Vorschau auf die ICD-11 - suchthilfe.de · Vorschau auf die ICD-11 –Was verändert sich...

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Gliederung

• Einleitung

• Funktion von Klassifikationssystemen

• Entwicklung von Klassifikationssystemen

• Entwicklung von DSM-5

• Entwicklung der ICD-11

• Fazit und Perspektiven

Aktuelle Klassifikationssysteme

• International Classification of Diseases, Tenth Revision (ICD-10)– international (World Health Organisation, WHO), verpflichtend für

Mitgliedsländer

– dominierend Praxis

• Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, FifthEdition (DSM-5)– ursprünglich national (American Psychiatric Association, APA), jedoch

weite internationale Verbreitung und Akzeptanz

– dominierend Forschung

Gliederung

• Einleitung

• Funktion von Klassifikationssystemen

• Entwicklung von Klassifikationssystemen

• Entwicklung von DSM-5

• Entwicklung der ICD-11

• Fazit und Perspektiven

Klassifikationssysteme:Relevanz für Praxis

• Vereinfachung des Denkens und dadurch Reduktion der Komplexität klinischer Phänomene (Ordnung und Struktur)

• Verbesserung der Kommunikation zwischen Klinikern

• Grundlage der klinisch-psychiatrischen Ausbildung

• (erste) Hinweise für Behandlung (z.B. differentielle Therapieentscheidungen)

• Dokumentation von Patienten psychiatrischer Versorgungseinrichtungen sowie Bedarfsplanung für psychiatrische Versorgungseinrichtungen

• Nichterkennen / Fehldiagnostik führt zu teureren und komplizierteren Krankheitsverläufen

Klassifikationssysteme:Relevanz für Forschung

• Deskription von Störungsgruppen in empirischen Studien

• Verbesserung der Kommunikation von Forschungsergebnissen

• Grundlage empirischer Studien zur Entwicklung und Evaluation therapeutischer Interventionen

• Grundlage von empirischen Studien zur Pathophysiologie und Ätiologie

• Fallidentifikation in epidemiologischen Studien

• Voraussetzungen für Metaanalysen und Behandlungsleitlinien (allgemein: Störung X, die mit Methode y behandelt wurde)

Gliederung

• Einleitung

• Funktion von Klassifikationssystemen

• Entwicklung von Klassifikationssystemen

• Entwicklung von DSM-5

• Entwicklung der ICD-11

• Fazit und Perspektiven

Entwicklung Klassifikationssysteme

Psychiatrische Klassifikationssysteme keine statischen Konstrukte, in stetigem Wandel

_______________________________________________________________________________________________

Jahr System Anmerkungen_______________________________________________________________________________________________

1972 SLK St. Louis Kriterien1975 RDC Research Diagnostic Criteria1980 DSM-III erste offizielle Operationalisierung psychiatrischer Störungen,

multiaxiale Klassifikation; Feldstudien vor Einführung1987 DSM-III-R offizielle Einführung des Komorbiditätsprinzips1992 ICD-10 klinisch-diagnostische Leitlinien (deutsch)1994 ICD-10 Forschungskriterien (deutsch)

DSM-IV2013 DSM-5 englisch (deutsch: 2014)2018 ICD-11 erster Entwurf, offiziell vermutlich 2022_______________________________________________________________________________________________

ICD: International Classification of Diseases der Weltgesundheitsorganisation (WHO)DSM: Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders der American Psychiatric Association (APA)

Frage

• Warum brauchen wir überhaupt Klassifikationssysteme, wie wir sie jetzt haben?

Ein Beispiel

Fall: Beziehungswahn bei Verstimmung nach einer Entlobung bei einer Frau mit Struma

• Göttingen beginnende Schizophrenie

• Tübingen sensitiver Beziehungswahn bei schizoider Konstitution und Basedowoid

• Heidelberg Untergrunddepression

• Ost-Berlin affektvolle Paraphrenie

• Zürich endokrine Psychose bei Schilddrüsenerkrankung

• Bonn endoreaktiven Dysthymie

• Hamburg cyclothyme Depression

• Frankfurt Gestörte Daseinsordnung als Form des Scheiterns des Lebensweges

Babylonische Verwirrung der Diagnosen

Klaus Conrad (1959)

