1 Volkswirtschaft | Produktionsfaktoren · Kurzfristig kann das Unternehmen die Produktionsfaktoren...

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6 1 VOLKSWIRTSCHAFT | Produktionsfaktoren Eine Wissenschaft möchte stets Erkenntnisse über die Wirklichkeit gewinnen, um sie besser verstehen und erklären zu können. Die Volkswirtschaftslehre untersucht das Phänomen „Wirtschaft“ bzw. „Wirtschaften“, um Antworten auf eine Vielzahl von offenen Fragen zu finden: Wie kann ein Staat hohen sozialen Wohlstand erreichen? Wie können die bestehenden Produktionsfaktoren am besten genützt werden? Warum steigen und sinken die Preise von Gütern und Dienstleistungen im Zeitablauf? Was ist das beste Wirtschaftssystem und die beste Wirtschaftspolitik für ein Land? Welche Aufgaben soll der Staat übernehmen und welche Aufgaben soll er lieber dem Markt über- lassen? Wie kann man die Arbeitslosigkeit in einem Land überwinden? Wie kann man die Inflation in einem Land gering halten? Warum werten manche Länder ihre Währungen auf und andere wiederum ab? Welche Vorteile und Nachteile bringt der Euro? Wie kann man die Armut und den Hunger in der Welt besiegen? Einige dieser Fragen sind ausreichend beantwortet und die Antworten werden in diesem Buch und in den folgenden Kapiteln dargestellt. Viele dieser Fragen führen aber auch zu neuen Fragen, die noch ungeklärt sind. Unser Ziel in diesem Buch besteht somit darin, wichtige ökonomische Zusammenhänge darzustel- len, um ein Verständnis für ökonomische Phänomene zu erzeugen. So wie der Motor für ein Auto, so ist unsere Wirtschaft und das damit verbundene System ein wichtiges Antriebssystem für die ge- samte Menschheit. Ein tieferes Verständnis für die Volkswirtschaftslehre ist somit gleichzusetzen mit dem Verständnis für die technischen Bedingungen und Zusammenhänge in einem Auto. Versteht man, wie ein Auto funktioniert, dann kann man es zwar noch nicht fahren, aber man kann es reparieren, wenn es kaputt ist. Auch in der Volkswirtschaft wird versucht, Fehlentwicklungen zu vermeiden und in Krisen (z. B. hohe Arbeitslosigkeit) die besten Maßnahmen zu setzen, um zu helfen. Ein wichtiger Teil zum besseren Verständnis der Volkswirtschaft sind die volkswirtschaftlichen Produktionsfaktoren (Arbeit, Kapital und Boden). Ohne Produktionsfaktoren ist keine Produktion möglich und ohne Produktion ist kein entsprechender Wohlstand für eine Gesellschaft denkbar. Der Wohlstand und der Lebensstandard einer Gesellschaft hängen entscheidend von ihrer Fähigkeit ab, Güter und Dienstleistungen herzustellen. Weiters werden in diesem ersten Kapitel häufig verwendete Begriffe wie „Produktivität“, „Effizienz“ und „Effektivität“ genauer erklärt.

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1 Volkswirtschaft | Produktionsfaktoren

Eine Wissenschaft möchte stets Erkenntnisse über die Wirklichkeit gewinnen, um sie besser verstehen und erklären zu können. Die Volkswirtschaftslehre untersucht das Phänomen „Wirtschaft“ bzw. „Wirtschaften“, um Antworten auf eine Vielzahl von offenen Fragen zu finden:

• WiekanneinStaathohensozialenWohlstanderreichen?

• WiekönnendiebestehendenProduktionsfaktorenambestengenütztwerden?

• WarumsteigenundsinkendiePreisevonGüternundDienstleistungenimZeitablauf?

• WasistdasbesteWirtschaftssystemunddiebesteWirtschaftspolitikfüreinLand?

• WelcheAufgabensollderStaatübernehmenundwelcheAufgabensollerlieberdemMarktüber­

lassen?

• WiekannmandieArbeitslosigkeitineinemLandüberwinden?

• Wiekannmandie→ InflationineinemLandgeringhalten?

• WarumwertenmancheLänderihreWährungenaufundanderewiederumab?

• WelcheVorteileundNachteilebringtderEuro?

• WiekannmandieArmutunddenHungerinderWeltbesiegen?

Einige dieser Fragen sind ausreichend beantwortet und die Antworten werden in diesem Buch und in den folgenden Kapiteln dargestellt. Viele dieser Fragen führen aber auch zu neuen Fragen, die noch ungeklärt sind.

Unser Ziel in diesem Buch besteht somit darin, wichtige ökonomische Zusammenhänge darzustel-len, um ein Verständnis für ökonomische Phänomene zu erzeugen. So wie der Motor für ein Auto, so ist unsere Wirtschaft und das damit verbundene System ein wichtiges Antriebssystem für die ge-samte Menschheit. Ein tieferes Verständnis für die Volkswirtschaftslehre ist somit gleichzusetzen mit dem Verständnis für die technischen Bedingungen und Zusammenhänge in einem Auto. Versteht man, wie ein Auto funktioniert, dann kann man es zwar noch nicht fahren, aber man kann es reparieren, wenn es kaputt ist. Auch in der Volkswirtschaft wird versucht, Fehlentwicklungen zu vermeiden und in Krisen (z. B. hohe Arbeitslosigkeit) die besten Maßnahmen zu setzen, um zu helfen.

Ein wichtiger Teil zum besseren Verständnis der Volkswirtschaft sind die volkswirtschaftlichen Produktionsfaktoren (Arbeit, Kapital und Boden). Ohne Produktionsfaktoren ist keine Produktion möglich und ohne Produktion ist kein entsprechender Wohlstand für eine Gesellschaft denkbar. Der Wohlstand und der Lebensstandard einer Gesellschaft hängen entscheidend von ihrer Fähigkeit ab, Güter und Dienstleistungen herzustellen. Weiters werden in diesem ersten Kapitel häufig verwendete Begriffe wie „Produktivität“, „Effizienz“ und „Effektivität“ genauer erklärt.

Volkswirtschaft | Produktionsfaktoren

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1Volkswirtschaft | Produktionsfaktoren

LErnZiELE

LEiTFrAGEn

SiTUATiOn

1.1 Produktionsfaktoren

... die zentralen Produktionsfaktoren einer Volkswirtschaft kennen.

... den grundlegenden Zusammenhang zwischen Produktionsfaktoren (= Inputs) und der Produktion (= Output) verstehen.

... wissen, was man unter Produktivität versteht.

... den Unterschied zwischen Effizienz und Effektivität verstehen.

... einschätzen können, welche Auswirkungen Produktivitätssteigerungen auf Lohnsteige-rungen und den Wohlstand einer Volkswirtschaft haben können.

arbeit, kapital, Boden und wissen

„DassArbeit,Kapital,Bodenund(neuerdingsauch)WissenklassischeProduktionsfaktorensind,

gehörtzumvolks­undbetriebswirtschaftlichenGrundwissen.Paradoxistaber:WährendderAgrar­

gesellschaftwarklar,dassBodenentscheidendfürErfolgoderMisserfolgist.FürdieIndustriegesell­

schaftwaresKapitalundfürdieDienstleistungsgesellschaftArbeitskraft.Diesemehroderweniger

klareZuordnunggiltheutenichtmehr:ObwohlwirinderWissensgesellschaft(vieleerachtenden

BegriffInformationsgesellschaftalspassender)leben,gehenvieleUnternehmensverantwortlichemit

dementscheidendenProduktionsfaktoräusserstsorglosum.(...)“

Quelle:http://www.rolotec.ch/blog/archives/2007/01/arbeit_kapital.html

Welche Rolle spielen die Produktionsfaktoren im Produktionsprozess und welcher Zu-•sammenhang besteht zwischen den Produktionsfaktoren (= Input) und der Produktion (= Output)?

1.1.1 Begriffsbestimmung:Arbeit,Kapital,BodenundWissen(=Humankapital)

Unter den Produktionsfaktoren (auch Input, inputfaktoren) versteht man alle materiellen und imma-teriellen Mittel und Leistungen, mit deren Hilfe Güter und Dienstleistungen (= Output) produziert und bereitgestellt werden. in der Volkswirtschaftslehre zählen dabei Arbeit (A), Kapital (K) und Bo-den (B) zu den klassischen Produktionsfaktoren. Wenn eine Computerfirma eine Software erstellt, setzt sie dabei die Arbeitszeit von Programmierer/inne/n (= Produktionsfaktor Arbeit oder kurz Faktor Arbeit), die Grundstücksfläche für das Gebäude bzw. das Büro (Faktor Boden) und Computer (Fak-tor Kapital) ein. Eine Tankstelle wird beim Verkauf von Treibstoff ebenfalls Angestelltenzeiten (Arbeit), das Betriebsgrundstück (Boden) sowie die Tanks und Zapfsäulen (Kapital) verwenden. Betriebs- und Hilfsstoffe (Papier und Stifte in der Computerfirma, Schmieröl und reinigungsmittel in der Tankstelle) finden keine direkte Berücksichtigung, weil sie letztendlich auch durch die Faktoren Arbeit, Kapital und Boden hergestellt werden.

Unter dem Faktor „Kapital“ versteht man im volkswirtschaftlichen Kontext nicht die Begriffe „→ Fremdkapital“ oder „→ Eigenkapital“, sondern materielle oder immaterielle Produktionsmittel wie Betriebsanlagen, Maschinen, aber auch Patente und das vorhandene Know-how. Das Know-how und

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1 Volkswirtschaft | Produktionsfaktoren

SiTUATiOn

der Wissensstand der Beschäftigten werden als → Humankapital bezeichnet und gewinnen in einer Wissens- und informationsgesellschaft zunehmend an Bedeutung. Das Humankapital einer Volkswirt-schaft nimmt somit im Zusammenhang mit den Produktionsfaktoren eine entscheidende Stellung ein und ist eng mit dem Begriff „technischer Fortschritt“ verbunden (mehr dazu im Kap. 1.1.4).

a) Was zählt in Ihrem Klassenzimmer zum Faktor Arbeit, zum Faktor Kapital (und Hu-mankapital) und zum Faktor Boden?

Faktor Arbeit Faktor Kapital Faktor Boden

Unterricht durch den/die Lehrer/in

Schulbank, Tische

Kenntnisse der Schüler/innen

Tafel

Schulheft

Taschenrechner

b) Überlegen Sie sich an Hand der bisher genannten Begriffe Arbeit, Kapital und Boden, über welche Produktionsfaktoren eine ganze Schule verfügt.

1.1.2 Produktionsfunktion

„Ein altes sprichwort besagt: Viele köche verderben den Brei!

Istestatsächlichbesser,AufgabennichtimTeam,sondernalleinzulösen?,Nein,einEgotriphat

keinenSinn,denndiemeistenProjektewärenohneTeamarbeitnichtdenkbar‘,meintJob­Coach

GitteHärter.IneinerproduktivenGruppesindverschiedeneQualitätengebündelt,dieeineinzel­

nerMitarbeitergarnichthabenkann.WeristschongleichzeitigDiplomat,Analytikerundkre­

ativerKopf?,DamitdieTeamarbeitnichtimChaosendetundeinAnsprechpartnerdurchblickt,

brauchtmaneineArtChefkoch‘,weißdieExpertin.,DasmusskeinVorgesetztersein,derdievolle

Verantwortungträgt,sondernkannbeieinzelnenAufgabenwechseln.AllerdingssolltedieZahlder

Teammitgliederüberschaubarbleiben:FünfbissiebenMitarbeitersindideal,beimehralszwölf

bildensichschnellCliquen,diebeiKonfliktengegeneinanderarbeiten.‘“

(Quelle:http://www.online­artikel.de/article/alte­sprueche­auf­dem­pruefstand­464­1.html)

So wie in einem Unternehmen, in der Schule, in der Familie meist mehrere Menschen in einem Team zusammenwirken, um ein gemeinsames Ziel oder Ergebnis zu erreichen, ist auch aus volkswirtschaft-licher Sicht das Zusammenwirken mehrerer Faktoren notwendig, um einen entsprechenden Out-put zu erlangen. Die Beziehung zwischen den Produktions- bzw. inputfaktoren und dem Output soll nun näher betrachtet werden.

Der Output (x) steht im direkten Zusammenhang mit den Produktionsfaktoren Arbeit (A), Kapital (K) und Boden (B) und kann daher als Produktionsfunktion abgebildet werden:

Produktionsfunktion: Output (x) = f (A, K, B)

AUFGABE 1

Volkswirtschaft | Produktionsfaktoren

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Eine Produktionsfunktion stellt den funktionalen Zusammenhang zwischen den im Produktionsprozess verwendeten Faktoren (= input) und dem erzielten Output dar. Um über diese Zusammenhänge besser nachdenken zu können, werden im nächsten Schritt die Kapitalausstattung (K) und die Verfügbarkeit des Bodens (B) konstant gehalten. D. h., man geht davon aus, dass ein Unternehmen ein Grundstück besitzt (= Boden), auf dem sich seine Produktionsanlagen (= Kapital) befinden. Kurzfristig kann das Unternehmen die Produktionsfaktoren Boden und Kapital nicht ändern, sondern nur die Zahl der Ar-beiter/innen. Durch diese Annahme vereinfacht sich die Produktionsfunktion auf folgende Form:

Einfache Produktionsfunktion: x = f (A),K, B ... konstant

Wie sieht nun diese Beziehung zwischen einem input A und dem Output x genau aus?

Es gibt unzählige Produktionsprozesse und daher eine Vielzahl von dazugehörenden Produktionsfunk-tionen. Dennoch hat sich eine bestimmte Form als „klassisch“ bzw. als sehr typisch herausgestellt:

nehmen wir an, bei der betrachteten Produktionsfunktion handelt es sich um eine Tischlerei. Der Kapi-talbestand ist mit 50 (Tausend) vorgegeben. Eine Erhöhung des inputs entsteht unmittelbar durch die Erhöhung der Mitarbeiter/innen. Die Gesamtproduktion (= Output) ist dabei die Zahl der Möbelstücke

pro Woche.

Menge der Arbeit(A)

Menge des Kapitals(K)

Gesamt- produktion

(x)

0 50 0

1 50 10

2 50 30

3 50 60

4 50 80

5 50 95

6 50 108

7 50 112

8 50 112

9 50 108

10 50 100

Der Zusammenhang zwischen input und Output ist in vielen Produktionsbeziehungen nicht linear. Um diesen Zusammenhang besser darstellen zu können, werden zwei weitere Begriffe vorgestellt:

das Durchschnittsprodukt und •der Grenzertrag (auch Grenzprodukt genannt).•

Diese beiden Begriffe sind wie folgt definiert:

Das Durchschnittsprodukt ist der durchschnittliche Output eines Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin (= x/A).

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1 Volkswirtschaft | Produktionsfaktoren

Produktions-funktion

112

80

60

3 4 8

Input:Faktor Arbeit

GesamtproduktionOutput (x)

Beispiele:

VieleDurchschnittsgrößenwerdenimAlltaghäufigverwendet:

• Durchschnittsgeschwindigkeit=zurückgelegterWegproZeiteinheit

• DurchschnittsverbrauchbeieinemAuto=verbrauchteLiterBenzinpro100Kilometer

• Notendurchschnitt=durchschnittlicheNoteproSchularbeitoderdurchschnittlicheNoteproFach

• Durchschnittskosten=KostenproStück

Der Grenzertrag (oder das Grenzprodukt) ist der zusätzliche Output eines weiteren Mitarbeiters/ei-ner weiteren Mitarbeiterin (= ∆ x/∆ A).

Die Grenzbetrachtung ist vielen Menschen weniger bekannt und bewusst. Aber gerade diese Über-legung prägt das volkswirtschaftliche bzw. ökonomische Denken. Wesentlich dabei ist die Frage: Wenn man eine/n Mitarbeiter/in mehr einsetzt, um wie viele Einheiten steigt dann der Output? Es ist nicht of-fensichtlich, dass diese Größe in weiterer Folge entscheidungsrelevant für eine/n Unternehmer/in ist. Aber: Je nachdem, wie viel zusätzlichen Output ein/e weitere/r Mitarbeiter/in einbringt, wird entschie-den, ob dies/r auch eingestellt wird oder nicht. Kann ein/e weitere/r Mitarbeiter/in mehr erbringen, als er/sie kostet, dann lohnt er/sie sich. Wenn der zusätzliche Output des weiteren Mitarbeiters/der weo-teren Mitarbeiterin aber nur sehr gering ist, dann wird diese/r nicht eingestellt.

Die konkreten Werte für das Durchschnittsprodukt und den Grenzertrag lauten wie folgt:

Menge der Arbeit(A)

Menge des Kapitals(K)

Gesamt- produktion

(x)

Durchschnitts-produkt

(x/A)

Grenzertrag(∆ x/∆ A)

der Arbeit

0 50 0 - -

1 50 10 10 10

2 50 30 15 20

3 50 60 20 30

4 50 80 20 20

5 50 95 19 15

6 50 108 18 13

7 50 112 16 4

8 50 112 14 0

9 50 108 12 -4

10 50 100 10 -8

Grafisch lässt sich diese Beziehung folgendermaßen darstellen:

Volkswirtschaft | Produktionsfaktoren

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Bei einer „klassischen“ Produktionsfunktion steigt zuerst der Grenzertrag, ab vier Mitarbeiter/inne/n nimmt er jedoch wieder ab.

inhaltlich kann dieser Zusammenhang wie folgt interpretiert werden: Bei bis zu vier Mitarbeiter/inne/n werden Synergie- und Teameffekte spürbar, d. h., zwei Mitarbeiter/innen können mehr als doppelt so viel gemeinsam produzieren wie eine/r allein. Und in diesem Fall können auch noch drei im Durch-schnitt mehr produzieren als eine/r oder zwei.

Ab dem/der vierten Mitarbeiter/in sinkt aber der Grenzertrag. D. h., ein/e weitere/r Mitarbeiter/in kann jeweils weniger produzieren als der/die vorherige. Dieser Zusammenhang lässt sich begründen, weila) die Kapitalausstattung konstant ist und damit gewisse → Kapazitätsgrenzen zum Tragen kommen;b) bei mehr Mitarbeiter/inne/n ein immer größerer Teil der Arbeitszeit nicht für die Produktion, son-

dern für die Koordination der Mitarbeiter/innen verwendet werden muss.

Entscheidend ist, dass viele input-Output-Beziehungen nicht einen einfachen linearen Zusammen-hang aufweisen, sondern dass sehr häufig ab einem gewissen Zeitpunkt bzw. ab einer gewissen Zahl von Mitarbeiter/inne/n das Gesetz des sinkenden Grenzertrags (bzw. Grenzprodukts) auftritt.

Das Gesetz des sinkenden Grenzertrags drückt einen wichtigen ökonomischen und technischen Zusammenhang aus, der in vielen input-Output-Beziehungen zu beobachten ist. Die Vermehrung eines variablen inputs (z. B. Arbeit) bei Konstanthaltung der anderen inputs führt zwar in der regel zu einer Erhöhung des Outputs; der Zuwachs der Steigerung nimmt jedoch ab und kann sogar negativ werden.

Beispiel Merken und Verstehen:

SchulischesLernenkannmitHilfeeinerProduktionsfunktioninterpretiertundanalysiertwerden.Als

OutputgiltderLerninhalt,denmansichzumerkenhat.DerEinfachheithalberwirdalsInputfaktor

dieLernzeitherangezogen,dieverwendetwird,umdenUnterrichtsstoffzulernen.DerZusammen­

hangkannwiefolgtdargestelltwerden:

„Merken“„Wiederholen“

Input:Zeit

Output (x):Lerninhalt Produktions-

funktion

Esistunmittelbareinsichtig,dassbeimLernenmiteinemsinkenden Grenzertragzurechnenist.

DerZusammenhangistnichtlinear.MitderZeittretenErmüdungserscheinungenauf,undmanist

ohnePausenichtmehrfähig,sichweiterenUnterrichtsstoffbzw.Unterrichtskapitelzuerarbeiten.

Wie schaut Ihre persönliche Lernkurve aus? Stellen Sie sich vor, der Input ist die Lernzeit in Minuten und der Output ist der beherrschte Stoff in Ihrem Schulheft. Vergleichen Sie die Lernkurven in unterschiedlichen Fächern!

AUFGABE 2

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1 Volkswirtschaft | Produktionsfaktoren

SiTUATiOn

Beispiel Umsatzreaktionsfunktion:

EineUmsatzreaktionsfunktionstelltdenZusammenhangzwischenderHöhederMarketingausgaben

füreinProdukt(=Input)unddemdamiterzieltenUmsatz(=Output)dar.Esisteinsichtig,dasshöhere

MarketingausgabenzueinemhöherenUmsatzführen.AberauchhiergiltinderRegeldas Gesetzdes

sinkendenGrenzertrags, sodassdieseBeziehungnichtlinearist.DazuzweiBeispiele.

• Angenommen,esgibtzunächstnureinenHandelsreisenden,sowirddieserzuerstdievielverspre­

chendstenpotenziellenKund/inn/enbesuchen,undderZuwachsdesUmsatzeswirddementspre­

chendhochsein.EinezweiteReisendewirddienächstbestenpotenziellenKund/inn/enbesuchen,

derZuwachsdesUmsatzeswirdbereitsetwasniedrigerausfallen.ZusätzlicheingestellteReisende

werdenimmerwenigerKund/inn/envorfinden,sodassderUmsatzzuwachsständigkleinerwird,

wieKurve(A)inderAbbildungzeigt.

• DieUmsatzreaktionsfunktionkannauchs-förmig verlaufen–Kurve(B)inderAbbildung.D.h.,

dasUmsatzvolumensteigtzunächstmitzunehmender,dannmitabnehmenderZuwachsratean.

DieBegründung dazulautet:MiteinemkleinenWerbebudgetkannkaummehralseinminimaler

Bekanntheitsgradbewirktwerden.HöhereBudgetsbewirkeneinhohesMaßanBekanntheit,Inte­

ressesowiePräferenzundfördernsomitdasKaufverhalten.AbeinergewissenHöhekönnenaber

auchunterUmständenzusätzlicheWerbebudgetskeineweiterenUmsätzemehrbringen,weilder

ZielmarktdiezuverkaufendeMarkeausreichendkenntoderbereitsgesättigtist.

1.1.3 ProduktivitätundEffizienz

„Vision für das papierlose krankenhaus

,Produktivität,EffizienzundWirtschaftlichkeitsinddieentscheidendenFaktoren,dieeinKran­

kenhausinZukunfterfüllenmuss,umimWettbewerbbestehenzukönnen‘–dieseAnsichtvertrat

ManfredZerwas,GeschäftsführerderSERHealthCareSolutionsGmbH,ineinemInterviewmit

Krankenhaus­ITTV,dasimRahmenderMEDICAgeführtwurde.WarumundwieseineVisionvom

papierlosenKrankenhausumgesetztwerdenkann,erläuterterimInterview.“

(Quelle:http://www.ser.de/ww/de/pub/solutions/presse/news.htm)

Output (x):Umsatz pro Periode

Produktions-funktion (B)

Produktions-funktion (A)

Input:Marketing-Ausgabenpro Periode

Volkswirtschaft | Produktionsfaktoren

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Mit einem ersten Verständnis für Produktionsfunktionen kann man nun sehr bildlich verschiedene öko-nomische Grundbegriffe erklären. Die Definition des Begriffs Produktivität macht dabei den Anfang: Die Produktivität ist eine volkswirtschaftliche Kennzahl für die Leistungsfähigkeit. Sie bezeichnet das Verhältnis zwischen produzierten Gütern und Dienstleistungen und den dafür benötigten Produktions-faktoren.

Produktivität =Output

input

Arbeitsproduktivität =Output (x)

Faktor Arbeit (A)

Beispiel:

FürdieErzeugungvonSkiernexistiertbeieinergegebenenKapitalausstattungerfahrungsgemäß

folgendeProduktionsbeziehung:10Mitarbeiter/innenkönnenimNormalfall100PaarSkiererzeugen

(PunktA),15Mitarbeiter/innenkönnenimNormalfall120PaarSkiererzeugen(PunktB).

ImMonatFebruarerzeugten10Mitarbeiter/innen100PaarSkier(PunktA).

ImMonatMärzerzeugten15Mitarbeiter/innen120PaarSkier(PunktB).

ImMonatMaiwurdenmit15Mitarbeiter/inne/nabernur100Paarhergestellt(PunktC).

ImMonatJuniwurdenmit10Mitarbeiter/inne/nnur50PaarSkierhergestellt(PunktD).

ZurBeurteilungderunterschiedlichenMonatekannnundiejeweiligeArbeitsproduktivitätberechnet

werden.DiejeweiligeArbeitsproduktivitätbeträgt

• imPunktA:10=100/10

• imPunktB:8=120/15

• imPunktC:6,7=100/15

• imPunktD:5=50/10

Hinweis:DieKennzahlarbeitsproduktivitätentsprichtdemweitervornebereitserwähntenDurch-

schnittsprodukt.

Input:Faktor Arbeit

Output (x)

10

100120

15

A

B Produktions-funktion (P1)

C

D50

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1 Volkswirtschaft | Produktionsfaktoren

in der Praxis verwendet man zur Feststellung der Arbeitsproduktivität unterschiedliche Kenngrößen für den Output und den input. Für den Output bietet sich in der regel der Umsatz eines Unternehmens an. Für den input wählt man die Summe der Arbeitslöhne oder die gesamten Arbeitskosten. Folglich definiert sich die Arbeitsproduktivität eines Unternehmens als das Verhältnis von Umsatz zu den Ar-beitskosten.

Arbeitsproduktivität

Arbeitsproduktivität 2008BIP je Beschäftigten (KKS)

Quelle: EU-Kommission, OECD, OeNB

Luxe

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ulga

rien

164,

3

147,

5

137,

6

128,

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120,

3

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112,

9

110,

3

110,

2

107,

8

106,

9

106,

9

105,

1

103,

5

99,7

90,5

84,9

84,2

77,5

76,5

74,0

73,1

62,4

61,6

61,5

60,8

50,6

46,6

35,7

70,8

(Hinweis: Zur Wertschöpfung siehe mehr auf S. 63.)

Effizienz: Die Dinge richtig tun!

„Effizienz“ und „Effektivität“ sind häufig verwendete Begriffe, die jedoch oft falsch benutzt oder ver-wechselt werden. Für den Begriff Effizienz bieten sich zwei Definitionen an:• Maximalprinzip: Mit einem gegebenen input zielt man darauf ab, einen maximalen Output zu er-

reichen.• Minimalprinzip: Ein gegebenes Ziel soll mit einem minimalen input erreicht werden.

Beispiel:

InderSchulewendetmanoftdaskombinierteMinimal­Maximalprinzipan:BeiderVorbereitungfür

eineLeistungsüberprüfungversuchtmanmitminimalenMittelndieLatteeinerpositivenNotezu

erreichen(=Minimalprinzip).SitztmandanninderPrüfung,versuchtmanmitdemvorhandenem

WissendiemaximalbesteNotezuerreichen(=Maximalprinzip).

Alle Punkte auf der auf S. 13 abgebildeten Produktionsfunktion sind effizient, weil sie sowohl das Mi-nimalprinzip als auch das Maximalprinzip erfüllen. Punkte unterhalb der Produktionsfunktion sind in-effizient.

Punkt A ist effizient: Ein höherer Output als 100 Einheiten kann bei einem input von 10 nicht erreicht •werden!Punkt C ist ineffizient: Einen Output von 100 Einheiten hätte man auch mit 10 statt mit 15 Mitarbei-•ter/inne/n erreichen können.Punkt D ist ineffizient: Mit 10 Mitarbeiter/inne/n hätte man einen höheren Output erreichen können.•

Effektivität: Die richtigen Dinge tun!

Die Effektivität zielt auf die Zielerreichung ab. D. h., es ist nicht nur wichtig, dass man die Dinge richtig tut; es ist auch wichtig, dass man die richtigen Dinge tut.

Volkswirtschaft | Produktionsfaktoren

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SiTUATiOn

Beispiel:

• MankannunglaublicheffizientmitdemRadfahren.DerEinsatzdesInputs(=Muskelarbeit)wird

optimalaufdasRadübertragen.AberummöglichstschnellvonBregenznachWienzukommen,ist

dasFahrradkeineffektivesVerkehrsmittel.InBezugaufdieSchnelligkeitistdasFlugzeugeffek­

tiver.

• Esmagsehreffektivsein,eineMTLoderHTLzubesuchen,umimzukünftigenArbeitsleben

bestehenzukönnen,aberderSchulbesuchselbstkannausverschiedenenGründensehrineffizient

gestaltetsein(geringeMitarbeitderSchüler/innen,unmotivierteSchüler/innenoderLehrer/innen),

sodassderOutputderAusbildungnichtdasgewünschteNiveauerreicht.

im wirtschaftlichen Leben spielen somit die Effizienz und die Effektivität eine wichtige rolle. Beide Betrachtungsweisen haben ihre Bedeutung und dürfen bei der Umsetzung von Plänen oder Maßnah-men nicht vergessen werden. Es nützt eben nichts, wenn man sehr effizient bzw. wirtschaftlich produ-ziert, die Produkte aber nicht den Kundenwünschen entsprechen. Umgekehrt können viele gute ideen scheitern, wenn deren Umsetzung nicht effizient und konsequent verfolgt wird.

Analysieren Sie, welche Abläufe und Aktivitäten in Ihrer Schule effizient/nicht effizient und welche effektiv/nicht effektiv sind.

1.1.4 HumankapitalundtechnischerFortschritt

„Mit billiger lohnarbeit hat es china vom Entwicklungsland zum Nebenbuhler der Usa

gebracht. Eine Zukunftsformel ist das aber nicht.

chinesen arbeiten immer effizienter

EinlangfristigerVergleichderLohn­Stück­KostenmitdenLöhnenistinteressant.ZwarsteigendieLöhneseit2001proJahrummindestenszwölfProzent.LegtmandieseKostenaberaufdieprodu­ziertenWarenum,errechnetalsodieLohn­Stück­Kosten,sosteigendiesejährlichhöchstensumfünfProzent.IndreiderletztenachtJahresindsiesogargesunken.DerGrundfürdiesesAuseinander­klaffen:DieChinesenverdienenzwarmehr–abersiearbeitenaufimmereffizienterenMaschinenundnachstetigmodernerwerdendenVerfahren.

[…]

ChinasAufstieglässtoftvergessen,dassdieChinesenproKopfheutegeradeeinmalsovielverdienenwiedieAmerikanerinden20er­Jahren.

innovation braucht freie Menschen

WaszurletztenDeterminantefürChinasökonomischesWohlundWeheführt:DerFrage,obmandenÜbergangzueinerwissensbasiertenGesellschaftvonobenverordnenkann.Am–sohässlichdasWortauchist–HumankapitalmangeltesChinanicht.Seit1999steigtdieZahlderHochschulstudentenumdurchschnittlich30ProzentproJahr,wieStudienaufzeigen.ChinasZahlanFacharbeiternundhöherausgebildetenArbeitskräftenentsprichtschonjetzt40ProzentderentsprechendenArbeitneh­merinallen30OECD­Ländernzusammen.DiesesHirnschmalzhatschoneinigeWeltmarktführerinZukunftstechnologiengeschaffen:etwaSuntech,dendrittgrößtenSolarzellenherstellerderWelt,deranderNewYorkerBörsenotiert.

Esistalsodurchausdenkbar,dassChinadenSprungvonderverlängertenWerkbankzurinnovativenTechnologiegesellschaftschafft.ObdietotalitäreRegierungihreBürgerfreispringenlässt,istaller­dingseineandereFrage.“

Quelle:DiePresse,06.08.2008(gekürzt)

AUFGABE 3

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1 Volkswirtschaft | Produktionsfaktoren

Mit dem Wissen um die Produktionsfunktion kann nun ein Gedankenexperiment durchgeführt wer-den: Welche Effekte sind auf den Output zu erwarten, wenn das Humankapital oder der technische Forschritt zunehmen?

Eine Erhöhung des Faktors Kapital in Form von Humankapital (besser: Wissen bzw. Know-how) oder auch eine Zunahme des technischen Fortschritts (leistungsfähigere Maschinen oder Computer) „drücken“ die Produktionsfunktion nach oben. Mit jedem gegebenen input des Faktors Arbeit ist nun auf Grund der Veränderung ein höherer Output möglich.

Grafisch lässt sich diese Überlegung wie folgt darstellen:

Erklärung: Die ursprüngliche Produktionsfunktion P1 verschiebt sich durch einen höheren technischen Fortschritt hin zur neuen Produktionsfunktion P2. Im gegebenen Beispiel können nun mit 10 Arbeits-kräften nicht mehr 100 Einheiten, sondern (im besten Fall) sogar 120 Einheiten hergestellt werden.

Daraus ergeben sich weit reichende Konsequenzen:Durch die Erhöhung des Kapitals und/oder die Zunahme des technischen Fortschritts steigt die Arbeitsproduktivität. im obigen Fall steigt sie von 10 auf 120/10 = 12 (d. h. um + 20 %) (= Bewegung von Punkt A zu Punkt E). Der frühere Output (A) ließe sich nun sogar mit nur acht statt zehn Mitarbeiter/inne/n erzielen (Punkt F).

Zur Erinnerung: Die Arbeitsproduktivität misst den Output pro Mitarbeiter/in; und Produktivitätssteige-rungen können in Form von Lohnerhöhungen weitergegeben werden.

1.1.5 ProduktivitätundLohnhöheDie Höhe des Lohns eines Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab: etwa von der wirtschaftlichen Lage und der Marktmacht des Unternehmens, vom Organisationsgrad der Gewerkschaften und vielem mehr. Zum Teil hängt der Lohn aber auch von der (Arbeits-)Produk-tivität des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin ab. Je höher die Produktivität, d. h., je höher der Output pro Person, umso mehr kann diese/r Mitarbeiter/in an Lohn ausgezahlt werden.

Wird der Lohn in Abhängigkeit von der Leistung (= Produktivität) ausbezahlt, kommt dieses Prinzip sehr deutlich zum Vorschein. Je mehr Umsatz (= Output) z. B. ein/e Außendienstmitarbeiter/in erwirt-schaftet, umso höher wird sein/ihr Lohn sein. Das Gleiche gilt für jede/n Mitarbeiter/in – je höher sein/

Input:Faktor Aebeit8

100120

10

AProduktionsfunktion

(P1)

Produktionsfunktion(P2)

E

F

Output (X)

Volkswirtschaft | Produktionsfaktoren

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ihr Anteil am Output, desto mehr kann man ihm/ihr bezahlen. Die Arbeitsproduktivität hängt aber nicht nur vom Einsatz und vom Fleiß der Mitarbeiter/innen ab, sondern auch von der Kapitalausstattung und dem technischen Fortschritt. So kann heute ein/e Landarbeiter/in, der/die eine große Erntemaschi-ne betätigt, mit weit weniger körperlichem Einsatz einen viel höheren Lohn bekommen als noch ein/e Landarbeiter/in vor 50 Jahren, der/die mit Schaufel und Hacke das Feld bewirtschaftete.

Ein zweiter wichtiger Bestimmungsgrund für die Höhe des Lohns ist der Preis des produzierten Guts. Je höher der Preis eines Guts ist, desto höhere Löhne können bezahlt werden.

D. h., wenn ein Bauer/eine Bäuerin pro Tag 100 kg Äpfel erntet, aber am Markt von den Konsument/in-n/en nur 10 Cent pro Kilo bezahlt werden, dann wird dieser Bauer/diese Bäuerin niemals mehr als 10 € pro Tag (= 100 x 0,1) verdienen (abgesehen davon, dass in diesem Preis noch nicht einmal die Kosten für seinen/ihren Wareneinsatz, Gewinne usw. berücksichtigt sind). Manche Sportler/innen profitieren hingegen vom großen interesse für ihre Sportart. Da Veranstalter/innen mit verschiedenen Sportarten viel Geld verdienen können (TV-rechte, Werbeeinnahmen, teure ViP-Plätze, Zuschauerkarten), kön-nen auch den Akteur/inn/en und Sportler/inne/n zum Teil extrem hohe Löhne gezahlt werden. (Mit der Frage, wie die Preise für verschiedene Güter und Dienstleistungen zustande kommen, werden wir uns im Kap. 2 Markt und Preise näher beschäftigen.)

