitlinien-kongruente
Dokumentation stattfindet. In einzelnen Punkten sind jedoch Verbesserungs-
potentiale identifizierbar.
Die Leitlinie ist in der Benennung der Dokumentations-Rahmenbedingungen
vereinzelt zu unkonkret. Beispielsweise wird es dem Leser nicht eindeutig
ersichtlich, dass Ärzte und Hebammen gemeinsam dokumentieren sollten.
Zwar lassen sich indirekt Rückschlüsse hierfür ableiten - wie etwa, dass
sowohl Ärzte als auch Hebammen das Partogramm unterschreiben sollen
(DGGG und AG MedR, 2008a) - eine Konkretisierung wäre im Hinblick
darauf, dass ca. ein Fünftel der Studienteilnehmer keine gemeinsame
Dokumentation pflegt, allerdings ratsam.
Des Weiteren ist nicht zweifelsfrei benannt, dass es sich im Idealfall um ein
einziges Dokument handeln sollte, in welchem Raum sowohl für relevante
Anamnesedaten als auch für die Verlaufsdokumentation vorhanden ist. Die
Inkonsequenz in der Bezeichnung des Dokumentationsortes wird darüber
hinaus in der Aussage deutlich, dass Eintragungen im CTG-Streifen als
Ersatz für Partogrammeinträge dienen könnten (DGGG und AG MedR,
2008a). Das geringe und vom Maß der CTG-Aufzeichnung abhängige
72
Platzangebot lässt annehmen, dass die von der DGGG geforderte
tabellarische Umsetzung der Dokumentation von allen Befunden,
Anordnungen und Maßnahmen auf dem CTG-Streifen schwerlich ausführbar
ist. Unübersichtlichkeit und somit Nachteile für alle Beteiligten wären die
Folge. Eine Überarbeitung dieser Passagen in der Leitlinie ist daher zu
befürworten.
Unklar seitens der Leitlinie bleibt zudem die Verwendungsempfehlung einer
Grafik auf dem Partogramm. Zwar wird ein tabellarischer Aufbau zur
Dokumentation der erhobenen Befunde angeraten, ob Muttermundsöffnung
und Höhenstand jedoch grafisch visualisiert werden sollten, bleibt offen. Da
der Titel der Leitlinie den historisch geprägten Begriff „Partogramm“ enthält,
ist eine Befürwortung zu vermuten.
Darüber hinaus ist eine Nachbesserung der Anweisungen zur Dokumentation
der Nachgeburtsperiode in der Leitlinie empfehlenswert, da lediglich der
Hinweis erfolgt, dass die Erfassung des Zustandes von Mutter und Kind post
partum nach den Regeln der gesetzlichen Qualitätssicherungsmaßnahmen
erfolgen soll. Für die Geburtsbetreuung sind jedoch darüber hinausgehende
Aspekte von Relevanz und sollten daher konkretisiert werden.
Für die CTG-Auswertung wird durch die Leitlinie die Empfehlung
ausgesprochen, eine Bewertung nach dem FIGO-Score vorzunehmen
(DGGG und AG MedR, 2008a). Dieser Ratschlag wird durch weitere
Literaturstellen in seiner Zweckmäßigkeit bestätigt (DGGG et al., 2007,
Schneider und Gnirs, 2006). Laut vorliegender Studie gestaltet sich die
Umsetzung in den Kreißsälen jedoch teils mangelhaft, was eine Mitursache
für die hohen Schadensfallzahlen durch ungenügende CTG-Interpretation
(Gutachterinnenkommission des DHV, 2005, Ratzel, 1999) begründen
könnte. Möglicherweise wären aus diesem Grund Aufklärungskampagnen
und regelmäßige Fortbildungen von Nutzen.
Auch die in der Fragebogenerhebung festgestellte Vernachlässigung einiger
forensischer Aspekte, wie der Aufklärungsdokumentation und dem Beleg
einer Arztanforderung durch die Hebamme, lässt auf Begründungs-
möglichkeiten für Haftpflichtforderungen in der Geburtshilfe schließen.
73
Diesem Verbesserungspotential könnte ebenso mit vermehrter Aufklärung
und einem standardisierteren Ablauf der Geburtsdokumentation begegnet
werden.
Der Standardisierungsgrad in der geburtshilflichen Dokumentation ist bislang
auf einem eher niedrigen Niveau angesiedelt. Zwar werden durch Qualitäts-
sicherungserhebungen nach abgeschlossener Geburt wesentliche Daten
erfragt, die eigentliche Dokumentation der Geburtsphase bleibt davon
allerdings unberührt. Da vom Standardisierungsgrad jedoch sowohl die
Nutzung der Dokumentation für nachgeordnete Verwendungszwecke als
auch ihre Vollständigkeit, Qualität, Kontinuität und Unabhängigkeit von
einzelnen Beobachtern abhängig ist (Haas, 2005) und hinsichtlich der
haftungsrechtlichen Akutizität der Handlungsbedarf deutlich wird, ist eine
Steigerung des Standardisierungsgrades in Betracht zu ziehen. Dies könnte
z. B. auf der Basis klinisch und forensisch geprüfter Vordrucke bzw. Software
erfolgen, welche für alle Geburtsabteilungen frei zugänglich sein sollten.