Gliederung

• Einleitung

• Funktion von Klassifikationssystemen

• Entwicklung von Klassifikationssystemen

• Entwicklung von DSM-5

• Entwicklung der ICD-11

• Fazit und Perspektiven

DSM-5: Ausgangspunkt der Entwicklung/Prinzipien Ergebnis

• Einbeziehung der Ergebnisse der Neurobiologie bisher nicht aus-

reichend, zu unspezifisch

• Dimensionalität kategorial geblieben

– Formale Schweregradratings nur im Anhang

DSM-5: wichtigsten Änderungen

• Strukturelle Änderungen

– Neuorganisation der Kapitel

– Eliminierung des im DSM-III eingeführten multiaxialen Systems (!), speziell relevant Achse II «Persönlichkeitsstörungen»

Aufgabe des Multiaxialen Systems

Achse 1:Klinische Syndrome

Achse 2:Persönlichkeitsstörungen

Geistige Behinderung

Achse 3:Medizinische

Krankheitsfaktoren

Teil II:Diagnostische Kriterien

und Codierungen

DSM-IV DSM-5

DSM-5: wichtigsten Änderungen

• Konzeptuelle Änderungen (Beispiele)– Eliminierung einzelner Abschnitte: Anpassungsstörungen, Artifizielle

Störungen– grundlegende Änderungen (z.B. Suchtbereich)– Autismus-Spektrumsstörung mit Asperger-Syndrom– Demenz als neurokognitive Störung differenziert nach Schweregrad– Anhang: Keine Entscheidungsbäume mehr

• konkrete inhaltliche Änderungen (Beispiele)– Kriterien einzelner Kategorien ausgeweitet (z.B. ADHS auch für Erw.)– Eliminierung einzelner Kriterien (z.B. Trauerkriterium der MDD)– neue Kategorien (z.B. «Intermittierende Explosible Störung» bei

Kindern)

DSM-5: Aufbau

Teil I Grundlegende Informationen zum DSM-5

Einleitung

Gebrauch des Manuals

Warnhinweise für den forensischen Gebrauch des DSM-5

Teil II Diagnostische Kriterien und Codierungen

24 Abschnitte

Teil III In Entwicklung befindliche Instrumente und Modelle

Erhebungsinstrumente

Kulturell gebundenen Ausdrucksformen («Cultural formulations»)

Das alternative DSM-5 Modell für Persönlichkeitsstörungen

Klinische Erscheinungsbilder mit weiterem Forschungsbedarf

DSM-5: Aufbau

Appendix Wichtige Änderungen von DSM-IV zu DSM-5

Glossar der Fachbegriffe

Glossar kulturell gebundener Leidenskonzepte

Alphabethische Liste der DSM-5-Diagnosen und Codes (ICD-9-CM und ICD-10-CM)

Numerische Liste der DSM-5-Diagnosen (ICD-9-CM)

Numerische Liste der DSM-5-Diagnosen (ICD-10-CM)

Alternative ICD-10-Codierungen für einzelne Störungsbilder

DSM-5 Advisors and Other Contributors

Mitwirkende an der deutschen Ausgabe

Section II: Diagnostische Kriterien und Kodierungen24 Kapitel (Auszug)

DSM-5 DSM-IV

Störungen der neuronalen und mentalen Entwicklung Störungen im Kleinkindalter, in der Kindheit oder Adoleszenz

Schizophrenie-Spektrum und andere psychotische Störung

Schizophrenie und andere psychotische Störungen

Bipolare und verwandte Störungen Neu: vorher in Affektive Störungen

Depressive Störungen Neu: vorher in Affektive Störungen

Angststörungen Angststörungen (Neu: ohne Zwang, PTSD)

Zwangsstörungen und verwandte Störungen Neu: vorher in Angststörungen

Trauma- und belastungsgezogene Störungen Neu: vorher in Angststörungen

Dissoziative Störungen Dissoziative Störungen

Somatische Belastungsstörungen und verwandte Störungen

Somatoforme Störungen

Fütter- und Essstörungen Essstörungen

Ausscheidungsstörungen Neu: vorher in Störungen im Kleinkindalter, in der Kindheit oder Adoleszenz

Schlaf-Wach-Störungen Neu: vorher in Schlafstörungen

Neugruppierung von Kategorien: Beispiel Angststörung

DSM-IV DSM-5

An

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Spezifische Phobie

Panikstörung

Agoraphobie

Zwangsstörung

Generalisierte Angststörung

Soziale Phobie

Posttraumatische Belastungsstörung

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DSM-5: Depressive StörungenDSM-IV: in Affektive Störungen