1.1.6 ProduktivitätundLebensstandardDer eben dargestellte Zusammenhang gilt nicht nur für die Mitarbeiter/innen eines Unternehmens, sondern auch für den Lebensstandard einer Volkswirtschaft. in Staaten, in denen die Beschäftigten eine große Gütermenge pro Zeiteinheit herstellen können, erfreuen sich die meisten Menschen eines hohen Lebensstandards. Die Wachstumsrate der Produktivität bestimmt somit die Wachstumsrate der Durchschnittseinkommen.

Folglich ist die → Wirtschaftspolitik darauf ausgerichtet, die Produktivität in einer Volkswirtschaft zu erhöhen: Eine gute Ausbildung durch Schulen und Universitäten (= Humankapital), eine hohe Kapital-ausstattung in Form von infrastruktur (Transportwege, Bahn, internet) oder der Zugang zu Spitzen-technologien sind Beispiele, wie die Produktivität und damit der Lebensstandard sowie der Wohlstand erhöht werden können.

neben der Arbeitsproduktivität können auch die natürlichen Rohstoffe (= Produktionsfaktor Boden) einer Volkswirtschaft den Lebensstandard sichern. So führen die Öl- und Erdgasvorkommen in nor-wegen oder in Saudi-Arabien zu einem hohen Wohlstand. Zu den „natürlichen“ rohstoffen Österreichs zählt – ganz allgemein gesprochen – die natur, die für den Tourismus und damit für die Erzielung von zusätzlichen Einkommen genutzt werden kann, und im Speziellen ein gewisser reichtum an Holz und Wasser.

Welche Aktivitäten würden Sie als Politiker/in setzen, um den Lebensstandard in Ihrer Region zu erhöhen?

AUFGABE 4

18

1 Volkswirtschaft | Produktionsfaktoren

1.1.7 ProduktivitätundRationalisierungKehren wir zu unserer Produktionsfunktion P2 (siehe Grafik auf S. 16) zurück. Die Bewegung von Punkt A zu Punkt F zeigt eine weit verbreitete Befürchtung einer zunehmenden „Technologisierung“ auf. Produktivitätssteigerungen können dazu genutzt werden, den gleichen Output mit einer geringeren Anzahl von Arbeitskräften zu erreichen (= Rationalisierung). Durch den verbesserten Kapitaleinsatz und/oder durch eine Zunahme des technischen Fortschritts ist es theoretisch möglich, Arbeitskräfte zu entlassen und die Produktion auf dem gleichen niveau zu belassen.

Langzeitstudien belegen jedoch, dass dieser Effekt in der Vergangenheit nicht zu beobachten war. neue Technologien mögen zwar bestimmte Arbeitsplätze eliminieren, führen aber in der regel zu neu-en Produkten, neuen Märkten und damit zu neuen Beschäftigungsmöglichkeiten. Die Erfindung des Computers beweist diesen Zusammenhang eindrucksvoll. Durch die Automatisierung und Digitalisie-rung gingen eine reihe von weniger qualifizierten Jobs verloren, aber eine Vielzahl von neuen Märkten, neuen Berufen (Programmierer/innen, Systemadministrator/inn/en usw.) und damit neuen Einkom-menschancen sind entstanden.

a) Nennen Sie weitere Beispiele von neuen Technologien, die zu einer Rationalisierung (und zu neuen Beschäftigungsmöglichkeiten) geführt haben.

b) Überlegen Sie: Wie kann der technische Fortschritt in einem Unternehmen, in einer Volkswirtschaft erhöht werden?

Zusammenfassung

• IndervolkswirtschaftlichenDenkweiseistderOutput bzw. die Produktion eines Unternehmers/einer Unternehmerin, aber auch der einer gesamten Volkswirtschaft von großer Bedeutung.

• Arbeit, Kapital und Boden sind die klassischen Produktionsfaktoren, die den input (= Einsatz) für die Erstellung des Outputs (= Ertrag) darstellen. Unter Kapital versteht man zum einen Maschi-nen und Produktionsanlagen, aber auch das Know-how und das Wissen der Mitarbeiter/innen (= Humankapital).

• EineProduktionsfunktion stellt den Zusammenhang zwischen input und Output dar.

• DerGrenzertrag (auch Grenzprodukt genannt) beschreibt den Ertragszuwachs, der durch den Einsatz einer jeweils weiteren Einheit eines Produktionsfaktors (z. B. Faktor Arbeit) erzielt wird.

• DasGesetz des sinkenden Grenzertrags (Grenzprodukts) besagt, dass bei (vielen) Produkti-onsfunktionen (Beziehung zwischen input und Output) eine Erhöhung eines variablen inputs (z. B. Arbeit) zu einer Erhöhung des Outputs führt. Das Ausmaß der Output-Erhöhung nimmt jedoch mit steigendem input laufend ab.

• UnterProduktivität versteht man die Beziehung zwischen dem Output und dem input.

• Effizienz: Die Dinge richtig tun!

• Maximal- und Minimalprinzip: Mit dem gegebenen input ein Maximum erreichen oder einen ge-gebenen Output mit den minimalen inputfaktoren erreichen.

• Effektivität: Die richtigen Dinge tun!

AUFGABE 5

Volkswirtschaft | Produktionsfaktoren

19

• Technischer Fortschritt kann in Form von höheren Löhnen an die Mitarbeiterinnen und Mitar-beiter weitergegeben werden. Die Lohnhöhe bestimmt sich im Allgemeinen zum einen durch die Höhe der Produktivität eines Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin, zum anderen über den Preis des Pro-dukts, das von dieser Person erstellt wird.

• OutputundtechnischerFortschrittsindwichtigeFaktorenfürdenLebensstandard und das Wohl-ergehen einer Volkswirtschaft.

• TechnischerFortschrittführtauchzuRationalisierungen und damit zur Entlassung von Arbeits-kräften. Gleichzeitig werden im Zuge dessen aber meist auch neue Produkte, neue Märkte und neue Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen.

Lernkontrolle

01 Was versteht man unter einer Produktionsfunktion?

02 Was ist das Gesetz des sinkenden Grenzertrags?

03 Finden Sie weitere Beispiele, auf die das Gesetz des sinkenden Grenzertrags angewendet werden kann!

04 Was versteht man unter dem Begriff Produktivität?

05 Wie könnte man die Produktivität einer Lehrerin/eines Lehrers messen?

06 Wie könnte man die Produktivität einer Schülerin/eines Schülers messen?

07 Was versteht man unter dem Begriff Effizienz?

08 Was versteht man unter dem Begriff Effektivität?

09 Was ist wichtiger: effizient oder effektiv zu arbeiten?

10 Wie hängen Produktivität und Lohnhöhe zusammen?

11 Wie muss ein/e Arbeitnehmer/in bei der nächsten Gehaltsverhandlung argumentieren, um eine Lohnerhöhung zu bekommen? Wie viel mehr kann er/sie verlangen?

12 Wie hängen Produktivität und Lebensstandard einer Volkswirtschaft zusammen?

13 Warum müssen die Technisierung und die zunehmende rationalisierung unserer Welt nicht zu hö-herer Arbeitslosigkeit führen?

20

1

SiTUATiOn

Volkswirtschaft | MarktundPreis

1.2 Markt und Preis

… das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage verstehen.… den Prozess der Preisbildung nachvollziehen können.… Nachfrage- und Angebotsfunktion kennen.… den Begriff „Preiselastizität“ verstehen.… wissen, wie Preis, nachgefragte Menge und Umsatz zusammenhängen.... die Bestimmungsfaktoren, von denen das Angebot eines Unternehmens abhängt,

kennen.... verstehen, wie und warum sich ein Gleichgewichtspreis bildet.

DerBrent­ÖlpreisistamFreitagweitergestiegenunderstmalsauf103US­Dollargeklettert.Am

HöchststandkosteteeinBarrel(159Liter)derNordseesorteBrentzurAuslieferungimAprilgenau

103Dollarunddamitsovielwieniezuvor.ZuletztgabderBrent­Preisaberwiederetwasnachund

notiertebei102,69Dollar.DaswarenumachtCentmehralszumHandelsschlussamVortag.

Welche Einflussfaktoren spielen bei der Bildung von Preisen für Güter und Dienst-•leistungen eine entscheidende Rolle?

1.2.1 FunktionundPreisbildungvonMärktenDie notwendigkeit für ökonomisches Denken begründet sich in der Knappheit der Produktionsfak-toren (Arbeit, Kapital, Boden). Da Produktionsfaktoren begrenzt sind, stehen der Welt auch nur Güter und Dienstleistungen in beschränktem Ausmaß zur Verfügung. Die Bedürfnisse der Menschen sind hingegen unbegrenzt. Daher stellt sich aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ein Auswahl- und Entschei-dungsproblem: Welche Güter und Dienstleistungen und wie viel davon (also etwa an Snowboards, Le-bensmitteln oder Computern) sollen eigentlich produziert bzw. bereitgestellt werden?

Diese Frage erscheint im ersten Moment wenig praxisrelevant zu sein. Das ist aber nur der Fall, da in unserem Wirtschaftssystem der Markt und der Staat dieses Auswahl- und Entscheidungsproblem übernommen haben und dies für uns als selbstverständlich erscheint. in diesem Kapitel wird die Funk-tionsweise von Märkten vorgestellt, während sich das nächste (Kap. 3 Budgetpolitik: Die Einnahmen und Ausgaben des Staates) der Funktionsweise des Staates widmet.

Auf einem Markt treffen die Anbieter/innen von Gütern (= Unternehmer/innen) und die Nachfra-ger/innen (= Konsument/inn/en) aufeinander. Der Preis eines Guts wird nun nicht einfach durch den/die Unternehmer/in festgelegt, sondern resultiert aus dem Zusammentreffen von Angebot und nachfrage. Entscheidend ist, dass der festgelegte Preis bestimmt, ob es für eine/n Unternehmer/in interessant ist, dieses Produkt zu produzieren oder nicht. Gleichzeitig entscheidet der Preis aus der Sicht der Konsument/inn/en darüber, ob dieses Gut gekauft wird oder nicht.

Die Überlegungen zu Märkten sind zentral für das Verständnis ökonomischer Zusammenhänge. Das Wissen über Gütermärkte kann analog auf den → Arbeitsmarkt, die → Finanzmärkte (Geldmarkt, Kreditmarkt, Devisenmarkt) oder auf → Aktienmärkte übertragen werden.

LEiTFrAGE

LErnZiELE

21

SiTUATiOn

Um ein tieferes Verständnis für den Preisbildungsprozess zu erreichen, wird in einem ersten Schritt die Sichtweise der Konsument/inn/en (= nachfrage) dargestellt und analysiert. in einem zweiten Schritt wird die Sichtweise der Unternehmer/innen (= Anbieter/innen, Angebot) vorgestellt. Am Markt treffen diese beiden Akteure zusammen und es bildet sich der Preis, der Angebot und nachfrage zum Ausgleich bringt.

1.2.2 NachfragenachGüternundDienstleistungen

DerGoldpreissteigtweiteran. Preistreibendwirkenu.a.dieinstabilenVerhältnisseaufden

FinanzmärktenunddieweltweitschlechtenWirtschaftsprognosen.GoldhatsichinKrisenzeiten

immerwiederalsstabilerWertetabliert.AufgrundderVerunsicherungdurchdieFinanzkrise

wirddieNachfragenachGoldweitersteigen.

Die nachfrage nach der Menge eines Guts (x) hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab:

Bestimmungsfaktoren der Nachfrage

Preis des Guts x (p)•Preise anderer Güter•Einkommen•Trends, Moden•Saison•

Wetter, Klima•Qualität•Erreichbarkeit•Konjunkturelle Lage•u. v. m.•

Finden Sie weitere Faktoren, welche die Nachfrage nach einem Gut beeinflussen können!

Die nachfrage kann nun wieder (wie eine Produktionsfunktion) als Funktion von vielen Variablen dar-gestellt werden.

x = f (Preis [p], Einkommen, Preise anderer Güter, Trends, Modeerscheinungen, Saison, ......)

Die nachgefragte Menge x kann für die nachfrage nach Schuhen, Seife, einem Haarschnitt, einem Ausbildungsplatz usw. stehen. Um die nachfragefunktion zu vereinfachen, werden alle Faktoren au-ßer einem, dem Preis (p), konstant gehalten. in einem ersten Schritt werden nur die Auswirkungen von Preisänderungen auf die nachgefragte Menge analysiert.

x = f (p), alle anderen Faktoren sind konstant

Es stellt sich die Frage, wie sich die nach-gefragte Menge bei einer Erhöhung des Preises verhält. Die Antwort lautet: in 99 % der Fälle bestimmt das „Gesetz“ der ab-nehmenden Nachfrage diesen Zusam-menhang.

nach dem Gesetz der Nachfrage gilt: Wenn der Preis steigt (Pfeil 1), sinkt die nachgefragte Menge (Pfeil 2). Umgekehrt gilt: Sinkt der Preis, steigt die nachgefragte Menge.

p0

p1

x1 x0

Pfeil 1

Pfeil 2

Preis (p)

NachfrageN

Menge (x)

AUFGABE 6

22

1 Volkswirtschaft | MarktundPreis

Die reaktion der Konsument/inn/en auf Preisänderungen wird als → Substitutionseffekt (lat. substi-tuere = austauschen, ersetzen) bezeichnet: immer wenn der Preis eines Guts steigt, werden die Kon-sument/inn/en versuchen, der Preiserhöhung auszuweichen, z. B. durch den Kauf eines günstigeren Vergleichsprodukts.

Beispiele:

• Waspassiert,wennderPreisdeseigenenLieblingsgetränkssteigt?

SinddiePreissteigerungensehrgering,wirdmaneswohlkaumbemerkenundnichtreagieren.

SteigtderPreisaberimmerweiteran,wirdmansichüberlegen,entwederwenigervondiesemGe­

tränkzukonsumierenoderaufeinbilligeresGetränkumzusteigen.DienachgefragteMengenach

demLieblingsgetränksinktinjedemFall.

• Waspassiert,wennderPreisösterreichischerZigarettensteigt?

AuchhieristeinRückgangderNachfragezuerwarten.Esistjedochzubedenken,dasszwardie

NachfragenachösterreichischenZigarettenzurückgehenwird.Dasheißtabernichtunbedingt,

dasswenigergerauchtwird.MitsteigendenZigarettenpreisenwerdenmancheWirtschaftssubjekte

(=Konsument/inn/en)aufselbstgedrehteZigarettenumsteigen,diegünstigersind.Anderewerden

versuchen,ausdemAuslandbilligereZigarettenzuimportieren.Oftwerdendabeiauchillegale

Kanäleverwendet.InjedemFallwerdendieKonsument/inn/enauszuweichenversuchen,umvon

denPreiserhöhungennichtgetroffenzuwerden.

im nächsten Schritt ist es interessant, zu überprüfen, wie stark sich die nachfrage nach einem Produkt auf Grund einer Preissteigerung verändert.

1.2.2.1PreiselastizitätderNachfrage

Die Preiselastizität der nachfrage misst, wie stark der Mengenrückgang bei einer Preissteigerung im Einzelfall ist. Eine absolute Preiserhöhung sagt dabei nur wenig über das relative Ausmaß einer Preiserhöhung aus. So ist eine Preiserhöhung von 1,00 € bei einer einzelnen Semmel sehr viel, wäh-rend diese Erhöhung beim Preis für ein Paar Jeans kaum ins Gewicht fällt. Aus diesem Grund wird die Preiselastizität eines Guts nicht in absoluten Zahlen, sondern in Prozent gemessen:

Wie ändert sich die nachgefragte Menge prozentuell, wenn sich der Preis (p) um 1 % ändert?

Preiselastizität der Nachfrage =Prozentuelle Änderung der nachgefragten Menge (x)

Prozentuelle Änderung des Preises (A)

BeispieleGut Mengenrückgang in %

bei einem Preisanstieg von 1 %Güter in einem Supermarkt –10

Designer-Jeans (einzelne Marken) –4 bis -3Kalbfleisch –1,5rindfleisch –1,0

Butter, Käse, Schweinefleisch –0,5Zigaretten –0,4

Milch –0,3Öl kurzfristig: –0,05, langfristig: –0,4

DieseZahlenstammenausverschiedenenStudienundkönnenalsRichtgrößengesehenwerden.Den­

nochbestätigensiedieVermutung,dassderMengenrückgangnichtbeijedemProduktgleichgroßist.

WiedieAngabenaußerdemzeigen,istdieElastizitätderNachfragegrundsätzlichnegativ,dabei

steigendenPreisendieNachfragesinkt.

23

Die Preiselastizität der nachfrage lässt sich folgendermaßen unterteilen:Unelastische Nachfrage: ist die Elastizität größer als –1 (zwischen –1 und 0), so spricht man von ei-ner unelastischen nachfrage. Elastische Nachfrage: ist die Elastizität kleiner als –1, spricht man von einer elastischen nachfrage.

Beispiele:

• Öl,BenzinundDieselsindunelastische Güter.D.h.,auchbeigrößerenPreisanstiegenvonz.B.

10%reagierendieKonsumentinnenundKonsumentenkurzfristignurmiteinemMengenrückgang

von5%.

Erklärung:DieElastizität(=derkurzfristigeMengenrückgangbeieinemPreisanstiegvon1%)

liegtnachdenimBeispielobenangeführtenErfahrungswertenbei–0,05Prozent.

DerkurzfristigeMengenrückgangbeieinemPreisanstiegvon10%beträgtdaher5%(=0,05*10).

Eineniedrige Preiselastizitätbesagt,dassdieKonsument/inn/envondiesemGutabhängig

sind.VieleExpert/inn/ensahenundseheninZeitensteigenderÖlpreiseauchdieChance,die

AbhängigkeitvomÖlzureduzieren.Erstwennder„Leidensdruck“(indiesemFalldieKostenfür

Tanken,Heizenusw.)hochsind,sindneueEnergiequellengefragt.„Notmachterfinderisch!“und

führteetwaimkonkretenFalldazu,dassesheuteschoneineVielzahlvonAlternativenzumÖlals

Energieträgergibt.

• FüreinenSupermarktisteineNiedrigpreispolitikhingegenbesonderswichtig,weildiePreiselas-

tizitätderdortangebotenenGütersehrhochist.

Hinweis:AuchwenndieNachfragenachMilchimPrinzipunelastischist,istdieNachfragenach

einerbestimmtenMilchmarkeineinemSupermarktsehrelastisch,damanaufeinenanderen

Supermarktausweichenkann.

AngesichtsderzahlreichenWerbeprospektestelltmansofortfest,dasseinehohePreiselastizitätzu

einemhartenPreiskampfführt.NeueKund/inn/enkannmannurerreichen,wennmanglaubhaft

macht,dassgünstigereProdukteimRegalstehenalsbeianderenAnbietern.DiegleichenÜberle­

gungengelten,zurFreudederKonsument/inn/en,z.B.fürdenMobilfunkmarkt.Beieinerhohen

PreiselastizitäteinesGutskannmandahersehrofteinenhohenWerbeeinsatzundeinenständigen

PreiskampfderAnbieter/innenbeobachten.

• RauchenisteineSucht,undähnlichwiebeimBenzinlassensichhiervieleKonsument/inn/en

nichtdurcheinenhöherenPreisvomKaufabhalten.Dasweißauchder/dieFinanzminister/in,und

deshalbwerdenhäufiggeradeaufunelastischeGüterzusätzlichesteuern(wiez.B.dieMineralöl­

steueroderTabaksteuer)eingehoben.

• GrundnahrungsmittelwieBrotoderMilchsindinderRegelunelastisch,dasielebensnot-

wendigsindunddieKonsument/inn/endahernichtausweichenkönnen.

a) Finden Sie weitere Produkte und Dienstleistungen, von denen Sie annehmen, dass die Nachfrage unelastisch ist!

b) Überlegen Sie, ob Ihnen als Unternehmer/in eine elastische oder eine unelastische Nachfrage lieber wäre!

AUFGABE 7

24

1 Volkswirtschaft | MarktundPreis

Folgende Angaben sind auf Grund einer Marktstudie gegeben:Bei einem Preis von 100,00 € werden 10.000 Stück einer bestimmten Hose nachgefragt. Bei einem Preis von 110,00 € werden nur noch 9.500 Stück nachgefragt.a) Wie groß ist die Nachfrageelastizität?b) Ist die Nachfrage elastisch oder unelastisch?c) Die Produktionskosten pro Hose betragen 10 €. Welchen der beiden Preise (100,00

oder 110,00) wird ein Unternehmen wählen?Hinweis: Gewinn (G) = Umsatz (Preis x Menge) – Kosten

1.2.2.2AnalysevonEinkommensänderungenundTrends

neben dem Preis verändern auch andere Faktoren wie Einkommen, Trends oder Saisonen die nach-gefragte Menge. Eine Erhöhung des Einkommens führt in der regel zu einer höheren nachfrage (= rechtsverschiebung der nachfragekurve). Wenn die nachfrage (unabhängig vom Preis) steigt, sind die Menschen bereit, bei einem beliebigen Preis eine höhere Menge nachzufragen.

Veränderung Wirkung

Einkommen steigtEinkommen steigt

nachfrage steigt nachfrage nach minderwertigen Gütern sinkt

Qualität eines Guts steigt nachfrage steigt

Produkt liegt im Trend nachfrage steigt

Preis von Kaffee steigt nachfrage nach Tee steigt(Substitutionsgut: Kaffee und Tee decken einen ähnlichen Bedarf. Steigt der Kaffeepreis, kann Kaffee durch Tee ersetzt werden.)

Preis von Diesel steigt nachfrage nach Benzin (Substitutionsgut) steigtnachfrage nach Dieselautos (Komplementärgut) sinkt

Als Substitutionsgüter bezeichnet man Güter, die dieselben oder ähnliche Bedürfnisse erfüllen. Typi-sche Beispiele für Substitutionsgüter sind Butter und Magarine oder rind- und Schweinefleisch.

Komplementärgüter sind Güter, die gemeinsam nachgefragt werden, weil sie sich in ihrem nutzen er-gänzen. Folglich sinkt die nachfrage nach einem Gut, wenn der Preis seines Komplementärguts steigt. Typische Beispiele für Komplementärgüter sind Auto und Kraftstoff oder Walkman und Kopfhörer.

In welche Richtung verschieben folgende Faktoren die Nachfrage nach einem Gut? Bitte kreuzen Sie an:

nachfrage steigt nachfrage sinkt

Modetrend

Schlechtes Marketing

Unsicherheit der Bevölkerung

Hohes Wirtschaftswachstum

Werbekampagne

AUFGABE 8

AUFGABE 9

25

SiTUATiOn

1.2.3 AngebotvonGüternundDienstleistungen

InÖsterreichbeträgtdiedurchschnittlicheErntemengevonWein2,5Mio.HektarproJahr.Frost

undHagelhabenaberimvergangenenSommerderheimischenWeinwirtschaftzugesetzt;dieer­

warteteErntemengewirddeutlichniedrigersein.Folge:VieleWeinedürftenumbiszu20Prozent

teurerwerden.

1.2.3.1 Angebotsfunktion

Auch die Höhe des Angebots eines Guts (x) hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab (Preis des Guts, Verfügbarkeit und Kosten der Produktionsfaktoren, Stand der Technologie, Preise und Verfügbarkeit anderer Güter, Gesetze). in der Praxis zählen neben dem Marktpreis (p) die Produktionskosten zu den wichtigsten Bestimmungsfaktoren des Angebots.

Allgemein kann eine Angebotsfunktion wie folgt dargestellt werden:

x = f (Preis [p], Kosten der Produktionsfaktoren, Technologie, Gesetze, ...)

Kurzform:

x = f (p), andere Faktoren sind konstant

So wie bei der nachfragefunktion stellt sich auch hier zuerst die Frage, wie eine Erhöhung des Preises auf die angebotene Menge wirkt (unter der Voraussetzung, dass alle anderen Faktoren konstant ge-halten werden). im regelfall kann man davon ausgehen, dass bei einer Preiserhöhung auch die an-gebotene Menge steigt.

Begründung: Je höher der Preis eines Guts ist, desto mehr wird ein Unternehmen bestrebt sein, genau dieses Gut zu produzieren. Höhere Preise bei ansonsten konstanten Faktoren (v. a. Produktionskos-ten) stehen für höhere Erlöse und damit für bessere Gewinnchancen. D. h., je höher der Preis eines Guts ist, desto höher sind die Gewinne, die man mit diesem Gut erzielen kann. Je höher die Gewinne sind, die man mit einem Gut erwirtschaften kann, desto mehr Anbieter/innen werden sich finden, um dieses Gut zu produzieren und auf dem Markt anzubieten.

Beispiele:

• EsfindeteineGroßveranstaltungstatt(z.B.Fußball­EM,Olympiade),zudervieleBesucher/innen

erwartetwerden.IndieserZeitkannmanverschiedeneArtikelundProdukte(Getränke,Speisen)

umeinendeutlichhöherenPreisalssonstverkaufen.AusdiesemGrundwerdensichauchviele

zusätzlicheAnbieter/innenfinden,diedieseProdukteverkaufenmöchten.

• WirdmanseineArbeitskraftdortanbieten,wohoheLöhneoderwogeringereLöhnebezahltwer­

den?FürStellen,diegutbezahltsind,findensichinderRegelimmermehrArbeitskräfte,diebereit

sind,zuarbeitenbzw.ihreArbeitskraftanzubieten.

1.2.3.2AnalysevonKostensenkungenundTechnologieverbesserung

Auch bei der Angebotsfunktion führt die Veränderung der anderen Faktoren (Verfügbarkeit der Pro-duktionsfaktoren, Kosten der Produktionsfaktoren, Stand der Technologie, Preise und Verfügbarkeit anderer Güter, Gesetze) wieder zu einer Erhöhung oder zu einer Senkung des Angebotes (= Verschie-bung der Angebotsfunktion).

26

1 Volkswirtschaft | MarktundPreis

Durch eine technologische Innovation (oder durch Kostensenkungen) kann eine größere Menge eines Guts zu einem bestehenden Preis angeboten werden. Das Angebot nimmt also zu. Kostener-höhungen führen hingegen zu einer Verringerung des Angebots.

Veränderung Wirkung

Kosten sinken Angebot steigt

Kosten steigen Angebot sinkt

Verbesserung der Technologie Angebot steigt

Zuwanderung von Unternehmen Angebot steigt

1.2.4 Markt:ZusammenspielvonAngebotundNachfrageAuf einem Markt treffen nun Unternehmer/innen (= Produzent/inn/en) und Konsument/inn/en aufei-nander. Das Verhalten der Unternehmer/innen wird durch die Angebotsfunktion, das Verhalten der Konsument/inn/en durch die nachfragefunktion dargestellt. im Marktmodell treffen somit Angebot und nachfrage aufeinander. (Hinweis: Auch wenn im Marktmodell einige Annahmen getroffen werden, die in der Praxis fast nie gegeben sind, so kann dennoch mit diesem Modell eine Vielzahl von Fragen bezüglich der Preisbildung von Gütern beantwortet werden.)

Welcher Preis und welche Menge werden sich einstellen? Es stellt sich genau jener Preis ein, bei dem Angebot und nachfrage im Gleichgewicht sind. Der Gleichgewichtspreis ist somit der Preis, bei dem die angebotene Menge gleich der abgenommenen Menge ist. in einem Wettbewerbsmarkt liegt dieser Gleichgewichtspunkt im Schnittpunkt der Ange-bots- und Nachfragekurve.

Dafür gibt es eine einfache Erklärung: Wenn der Preis nicht gleich dem Gleichgewichtspreis ist, findet ein Anpassungsprozess statt. Dieser lässt sich wie folgt veranschaulichen:

Preis (p)

Menge x

NachfrageN

AngebotA

50

60

40

Angebots-überhang

Nachfrage-überhang

27

1) Preis über dem Gleichgewichtspreis

Bei einem Preis von z. B. 60 € liegt der Preis über dem Gleichgewichtspreis (50 €) und es besteht ein Angebotsüberhang. Die Anbieter/innen möchten um diesen Preis mehr anbieten und verkaufen, als die nachfrager/innen kaufen wollen. in dem Ausmaß, wie die produzierten, aber nicht verkauften Waren anwachsen, werden die miteinander konkurrierenden Anbieter/innen den Preis reduzieren. Aus diesem Grund tendiert der Preis bei einem zu hohen Preis, der zu einem Überangebot führt, nach un-ten in richtung Gleichgewichtspreis. D. h., liegt der festgelegte Preis der Unternehmer/innen über dem Gleichgewichtspreis, führen die Marktkräfte zu einer Preissenkung in richtung Gleichgewichtspreis.

2) Preis unter dem Gleichgewichtspreis

Liegt der festgelegte Preis unter dem Gleichgewichtspreis, besteht ein Nachfrageüberhang. Die Lagerhäuser werden sich leeren und enttäuschte Kund/inn/en, die keine Waren bekommen haben, treiben durch ihre nachfrage den Preis in die Höhe. Unternehmer/innen können auf einen nachfra-geüberhang reagieren, indem sie die Preise erhöhen. Zu geringe Preise führen somit zu einem nach-frageüberhang, der die Preise in richtung Gleichgewichtspreis steigen lässt.

Beispiel:

EingutesBeispielsinddieKonzertevonMegastarswieRobbieWilliamsoderdenRollingStones.Auch

beieinemPreisvonca.60,00€proKartesinddieKonzertesehrschnellausverkauft.Beidernächsten

TourneewerdendieKartenpreiseweitersteigen,dadieNachfrageauchbeidiesenPreisenimmernoch

höheralsdieZahlderPlätzeist.ErklärtwerdendiePreissteigerungenz.B.mitKostensteigerungen;

inWirklichkeitwirddiehoheNachfragedurchdenPreisabgeschöpft,umhoheGewinnezuerzielen.

Finden Sie Beispiele für einen Angebotsüberhang und einen Nachfrageüberhang, den Sie selbst erlebt haben. Wie waren in diesen Fällen die Reaktionen der Marktteilneh-mer/innen?

Mit dem Marktmodell können nun Preis- und Mengenänderungen in verschiedenen Märkten veran-schaulicht und analysiert werden. in der realität lassen sich jedoch nur einzelne Punkte beobachten, d. h., wir wissen z. B., dass im letzten Jahr eine bestimmte Menge zu einem bestimmten Preis verkauft wurde. Veränderungen von Preisen und Mengen werden nun auf die Veränderung von Angebot und nachfrage zurückgeführt. Diese Überlegungen sollen an Hand der folgenden Beispiele verdeutlicht werden:

Beispiele:

1) steigende Nachfrage

Waspassiert,wenndieNachfragez.B.aufGrunddesgestiegenen

EinkommensderBevölkerungoderaufGrundderTatsache,dass

diesesProduktimTrendliegt(z.B.RedBull),ständigansteigt?

DieAuswirkungenkönnenimMarktmodellanalysiertwerden.

DurchdiesteigendeNachfragesteigtderPreis,aberauchdie

verkaufteMenge.ErklärtwerdenkanndieserZusammenhang

durcheinelaufendeRechtsverschiebungderNachfragekurve.

SteigendeEinkommenodereinpositiverTrendfüreinProdukt

verschiebendieNachfragenachrechts.D.h.,sieerhöhendie

NachfrageundsteigerndamitdenPreissowiedienachgefragte

MengeeinesProdukts.

AUFGABE 10

p0

p1

x0 x1

Was wir beobachten:Steigender Preis undsteigende Menge

Menge (x)

Preis (p)

28

1 Volkswirtschaft | MarktundPreis

2) sinkende Produktionskosten

Waspassiert,wennzusätzlicheAnbieteraufeinen

MarktkommenoderdieProduktionskostenauf

GrunddestechnologischenFortschrittesabnehmen?

ErklärtwerdenkanndieserZusammenhangdurch

eineRechtsverschiebungderAngebotskurve.Eine

steigendeZahlanAnbieter/inne/noderverbesserte

ProduktionsbedingungenverschiebendasAngebot

nachrechts.D.h.,sieführenzusinkendenPreisen,

unddiesebewirkenwiederumeineErhöhungder

nachgefragtenundverkauftenMenge.

3) analyse des lebensmittelmarkts bei der BsE-krise

→ BsE-krise: Geflügelfleisch wird teurer, rind billiger. „DieNachfragenachGeflügelistexplo­

diert“,weißderGeflügelzüchterHermannHuber.DerGrundistnatürlichdieBSE­Krise.Sielässt

auchweiterdiePreisesteigen.HuberberichtetvonPreissprüngenvon15bis30Prozent;sokostet

Hendlfleischnunstatt3€/kgrund4€/kg.

DasGustostückunddasSchnitzelvomRindhabensichlauteinemFleischexpertenum0,5bis1€pro

KilogrammfürdenKundenverbilligt.

Die Praxis stimmt mit dem Modell überein. Eine steigende nachfrage (n0 –> n1) führt bei gleich blei-bendem Angebot (A0 = A1) zu steigenden Preisen (p0 –> p1), während eine sinkende nachfrage (n1 <– n0) zu sinkenden Preisen (p1 <– p0) führt.

4) analyse des Ölmarkts

DerRohölpreisistwiedergestiegenundliegtdamitsohochwieseitzweiMonatennichtmehr.Als

ErgebnisderhohenÖlpreisehatderBenzinpreisauchinÖsterreicheinJahreshocherreicht,Benzin

wurdeum2CentjeLiterteurer.

AlsGrundfürdenschnellenÖlpreisanstiegwerdendieWartungsarbeitenanRaffineriengenannt.Der

bisherigeRekordpreiswarnachdemverheerendenTropensturmerreichtworden.Preistreibendwirken

auchdieKrisenrundumdenIranundinNigeria.

Menge x:Geflügel

Menge x:Rindfleisch

N0 A0 = A1

Preispro kg (p)

Preispro kg (p)

N1

x1

p0

p1p0

p1

x0 x1 x0

SteigendeNachfrage

N0 A0 = A1

N1

SinkendeNachfrage

Preis (p)

p 1

p 0

Menge (x)x 0 x 1

Was wir beobachten:Sinkender Preis undsteigende Menge

29

AuchamÖlmarktstimmtdasMarktmodellmitder

Realitätüberein.Wartungsarbeiten,Tropenstürme

undKrisenführenbeigleichbleibenderNachfrage(N0

=N1)zueinerVerknappungdesAngebots(A0–>A1).

EineVerknappungdesAngebotsführtwiederumzuei­

nerErhöhungderPreisefürÖlundBenzin(p0–>p1).

a) Die Apfelernte ist heuer geringer ausgefallen als im letzten Jahr. Welche Preiseffekte sind zu erwarten? Angenommen, die Nachfrage nach Äpfeln ist unelastisch. Wie wirkt sich die geringere Apfelernte auf den Erlös (= Umsatz) der Apfelbauern aus?

b) Welchen Effekt haben steigende Löhne auf den Preis eines Guts? Stellen Sie Ihre Überlegungen im Marktmodell dar.

c) In einer Zeitung finden Sie folgende Nachricht: „Spekulanten treiben den Kaffeepreis hoch. Der internationale Kaffeemarkt ist zurzeit fest im Griff von Fonds und anderen spekulativ orientierten Finanzinvestoren. Der Preis für Rohkaffee der führenden Sorte Arabica ist um mehr als 30 Prozent in die Höhe geschossen.“ Erläutern Sie, warum der Preis steigt.

d) Analysieren Sie: Welche Gründe sind für den steigenden (oder fallenden) Ölpreis derzeit verantwort-lich? Was sind die angebots- und nachfragespezifischen Bestimmungsfaktoren des Ölmarkts? Wo wird der Ölpreis am Ende des Jahres Ihrer Einschätzung nach liegen? Begründen Sie Ihre Aussage!

Zusammenfassung

• AufdemMarkt treffen Anbieter/innen (= Unternehmer/innen) sowie Nachfrager/innen (Konsu-ment/inn/en) aufeinander. Durch das Zusammenspiel von Angebot und nachfrage wird entschie-den, welche Güter und wie viel von diesen Gütern produziert und konsumiert werden.

• DieNachfragefunktion ist die Beziehung zwischen dem Preis eines Guts und der nachgefragten Menge.

• DasGesetz der Nachfrage besagt, dass bei steigenden Preisen die nachfrage nach einem Gut sinkt.

• DiePreiselastizität misst den Zusammenhang zwischen Preissteigerung und Mengenrückgang. Die Elastizität drückt aus, um wie viel Prozent die nachgefragte Menge sinkt (steigt), wenn der Preis um ein Prozent steigt (sinkt).

