Neue strategische Allianzen? Das deutsche Gesundheitswesen nach dem GKV- WSG J.-Matthias Graf von...

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Neue strategische Allianzen?Das deutsche Gesundheitswesen nach dem GKV-

WSG

J.-Matthias Graf von der Schulenburg

Leibniz Universität Hannover

Wendgräben, 1. Dezember 2007

© Prof. Dr. J.-Matthias Graf von der Schulenburg

Drei Fragen

1. Wettbewerb und Kooperation in einer regulierten Welt?

2. Was sind die Optionen?

3. Wo sind die Leuchttürme?

© Prof. Dr. J.-Matthias Graf von der Schulenburg

Drei Fragen

1. Wettbewerb und Kooperation in einer regulierten Welt?

2. Was sind die Optionen?

3. Wo sind die Leuchttürme?

© Prof. Dr. J.-Matthias Graf von der Schulenburg

Wer regelt was?

G-BA

Arbeitsausschuss Arzneimittel

GKV KBV

Referat Arzneimittel

PTB

ÄZQ

ZI

BÄK

Wirtschaftlich-keitsanalysen

Gesundheitsökonomie

Leitlinien

AkdÄ

AVPTherapieempfehlungen

FestbetragsgruppenTherapiehinweise, AMR

Ausschluß v. AM

WIdO MDK MDS

PTB AVR

IQWG

Kosten-Nutzen-Bewertungvon Arzneimitteln

BMGSBMGS

DIMDI

SPiK

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Rationierung von Gesundheitsleistungen in Europa

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Generelle Bevölkerung: Haben Sie Rationierung erlebt?

Finland Frank-reich

Deutsch-land

Portugal Span-ien

GB

Menschen, die Rationierung erlebt haben

24 % 62 % 28 % 85 % 14 % 21 %

wenn betroffen, in welchem Sektor?

Spezifische Behandlung vorenthalten

87 % 49% 41 % n.a. 38 % 51 %

Medikamente vorenthalten

13 % 20% 55 % n.a. 50 % 20 %

Andere 0 % 31% 4 % n.a. 12 % 29 %

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Wettbewerb

Marktwettbewerb vs. Vertragswettbewerb

Preiswettbewerb vs. Qualitätswettbewerb

Innovationswettbewerb vs. Versorgungswettbewerb

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Drei Fragen

1. Wettbewerb und Kooperation in einer regulierten Welt?

2. Was sind die Optionen?

3. Wo sind die Leuchttürme?

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Organisationsform:

– § 95 – Medizinische Versorgungszentren (MVZ)

Einzelvertragliche Optionen:

– § 116 b – Ambulante Behandlung im Krankenhaus (Erbringung hochspezialisierter Leistungen)

– §§ 140 a ff. – Integrierte Versorgung

Ergänzend:

Neue Selektivvertragsoption in der vertragsärztlichen Versorgung (kein unmittelbarer Schnittstellenbezug)

– § 73 b – Hausarztzentrierte Versorgung

Neue Versorgungsformen an der Schnittstelle amb./stationär (nach dem GMG 2004)

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Die Ideen der Gesundheitspolitik

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Integrierte Versorgung nach dem GKV-WSG

• Verlängerung der 1 %-Anschubfinanzierung um weitere drei Jahre (im Vertragsarztrechts-Änderungsgesetz)

• „Soll-Vorschrift“: Präferierung von Verträgen/Modelltypen mit „bevölkerungsbezogener Flächendeckung“

• Möglichkeit des Einbezugs von Pflegeleistungen

• Drohende Konkurrenz zu Hausarztverträgen, die künftig obligatorisch angeboten werden müssen

• §140a SGB V:

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SGB V § 130a Abs. 8

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Die Optionen in der ambulanten Versorgung

1. strukturierte Kooperationen im Netz

2. Integrierte Versorgung

3. Hausarztzentrierte Versorgung

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Option 1: strukturierte Kooperationen im Netz