• MD unverändert, ausser Wegfall Kriterium «Trauerreaktion»

• neue Bezeichnung: Dysthymie jetzt «Persistierende depressive Störung»

• keine «mixed-anxiety depression» (DSM-IV Anhang), da unreliabel

• neu: Definition für «Mit gemischten Merkmalen»• Schweregradbeurteilungen möglich («Specifier«: Anzahl

Kriterien)• neu: «Prämenstruelle Dysphorische Störung» (aus

Appendix DSM-IV)• neu: «Disruptive Affektregulationsstörung» (Kinder 6 – 18

Jahren)

DSM-5: Störungen im Zusammenhang mit psychotropen Substanzen und abhängigen Verhaltensweisen

DSM-IV: Störungen im Zusammenhang mit psychotropen Substanzen

• viele Änderungen• gutes Beispiel für Problem der Abgrenzung «Störungen durch Substanzkonsum»

und «Substanzinduzierte Störungen» ( in spezifischen Kapiteln)• neu: jetzt auch Verhalten hier abgebildet und nicht nur Substanzen

(«Glückspielen» jetzt hier; nicht jedoch «Störung durch Spielen von Internetspielen» Anhang)

• keine Trennung mehr zwischen «Missbrauch» und «Abhängigkeit» (!!!)• «Störungen durch Substanzkonsum»

– maladaptives Muster mindestens 12 Monate– 2 von 11 Kriterien (!!!)– neues Kriterium «craving»– Eliminierung Kriterium «Probleme mit dem Gesetz»– Schweregraduierung anhand Anzahl Kriterien (≥ 6: «schwer»)

• Kriterien für alle Substanzen gleich(!)• neu: Kategorien «Cannabisentzug» und «Koffeinentzug»• abgeschafft «körperlicher Abhängigkeit», «Polytoxikomanie»• neue «Specifier»: «in geschützter Umgebung», «in Erhaltungstherapie»

DSM-5: PersönlichkeitsstörungenDSM-IV: Persönlichkeitsstörungen

• ursprünglich die grössten Änderungen geplant, vor allem dimensionale Betrachtung, aber alle abgelehnt (Gründe u.a. geringe empirische Basis, nicht praktikabel)!!!

• jedoch im Appendix neue Vorschläge

• Eliminierung Achse II– nicht bewährt

– nicht chronischer als Achse-I Störungen (!)

– USA: Ablehnung Behandlungskosten für Achse-II

DSM-5: Instrumente

DSM-5: Instrumente

DSM-5: Instrumente

DSM-5: Instrumente

Gliederung

• Einleitung

• Funktion von Klassifikationssystemen

• Entwicklung von Klassifikationssystemen

• Entwicklung von DSM-5

• Entwicklung der ICD-11

• Fazit und Perspektiven

aktuell ICD-10

• ICD-10: International Classification ofDiseases, 10. Revision (seit 1992)

• Offizielles Klassifikationssystem der World Health Organisation (WHO)

Grundlegende Neuerungen ICD-9 versus ICD-10

• Operationalisierte Diagnostik

• Offenes System (neu alphanumerische System: Fxx.xx)

• unterschiedliche Anwendungsmöglichkeiten (u.a. Praxis, Forschung)

• Ergänzungstexte und Instrumente (u.a. Lexikon, Fallgeschichten)

• Konzeptuelle Neuerungen (u.a. Aufgabe Begriffe wie Neurose)

Entwicklung ICD-11

• Zeitplan: ursprünglich 2011 (aktuell 2022)– wichtig: erste Revision seit über 20 Jahre (sonst alle 10 Jahre!)– Aktueller Stand: Homepage WHO oder gleich:

http://apps.who.int/classifications/icd11/browse/f/en

• relevant– mittlerweile 193 Mitgliedsländer der WHO (ICD-10: 52)– gesamt ICD-10, d.h. auch andere Disziplinen (!!)– auch andere Bereiche ausserhalb der Psychiatrie zu beachten: u.a.

