Gesundheitsreform 2007 Wettbewerbsstärkungsgesetz (WSG) -Bewertung aus Sicht des DGB - Rheine,...

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Gesundheitsreform 2007 Wettbewerbsstärkungsgesetz (WSG) -Bewertung aus Sicht des DGB - Rheine, 23.01.2007 DGB Bezirk NRW Abt. Sozialpolitik

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Gesundheitsreform 2007

Wettbewerbsstärkungsgesetz (WSG)-Bewertung aus Sicht des DGB -

Rheine, 23.01.2007

DGB Bezirk NRW Abt. Sozialpolitik

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DGB NRW Abt. Sozialpolitik

Kernelement der Gesundheitsreform

Der GesundheitsfondsKernelement der Gesundheitsreform

Der Gesundheitsfonds

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Wie funktioniert der Gesundheitsfonds ?

1. Der Staat legt per Rechtsverordnung (?) bundesweit einheitliche und lohnbezogene Krankenkassenbeiträge fest. Der Sonderbeitrag für Versicherte (0,9%) wird beibehalten.

2. Die von den Krankenkassen eingezogenen Beiträge der Versicherten und Arbeitgeber fließen gemeinsam mit zusätzlichen Steuermitteln in einen Fonds.

3. Die gesetzlichen Krankenkassen erhalten aus diesem Fonds pro Mitglied eine einheitliche Zuweisung. Für Versicherte, für die aufgrund ihrer Erkrankung besonders hohe Ausgaben entstehen, wird eine zusätzliche Pauschale entrichtet( Risikostrukturausgleich)

4. Wenn die Krankenkassen mit den Zuweisungen aus dem Fonds nicht auskommen, müssen sie vom Versicherten Zusatzbeiträge verlangen. Arbeitgeber müssen keinen Zusatzbeitrag leisten.

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Wie funktioniert der Risikostrukturausgleich ?

Zu Start des allgemeinen Kassenwahlrechts ab 1996 wurde mit dem Ziel eines solidarischen Wettbewerbs ein Risiko-strukturausgleich (RSA) eingeführt. Die Aufgabe des RSA besteht in:

1. Ausgleich der Unterschiede der beitragspflichtigen Einnahmen der Kassenmitglieder auf der Einnahmeseite

2. Ausgleich der morbiditätsbedingten* unterschiedlichen Beitragsbedarfe der Mitglieder auf der Ausgabenseite

*Morbidität: Häufigkeit von Erkrankungen

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Reform des Risikostrukturausgleichs

• RSA alt

- Umverteilungsvolumen 2005: 16,4 Mrd. €

EINNAHMESEITE:- Einkommensausgleich zu 92%

AUSGABENSEITE:- Berücksichtigung der Faktoren:

Alter

GeschlechtInvalidität

- zusätzlich:Chroniker-programme (DMP)

• RSA alt

- Umverteilungsvolumen 2005: 16,4 Mrd. €

EINNAHMESEITE:- Einkommensausgleich zu 92%

AUSGABENSEITE:- Berücksichtigung der Faktoren:

Alter

GeschlechtInvalidität

- zusätzlich:Chroniker-programme (DMP)

• RSA neu (WSG)

EINNAHMESEITE:- Einkommensausgleich entfällt

wegen einheitlicher Beiträge im Gesundheitsfonds

AUSGABENSEITE:- Berücksichtigung der Faktoren:

Alter GeschlechtInvalidität

- zusätzlich: 50-80 Erkran-kungen, deren Kos -ten 50% über den durchschnittl. Leistungs-ausgaben liegen

• RSA neu (WSG)

EINNAHMESEITE:- Einkommensausgleich entfällt

wegen einheitlicher Beiträge im Gesundheitsfonds

AUSGABENSEITE:- Berücksichtigung der Faktoren:

Alter GeschlechtInvalidität

- zusätzlich: 50-80 Erkran-kungen, deren Kos -ten 50% über den durchschnittl. Leistungs-ausgaben liegen