• Veränderungen von Einkommen, Qualität oder Trends führen zu einer Verschiebung der nachfra-gefunktion. Grundsätzlich gilt: Steigt die nachfrage, verschiebt sich die nachfragefunktion nach rechts; sinkt die nachfrage, verschiebt sich die nachfragefunktion nach links.

• DieAngebotsfunktion ist die Beziehung zwischen dem Preis eines Guts und der angebotenen Menge. in der regel erhöhen die Unternehmen das Angebot ihrer Güter, wenn der Preis steigt. Hö-here Preise sind gleichbedeutend mit höheren Gewinnen pro Stück.

• Veränderungen von Kosten oder der Technologie führen zu einer Verschiebung der Angebotskur-ve. Grundsätzlich gilt: Steigt das Angebot, verschiebt sich die Angebotsfunktion nach rechts, sinkt das Angebot, verschiebt sich die Angebotsfunktion nach links.

x0

N0 = N1

A0

p0

p1

x1

A1Preispro Liter(p)

Menge (x):Öl, Benzin

Sinkendes Angebot

AUFGABE 11

30

1 Volkswirtschaft | MarktundPreis

• AngebotundNachfrageführenzueinemGleichgewichtspreis und zu einer Gleichgewichts-menge. Zu hohe Preise führen zu einem Angebotsüberhang (das Angebot ist höher als die ent-sprechende nachfrage), zu geringe Preise zu einem nachfrageüberhang (die nachfrage ist höher als das entsprechende Angebot).

• Einesteigende Nachfrage führt in der regel zu steigenden Preisen, während eine sinkende nachfrage zu sinkenden Preisen führt.

• Eingestiegenes Angebot führt zu sinkenden Preisen, während ein gesunkenes Angebot zu stei-genden Preisen führt.

Lernkontrolle

01 Was ist die Funktion des Marktes?

02 Wer sind die (volkswirtschaftlichen) Akteure auf den Märkten?

03 Was versteht man unter einer nachfragefunktion?

04 Was versteht man unter der Preiselastizität?

05 Wie hoch ist ihrer Meinung nach die Preiselastizität– für den öffentlichen Verkehr?– für Medikamente?– für Brot?

– für einen iPod?– für ein Snowboard?– für Markenjeans?

06 Wie beeinflussen Einkommensveränderungen, unterschiedliche Qualitäten oder Trends die nach-fragefunktion?

07 nennen Sie je ein Substitutions- und ein Komplementärgut für folgende Güter:– Mountainbike– Schikarte– Handytarif

– Moped– Kinokarte– Cornflakes?

08 Warum steigt das Angebot eines Guts, wenn der Preis steigt?

09 Was versteht man unter dem Begriff „Gleichgewichtspreis?“

10 Wann spricht man von einem Angebotsüberhang, wann von einem nachfrageüberhang?

11 Wie verschieben steigende Löhne die Angebotsfunktion?

12 Wie verändert die Abwanderung von Unternehmen die Angebotsfunktion?

13 Der zunehmende Anbau von Biodiesel verringert die Produktion von nahrungsmitteln. Zeigen Sie im Marktmodell, wie sich die Preise von nahrungsmitteln auf Grund der Verknappung der Anbau-fläche verändern!

14 Auf Grund des zunehmenden Alters der Bevölkerung steigt die nachfrage nach Medikamenten. Zeigen Sie im Marktmodell, wie sich die Preise von Medikamenten verändern werden!

31

1Volkswirtschaft | Budgetpolitik

LErnZiELE

LEiTFrAGEn

SiTUATiOn

1.3 Budgetpolitik: Die Einnahmen und ausgaben des staates

… wissen, was man unter dem Staat versteht und wie er sich finanziert.… die verschiedenen Ausgabenschwerpunkte des österreichischen Bundesbudgets

kennen.… die wichtigsten Einnahmequellen des Staates kennen.… über die Einkommensteuer Bescheid wissen und sie berechnen können.… wissen, was man unter dem Finanzausgleich versteht.… verschiedene Begriffe der Verschuldung kennen lernen.… die Vorteile und Nachteile der Staatsverschuldung kennen.

Empfehlung des staatsschuldenausschusses zur Budgetpolitik und deren finanzierung 2009

„[...]Insgesamtistfür2009und2010mitbudgetrelevantenZusatzausgabenundEinnahmenausfällen[…]inderGrößenordnungvon4MrdEURzurechnen.IndieserSummenichtenthaltensindbudge­täreEffektedurchdasFinanzmarktpaket,dieausheutigerSichtimJahr2009nichtzuerwartensind.

DerStaatsschuldenausschussempfiehlt[…]für2009Folgendes:

•StabilisierendeMaßnahmendesStaatesinerheblichemUmfang,umdieFinanzkriseundihrerealökonomischenFolgewirkungenabzufedernunddabeidiefiskalischeNachhaltigkeitimAugezubehalten.StaatlicheMaßnahmenpaketesetzeneinenbudgetärenHandlungsspielraumvoraus.Nureinglaubhafter,solidermittelfristigerBudgetpfad,derdiehervorragende→ BonitätderRepublikÖster­reichkeinesfallsinZweifelstellt,eröffneteinensolchenSpielraumfürdieBudgetpolitik.

•KonjunkturbedingteEinnahmenausfälleundAusgabenausweitungenimBudgetvollwirkenzulassenund[…]zeitlichbegrenzteMaßnahmenmitwachstumsfördernderWirkung(z.B.VorziehenvonInfrastrukturinvestitionen,StärkungdesHumankapitals,ReduktionderSteuerlastaufdemFaktorArbeit,KreditlinienfürInvestitionen)zusetzen,dieeineRück­führungderDefizitausweitunginwei­tererFolgeerleichtern.[…]“

Quelle:EmpfehlungdesStaatsschuldenausschusses,Dezember2008

Welche Aufgaben übernimmt der Staat in einer Volkswirtschaft und wie werden diese •durch das Bundesbudget finanziert?

neben dem „Markt“ ist der „Staat“ die zweite wichtige Organisationsform, in der Entscheidungen über die Versorgung einer Volkswirtschaft mit Gütern und Dienstleistungen festgelegt werden. Wäh-rend am Markt das „Preissystem“ und die Macht des Geldes eine entscheidende rolle spielen, ent-scheiden im Staat Wähler/innen, Politiker/innen zusammen mit der öffentlichen Verwaltung und zu einem erheblichen Teil auch Interessengruppen (Österreichischer Gewerkschaftsbund, Arbeiter-kammer, Wirtschaftskammer, industriellenvereinigung) darüber, welche Güter und Dienstleistungen durch die öffentliche Hand bereitgestellt werden. Diese Entscheidungen im Staat betreffen sehr viele Menschen. Es ist ein großer Unterschied, ob man zusätzliche Budgetmittel für neue Abfangjäger oder für eine Anhebung der Pension verwendet.

Der Markt und damit die Wirtschaft stehen in engem Zusammenhang mit den politischen Akteur/inn/en (regierung, Parteien, Wähler/innen, interessenvertretungen), der wie folgt verdeutlicht werden kann:

32

1 Volkswirtschaft | Budgetpolitik

Die Wähler/innen wählen durch ihr Abstimmungsverhalten eine regierung, die für eine bestimmte Zeit die regierungsgeschäfte übernimmt. im Parlament werden eine Vielzahl von Gesetzen sowie das Budget verabschiedet, die in weiterer Folge direkt die Wähler/innen bzw. die Wirtschaft (also Unter-nehmer/innen, Arbeitnehmer/innen, Konsument/inn/en) betreffen. Ein Gesetz zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen betrifft z. B. alle Arbeitnehmer/innen und alle Unternehmer/innen (= Arbeitgeber/innen) und somit die gesamte Wirtschaft. Ebenso wirken Veränderungen in der Steuergesetzgebung auf alle Steuerzahler/innen und somit auf die gesamte Wirtschaft.

1.3.1 Weristder„Staat“?Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten, da wir eigentlich alle der Staat sind. Dennoch meint man in der regel mit „Staat“ die drei großen öffentlich-rechtlichen → Gebietskörperschaften. Di-ese untergliedern sich in Österreich in den

Bund, d. h. der Staat Österreich als Gebietskörperschaft,•die neun Bundesländer (oft auch nur als „Länder“ bezeichnet) sowie die •2.357 Gemeinden als eigenständige Gebietskörperschaften.•

a) Finden Sie entweder über das Internet oder z. B. durch einen Anruf bei der Landesre-gierung (Servicestelle, Bürgertelefon oder Ähnliches) heraus, wie viele Gemeinden sich in Ihrem Bundesland befinden.

b) In welchem Bundesland (Wien ausgenommen) gibt es die meisten Gemeinden, in wel-chem die wenigsten? Informieren Sie sich dazu beim Österreichischen Gemeindebund, Löwelstraße 6, 1010 Wien; Tel. 01/512 14 80 (Fax: DW 72); www.gemeindebund.at.

Der Wille der öffentlichen Hand kommt in den Gesetzen und sehr deutlich in der Erstellung der ein-zelnen Budgets zum Ausdruck. Unter einem öffentlichen Budget versteht man die Gegenüberstel-lung der Einnahmen und Ausgaben der öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften. Mit der Auf-stellung von Budgets oder Haushaltsplänen steuern die Gebietskörperschaften die Finanzen ihrer Körperschaft. nicht umsonst wird das Amt des Finanzministers/der Finanzministerin oder das Amt eines Landesrates/einer Landesrätin für Finanzen als eines der wichtigsten und einflussreichsten Ämter angesehen.

was ist ein Budget?

EinenverbindlichenHaushaltsplan,dereineGegenüberstellungvongeplantenAusgabenundge­

schätztenEinnahmenfüreinJahrenthält,nennenwireinBudget(inderösterreichischenVerwaltungs­

spracheauchalsVoranschlagbezeichnet).BudgetsbildeneinenRahmen,setzenGrenzenundbietenOri­

entierungen.BudgetssinddamiteinesderwichtigstenInstrumentedesöffentlichenManagements.Da

indenVoranschlägendiebudgetpolitischenMaßnahmenderRegierungzumAusdruckgebrachtwerden,

wirddasBudgetmanchmalauch„dasinZahlengegosseneRegierungsprogramm“genannt.

Budgetkreislauf

Unter„Budgetkreislauf“verstehtmandenProzessvonder

EntstehungüberdenVollzugdesBudgetsbishinzumRech­

nungsabschluss.EinsolcherKreislaufbestehtausfolgenden

Elementen:

AUFGABE 12

Erstellung des Budgets

Parlamentarische Beschlussfassung

Budgetergebnis und Budgetkontrolle

Budgetvollzug

33

1) Budgeterstellung

Der/dieFinanzminister/inerstelltimEinklangmitderRegierungdasBundesbudget.IndenBudget-

erstellungsrichtlinien werdenfürjedesBudgetkapiteldieBudgeteckdatenvorgegeben.

2) Parlamentarische Beschlussfassung

DererstellteEntwurf des Bundesvoranschlags mussimParlamenteingebrachtwerden.Unmittel­

barnachderEinbringungimParlamenterklärtder/dieFinanzminister/ininseiner/ihrerBudgetrede

demNationalratdenBudgetentwurf.KnappvorWeihnachtenerfolgtinderRegeldieBeschlussfas-

sung.

3) Der Budgetvollzug

BeidenzahlenmäßigbeschlossenenEinnahmen­undAusgabenansätzeneinesBudgetswieauchbeim

StellenplanhandeltessichumObergrenzen,diezwarunter­,abernichtüberschrittenwerdendürfen.

InwelchenFällender/dieFinanzminister/indavonabweichenbzw.Umschichtungenvornehmendarf,

istimBundesfinanzgesetz genaufestgelegt.Der/dieFinanzminister/inhatimBudgetvollzugnatur­

gemäßeinerelativstarkeStellung.ErgibtsichimBudgetvollzugdieNotwendigkeitvonMehrausgaben

gegenüberdenBudgetansätzen(etwaaufGrundvonunvorhergesehenenEreignissen),dannistdafür

eineÄnderungdes Bundesfinanzgesetzes notwendig.

4) Budgetergebnis und Budgetkontrolle

DasErgebniseinesFinanzjahres(=Kalenderjahres)stehtEndeFebruardesnächstenJahresfest.

Dannwirddervorläufige Gebarungserfolg derÖffentlichkeitpräsentiert.DiesesvorläufigeErgeb­

niswirdanschließendvomRechnungshof(sieheBandII,Kap.6.4.6)einerumfangreichenPrüfung

unterzogen.ImVordergrundstehendabeidieSparsamkeit,diewirtschaftlichkeit unddieZweck-

mäßigkeit derAusgabenundEinnahmen.DieErgebnissewerdenineinemBericht,demBundes-

rechnungsabschluss,festgehalten.

Die Ausgaben der unterschiedlichen Gebietskörperschaften:

Gesamtausgaben nach Rechtsträgern 2004 – 2007 (in 1.000 EUR)

rechtsträgerGesamtausgaben

2004 2005 2006 2007

Bund 95.203.478 98.311.879 109.651.041 129.462.343

Bundesfonds insgesamt 3.719.101 3.801.413 3.770.661 3.389.059

Ausgegliederte Bundeseinheiten insgesamt 1.003.586 1.020.869 1.207.525 1.243.849

Hochschulsektor insgesamt 2.727.459 2.905.925 3.048.290 3.288.303

Länder ohne Wien insgesamt 21.537.735 24.385.492 24.583.307 25.608.266

Landesfonds insgesamt 5.836.540 5.807.248 6.448.469 6.662.532

Ausgegliederte Landeseinheiten insgesamt 311.902 314.765 338.319 392.628

Wien 9.545.034 9.699.827 10.150.068 10.523.666

Wiener Fonds insgesamt 1.782.151 2.202.694 2.281.267 2.383.306

Ausgegliederte Einheiten Wien 42.619 51.227 54.017 62.206

Gemeinden ohne Wien insgesamt 14.588.769 15.188.643 15.229.140 16.083.510

Gemeindeverbände insgesamt 2.708.879 2.642.864 2.841.311 3.015.220

Gemeindefonds 27.176 24.191 26.235 24.727

Ausgegliederte Gemeindeeinheiten insgesamt 49.473 57.387 54.574 56.467

Kammern insgesamt 2.002.752 2.109.394 2.100.846 2.223.767

Sozialversicherungsträger insgesamt 46.147.964 43.888.197 44.576.279 47.736.613

Insgesamt 207.234.618 212.412.015 226.361.349 252.156.462

Quelle: STATiSTiK AUSTriA rechnungsabschlüsse – Erstellt am 15.5.2009.

34

1 Volkswirtschaft | Budgetpolitik

Die Abbildung zeigt, dass neben dem Bund, den Ländern und den Gemeinden eine Vielzahl von rechtsträgern bestehen. Ein Vergleich der einzelnen Budgets der unterschiedlichen Gebietskörper-schaften zeigt jedoch deutlich das Übergewicht des Bundes auf. Die größten und wichtigsten Aufga-ben im Staat werden nämlich vom Bund übernommen. Daher sehen wir uns im Folgenden die Einnah-men und Ausgaben des Bundes näher an. (neben dem Bund erfüllen die Sozialversicherungsträger, die in Kap. 1.4.3.5 erläutert werden, eine Vielzahl von Aufgaben.)

1.3.2 DieAusgabendesösterreichischenBundesbudgetsDie Struktur der Ausgaben des österreichischen Bundesbudgets vermittelt einen Eindruck davon, wel-che Aufgabenfelder in Österreich vom Staat als wichtig erachtet werden.

Ausgaben des Bundes nach den wichtigsten Aufgaben (in Mio. €)

Quelle: Bundesministerium für Finanzen, Bundesvoranschlag 2008 (BVA = Bundesvoranschlag)

1.3.2.1 AufgabenundAusgabendesSozialstaats(SozialeWohlfahrtundGesundheit)

Es fällt auf, dass Österreich ein „Sozialstaat“ ist, in dem ein großer Anteil an öffentlichen Ausgaben für soziale Zwecke verwendet wird.

SozialversicherungEin großer Teil der Budgetmittel für soziale Zwecke fließt in die Sozialversicherung (insbesondere in die Pensionsversicherung) zur Finanzierung der Pensionen. Die Sozialversicherung ist eine eigen-ständige institution außerhalb des Bundesbudgets und besteht aus der Pensionsversicherung, der Krankenversicherung und der Unfallversicherung. (Mehr zum Thema Sozialversicherung finden

23.619

4.770

7.670

6.012

1.595

889

1.803

880

9.646

7.084

6.604

4.039

4.679

9.803

4.395

69.869

BVA 2008

Soziale Wohlfahrt und Gesundheit

Arbeitsmarktpolitik

Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen

Sozialversicherung

Leistungen nach dem Bundespflegegeldgesetz

Gesundheit

Wohnungsbau

sonstige sozialpolitische Ausgaben

Hoheitsverwaltung (ohne Finanzierungen)

Straßen und Verkehr

Erziehung und Unterricht

Staats- und Rechtssicherheit, Landesverteidigung

Ausgaben für Finanzierungen

Sonstiges

SUMME

Forschung und Wissenschaft

35

Sie im Kapitel 1.4.3.5.) Der Bund übernimmt die Defizite in der Pensionsversicherung (= Bundesbei-trag). D. h., alle Pensionszahlungen, die nicht durch die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge abge-deckt sind, werden über das Bundesbudget finanziert.

ArbeitsmarktpolitikAuch die Arbeitslosenversicherung ist im Bundesbudget verankert. im rahmen der Arbeitsmarkt-politik werden Arbeitslosenunterstützungen (= Arbeitslosengelder, Transfers an Arbeitslose, siehe Kap. 1.4.3.1) gezahlt, aber auch für Schulungen und Weiterbildungsmaßnahmen werden öffentliche Gelder verwendet, um arbeitslos gewordene Arbeiter/innen und Angestellte wieder in das Berufsle-ben zu integrieren. institutionell werden diese Ausgaben vom AMS (Arbeitsmarktservice) verwaltet.

Ausgleichsfonds für FamilienbeihilfenDie Förderung der Familien ist ein zentrales Element des Staates, weil die Familie das Kernstück des Staates ist und damit sein Bestehen sichert. Durch den Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) wird ei-ne Vielzahl von Leistungen für die Familien finanziert. Die wichtigsten Ausgabeposten sind die Famili-enbeihilfe und das Kinderbetreuungsgeld.

Leistungen nach dem Bundespflegegesetzimmer mehr Menschen werden immer älter. Demnach steigt die nachfrage nach Pflegedienstleis-tungen. Da die Kosten für professionelle Pflege oder einen Heimplatz alleine kaum finanzierbar sind, übernimmt der Staat einen Teil der Kosten (Pflegegeld).

Ausgaben für Gesundheitim Bereich der Gesundheitsversorgung beteiligt sich der Bund in erster Linie an der Finanzierung der Krankenhäuser. Weiters für das Gut „Gesundheit“ verantwortlich sind die Länder, die Gemeinden und die Krankenversicherungen (siehe S. 56).

WohnbauDer Bund beteiligt sich an der Wohnbauförderung, die in erster Linie aber von den Ländern übernom-men wird. im rahmen der Wohnbauförderung werden günstige Kredite und Zuschüsse zur Wohnraum-schaffung vergeben.

1.3.2.2Hoheitsverwaltung

in diesen Aufgabenbereich fallen nicht nur die Verwaltungsausgaben, sondern auch die Pensionszah-lungen für die Beamt/inn/en des Bundes und der Landeslehrer/innen sowie die Zahlungen an die Län-der und Gemeinden.

1.3.2.3AusgabenfürStraßenundVerkehr

Eine wesentliche Aufgabe des Staates ist die Erstellung und Erhaltung der öffentlichen Infrastruk-tur. im Budgetkapitel „Verkehr“ finden sich die Ausgaben für den Straßenbau und -erhalt, aber auch die Ausgaben für den öffentlichen Verkehr, wie z. B. die ÖBB.

1.3.2.4AusgabenfürErziehung/UnterrichtundForschung/Wissenschaft

Der Bund finanziert die Gymnasien und berufsbildenden Schulen sowie die Universitäten und Fach-hochschulen. Die Kindergärten, Volks- und Hauptschulen werden von den Ländern und Gemeinden finanziert.

neben der Schulbildung, die einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau von Wissen und → Human kapital leistet, versucht der Bund im Besonderen Innovationen und Erfindungen zu fördern. Dabei werden

36

1 Volkswirtschaft | Budgetpolitik

SiTUATiOn

Unternehmen, F&E-(= Forschungs- und Entwicklungs-) Einrichtungen, innovationszentren, Universi-täten, aber auch eigens eingerichtete Forschungsstätten mit öffentlichen Mitteln und → Subventionen unterstützt und finanziert.

1.3.2.5AusgabenfürStaats­undRechtssicherheitsowieLandesverteidigung

Unter diesem Aufgabenbereich werden die Ausgaben für Polizei, Gerichte, Gefängnisse sowie Lan-desverteidigung erfasst. Die Erhaltung des Rechtssystems ist ebenso eine wichtige Aufgabe des Staates. Es kann gezeigt werden, dass ein hoher Zusammenhang zwischen einem funktionierenden rechtssystem und dem Wirtschaftswachstum einer Volkswirtschaft besteht.

1.3.2.6AusgabenfürFinanzierung

Übersteigen die Ausgaben des Bundes die Einnahmen, müssen Kredite aufgenommen werden. Die Summe der Kredite des Staates führt zur gesamten Staatsverschuldung. im ordentlichen Budget-haushalt werden die Zinszahlungen ausgewiesen, die für die gesamten Schulden zu begleichen sind. neben den rückzahlungen ist die Höhe der Zinszahlungen ein wesentliches Problem der Staats-verschuldung. Sie schränken den Budgetspielraum ein, da diese Mittel nicht für andere Zwecke ein-gesetzt werden. Je höher die Staatsschuld, desto höher die Zinszahlungen. Je höher die Zins- und rückzahlungen, desto geringer der Budgetspielraum. Mehr zur Verschuldung der öffentlichen Haus-halte findet sich im Kapitel 1.3.5.

Nennen Sie mindestens drei durch Staatsausgaben finanzierte Bereiche, Einrichtungen oder Formen der Unterstützung, die Sie selbst betreffen bzw. die Sie in Anspruch nehmen.

1.3.3 DieEinnahmendesStaates

„steuerreform: ,schlechtestes steuersystem der welt‘

Wien.Ungerecht,wachstumshemmendundschwarzmarktfördernd.Schlicht:dasösterreichische

Abgaben­undSteuersystemseidasschlechtestederWelt,sagtKarlAiginger,Chefdesösterrei­

chischenWirtschaftsforschungsinstituts.DennschonkleinsteEinkommenvonzwei­oderdreihun­

dertEurowerdenmitdem20­prozentigenSozialversicherungsbeitragbelastet.

InSummeliegtdieAbgabenbelastunginÖsterreichzweiProzentüberdemwesteuropäischen

Durchschnitt.ÖsterreichhatdamitdieachthöchsteAbgabenquotealler30OECD­Staaten:42,1

ProzentdergesamtenWirtschaftsleistungsind2006inSteuernundSozialabgabengeflossen,der

OECD­Schnittlagbei36,2Prozent.

DerWirtschaftsforschersprachsichdaherbeieinerPodiumsdiskussionfüreineEntlastungdes

FaktorsArbeitaus.Umdaszufinanzieren,befürwortetereineVermögenszuwachssteuer.Nicht

aber,umzusätzlicheAusgabenzufinanzieren.(...)“

Quelle:„DiePresse“,04.07.2008;OECD=OrganisationfürwirtschaftlicheZusammenarbeitundEntwicklung

Zur Finanzierung ihrer Aufgaben und Ausgaben benötigt jede Gebietskörperschaft Einnahmen. Die öffentlichen Gebietskörperschaften (Bund, Land, Gemeinden, Sozialversicherungsträger u. a.) können sich über Abgaben und über die Kreditaufnahme finanzieren.

AUFGABE 13

37

Abgaben können in Form von Steuern, Beiträgen oder Gebühren eingehoben werden. Bei Steuern besteht kein unmittelbarer Anspruch auf eine Gegenleistung vom Staat. Während bei Beiträgen ein gewisser Zusammenhang zwischen der finanziellen Leistung der Staatsbürger/innen und der Leistung des Staates besteht, ist eine Gebühr mit dem Preis von Gütern zu vergleichen. Bei der Gebühr (z. B. Studiengebühr) besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung.

BeispielefürunterschiedlicheAbgaben:

• steuern:z.B.Einkommensteuer,Lohnsteuer,Umsatzsteuer

• BeiträgeandieSozialversicherungsträger:Pensions­,Kranken­undUnfallversicherung;

BeiträgeanöffentlicheGebietskörperschaftenfürWasseranschluss,Kanalanschluss,Kindergarten

• Gebühren:z.B.Studiengebühr,Müllgebühr,Rezeptgebühr,Friedhofsgebühren

im österreichischen Bundesbudget spielen Beiträge und Gebühren eine geringere rolle. Sie sind je-doch wichtige Finanzierungsinstrumente für die Länder und Gemeinden.

1.3.4 DieEinnahmendesösterreichischenBundesbudgets

Quelle: Bundesministerium für Finanzen, Bundesvoranschlag 2008

Die Finanzierung des Bundes (in Mio. €)BVA 2008

–19.341

abzüglich Überweisungen an die EU–2.500

2.850 Veranlagte Einkommensteuer

Öffentlich Ausgaben brutto 65.880

Öffentlich Abgaben netto 44.039

20.000 Lohnsteuer

1.550 Kapitalertragsteuer auf Zinsen

Körperschaftsteuer

Kraftfahrzeugsteuer

5.900

21.700 Umsatzsteuer

270 Zölle

1.35 Tabaksteuer

3.800 Mineralölsteuer

850 Stempel und Rechtsgebühren

750 Energieabgabe

530 Normverbrauchsabgabe

1.420 Motorbez. Versicherungssteuer

90

4.820 Sonstige Abgaben

Gesamteinnahmen 66.902

Steuerähnliche Abgaben 8.675

4.662

3.985

Überweisungen (Abgabenanteile) 1.935

Sonstige Einnahmen des allg. Haushaltes 12.253

davon Arbeitslosenversicherungsbeiträge

davon Dienstgeberbeiträge zum FLAF

abzüglich Überweisungen an Länder, Gemeinden u.a.

38

1 Volkswirtschaft | Budgetpolitik

1.3.4.1 LohnsteuerundveranlagteEinkommensteuer

Die Einkommensteuer besteuert das Einkommen. Darunter versteht man den Gesamtbetrag, der je-mandem aus einer oder mehreren der folgenden sieben Einkunftsarten zufließt:

Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft •Einkünfte aus selbstständiger Arbeit •Einkünfte aus Gewerbebetrieb •Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit •Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung •Einkünfte aus Kapitalvermögen •Sonstige Einkünfte•

Die Lohnsteuer ist die Einkommensteuer der unselbstständig Beschäftigten (siehe oben „Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit). Die Bemessungsgrundlage für die Einkommen- und Lohnsteuer ist das Einkommen einer natürlichen Person. Die Steuersätze der Lohnsteuer sind die gleichen wie bei der Einkommensteuer. Seit der vorletzten Steuerreform in Österreich im Jahre 2005 spricht man von einem „Bierdeckeltarif“. Die idee dahinter war, die Einkommensteuer so einfach zu gestalten, dass sich jedermann seine eigene Steuerschuld auf einem Bierdeckel ausrechnen kann. Mit der Steuerre-form 2009 wurde der Tarif etwas abgesenkt:

Der Tarif der österreichischen Einkommensteuer

Jahreseinkommen in €

Berechnungsformel zur Steuerschuld

Grenzsteuersatz (mehr dazu auf der nachfolg. Seite)

bis 11.000 0 % 0 %

11.000 bis 25.000 (Einkommen–11.000)•5.110/14.000 36,5 %

25.000 bis 60.000 (Einkommen–25.000)•15.125/35.000+5.110 43,2143 %

über 60.000 (Einkommen–60.000)•0,5+20.235 50 %

Hinweis: Verschiedene Absetzbeträge (wie z. B. Alleinverdienerabsetzbetrag, Alleinerzieherabsetzbe-trag u. a.) werden bei der Berechnung der Steuerschuld nicht berücksichtigt. Diese werden nach Fest-legung der Steuerschuld in Abzug gebracht.

Beispiel:

BirgitarbeitetalsselbstständigetechnischeZeichnerinundverfügtübereinEinkommenvon22.400€

brutto.IhreEinkommensteuerschuldliegtdaherbei

(22.400–11.000)*5.110/14.000=4.161

Wie hoch ist die Einkommensteuer bei einem Einkommen vona) 12.000,00 € brutto im Jahr?b) 20.000,00 € brutto im Jahr?c) 100.000,00 € brutto im Jahr?

AUFGABE 14

39

Entscheidend für die Beurteilung einer Steuer ist der Grenzsteuersatz. Er gibt an, um wie viel mehr Steuern zu zahlen sind, wenn man um 1 € mehr verdient.

Ein Einkommen bis zu 11.000,00 € pro Jahr ist in Österreich steuerfrei, da diese Größe als Existenz-minimum angesehen wird. Ab einem Einkommen von 11.000,00 € fließen von jedem verdienten Euro knappe 40 % in das Bundesbudget. Der höchste Grenzsteuersatz (= Spitzensteuersatz) beträgt in Österreich 50 % und kommt ab einem Einkommen von 60.000,00 € zum Tragen.

Für Sportler/innen, die oft in wenigen Jahren ihr Lebenseinkommen verdienen (müssen), gelten Aus-nahmeregelungen. Sie zahlen einen geringeren Steuersatz auf ihr Jahreseinkommen.

Das Einkommen aus Sparguthaben wird durch die Kapitalertragsteuer auf Zinsen erfasst. in Öster-reich beträgt die Kapitalertragsteuer (KESt) einheitlich 25 %. Die österreichische KESt ist als Abgel-tungssteuer konzipiert und wird daher bei der Berechnung des steuerpflichtigen Einkommens nicht mehr miteinbezogen.

1.3.4.2Körperschaftsteuer

Die Körperschaftsteuer (KSt) ist die Einkommensteuer der Kapitalgesellschaften (→ AG, → GmbH). Sie beläuft sich auf 25 % des Gewinns einer Gesellschaft.

1.3.4.3Umsatzsteuer

Die Steuer mit dem höchsten Aufkommen im österreichischen Bundesbudget und damit die wichtigste Steuer ist die Umsatzsteuer. Die Bemessungsgrundlage ist der Umsatz. Die Umsatzsteuer wird zwar von den Unternehmer/inne/n an das Finanzamt abgeführt, getragen werden muss sie aber von den Konsument/inn/en. Durch die Umsatzsteuer steigt der Preis einer Ware um den Umsatzsteuersatz in der Höhe von 20 %. Einzelne Güter und Dienstleistungen wie Speisen, Bücher oder Bildungsleistungen werden nur mit 10 % besteuert.

1.3.4.4Zölle

Zölle spielen im vereinten Europa nur eine untergeordnete rolle.

1.3.4.5Tabaksteuer

Mit der Tabaksteuer werden Zigaretten, Zigarren und andere Tabakwaren besteuert. Sie wird in Pro-zent des Kleinverkaufspreises berechnet. nur ein kleiner Teil der Einnahmen aus der Tabaksteuer wird für die raucherprävention und -aufklärung verwendet.

1.3.4.6Mineralölsteuer

Die Mineralölsteuer wird auf Mineralöl als Kraft- und Heizstoff (Benzin, Diesel, Heizöl u. a.) erhoben. Die Mineralölsteuer ist nicht wie die Umsatzsteuer eine Wertsteuer (= der Wert der Ware ist die Be-messungsgrundlage), sondern eine Mengensteuer (= die Menge ist die Bemessungsgrundlage). Die Mineralölsteuer erbringt ein nicht unbedeutendes Steueraufkommen und zählt damit zu den wich-tigsten Steuern in Österreich. Falls ein/e Schüler/in meint, dass er/sie mangels Einkünften noch gar keine Steuern zahle, so ist das ein irrtum, allein schon auf Grund der Umsatzsteuer (siehe oben), die bei jedem Einkauf anfällt. Wer darüber hinaus z. B. ein Moped hat, sollte sich beim nächsten Mal an der Tankstelle folgendes Beispiel vor Augen halten:

40

1 Volkswirtschaft | Budgetpolitik

Berechnung des Benzinpreises (unverbleit):

Grundpreis(Einkaufspreis,Gewinn) 0,50€

Mineralölsteuer(FixbetragproLiter) 0,417€

Benzinpreis(vorUmsatzsteuer) 0,92€

+20%Umsatzsteuer 0,18€

Summe 1,10€

BeieinerTankfüllungvon10LiternistbereitseineSteuerinHöhevon6,54€(=10x(0,417+0,1834))

zuzahlen.

Es fällt auf, dass das „Auto“ bzw. das Gut „Auto fahren“ mehrfach besteuert wird:Mineralölsteuer•→ normverbrauchsabgabe (noVA)•→ • motorbezogene VersicherungssteuerKraftfahrzeugsteuer (KFZ-Steuer)•Autobahnmaut.•

Da viele private Haushalte nicht auf alternative Verkehrsmittel ausweichen können, müssen sie in Kauf nehmen, diese Steuern und Abgaben zu bezahlen – sie können nicht ausweichen. Die Nachfrage ist unelastisch (siehe Kap. 1.2.2.1) und daher bringen diese Abgaben für den Finanzminister ein beacht-liches Steueraufkommen.

1.3.4.7Finanzausgleich:ÜberweisungenanLänderundGemeinden

Zwischen den Gebietskörperschaften (Bund, Ländern, Gemeinden) besteht eine Vielzahl von finanzi-ellen Transaktionen. Diese Überweisungen und Transfers werden als Finanzausgleich bezeichnet.

Die selbst eingehobenen Länder- und Gemeindesteuern (z. B. Kommunalsteuer, Grundsteuer, Vergnü-gungssteuer, Hundesteuer, früher: Getränkesteuer) verbleiben bei den Ländern und den Gemeinden. Die vom Bund eingehobenen Steuern werden nach dem Finanzausgleichsgesetz (FAG) nach einem bestimmten Verteilungsschlüssel auf Bund, Länder und Gemeinden aufgeteilt.

Man unterscheidet zwischen einem vertikalen und einem horizontalen Finanzausgleich.Der • vertikale Finanzausgleich legt fest, wie Steuern auf Bund, Länder und Gemeinden aufgeteilt werden. (Die Beiträge an die Europäische Union [siehe weiter unten] können ebenfalls als vertikaler internationaler Finanzausgleich interpretiert werden.)Der • horizontale Finanzausgleich legt fest, wie die Einnahmen auf die neun Bundesländer und 2.537 Gemeinden aufzuteilen sind. Dabei wird u. a. das System des abgestuften Bevölkerungs-schlüssels verwendet. Dieser ist so aufgebaut, dass größere Gemeinden und Städte einen hö-heren Betrag pro Einwohner/in bekommen als kleinere Kommunen. Als Grundlage für die Anzahl der Personen dienen die Zahlen aus der alle zehn Jahre stattfindenden Volkszählung. Dies erklärt auch, warum jede Gemeinde um ihre „Einwohner/innen“ kämpft: Mit jedem/jeder Einwohner/in sind finanzielle Zuwendungen aus dem horizontalen Finanzausgleich verbunden.

41

1.3.4.8ÜberweisungandieEuropäischeUnion:EU­Beitrag

Der EU-Beitrag setzt sich aus verschiedenen Überweisungen an die Europäische Union zusammen. Von interesse sind aber in der regel die nettobeiträge, da viele Transfers vom europäischen EU-Budget wieder nach Österreich zurückfließen.

1.3.5 VerschuldungdesStaatsDie Verschuldung des Staats stößt bei vielen Menschen auf Unverständnis, da „Schulden machen“ im Allgemeinen als etwas negatives gesehen wird. Kreditaufnahme und damit Verschuldung haben aber auch positive Aspekte, wie viele Bürger/innen aus eigener Erfahrung wissen. So kann sich jemand heu-te schon z. B. seinen Traum von einem Einfamilienhaus erfüllen und im Zeitablauf die Schulden abzah-len. Müsste ein/e 30-Jährige/r erst einmal den gesamten Betrag zusammensparen, bis er/sie sich ein Haus leisten könnte, so könnte er/sie dort vielleicht frühestens als Mittfünfziger/in einziehen. Auch für Unternehmen ist die Möglichkeit der Verschuldung sehr wichtig, um schon heute → investitionen tätigen zu können, die morgen von großer Bedeutung sind und das Bestehen des Unternehmens sichern.