• Medizin allgemein (z.B. Hausarztbereich)• andere wie Gesundheitspolitik, Krankenkassen, Rechtsprechung

– Advisory Group (u.a. Experten aus allen WHO-Regionen, Vertreter von Fachgesellschaften) sowie u.a. «DSM-ICD Harmonisation CoordinatoryGroup»

Ziele

• Applicability - feasibilityeasy to use

• Reliability - consistency gives same resultsin the hands of all

• Utility - added value renders usefulinformation

• ICD-11 - 11. Revision der ICD der WHODie ICD dient weltweit zur Verschlüsselung von Diagnosen. Die derzeit gültige Revision ist die ICD-10. An der Pflege und Weiterentwicklung dieser und anderer Klassifikationen der WHO beteiligt sich als WHO-Kooperationszentrum auch das DIMDI. Parallel zur Weiterentwicklung der ICD-10 der WHO wird an einer grundlegenden 11. Revision gearbeitet. Die ICD-11 soll 2018 von der WHO verabschiedet werden.

• Transparenter Revisionsprozess• Die WHO hat auf ihrer Website eine Onlinefassung zur ICD-11 Beta Draft veröffentlicht,

die täglich aktualisiert wird. Dort können Sie Ihre Anmerkungen und Vorschläge direkt eingeben.

• Allgemeine Informationen im Zusammenhang mit der ICD-11 finden Sie ebenfalls auf den Webseiten der WHO.

• Seit Ende 2015 informiert die WHO zusätzlich durch einen auf der Website publizierten Newsletter über den aktuellen Stand der Revisionsarbeiten.

• ICD-11 bei der WHO• ICD-11 Beta Draft Online zum Browsen und Kommentieren bei der WHO

Entwicklungsprozess

• Reihe von Symposien im Rahmen von Kongressen etc.

• Aktive Beteiligung und Einbeziehung potentieller Nutzer

– Kommentare zu vorhandene Entwürfen

– Beantwortung von Fragen zu Entwürfen

– Vorschläge zu Ergänzungen und Veränderungen

Vergleich ICD-10 versus ICD-11

• Operationalisierte Diagnostik

• Offenes System (alphanumerische System) nein

• unterschiedliche Anwendungsmöglichkeiten

(u.a. Praxis, Forschung)

• Ergänzungstexte und Instrumente ?(u.a. Lexikon, Fallgeschichten)

• Konzeptuelle Neuerungen

Neuerungen

• Neue Gesamtstruktur und Neugliederung des Kapitels zu den psychischen Störungen

• Neustrukturierung der Darstellung einzelner Störungsgruppen

• Revision bei einzelnen Störungen

Neustrukturierung Kapitel psychische Störungen

• Aufgabe der bisherigen Struktur

– Kapitel V (F) Kapitel 6

– Fxx.x 6A, 6B usw.

• Beispiel:

– F20 Schizophrenie 6A20

– F32.x depr. Episode 6A70, 6A71

– F41.1 General. Angstst. 6B00

ICD-11: Struktur «Mortality and Morbidity Statistics»(Auszug)

Kapitel Bezeichnung

01 Certain infectious or parasitic diseases

06 Mental, behavioural or neurodevelopmental diseases

07 Sleep-wake disorders

08 Diseases of the nervous system

V Supplementary section for functioning assessment

ICD-11: 06 «Mental, behavioural orneurodevelopmental diseases» (Auszug)

Code Bezeichnung

6A20 ff Schizophrenia or other primary psychotic disorders

6A60 ff6A70 ff

Mood Disorders, u.a.• Bipolar and related disorders• Depressive disorders

6B00 ff Anxiety or fear related disorders

6B20 ff Obssessive-compulsive or related disorders

6B40 ff Disorders specifically associated with stress

6C20 ff Disorders of bodily stress or bodily experience

6D10 f Personality disorders and related traits

ICD-11: Beispiel

Struktur «Klinische Beschreibungen und Diagnostische Leitlinien»

ähnlich DSM-5

Beispiel PTSD: Definition and essential Features

Beispiel PTSD: Boundaries with normality andwith other conditions

Beispiel PTSD: Course and Associated features

Studien zur Einführung der ICD-11

ICD-11 Internet-Based Field Studies Beginning Next Week (2.5.2013)

Dear Colleague,

You are receiving this message because you have registered as a member of the World Health Organization’s (WHO) Global Clinical Practice Network (GCPN). After several months of building the GCPN to include over 3,500 mental health professionals (and counting), we are now ready to begin our first study! The Internet-Based Field Study for Disorders Specifically Associated with Stress will begin within the next week. As a member of the GCPN, you may be asked to participate. In order to prepare for this study and other future studies, please take note of the following information.