„Morbiditäts-adjustierte“Pauschalen

„Morbiditäts-adjustierte“Pauschalen

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Gesundheitsfondsdeckt GKV-Ausgaben zu mind. 95%

Arbeitgeber Mitglieder Steuern

Einheitlichgesetzl. fixiert

vom Einkommen

Einheitlichgesetzl. fixiert

vom Einkommen

(gg. AG +0,9%)

Gesellschaftl. Lst.Stufenmodell: 2008: 1,5 Mrd. €* 2009: 3 Mrd. €

bis 16 Mrd €

Krankenkassen

Mitglieder

Gesundheitsfonds-Modell

Beitragseinzug durch Kassen

Verteilung über (Morbi-)RSA

Differenz Fondszuweisung zu tats. Ausgaben

Prämien-Einflussgrößen:

• 100% zum Start

• Entschuldung

• Morbi-RSA

• 1%-Härteklausel

• Vertragsfreiheiten Kassenspezifischer Zusatzbeitrag bzw. Erstattung

Quelle: AOK BV

Inkrafttreten:01.01.2009

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Wie soll der Zusatzbeitrag gestaltet werden ?

1. Der Zusatzbeitrag ist auf max. 1% des beitragspflichtigen Einkommens begrenzt, d.h. es darf ein Beitrag bis zu 37 € pro Monat erhoben werden (als Pauschalbeitrag oder prozentualer Beitrag)

2. Bei Zusatzbeiträgen bis zu 8 € entfällt die 1%-Obergrenze. Krankenkassen dürfen Beiträge bis 8 € ohne Einkommensüberprüfung beim Versicherten einziehen.

3. Versicherte können bei der Erhebung eines Zusatzbeitrags kündigen und die Kasse wechseln

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Wer ist vom Zusatzbeitrag betroffen ?

Der Großteil der Versicherten wird sich auf Zusatzbeiträge einrichten müssen, denn der Gesetzgeber greift zu einem Trick:

Nur im Startjahr 2009 soll der Gesundheitsfonds 100% der Mittel ausschütten. In den Folgejahren sollen das Fondsvolumen nur 95% der Ausgaben abdecken. Die fehlenden 5% sollen die Krankenkassen selber erwirtschaften.

Da dies kaum bzw. nicht möglich sein wird, müssen die meisten Krankenkassen ihren Mitgliedern Zusatzbeiträge in Rechnung stellen.

Die Möglichkeit eines Kassenwechsels bietet den Versicherten allenfalls einen temporären Vorteil. Kurz über lang wird auch die neue Kasse gezwungen sein Zusatzbeiträge zu erheben.

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Fortsetzung des Wettbewerbs um „gute Risiken“

Krankenkassen, die Zusatzbeiträge erheben (müssen), haben grundsätzliches Interesse daran

- entweder den prozentualen Zusatzbeitrag gering zu halten

- oder einen pauschalen Zusatzbeitrag bei möglichst vielen Versicherten unterhalb der Belastungsgrenze von 1% erheben zu können.

Forcierung des Wettbewerbs, um gut verdienende Versicherte !

Ältere, Einkommensschache und chronisch kranke Menschen sind die Verlierer dieses Wettbewerbs um gute Risiken

- Neugestaltung des RSA (Eingrenzung auf Krankheiten mit mind. 50% Mehrkosten gg. Durchschnitt) befördert ebenfalls die Selektion

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Warum lehnt der DGB den Gesundheitsfonds ab ?

Mit dem Gesundheitsfonds werden die Weichen für einen Systembruch gestellt: Zusatzbeiträge sind der Einstieg in die Kopfpauschale. Aus anfangs „kleinen Prämien“ werden für die Versicherten schnell große Prämien.

Mit Zusatzbeiträgen werden alleine die Arbeitnehmer/innen für zukünftige Ausgabensteigerungen aufkommen müssen. Die Arbeitgeber hingegen, werden mittel- bis langfristig einseitig entlastet. Mit dem Fonds wird neue Bürokratie aufgebaut.