1.3.5.1 BegriffederVerschuldung

Um seine Ausgaben zu finanzieren, kann der Staat regelmäßig neue Kredite aufnehmen (= Kreditauf-nahme, Bruttodefizit). Diese Kredite werden entweder bei Banken aufgenommen oder in Form von → Staatsanleihen ausgegeben. Gleichzeitig werden aber auch alte Schulden zurückgezahlt (= Til-gungen.). Eine wichtige Größe zur Analyse der Staatsverschuldung ist das Nettodefizit oder Budget-defizit. Es drückt aus, um wie viel sich die Gesamtverschuldung vergrößert hat.

Nettodefizit = Überhang der Ausgaben über die Einnahmen = Budgetdefizit (D)

Bruttodefizit– Tilgungen

Nettodefizit

100

200

300

400

500

600

700

800

900

1000

1100

1200

331365

278 302

564

1100

2003 2004 2005 2006 2007 2008 – 2013Prognose

Quelle: APA/EU-Kommission, Der Standard, Stand 2009

EU-Nettobeitragnettobeitrag Österreichs in Mio. Euro

(Zahlen minus rückflüsse)

42

1 Volkswirtschaft | Budgetpolitik

Eine weitere wichtige Kenngröße im Zusammenhang mit der öffentlichen Verschuldung ist der Schul-dendienst. Jedes Jahr müssen Zinsen für die alten Kredite gezahlt und zudem Tilgungszahlungen geleistet werden. Ähnlich wie bei privaten Kreditnehmer/inne/n schränkt dies den Handlungsspielraum

für andere Aufgaben und Ausgaben entsprechend ein.

Tilgungen + Aufwand für Zinszahlungen

Schuldendienst

Quelle: Bundesministerium für Finanzen, Budget 2008

Hinweis: BiP = Bruttoinlandsprodukt, Ausdruck für das gesamte Einkommen einer Volkswirtschaft (mehr dazu im nächsten Kapitel).

Die Zins-Steuerquote setzt den Zinsaufwand in Beziehung zu den Steuereinnahmen, die in einem Jahr erzielt werden. An Hand dieser Quote wird das Problem einer hohen Verschuldung deutlich sicht-bar: Hohe Schulden führen zu hohen Zinszahlungen (und hohen Tilgungszahlungen), die den Budget-spielraum empfindlich einschränken. Ca. 20 % der Einnahmen über Steuern müssen zurzeit für den Zinsaufwand verwendet werden.

Als Kriterien zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion beschlossen die regierungschefs der EU-Länder 1991 in Maastricht die so genannten Konvergenzkriterien. Bei den Maastricht-Kri-terien sind zwei Defizitquoten von besonderer Bedeutung:

a) Das Defizit des öffentlichen Sektors darf nicht über 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BiP = die gesamte Wirtschaftsleistung eines Staates) liegen.

b) Die Schulden aller öffentlichen Haushalte (Bund, Länder, Gemeinden) dürfen nicht mehr als 60 Pro-zent des BiP ausmachen.

Finanzschuld des Bundes

Jahr

Schuldendienst Schuldenstand 1

Zinsen2 Tilgung insgesamtin % des

BIP

Zinsen /Steuer-quote 3

Mio. EUR in % desBIPMio. EUR

1990 4.404 2.392 6.796 5,0 21,0 62.616 45,9

1995 6.110 8.617 14.727 8,4 24,3 97.556 55,6

2000 6.992 13.320 20.313 9,7 21,2 120.705 57,4

2001 6.464 11.357 17.820 8,3 17,0 121.413 56,2

2002 6.568 14.435 21.003 9,5 17,9 123.953 56,1

2003 6.256 16.269 22.525 10,0 17,6 126.878 56,1

2004 6.231 15.056 21.288 9,0 16,5 135.550 57,4

2005 6.466 19.561 26.027 10,6 17,0 141.329 57,6

2006 6.845 18.076 24.922 9,7 16,9 145.265 56,3

2007 4 6.757 19.935 26.691 9,8 15,5 147.376 54,0

2008 5 6.714 11.740 18.455 6,6 15,2 - -1 Stand zu Jahresende2 einschließlich sonstiger Aufwand3 Aufwand für Verzinsung in % der Nettosteuereinnahmen4 vorläufiger Erfolg5 Bundesvoranschlag

43

1.3.5.2VorteilederStaatsverschuldung

Auch wenn eine hohe Verschuldung des Staates als negativ empfunden wird, so ist die Schuldenauf-nahme der öffentlichen Hand nicht in jedem Fall negativ zu beurteilen. neben den Gefahren können folgende positive Effekte beobachtet werden:

Beschäftigungspolitik

Durch die Schuldenaufnahme und die dadurch gegebene Möglichkeit, höhere Ausgaben zu tätigen, kann der Staat in Krisenzeiten die Beschäftigung erhöhen. Die Verschuldung kann somit eingesetzt werden, um die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Es besteht die Hoffnung, dass sich durch diese initialzündung die Wirtschaft erholt, die Produktion und damit die Beschäftigung wieder steigen und in weiterer Folge die Schulden zurückgezahlt werden können, weil eine gut funktionierende Wirtschaft höhere Steuereinnahmen abwirft.

MöglichkeitfüröffentlicheInvestitionen

Es ist sinnvoll, schon heute in eine funktionierende infrastruktur zu investieren, und nicht erst in 20 Jahren, wenn man das Geld dafür gespart hätte. Auf Grund einer verbesserten infrastruktur werden langfristig höhere Steuern eingenommen, die wiederum zur Zahlung der Zinsen und Tilgungsraten ver-

Öffentliches Defizit 2009 *in % des BIP

* Prognose (Stand: Mai 2009)

NorwegenSchweiz

BulgarienFinnland

LuxemburgDänemark

ZypernSchweden

EstlandKroatien

NiederlandeUngarn

MaltaDeutschland

ÖsterreichTschechien

BelgienItalienTürkei

SlowakeiGriechenland

RumänienLitauen

SlowenienPortugal

FrankreichPolen

SpanienLettland

Großbritannien Irland

Öffentliche Verschuldung 2009 *in % des BIP

* Prognose (Stand: Mai 2009)

Euro-zone (16)

EU (16) EU (27) USA Japan

77,7 75,0 72,6 78,0

182,8

Quelle: EU-Kommission, OECD, OeNB

ItalienGriechenland

BelgienUngarn

FrankreichNorwegen

PortugalDeutschland

ÖsterreichGroßbritannien

MaltaIrland

SchweizNiederlande

PolenSpanien

ZypernSchweden

TürkeiFinnlandKroatienLettland

TschechienDänemark

SlowakeiSlowenien

LitauenRumänien

LuxemburgBulgarien

Estland

17,10,1

–0,5–0,8

–1,5–1,5

–1,9–2,6

–3,0–3,3–3,4–3,4

–3,6–3,9

–4,2–4,3–4,5–4,5–4,6–4,7–5,1–5,1

–5,4–5,5

–6,5–6,6–6,6

–8,6–11,1

–11,5 –12,0

113,0103,4

95,780,8

79,775,975,4

73,470,4

68,467,0

61,257,357,0

53,650,8

47,544,042,7

39,734,634,1

33,732,532,1

29,322,6

18,216,016,0

6,8

Euro-zone (16) EU (16) EU (27) USA Japan

–5,3 –6,0 –6,0

–12,1

–6,7

44

1 Volkswirtschaft | Budgetpolitik

wendet werden können. Auch private Unternehmen finanzieren ihre Erweiterungen und Expansionen über Kredite. Durch die gestiegenen Umsätze und Einnahmen können die Schulden langfristig zurück-gezahlt werden.

Für Private lohnt es sich oft ebenfalls nicht, 20 Jahre oder länger zu warten, bis sie sich eine Wohnung oder ein Haus erspart hätten. Anstatt jahrelang anzusparen und gleichzeitig noch Miete zu zahlen, ist es oft sinnvoller, einen Kredit aufzunehmen, die Kosten für das zukünftige Eigentum in raten abzuzah-len und die Vorteile der eigenen Wohnung oder des eigenen Hauses schon heute zu genießen.

IntergenerativeUmverteilung

Würde man ein Großprojekt (Bau einer Autobahn, Bau eines Krankenhauses) nur aus Steuergeldern finanzieren, müsste die heutige Generation alle finanziellen Lasten dieses Bauvorhabens tragen. Mit Hil-fe der Kreditfinanzierung werden die Lasten dieser Großprojekte über mehrere Generationen gestreut, da die Zins- und Tilgungszahlungen ebenfalls auf mehrere Jahre bzw. Jahrzehnte aufgeteilt werden.

1.3.5.3NachteilederStaatsverschuldung

SteigendeZins­undTilgungszahlungen

Aufgenommene Schulden müssen auch wieder getilgt werden. Steigende Zins- und Tilgungszah-lungen engen den budgetären Handlungsspielraum ein. D. h., wenn der Staat seine Steuereinnah-men bekommt und dann ca. 50 % dieser Einnahmen für den Schuldendienst verwenden muss, hat er nur noch geringe Möglichkeiten, eine aktive Budgetpolitik zu betreiben.

Der Teufelskreis der Schulden

Um die Lasten aus dem Schuldendienst zu reduzieren, muss daher in regelmäßigen Abständen ei-ne Budgetkonsolidierung durchgeführt werden. Dabei kann z. B. versucht werden, die Einnahmen durch höhere Steuern zu erhöhen oder die Ausgaben für Staatsleistungen (Beamte/Beamtinnen, Sozi-alleistungen) zu kürzen. Beide Maßnahmen sind in der Bevölkerung nicht populär.

Um zusätzliche Einnahmen zu erzielen, können auch staatliche Vermögenswerte (Anteile an Unterneh-men, Grundstücke, immobilien) verkauft werden.

Der Staat kann die Zinsen für alte Schulden nicht zahlen. Tilgen kann er erst recht nicht.

Dadurch steigt die Gesamtverschuldung.

Es werden neue Schulden ge-macht, um die Zinsen

zahlen zu können.

Als Folge steigt die Zinsenlast noch weiter an.

45

FolgekostenvonBeschäftigungsprogrammen

Auch wenn durch die öffentliche Verschuldung Großprojekte initiiert werden können, die positive Be-schäftigungswirkungen haben, belasten die Folgekosten dieser Projekte sehr oft weiter das Budget. Die Erhaltungs- und Betreibungskosten von Großbauten (Konferenzzentren, Sportstätten, Auto-bahnen, Großtunnelprojekten u. Ä.) sind in der regel immer höher als erwartet und schränken für die Zukunft den budgetären Spielraum für die regierung weiter ein.

Zinssteigerungen

Durch die ständige Aufnahme von öffentlichen Krediten erhöht sich längerfristig das Zinsniveau. Durch die höheren Zinsen können sich private Unternehmen bestimmte Kredite nicht mehr leisten, wo-durch die Wirtschaftstätigkeit des privaten Sektors gedämpft wird. Ein höheres Zinsniveau gilt allge-mein als Anzeichen für ein schlechteres Wirtschaftsklima.

Höhere Zinsen können auch zu höheren Preisen führen, weil die Unternehmen die gestiegenen Kre-ditkosten auf alle Konsument/inn/en überwälzen.

Überlegen Sie in Gruppen: Welche Einnahmen würden Sie erhöhen und welche Ausgaben würden Sie senken, um das österreichische Bundesbudget zu konsolidieren?

Zusammenfassung

• Wähler/innen,Politiker/innen,dieVerwaltungundInteressengruppensinddiepolitischenAkteure/Akteurinnen in einem Staat. Die politischen Akteure/Akteurinnen hängen eng mit der Wirtschaft, den Wirtschaftssubjekten, zusammen.

• ImStaat(Bund,Land,Gemeinden)werdeneineVielzahlvonEntscheidungengetroffen,diedieArt und die Höhe der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen festlegen. Diese Entschei-dungen kommen in den öffentlichen Budgets zum Ausdruck.

• DerBund(Bundesregierung,Parlament)legtdasBundesbudget fest und verfügt über die höchs-ten Einnahmen. Die Einnahmen und Ausgaben des österreichischen Bundesbudgets spielen daher in Österreich eine übergeordnete rolle.

• ÖsterreichisteinSozialstaat. Das erkennt man an der Höhe der Sozialausgaben.

• WeiterewichtigeAufgabenfelderdesBundessindBildung,VerkehrundSicherheit.

• ZudenAbgaben des Staates zählen Steuern, Gebühren und Beiträge.

• DieUmsatzsteuer und die Lohnsteuer sind die Steuern mit dem höchsten Aufkommen.

• DasNettodefizit ist die wichtigste Größe im Bereich der Verschuldung. Durch das nettodefizit steigt die Gesamtverschuldung.

• DieMaastricht-Kriterien geben Verschuldungsgrenzen vor. Der Anteil des nettodefizits am Brut-toinlandsprodukt (BiP) darf nicht höher als 3 % sein, der Anteil der Gesamtverschuldung am BiP nicht höher als 60 %. nicht alle europäischen Staaten halten sich an diese Vorgaben.

• DerSchuldendienst ist die Summe von Zinsaufwendungen und Tilgungszahlungen.

• MitderVerschuldungdesStaatessindsowohlVorteilealsauchNachteileverbunden.

AUFGABE 15

46

1 Volkswirtschaft | Budgetpolitik

Lernkontrolle

01 Was versteht man unter dem „Staat“?

02 Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Wirtschaft und den politischen Akteur/inn/en einer Volkswirtschaft?

03 nennen Sie wichtige Aufgaben des Staates!

04 Welche Aufgaben übernimmt der Staat im rahmen des Sozialstaates?

05 Welche Aufgaben übernimmt der Familienlastenausgleich?

06 Welche Arten von Abgaben kennen Sie?

07 Welche sind die zwei Steuern mit dem höchsten Aufkommen?

08 Was versteht man unter einem Grenzsteuersatz? Was ist der höchste Grenzsteuersatz in Österreich?

09 Was ist die Mineralölsteuer?

10 Was versteht man unter einem horizontalen und vertikalen Finanzausgleich?

11 Wie hoch sind die derzeitigen nettobeiträge Österreichs in die EU?

12 Was ist der Unterschied zwischen dem Schuldendienst und dem Schuldenstand?

13 Wie lauten die Maastricht-Kriterien, die die Verschuldung der Staaten eindämmen sollen?

14 Welche Vorteile sind mit der Verschuldung des Staates verbunden?

15 Was sind die nachteile der Verschuldung?

47

1Volkswirtschaft | WirtschaftssystemeundWirtschaftsordnung

LErnZiELE

LEiTFrAGEn

SiTUATiOn

1.4 wirtschaftssysteme und wirtschafts-ordnung

... Markt- und Planwirtschaft als unterschiedliche Wirtschaftssysteme kennen lernen.

... wissen, wie eine soziale Marktwirtschaft in das wirtschaftliche Geschehen eingreift.

... Eingriffe des Staats im Bereich der Umwelt kennen.

... die Träger der österreichischen Sozialversicherung kennen.

„Ein Beben erschüttert die Marktwirtschaft‘

Wettbewerb und Markt allein können nicht für Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit sorgen. An einer Globa-

lisierung der Solidarität führt kein Weg vorbei.

ZwanzigJahrenachdemUntergangderkommunistischenIdeologiewirddieMarktwirtschaftheftig

erschüttert.Dingegeschehen,diesichniemandvorstellenkonnte:DieUSAverstaatlichenBanken;

wiesieausderKriseherausfindenwerden,wirdvonChinabeeinflusst;diedeutscheKanzlerinlässt

einEnteignungsgesetzbeschließen;Anlagevermögenvonmehrals50BillionenDollarwurdebisher

vernichtet–etcetera.

¸DiesmalkommtderKollapsnochschnelleralsindenJahrennach1929!‘,sagtderDublinerWirt­

schaftshistorikerKevinO‘Rourke–eineFolgederGlobalisierung.WashatdieKriseverursacht?Die

hemmungsloseGiervonBankernundFinanzinvestoren?DiemangelndeAufsichtdesStaates?Das

massenhafteMitspielenvonMenschenimKasinokapitalismus?DasRadderErklärungendrehtsich.

NochsindesnurZehntausende,diemitdemSchlachtruf¸WirzahlennichtfüreureKrise!‘aufdie

Straßegehen.DochjeöfterdieVerliererderWeltrezessionvon¸systemischen‘Riskenhören,desto

mehrschwindetihrVertrauenindasSystemselbst.

NatürlichisteinesozialeMarktwirtschaftdasweitausbesteSystem,dasdieMenschheitentwickelt

hat.DazugehörenPrivateigentum,freieMärkteundfreierWelthandel,diedurchSozialregulative

gebändigtsind,LeistungsbereitschaftundWettbewerb,AngebotundNachfrage,einNeinzumProtek­

tionismus,derStaatnichtals¸besserer‘Unternehmerusw.[…].Dennochstimmtes,dassdiesoziale

MarktwirtschaftwederdenAusbruchderderzeitigenKrisenochihreVerschärfungzuverhindern

vermochte.OffenkundigwurdederFaktor¸Mensch‘nichtgenügendinRechnunggestellt.

¸DerMarktirrtniemals‘,lautetedasüblicheMantra.Dochesstimmtnicht.DerWirtschaftswis­

senschaftlerRobertShillervonderUniversitätYalestelltseitLangemdieGrundannahmevieler

Ökonomeninfrage,wonachMärkteaufgrundderrationalenHandlungsweisenvonMenschenfunktio­

nierten.Nein,sagtShiller,MenschenträfenwirtschaftlicheEntscheidungenoftohnedasnotwendige

Wissen–siehandelteninstinktgesteuert.“

Quelle:„DiePresse“,04.05.2009(gekürzt)

Wie funktioniert unser Wirtschaftssystem und welche Aufgaben übernimmt der Staat in • der sozialen Marktwirtschaft?

im Folgenden werden die Überlegungen aus den beiden vorangehenden Kapiteln aufgegriffen und in einen Gesamtzusammenhang gestellt. Die Wirtschaftsordnung eines Staates legt fest, wie wirt-schaftliche Aktivitäten in einer Gesellschaft ablaufen. Jede Wirtschaftsordnung wird durch eine

48

1 Volkswirtschaft | WirtschaftssystemeundWirtschaftsordnung

Vielzahl von Gesetzen, durch Verfassungsgesetze, durch das bürgerliche recht, durch das Unter-nehmens- und Wirtschaftsrecht festgelegt. Die Wirtschaftsordnung legt im Weiteren das Wirtschafts-system einer Volkswirtschaft fest.

Zur Bestimmung eines Wirtschaftssystems sind folgende Fragen von entscheidender Bedeutung:Wer ist der/die • Eigentümer/in der Produktionsmittel?Welche • Unternehmensformen werden zugelassen?Wem stehen die erwirtschafteten • Gewinne zu?Welche rolle übernimmt der • Staat? in welchen Bereichen spielt der Staat eine wichtige rolle, in welchen Bereichen überlässt er die Entscheidung den freien Marktkräften?Wie • offen ist das Wirtschaftssystem gegenüber anderen Volkswirtschaften?

Als idealtypische Formen können dabei die Marktwirtschaft und die Planwirtschaft unterschieden werden.

1.4.1 Marktwirtschaftin der Marktwirtschaft steht das Privateigentum des/der Einzelnen an oberster Stelle. Mit der Forde-rung nach Privateigentum ist auch die Forderung nach privater Freiheit verbunden. Zu diesen Frei-heiten zählen die Vertragsfreiheit (jedes Wirtschaftssubjekt kann mit anderen Wirtschaftssubjekten in einem bestimmten rahmen Verträge abschließen, die vom Staat anerkannt werden) und die Gewer-befreiheit: Jedem/jeder Unternehmer/in ist der Zugang zu einem Markt offen, d. h., es ist eine freie Entscheidung des Wirtschaftssubjektes, wie es sein Einkommen erzielen möchte.

Es ist offensichtlich, dass die freie Marktwirtschaft auch eng mit der Strömung des Liberalismus ver-bunden ist: Der Staat soll sich nicht in die wirtschaftlichen Vorgänge einmischen, sondern diese den privaten Akteur/inn/en selbst überlassen. Die Planung und Festlegung, welche Güter und wie viel davon produziert und verkauft werden, erfolgt dabei dezentral über den Markt (siehe Kap. 1.2). Der Markt mit Angebot und nachfrage führt zu einem Preissystem, und genau dieses Preissystem be-stimmt wiederum, was und wie viel von einem Gut bereitgestellt wird. Private Haushalte und Unterneh-men wirken auf Märkten zusammen, als ob sie von einer „unsichtbaren Hand“ zu guten Marktergeb-nissen geführt werden.

Das interessante dabei ist, dass auf Märkten alle Käufer/innen und Verkäufer/innen in erster Linie nur auf das eigene Wohlergehen bedacht sind. niemand kauft einen iPod, weil er oder sie der Firma Apple einen Gefallen erweisen will, sondern weil er/sie bereit ist, einen gegebenen Preis für dieses Produkt zu zahlen. Und auch Unternehmen verkaufen ihre Güter nicht deshalb, weil sie den Konsument/inn/en einen Gefallen erweisen möchten, sondern weil sie nach (höheren) Gewinnen streben. Am Ende sind in den meisten Fällen sowohl Konsument/inn/en als auch Unternehmer/innen zufrieden.

An einem Beispiel soll verdeutlicht werden, wie das Preissystem in einer Marktwirtschaft das Gü-ter- und Dienstleistungsangebot in einer Volkswirtschaft festlegt: Gerade weil die Wirtschaftssubjekte nach Eigeninteressen streben, funktioniert der Markt als „unsichtbare Hand“. Steigt die nachfrage nach einem Gut, steigt auch der Preis. Weil der Preis steigt, steigen auch die Gewinnmöglichkeiten für eine/n Unternehmer/in und er/sie ist bereit, mehr von diesen Gütern zu produzieren. Zugleich werden auch mehr Unternehmen in diesen Markt strömen, weil sich die Gewinnsituation verbessert hat. Die nachfrage lenkt somit das Angebot. Der Preis legt wiederum fest, was ein Gut den Konsument/inn/en wert sein muss.

Auf dem Arbeitsmarkt gelten ähnliche Gesetze: Der Preis für die Arbeit ist der Lohn. in Branchen mit hohen Löhnen strömen bei freien Märkten mehr Arbeitskräfte als in Märkte mit geringeren Arbeitskräf-

49

ten. in der regel werden dort höhere Löhne gezahlt, wo die nachfrage nach Arbeitskräften höher ist als in anderen Bereichen.

Eng verbunden mit dem Begriff (freie) Marktwirtschaft ist der Begriff Kapitalismus. An sich bedeu-tet Kapitalismus, dass die Produktionsmittel (Kapital) in privater Hand sind. Das Problem der frei-en Marktwirtschaft bzw. des Kapitalismus kann nun sein, dass die Verteilung von Kapital und damit Einkommen in einer Volkswirtschaft sehr unterschiedlich sein kann. Markt- und Wettbewerbswirt-schaften neigen dazu, dass einige wenige sehr viel besitzen und über sehr hohe Einkommen verfü-gen, während andere arm sind und um ihr Überleben kämpfen müssen. Kritiker/innen des Kapitalis-mus gehen davon aus, dass die wenigen Kapitalist/inn/en alle Wirtschaftssubjekte ohne Eigentum (= Arbeiter/innen) ausbeuten, um ihre eigenen Gewinne zu maximieren.

Vor- und Nachteile der Marktwirtschaft

Vorteile der Marktwirtschaft Nachteile der Marktwirtschaft

Freiheit und Eigenverantwortung Ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung

Positive Leistungsanreize Machtkonzentrationen

Anpassungsfähigkeit an die Wünsche der Konsument/inn/en

Unterversorgung mit öffentlichen Gütern wie Gesundheit, Bildung, Kunst & Kultur

neue Erfindungen und Produkte Möglichkeit von Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrisen

Ausreichende Güterversorgung Eigeninteressen vor Umweltinteressen

Wo liegen Ihrer Meinung nach mögliche Stärken und Schwächen einer freien Marktwirt-schaft? Kreuzen Sie an:

Stärke Schwäche

Individualität

Wohnungsmarkt

Gesundheitsversorgung

Warenvielfalt

Öffentlicher Verkehr

Altersversorgung

1.4.2 PlanwirtschaftDas Gegenstück zur freien Marktwirtschaft stellt die Planwirtschaft dar. in der Planwirtschaft befinden sich die Produktionsmittel (das Kapital) im Kollektiv- bzw. Staatseigentum. Eine Planungsbehörde, der Staat, legt fest, was und wie viel produziert werden soll und wie es auf die Bevölkerung aufgeteilt wird. in einer Planwirtschaft (oft auch Sozialismus) genannt, bestehen festgelegte Preise und Löhne.

Mit dem Zusammenbruch des Kommunismus in der Sowjetunion und in Osteuropa hat die zentrale Planwirtschaft als Wirtschaftssystem maßgeblich an Bedeutung verloren. Die wirtschaftlichen und so-zialen Ergebnisse der Planwirtschaft waren alles andere als erfreulich. Um bestimmte Güter zu bekom-men, musste man sich lange anstellen oder lange warten. Die regale in den Lebensmittelgeschäften waren leer und auf viele Gebrauchsgüter wie eine Waschmaschine oder ein Auto musste man mona-telang warten. in einer Planwirtschaft bestehen keine positiven Anreize für den Einzelnen, sich be-

AUFGABE 16

50

1 Volkswirtschaft | WirtschaftssystemeundWirtschaftsordnung

sonders anzustrengen. Es gibt keine privaten Gewinne. Da sich niemand besonders anstrengt, leiden diese Volkswirtschaften unter einer permanenten Unterversorgung an Gütern und Dienstleistungen. Unterversorgung führt wiederum zu Korruption und Schwarzmärkten, da einzelne versuchen wer-den, aus der not der anderen Profit zu schlagen.

Auch die Volksrepublik China, die planwirtschaftlich arbeitet, ist zunehmend bemüht, marktwirt-schaftliche Elemente in die eigene Wirtschaftsordnung aufzunehmen. Ausländisches Know-how und freie Märkte sollen dazu dienen, den Wohlstand der gesamten Gesellschaft zu erhöhen.

Die Sozialistische Republik Kuba ist ebenfalls bestrebt, in verschiedenen Wirtschaftsbereichen freie Märkte zuzulassen. Die Bemühungen sind aber nur halbherzig, sodass Kuba nach wie vor zu den we-niger entwickelten Ländern zählt. im Vergleich mit marktwirtschaftlich orientierten Staaten aus dieser region, wie etwa El Salvador, weist die kubanische Bevölkerung jedoch auf Grund des für alle zugäng-lichen Bildungs- und Gesundheitssystems eine hohe Lebenserwartung, niedrige Säuglingssterblich-keit und eine geringe Analphabetenrate auf.

Kritik an der Planwirtschaft

Mangel an informationen: Die Planenden haben nicht die informationen über alle Fähigkeiten und •Bedürfnisse der Bevölkerung, wodurch in viele Fällen Mangel oder Überschuss an Gütern und Dienstleistungen entsteht.Mangel an Flexibilität: Anweisungen und Planvorhaben lassen nur geringe Entscheidungsspielräu-•me zu. Dadurch wird die Dynamik und innovationsfähigkeit von Unternehmen ausgeschaltet.Mangel an Marktpreisen: Ohne Privatbesitz an den Produktionsmitteln existieren auch keine •Marktpreise für diese, wodurch der Bedarf und die Knappheit nicht zum Ausdruck kommen.Mangel an technischem Fortschritt: Aus Mangel an Wettbewerb ist es nicht notwendig, nach inno-•vationen und neuen Problemlösungen zu suchen.Mangel an Demokratie: Zentrale Planung geht in der regel mit einer Einheitspartei einher; die •Handlungs- und Bewegungsfreiheit der individuen ist nicht erwünscht.

1.4.3 SozialeMarktwirtschaftWährend das Wirtschaftssystem der USA am ehesten dem einer freien Marktwirtschaft entspricht, hat sich in Europa die idee einer sozialen Marktwirtschaft durchgesetzt.

in einer sozialen Marktwirtschaft werden durch staatliche Eingriffe Härten der Marktwirtschaft aus-geglichen. Weiters greift der Staat ein, wenn der Marktmechanismus zu unbefriedigenden Ergeb-nissen führt. Man spricht in diesem Fall von Marktversagen. Der Staat ist somit jene institution, welche die Koordinationsmängel des Marktes behebt. Man kann folgende Arten von Marktversagen

unterscheiden:• MarktversagenbeieinergerechtenEinkommens-undVermögensverteilung(=sozialeFragen)• MarktversagenbeiMachtkonzentrationen:Wettbewerbskontrolle• MarktversagenbeibestimmtenLeistungen:ÖffentlichesAngebot• MarktversagenbeiUmweltschutz:UmweltpolitischeAufgaben• MarktversagenbeiRisiko:ÖffentlicheVersicherungen• MarktversagenbeiWirtschaftskrisen:KonjunkturelleAufgaben

51

1.4.3.1 MarktversagenbeieinergerechtenEinkommens­undVermögensverteilung

Die Einkommens- und Vermögensverteilung in einer Marktwirtschaft ergibt sich als resultat des Marktprozesses. Manche Menschen schaffen es, über den Markt ein sehr hohes Einkommen zu erzie-len und sehr reich zu werden. Die sich ergebende primäre Einkommensverteilung muss nun aber nicht dem entsprechen, was von der Gesellschaft oder den politischen Entscheidungsträger/inne/n gewünscht wird. Typischerweise ist die sich in einer Marktwirtschaft ergebende Einkommens- und Vermögensverteilung ungleichmäßiger als erwünscht. Angestrebt wird daher in vielen Staaten eine Sekundärverteilung, die die Primärverteilung nivelliert. Der Staat greift mit verschiedenen instru-menten ein, um eine ausgeglichenere und gewünschte Einkommens- und Vermögensverteilung zu erreichen.

ProgressiveEinkommensteuer

Das instrument der Umverteilung in Österreich ist die progressive Einkommensteuer. (Die Lohn-steuer zählt auch zur Einkommensteuer.) Durch die progressive Einkommensteuer tragen die besser verdienenden Bürger/innen zu einem höheren Teil zur Finanzierung der Staatsausgaben bei.

Ein interessanter Vergleich: Der Höchststeuersatz liegt in Österreich bei 50 % und wird ab einem Ein-kommen von ca. 60.000 € pro Jahr angewandt. in den USA beträgt der Höchststeuersatz bei den Ein-kommen 44,8 % und wird erst ab einem Einkommen von ca. 300.000 € angewendet. Die Steuerpolitik in den USA greift somit weit weniger in die Umverteilung der Einkommen ein.

Arbeitslosenversicherung

Eine weitere Säule des Sozialstaats ist die Arbeitslosenversicherung. Alle Beschäftigten zahlen ei-nen bestimmten Beitragssatz ihres Lohns (6 %, davon 3 % Dienstnehmeranteil, 3 % Dienstgeberanteil) in die Arbeitslosenversicherung ein. Wird man arbeitslos, bekommt man ein Arbeitslosengeld. Würde man nach dem Verlust des Arbeitsplatzes kein Arbeitslosengeld erhalten, hätte das für viele Arbeitslo-se schwere negative wirtschaftliche Folgen.

ÖffentlicheTransfers

Zudem leistet der Staat eine Vielzahl von Zuschüssen an private Haushalte und Subventionen an Unternehmen. Zu diesen Zuschüssen zählen Kinderbeihilfen, Stipendien für Ausbildungen, Wohnb-auförderung und Pflegegeld. Viele dieser Zuschüsse sind abhängig vom jeweiligen Einkommen einer Person. Da Personen mit höherem Einkommen viele Zuschüsse nicht zukommen, führen sie zu ent-sprechenden Umverteilungswirkungen.

1.4.3.2MarktversagenbeiMachtkonzentrationen:Wettbewerbskontrolle

Freie Marktwirtschaften können zu extremen Konzentrationstendenzen führen. Würden sich große und mächtige Unternehmen unkontrolliert zusammenschließen, könnten diese mit Preis- und Mengen-absprachen noch höhere Gewinne erzielen. Um dies zu verhindern, kontrollieren Wettbewerbsbe-hörden im inland, aber auch auf EU-Ebene alle Formen von Absprachen, Fusionen und Zusammen-schlüssen. Die Vertragsfreiheit von Unternehmen wird zum Wohle der Konsument/inn/en durch diese Kontrollen und Maßnahmen eingeschränkt. Mehr Wettbewerb und Konkurrenz führt zu einer besseren Versorgung einer Volkswirtschaft mit Gütern und Dienstleistungen bei niedrigeren Preisen.

52

1 Volkswirtschaft | WirtschaftssystemeundWirtschaftsordnung

1.4.3.3MarktversagenbeibestimmtenLeistungen:ÖffentlichesAngebot

Eine freie Marktwirtschaft würde in vielen Lebensbereichen zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft füh-ren. Als bestes Beispiel dafür dient wohl das Schulwesen. Einige reiche könnten sich die besten Lehrer/innen leisten oder ihre Kinder auf teure Privatschulen und Privatuniversitäten schicken. Andere hätten nur einen erschwerten Zugang zum Schul- und Bildungswesen. Die Folgen wären offensichtlich: Kinder aus wohlhabenden Schichten würden immer reicher, während Kinder aus ärmeren Schichten kaum eine Chance hätten, in der Gesellschaft aufzusteigen.

Aus diesem Grund ist es wichtig, dass der Staat ein Schul- und Bildungssystem finanziert, das für alle Kinder und Jugendlichen einer Gesellschaft zugänglich ist. Die Schulpflicht, kombiniert mit dem freien Zugang zu Schulen, garantiert, dass für jede/n Staatsbürger/in eine bestimmte Mindestausbildung si-chergestellt ist.

Überlegen Sie: Wie würde der öffentliche Verkehr nach rein marktwirtschaftlichen Kri-terien funktionieren? Gäbe es dann mehr oder weniger Bus-/Bahnverbindungen in Ihrer Region? Wären die Fahrscheine wahrscheinlich billiger oder teurer? Wie wäre das Angebot in dicht und weniger dicht besiedelten Gebieten?

1.4.3.4MarktversagenbeiUmweltschutz:UmweltpolitischeAufgaben

Das Marktsystem führt in vielen Bereichen zu überzeugenden Ergebnissen, obwohl alle Marktteilneh-mer/innen ihre eigenen Ziele verfolgen. Das Gewinnstreben von Unternehmen nimmt aber in vielen Fällen wenig rücksicht auf die Umwelt. Es führt in vielen Fällen zu einer Übernutzung oder sogar zu ei-ner Zerstörung der Umwelt. Eine kurzsichtige Ausbeutung der Umwelt führt zu irreparablen Schäden. Aus diesem Grund greift der Staat ein und versucht durch umweltpolitische Maßnahmen die umwelt-zerstörenden und ressourcen ausbeutenden Tendenzen der Marktwirtschaft zu regulieren und einzu-dämmen.

Wichtige instrumente der Umweltpolitik sind:Gebote und Verbote•Ökosteuern•Umweltzertifikate•

BürokratischeInstrumente:GeboteundVerbote(Umweltauflagen)

Gebote und Verbote sind der direkteste Weg, um in die Wirtschaft einzugreifen. Emissionsauflagen in Form von Grenz- oder Höchstwerten bestimmen, wie viele Schadstoffe von Unternehmen in die Um-welt ausgestoßen werden dürfen. inputauflagen wiederum schreiben Unternehmen vor, welche roh-stoffe und Produktionstechniken zulässig und welche verboten sind. Die Vorteile von bürokratischen instrumenten liegen in deren Einsichtigkeit und Kontrollierbarkeit.

Ökosteuer

im Bereich staatlicher Eingriffe zum Erreichen umweltpolitischer Ziele gewinnen zunehmend Ökosteu-ern an Bedeutung. Ökosteuern verteuern den Faktor Energie oder sie verteuern umweltschädliche Produktionsverfahren. Durch die Steuer steigt der Preis von umweltschädlich produzierten Gütern und

AUFGABE 17

53

folglich werden weniger Güter verkauft und produziert. Man spricht von einer Besteuerung nach dem Verursacherprinzip, die zu einer Kostenwahrheit der Produkte führt (also die „wahren Kosten“ wider-spiegelt), damit diese nicht auf Kosten der Umwelt zu billig an die Konsument/inn/en verkauft werden können.