Reed et al. (2018), World Psychiatry, 17, 174-186

alle ≥ .45 («moderate»; einige «almost perfect», ≥ .81; Landis & Koch, 1977)

• 13 Länder mit 28 Zentren• 4 Sprachen• 339 Kliniker• Joint-Interview• 1806 Patienten

Reed et al. (2018), World Psychiatry, 17, 174-186

Übergreifende EinschätzungenV Supplementary section for functioning assessmentDescription

The section allows for creating functioning profiles and overall functioning scores ofindividuals, which are suitable to describe and quantify the level of functioningassociated with a health conditions. To guide functioning assessment, the sectionincludes two ICF-based instruments developed by WHO: • WHO Disability Assessment Schedule (WHODAS 2.0 36-item version), and• Model Disability Survey (MDS). The section is complemented by a generic set of functioning categories of high explanatory power derived from the ICF Annex 9.

DSM-5 versus ICD-11 (Beispiele)

DSM-5 ICD-11

Störungen der neuronalen und mentalen Entwicklung Neurodevelopmetal disorders

Schizophrenie-Spektrum und andere psychotische Störung

Schizophrenia and or other primary psychoticdisorders

Bipolare und verwandte Störungen Mood disorders

Depressive Störungen Mood disorders

Angststörungen Anxiety or fear-related disorders

Zwangsstörungen und verwandte Störungen Obssessive-compulsive or related disorders

Trauma- und belastungsgezogene Störungen Disorders specifically associated with stress

Dissoziative Störungen Dissoziative Disorders

Somatische Belastungsstörungen und verwandte Störungen

Disorders of bodily stress or bodily experience

Fütter- und Essstörungen Feeding or eating disorders

Störungen im Zusammenhang mit psychotropen Substanzen und abhängigen Verhaltensweisen

Disorders due to substance use or addictive

Persönlichkeitsstörungen Personality disorders and related traits

Planung ICD-11: Persönlichkeitsstörungen

Stieglitz & Freyberger (2018)

Ausmass sozialer Funktionsbeeinträchtigungen und Selbst- und Fremdgefährdung

Optional

Ähnlich DSM-5 (Anhang)

Vorgehen:

1. SchrittPrüfung der allgemeinen Kriterien

2. SchrittBestimmung Schweregrad (incl. «subthresholddegree of disorder»: Art Z-Kodierung in ICD-10; Z73.1 akzentuierte Persönlichkeitszüge)

Vorgehen:

3. SchrittSpezifizierung mittels sog «trait domains»

Aktueller Stand Revision

• Aktueller Stand: Homepage WHO oder gleich:http://apps.who.int/classifications/icd11/browse/f/en

• In der wissenschaftlichen Literatur PubMed (18.3.2019)• Stichwort «ICD-11 and psychiatry»

• 2364 Arbeiten, davon u.a.– 997 (= 42%) Affektive Störungen

– 670 (= 28%) Schizophrenie

– 488 (= 21%) Störungen durch Substanzen

– 308 (= 13%) PTSD

– 228 (= 10%) Anpassungsstörungen

The International Classification of Diseases

11th Revision is due by 2015

Participate in the ICD Revision

Beta phase participants will have the opportunity to:

• Make Comments

• Make Proposals

• Propose definitions of diseases in a structured way• Participate in Field Trials

• Assist in translating ICD into other languages

ICD-11: Zeitplan

• Verabschiedung am 18. Juni 2018 (vorläufige Version)

• Testung etc. bis 2019

• 2019 definitive Verabschiedung durch Mitgliederversammlung der WHO

• Inkraftsetzung 1. Januar 2022

Gliederung

• Einleitung

• Funktion von Klassifikationssystemen

• Entwicklung von Klassifikationssystemen

• Entwicklung von DSM-5

• Entwicklung der ICD-11

• Fazit und Perspektiven

Psychiatrische Diagnosen:Abstraktion und Informationsverlust

Informationsmenge

Abstraktionsgrad nimmt zu, Informationsmenge nimmt ab

Individuum in seiner Ganzheit, in allen Lebensbereichen

Symptomebene Syndromebene Diagnose

Vor- und Nachteile des DSM-5 nach Frances (2016)1)

Vorteile Nachteile

klinisch Verbesserung der Kommunikation und Reliabilität

Praktiker mit diagnostischen Kriterien oft wenig vertraut, stellen oft weiter idiosynkratrische Diagnosen

Ausbildung Gutes Trainingsmittel Komplexität des Patienten geht verloren

Forschung Hohe Reliabilität Störungen heterogen

Epidemiologie Statistiken über Verteilung psychischer Störungen

Überschätzung der Raten (Grenzen gesund/krank unklar)

1) gilt für ICD-10/ICD-11 ebenfalls

Die neue psychiatrische Diagnostik nach DSM-5Fortschritte oder Gefahr?