Die Private Krankenversicherung ist am Gesundheitsfonds nicht beteiligt und muss nach wie vor keinen Solidarbeitrag leisten. Der Tendenz zur „Zwei-Klassen-Medizin“ wird kein Einhalt geboten.

Der Gesundheitsfonds versagt bei der Lösung des zentralen Finanzierungsproblems der GKV. Er gibt keine Antwort auf die strukturelle Einnahmeschwäche.

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Hierauf gibt der Gesundheitsfonds keine Antwort: Ursachen der GKV - Einnahmeschwäche

Versicherungs-pflichtgrenze:

3.862,50 € /Monat

Wechsel von

GKV zu PKVWechsel von PKV zu GKV

Saldo

2000 325.000 149.000 - 176.000

2001 361.000 148.000 - 213.000

2002 362.000* 130.000 - 232.000

2003 338.000 131.000 -207.000

Sinkende Lohnquote

Stagnierende Einkommen

Abwanderung in PKV

Abbau soz.-pflichtiger Beschäftigung

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Neuerungen für VersicherteNeuerungen für Versicherte

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Was kommt auf die Versicherten zu ?

Anstieg der Kassenbeiträge zum 01.01.2007 um durchschnittlich 0,8 %. – Vor allem rückführbar auf politische Entscheidungen: Wegfall von

Steuermitteln, Mehrwertsteuererhöhung, Entschuldung.

Vorerst (!) keine Leistungskürzung bzw. –streichung– Ausnahme: Leistungsbeschränkungen bei „selbstverschuldeten“

medizinisch nicht indizierten Folgen z.B. bei Piercing, Tätowierung, Schönheits-OP VORSICHT: Hier wird über das Selbstverschuldensprinzip die Tür für weitere zukünftige Leistungsausgrenzungen geöffnet (z.B. Risikoprivatisierung bei Unfallversicherung) !

– Leistungsverbesserungen bei Palliativmedizin, geriatrischer Rehabilitation, Impfungen und Mutter-Kind-Kuren als Pflichtleistung

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Neue Tarife: Mehr Wahlfreiheit zu Lasten der solidarischen Krankenversicherung ?

Neue Tarifangebote für Versicherte mit…– Hausarzttarif (muss von Krankenkasse angeboten werden)– Tarife für neue Versorgungsmodelle z.B. für chronisch Kranke– Selbstbehalttarif („Teilkasko“-Versicherung)– Kostenerstattungstarif (Versicherter begleicht Arztrechnung selbst und

rechnet im Nachhinein mit seiner Kasse ab)– Rückerstattungstarif (für nicht in Anspruch genommene Leistungen)

Funktionsprinzip: Krankenkasse honoriert Tarifwahl mit Grati-fikationen z.B. Wegfall Praxisgebühr, Beitragsrückerstattung u.v.m.

…zweifelhaften Auswirkungen:– begrüßenswerte Anreize für Inanspruchnahme Hausarzttarif bzw. Tarif für

neue Versorgungsmodelle (z.B. DMP f. chronisch Kranke)– Selbstbehalt- und Rückerstattungstarife zu Lasten (chronisch) Kranker:

„Teilkasko“ für Gesunde – „Vollkasko“ für Kranke– Risikobehaftet: Kostenerstattungstarif weicht Sachleistungsprinzip auf und

verlagert Risiko der von GKV nicht erstattbaren Leistungen auf Patienten

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KrankenkasseKrankenkasse

Tarif* Kostenerstattung

Tarif* Kostenerstattung

Einführung von Wahltarifen

Tarif

Selbstbeh./Rückerst.

Tarif

Selbstbeh./Rückerst.