Aufgrund der Entlastung der einzelnen geburtshilflichen Abteilungen
hinsichtlich der Entwicklung und Prüfung eigener Dokumentationssysteme,
wäre eine verstärkte Nutzung der Vorlagen zu vermuten und somit ein
steigender Standardisierungsgrad in die Wege geleitet.
Entwicklungsperspektivisch scheint eine zunehmende Nutzung der EDV-
gestützten Dokumentation ebenso sinnvoll wie auch langfristig unvermeidbar.
Neben einer effizienteren und qualitativ hochwertigeren Gesundheits-
versorgung (Haas, 2005), kann auf diese Weise dem steigenden
Dokumentationsaufwand, welcher zurzeit geschätzt 25-40% der ärztlichen
Arbeit ausmacht (Berg, 2006), effektiv begegnet werden. Die derzeit üblichen
Mehrfachdokumentationen (Meilwes, 2005) könnten durch Kommunikation
zwischen den verschiedenen Informationssystemen eingedämmt werden.
Dies setzt jedoch zum einen progressive IT-Entwicklungen auf dem Gebiet
der Kompatibilität, forensischen Sicherheit sowie Anwenderfreundlichkeit und
zum anderen eine verstärkte Bereitschaft zur Nutzung auf Seiten der
Anwender voraus, denn der Einsatz von EDV-gestützter Dokumentation
bleibt bisher weitestgehend hinter den Möglichkeiten zurück (Haas, 2005).
74
Für den Einsatz eines elektronischen Partogramms können folgende
Empfehlungen abgegeben werden:
• Es sollte der Vorteil der Erinnerungsfunktion bei unvollständiger
Dokumentation genutzt werden (Eden et al., 2008).
• Es sollte eine Einspeisung von relevanten Daten aus anderen
Informationssystemen (CTG, alten Patientenakten, etc.) und ein
Weitergabe von Daten an weitere berechtigte Dokumentationssysteme
(Qualitätssicherung, Abrechnung) erfolgen (Haas, 2005).
• Jede Eingabe ins Dokument muss die Feststellung von Datum, Uhrzeit
und Angaben zur eingebenden Person ermöglichen (DGGG und AG
MedR, 2008a).
• Die Archivierung der Daten muss so erfolgen, dass eine nachträgliche
spurlose Manipulierung und unberechtigte Einsichtnahme
ausgeschlossen sind (DGGG und AG MedR, 2008a).
• Ebenso muss gewährleistet sein, dass ein Auslesen der Daten,
mindestens bis zum Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist von 10
Jahren, besser über einen Zeitraum von 30 Jahren, möglich ist (Berg,
2006). Im Zweifelsfalle sollte zusätzlich ein unterzeichneter Ausdruck
angefertigt werden (DGGG und AG MedR, 2008a).
6.4 Musterpartogramm
Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass sich der Großteil der
Geburtsdokumentationspraxis der teilnehmenden Kliniken mit den
Empfehlungen der Partogramm-Leitlinie und anderer Literatur
deckungsgleich verhält. Diese in puncto Qualität und Forensik positiv zu
bewertende Erkenntnis darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass nicht
sämtliche Abteilungen diese Anforderungen erfüllen und einige Aspekte
einen Nachbesserungsbedarf aufweisen.
Die Wahl und Gestaltung der Geburtsaufzeichnung bleibt letztendlich jeder
Abteilung selbst vorbehalten und ist nicht zuletzt Geschmackssache. Für
Geburtskliniken, die jedoch keine zeit- und personalaufwendigen
Neuentwicklungen und regelmäßige Anpassungen der Geburts-
75
dokumentation vornehmen können oder wollen, stellen Leitlinien und
Mustervordrucke eine praktikable Lösung dar. Darüber hinaus ist
festzustellen, dass der gewünschte Grad der Transparenz und
Standardisierung in der Geburtshilfe noch steigerungsfähig ist und ein
einheitliches Dokumentationssystem konstruktiv dazu beitragen könnte. Aus
diesen Gründen wird an dieser Stelle der Versuch unternommen, aus den
gewonnenen Erkenntnissen ein Musterpartogramm zu entwickeln.