• Schnittstellenmanagement

• Qualitätsmanagement (insb. Innovationsdiffusion)

• Budgeteinhaltung

• Zusätzliche Einnahmengenerierung

• Standardisierung versus individualisiertem Fallmanagement

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Sinkende Fallzahlen durch Reformen

1.508

1.358

1.297

1.2341.214

Fälle je Praxis

Fälle je Praxis

Fälle je Praxis

Fälle je Praxis

Einführung der

Praxisgebühr im

1. Quartal 2004

Quelle: Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, 12.12.2005

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Aber: So ist die Kooperation der Ärzte heute

Ja, bei ...% der Patienten. 0-25% 26-50% 51-75% 76-100%

Anzahl % Anzahl % Anzahl % Anzahl %

Liegen Ihnen bei Überweisung durch den Zuweiser rechtzeitig relevante Vorbefunde vor?

65 49,2% 40 30,3% 21 15,9% 6 4,5%

Werden Sie über Änderungen des Gesundheitszustandes eines gemeinsamen Patienten durch den Hausarzt informiert?

91 69,5% 28 21,4% 10 7,6% 2 1,5%

Pflegen Sie eine enge Zusammenarbeit mit Zuweisern (z.B. Telefonkonsile, Besprechung von Befunden)?

34 25,6% 54 40,6% 24 18,0% 21 15,8%

Werden die von Ihnen vorgeschlagenen Therapiekonzepte vollständig umgesetzt?

4 3,0% 30 22,7% 63 47,7% 35 26,5%

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Option 2: Integrierte Versorgung

Integrierte Versorgung erfordert

– sektorenübergreifende Kooperation

– Gemeinsames Leistungserbringungsprodukt

– bevölkerungsbezoge Flächendeckung der Versorgung

– abgestimmte Versorgungsprozesse

• verbindliche Schnittstellendefinition

• verbindliche Standards für Diagnostik & Therapie

Verbesserung von: Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität

Kosten: Datenaustausch, Nutzung moderner Kommunikation, Erweiterung der Dienstleistungsangebote

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Veränderungsdimensionen

integriertes Vergütungssystem

integrierte Information

integriertes Handeln

integrierte ärztliche Leistung

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Erfahrungen mit IV: Vergleich Ärzte vs. Krankenkassen

IV sinnvoll?(1 ja/ 0 nein)

Qualitäts-sicherung sinnvoll?

Leitlinien positiv? Mehraufwand?

MittelwertKrankenkasse

0,89 4,74 4,71 3,70

MittelwertArzt

0,49 3,62 3,60 4,30

Signifikanz 0,000 0,000 0,000 0,000

Weitergabe von Patienteninforma-tionen unkritisch

Kosten-Nutzen-Verhältnis des

Informationstransfers positiv?

3,67 3,69

2,63 3,18

0,000 0,003

Zustimmung von

1 = gar nicht

bis

5 = voll und ganz

Mittendorf T, von der Schulenburg JM, Gesundh ökon Qual manag 2006

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Grundsätzliche Ziele neuer Versorgungsformen

inter- und intrasektorale Vernetzungen von Leistungsanbietern

Minimierung von Schnittstellen im Versorgungsprozess

Einsparpotentiale durch horizontale und vertikale Kooperationen

Wie können Skalen- und Verbundeffekte gehoben werden?

Wem kommen sie zugute?