Tarif Hausarzt

Tarif Hausarzt

Tarif Versorgung

Tarif Versorgung

Eigenbeteiligung beiBehandlungskosten„Teilkasko“-Versiche-rung bzw.Rücker-stattung bei Nicht-Inanspruchnahme von Leistungen

Arzt- / Krankenhausbe-behandlung auf Rechnung

„Privatliquidation“ wie inPrivater KrankenversicherungLeistungserstattung nur aufGrundlage GKV !

Facharztbesuch nurnach Überweisung durch Hausarzt

Hausarzt als „Lotse“

Verpflichtende Teilnahmean bestimmten Versor-gungsmodellen

z.B. Chronikerprogramm(DMP), Integrierte Versor-gung

VersicherterVersicherter

bietet an:

wählt:

verpflichtend

gewährt Gratifikationen

erhält Vergünstigungen*geplante einmalige Kosten- erstattung entfällt, es bleibt bei bisheriger Regelung !

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Wichtige Gesetzesänderungen mit mittelbaren Folgen für die Versicherten

Alle Krankenkassen sollen grundsätzlich insolvenzfähig werden. Folge: Der Fortbestand großer Versorgerkassen ist gefährdet. Sie müssen ihre Pensionsverpflichtungen in der Bilanz ausweisen, ohne über entsprechendes Vermögen bzw. Rücklagen eine Deckung ausweisen zu können (Beratungsstand: vorraussichtlich Verschie-bung Inkraftreten Insolvenzregelung; Rückstellungsverpflichtung).

Die Bundesverbände der Krankenkassen sollen in einen GKV-Spitzenverband übergehen, der weitgehende Befugnisse bei der Aushandlung von Verträgen mit den niedergelassenen Ärzten erhalten soll. Folge: Über 70% der Ausgaben werden zentral auf Bundesebene gesteuert – Sieht so mehr Wettbewerb aus ???

Der gemeinsame Bundesausschuss, höchstes Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen soll durch einen hauptamtlichen Vorstand stärker an politische Vorgaben gebunden werden. Folge: der gBA verkommt zur staatlichen Regulierungsbehörde

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Wichtige Gesetzesänderungen mit mittelbaren Folgen für die VersichertenFusionen der Krankenkassen untereinander sollen erleichtert werden. Erstmalig sollen kassenartenübergreifende Fusionen möglich werden (z.B. AOK mit BKK oder Ersatzkasse mit IKK)

Die Krankenhäuser sollen mit einem zusätzlichen Sanierungsbeitrag in Höhe von 1% des Budgets belastet werden.

Anstelle einer ursprünglich geplanten Höchstpreis-Regelung bei Arzneimitteln, soll nunmehr der Apothekerrabatt an die Krankenkassen erhöht werden. Folge: Weniger Preiswettbewerb bei Arzneimitteln

Mit der staatlichen Beitragsfestsetzung und den organisations-rechtlichen Gesetzesänderungen führt die Gesundheitsreform zu mehr staatlicher Regulierung und beschneidet die Rechte und Gestaltungsmöglichkeiten der Selbstverwaltung (Versicherten-vertretung. Weniger statt mehr Demokratie ist das Ergebnis !

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Exkurs: Arzneimittelpreise- Pharmahersteller unterlaufen Gesetzesregelung -

So versucht die Pharmaindustrie Sparbemühungen der Bundesregierung auszuhebeln:

April 2006: Beschluss des Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG):– Einräumung eines Rabatts von 10% an Krankenkassen für

„patentfreie“ Arzneimittel (sog. Generika). Bei Preissenkung von mind. 10% zum 1.1.07 Befreiung des Abschlags für drei Jahre

Reaktion Pharmakonzerne:– Große namhafte Pharmahersteller erhöhen Preise zu Jahresende

2006, um sie zu Jahresbeginn 2007 wieder abzusenken. Aufgrund einer Gesetzeslücke* entziehen sie sich de facto dem Zwangsrabatt zu Lasten der GKV

* obwohl Gesetzeslücke schon lange bekannt war, soll sie erst jetzt geschlossen werden