Seite 94 im Anhang zeigt den Vorschlag für ein Musterpartogramm in der
verkleinerten Übersicht. Um größtmöglichen Platz für Eintragungen,
insbesondere für Freitextanmerkungen, zu bieten und trotzdem eine
möglichst geburtsumfassende Zeitachse abzubilden, wurde als Format die
dreifache DIN A4-Blatt-Größe gewählt bzw. DIN A3 + DIN A4 (siehe in
Originalgröße Anhang S. 95-97). Für Übersichtlichkeit sorgt eine vertikale
optische Dokumentaufteilung in zum einen Geburtsfakten - wie Anamnese,
Ultraschallbefund, U1 etc. - und zum anderen die tabellarisch-grafische
fortlaufende Geburtsverlaufsdokumentation. In Anlehnung an den WHO-
Partographen wird hier weiter unterteilt in Parameter von Kind und Mutter
sowie die schriftliche Fixierung getätigter Maßnahmen. Als Konklusion aus
Studien- und Literaturrechercheergebnissen gilt besonderes Augenmerk dem
CTG-Feld, der Höhenstandsmessung sowohl nach DeLee als auch nach
Hodge, dem Raum für mütterliches Befinden und Lagerung sowie dem
großen Platzangebot für freitextliche Eintragungen. Eine Legende am oberen
Bildrand gewährleistet einheitliche grafische Aufzeichnungen. Zur
Verdeutlichung ist im Anhang auf Seite 98 ein beispielhaft ausgefülltes
Partogramm dargestellt. Die Zeitachse kann sowohl absolut im Sinne einer
Zeitstundeneinteilung als auch - wie im Beispiel - relativ mit Eintragungen pro
Untersuchungsvorgang genutzt werden.
6.5 Ausblick
Auf dem Gebiet der Geburtsdokumentation existieren multiple
Verbesserungspotentiale und überprüfungswürdige Fragestellungen. Von
wissenschaftlichem Interesse wäre bspw. die Dokumentationsumsetzung in
weiteren Ländern, der tatsächliche Einfluss des Achsenlayouts auf das
76
Handeln der Geburtshelfer und die klinische und forensische Evaluation von
Partogramm-Vorlagen bzw. EDV-gestützter Geburtsverlaufsdokumentation.
Eine mit der Erforschung verbundene Steigerung von Behandlungsqualität
und forensischer Sicherheit wäre für alle Beteiligten von Nutzen.
Möglicherweise wäre auch eine Anpassung bzw. Konkretisierung der Leitlinie
denkbar.
77
7 ZUSAMMENFASSUNG
Die medizinische Dokumentation stellt nicht nur eine Pflichterfüllung der
ärztlichen Berufsordnung, des Behandlungsvertrages und des Informations-
rechts des Patienten dar, sie fungiert auch als Gedächtnisstütze,
Kommunikationsinstrument und dient der forensischen und leistungs-
rechtlichen Absicherung. Insbesondere im Bereich der multiprofessionell
betreuten Geburtshilfe werden an sie komplexe Anforderungen gestellt, da
sie einen wichtigen Beitrag zum Informationsfluss zwischen den einzelnen
Berufsgruppen und somit zur Behandlungsqualität, Patienten-, Hebammen-
und Arztsicherheit leistet.
Daher erweist es sich als schlüssig, dass Geburtsdokumentationsmängeln
eine (Mit-)Ursache für steigende Haftpflichtprämien zugeschrieben wird.
Dokumentationslücken bedingen nicht nur eine Prozessqualitäts-
verschlechterung, sie können auch beweisrechtliche Folgen nach sich ziehen.
So lässt die Nicht-Dokumentation einer aufzeichnungspflichtigen Maßnahme
ihr Unterbleiben vermuten und kann zur Beweislasterleichterung zu Gunsten
des Patienten bzw. zur Beweislastumkehr zu Lasten von Hebamme und Arzt
führen.
Trotz der immensen Bedeutung existieren weltweit wenig Vorgaben und
Leitlinien zur Dokumentation der Geburt. Der von der WHO entwickelte
Partograph lässt sich in seiner Anwendung nicht auf den europäischen Raum
übertragen, da die geburtshilflichen Rahmenbedingungen in Europa von
denen in Entwicklungsländern divergieren. Im europäischen Raum wurden,
bis auf die von der DGGG und AG MedR erarbeitete Leitlinie „Empfehlungen
zur Dokumentation der Geburt - Das Partogramm“, keine Alternativen
konzipiert. Ebenso fehlen evaluierte Vordrucke, sodass sich die
Geburtsdokumentationsumsetzung vielfältig gestaltet.
Die vorliegende Arbeit hat daher zur Zielsetzung mittels selektiver
Literaturanalyse die modernen Anforderungen an die Geburtsdokumentation
darzustellen, den derzeitigen Standard mithilfe einer Fragebogenstudie zu
untersuchen und aus den Ergebnissen Empfehlungen und Entwicklungs-
perspektiven abzuleiten.