• Fortschritte?– schwer erkennbar– kein Paradigmenwechsel wie ursprünglich geplant

• Gefahr?– Validität der Störungsgruppen generell unverändert fraglich

(hier: kein Source-Book geplant!), speziell neu eingeführter Gruppen

– Reliabilitätskriterien durchaus fraglich (Kraemer et al., 2012: «a realistic goal is k1 between 0.4 and 0.6, while k1 between 0.2 and 0.4 would be acceptable»)

– sehr unter Zeitdruck entstanden, daher kaum Feldstudien– zu schnell publiziert (Paris, 2013, p. 31: «DSM-5 worked on

another principle: ready or not, here we come»)

Die neue psychiatrische Diagnostik nach DSM-5Fortschritte oder Gefahr?

DSM-5 Could Categorize 40% of College Students as Alcoholics

(TIME, 14.5. 2012)

Gefahr Inflation????

Die neue psychiatrische Diagnostik nach DSM-5Fortschritte oder Gefahr?

10.5.2013

Die neue psychiatrische Diagnostik nach DSM-5Fortschritte oder Gefahr?

• eine weitere Gefahr: zunehmende Kommerzialisierung der Klassifikationssysteme– Ehret & Berking (2013, S. 266): extrem rigide

Handhabung des Copyrights«Nach Auskunft der APA ist es nicht gestattet, von Inhalten des DSM-5 mehr als eine Zeile wörtlich zu zitieren, ohne dafür der APA eine kostenpflichtige Zustimmung einzuholen»

– Folgen: Vorträge, Lehrbücher, Untersuchungs-verfahren, Vorlesungen etc.

Die neue psychiatrische Diagnostik nach DSM-5Fortschritte oder Gefahr?

• eine weitere Gefahr: zunehmende Kommerzialisierung der Klassifikationssysteme

– Hiller et al. (1995): Internationale Diagnosen Checkliste für DSM-IV/ICD-10

– Adaptation an DSM-5 von APA

verboten!!

Brauchen wir DSM-5 im deutschsprachigen Raum, in der Praxis?

• eher nein

– keine hinreichende empirische Basis, die eine Revision (mit Folgen) rechtfertigt

– WHO verpflichtet (wie USA!)

– aktuell ICD-10 etabliert, vertraut

– geringe «clinical utility»

Fazit und Perspektiven

wichtig sich klarzumachen:

Diagnose suggeriert: «Wahrheiten», «natürliche» Einheiten

Diagnosen letztlich immer noch Konventionen

Fazit und Perspektiven

«Eine Klassifikation muss so einfach und verständlich sein, dass sie ohne Schwierigkeit allen, die mit den üblichen psychischen Erkrankungen zu tun haben, verständlich ist»

(Stroemgren, 1994; S. 13)

Fazit und Perspektiven

ICD-10 – DSM-5 – ICD-11

• Übergangszeit bis 2022: ICD-10 und DSM-5

• danach: ICD-11 und DSM-5

Literatur

• Ehret, A.M. & Berking, M. (2013). DSM-IV und DSM-5: Was hat sich verändert? Verhaltenstherapie, 23, 258-266.

• Paris, J. (2013). The intelligent clinician’s guide to the DSM-5. Oxford: University Press.

• Stieglitz, R.-D. & Hiller, W. (2013). Definition und Erfassung psychischer Störungen. Psychotherapeut, 58, 237-248.

• Stieglitz, R.-D. & Jäger, M. (2019). Status und Zukunft psychiatrischer Klassifikationssysteme. Verhaltenstherapie (im Druck)

• Whitaker, R. (2010). Anatomy of an epidemic. New York: Broadway Paperbacks.

Bielefeld: Transcript, 2012

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