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Exkurs: Arzneimittelpreise- Arzneimittelhöchstpreisverordnung unterbleibt -

Auf dem Altar der Verhandlungen zur Gesundheitsreform geopfert:

Ursprünglicher Plan: Ersatz von sog. Arzneimittel-Festbeträgen durch Höchstpreise. Apotheken sollen mit Pharmaherstellern Preise unterhalb Höchstpreis aushandeln. Ziel: Mehr Wettbewerb durch unterschiedl. Preise

Erzielter Kompromiss: Höchstpreisverordnung entfällt. Statt dessen: Erhöhung des Rabatts der Apotheken an die Kassen. Folge: vergleichsweise geringerer Einspareffekt – Verbleib einheitlicher Preise bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln

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Begrüßenswerte Reformansätze

Allgemeine Pflicht zur VersicherungVerbesserungen in der Versorgung– z.B. Palliativmedizin (Schwerstkranke), Geriatrische Rehabilitation,

Einbeziehung Pflege in Integrierte Versorgung, Kuren / Reha als Pflichtleistung, Ausweitung Impfschutz, Hausarzttarif, verbesserte Möglichkeiten bei Einzelverträgen zw. Kassen u. Leistungsanbietern

Verpflichtende Zweitmeinung bei Verordnung besonderer ArzneimittelÖffnung der Krankenhäuser für hochspezialisierte ambulante Leistungenneue, aber viel zu kurz kommende Wettbewerbselemente– z.B. erweiterte Ausschreibungsmöglichkeiten bei Hilfsmitteln

Verbesserung bei der Ärztevergütung– Honorarzuschläge für unterversorgte Gebiete

• aber: Verzicht auf kostenneutrale Lösung zu Lasten GKV !– Möglichkeit Honorarzuschläge für hohe Qualität

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Umstrittene Punkte in der Regierungskoalition und

zwischen Bund und Ländern

Umstrittene Punkte in der Regierungskoalition und

zwischen Bund und Ländern

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Umstrittene Punkte zwischen Koalitionsfraktionen und Ländern

- der Kompromiss vom 12.01.2006 -

Einführung einer Versicherungspflicht für alle Bürger (gesetzlich oder privat)

– Ca. 300.000 aktuell nicht Versicherte müssen von der Krankenversicherung wiederaufgenommen werden, in der sie zuletzt versichert waren

Private Krankenversicherung: Einführung eines Basistarifs– Einführung eines Basistarifs zu Bedingungen wie in der Gesetzlichen

Krankenversicherung (max. GKV-Höchstbeitrag – gleicher Leistungskatalog) zum 01.01.2009 – Bedürftige: halber Beitrag, ggf. zusätzlich staatl. Zuschuss

• Interimslösung bis Inkrafttreten in 2009 für ehemals privat Versicherte: vorübergehender Beitritt zum Standardtarif für Rentner

– Keine Risikozuschläge - Ablehnung der Mitgliedschaft nicht möglich– Zugangsbeschränkung: (ehemals) privat Versicherte und können nur vom

01.01. – 30.06.2009 in Basistarif* wechseln – anschließend nicht mehr !• Ausnahme: Privatversicherte über 55 Jahre oder hilfebedürftige PKV-Mitglieder;• Ausnahme: GKV-Versicherte oberhalb 4000 € Monatseinkommen

* unter Mitnahme Altersrückstellung bei Wechsel von Vol- in Basistarif bzw. bei Wechsel in andere Versicherung im Unmfang des Basistarifs

Der Kompromiss:

Ursprünglich: zeitlich unbefristeter

Tarifwechsel für Bestandskunden der PKV Der Kompromiss:

Ursprünglich: zeitlich unbefristeter

Tarifwechsel für Bestandskunden der PKV

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Umstrittene Punkte zwischen Koalitionsfraktionen und Ländern