Beispiel:

DemLKW­Transitwirdhäufigvorgeworfen,dassdieFrächter/innendiewahrenKostendesTrans­

portsnichtberücksichtigen.DerLKW­VerkehrerzeugtLärm,schlechteLuftundGesundheitsschäden

fürdieandenTransitroutenlebendeBevölkerung.UmdiesezusätzlichenKosten(zusätzlicherLärm,

schlechteLuft,Gesundheitsschäden)demLKW­Verkehranzulasten,könnteeineÖkosteuereingeführt

werden.DurchdieeingeführteSteuersteigtderPreisfürTransportleistungenunddieNachfragegeht

zurück.

AuswirkungeinerÖkosteueraufPreisundMenge:

Erklärung:

Eine Ökosteuer drückt die Angebotskurve nach oben (von A0 nach A1), weil durch die Steuer die Produk-

tionskosten steigen. Die Steuer kann wie ein zusätzlicher Kostenfaktor interpretiert werden, der an den

Staat zu zahlen ist. Die Unternehmen kalkulieren diese zusätzlichen Kosten in den Preis mit ein. Durch

den höheren Preis sinkt die Nachfrage und die Umwelt wird durch die geringere Produktion geschont.

Die Vorteile von Ökosteuern liegen in ihrer dynamischen Effizienz. Bei einer guten Ökosteuer ver-suchen die Wirtschaftssubjekte die Steuer zu vermeiden, indem sie weniger Umweltschäden verursa-chen. Durch die Verringerung der Umweltschäden reduziert sich automatisch die Steuer. Die Unter-nehmen haben somit ein laufendes interesse, die Verschmutzung der Umwelt zu reduzieren.

Mit der Umsetzung von Ökosteuern sind jedoch auch Nachteile verbunden. Zum einen ist es oft schwierig, eine geeignete Bemessungsgrundlage zu finden, die einen Zusam-menhang zwischen der Verschmutzung und der Steuerschuld herstellt.

Ein größeres Problem ist der negative Mengeneffekt. Weniger Produktion heißt auch weniger Be-schäftigung, d. h., Ökosteuern können zu Arbeitslosigkeit führen. Unternehmen könnten zudem dro-hen, in regionen abzuwandern, in denen keine Ökosteuern erhoben werden, wodurch Arbeitsplätze verloren gehen.

x0

Preis(p)

Menge (x)

N0 = N1

A0

p0

p1

x1

A1

Ökosteuer

54

1 Volkswirtschaft | WirtschaftssystemeundWirtschaftsordnung

Aus diesem Grund werden oft jene Unternehmen, die auf Grund des Energieverbrauchs oder der Um-weltverschmutzung eine besonders hohe Steuer zahlen müssten, von der Steuer ausgenommen. Zu-dem setzt der Staat in weiterer Folge Subventionen ein, um den Bau von Filteranlagen oder anderen umweltschonenden Anlagen zu unterstützen (= Gemeinlastprinzip).

Mengenlösung:Umweltzertifikatebzw.­→ lizenzen

Während bei Umweltsteuern der Staat den Preis für die Umweltbelastung festlegt, legt er bei Um-weltzertifikaten für jeden einzelnen Schadstoff die Menge der zulässigen Belastung fest, wobei nach regionen und Zeiten differenziert werden kann. Die sich dabei ergebenden „Verschmutzungsrechte“ werden nach Art und Menge in „Umweltzertifikaten“ verbrieft und dann auf einem – einer Börse ähn-lichen – Markt zum Handel angeboten. im rahmen des → Kyoto-Abkommens werden CO2-Lizenzen ausgegeben.

Die Funktionsweise von „Verschmutzungsrechten“ kann man sich wie folgt vorstellen:

Erklärung: In einem ersten Schritt werden Zertifikate (= Verschmutzungsrechte in der Höhe von Z0) an die Unter-nehmen ausgegeben. Da eine gewisse Nachfrage nach CO2-Emissionen besteht, erhalten diese Emis-sionen einen Preis. Steigt nun die Nachfrage (= Verschiebung der Nachfrage von N0 nach N1), steigt auch der Preis der Zertifikate.

Eine weitere Möglichkeit, die Umweltbelastung zu reduzieren, wäre nun auch, wenn der Staat mit Steu-ergeldern Zertifikate kauft und somit vom Markt nimmt. Eine geringere Anzahl von Zertifikaten redu-ziert automatisch die Emission von Schadstoffen.

1.4.3.5MarktversagenbeiRisiko:ÖffentlicheVersicherungen

Ähnliche Überlegungen wie für das Schulwesen gelten für das Gesundheitswesen, aber auch für die Sicherstellung der Pensionen. Grundsätzlich könnten ein Gesundheitssystem und ein Pensionssys-tem über private Unternehmen und institutionen sichergestellt werden.

Es wäre aber zu befürchten, dass viele Menschen das Risiko einer Krankheit unterschätzen und sich nicht ausreichend versichern. Zudem wäre für viele eine private Versicherung nicht finanzierbar. Eben-so ist zu erwarten, dass viele Menschen nicht ausreichend für die Zeit nach ihrem Erwerbsleben vor-sorgen und dadurch auf Grund zu geringer Ersparnisse verarmen. Um diesen Problemen entgegenzu-wirken, greift in einer sozialen Marktwirtschaft der Staat ein und gründet eine Pflichtversicherung. Diese Pflichtversicherung ist in Österreich die Sozialversicherung.

N0

p0

Z0

p1

N1

Steigende Nachfrage› Steigender Preispro Zertifikat

pPreisproZertifikat Zahl

derZertifikate

Verschmutzungsrecht (Z)

55

Die Organisation der österreichischen Sozialversicherung

Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger

Unfallversicherung Krankenversicherung Pensionsversicherung

Allgemeine Unfallversicherungsanstalt

(AUVA)

9 Gebietskrankenkassen Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und Angestellten (PVA)

7 Betriebskrankenkassen

Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft

Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau

Sozialversicherungsanstalt der Bauern

Versicherungsanstalten öffentlich Bediensteter

Versicherungsanstalt des österr. notariates

Quelle: Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger

Mit einer Beschäftigung ist die Pflichtmitgliedschaft in einer Sozialversicherungsanstalt verbunden. Unterschiedliche Berufsgruppen (Arbeiter/innen und Angestellte, Beamte/Beamtinnen, Bauern/Bäue-rinnen u. a.) sind bei unterschiedlichen Sozialversicherungsträgern organisiert. Kinder (und Schü-ler/innen) sind über ihre berufstätigen Eltern mitversichert. in Österreich müssen für Kinder keine zu-sätzlichen Beiträge gezahlt werden.

Unfallversicherung

Die Unfallversicherung übernimmt die Zahlungen (= renten) an Geschädigte oder deren Witwen/Witwer bei Arbeitsunfällen. Zudem kommt sie für die Kosten der rehabilitation auf. Weitere Aufgaben werden im Bereich der Unfallverhütung geleistet. Der bekannteste Träger ist die Allgemeine Unfallver-sicherungsanstalt (AUVA). Die Zahl der Unfälle hat sich in den letzten Jahrzehnten enorm reduziert, da zum einen die Sicherheitsvorkehrungen immer besser werden und zum anderen die Zahl der „gefähr-lichen“ Berufe immer geringer wird.

Auch Schüler/innen und Student/inn/en sind auf dem Hin- und rückweg von der Ausbildungsstätte sowie in der Zeit der Ausbildung unfallversichert.

Quelle: Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, März 2009

Arbeitsunfälle

1997

208.341

134.505

13.872

1.370

58.594

200.355

126.714

14.581

1.537

57.523

20072006

187.483

119.847

12.580

1.590

53.466

Bezeichnung

Zahl der Versicherungsfälle

Arbeitsunfälle im engeren Sinn

Wegunfälle

Berufskrankheiten

Schüler(Studenten)unfälle

56

1 Volkswirtschaft | WirtschaftssystemeundWirtschaftsordnung

Krankenversicherung

Über die Krankenversicherung werden die Medikamente der Patient/inn/en sowie deren Behandlung in Spitälern und durch Ärzte/Ärztinnen finanziert.

Quelle: Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, März 2009

Quelle: Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, März 2009

Man erkennt bei den Einnahmen, dass der Großteil der Ausgaben durch die Krankenversicherungs-beiträge der Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen aufgebracht wird. Die Rezeptgebühren sind zwar bei jedem Kauf von verschriebenen Medikamenten zu bezahlen, stellen aber im gesamten Budget nur einen kleinen Finanzierungsbeitrag dar. Die rezeptgebühr beträgt ca. 5 € pro Medikament und Heilmittel.

Ausgaben der sozialen Krankenversicherung im Jahre 2008

Gesamtausgaben: 13.790 Mio.€ 1) (= 100 %)

1) Vorläufige Zahlen

Verwaltungsaufwand393 Mio.€ bzw. 3 %

Sonstiges1.377 Mio.€ bzw. 10 %

Spitäler3.911 Mio.€ bzw. 28 %

Ärzte3.322 Mio.€ bzw. 24 %

Medikamente3.037 Mio.€ bzw. 22 %

Zahnärzte764 Mio.€ bzw. 6 %

Mutterschaftsleistungen532 Mio.€ bzw. 4 %

Krankengeld454 Mio.€ bzw. 3 %

– Med. Rehabilitation– Gesundheitsfestigung und Krankheitsverhütung – Transportkosten– Abschreibungen

Einnahmen in der Krankenversicherung

in Mio.€in % der

Einnahmen 2007

Krankenversicherung

E i n n a h m e n

Beiträge für Versicherte

Vermögenserträgnisse

Rezeptgebühren

Leistungsersätze

Mittel aus dem Ausgleichsfonds

Sonstige Einnahmen

Differenz in %gegenüber

Bezeichnung

vorläufige Gebarung2008

+ 48,3

+ 47,1

– 25,9

+ 65,1

+ 60,9

+ 187,9

+ 19,8

+ 6,4

+ 5,7

– 11,1

– 2,0

+ 7,4

+ 60,2

+ 13,3

100,0

82,9

0,6

2,8

8,9

2,0

2,8

13.658

11.325

77

385

1.218

270

383

1998

57

Pensionsversicherung

Die Aufgabe der Pensionsversicherung besteht darin, die Pensionen der nicht mehr erwerbstätigen Personen sicherzustellen.

Quelle: Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, März 2009

Zur Finanzierung von Pensionen gibt es zwei grundsätzliche Verfahren: das Kapitaldeckungsverfah-ren und das Umlageverfahren.

Kapitaldeckungsverfahren

Das Kapitaldeckungsverfahren wird von privaten Versicherern angewandt. Eine einzelne Person spart bestimmte Beträge pro Jahr und am Ende der Laufzeit erhält der Versicherte entweder die angespar-te Vermögenssumme plus Zinsen oder eine laufende Pensionszahlung, die sich aus der Lebenserwar-tung und der Höhe der angesparten Summe errechnet. Je höher die Beitragszahlungen waren und je länger eingezahlt wurde, desto höher ist der angesparte Kapitalstock und die nachfolgende Pension. Es besteht somit ein direkter Zusammenhang zwischen Einzahlungen und Auszahlungen einer Person.

Das Kapitaldeckungsverfahren ist mit verschiedenen Risiken verbunden. So besteht immer ein risiko bei langfristiger Geldveranlagung. Diesem risiko sind auch die privaten Versicherungsanstalten aus-gesetzt. Eine negative wirtschaftliche Entwicklung oder schlechte Anlagestrategien bringen nur eine geringe → rendite ein. Durch schwere Krisen an den Finanzmärkten kann sogar das gesamte Vermö-gen vernichtet werden.

Umlageverfahren

Die Finanzierung der österreichischen Pensionen erfolgt über das Umlageverfahren. Arbeitnehmer/in-nen und Arbeitgeber/innen zahlen einen Teil des Lohns bzw. Gehalts in die Pensionsversicherung ein. Diese Beiträge werden aber nicht gehortet, sondern sofort für die laufenden Pensionszahlungen ver-wendet. Die Wirtschaftskraft der Erwerbstätigen finanziert somit die renten der Pensionist/inn/en desselben Zeitraums. Diese Form der Finanzierung wird als „→ Generationenvertrag“ bezeichnet.

Die Risiken, die mit einer langfristigen Geldanlage verbunden sind, werden im Umlageverfahren ausgeschaltet. Geldentwertung (inflation), Aktienkursverfall, Vermögensverluste durch schlechtes Management bieten für dieses System im Vergleich zu anderen Systemen eine geringere Gefahr.

Die Finanzierungsfähigkeit des Umlageverfahrens ist jedoch begrenzt, wenn die Zahl der Pensio-nist/inn/en immer weiter steigt, während die Zahl der Erwerbstätigen abnimmt. Diese bedrohliche Ent-wicklung ist in den europäischen Staaten gegeben, sie tendieren zur Überalterung.

Männer Frauen Männer Frauen

1.419 842 1.113 631

1.055 603 1.017 585

1.845 1.079 1.463 829

1.477 884 1.168 701

1.766 1.151 1.350 922

1.558 979 1.173 670

1.019 527 951 453

VAEB - Eisenbahnen

PVA - Angestellte

PVA - Arbeiter

des AltersPensions- versicherungsträger

PV insgesamt

Durchschnittspensionen nach dem Geschlecht in Euro, Dezember 2008

Pensionen aus dem Versicherungsfall

VAEB - Bergbau

der geminderten Arbeitsfähigkeit

SVA d. gew. Wirtschaft

SVA der Bauern

58

1 Volkswirtschaft | WirtschaftssystemeundWirtschaftsordnung

Folglich finden in regelmäßigen Abständen Pensionsreformen statt, die in der regel nur an zwei „Schrauben“ drehen können: Entweder man erhöht die Einnahmen, indem man die Beitragssätze er-höht, oder man kürzt die Ausgaben der Pensionsversicherung, indem man die Höhe der Pensions-zahlungen kürzt. Beide Maßnahmen sind bei der Bevölkerung nicht populär. Eine Erhöhung des Pen-sionsalters ist jene Maßnahme, die sowohl die Ausgaben senkt (weil man länger keine Pension erhält) als auch die Einnahmen erhöht (weil man länger Beiträge zahlen muss).

Quelle: EU-Kommission, EUrOSTAT

Die Statistik zeigt, dass die Erwerbsquote der 55- bis 64-Jährigen (= Anteil derer, die in diesem Alter noch arbeiten) in Österreich sehr gering ist. Wirtschaftspolitische Maßnahmen der Zukunft werden sich darauf konzentrieren, diese Quote zu erhöhen, um das Pensionssystem langfristig zu sichern.

Mischformen zur Pensionsvorsorge

neben dem staatlichen Umlageverfahren unterstützt der Staat auch das Kapitaldeckungsverfahren, indem die private Vorsorge durch Steuererleichterungen und Prämien unterstützt wird. Manche Un-ternehmen zahlen außerdem für ihre Mitarbeiter/innen in private Pensionsfonds ein, die dann ein mehr oder weniger großes Zubrot zur staatlichen Pension erbringen sollen.

Arbeitslosenversicherung

Als vierte Säule der Sozialversicherung wird die Arbeitslosenversicherung bezeichnet. Sofern davor für eine bestimmte Zeit Einzahlungen in die Arbeitslosenversicherung erfolgten, zahlt der Staat arbeitslos gewordenen Personen für maximal 52 Wochen ein „Gehalt“, um die Zeit der Arbeitslosigkeit überbrü-cken zu können.

ERWERBSQUOTEN 2009 *Erwerbspersonen in % der Bevölkerung im Alter von 15 bis 64 Jahren, im EU-Vergleich

* Prognose

74,2

75,8

75,8

76,0

76,1

76,2

77,7

78,1

79,9

80,3

80,9

81,9

Spanien

Österreich

Großbritannien

Estland

Finnland

Bulgarien

Lettland

Portugal

Schweden

Deutschland

Niederlande

Dänemark

59,2

60,2

63,0

66,4

67,3

67,5

67,6

68,1

68,2

69,6

70,5

71,5

72,3

72,4

72,6

72,7

Malta

Ungarn

Polen

Rumänien

Luxemburg

Italien

Frankreich

Griechenland

Belgien

Slowakei

Litauen

Slowenien

Tschechien

EU (27)

Irland

Zypern

59

1.4.3.6 MarktversagenbeiWirtschaftskrisen:KonjunkturelleAufgaben

in marktwirtschaftlichen Ordnungen kann es immer wieder zu krisenhaften Erscheinungen – insbe-sondere zu Arbeitslosigkeit und zu (hoher) Inflation – kommen, die die sozialen und politischen Verhältnisse in einem Land destabilisieren. Die Marktkräfte reichen dann oft nicht aus, um diese nachhaltigen Wirtschaftskrisen zu überwinden. Die Aufgabe des Staates besteht nun darin, in das Marktgeschehen einzugreifen, um diese Krisen zu überwinden und um konjunkturelle Schwan-kungen auszugleichen. im nächsten Kapitel werden diese Zusammenhänge näher erläutert.

Zusammenfassung

• ZudenidealtypischenWirtschaftssystemenzählendieMarktwirtschaft und die Planwirtschaft.

• DiePlanwirtschaft hat durch den Zusammenbruch der Sowjetunion maßgeblich an Bedeutung verloren.

• Marktwirtschaft, Freiheit und Liberalismus sowie Kapitalismus sind Begriffe, die eng miteinan-der verbunden sind.

• InderWeltsindverschiedeneFormendersozialen Marktwirtschaft zu beobachten, in denen auch der Staat eine Vielzahl von Aufgaben übernommen hat.

• DiewichtigsteAufgabedesStaatesistdieUmverteilung der Einkommens- und Vermögenssitu-ation der durch den Markt erzielten Ergebnisse. Die Umverteilung erfolgt in erster Linie über eine progressive Einkommensteuer. Bezieher/innen höherer Einkommen zahlen nicht nur absolut, sondern auch überproportional mehr Steuern. Die Arbeitslosenversicherung und verschiedene Transfersysteme tragen ebenfalls zu einer Umverteilung der Einkommen bei.

• DaMärkteKonzentrationstendenzen haben können, ist es wichtig, dass der Staat auf einen ge-sunden Wettbewerb achtet. Aus diesem Grund kontrollieren Wettbewerbsbehörden, dass es zu kei-nen Preisabsprachen und zu keinen Kartellen kommt.

• BeivielenGüternundDienstleistungenwürdeesineinerreinenMarktwirtschaftzueinerUnter-versorgung kommen (Bildung, Forschung&Entwicklung, infrastruktur, öffentliche Verkehrsmittel). Aus diesem Grund übernimmt der Staat im Sinne der Allgemeinheit die Bereitstellung dieser Güter.

• EinewichtigeInstitutionimösterreichischenWirtschaftssystemistdieSozialversicherung, die alle Wirtschaftstätigen und deren Angehörige gegen die risiken des Unfalls, der Krankheit und des Alters absichert. Zur Sozialversicherung zählen Unfall-, Kranken-, Pensions- und Arbeitslosenver-sicherung.

• ZurFinanzierungderPensionenisteinKapitaldeckungsverfahren oder ein Umlageverfahren denkbar. in der Praxis treten zunehmend Mischsysteme auf.

• IneinerMarktwirtschaftkönnengesamtwirtschaftlicheFehlentwicklungenwiehoheArbeitslosig-keit oder eine hohe inflation auftreten. Diese Entwicklungen können vom Markt selbst oft nicht kor-rigiert werden. Aus diesem Grund greift der Staat ein und betreibt eine aktive Konjunktur- und Anti-inflationspolitik.

60

1 Volkswirtschaft | WirtschaftssystemeundWirtschaftsordnung

Lernkontrolle

01 Durch welche Fragen wird ein Wirtschaftssystem charakterisiert?

02 Wie funktioniert eine Marktwirtschaft?

03 Warum kam es zum Zusammenbruch der Planwirtschaft?

04 Wie kann der Staat die durch den Markt entstandene Primärverteilung umverteilen?

05 Warum sind Preisabsprachen und Kartelle negativ?

06 Welche Folgen hätte ein vollkommen privates Schul- und Universitätssystem?

07 Welche instrumente stehen dem Staat zur Verfügung, um eine gesunde Umwelt zu erhalten?

08 Welche Aufgaben übernimmt die Sozialversicherung?

09 Was versteht man unter dem Kapitaldeckungsverfahren?

10 Was ist der Generationenvertrag?

11 Wie kann das Pensionsversicherungssystem reformiert werden?

61

1Volkswirtschaft | Bruttoinlandsprodukt,KonjunkturundWirtschaftswachstum,Wohlstand

SiTUATiOn

1.5 Bruttoinlandsprodukt, konjunktur und wirtschaftswachstum, wohlstand

... verstehen, warum und wie man das Bruttoinlandsprodukt (BIP) misst.

... wissen, dass Produktion und Einkommen sehr eng zusammenhängen.

... verstehen, was die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ist und wie sie erhöht werden kann.

... die Begriffe nachfrageorientierte und angebotsorientierte Wirtschaftspolitik verstehen.

„china will konjunktur mit 37 Milliarden Euro ankurbeln

DadieWirtschaftnurnochum10,4ProzentimzweitenQuartalgewachsenist,willdieRegierung

dieStaatsausgabenerhöhenundSteuernsenken.VorallemdieInfrastrukturmussdringendüber­

arbeitetwerden.

JahrelangmussteChinaseineWirtschaftgegenÜberhitzungschützen.Nunaberplantsie,dieKon­

junkturmitknapp37MilliardenEurowiederanzuheizen.(...)

DasPaketsiehtzusätzlicheAusgabendesStaatesinHöhevonrund22MilliardenEurosowieSteuer­

kürzungenum15MilliardenEurovor.DasrasanteWachstumderchinesischenWirtschafthattesich

zuletztleichtabgekühlt(…)GeschrumpftsindvorallemdieExporte,unteranderemaufGrunddes

schwächelndenWachstumsindenUSA,JapanundEuropa.(...)“

Quelle:DiePresse.com,25.08.2008,

Welche Faktoren beeinflussen Konjunktur und Wirtschaftswachstum und wie kann der •Staat eine Volkswirtschaft positiv beeinflussen?

1.5.1 VolkswirtschaftlicherKreislaufin einer Volkswirtschaft fließt eine Vielzahl von Zahlungsströmen zwischen verschiedenen Menschen: Man zahlt die rechnung im Supermarkt. Ein/e Unternehmer/in bezahlt die Mitarbeiter/innen für ihre Arbeitstätigkeit. Der/die Selbstständige zahlt Einkommensteuer an den Staat.

Diese Transaktionen werden in einem Kreislaufmodell dargestellt, in dem im ersten Schritt nur zwei Entscheidungsträger – private Haushalte (H) und Unternehmen (U) – aufscheinen. Die Unternehmen erzeugen verschiedene Güter und Dienstleistungen (Auto, Werkzeug, Lebensmittel, ....) und verwen-den dabei die Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Boden. im folgenden Modell sind die privaten Haushalte die Eigentümer dieser Produktionsfaktoren und sie verbrauchen alle von den Unternehmen hergestellten Güter. Durch diese Annahme entstehen zwei Märkte: der Gütermarkt, auf dem die Haushalte Käufer/innen und die Unternehmen Verkäufer/innen sind, und der Faktormarkt (= Produk-tionsfaktorenmarkt), auf dem die Unternehmen Käufer/innen und die Haushalte Verkäufer/innen sind.

LErnZiELE

LEiTFrAGEn

62

1 Volkswirtschaft | Bruttoinlandsprodukt,KonjunkturundWirtschaftswachstum,Wohlstand

Transaktionen in einer Volkswirtschaft mit nur zwei Entscheidungsträgern

Es gilt einen realen Strom (= Güterstrom) und einen monetären Strom (= Geldstrom) zu unter-scheiden.

Der äußere Strom stellt den Güterstrom bzw. Waren- und Dienstleistungsstrom dar: Die Haushalte bieten ihre Arbeitskraft an (= Faktorleistung) und erhalten dadurch ein Einkommen (= Faktoreinkom-men). Die Unternehmen verwenden alle Produktionsfaktoren, um Güter und Dienstleistungen zu pro-duzieren, die wiederum an die privaten Haushalte verkauft werden. So fließen die Produktionsfaktoren von den Haushalten zu den Unternehmen und in Form von Gütern wieder an die Haushalte zurück.

Der innere Strom stellt den Geldstrom dar: Die Haushalte geben ihr Geld für die Waren und Dienst-leistungen der Unternehmen aus. Die Unternehmen wiederum verwenden diese Einnahmen, um die Produktionsfaktoren zu bezahlen. Alles, was übrig bleibt, ist der Gewinn des Unternehmers/der Unter-nehmerin, der/die als Privatperson zu den privaten Haushalten gehört.

in diesem Kreislaufmodell bleiben viele Fragen offen. An dieser Stelle soll jedoch gezeigt werden, wel-che Erkenntnisse bereits aus diesem einfachen Kreislauf geschlossen werden können:a) Um allgemeine Aussagen über eine Volkswirtschaft treffen zu können, werden die einzelnen Men-

schen, Akteure und Entscheidungsträger zu Großgruppen (= Aggregaten) zusammengefasst. im obigen Modell wurden nur die privaten Haushalte und Unternehmen beachtet. Weitere wichtige Ak-teure einer Volkswirtschaft sind der Staat und das Ausland, die oben noch ausgeklammert wurden.

b) Zwischen allen Großgruppen finden eine Vielzahl von Transaktionen statt, die im rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (= VGr) erfasst werden. Alle europäischen Staaten hal-ten sich inzwischen an ein genormtes Aufzeichnungssystem, das Europäische System Volkswirt-schaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG 95). Die VGr ist somit mit der Buchhaltung eines Unterneh-mens zu vergleichen, die alle Transaktionen und Zahlungsvorgänge eines Unternehmens abbildet. Die VGr bildet alle Transaktionen einer Volkswirtschaft ab.

c) Das Kreislaufmodell verdeutlicht die idee, dass Produktion und Einkommen sehr eng miteinander verbunden sind. Warum stimmt diese Behauptung? Durch die Produktion entstehen Einkommen: Durch die Einnahmen aus der Produktion können die Arbeitskräfte bezahlt oder Gewinne erwirt-schaftet werden. Für Güter, die eingekauft wurden, um zu produzieren, gilt dasselbe: Durch diese Ausgaben sind Einkommen entstanden. Man kann sich diese Zusammenhänge auch in einer Ein-Personen-Volkswirtschaft vorstellen.

Beispiel:

ManstellesichRobinsonCrusoeaufeinereinsamenInselvor:JemehrFischeeraneinemTagfangen

kann(=Produktion),destohöheristseinEinkommen.Esistoffensichtlich:Jehöhersein„Einkom­

men“,destobessergehtesihm.FängtermehrFische,alseraneinemTagkonsumierenkann(Kon­

sum),dannhaterdieMöglichkeit,sieineinerkühlenHöhlezuhorten(=Sparen).DurchdasSparen

vonFischenkannersichamnächstenTaganderenTätigkeitenwidmen(=Investitionen:z.B.bessere

Fangvorrichtungenentwickeln,Hausbauenusw.)

Private Haushalte

Unternehmen

Güterstrom Konsumgüter

Faktorleistungen

Konsumausgaben

Faktoreinkommen

Geldstrom

63

Das wichtigste Ziel der VGr besteht nun darin, das Bruttoinlandsprodukt (BiP) zu messen. Das BiP misst einerseits die Höhe der Produktion einer Volkswirtschaft und gleichzeitig das Einkommen einer Volkswirtschaft.

(Vereinfachter) Volkswirtschaftlicher Kreislauf mit Haushalten, Unternehmen, Staat und Ausland

Erklärung: In einer Volkswirtschaft agieren vier große Akteure (= Aggregate), zwischen denen eine Vielzahl von Beziehungen bestehen:• Haushalte: Durch ihre Arbeit erzielen sie Einkommen, das sie konsumieren (Konsum) oder spa-

ren (Sparen), zudem zahlen sie auch Steuern an den Staat.• Unternehmen: zahlen Einkommen an die Haushalte und leihen sich das ersparte Geld der Haus-

halte, um zu investieren (Investitionen), zudem treiben sie Handel mit dem Ausland (Importe, Ex-porte).

• Staat: erhält Steuereinnahmen von Haushalten (Steuern) und Unternehmen (nicht eingezeichnet) und gibt sie den Unternehmen (Staatsausgaben) und Haushalten (nicht eingezeichnet) zurück.

• Ausland: pflegt mit dem Inland Handelsbeziehungen (Importe, Exporte)

1.5.2 Bruttoinlandsprodukt(BIP)Das BiP ist der Marktwert aller Güter und Dienstleistungen, die innerhalb eines Jahres von in- und Ausländer/inne/n in einem Land hergestellt werden und dem Endverbrauch dienen. Werden Güter nicht direkt weiterverwendet, sondern auf Lager gestellt, gelten sie ebenfalls als Endprodukt (Vorrats-veränderungen).

im BiP sind somit das Brot, das man im Supermarkt kauft, oder der Haarschnitt bei einem Friseur ent-halten. Um das Brot gemeinsam mit Äpfeln, Birnen sowie dem Haarschnitt zusammenrechnen zu kön-nen, werden die Güter mit ihren Marktpreisen bewertet. ist der Preis des Brotes doppelt so hoch wie der Preis einer Birne, dann trägt das Brot auch doppelt so viel zum BiP bei wie die Birne.

Das BIP steht für die (aggregierte, d. h. angehäufte) Produktion einer Volkswirtschaft. Es kann auch als die Summe der Wertschöpfung aller Unternehmen gesehen werden, da der produzierte Mehrwert aller Unternehmen der gesamten Produktion eines Jahres entspricht.

UnternehmenHaushalte

Einkommen

Kapitalmarkt

Sparen Investitioen

Konsum

StaatsausgabenSteuern

Importe Exporte

Staat

Ausland

64

1 Volkswirtschaft | Bruttoinlandsprodukt,KonjunkturundWirtschaftswachstum,Wohlstand

Zum Primärbereich einer Volkswirtschaft zählt die Land- und Forstwirtschaft. Der Sekundärbereich wird auch als Industriesektor bezeichnet. Der größte Wertschöpfungsbereich in Österreich ist mit fast 60 % der Tertiärbereich. Er verdeutlicht, dass wir heute in einer Dienstleistungsgesellschaft leben, da die meisten Einkommen und Beschäftigungsmöglichkeiten in diesem Bereich entstehen.

Zu einem tieferen Verständnis einer Volkswirtschaft führt auch eine Zerlegung des BiP in seine Ver-wendungszwecke. Dazu wird die Produktion in ihre Nachfragekomponenten aufgeteilt, je nach-dem, für wen die Produktion verwendet wird:

Wirtschaftlicher Akteur Nachfrage

Private Haushalte Konsum, Privater Verbrauch (C)

Unternehmen investitionen (i)

Staat Öffentlicher Konsum (G)

Ausland Exporte, importe (EX, iM)

a) Der private Konsum (C) umfasst alle Ausgaben der privaten Haushalte für Güter und Dienstleis-tungen. Dazu gehören die Ausgaben für das Jausenbrot und den neuen mp3-Player ebenso wie die Ausgaben für ein neues Auto oder für die reparaturen am alten Wagen.

b) Investitionen (I) sind eine zentrale Größe in einer Volkswirtschaft. Unter investitionen im volkswirt-schaftlichen Sinn versteht man den Kauf der Unternehmen von Maschinen und den Bau von Fa-briken und Lagerhallen. Zudem zählen Ausgaben für → Patente, → Lizenzen und für Software zu den investitionen eines Unternehmens. Die investitionen erhöhen den Kapitalstock (K) einer Volkswirtschaft. Dieser ist wiederum eine wichtige Voraussetzung für den Wohlstand einer Volkswirtschaft. Es ist offensichtlich, dass eine Volkswirtschaft umso mehr produzieren kann, über je mehr Maschinen und Produktionsstätten sie

Entstehungsbereiche2000 2004 2005 2006 2007 2008

reale Veränderung zum Vorjahr in % 1

Land- und Forstwirtschaft = Primärbereich 5,4 + 7,6 – 1,8 – 0,4 + 8,6 + 0,7

Bergbau 2 +

01,9 + 7,1 + 4,8 – 0,5 + 4,9 + 3,7Sachgütererzeugung + 7,1 + 2,9 + 4,8 + 9,9 + 5,5 + 3,5Energie- und Wasserversorgung + 0,5 +10,3 – 2,2 + 6,3 – 1,7 + 6,6Bauwesen + 0,6 + 1,4 + 1,2 + 0,4 + 2,8 – 0,1Sekundärbereich + 5,0 + 3,2 + 3,3 + 7,2 + 4,2 + 3,0Handel 3 + 3,8 + 0,0 + 2,2 – 1,0 + 1,5 + 0,0Beherbergungs- und Gaststättenwesen + 3,8 + 0,8 + 2,6 + 2,6 + 2,3 + 3,8Verkehr und Nachrichtenübermittlung + 0,8 + 3,0 – 0,6 + 6,3 + 3,1 + 2,8Kreditinstitute und Versicherungen +14,8 + 8,5 +10,0 + 5,4 + 8,5 – 2,1Unternehmensbezogene Dienstleistungen 4 + 4,9 + 4,0 + 4,7 + 3,1 + 3,0 + 2,3Öffentliche Verwaltung 5 – 0,2 – 1,3 + 1,7 + 1,9 – 0,5 – 0,5Sonstige Dienstleistungen – 0,2 + 1,6 + 2,0 + 1,6 + 1,6 + 1,8Tertiärbereich + 3,4 + 2,3 + 3,2 + 2,4 + 2,5 + 1,3Wertschöpfungaller Wirtschaftsbereiche + 3,6 + 2,6 + 3,1 + 3,7 + 3,1 + 1,8

BRUTTO-INLANDSPRODUKT (BIP) + 3,7 + 2,5 + 2,9 + 3,4 + 3,1 + 1,81 reale Veränderung auf Basis von Vorjahrespreisen Quelle: STATISTIK AUSTRIA,

Mai 20092 einschließlich Gewinnung von Steinen und Erden3 einschließlich Reparatur von Kfz und Gebrauchsgütern4 einschließlich Realitätenwesen und Vermietung beweglicher Sachen5 einschließlich Landesverteidigung und Sozialversicherung

Entstehung des realen BIP

65

verfügt. Je mehr sie produzieren kann, desto höher sind die Einkommen und umso besser geht es

dieser Volkswirtschaft. (Siehe Kap. 1.1 Produktionsfaktoren.)c) Die Ausgaben des Staates für Güter und Dienstleistungen nennt man „öffentlichen Konsum“ (G).

Zum öffentlichen Konsum zählen z. B. die Staatsausgaben für Schulen, Krankenhäuser oder militä-rische Zwecke. Viele Güter des Staates (wie z. B. Schulbildung) werden nicht über den Markt ver-kauft, sondern durch Steuern finanziert und dann für die Bevölkerung bereitgestellt. Staatliche Transfers wie Kinderbeihilfen oder Subventionen zählen zwar zu den Staatsausgaben, nicht jedoch zum öffentlichen Konsum, da der Staat für diese Zahlungen keine Güter oder Dienst-leistungen im Gegenzug erhält. Steuern, die eingehoben und in weiterer Folge als Transferleis-tungen wieder zurückgezahlt werden, führen zu Umverteilungswirkungen, erhöhen aber nicht die Produktion und damit das Einkommen einer gesamten Volkswirtschaft.

d) Die wichtigsten Transaktionen mit dem Ausland sind die Exporte (EX) und die Importe (IM). in ei-ner offenen Volkswirtschaft tritt das Ausland als nachfrager auf, der einen Teil der Produktion einer Volkswirtschaft nachfragt. Umgekehrt fragen inländer/innen ausländische Produkte nach. Die Dif-ferenz zwischen Exporten und importen wird Außenbeitrag (EX – IM) genannt.

Die gesamtwirtschaftliche Produktion kann somit wie folgt auf seine nachfrager aufgeteilt werden:

Y = C + I + G + (EX – IM)

Wie hoch sind die einzelnen Komponenten der Nachfrage am BIP in Prozent?