78
Im Rahmen der deutschlandweiten postalischen Fragebogenstudie wurden
Ärzte und Hebammen aus 95 Geburtskliniken zu ihrer praktischen
Geburtsdokumentationsumsetzung befragt. Die Teilnehmerselektion erfolgte
mittels geschichteter Zufallsauswahl bei einer Fokussierung auf Kliniken der
Maximalversorgung. Der Fragebogen wurde unter Berücksichtigung der
Literaturanalyse und der Empfehlungen aus Interviews mit geburtshilflichen
Experten entwickelt und nach telefonischer Voranfrage und unter
Garantierung der anonymen Auswertung versendet.
49 Ärzte und 24 Hebammen sandten den ausgefüllten Fragebogen zurück,
was einer Rücklaufquote von 51,6% bzw. 25,3% entspricht. Ca. 60% der
Antworten stammten aus Kliniken mit einer Geburtenzahl von über 1000
Entbindungen pro Jahr und einer neonatologischen Versorgungsstufe des
Levels I. Rund 80% gaben an, regelmäßig und in Kooperation aller
geburtsbegleitenden Berufsgruppen ein Partogramm zu führen. Drei Viertel
der Beteiligten wählten als Aufzeichnungsmedium einen Vordruck, 8% ein
leeres Blatt und 6% die EDV-gestützte Dokumentation. Die Mehrzahl der von
den Teilnehmern gewählten Geburts-Parameter wurde analog zur DGGG-
Leitlinie festgehalten. Abweichungen und Ergänzungen fanden sich
insbesondere bei der CTG-Auswertung und forensischen Aspekten. Etwa die
Hälfte der Teilnehmer sah in der hauseigenen Geburtsdokumentationspraxis
Verbesserungsbedarf.
Die vorliegende Arbeit zeigt den Handlungsbedarf auf dem Gebiet der
Geburtsdokumentation auf und macht auf die qualitätsfördernde und
risikopräventive Funktion des Partogramms aufmerksam. Durch die
Fragebogenstudie kann gezeigt werden, dass die Mehrheit der befragten
Kliniken eine Geburtsdokumentation kongruent zu Leitlinien- und
Literaturempfehlungen pflegt. Nichtsdestotrotz können in einzelnen
Bereichen Verbesserungspotentiale identifiziert und Entwicklungs-
perspektiven aufgezeigt werden. Aus der Synthese der Erkenntnisse aus
Literaturanalyse und Fragebogenerhebung erfolgen Anpassungsvorschläge
der DGGG-Leitlinie und der Entwurf eines Musterpartogramms.
79
8 LITERATURVERZEICHNIS
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88
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DANKSAGUNG
Ich möchte mich herzlichst bei meinem Doktorvater PD Dr. med. Sven
Schiermeier für die Vergabe des Themas, die ausdauernde Betreuung und
die konstruktive Kritik bedanken.
Des Weiteren danke ich Prof. Dr. med. Werner Bader, Prof. Dr. med. Hartmut
Hopp, Prof. Dr. med. Thomas Schwenzer sowie Prof. Dr. med. Werner Rath
für die Teilnahme am Telefoninterview.
Mein besonderer Dank gilt darüber hinaus den Hebammen und Ärzten, die
sich die Zeit zum Ausfüllen des Fragebogens genommen haben.
Meinen Freunden danke ich für das unermüdliche Korrekturlesen und ihren
stets optimistischen Zuspruch.
Seiner Familie hat man meist vieles zu verdanken. Daher bedanke ich mich
nicht zuletzt dafür, dass sie mir mit ständiger Zuversicht die Fertigstellung
dieser Arbeit ermöglicht hat.
„Errare humanum est,
sed in errare perseverare diabolicum“
Cicero, 43 v. Chr. (Orationes Philippicae, 12, 2)
LEBENSLAUF
_____________________ Persönliche Angaben
Name: Nadja Syllwasschy
Geburtstag und -ort: 12. Juni 1985
Bochum
Staatsangehörigkeit: deutsch
_____________________ Schulische Ausbildung
1991 - 1995: Grundschule Wattenscheid-West
1995 - 2004: Märkisches Gymnasium Bochum
_____________________ Studium
WS 2004/05 - 2010/11: Studium der Humanmedizin
an der Ruhr-Universität Bochum
Praktisches Jahr: Marienhospital Witten
Wahlfach: Gynäkologie und Geburtshilfe
SS 2011: Promotionsstudiengang Medizin
an der Ruhr-Universität Bochum
_____________________ Beruf
seit Oktober 2011: Assistenzärztin für HNO-Heilkunde
Klinikum Dortmund Mitte
Direktor: Prof. Dr. med. Thomas Deitmer