- der Kompromiss vom 12.01.2006 -

Liberalisierung Apothekenpreise - Entschärfung– Statt geplanter Ablösung der Festbeträge bei Arzneimitteln durch

Höchstpreise, die Apothekern eigene Preisbildung durch Verhand-lung mit Pharmaherstellern ermöglicht hätten sowie einmaliger Haftung der Apotheken für Preisminderung in Höhe von 500 Mio. €:

Beibehalt Festbeträge und Erhöhung der Apothekenabgabe pro Packung an Krankenkassen von 2 € auf 2,30 €

Effekt:

- effizienter (Preis)Wettbewerb unterbleibt weiterhin

- Vom ursprünglichen Einsparziel des BMG (1 Mrd. € über Höchstpreisverordnung) bleibt Minimalbetrag übrig

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Umstrittene Punkte zwischen Koalitionsfraktionen und Ländern

- der Kompromiss vom 12.01.2006 -

Einsparungen bei Krankenhäusern und Rettungsdiensten– Ursprünglich anvisierte Einsparvolumina (u.a. KH-Sanierungsbeitrag

von 500 Mio. €) stößt bei Ländern auf Gegenwehr: zu hohe Belastungen der Krankenhäuser

Einigung noch offen - Voraussichtliches Ergebnis: Abstriche vom ursprünglichen Einsparziel mit Folge ausbleibender Entlastung der GKV. Folge: Zusätzliche Belastung der Versicherten (Druck auf Beiträge)

Überforderungsgrenze der Länder (Konvergenzklausel)– Strittig: Belastung der Länder bei Einführung des Gesundheitsfonds

infolge Umverteilung einkommensstarker zu einkommensschwachen Bundesländern – Zweifel an Belastungshöchstgrenze von 100 Mio. € p.a.-

– Diverse Gutachten (u.a. Rürup) trotz fehlender regionaler Datenbasis

Einigung noch offen

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Offene juristische Fragen des WSG

Verfassungsrechtlich umstrittene Gesetzesinhalte

Insolvenzrecht

GKV-Steuerzuschüsse für Kindermitversicherung

Basistarif Private Krankenversicherung

Europarechtlich bedenkliche Entwicklungslinien

Selbstbehalt- und Beitragsrückerstattungstarife

Steuerfinanzierung des Solidarausgleichs

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Rechtsgutachten zu europarechtlichen Implikationen des GKV-WSG

„Krankenkassen sind keine Unternehmen, wenn ihr konkretes Versicherungsprodukt so ausgestaltet ist, dass es im Wettbewerb so nicht angeboten werden könnte. Das ist der Fall, wenn es wesentlich durch das Solidarprinzip geprägt ist….

Die (…) zusammengefassten Veränderungen (gemeint sind die Einführung von Selbstbehalt- u. Rückerstattungstarifen sowie die Steuerfinanzierung des Solidarausgleichs) sind aber Teilelemente einer schleichenden Verdünnung des Solidarprinzips (…).

Die Gesamtschau lässt es zunehmend als fraglich erscheinen, ob die gesetzlichen Krankenkassen nach wie vor durch Verneinung ihrer Unternehmenseigenschaft dem Einfluss des europäischen Kartellrechts entzogen werden können.“

Auszug aus einem Rechtsgutachten von Prof. Dr. Kingreen, Universität Regensburg, Januar 2007, im Auftrag von DGB und Hans-Böckler-Stiftung

„Krankenkassen sind keine Unternehmen, wenn ihr konkretes Versicherungsprodukt so ausgestaltet ist, dass es im Wettbewerb so nicht angeboten werden könnte. Das ist der Fall, wenn es wesentlich durch das Solidarprinzip geprägt ist….

Die (…) zusammengefassten Veränderungen (gemeint sind die Einführung von Selbstbehalt- u. Rückerstattungstarifen sowie die Steuerfinanzierung des Solidarausgleichs) sind aber Teilelemente einer schleichenden Verdünnung des Solidarprinzips (…).