Je höher die Nachfrage der verschiedenen Akteure (private Haushalte, Unternehmen, Staat, Aus-land), umso höher ist die Produktion. Je höher die Produktion, desto besser geht es einer Volkswirt-schaft, weil höhere Einkommen entstehen.

Zugleich ist unmittelbar einsichtig, dass mit einer höheren Produktion auch ein größerer Bedarf an Ar-beitskräften einhergeht. D. h., eine Volkswirtschaft mit einer hohen Produktion kann davon ausgehen, dass die Arbeitslosigkeit geringer ist.

AUFGABE 18

Entwicklung der Nachfrage (nominell)

Quelle: STATISTIK AUSTRIA, Mai 2009

Nachfragearten 1990 2000 2005 2006 2007Mrd. EUR

Konsumausgaben insgesamt 103,03 158,16 182,29 189,34 196,19 Private Haushalte 075,22 115,70 133,16 138,06 142,96 Staat 025,50 038,65 044,51 046,45 048,29Bruttoinvestitionen 032,52 049,18 050,72 053,79 058,14 Bruttoanlageinvestitionen 030,75 047,88 049,93 053,07 056,46 Ausrüstungen 1 013,49 021,33 022,02 022,78 023,88 Bauten 017,26 026,54 027,91 030,29 032,58 Vorratsveränderung 2 001,45 001,08 000,62 000,92 001,69Statistische Differenz 0– 0,44 000,15 000,29 000,13 0– 0,01INLÄNDISCHE VERWENDUNG 135,12 207,49 233,30 243,26 254,32

Exporte (Waren und Dienstleistungen) 051,44 095,60 131,10 144,77 159,00Importe (Waren und Dienstleistungen) 050,23 092,69 119,07 130,10 140,56BRUTTO-INLANDSPRODUKT (BIP) 136,33 210,39 245,33 257,90 272,77

1 einschließlich immaterielle Anlagen, sonstige Ausrüstungen, Nutztiere und Nutzpflanzungen2 einschließlich Nettozugang an Wertsachen

66

1 Volkswirtschaft | Bruttoinlandsprodukt,KonjunkturundWirtschaftswachstum,Wohlstand

1.5.3 EinkommenundKonsumDer Konsum (C) ist mit einem Anteil von über 50 % am BiP die wichtigste Nachfragegröße. Aus die-sem Grund haben sich Wissenschaftler/innen sehr intensiv mit der Erforschung des Konsums be-schäftigt. Es ist offensichtlich, dass zudem zwischen Einkommen und Konsum ein enger Zusammen-hang besteht. in einfachen Modellen wird angenommen, dass die Konsumnachfrage ausschließlich vom aktuellen Einkommen abhängt: Steigt das Einkommen, steigt auch der Konsum. (Zur Erinnerung: im Marktmodell ist die nachfrage – und damit auch der Konsum – vom Preis abhängig.)

Diese Überlegungen führen zum Multiplikatoreffekt, der von vielen Ökonom/inn/en und Politiker/inne/n angenommen wird: Gelingt es, die Produktion eines Landes zu erhöhen (z. B. durch höhere Staatsaus-gaben G), steigen gleichzeitig die Einkommen in dieser Volkswirtschaft. Das zusätzliche Einkommen wird zu einem Teil gespart, zu einem anderen Teil jedoch wieder konsumiert. Man kann sogar davon ausgehen, dass der größere Teil des zusätzlichen Einkommens wieder ausgegeben bzw. konsumiert wird. Der zusätzliche Konsum führt zu einer zusätzlichen nachfrage und damit wieder zu mehr Produk-tion. Mehr Produktion führt wieder zu mehr Einkommen und zu mehr Konsum ...

Multiplikatoreffekt

Beispiel:

AnHandeinesBeispielssolldieserZusammenhangverdeutlichtwerden:EingroßerBauauftragdes

Staates(z.B.NeubaueinesFußballstadions)führtzumehrProduktion,aberauchgleichzeitigzu

zusätzlichenEinkommenfürBauunternehmer/innen,Architekt/inn/enundHandwerker/innen.Das

zusätzlicheEinkommenwirdwiederindenKonsumgesteckt:füreinneuesAuto,fürdielängstfällige

RenovierungderWohnung,füreineneueUhr,fürmehrTaschengeldfürdieKinder.DieAusgaben

stelleneinezusätzlicheNachfragedarunderhöhendieEinkommenderAutoverkäufer/innen,der

Schmuckhändler/innenundvielerweitererAnbieter/innenvonGüternundDienstleistungen.Auchdi­

esegebenihrzusätzlichesEinkommenwiederausundesentstehenEinkommenundBeschäftigungs­

möglichkeiteninanderenBereichenderWirtschaft.

Auf Grund dieser Zusammenhänge führen negative Erwartungen über die Zukunft zu negativen Er-gebnissen, die für die Menschen spürbar werden. Man nennt dieses Phänomen selbsterfüllende Prophezeiungen: Wenn alle Menschen glauben, dass die Zukunft bedrohlich wird, und deshalb mehr sparen, um für schlechte Zeiten vorzusorgen, wird sich genau dieser Effekt einstellen. Mehr Sparen bedeutet weniger Konsum; weniger Konsum bedeutet weniger nachfrage, weniger nachfrage führt zu weniger Produktion, Einkommen und Arbeitsplätzen. Eine steigende Sparquote (= sinkende Konsum-quote) kann daher (kurzfristig) sehr negative Konsequenzen für eine Volkswirtschaft haben.

Stellen Sie sich vor, Österreich bekommt zum dritten Mal in der Geschichte die Ausrich-tung der Olympischen Winterspiele übertragen. Wer aller profitiert Ihrer Meinung nach von öffentlichen Investitionen in die Infrastruktur?

C Y G

Sparen (S) �

Y = Einkommen

G = Staatsausgaben C = Konsum

AUFGABE 19

67

1.5.4 EinkommenundWohlstandDie Höhe des Einkommens einer Person ist eine erste und wichtige Grundlage für das „Wohlergehen“ einer Person. Eine ähnliche Überlegung gilt für die Beschreibung des Wohlstands einer Volkswirt-schaft. Als Kennzahl dafür verwendet man daher das BIP pro Kopf. Da Produktion und Einkommen eng miteinander verknüpft sind, ist es unmittelbar einsichtig, dass diese Kennzahl etwas über den Wohlstand einer gesamten Volkswirtschaft aussagt.

BIP pro Einwohner/in 2008

Quelle: Wirtschaftskammern Österreichs, EUrOSTAT, OECD, Mai 2009

Für eine Privatperson ist das Einkommen ein wichtiger, aber nicht unbedingt ein zureichender indikator für seinen Wohlstand. Diese Überlegung gilt in größerem Ausmaß für eine gesamte Volkswirtschaft. im BiP wird z. B. die Tauschwirtschaft nicht erfasst. Bei der Schattenwirtschaft (Schwarzarbeit) muss man sich mit Schätzungen begnügen. Weiters sagt das BiP pro Kopf nichts über die Höhe der Freizeit der Berufstätigen oder über deren Lebenserwartung aus, wobei diese Faktoren den Wohlstand einer Volkswirtschaft erheblich beeinflussen. Ein weiteres Problem dieser Kennzahl ist, dass die Verteilung der Einkommen nicht berücksichtigt wird. So kann es sein, dass einige wenige in einer Volkswirtschaft sehr viel verdienen und über reichtümer verfügen, während andere kaum genug zum Essen besitzen.

Auf der anderen Seite zeigen Studien, dass die Höhe des BiP pro Kopf sehr wohl mit dem Wohlstand ei-ner Volkswirtschaft zusammenhängt. So lässt sich nachweisen: Je höher das BiP pro Kopf eines Landes,

desto höher ist die Zahl der Kinder, die eine Schule besuchen,•desto mehr Telefone und Fernsehgeräte befinden sich in einer Volkswirtschaft,•desto besser sind die Elektrizitätsversorgung sowie die infrastruktur und•desto besser ist die Gesundheitsversorgung.•

Wirtschaftlicher Wohlstand macht eine bessere infrastruktur sowie ein ausgebautes Bildungs-, Ge-sundheits- und Sozialwesen erst möglich.

BIP je Einwohner 2009 *zu laufenden Preisenund Kaufkraftstandards* Schätzung (EUROSTAT, Mai 2009)

LuxemburgNorwegen

IrlandSchweiz

NiederlandeÖsterreichSchwedenDänemark

BelgienDeutschland

FinnlandGroßbritannien

FrankreichSpanien

GriechenlandItalien

ZypernSlowenien

TschechienMalta

PortugalSlowakeiKroatien

EstlandUngarn

LettlandPolen

LitauenRumänien

TürkeiBulgarien

Euro-zone (16)

EU (16) EU (27) USA Japan

27.600 27.300 26.300

37.200

27.400

65.400

43.700

35.200

34.700

33.400

31.100

30.400

29.400

29.100

28.900

28.900

28.900

26.900

25.600

24.600

24.600

23.500

23.200

20.700

20.000

18.800

18.300

16.100

15.800

15.500

15.100

14.300

13.500

11.700

10.900

10.400

68

1 Volkswirtschaft | Bruttoinlandsprodukt,KonjunkturundWirtschaftswachstum,Wohlstand

Der Human Development Index (HDI, index der menschlichen Entwicklung) versucht seit 1990 mit einer Maßzahl den Stand der menschlichen Entwicklung in den Ländern der Welt zu verdeutlichen. Der HDi beinhaltet neben dem Einkommen (reale Kaufkraft je Einwohner/in)

die Lebenserwartung sowie•den Bildungsgrad mit Hilfe der Alphabetisierungsrate und der Einschulungsrate der Bevölkerung.•

Der Faktor Lebenserwartung gilt dabei als indikator für Gesundheitsfürsorge, Ernährung und Hygiene. Das Bildungsniveau steht für erworbene Kenntnisse und die Teilhabe am öffentlichen und politischen Leben.

a) Recherchieren Sie den HDI im Internet und machen Sie sich ein Bild über die entwi-ckelten und weniger entwickelten Länder dieser Erde! Welche Tendenzen sind zu erkennen?

b) Was sind Ihrer Meinung nach weitere Indikatoren, an Hand derer man den Wohlstand einer Volkswirtschaft messen könnte?

1.5.5 Konjunktur:WirtschaftswachstumimZeitablaufDer Anstieg oder genauer die Wachstumsrate des BiP wird als Wirtschaftswachstum bezeichnet. Das in den Tageszeitungen laufend veröffentlichte Wirtschaftswachstum ist somit die Wachstumsrate des (realen) BiP.

Quelle: Wirtschaftskammern Österreichs, WiFO

Die Produktion bzw. das BiP steigt im Zeitablauf nicht regelmäßig an. Vielmehr schwankt es um einen Trend. Diese Schwankungen werden als Konjunkturzyklus bezeichnet. Ein Konjunkturzyklus besteht aus verschiedenen Phasen:

AUFGABE 20

2009 und 2010: WIFO-Prognose (Ende März 2009)

Wirtschaftswachstum 1990 – 2010reale Veränderung des BIP in %

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

2009

2010

–2,2

0,5

4,2

3,3

1,9

0,4

2,22,5

2,2 2,1

3,63,3

3,7

0,5

1,6

0,8

2,52,9

3,43,1

1,8

69

a) Boomphase, Hochkonjunktur

in einer Boomphase ist eine Wirtschaft voll am Laufen. Die Auftragsbücher der Unternehmen sind gefüllt und die Produktionskapazitäten voll ausgeschöpft. Es besteht fast keine Arbeitslosigkeit. Die Preise der Güter und Dienstleistungen steigen an, da die nachfrage groß ist. Eine Fußball-WM oder ein anderes Großereignis (etwa eine Olympiade) kann z. B. zu einem größeren Wirtschaftswachstum in einem Land führen. Die nachfrage wird durch die investitionen in die infrastruktur, aber auch durch das Ausland (= Fußballfans anderer Länder, die in das Land reisen) angekurbelt. Dadurch steigen die Produktion und die Einkommen der heimischen Bevölkerung.

b) Rezession, Abkühlung

Dem Boom folgt in der regel eine Abkühlung, auch rezession genannt. Die am meisten verbreitete Definition besagt, dass eine rezession vorliegt, wenn die Wirtschaft zwei Quartale nacheinander nicht wächst bzw. wenn ein rückgang zu verzeichnen ist (sinkendes Bruttoinlandsprodukt), allerdings immer verglichen mit dem jeweiligen Quartal des Vorjahres (nicht mit dem direkt vorangehenden Quartal!).

in der rezession kommt es zunehmend zu Unterbeschäftigung und das (Volks-)Einkommen sinkt. Der rückgang von Unternehmensgründungen (= investitionen) oder die Abwanderung von Unternehmen kann in weiterer Folge zu einer schweren wirtschaftlichen Krise führen.

Beispiel:

ImJahre2008wardasWirtschaftswachstuminvieleneuropäischenVolkswirtschaftenrückläufig.

DieImmobilienkriseindenUSAhatteauchstarkeAuswirkungenaufEuropa.EineReduktionder

NachfrageindenUSAführtezueinerVerringerungderImportebzw.zueinerVerringerungdereuro­

päischenExporte.DieUnsicherheitstiegunddieMenschenbegannenmehrzusparen.Dadurchsank

derKonsumunddieGefahreinergrößerenRezessionstiegweiter.

c) Depression, Krise

Eine echte Depression, verbunden mit extrem hohen Arbeitslosenzahlen, ist für eine Gesellschaft sehr gefährlich. → Ausgleiche und → Konkurse sind an der Tagesordnung und die Einkommen der Bevölke-rung sinken rapide. Pessimistische Erwartungen über die Zukunft verstärken diese Effekte, da investi-tionen und privater Konsum weiter zurückgehen. Eine sehr schlechte Wirtschaftslage ist zudem ein guter nährboden für radikale regime und für Kriege. Falls eine Bevölkerung nichts mehr zu verlieren hat, ist sie eher bereit, in den Krieg zu ziehen.

TrendBoom

Aufs

chw

ung

Stagnation

Depression

OutputBIP

Zeit

Rezession

70

1 Volkswirtschaft | Bruttoinlandsprodukt,KonjunkturundWirtschaftswachstum,Wohlstand

d) Erholung, Aufschwung

Steigendes Wirtschaftswachstum und damit eine Verbesserung der Wirtschaftslage werden im Kon-junkturzyklus als Erholung oder Aufschwung bezeichnet.

1.5.6 WirtschaftswachstumundArbeitslosigkeitEine hohe Beschäftigung bzw. eine geringe Arbeitslosenrate ist eines der wichtigsten Ziele einer re-gierung. Zur Messung der Arbeitslosigkeit bedient man sich der Arbeitslosenquote.

1.5.6.1 DefinitionderArbeitslosigkeit

Grundsätzlich können zur Beschreibung der Beschäftigungssituation in einem Land eine Vielzahl von Kenngrößen herangezogen werden:

Arbeitslosenquote (u) =Arbeitslose (U)

Arbeitskräftepotenzial (L)

Arbeitskräftepotenzial (L) = Beschäftigte (n) + Arbeitslose (U)

Die Arbeitslosenquote ist die wichtigste Kennzahl und wird regelmäßig in den Tageszeitungen veröf-fentlicht. Dabei unterscheidet man zwischen einer Arbeitslosenquote nach dem österreichischen Kon-zept und einer Arbeitslosenquote nach dem EUrOSTAT-Konzept der Europäischen Union.

a) Österreichisches Konzept der Berechnung

u =Vorgemerkte Arbeitslose

Arbeitskräftepotenzial

im Zähler stehen die vorgemerkten Arbeitslosen, die durch das Arbeitsmarktservice (AMS) erhoben werden. im nenner steht das Arbeitskräftepotenzial, das aus den unselbstständig Erwerbstätigen sowie den vorgemerkten Arbeitslosen besteht.

b) EUROSTAT-Konzept

u =Arbeitslose

Erwerbspotenzial

Auch im EUrOSTAT-Konzept der EU stehen die Arbeitslosen im Zähler. Die Erhebungsart unterschei-det sich jedoch vom österreichischen Konzept: Zur Festlegung der Arbeitslosen wird eine Befragung von ca. 1 % aller österreichischen Haushalte (= Mikrozensus) durchgeführt. Als arbeitslos gelten alle nicht erwerbstätigen Personen, die aktiv (mit oder ohne Arbeitsamt) Arbeit suchen und diese Arbeit sofort antreten können. Das Erwerbspotenzial ist breiter definiert als bei dem österreichischen Kon-zept. Zum Erwerbspotenzial zählen alle selbstständigen und unselbstständigen Erwerbstätigen so-wie die geringfügig Beschäftigten.

Für internationale Vergleiche bedient man sich des EUrOSTAT-Konzeptes:

71

Quelle: Wirtschaftskammern Österreichs, Mai 2009

Suchen Sie die drei Länder mit den höchsten und die drei Länder mit den niedrigsten Arbeitslosenraten aus der Tabelle. Welche Gründe könnten Ihres Erachtens für die je-weiligen Situationen verantwortlich sein?

Arbeitslosenquoten

LandArbeitslose in % der Erwerbspersonen 1

1990 – 19952

1995 – 2000 2

2000 – 2005 2

2007 2008 2009 2010

Belgien 08,0 08,9 07,7 07,5 07,0 08,5 10,3

Deutschland 06,7 08,5 08,9 08,4 07,3 08,6 10,4

Finnland 11,6 12,4 09,0 06,9 06,4 08,9 09,3

Frankreich 10,1 10,7 08,9 08,3 07,8 09,6 10,7

Griechenland 08,0 10,4 10,4 08,3 07,7 09,1 09,7

Irland 14,3 08,6 04,4 04,6 06,3 13,3 16,0

Italien 09,6 11,0 08,7 06,1 06,8 08,8 09,4

Luxemburg 02,4 02,6 03,4 04,2 04,9 05,9 07,0

Niederlande 06,0 04,6 03,5 03,2 02,8 03,9 06,2

Österreich 03,6 04,1 04,3 04,4 03,8 06,0 07,1

Portugal 05,4 05,8 05,7 08,1 07,7 09,1 09,8

Spanien 16,2 15,3 10,6 08,3 11,3 17,3 20,5

Eurozone (12) 09,1 09,9 08,5 07,4 07,5 09,9 11,5

Malta 05,0 06,1 07,3 06,4 05,9 07,1 07,6

Slowakei - 14,1 18,2 11,1 09,5 12,0 12,1

Slowenien - 07,0 06,5 04,9 04,4 06,6 07,4

Zypern - 03,6 04,4 04,0 03,8 04,7 06,0

Eurozone (16) - 09,9 08,6 07,5 07,5 09,9 11,5

Bulgarien - 14,6 15,0 06,9 05,6 07,3 07,8

Dänemark 08,0 05,4 04,9 03,8 03,3 05,2 06,6

Estland - 10,4 10,5 04,7 05,5 11,3 14,1

Großbritannien 08,9 06,8 05,0 05,3 05,6 08,2 09,4

Lettland 08,2 16,1 11,4 06,0 07,5 15,7 16,0

Litauen 02,9 10,7 13,1 04,3 05,8 13,8 15,9

Polen - 12,7 18,5 09,6 07,1 09,9 12,1

Rumänien - 05,8 07,5 06,4 05,8 08,0 07,7

Schweden 06,3 08,1 05,8 06,1 06,2 08,4 10,4

Tschechien - 06,0 08,0 05,3 04,4 06,1 07,4

Ungarn - 08,4 06,2 07,4 07,8 09,5 11,2

EU (15) 09,0 09,2 07,8 07,0 07,1 09,5 11,1

EU (27) - - 08,8 07,1 07,0 09,4 10,9

Kroatien - - 14,0 09,6 08,4 09,6 09,4

Türkei 08,0 07,0 09,4 08,5 09,4 13,1 12,9

Schweiz 02,7 03,4 03,6 03,6 03,5 03,9 04,2

Norwegen 05,5 03,9 04,1 02,5 02,6 03,0 03,3

USA 06,4 04,8 05,2 04,6 05,8 08,9 10,2

Japan 02,5 03,9 04,9 03,9 04,0 05,9 06,4

1 2009 und 2010: Prognose (Stand: Mai 2009) Quelle: EU-Kommission, OECD2 Durchschnittswerte

AUFGABE 21

72

1 Volkswirtschaft | Bruttoinlandsprodukt,KonjunkturundWirtschaftswachstum,Wohlstand

1.5.6.2 ZusammenhangzwischenWirtschaftswachstumundArbeitslosigkeit

Das Gesetz von OKUN besagt, dass erst bei einem Wachstum des BIP von zwei Prozentpunkten oberhalb der Trendrate die Arbeitslosenquote um einen Prozentpunkt abnimmt. Das Okunsche Ge-setz ist nicht wirklich ein Gesetz, sondern eine empirische (d. h. auf Erfahrungswerten aufgebaute) Be-ziehung zwischen Wachstum und Arbeitslosigkeit.

1.5.7 Vor­undNachteilevonhohemWirtschaftswachstumVorteile/Argumente dafür Nachteile/Argumente dagegen

Lebensstandard halten (bei wachsender Bevölkerung)

Erreichter Lebensstandard ist ausreichend

Lebensstandard erhöhen ohne Umverteilung (bei konstanter Bevölkerung)

ressourcenverknappung

Beschäftigungssicherung (bei arbeitssparendem technischen Fortschritt)

Zunehmende Umweltbelastung

Erleichterung von Strukturwandel Verschärfung von Ungleichheiten (z. B. nord-Süd)

Erleichterung von Umweltschutzmaßnahmen nicht quantitatives, sondern qualitatives Wachstum

1.5.8 Konjunktur­undWachstumspolitikDie Aufgabe der Konjunkturpolitik besteht darin, die Schwankungen des BiP im Zeitablauf zu re-duzieren und die Wirtschaft entlang eines gleichmäßigen Trends wachsen zu lassen. Ein stabiles und gleichmäßiges Wirtschaftswachstum stabilisiert die Erwartungen der Wirtschaftssubjekte und lässt eine bessere Wirtschaftsentwicklung erwarten.

Eine Wachstumspolitik versucht das Wirtschaftswachstum und damit die Beschäftigung und den Wohlstand einer Volkswirtschaft langfristig zu steigern.

regierungen sind daran interessiert, ein hohes Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung zu errei-chen, weil sie damit ihre wirtschaftliche Kompetenz unter Beweis stellen und eine größere Chance auf eine Wiederwahl haben. Leider gibt es aber kein Patentrezept, wie sich das Wachstum einer Volkswirt-schaft laufend erhöhen lässt.

Grundsätzlich kann man bei der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage (= nachfrageorientierte Wirt-schaftspolitik) oder beim gesamtwirtschaftlichen Angebot (= angebotsorientierte Wirtschaftspolitik) ansetzen, um das Wirtschaftswachstum zu erhöhen.

1.5.8.1 NachfrageorientierteWirtschaftspolitik

Eine nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik versucht die gesamtwirtschaftliche nachfrage, also den von nachfrager/inne/n am Markt geäußerten Bedarf nach Gütern, zu stimulieren bzw. zu erhöhen, damit in der Folge die Produktion und die Beschäftigung zunehmen. Die Aufteilung des BiP (Y) nach seinen Verwendungszwecken Konsum (C), investitionen (i), öffentlicher Konsum (G) und Exporten (EX) minus importen (iM) verdeutlicht diese Überlegungen.

Y = C + i + G + (EX – iM)

Welche Akteure stehen hinter der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage?AUFGABE 22

73

a) Fiskalpolitik I: Erhöhung der Ausgaben

Der Staat kann mit seinen Staatsausgaben (G) unmittelbar auf die Produktion Einfluss nehmen. Die Entscheidung, mehr Beamte/Beamtinnen oder Lehrer/innen einzustellen, oder die Durchführung eines Großprojekts wie des Brenner-Basis-Tunnels, einer Fußball-EM oder des Baus einer Autobahn führt unmittelbar zu direkten Beschäftigungswirkungen. Dem Staat sind aber Grenzen gesetzt, da er diese Ausgaben auch finanzieren muss. Finanziert er diese Ausgaben über Steuern, nimmt er den Konsu-ment/inn/en und Unternehmen Gelder weg, die sie im Weiteren nicht konsumieren oder investieren können. Aus diesem Grund wählen viele Staaten die zweite Finanzierungsform: Sie verschulden sich und machen Defizite. Hohe Budgetdefizite führen zu hohen Tilgungs- und Zinszahlungen, die wiederum den Budgetspiel-raum einschränken. Zurzeit beträgt in Österreich der Anteil der Zinszahlungen an den Steuerein-nahmen (= Zinssteuerquote) ca. 20 %. D. h., 20 % der Steuereinnahmen müssen allein für den Zinsendienst verwendet werden. Die gesamte Finanzschuld bleibt dadurch gleich, weil noch keine Til-gungszahlungen geleistet wurden. Die Tilgungen sind noch viel höher als die Zinszahlungen, wodurch sich der Budgetspielraum für Großprojekte noch weiter einschränkt. (Die negativen Folgen von hohen Budgetdefiziten wurden bereits im Kap. 1.3 Budget ausführlich behandelt.)

b) Fiskalpolitik II: Senkung von Steuern

Der Staat kann versuchen, durch Steuererleichterungen den privaten Konsum (C) zu beleben. Steuerreformen werben laufend mit dem Argument, die Einkommen (der privaten Haushalte) zu entla-sten, um den privaten Konsum und damit die Wirtschaft anzukurbeln. Ebenso können Steuervergün-stigungen für Unternehmen deren Investitionstätigkeit fördern. Subventionen für neue Betriebs-gründungen oder für die Einstellung zusätzlicher Mitarbeiter/innen verfolgen die gleiche Absicht. Arbeitsplätze werden geschaffen, die Produktion steigt und ein höheres Wirtschaftswachstum kann erwartet werden.

c) Exportförderung

Ein besonders wichtiger nachfragefaktor für eine kleine offene Volkswirtschaft wie Österreich sind die Exporte. Der Anteil der Exporte am BIP beträgt ca. 50 %. (Der Anteil der importe beträgt eben-falls ca. 50 %.) Die ausländische nachfrage ist extrem wichtig für die heimische Produktion und damit für die heimische Beschäftigung sowie die heimischen Einkommen. Die Öffnung des Ostens (Ungarn, Slowenien, Tschechien u. a.) trägt zu einem Großteil zu dem vergleichsweise hohen Wirtschaftswachs-tum in Österreich bei. Für viele Bundesländer ist zudem der Tourismus (= Export) eine wichtige Quelle für Beschäftigung und Einkommen. Der Staat kann nun sehr wohl versuchen, den Export zu fördern, indem er entweder für eine gute infrastruktur sorgt, Unternehmen bei ihren Exportbemühungen unter-stützt oder bestimmte Exportgüter subventioniert. innerhalb der EU werden die Subventionen von Ex-portgütern immer seltener geduldet, da sie den Wettbewerb zwischen den Unternehmen unterschied-licher Länder verzerren.

1.5.8.2AngebotsorientierteWirtschaftspolitik

Eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik stellt nicht die nachfrage, sondern das gesamtwirtschaft-liche Angebot und damit die Unternehmen und ihre Produktionsfähigkeit in den Mittelpunkt. in einer stagnierenden Volkswirtschaft soll der Unternehmersektor belebt und ausgedehnt werden. Die wesentlichen Bestimmungsgründe für das Wachstum sind die privaten Investitionen und Innovati-onen. Folglich hat der Staat mit seiner Wirtschaftspolitik dafür zu sorgen, dass neue Anreize für private Unternehmen entstehen, innovationen und investitionen vorzunehmen.

74

1 Volkswirtschaft | Bruttoinlandsprodukt,KonjunkturundWirtschaftswachstum,Wohlstand

Quelle: Statistik Austria, WKO

Folgende Forderungen sind mit einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik verbunden:

ReduktionderStaatsausgabenundstaatlichenRegelungen

Der private Sektor soll gestärkt werden. Ein „Mehr Markt“ und „Weniger Staat“ im Sinne des → Liberalismus ist zu erreichen. Die Ausgabenpolitik (= Fiskalpolitik i) des Staates wirkt wie eine Droge. Sie macht die Volkswirtschaft immer abhängiger von staatlichen Eingriffen. Wichtiger als die kurzfri-stige reduktion der Arbeitslosenzahlen sind die Bekämpfung der inflation und vor allem die Steige-rung der Produktivität.

Der Staat soll sich aus den wirtschaftlichen Bereichen zurückziehen. Hohe Defizite verursachen hohe Zinsen, die wiederum zum rückgang von investitionen im privaten Sektor führen. Ein Abbau von Sub-ventionen trägt zur Konsolidierung der Staatsfinanzen bei und beseitigt zudem Verzerrungen im Wett-bewerb. Eine weitere Möglichkeit des Staates, das wirtschaftliche Wachstum anzukurbeln, liegt im Ab-bau von Reglementierungen, Auflagen und Genehmigungsverfahren. Je mehr Freiheit man dem/der Einzelnen lässt, umso aktiver wird er/sie sich am wirtschaftlichen Geschehen beteiligen.

ReduktionvonUnternehmersteuern

Das Hauptinstrument zur konjunkturpolitischen Beeinflussung sind Steuernachlässe. Hohe Steuer-sätze zerstören die Anreizwirkungen zum Sparen, investieren und Arbeiten. niedrige Steuern führen zu einem Anwachsen des gesamtwirtschaftlichen Outputs. Weniger Steuern bedeuten somit mehr Pro-duktion, mehr Einkommen und mehr Beschäftigung.

ÖffnungundFlexibilisierungderArbeitsmärkte

Die Lohnsteigerungen sollen sich am Anstieg der Arbeitsproduktivität orientieren. Auf diese Wei-se soll gewährleistet werden, dass der Faktor Arbeit, als bedeutsamster Kostenfaktor, sich nicht noch mehr verteuert. Vorhandene Unterschiede bei der Entlohnung in verschiedenen Wirtschaftszweigen und regionen sowie unterschiedliche Qualifikationen der Arbeitskräfte verlangen zudem größere Fle-xibilität in der Lohnstruktur.

Bruttoinlandsausgabenfür F& E (in Mio. Euro)

Bruttoinlandsausgabenfür F& E (in Mio. Euro)des Unternehmenssektors

Bruttoinlandsausgabenfür F& E in % des BIP(Forschungsquote)

Bruttoinlandsausgaben für F & EFinanzierung der in Österreich durchgeführten Forschungund experimentellen Entwicklung 1998 – 2008 (in Mio. Euro)

19980

1.000

2.000

3.000

4.000

5.000

6.000

7.000

8.000

0,00

0,50

1,00

1,50

2,00

2,50

3,00

3,50

1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

1,771,88 1,91

2,032,12

2,23 2,22

2,43 2,49 2,552,63

Mio. Euro % des BIP

75

Zusammenfassung

• EineVolkswirtschaftisteinwirtschaftlicherKreislauf, der wie ein menschlicher Blutkreislauf inter-pretiert werden kann. Zwischen den einzelnen Polen bzw. wirtschaftlichen Akteur/inn/en finden eine Vielzahl von Transaktionen und Zahlungsströmen statt, die gemessen werden können. Wich-tige volkswirtschaftliche Transaktionen sind Einkommen, Produktion, Investitionen, Konsum und Sparen.

• Produktion und Einkommen sind aus volkswirtschaftlicher Sicht eng miteinander verbunden. Durch die Produktion entstehen Einkommen in Form von Löhnen, Gehältern sowie Gewinne für die Unternehmer/innen.

• DasBIPkannaufunterschiedlicheArtengemessenwerden.DerBeitragjedeseinzelnenUnterneh-mens zur gesamtwirtschaftlichen Produktion wird Wertschöpfung genannt. Eine andere Möglich-keit ist die Messung der Produktion über die Verwendung (= Nachfrage). Die nachfragegrößen sind privater Konsum (private Haushalte), investitionen (Unternehmen), öffentlicher Konsum (öf-fentlicher Sektor, Staat) und Exporte (Ausland).

• Einkommen und Konsum hängen eng miteinander zusammen. Die Erhöhung der Einkommen führt zu einem höheren Konsumniveau. Ein höheres Konsumniveau erhöht die nachfrage und damit die Produktion. Eine höhere Produktion führt wiederum zu einem höheren Einkommen (= Multipli-katoreffekt).

• DasBIP pro Kopf ist ein Wohlstandsindikator für eine Volkswirtschaft. Auch wenn das Einkom-men nur ein eindimensionaler indikator ist, der viele Überlegungen außer Acht lässt, so wird diese Kennzahl als wichtige ökonomische Beschreibung von Volkswirtschaften verwendet.

• UnterKonjunktur versteht man die Entwicklung des BiP im Zeitablauf. Dabei werden unterschied-liche Phasen unterschieden: Hochkonjunktur, rezession, Depression und Erholung.

• DieArbeitslosenquote misst die Höhe der Arbeitslosigkeit in einem Land. Es bestehen zurzeit unterschiedliche Konzepte nebeneinander. Längerfristig wird es nur mehr das EUrOSTAT-Konzept geben, wodurch eine einheitliche Erhebung und Abgrenzung in Europa gewährleistet ist.

• Esistoffensichtlich,dasseinhöheresWirtschaftswachstum(=mehrProduktion)zueinerErhöhungder Beschäftigung führt. Aus der Vergangenheit kann man jedoch erkennen, dass das Wirtschafts-wachstum mindestens bei 2 % liegen muss, damit die Arbeitslosenquote auch gesenkt werden kann (= Okunsches Gesetz).

• Einenachfrageorientierte Wirtschaftspolitik versucht über die einzelnen nachfragegrößen (C, i, G, EX) das Wirtschaftswachstum und damit die Beschäftigung zu erhöhen. Der Vorteil der nach-frageorientierten Wirtschaftspolitik liegt in der schnellen reaktionsweise, die jedoch langfristig oft nicht aufrechterhalten werden kann.

• Eineangebotsorientierte Wirtschaftspolitik versucht hingegen direkt den Unternehmenssek-tor zu unterstützen, um Wachstum und Beschäftigung zu erzeugen. Diese Maßnahmen wirken eher längerfristig.

76

1 Volkswirtschaft | Bruttoinlandsprodukt,KonjunkturundWirtschaftswachstum,Wohlstand

Lernkontrolle

01 Warum entstehen mit der Produktion von Gütern und Dienstleistungen Einkommen?

02 Warum spricht man von einer Dienstleistungsgesellschaft?

03 Welche wirtschaftspolitischen Akteure agieren in einer Volkswirtschaft?

04 Was versteht man unter der gesamtwirtschaftlichen nachfrage?

05 Welcher Zusammenhang besteht zwischen Einkommen und Konsum?

06 Wie kann der Wohlstand einer Volkswirtschaft gemessen werden?

07 Was versteht man unter einem Konjunkturzyklus?

08 Wie misst man die Arbeitslosigkeit?

09 Welcher Zusammenhang besteht zwischen Wirtschaftswachstum und Beschäftigung bzw. Arbeitslosigkeit?

10 ist ein hohes Wirtschaftswachstum positiv oder negativ für eine Volkswirtschaft?

11 Wie kann eine nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik das Wirtschaftswachstum und damit die Be-schäftigung erhöhen?

12 Mit welchen Forderungen versucht eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik Wirtschaftswachs-tum und Beschäftigung zu erhöhen?

77

1Volkswirtschaft | Preise,GeldundWährung

SiTUATiOn

1.6 Preise, Geld und währung

... den Begriff Inflation erklären können und wissen, wie sie gemessen wird.

... verstehen, welche Ursachen zu Inflation führen.

... wissen, wie eine Geldpolitik funktioniert, welche die Inflation eindämmen will.

... wissen, wie der Außenwert (= Wechselkurs) einer Währung bestimmt wird.

EZB erwartet weiter hohe inflation

DieEuropäischeZentralbank(EZB)erwartetweiterhoheInflationsrateninderEurozone.DieInflati­

onsratewerde2008und2009deutlichüberzweiProzentbleiben,sagtederPräsidentderEZB,Jean­

ClaudeTrichet,amMittwochimEU­ParlamentinBrüssel.DamitwerdediePhasederhohenRaten

längerdauernalsursprünglicherwartet.DerLeitzinssolldaherauchweiterhinnichtgesenktwerden.