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Option 3: Hausarztzentrierte Versorgung

Freiwillige Entscheidung zur Teilnahme (mind. 1 Jahr Bindung)

Direkte Verträge zwischen Kassen und Leistungserbringern oder KVen (öff. Ausschreibung)

Vorteil Ärzte: ggf. bessere Vergütung

Vorteil Patienten: ggf. geminderte Zuzahlungen

Voraussetzungen in der Praxis:

Qualitätszirkel zur Arzneimitteltherapie

Behandlung nach evidenzbasierten Leitlinien

Fortbildungspflicht

Internes Qualitätsmanagement

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Derzeitige Hausarztmodelle in Deutschland

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Drei Fragen

1. Wettbewerb und Kooperation in einer regulierten Welt?

2. Was sind die Optionen?

3. Wo sind die Leuchttürme?

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Leuchttürme

1. Demand Management

2. Disease Management

3. Case Management

4. Pharmaceutical Benefit Management

5. Cost Management

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Demand Management

Unter dem Begriff Demand Management (DM) werden Konzepte zusammengefasst, bei denen eine Krankenversicherung durch von ihr initiierte Beratungsleistungen und andere zielgerichtete Informationsübermittlungen für Patienten Einfluss auf die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen nehmen bzw. einen solchen Einfluss anstreben.

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Ziele von Demand Management

Abbau von Informationsasymmetrien

Abbau von Überversorgung

Abbau von Unterversorgung

Erhöhtes Versorgungsniveau

Kosteneinsparungen (kurz-/langfristig)

Imageverbesserung

Zusammengefasst: Das Ziel ist…

die zur Verfügung stehenden Ressourcen der Gesundheitsversorgung möglichst effizient

einzusetzen

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Demand Management: ein Fallbeispiel

Telefonservice unterstützt von medizinischer Expertensoftware

Protokoll mit mehrstufigem Aufbau

Grundlage sind formalisierte Gesprächsleitfäden zur Strukturierung

Zur Aufklärung über die Erkrankung sowie Auswirkungen und Prognosen - standardisierte Informationsdatenbank

Regelmäßig aktualisierte Leitlinien

Nennung von medizinischen Leistungserbringern möglich

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Alle Versicherten der Continentale Krankenversicherung a.G. mit Selbstbehalt und Leistungsinanspruchnahme von 1999 bis 2001

Positive Rückmeldung auf Anschreiben

„Potenzielle Teilnehmer“ -Gruppe A und B gesamt

Negative Rückmeldung auf Anschreiben

„Absager“ -Gruppe C

Keine Reaktion auf Anschreiben

„Non-responder“ -Gruppe D

Teilnehmer am Feldversuch

Pilotgruppe –Gruppe A

Nicht-Teilnehmer am Feldversuch

Kontrollgruppe –Gruppe B

Einteilung per Zufallsverteilung in

9.720

2.198 1.723 5.799

1.099 1.099

Die Gruppenzuordnung

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Ergebnisse der T-Tests auf Unterkategorien

Durchschnitts-kosten Pilot-gruppe (in €)

Durchschnitts- kosten Kon-

trollgruppe (in €)

Differenz

T-Wert

Arzneimittel 1.633,14 1.181,81 451,33 2,6681

Ambulante Behandlungen Arzt 1.772,65 1.848,46 75,81 -0,717 Psychotherapeutische Leistungen 68,54 46,60 21,94 1,317 Ambulante Behandlungen Heilpraktiker 57,57 78,46 20,89 -1,208 Heilmittel 311,38 328,83 17,45 -0,482 Hilfsmittel 168,01 99,42 68,58 2,3752

Brillenfassung 10,02 10,95 0,93 -0,930 Brillengläser/Kontaktlinsen 58,27 66,17 7,90 -1,338 Transportkosten 16,14 10,77 5,37 0,838 Sammelposition nicht nach GOÄ * 85,46 17,54 67,92 1,7053 Wahlleistung Ein-/Zweibettzimmer 136,55 75,19 61,36 2,9821 Privatärztliche Behandlung stationär 579,90 441,79 138,11 2,0072 Krankenhaustransport 22,67 19,34 3,33 0,478 Behandlung im Ausland 179,15 53,36 125,79 3,2461 Vorstationär 0,72 1,17 0,45 -0,836 Nachstationär 0,31 0,46 0,15 -0,577 Teilstationär 14,28 11,77 2,51 0,174 Allgemeine Krankenhausleistungen 1.231,59 930,98 300,61 1,8043