Die Gesamtschau lässt es zunehmend als fraglich erscheinen, ob die gesetzlichen Krankenkassen nach wie vor durch Verneinung ihrer Unternehmenseigenschaft dem Einfluss des europäischen Kartellrechts entzogen werden können.“

Auszug aus einem Rechtsgutachten von Prof. Dr. Kingreen, Universität Regensburg, Januar 2007, im Auftrag von DGB und Hans-Böckler-Stiftung

*im Auftrag DGB und HBS

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Weiterer Gesetzesfahrplan- Wettbewerbsstärkungsgesetz (WSG) -

17. Januar 2007: 1. Lesung im Bundestag

02. Februar: 2./3. Lesung

Mitte Februar: Befassung Bundesrat

1. April 2007: Inkrafttreten Wettbewerbssicherungs- gesetz* (WSG)

1. Januar 2009*: geplantes Inkrafttreten von Einzel-regelungen wie Gesundheitsfonds, Basistarif PKV u.a.

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Bewertung aus Sicht des DGB

Fazit

Bewertung aus Sicht des DGB

Fazit

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Fazit

Die Chance auf die Schaffung eines integrierten Gesundheitssystems unter Einbeziehung der Privaten Krankenversicherung ist verspielt worden. Der unfaire Systemwettbewerb bleibt trotz einiger Einschränkungen für Privatversicherte weiter bestehen.

Der Gesundheitsfonds löst die Finanzierungsprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung nicht. Er stellt einen Systembruch dar. Die Zusatzprämie ist der Einstieg in die Kopfpauschale. Sie fördert zudem die Selektion „guter Risiken“. Die Steuerfinanzierung greift viel zu kurz.

Es wird teurer. Arbeitnehmer/innen und Rentner/innen werden einseitig belastet. Sie müssen zukünftig alleine die Kostensteigerungen schultern. Den Geringverdienern wird am tiefsten in die Tasche gegriffen. Arbeitgeber werden mittel- und langfristig entlastet.

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Fazit

Die Reform befördert den staatlichen Einfluss auf die Gesundheitsversorgung. Sie schwächt die Mitsprache der Betroffenen, indem der Selbstverwaltung (Versichertenparlamente) wesentliche Entscheidungs- und Gestaltungskompetenzen genommen werden.

Der Gesetzestitel „Wettbewerbsstärkungsgesetz“ ist Etikettenschwindel. Trotz einiger wettbewerbsfördernder Elemente wird per Saldo Wettbewerb um eine bessere gesundheitliche Versorgung verhindert.

Positive Reforminhalte, wie z.B. die Beseitigung von Lücken im Versicherungsschutz, verbesserte Möglichkeiten bei der Arzneimittelpreisgestaltung, Einbeziehung der Pflege in die Integrierte Versorgung u.v.m. geraten angesichts des Gesundheitsfonds in den Hintergrund.

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Fazit

Teilelemente des Gesetzentwurfs, wie Selbstbehaltregelungen, Beitragsrückerstattungstarife oder die (einsetzende) Steuerfinanzierung des Solidarausgleichs relativieren das Solidarprinzip und gefährden die Sonderstellung der Krankenkassen im Rahmen des europäischen Kartellrechts.

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Dafür tritt der DGB ein:

Erhalt und Stärkung der solidarischen KrankenversicherungBeteiligung der Privaten Krankenversicherung am SolidarausgleichSteuerfinanzierung versicherungsfremder GKV-LeistungenBeibehalt und Stärkung der paritätischen FinanzierungEinbeziehung anderer Einkunftsarten zur Finanzierung der GKVIntegrierte Versorgung statt qualitätsmindernder und kostentreibender Koordinations- und KooperationsdefiziteWirtschaftliche und qualitativ hochwertige Versorgung für alleStärkung statt Schwächung der Selbstverwaltung – Mitsprache der BetroffenenOffensiver Ausbau der PräventionMorbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich statt Wettbewerb um „gute Risiken“