FürdieEZBseiesbedeutend,weiterenInflationsdruckdurchhohesLohnwachstumundweiterePreis­

steigerungenzuverhindern.UmdieGlaubwürdigkeitzusichern,seieswichtig,dieLeitzinsenweiter

nuranderPreisstabilitätzuorientieren.„WirhabenunsereLeitzinsenaufdemgegenwärtigenStand

gehalten,weilwirglauben,dassdiesnotwendigist,ummittelfristigPreisstabilitätzugewährleisten“,

sagteTrichet.DerEZB­LeitzinsliegtseitvergangenemSommerbeivierProzent.DieUS­Notenbank

hatdenLeitzinsindeswegenderKriseaufdenFinanzmärktenschrittweiseauf2,25Prozentgesenkt.

Quelle:APA,26.3.2008

Wie hängen Inflation, Leitzinsen und Europäische Zentralbank (= EZB) zusammen?•

1.6.1 PreisniveauundVerbraucherpreisindexDas Preisniveau einer Volkswirtschaft ist der gewogene Durchschnitt der Preise aller Güter und Dienstleistungen in einer Volkswirtschaft. Bei einem Anstieg des Preisniveaus (= Inflationsrate) spricht man von Inflation. Sinkt das Preisniveau, spricht man von Deflation.

Für die praktische Wirtschaftspolitik ist es unmöglich, die Preise aller Güter und Dienstleistungen zu erfassen. Das Preisniveau wird daher an Hand eines Preisindex gemessen, der bestimmte Güter- und Leistungsgruppen in ihrer Preisentwicklung repräsentiert und stellvertretend für das Preisniveau he-rangezogen wird. Ein Preisindex hat die Aufgabe, die Preisentwicklung einer Gesamtheit von Gütern zwischen Basis- und Berichtszeit in einer einzigen Zahl anzugeben.

Der gegenwärtige Verbraucherpreisindex (= VPi2005, 2005 = 100) beruht auf einem aus der Konsum-erhebung (8.400 Haushalte) abgeleiteten Verbrauchsschema und den Preisen von 770 Waren und Dienstleistungen, die monatlich in 4.200 Geschäften erhoben werden. Bestimmend für die Struk-tur des jeweiligen Verbraucherpreisindex sind ein Warenkorb (Auswahl der indexpositionen) und die Gewichtung (prozentueller Anteil der einzelnen indexpositionen am Gesamtverbrauch des Durch-schnittshaushalts) der darin enthaltenen Güter und Dienstleistungen.

LErnZiELE

LEiTFrAGE

78

1 Volkswirtschaft | Preise,GeldundWährung

Die Aufteilung des Warenkorbs 2005

Quelle: Statistik Austria

Erstellen Sie einen Warenkorb, der die Preissteigerungen für Schüler/innen misst. Welche Waren und in welcher Größenordnung würden Sie in den Warenkorb geben?

Der prozentuelle Anstieg des VPi2005 wird als infla-tionsrate in den Zeitungen monatlich veröffentlicht. Steigende Inflation bedeu-tet, dass die Kaufkraft bzw. der Geldwert sinkt.

AUFGABE 23

Quelle: EU-Kommission, OECD

Inflationsraten

LandVeränderung der Verbraucherpreise zum Vorjahr in % 1

1990 – 19952

1995 – 20002

2000 – 20052

2007 2008 2009 2010

Belgien + 2,2 + 1,5 + 2,1 + 2,8 + 4,3 + 0,3 + 1,2Deutschland +0 2,8 +00,8 +01,5 +01,7 +02,2 +00,5 +00,7Finnland + 2,8 + 2,1 + 1,2 + 2,3 + 3,5 + 1,4 + 1,3Frankreich +0 1,9 +00,9 +01,7 +02,0 +02,7 +00,3 +01,0Griechenland +13,8 + 5,6 + 3,1 + 3,2 + 4,1 + 2,0 + 2,1Irland +0 2,7 +03,5 +03,3 +03,0 +03,1 -01,6 +00,3Italien + 5,7 + 2,7 + 2,6 + 2,2 + 3,2 + 0,8 + 1,8Luxemburg +0 3,3 +02,2 +02,0 +02,1 +05,0 +00,1 +01,9Niederlande + 2,7 + 2,4 + 2,6 + 1,6 + 2,3 + 1,3 + 1,1Österreich +0 2,8 +01,3 +0 1,7 +0 2,1 +0 3,0 +00,4 +01,1Portugal + 7,5 + 2,7 + 2,9 + 2,7 + 2,7 - 0,2 + 1,5Spanien +0 5,6 +02,8 +03,3 +03,2 +03,8 +00,2 +01,7Eurozone (12) + 3,7 + 1,6 + 2,1 + 2,2 + 2,9 + 0,5 + 1,2Malta - +01,4 +02,0 +01,7 +03,0 +01,0 +01,8Slowakei - + 7,2 + 4,9 + 2,6 + 4,4 + 2,3 + 3,0Slowenien +64,9 +08,0 +05,2 +04,1 +06,5 +00,7 +02,0Zypern - + 2,4 + 2,6 + 2,8 + 4,8 + 1,4 + 2,3Eurozone (16) - +01,7 +0 2,1 +0 2,2 +0 2,9 +00,5 +01,2Bulgarien - +96,8 + 4,0 + 6,8 +11,0 + 3,0 + 2,9Dänemark +001,9 +01,9 +01,6 +01,8 +03,1 +00,9 +01,4Estland - + 9,7 + 3,1 + 7,8 +10,2 + 0,7 + 0,6Großbritannien +0 4,2 +02,1 +01,9 +02,4 +02,4 +01,1 +01,2Lettland - + 6,9 + 4,6 +10,3 +15,6 + 2,0 - 1,0Litauen - +06,0 +00,6 +05,7 +09,8 +03,0 -01,1Polen +41,1 +11,9 + 2,5 + 2,4 + 3,8 + 2,6 + 1,9Rumänien +148,9 +61,8 +17,7 +04,9 +09,0 +06,1 +03,9Schweden + 5,0 + 1,1 + 1,5 + 1,1 + 2,8 + 1,2 + 0,9Tschechien +18,3 +06,2 +01,7 +02,9 +05,4 +01,0 +01,5Ungarn - +14,6 + 4,9 + 6,4 + 5,5 + 4,7 + 3,6EU (15) +0 3,8 +01,7 +0 2,0 +0 2,2 +0 2,8 +00,6 +01,2EU (27) - + 2,6 + 2,2 + 2,3 + 3,0 + 0,8 + 1,3Kroatien - - +02,8 +03,0 +06,1 +03,1 +03,7Türkei +77,8 +67,8 +25,2 + 6,8 +10,5 + 6,9 + 6,5Schweiz +0 3,2 +00,7 +00,8 +00,7 +02,5 +01,0 +01,1Norwegen + 2,4 + 2,3 + 1,7 + 0,7 + 3,6 + 2,5 + 1,8USA +0 2,6 +01,8 +0 2,2 +0 2,6 +0 3,3 -00,4 +00,0Japan + 0,7 + 0,0 - 1,0 - 0,4 + 0,5 - 1,4 - 0,61 2009 und 2010: Prognose (Stand: Mai 2009);

Preisdeflator der privaten Konsumausgaben2 Durchschnittswerte

Quelle: Wirtschaftskammern Österreichs; wird aktualisiert

9,9 % 12 versch. Waren- und Dienstleistungen

12,2 % 01 Nahrungsmittel, alkoholfreie Getränke

2,9 % 02 Alkoholische Getränke, Tabak

5,5 % 03 Bekleidung, Schuhe

17,9 % 04 Wohnung, Wasser, Energie

8,4 % 05 Hausrat, laufende Instandhaltung des Hauses

4,6 % 06 Gesundheitspflege

15,1 % 07 Verkehr

2,7 % 08 Nachrichtenübermittlung

12,4 % 09 Freizeit, Kultur

1,1 % 10 Erziehung, Unterricht

7,3 % 11 Restaurants, Hotels

79

Der harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) ist der in der Europäischen Union erhobene Ver-braucherpreisindex. Der HVPi ist also jene Kennzahl, mit der in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) die Preisniveauentwicklung (= inflationsrate) gemessen wird.

1.6.2 NegativeFolgeneinerInflationEine steigende inflation wird von vielen Menschen als negativ empfunden, da die Kaufkraft des Geldes bzw. des eigenen Einkommens sinkt. Durch die steigenden Preise kann man sich weniger leisten und das Konsumniveau sinkt. Folgende weitere negative Aspekte einer (hohen) inflation können genannt werden:

1) Geld erfüllt bei einer geringen inflationsrate eine wichtige Funktion als Tauschmittel sowie als Wertspeichermedium. Alle Waren bekommen einen Preis zugeordnet und können dadurch mit Geld ge- oder verkauft werden. Bei einer sehr hohen inflation ändern sich die Preise ständig; sie verlieren ihre Informationsfunktion, wie viel eine Ware wert ist. Bei hoher inflation büßt Geld somit diese Funktionen ein. in Zeiten hoher inflation (z. B. nach dem Zweiten Weltkrieg) werden z. B. oft Zi-garetten, Edelmetalle oder ausländische Währungen eingesetzt, um Waren aller Art zu „bezahlen“.

Stellen Sie sich vor, der Euro würde plötzlich von niemandem mehr angenommen. Welche Waren und Dienstleistungen könnten Sie anbieten, um bestimmte Güter (Lebensmittel, Treibstoff) erwerben zu können?

2) Hohe inflationsraten erhöhen die Unsicherheit des Unternehmenssektors. Bei wirtschaft-lichen (und auch politischen) Instabilitäten wandern Unternehmen in neue regionen ab, die sta-biler sind. Politische und wirtschaftliche Stabilität ist allgemein eine wichtige Voraussetzung für ein positives Wirtschaftsklima. Die Folge von instabilität ist somit eine geringere investitionstätigkeit, die unmittelbar zu einem geringeren Wirtschaftswachstum und zu negativen Beschäftigungswir-kungen führt.

3) Besonders gefährlich sind Lohn-Preis-Spiralen, die durch eine anhaltende und hohe inflation ausgelöst werden können. Bei steigenden Preisen von Gütern und Dienstleistungen fordern die Gewerkschaften (= Arbeitnehmervertreter) eine Erhöhung der Löhne, damit man sich die teurer gewordenen Waren auch leisten kann. Diese Forderungen führen in regelmäßigen Abständen zu Lohnkämpfen. Konzentrieren sich Unternehmen und Arbeitnehmer/innen mehr auf Lohn- und Verteilungskämpfe als auf die eigentliche Produktion, schädigen sich beide Parteien längerfristig selbst. Streiks führen zu Produktions- und Produktivitätsrückgängen, die insgesamt eine Volks-wirtschaft schwächen.

4) Steigende inländische Preise führen zudem zu einer Verteuerung der Exportgüter. Sinken die Ex-porte und geht gleichzeitig die Tourismuswirtschaft (= Export) zurück, schädigt sich eine Volks-wirtschaft selbst, weil damit Einkommenschancen und Arbeitsplätze verloren gehen.

AUFGABE 24

80

1 Volkswirtschaft | Preise,GeldundWährung

1.6.3 UrsachenderInflationEs stellt sich nun die Frage, welche Ursachen und Gründe zu einer inflation führen. Die Ursachenanaly-se (= Diagnose) ist in weiterer Folge wichtig, um Vorschläge und Therapien für eine Heilung zu finden.

1.6.3.1 Nachfrage­Sog­Inflation

So wie die nachfrage nach einem robbie-Williams-Konzert die Preise für Konzertkarten in die Höhe treibt, so erhöht auch ein Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage nach Gütern (C + i + G + EX) die Preise einer Volkswirtschaft (= inflation).

Die gesamtwirtschaftliche nachfrage ist z. B. durch die Wiedervereinigung Deutschlands im Jahre 1989 enorm gestiegen, da die DDr-Mark zu einem hohen Prozentsatz in einem Verhältnis von 1:1 mit der BrD-Mark umgetauscht worden ist. Die steigende Kaufkraft der ehemaligen DDr-Bürger/innen hat die Preise und damit die inflation in Deutschland angetrieben.

Aber auch eine Olympiade oder eine andere Großveranstaltung kann die Preise in einer region in die Höhe treiben, weil dadurch die nachfrage in dieser region enorm ansteigt. Die Preissteigerungen dieser region können sich auf die Preise anderer regionen und Sektoren übertragen und so zu einer allgemeinen inflation führen.

Um einer nachfrage-Sog-inflation entgegenzuwirken, muss versucht werden, die gesamtwirtschaft-liche nachfrage wieder zu reduzieren. Diese Aufgabe übernimmt die Zentralbank mit den instrumenten der Geldpolitik (siehe Kap. 1.6.4.).

Verschiebungdergesamtwirtschaftlichen

NachfragebeieinerNachfrage-sog-inflati-

onundGeldmengen-inflation

Erklärung: Steigt die gesamtwirtschaftliche

Nachfrage (von N0 nach N1), hat dies Auswir-

kungen auf das Wirtschaftswachstum und die

Inflationsrate. Eine höhere Nachfrage erhöht

zum einen das Wirtschaftswachstum (von

BIP0 auf BIP1), weil auf Grund der gestie-

genen Nachfrage mehr produziert wird (N0 –>

N1). Ein Teil der zusätzlichen Nachfrage wird

aber durch gestiegene Inflationsraten (von P0

auf P1) zurückgedrängt.

1.6.3.2Geldmengen­Inflation

Wird von der Zentralbank mehr Geld gedruckt, als dem Ausmaß entspricht, wie die Wirtschaft wächst, steigt dadurch die inflation. inflationswirkungen sind zu erwarten, wenn die Geldmenge schneller steigt als die Gütermenge (= Wirtschaftswachstum). Vorstellen kann man sich die Geldmengen-inflation ähn-lich wie die nachfrage-Sog-inflation.

Angenommen, die Zentralbank würde die Geldmenge verdoppeln und jede/r hätte auf einmal doppelt so viel Geld in seiner Geldbörse wie am Vortag. Dann würde die Kaufkraft steigen und dadurch auch die nachfrage, die wiederum auf ein vorgegebenes Angebot träfe. im Endeffekt stiege jedoch in erster Linie die inflation.

Preis-niveau(P)

P0

P1

Bruttoinlandsprodukt(BIP)

N0GesamtwirtschaftlichesAngebot: A0 = A1

N1

BIP1BIP0

Nachfrage

SteigendeNachfrage

81

Um politisch veranlasster Geldvermehrung vorzubeugen, sind in vielen Ländern die Zentralbanken, welche die Geldmenge in einer Volkswirtschaft steuern, unabhängig. Über Verknappung oder Vermeh-rung der Geldmenge wird die inflationsrate gesteuert.

1.6.3.3Kosten­Druck­Inflation

Steigende Kosten in Form von höheren Löhnen oder anderen höheren Produktionskosten führen ebenfalls zu einer steigenden inflationsrate. Besonders zu schaffen machen einer Volkswirtschaft dabei Ölpreissteigerungen, weil sie alle Branchen betreffen und sich die Preissteigerungen auf die gesamte Volkswirtschaft ausbreiten. Höhere Preise von Gütern und Dienstleistungen bedeuten, dass weniger konsumiert wird und damit die Produktion und Beschäftigung sinkt. Weniger Produktion und Beschäftigung führt wiederum zu einer steigenden Arbeitslosigkeit. Aus diesem Grund beeinflusst der Ölpreis als wichtiger Produktionsfaktor in entscheidendem Ausmaß das Wirtschaftswachstum ei-ner Volkswirtschaft.

Auch hier kann die Zentralbank versuchen, die nachfrage zu reduzieren oder den Wechselkurs mög-lichst hoch zu halten, damit die importierten Güter relativ günstiger werden.

VerschiebungdesgesamtwirtschaftlichenAn­

gebotsbeieinerkosten-Druck-inflationund

angebots-lücken-inflation

Erklärung: Reduziert sich das gesamtwirtschaft-

liche Angebot oder steigen die Produktionskosten,

verschiebt sich die gesamtwirtschaftliche Ange-

botskurve von A0 nach A1. Das hat (negative) Aus-

wirkungen auf das Wirtschaftswachstum und die

Inflationsrate. Die steigenden Preise (= Inflation,

von P0 zu P1) auf Grund der Angebotsverknap-

pung bzw. auf Grund der Steigerung von Produk-

tionspreisen drängen die Nachfrage zurück. Eine

geringere Nachfrage führt zu weniger Produktion

und zu sinkenden Einkommen.

1.6.3.4Angebots­Lücken­Inflation

Streiks, Missernten und Kriege führen zu einer Angebotsverknappung. in Kriegen werden Produk-tionsstätten zerstört und es sind zu wenige nahrungsmittel, Kleidungsstücke und andere lebensnot-wendige Güter für die Bevölkerung vorhanden (= sinkendes Wirtschaftswachstum). Das geringere An-gebot treibt die inflationsraten in die Höhe.

Erklären Sie, warum• hoheExporte • steigendeStaatsausgaben• steigendeGaspreise • Bürgerkriegezu steigenden Inflationsraten führen. Zeigen Sie dabei auch, ob das Wirtschaftswachstum eher steigen oder eher sinken wird.

BIP0

N0 = N1 A0

P0

P1

BIP1

A1

SinkendesAngebot

Preis-niveau(P)

Bruttoinlandsprodukt(BIP)

GesamtwirtschaftlichesAngebot

AUFGABE 25

82

1 Volkswirtschaft | Preise,GeldundWährung

1.6.4 Geldpolitik:dasInstrumentzurInflationsbekämpfunginstitutionell wird die Geldpolitik von einer Noten- oder Zentralbank getragen. in der EU ist dies die Europäische Zentralbank (EZB). Derzeit heißt der Präsident der EZB Jean-Claude Trichet. in den USA übernimmt die Federal Reserve Bank (kurz: FED) unter der Leitung von Ben Bernake diese Aufgabe.

1.6.4.1 AufgabenderEuropäischenZentralbank(EZB)

Das vorrangige • Ziel der EZB ist, das Preisniveau im → Euroraum stabil zu halten.Ein • stabiles Preisniveau ist definiert als mittelfristiger Anstieg des harmonisierten Verbraucher-preisindex (HVPi, siehe S. 79) für das Euro-Währungsgebiet von unter 2 % gegenüber dem Vorjahr.Die Geldpolitik der EZB verwendet als wesentliches instrument• die Zinssteuerung zur Liquidi-tätsversorgung (→ Liquidität) der Geschäftsbanken. Die EZB bestimmt u. a. über Offenmarkt-geschäfte (siehe weiter unten) den Leitzinssatz, zu dem sich Geschäftsbanken Zentralbankgeld verschaffen können. Damit steuert sie weitgehend den Tagesgeldzins im Bankenmarkt und so indi-rekt das gesamte Zinsniveau (und im Weiteren den Wechselkurs).

indem die EZB das Zinsniveau beeinflusst, kann sie auch die gesamtwirtschaftliche Nachfra-ge steuern. Steigt das Zinsniveau, werden die Unternehmen ihre Investitionen verringern, da diese in der regel über Kredite finanziert werden. Geringe investitionen und zum Teil auch ein geringerer Konsum führen zu einer geringeren gesamtwirtschaftlichen nachfrage, wodurch inflationssenkende Effekte zu erwarten sind. Da aber mit einem rückgang der gesamtwirtschaftlichen nachfrage auch ein rückgang der Produktion (Y) verbunden ist, werden die Zinssteigerungen durch die EZB von Gewerk-schaften und regierungen sehr oft kritisiert.

Präsident der EZB Jean-Claude Trichet

Die EZBPräsident/in

+ Vizepräsident/in+ vier weitere Direktor/inn/en

Direktorium+ Präsident/inn/en der nat. notenbanken

EZB-Rat+ Zentralbankpräsident/inn/en der anderen EU-Länder

Erweiterter EZB-Rat

∎ institutionell unabhängig = nicht an Weisungen der EU-Organe oder regierungen gebunden

∎ personell unabhängig = ernannt von den regierungschefs/regierung-schefinnen auf acht Jahre. Amtsenthebung nur durch EuGH

∎ operativ unabhängig = EZB entscheidet autonom über ihre Geldpolitik

83

Zusammenhang zwischen Leitzinssätzen und Preisentwicklungen

Quelle: EZB

1.6.4.2DieInstrumentederEZB

Mindestreservenpolitik

Die Geschäftsbanken müssen Mindestreserven halten. D. h., die Banken bekommen von ihren Kunden und Kundinnen Spareinlagen und dürfen nur einen Teil davon an Unternehmen oder private Haushalte verleihen. Früher spielten diese Mindestreserven mit einer Höhe von 20 % eine große rolle, weil sie die Liquidität der Banken sehr einschränkten. Seit dem Start der EZB im Jänner 1999 liegt der Mindestre-servensatz, das Verhältnis von reserven der Geschäftsbanken zu Sichtguthaben (d. h. täglich fälligen oder nur bis zu 30 Tagen gebundenen Spareinlagen) bei 2 %. Die Mindestreservenpolitik ist somit heu-te nicht mehr von praktischer Bedeutung.

Offenmarktpolitik

Die Zentralbank verändert das Geldangebot durch Offenmarktgeschäfte. Unter Offenmarktgeschäften versteht man den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren gegen Geld.

Die Zentralbank erhöht das Geldangebot, indem sie im Zuge von Offenmarktgeschäften Wertpa-•piere kauft. Durch den Kauf von Wertpapieren steigt der Wertpapierkurs und der kurzfristige Zins-satz sinkt.reduziert die Zentralbank das Geldangebot im Zuge von Offenmarktgeschäften durch den Verkauf •von Wertpapieren, sinken die Wertpapierkurse und – äquivalent dazu – steigt der Zinssatz.

im rahmen von Tendergeschäften versteigert die EZB Liquidität an die Geschäftsbanken. im Spezi-ellen erfolgt das durch einen Zinstender. Dabei geben die Geschäftsbanken bei ihrem Gebot sowohl

Preisentwicklungen

Leitzinssätze

Erwartungen Bank- und Marktzinsen

Geldmenge, Kreditvolumen

Preise für Vermögenswerte Wechselkurs

Lohn- und Preisbildung

Angebot und Nachfrage an den Güter- und Arbeitsmärkten

Inländische Preise Importpreise

84

1 Volkswirtschaft | Preise,GeldundWährung

Zinssatz als auch nachgefragte Menge an. Die EZB legt einen Mindestbietungssatz fest, unter dem sie keine Liquidität bereitstellt. nach Eingang der Gebote legt die EZB den marginalen Zinssatz fest, zu dem sie Liquidität bereitstellt. Alle Banken, die einen höheren Zins geboten haben, erhalten eine volle Zuteilung. Die Banken, die den marginalen Zins bieten, werden nur mit einer bestimmten Zutei-lungsquote bedient. Alle anderen gehen leer aus; sie müssen sich Liquidität auf dem Tagesgeldmarkt verschaffen.

Quelle: EZB/FED, 2009

Fazilitäten

Eine Fazilität ist eine Möglichkeit für Geschäftsbanken, innerhalb festgelegter Grenzen kurzfristig Kredite von der EZB in Anspruch zu nehmen oder Guthaben anzulegen. Der Zinssatz für die Spit-zenrefinanzierungsfazilität (relevant für Kredite) ist in der regel deutlich höher als der entsprechende Marktzins, und der Zinssatz der Einlagefazilität (relevant für Guthaben) ist niedriger als der entspre-chende Marktzins. Deshalb nutzen die Kreditinstitute diese Möglichkeiten nur, wenn sie keine andere Alternative haben. Durch die Festlegung dieser Fazilitäten (Spitzenrefinanzierungsfazilität bzw. Einla-gefazilität) kann die EZB die Liquidität der Geschäftsbanken steuern.

StabilisierungderErwartungen

Um die Höhe der inflation zu beeinflussen, muss die EZB versuchen, die Inflationserwartungen von Unternehmer/inne/n und Konsument/inn/en zu beeinflussen. Eine besondere rolle kommt daher der Kommunikation mit der Öffentlichkeit, insbesondere den Finanzmärkten, zu. Durch eine hohe Transparenz und Vorhersehbarkeit der Geldpolitik können sich die Märkte auf Zinsänderungen einstel-len. Durch die Stabilität der Geldpolitik werden auch die Märkte stabilisiert.

Wichtig ist zudem: Die Wirtschaftssubjekte sollen daran glauben, dass die inflationsrate nicht über 2 % steigen wird. Glauben sie nämlich nicht mehr daran, werden die Unternehmen ihre Preise über 2 % erhöhen, um nicht ein Verlierer der inflation zu sein. Erhöhen alle Unternehmen die Preise um mehr als 2 %, wird sich eine inflation einstellen, die höher als 2 % ist.

Leitzinsentwicklung Eurozone/USA

20000

1,00

2,00

3,00

4,00

5,00

6,00

7,00

0

1,00

2,00

3,00

4,00

5,00

6,00

7,00

USA Funds Rate 0 – 0,25Target Range, seit 16.12.2008

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009

EZB Leitzins 1,00(Seit 7.5.2009)

85

Beispiel:

ImJahr2008wardieEZBineinerschwierigenSituation.AufGrunddersteigendenÖlpreise,aber

auchandererFaktorenstiegdieInflationsrateüberdie2%­Marke.ZugleichwardasWirtschaftswachs­

tumrückläufig,eineErhöhungderZinsenhättedasWachstumweitergebremst,daherwurdedas

Zinsniveaubeibehalten,umdasWirtschaftswachstumanzukurbeln.ErstimZugederWirtschaftskri­

seimJahr2009senktedieEZBdieLeitzinsen,umdieKreditaufnahmezubegünstigenundsoeinen

BeitragzurStabilisierungderWirtschaftzuleisten.

1.6.5 WechselkursundDevisenmarktDer Wechselkurs (E) gibt das Austauschverhältnis zwischen einer ausländischen und der inlän-dischen Währung an. Er bestimmt somit den Wert einer Währung gegenüber dem Ausland. Der nomi-nale Wechselkurs (= Devisenkurs) kann auf zwei Arten angegeben werden:

1.6.5.1 Wechselkurs

Preisnotierung

Die Preisnotierung gibt den Preis für eine Einheit der ausländischen Währung in inländischer Währung an, z. B. die Kosten eines Dollars, ausgedrückt in der heimischen Währung:

0,69 € = 1 US-$ , d. h. E = 0,69 •früher: 7 ATS = 1 DM , d. h. E = 7•

(Hinweis: US-$ = US-Dollar; ATS = österreichische Schilling; DM = Deutsche Mark)

im später verwendeten Devisenmarktmodell wird diese notierung und die Variable E (= Exchange rate) verwendet. in der Preisnotierung bedeutet ein Sinken des Wechselkurses eine Aufwertung der heimischen Währung (= Abwertung der ausländischen Währung). Steigt E, spricht man von einer Abwertung der inländischen Währung (= Aufwertung der ausländischen Währung). D. h., je mehr € für einen US-$ gezahlt werden müssen, desto geringer ist der Wert des €.

Mengennotierung

Die Mengennotierung gibt an, wie viele Einheiten der ausländischen Währung man für eine Einheit inlän-discher Währung bekommt. Die EZB gibt den Wechsel-kurs aller Währungen in der Mengennotierung an:

Quelle: EZB

Hat der US-Dollar in den letzten Jahren gegenüber dem Euro auf- oder abgewertet?

0

0,9

1,0

1,1

1,2

1,3

1,4

1,5

1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009

Wechselkurs EUR/USD

AUFGABE 26

86

1 Volkswirtschaft | Preise,GeldundWährung

RealerWechselkurs

Der reale Wechselkurs legt das reale Austauschverhältnis der Waren in verschiedenen Ländern fest. Er gibt an, wie hoch die reale Kaufkraft der heimischen Währung im Ausland ist. interessant ist diese Fragestellung, wenn man im Ausland seinen Urlaub verbringt. Der Wechselkurs und das Preisniveau im Ausland legen die Kaufkraft der eigenen Währung fest.

Quelle: Statistik Austria

Der reale Wechselkurs ist entscheidend, um das BiP/Kopf verschiedener Länder vergleichen zu können.

100 Euro auf ReisenFür 100 Euro erhält man im jeweiligen Urlaubsland Güter und Dienstleistungen im Wert von … Euro

Mexiko

Ungarn

Tschechien

Polen

Slowakei

Türkei

Portugal

Kroatien

Slowenien

USA

Großbritannien

Spanien

Griechenland

Australien

Deutschland

Zypern

Schweden

Österreich

Niederlande

Italien

Belgien

Frankreich

Japan

Schweiz

Irland

Dänemark

181182

143166

144153

120149

156143

132130

127129

125124

122121

137115

103113

109111

110110

100108

103102

102102

83100

100100

101100

9898

9494

9293

10986

8884

7881

7171

April 2009

gereiht nach dem Gegenwert im April 2009

April 2008

0 25 50 75 100 175 200125 150

87

Beispiel:

welchem land geht es besser?

EinBeispielsolldieBegriffenominalerWechselkurs(Preis­undMengennotierung)undrealerWech­

selkursverdeutlichen.FolgendeDatensindgegeben:

Österreich Kronenland

BiP pro Einwohner/in 10.000 € 90.000 Kronen

Ein bestimmterWarenkorb kostet

500 € 5.000 Kronen

Wechselkurs 1 € kostet 5 Kronen

a) Nominaler wechselkurs

WechselkursinderPreisnotierung:E=1/5,füreineKronemussman1/5€bzw.0,2€bezahlen

WechselkursinderMengennotierung:5,da5Kronenfür1€bezahltwerdenmüssen.

b) realer wechselkurs

EinbestimmterWarenkorbvonGüternundDienstleistungenkostetinÖsterreich500€.Dergleiche

WarenkorbkostetimKronenland5.000Kronen,dasentspricht1.000€.D.h.,dasPreisniveauistim

KronenlanddoppeltsohochwieinÖsterreich.

DerrealeWechselkursistsomit2(=1.000/500),dadieWarenimKronenlanddoppeltsoteuersind.

c) BiP/kopf zu kaufkraftparitäten

Kaufkraftparitätheißt,dassmanKennzahlenverschiedenerWährungenvergleicht,indemmandie

KaufkraftderWährungenmittelseinesrepräsentativenWarenkorbsbestimmtunddieKennzahlen

dammanHandderKaufkraftvergleicht.

UmdasBIP/KopfverschiedenerLändermiteinandervergleichenzukönnen,bereinigtmandasBIP/

KopfmitdemrealenWechselkurs:

• BIP/Kopfin€vonKronenland=18.000€(=90.000/5)

• BIP/Kopfin€zuKaufkraftparitätenvonKronenland=9.000€(=18.000/2)

Eszeigtsich,dassdasnominelleBIP/KopfimKronenlandhöherist,dasrealejedochniedrigeralsin

Österreich,weileinhohesPreisniveauberücksichtigtwerdenmuss.

Vergleichen Sie an Hand der vorgegebenen Daten Österreich mit den USA!

Österreich USA

BiP pro Einwohner/in 34.000 € 30.000 $

Ein bestimmterWarenkorb kostet

750 € 900 $

Wechselkurs 1 € kostet 1,5 $

a) Wie hoch ist der reale Wechselkurs?b) Wie hoch ist das BIP/Kopf zu Kaufkraftparitäten?

AUFGABE 27

88

1 Volkswirtschaft | Preise,GeldundWährung

1.6.5.2 Devisenmarkt:ZusammenspielvonDevisenangebotund­nachfrage

Auf dem Devisenmarkt (= Markt für fremde Währungen) wird nun der Wechselkurs (= Preis einer Währung) durch das Zusammenspiel von Devisenangebot und Devisennachfrage festgelegt.

Das Devisenangebot stammt von den Exporteuren von Gütern und Dienstleistungen sowie von im-porteuren von Kapital (= Kapitalimporte). Heimische Preise und Zinsen beeinflussen ebenfalls das De-visenangebot, weil sie den Export von Gütern und den import von Kapital bestimmen. Höhere Preise führen zu sinkenden Exporten und steigende Zinsen führen zu steigenden Kapitalimporten.

Die Devisennachfrage setzt sich aus der nachfrage der importeure von Gütern und Dienstleistungen und der Exporteure von Kapital zusammen. Wenn Zentralbanken auf dem Devisenmarkt intervenieren, erhöhen sie mit einem Verkauf von Devisen das Devisenangebot und mit einem Kauf die Devisennach-frage. Alle Faktoren, die sich auf das Angebot und die nachfrage nach Devisen auswirken, stellen die Einflussfaktoren des Wechselkurses dar.

Einflussfaktoren am Devisenmarkt

Devisen-Angebot Devisen-Nachfrage

Güterexporte ← Außenhandel → Güterimporte

inlandsinflation < Auslandsinflation ← inflationsgefälle → inlandsinflation > Auslandsinflation

im inland(= Kapitalimporte)

← Direktinvestitionen → im Ausland(= Kapitalexporte)

Auslandszinsniveau < inlandszinsniveau ← Unterschiede im Zinsniveau →

Auslandszinsniveau > inlandszinsniveau

€-Kursstützung(Devisenverkauf und €-Kauf)

← interventionen der notenbank(en)

Devisenkursstützung(Devisenankauf)

Erwartungsinkender Kurse

← Kursspekulationen → Erwartungsteigender Kurse

← politische/wirtschaftliche Ereignisse/nachrichten →

← psychologische Faktoren →

Devisenmarktmodell

Abwertungdes $,Aufwertungdes €

Preis eines $ in €(E)

Menge (x):Gehandelte $pro Tag

DevisennachfrageDN

E0

x0

DevisenangebotDA

89

Beispiel:

AmBeispielderimporteundExportesollgezeigtwerden,wierealeStröme(Exporte,Importe,Kapi­

talexporte,Kapitalimporte)dieDevisennachfragebzw.dasDevisenangebotbeeinflussen:

a) Eineuropäischer importeurkanndieeingekauftenWareneinesamerikanischenExporteurs

nichtin€zahlen.AusdiesemGrundmusseramDevisenmarktUS­$nachfragenundmit€kaufen,

umdieRechnungbezahlenzukönnen.SteigendeImporteführensomitzueinersteigendenDevi­

sennachfrage.

b) Angenommen,dieRechnungeineseuropäischen ExporteursistinUS­$fakturiert.Dasheißt,

daseuropäischeUnternehmenbekommtfürseineWareneineGutschriftinUS­$.Daseuropäische

UnternehmenkannnunseineMitarbeiter/innenunddieheimischenLieferant/inn/ennichtmit

US­$bezahlen,sondernmussdieseamDevisenmarktanbieten,um€zubekommen.Steigende

ExporteführenzueinerErhöhungdesDevisenangebots.

Stellen Sie sich vor, Sie eröffnen ein amerikanisches Sparbuch. Es handelt sich dabei um einen Kapitalexport, da nun mit Ihrem ersparten Geld die Möglichkeit besteht, dass amerikanische Unternehmen sich dieses Geld leihen und im Weiteren in die amerikanische Wirtschaft investieren. Überlegen Sie, ob dadurch die Devisennachfrage oder das Devi-senangebot verändert wird. Überlegen Sie weiters, ob diese erhöht oder gesenkt werden.

1.6.5.3Wechselkurs­AnalysevonhohenImporten

Mit Hilfe des Devisenmarktmodells können nun verschiedene Ursachen für Wechselkursänderungen erklärt werden.

Die USA haben das Problem, dass schon seit längerer Zeit die Zahl der importe höher ist als die Zahl ihrer Exporte. Sie haben daher ein sehr hohes Leistungsbilanzdefizit (siehe Kap. 1.7.2 Zahlungsbilanz).

Durch die hohe Zahl an importen (Öl, Autos, Kleidung und vieles mehr) steigt die nachfrage nach De-visen. Dadurch verlagert sich die Devisennachfragekurve nach rechts (aus Dn0 wird Dn1), und es ent-steht eine Überschussnachfrage an Devisen:

Auswirkung einer steigenden Devisennachfrage:

AUFGABE 28

x1x0

SteigendeNachfrage

Menge (x):Gehandelte $pro Tag

Preis eines $ in €(E)

DevisenangebotDA

Abwertungdes €

E0

E1

DN0DN1

90

1 Volkswirtschaft | Preise,GeldundWährung

Auf freien Devisenmärkten führt ein Anstieg der Devisennachfrage (= Verschiebung der Devisen-nachfrage von Dn1 nach Dn2) zu einer Abwertung der heimischen Währung (von E0 nach E1). Mit die-sem Problem sind die USA konfrontiert. Die hohe nachfrage nach ausländischen Gütern (vor allem aus Europa und China) führt im Zeitablauf zu einer Abwertung des US-$ und im Gegenzug zu einer Aufwer-tung des € und des chinesischen Yuan. Die Menge an gehandelten Devisen steigt auf Grund der nach-frage von A nach B.