Gesamtkosten 6.346,34 5.223,07 1.123,27 2,7161

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Konzept Disease Management

Disease Management ist

– der „systemische Ansatz, die Prozesse im Gesundheitswesen ergebnisorientiert und effizient zu managen“

– entstanden in seiner modernen Ausprägung in den 80er Jahren in Managed Care Modellen in den USA

– Disease Management kann

• die Qualität der Prozesse optimieren

• die Effizienz der Versorgung steigern

• die Ergebnisqualität verbessern

• die Lebensqualität Betroffener erhöhen

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Modellvorhaben als Vorstufe zum Disease Management

Modellvorhaben der Krankenkassen/-Verbände:

– Organisations-/Strukturmodelle

– Leistungsmodelle

• regionale Begrenzung

• zeitliche Begrenzung

• Evaluation: Grundsätze verschärft (Akupunktur!)

• Freiwilligkeit der Teilnahme

• (Versicherte, Gesundheitsdienstleister)

• Notwendigkeit zur Satzungsregelung

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Disease-Management-Programme

Eingliederung in das SGB V als Maßnahmen der Qualitätssicherung (§ 137 f SGB V)

Ziele der Bundesregierung (Erklärungen, Gesetzesbegründung etc.):

– Verbesserung der Versorgungsqualität für bestimmte chronische bzw. langwierige Erkrankungsbilder

– Anreize zur Versorgung Kranker

– Abbau von Anreizen zur Risikoselektion

– Senkung der Versorgungskosten

– sachgerechtere Mittelumverteilung im RSA

– weitergehende Datentransparenz zur Morbiditätserfassung

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Theorie der Disease-Management-Programme

Vereinbarungen zur Durchführung der DMP im Rahmen des geltenden Vertragsrechts SGB V

– sektorale Vertragstypen

– Integrierte Versorgung (§§ 140a ff. SGB V)

– Modellvorhaben (§§ 63 ff SGB V), Abweichung von Kapitel IV SGB V

aber: sektorale und sektorübergreifende Budgetierungs- und Budgetberechnungsvorschriften gelten weiterhin!

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Realität der Disease-Management-Programme

Fehlende einheitliche Unternehmensführung

Dokumentation, Datenverarbeitung und Datenhoheit bei einzelnen Beteiligten ggf. gem. Datenstelle

Transparenz Versorgungsprozess nur auf Einzelebene

Teilnahme Patienten freiwillig (Einschreibung) unter Garantie der freien Arztwahl

keinen besonderen tariflichen Angebote

uneinheitliche Steuerung / versch. Akteure: Arzt, Kasse, Apotheker, Dienstleister etc.

Leitlinien/Standards: „Empfehlungscharakter“ fehlende Sanktionierungsmöglichkeiten

Zertifizierung und Überwachung durch BVA - Evaluation

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Missbrauch der Disease-Management-Programme

kein innovativer und neuer Begriff

Schein-Disease- Management-Programme sind nicht ganz auszuschließen

Kein Konsens bei den anzuwendenden Leitlinien

Datentransfers problematisch

Verweigerungshaltung der Leistungserbringer und Versicherte

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Denkbares Modell - Realisierungskonzept

Integrierte Versorgungs - Plattform

Gemeinsames Management

Betriebswirtschaftliche Leitung Medizinische Leitung

Gemeinsame Infrastruktur (ambulant/stationär)

(Praxisräume, Klinik, Tagesklinik, Geräte, Einrichtungen, Personal)

ED

V-V

ern

etzu

ng

InternetPatient Callcenter

Coach Hausarzt/Krankenkasse

zuweisendeÄrzte

amb.- Vor-Nachsorge

Rehaklinik Apotheker/ Großhandel

Pharma-industrie

Pflege .......