Mit einer Wechselkursänderung sind folgende Effekte zu erwarten:

1) Eine Abwertung löst einen nachfrageanstieg in der Exportgüterindustrie aus, wodurch mit posi-tiven Produktionswirkungen sowie mit steigenden Einkommen, aber auch mit steigenden Preisen zu rechnen ist. Abwertungsstrategien dieser Art bezeichnet man daher als „Beggar-Thy-Neigh-bour-Politik“ (= Maßnahmen auf Kosten des nachbarn), da sie die nachfrage nach inländischer Produktion zu Lasten der nachfrage nach ausländischer Produktion erhöhen. Staaten, die abwer-ten, verbessern die Situation ihrer Exportwirtschaft. Die Exportwirtschaft einer Volkswirtschaft ist daher tendenziell an einer weichen Währung interessiert. Eine weiche Währung wertet im Gegen-satz zu einer harten Währung gegenüber anderen Währungen ab.

2) Da die Abwertung einer Währung die Importpreise erhöht, kann die Verteuerung von import-gütern Preiserhöhungen bei heimischen Gütern zur Folge haben (z. B. auf Grund einer Zunahme der Produktionskosten). Gestiegene Lebenshaltungskosten schlagen sich in erhöhten Lohnforde-rungen nieder. Die Preissteigerungen können die Wettbewerbsfähigkeit sogar so weit verschlech-tern, dass der Anfangserfolg der Abwertung verloren geht.

3) Interventionen der Zentralbank: Um die negativen Effekte einer Abwertung zu vermeiden, inter-venieren häufig Zentralbanken, um den Wechselkurs stabil zu halten. Bei einer intervention stellt eine Zentralbank die zusätzlich nachgefragte Menge nach ausländischen Devisen bereit (= zusätz-liches Angebot an Devisen: DA0 nach DA1). Die erforderlichen eingesetzten Devisen werden aus den eigenen Währungsreserven ( Strecke AC) entnommen oder im Wege einer Kreditaufnahme bei anderen Ländern oder internationalen Organisationen beschafft. Auf Grund der zusätzlich an-gebotenen Devisen der Zentralbank (= intervention) verändert sich der Wechselkurs E0 nicht und die Währung wird nicht abgewertet.

Intervention einer Zentralbank zur Unterstützung des Wechselkurses:

Menge (x):Gehandelte $pro Tag

Preiseines $ in €(E)

DevisenangebotDA0

DA1

Intervention der Zentralbank(= Angebot der zusätzlichnachgefragten Devisen)

DN0DN1

x1

E0

x0 x2

91

1.6.5.4AuswirkungenvonZinserhöhungen(indenUSA)

Erhöht die amerikanische Zentralbank (FED) das Zinsniveau, dann hat dies ebenfalls Auswirkungen auf den Wechselkurs. Die Überlegungen im Devisenmarktmodell können wie folgt dargestellt wer-den: Steigende Zinsen in den USA führen unmittelbar zu Kapitalimporten (aus der Sicht der USA) bzw. zu Kapitalexporten (aus der Sicht Europas). Durch die höheren Zinsen legen mehr Europäer/innen ihr Geld in den USA an. Die nachfrage nach Devisen steigt und der € wird abgewertet bzw. der US-$ wird aufgewertet.

Zusammenfassung

• DerVerbraucherpreisindex misst das Preisniveau einer Volkswirtschaft. Die Preise von ca. 800 Gütern werden zu einem index zusammengefasst. Zurzeit wird der VPi aus dem Jahre 2005 ver-wendet, um die inflation zu messen.

• Inflation ist ein Anstieg des Verbraucherpreisindex (VPi05).

• Voneinerhohen Inflation gehen eine Vielzahl von negativen Wirkungen aus. a) Geld verliert seine Funktion als Tauschmittel und die Wertaufbewahrungsfunktion. b) Unternehmen empfinden eine hohe inflation als negativ und siedeln sich in stabileren Ländern

an. c) Hohe inflation führt zu Arbeitskämpfen zwischen Unternehmen und Arbeitnehmer/inne/n, die

höhere Löhne fordern. Mögliche Streiks und Unruhen schwächen eine Volkswirtschaft. d) Höhere Preise bedeuten auch höhere Preise für Exportgüter. Weniger Exporte führen zu weni-

ger Produktion und damit zu weniger Einkommen und Beschäftigung.

• DieUrsachen und Gründe für eine Inflation sind vielfältig. a) immer wenn die gesamtwirtschaftliche nachfrage unerwartet ansteigt, treibt dies die Preise und

damit die inflation in die Höhe. b) Eine Erhöhung der Geldmenge führt ebenso zu einer außerordentlichen Erhöhung der nachfra-

ge und damit zu inflation. c) Höhere Kosten führen auf der Angebotsseite zu einer Erhöhung der Preise, da die höheren Kos-

ten über die Preise auf die Konsument/inn/en übergewälzt werden. d) Die Vernichtung der Produktion durch Kriege oder Krise treibt ebenso die inflation in die Höhe,

da ein Mangel zu Preissteigerungen führt.

• DieGeldpolitik ist für die Stabilität der Preise und damit für die inflationsrate verantwortlich. Die Geldpolitik wird von der Europäischen Zentralbank (EZB) getragen. Preisniveaustabilität ist defi-niert bei einer inflationsrate von ca. 2 %. Das zentrale instrument der EZB zur Beeinflussung der inflation ist die Offenmarktpolitik.

• DieEZB beeinflusst mit der Offenmarktpolitik das Zinsniveau einer Volkswirtschaft. Steigen die Zinsen, geht die nachfrage nach investitionen und Konsument/inn/enkrediten zurück. Sinkt die ge-samtwirtschaftliche nachfrage, sinkt die inflation.

• DerWechselkurs legt den Wert einer Währung gegenüber dem Ausland bzw. gegenüber anderen Währungen fest.

• Beimnominalen Wechselkurs unterscheidet man die Preis- und die Mengennotierung. in den Zeitungen wird seit der Einführung des Euro die Mengennotierung verwendet.

92

1 Volkswirtschaft | Preise,GeldundWährung

• DerrealeWechselkurslegtdasAustauschverhältnisvoninländischenzuausländischenWarenfest.

• DerDevisenmarkt ist das Zusammenspiel von Devisenangebot und Devisennachfrage. Auf dem Devisenmarkt wird der Wechselkurs gebildet. Ein Anstieg der Devisennachfrage führt zu einer Auf-wertung der Devise (= ausländische Währung) und gleichzeitig zu einer Abwertung der heimischen Währung.

• EineAbwertung hat den Vorteil, dass die Exporte für das Ausland günstiger werden. Dadurch steigen Produktion und Einkommen.

• EineAbwertung hat den Nachteil, dass die importgüter teurer werden. Länder mit einer hohen importneigung (u. a. auch Österreich) müssen durch eine Abwertung die Verteuerung vieler Waren in Kauf nehmen. Eine Verteuerung der Waren führt wiederum zu inflation.

Lernkontrolle

01 Was versteht man unter inflation? Wie wird die inflationsrate gemessen?

02 Warum ist eine hohe inflation negativ?

03 Was sind die Ursachen einer inflation?

04 Wie „funktioniert“ eine Geldpolitik?

05 Was versteht man unter einem Wechselkurs?

06 Was ist eine weiche Währung?

07 Welche Faktoren bestimmen das Devisenangebot und die Devisennachfrage?

08 Welche positiven und negativen Effekte sind mit der Abwertung einer Währung verbunden?

09 Warum führen hohe importe zu einer Abwertung einer Währung? Argumentieren Sie an Hand des Devisenmarktmodells!

10 Warum führen Zinssteigerungen in einem Land zu einer Aufwertung dieser Währung? Argumentie-ren Sie an Hand des Devisenmarktmodells!

93

1Volkswirtschaft | AußenhandelundWeltwirtschaft

SiTUATiOn

1.7 außenhandel und weltwirtschaft

... wissen, warum Außenhandel für alle Beteiligten von Vorteil sein kann.

... wissen, wie man die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen verschiedenen Ländern misst.... den Begriff Globalisierung sowie die damit verbundenen Vor- und Nachteile verstehen.... über die Bedeutung und den derzeitigen Stand der Entwicklungshilfe Bescheid wissen.

außenhandelsbilanz im Plus: Export-Europameister Österreich

…ErstmalsseitJahrzehntenhatÖsterreich2007imAußenhandelvorläufigenBerechnungender

WirtschaftskammerÖsterreich(WKÖ)zufolgeeinendeutlichen→ Überschusserwirtschaftet.„Mit1,5

Mrd.EurohabendieheimischenExporteurederZweitenRepublikdenhöchstenAußenhandelsüber­

schussbeschert“,sagteWirtschaftskammer­PräsidentChristophLeitl.

InderVergangenheitwurdenur2002einleichtesPlusvon300Mio.Euroverzeichnet.2006warnoch

einDefizitvon0,5Mrd.Euroeingefahrenworden.

…„FrüherwarenwirschwerdefizitärinunsererWarenbilanzundderTourismussowiedieDienstleis­

tungenmusstendasausgleichen–jetztmachendieWarenalleineinenÜberschuss“,betonteLeitl.

DerHauptgrundfürdieseFreude:dieaufstrebendenLänderOsteuropas.„DieLänderOst­undSüd­

osteuropassindeinTeilderösterreichischenErfolgsstory“,sagtederChefderAußenwirtschaftsorga­

nisationÖsterreich,WalterKoren.(…)

HauptwirtschaftspartneristabernachwievorDeutschland–31ProzentderösterreichischenLiefe­

rungengehenindasNachbarland.ZumVergleich:NachOsteuropagehen21,8Prozent.NachWeltregi­

onenbetrachtetbleiben80ProzentderösterreichischenErzeugnisseinEuropa,nur20Prozentwerden

nachÜberseegeliefert.

Quelle:DiePresse.com,10.01.2008(gekürzt)

Warum ist Außenhandel wichtig und wie wirkt sich die zunehmende wirtschaftliche •Verflechtung aus?

1.7.1 TheoriederkomparativenKostenvorteileDie Theorie des komparativen (lat. comparare = vergleichen) Vorteils besagt, dass die Vorteilhaftigkeit des Handels zwischen zwei Ländern nicht nur bei absoluten Produktionsvorteilen eines Landes gege-ben ist. Grundsätzlich ist der Handel zwischen zwei Ländern immer vorteilhaft, auch wenn ein Land bei allen Gütern produktionstechnisch gegenüber dem anderen Land unterlegen ist. Zur Verdeutli-chung dieser idee ein konkretes Beispiel:

LErnZiELE

LEiTFrAGEn

94

1 Volkswirtschaft | AußenhandelundWeltwirtschaft

Beispiel:

EsexistierenzweiLänder,A­LandundB­Land,indenenAutosundHandysproduziertwerden.

• A­LandverfügtübereinehochentwickelteProduktionstechnologieundkann10Autosoder100

HandysproStundeproduzieren,

• B­LandverfügtübereineallgemeinniedrigerentwickelteProduktionstechnologieundkannnur

1Autooder50HandysproStundeproduzieren.

• A­LandistsomitB­LandbeibeidenGüterninderProduktionüberlegen.

Produktionsmöglichkeitpro 1 stunde:

Land Auto (in Stück) Handy (in Stück)

A-Land 10 100

B-Land 1 50

Eswirdunterstellt,dassdieKostendemZeitaufwandderProduktionentsprechen.Darausfolgt:

Zeitaufwand(=absolute kosten, Produktivität)fürjeweilseineEinheitderWareinStunden

Land Auto Handy

A-Land 0,1 (= 1/10) 0,01 (= 1/100)

B-Land 1 (= 1/1) 0,02 (= 1/50)

BeibeidenProduktenhatB-land die höheren absoluten kosten.A­Landbrauchtnur0,1Stunden

fürgenau1Auto,währendB­Land1Stundebenötigt.EbensobrauchtA­Landnur0,01Stundenfür

genau1Handy,währendB­Land0,02Stundenbraucht(=doppeltsolange!)

EsstelltsichdieFrage,wienunA­LandvonB­Landprofitierenkann,obwohlesbeiderProduktion

beiderGüterüberlegenist.Oderumgekehrt:MusssichB­LandnichtmitEinfuhrbeschränkungenund

ImportzöllenvorA­Landschützen,damitdie(unproduktivere)heimischeWirtschaftbestehenbleiben

kann?DieAntwortistmehralsüberraschend:A­LandundB­LandkönnendurchHandelvoneinander

profitieren,weilB­Landkomparative kostenvorteilegegenüberA­Landhat!

Zur Verdeutlichung dieser Überlegungen muss auf das Konzept der Opportunitätskosten abge-stellt werden. Unter Opportunitätskosten versteht man Kosten, die anfallen, weil Möglichkeiten (= Op-portunitäten) zur nutzung von ressourcen nicht wahrgenommen werden. Werden die Opportunitäts-kosten, d. h. die Menge Autos bzw. Handys, auf die verzichtet werden muss, um Handys oder Autos zu produzieren, betrachtet, so ergibt sich folgendes Bild:

Tabelle der komparativen Kosten (Opportunitätskosten):

Land Verzicht auf 1 Auto Verzicht auf 10 Handys

A-Land 10 Handys (= 100 Handys/10 Autos)

1 Auto(= 10 Autos/100 Handys * 10)

B-Land 50 Handys (= 50 Handys/1 Auto)

0,2 Autos (= 1 Auto/50 Handys * 10)

B-Land muss nur auf 0,2 Autos verzichten, um 10 Handys mehr zu produzieren, während A-Land auf 1 Auto verzichten muss. Dieser geringere notwendige Verzicht ist der komparative Vorteil von B-Land in der Handyproduktion.

Relativ gesehen kann also A-Land kostengünstiger Autos und B-Land kostengünstiger Handys pro-duzieren. Dies nennt man komparativen Vorteil.

A-Land hat komparative Vorteile bei der Produktion von Autos.•B-Land hat komparative Vorteile bei der Produktion von Handys.•

95

Beispiele:

• EinrechtsanwaltistgleichzeitigderbesteschreibmaschinenschreiberimganzenOrt.Weil

eralsRechtsanwaltmehrGeldverdient,hatereinenkomparativenKostenvorteilgegenüberder

TätigkeitalsSekretär.ObwohlereinenabsolutenKostenvorteilinbeidenBerufengegenübereiner

Sekretärinhat,lohntessichfürihn,eineeinzustellen,diewenigerbegabtistalser.Betrachtenwir

denStandpunktderSekretärin:SiehatalsSekretärineinenkomparativenKostenvorteilgegenüber

derTätigkeitalsRechtsanwalt.SieistihremChefalsoamgeringstenalsSekretärinunterlegen.Nun

spezialisierensichbeideaufihremonetärgesehenlukrativstenFähigkeitenundziehensodenmeisten

Profitdaraus.

•  Soll Hermann Maier den Rasen mähen?

VielleichtkönnteerdenRasenschnellermähenalsmancheiner,denerdamitbeauftragt.Nehmenwir

an,HermannkönntedenRaseninzweiStundenmähen.IndiesenzweiStundenkönnteeraberauch

einenWerbeauftrittabsolvieren,beidemerWerbeeinnahmenvonnetto3.000€erzielt.Andersverhält

essichmitStudentChristof,derumdieEckewohntundderbeiGelegenheitsjobs10€proStundever­

dient.Erbrauchtca.dreiStundenzumRasenmähenunderwartetdafürnur3x10€=30€.

IndiesemFallbetragendieOpportunitätskostenfürHermannfürdasRasenmähen3.000€,dieOp­

portunitätskostenfürChristofjedochnur30€.HermannhatzwareinenabsolutenVorteil,weilernur

zweistattdreiStundenArbeitszeitverwendenmuss,dochChristofverfügtüberkomparativeVorteile

beimRasenmähen,weilerniedrigereOpportunitätskostenhat.

Die Weltmeisterin im Staubsaugen wird zur praktischen Ärztin ausgebildet. Soll sie als praktische Ärztin ihre Praxis selbst reinigen oder eher eine Reinigungskraft einstellen? Begründen Sie Ihre Antwort!

Robinson Crusoe kann pro Stunde 5 Fische fangen oder 1 Wildschwein. Sein Freund Frei-tag dagegen fängt in einer Stunde 7 Fische oder 1 Wildschwein. Finden Sie heraus: a) Wie hoch sind Crusoes Opportunitätskosten für den Fang eines Wildschweins? b) Wie hoch sind die von Freitag? c) Wer hat einen komparativen Vorteil beim Fischfang? d) Wer hat einen Vorteil beim Wildschweinfangen?

Das Prinzip des komparativen Kostenvorteils zeigt, dass es einer Volkswirtschaft durch Arbeitstei-lung und internationalen Handel besser gehen kann. internationaler Handel und Austausch werden daher aus ökonomischer Sicht positiv gesehen und müssen gefördert werden. in Wirklichkeit sind die Zusammenhänge etwas komplexer: Der Außenhandel kann nämlich sehr wohl einzelne Bürger/innen eines Landes schlechter stellen, obwohl er den Wohlstand der Bevölkerung insgesamt erhöht. Wenn Europa Autos exportiert und Weizen importiert, so sind die Auswirkungen auf die europäischen Bauern und Bäuerinnen anders als die auf die europäischen Automobilarbeiter/innen. Die direkten Vertei-lungswirkungen können für einzelne Gruppen negativ sein. D. h., durch die Öffnung der Märkte gibt es sehr wohl Sieger/innen und Verlierer/innen, aber die Sieger/innen gewinnen mehr, als die Verlierer/in-nen verlieren. im rahmen der Globalisierungsdebatte (siehe weiter unten) werden die Vorteile und nachteile von offenen Märkten ausführlich dargestellt. Zudem zählen Entwicklungsländer oft zu den Verlierern von Marktöffnungen. Auch dazu mehr weiter unten.

AUFGABE 29

AUFGABE 30

96

1 Volkswirtschaft | AußenhandelundWeltwirtschaft

SiTUATiOn

1.7.2 Zahlungsbilanz

„automobil: Vw baut Billigauto für russland

Um den Preis unter 10.000 Dollar zu drücken, wird direkt in Russland produziert. Der Marktanteil

soll bis 2010 auf zehn Prozent erhöht werden.

Moskau.ImVergleichmitinternationalenKonkurrentenhatderdeutscheAutobauerVolkswa­

genseineProduktioninRusslandspätgestartet.NunaberwillerinseinemWerkinKaluga,190

KilometersüdwestlichvonMoskau,aufsGassteigen.SosollnichtnurdierussischeProduktionbis

2010vongeplanten115.000auf150.000StückerhöhtundderMarktanteilaufmindestenszehn

Prozentverdreifachtwerden.AuchdieHälftederProduktionsollkünftigaufeinneuesBilligauto,

einenVWPolo,kommen,sagteVW­EntwicklungschefUlrichHackenbergzurrussischenWirt­

schaftszeitung‚Wedomosti‘.

BereitsEnde2009könntediemit1,4­und1,6­Liter­MotorenausgestatteteLow­Cost­Variantevom

Bandrollen.PreislichwillVWunterderMarkevon10.000Dollar(6.369Euro)bleiben.

(…)

10.000 Dollar sind eine illusion

NichtnurVW,auchNissan,GM,MitsubishioderToyotawollenBilligautosfürdenrussischen

Marktbauen.DiePlänesindfreilichnochnichtweitgediehen.UmdieangekündigtenPreisenicht

zuüberschreiten,ratenExpertenjedenfalls,eineProduktioninRusslanddemteurenImportvorzu­

ziehen.AberselbstbeieinerProduktioninRusslandseieinVerkaufspreisunter10.000Dollareine

Illusion,warnenExperten.Analysenzeigen,dassdieAnsprücheinRusslandweitaushöhersindals

inChinaoderIndien,woderProduzentTatadasModellNanoum3.000Dollaranbietenwill.…“

Quelle:DiePresse,9.04.2008

Alle wirtschaftlichen Vorgänge, die innerhalb eines Jahres mit dem Ausland stattfinden, werden in der Zahlungsbilanz erfasst. Die Zahlungsbilanz untergliedert sich in folgende Bilanzen:

Leistungsbilanz

Waren

Dienstleistungen (+ Tourismus)

Erwerbs- und VermögenseinkommenTransfers

KapitalbilanzDirekt- und → Portfolioinvestitionen

Devisenbilanz (offizielle Währungsreserven)

1.7.2.1 Leistungsbilanz

Die Leistungsbilanz enthält die Transaktionen aller physischen Waren (= Handelbilanz), die Dienstleis-tungsbilanz sowie die Bilanz für Vermögenstransfers.

Handelsbilanz

Die Handelsbilanz erfasst in inländischen Währungseinheiten den Austausch von Gütern mit dem Ausland (= Export und Import physischer Güter). Von einem Handelsbilanzdefizit spricht man, wenn die Warenimporte größer sind als die Warenexporte. Umgekehrt: Bei einem Handelsbilanzüberschuss sind die Exporte höher als die importe.

97

Quelle: Statistik Austria/Wirtschaftskammern Österreichs

Dienstleistungsbilanz

Die Dienstleistungsbilanz wird in Österreich maßgeblich vom Reiseverkehr dominiert. Es werden sämtliche grenzüberschreitenden reisen erfasst, wie z. B. Geschäfts- oder Urlaubsreisen. Auch alle Kosten, die mit den einzelnen reisen anfallen, fließen hier ein.

Quelle: Statistik Austria/Wirtschaftskammern Österreichs

Außenhandel und Handelsbilanzsaldo

JahrWareneinfuhr Warenausfuhr Handels-

bilanzsaldoMrd. EUR

Mrd. EUR Veränd. in % Mrd. EUR Veränd. in %

1980 022,95 +17,0 016,44 +09,7 -6,521985 031,32 +09,9 025,73 +12,5 -5,601990 040,42 +08,1 033,87 +08,6 -6,551991 043,02 +06,4 034,81 +02,8 -8,201992 043,16 +00,3 035,44 +01,8 -7,731993 041,05 -04,9 033,95 -04,2 -7,101994 045,70 +11,3 037,24 +09,7 -8,46

1995 1 048,55 - 042,15 - -6,401996 051,80 +06,7 044,49 +05,5 -7,311997 057,43 +10,9 051,96 +16,8 -5,471998 061,20 +06,6 056,30 +08,4 -4,901999 065,32 +06,7 060,27 +07,0 -5,052000 074,94 +14,7 069,69 +15,6 -5,242001 078,69 +05,0 074,25 +06,5 -4,442002 077,10 -02,0 077,40 +04,2 0,302003 080,99 +05,0 078,90 +01,9 -2,092004 091,09 +12,5 089,85 +13,9 -1,252005 096,50 +05,9 094,71 +05,4 -1,792006 104,20 +08,0 103,74 +09,5 -0,462007 114,25 +09,6 114,68 +10,5 0,432008 2 119,13 +04,3 117,33 +02,3 -1,80

1 In der Außenhandelsstatistik kam es Anfang 1995 zu einer grundlegenden Systemänderung: der Warenverkehr mit EU-Ländern wird seither durch Direkterhebungen bei den Unternehmen erfasst (INTRASTAT), sodass die Vergleichbarkeit der Ergebnisse vor/nach 1995 nicht gegeben ist

2 vorläufige Daten (Veröffentlichung der endgültigen Daten: Mitte 2009)

Ausländerübernachtungen nach Herkunftsländern

HerkunftslandAusländerübernachtungen, in 1.000

1990 2000 2005 2006 2007

Deutschland 056.819 052.334 051.027 048.763 048.139Niederlande 009.112 007.376 008.686 008.763 009.085Schweiz 003.172 002.892 003.514 003.578 003.701Großbritannien 004.931 003.066 003.602 003.785 003.931Italien 003.091 002.534 003.119 003.153 003.055Belgien/Luxemburg1 002.762 002.035 002.389 002.421 002.494USA 003.076 001.461 001.389 001.497 001.458Frankreich 002.139 001.876 001.664 001.751 001.701Andere Länder 009.686 008.960 012.351 013.527 014.836SUMME 94.788 82.534 87.741 0 87.238 0 88.400

1ab 2000 nur Belgien

98

1 Volkswirtschaft | AußenhandelundWeltwirtschaft

WeitereBilanzenderLeistungsbilanz

inländer/innen können Kapitalerträge aus ausländischen Kapitalanlagen und Lohneinkommen aus dem Ausland erhalten. Ausländer/innen können im Gegenzug Kapitalerträge und/oder Lohneinkom-men aus Österreich empfangen. Diese Transaktionen werden in der Erwerbs- und Vermögensein-kommensbilanz verbucht. Zur Transferbilanz rechnet man all jene Leistungen, die ohne Gegenleis-tung erfolgen, z. B. Aufwendungen für die Entwicklungshilfe an Länder der Dritten Welt oder Beiträge für internationale Organisationen (EU-Beitrag).

Sind die gesamten importe eines Jahres (iM) größer als die Exporte (EX), spricht man von einem Leis-tungsbilanzdefizit. Bei einem Leistungsbilanzdefizit sind die Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Ausland größer als die Zahlungsforderungen.

Leistungsbilanzsalden in Österreich 1995– 2010

Quelle: WiFO/Wirtschaftskammern Österreichs (2009/2010 = Prognosen)

Wie bereits gezeigt wurde, beeinflusst eine unausgeglichene Leistungsbilanz den Wechselkurs einer Währung (siehe Kap. 1.6.5).

1.7.2.2 Kapitalbilanz

Die Kapitalbilanz fasst die lang- und kurzfristigen Kapitaltransaktionen mit dem Ausland zusammen (= Kapitalimporte und Kapitalexporte). Zu Ersteren zählen Kapitalinvestitionen mit einer Lauf-zeit von mehr als einem Jahr, wie Direktinvestitionen von Unternehmen, → Portfolioinvestitionen (= Wertpapiereinkäufe) und langfristige Kredite (d. h., höhere Kapitalinvestitionen erhöhen den Kapital-bestand im Ausland). Zum kurzfristigen Kapitalverkehr gehören Transaktionen mit einer Laufzeit bis zu einem Jahr (z. B. Handelskredite).

LB-Defizit in % des BIP

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

–2,9 –2,9–2,5

–1,6 –1,7

–0,7 –0,8

2,7

1,7

2,1 2,0

2,83,1

3,5

1,61,3

99

Quelle: OenB/Wirtschaftskammern Österreichs (wird aktualisiert)

Die Direktinvestitionen sind von besonderem interesse, da sie aufzeigen, in welchen Ländern öster-reichische investor/inn/en aktiv sind. Zudem tragen diese investitionen zum Kapitalaufbau in diesen Ländern bei. Die investitionen ausländischer Investor/inn/en in Österreich sind genauso von inte-resse. Viele inländer/innen sehen ausländische Beteiligungen und investitionen sehr kritisch, da in weiterer Folge Entscheidungen über betriebliche Standorte und damit über Arbeitsplätze von Auslän-der/inne/n getroffen werden.

Österreichs Direktinvestitionen im Ausland

ZielländerÖsterreichische Investitionen 1 im Ausland, Mio. EUR

(aktive Direktinvestitionen)1995 2000 2005 2006 2007 2 2008 2

Belgien 0.002 0.0-2 0.004 -.333 0.224 00.855Dänemark 0.0-3 0.036 0.242 0.316 0.038 00.-19Deutschland 0.130 1.976 1.128 -.443 1.177 02.231Finnland 0.002 0.015 0.0-3 0.065 0.037 00.043Frankreich 0.102 0.-43 0.021 0.-75 -.122 00.126Großbritannien 0.021 0.136 0.406 0.487 1.212 00.-43Irland 0.0-1 0.-39 0.013 0.-28 0.-65 00.087Italien 0.-78 0.081 0.144 1.091 0.004 00.556Luxemburg 0.025 0.001 0.040 0.149 0.208 00.077Niederlande 0.042 0.669 0.097 0.913 -.268 01.240Polen 0.056 0.324 0.375 3.840 0.524 00.290Rumänien 0.001 0.183 0.652 5.189 1.151 00.913Schweden 0.015 0.079 0.-54 0.400 0.000 00.112Slowakei 0.041 0.194 0.167 0.407 0.600 00.-31Slowenien 0.041 0.111 0.234 0.204 0.081 00.215Spanien 0.-20 0.007 0.097 0.164 0.081 00.052Tschechien 0.052 1.014 0.504 1.173 0.962 00.997Ungarn 0.196 0.386 0.382 0.758 1.678 01.448

EU (15) 0. 236 2.916 2.208 2.737 0. 127 05.320Euroraum (15) 0. 210 2.827 1.959 2.151 3.471 06.355EU (27) 0. 585 5.196 5.575 7.299 8.940 11.167

Kroatien 0.009 0.140 0.571 0.-23 5.492 00.759Russland 0.003 0.073 0.-22 1.212 2.721 01.425Schweiz 0.045 -.182 0.903 -.319 0.492 00.117Norwegen 0.0-5 0.008 0.003 0.052 0.-40 00.0-3

Amerika 0. 125 0. 484 0. 138 0.0 91 0. 699 01.018USA 0.069 0.377 0.154 0.230 0.426 00.157Kanada 0.007 0.0-7 0.-74 0.-13 0.224 00.422

Asien 0.0 -5 0.0 90 0. 162 0. 495 1.856 00. 893Afrika 0.0 -5 0.0 -7 0.0 54 0.0 95 0. -86 00. -18

DIREKTINVESTITIONENi.e.S., NETTO 1 00. 685 05.980 08.962 10.897 24.389 19.261

BESTAND ANDIREKTINVESTITIONEN 08.674 26.674 60.869 80.256 104.645 123.906

1 Direktinvestitionen i.w.S ohne Special Purpose Entities und Grundstücke2 bis 2006: endgültige Daten; 2007: revidierte Daten; 2008: vorläufige Daten

100

1 Volkswirtschaft | AußenhandelundWeltwirtschaft

SiTUATiOn

1.7.3 GlobalisierungundInternationalisierung

„soziologen: Nationale identität bleibt wichtig

Amerikaner sind stolz auf die Weltpolitik, Österreicher auf die Wirtschaft; Schweden lieben Gleichheit:

Soziologen erforschen die Unterschiede zwischen Nationen.

Esscheint,dassdieHochblütedesNationalstaatsvorbeiist.DieGlobalisierunghatzueinerniedagewesenenVerschränkungderWirtschaftundderGesellschaftengeführt–dahermeinenvieleExper­ten,dassBegriffewieStaatoderNationimmerunwichtigerwerden.DieseAnsichtistaberfalsch,sagtMaxHaller,SoziologeanderUniversitätGraz:¸NationaleIdentitätenundNationalstolzbleibenzentraleKomponentenderIdentitätderMenscheninmodernenGesellschaften.‘

EineISSP(InternationalSocialSurveyProgram)­Studieergab,dassdereigeneStaatmitAbstandalsdaswichtigsteIdentifikationsmerkmalangesehenwird:88ProzentallerBefragtenfühlensichengodersehrengmitihmverbunden.WeitwenigerwichtigistderOrtbzw.dieRegion,indermanlebt.DaranändertsichauchimZeitablaufinpraktischallenLändernnichts:BeiallenUntersuchungswellenbleibtderStaatamwichtigsten.

EuropanimmtdabeiingewisserWeiseeineSonderstellungein:MitdereuropäischenEinigungwächstdieeuropäischeIdentität.Allerdings:¸ZwischennationalerundeuropäischerIdentitätgibteskeinenGegensatz,sondernsogareinepositiveBeziehung‘,sagtderSoziologe:¸WersicheinemLandstarkverbundenfühlt,hatauchzuEuropaeinepositiveEinstellung.‘DieUngarnbeispielsweisezeigendiestärksteVerbundenheitmitihremLand,aberauchmitEuropa.DieRussenoderBritendagegensindsowohlihremLandwieauchEuropanurschwachverbunden.Haller:¸BürgerderEU­MitgliedstaatenkönnenzweiIdentitätenhaben:einenationaleundeineeuropäische.‘

DerNationalstolzistallerortssehrhoch:20ProzentderBefragtensind¸sehrstolz‘und42Prozent¸stolz‘aufihrLand.DabeigibtesfreilichdeutlicheUnterschiedezwischendenNationen–diesich,soHaller,leichterklärenlassen.IngroßenNationenspieltderweltpolitischeEinflusseinegroßeRolle:SosindindenUSA78ProzentderBürgerstolzaufihrenEinfluss,inkleinerenStaatensindesnurandie25Prozent.Österreichliegtmit53ProzentinderMitte.

GanzweitobenistÖsterreichhingegenbeimStolzaufdiewirtschaftlicheEntwicklung:Mit79ProzentliegtesweltweitunterdenTopfünfundistdamitdasstolzesteLandinEuropa.AbgeschlagensinddabeidieosteuropäischenLänder.DieSoziologenkennenauchnocheineReiheandererUrsachenfürhohenNationalstolz–dievorallemfürkleinereStaateneinegroßeRollespielen:etwawissenschaftlicheErrungenschaften,kulturelleLeistungen,GeschichteoderSport.Letztereristbesondersinteressant:Satte81ProzentstimmenderAussagezu,dassmanstolzaufsportlicheErfolgevonLandsleutensei.“

Quelle:DiePresse,10.05.2009(gekürzt)

Der Begriff „Globalisierung“ ist sehr weitläufig und nicht einfach zu definieren. Man unterscheidet fol-gende Formen der Globalisierung:• Ökonomische Globalisierung: Zunahme der Waren- und Kapitalströme.• Kulturelle Globalisierung: Zunahme und nebeneinander von verschiedenen kulturellen Aus-

drucksformen in einer region.• Ökologische Globalisierung: Zunahme der Zusammenarbeit von Organisationen und nationen,

um die zunehmende Umweltbelastung und Umweltzerstörung zu verringern.• Politische Globalisierung: Zunahme von internationalen Vereinbarungen, Verträgen und Organisa-

tionen; Zunahme einer internationalen Öffentlichkeit und internationalen Berichterstattung.• GlobalisierungvonInformationen: Zunahme der personellen Vernetzung durch internet, Telefon-

konferenzen, eLearning-Plattformen usw.

101

in den weiteren Darstellungen werden in erster Linie die Aspekte der ökonomischen Globalisierung näher betrachtet.

Offene Warenmärkte und die Deregulierung der Finanzmärkte führen zu einer Zunahme der Waren- und Kapitalströme zwischen den Volkswirtschaften. Unternehmen versuchen verstärkt, internationale Konzerne aufzubauen, die auf der ganzen Welt agieren. Die nationalen Staaten sind im Wettbewerb um diese Konzerne, da sie für mehr Einkommen und eine höhere Beschäftigung sorgen. Folglich werden große Konzerne, die investieren und es sich leisten können, Zeit und Geld in innovationen zu investie-ren, gefördert und von öffentlicher Seite her unterstützt.

Quelle: WKO (wird aktualisiert)

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102

1 Volkswirtschaft | AußenhandelundWeltwirtschaft

1.7.3.1 VorteilederGlobalisierung

VielfaltanGüternundWaren

Der zunehmende Abbau von Handelshemmnissen und die Öffnung der Märkte führen zu einem immer größeren Angebot an Waren. Während bestimmte Güter früher nur in bestimmten Saisonen konsumiert werden konnten, stehen sie heute das ganze Jahr über zur Verfügung (z. B. Melonen).

Überlegen Sie, welche Waren Sie nicht kaufen und konsumieren könnten, wenn es keinen internationalen Handel gäbe.

Preissenkungen

Der internationale Wettbewerb führt zu rationalisierungen, zur Verlegung der Fertigung in Länder mit geringeren Arbeitskosten und damit zu Preissenkungen, sodass immer mehr Waren günstiger produ-ziert und verkauft werden. Wenn auch für die oft bessere Design- und Verarbeitungsqualität europä-ischer Marken höhere Preise gezahlt werden, greift die Masse der Konsument/inn/en sehr wohl zu (er-laubten) billigeren imitationen und nachahmungen aus der ganzen Welt.

Stellen Sie fest, aus welchen Ländern der Welt Ihre Kleidungsstücke und die Ihrer Mit-schüler/innen kommen.

WachstumundWohlstand

neue Märkte und die Zunahme der Exporte schaffen ein höheres Wirtschaftswachstum und damit mehr Wohlstand in vielen Ländern dieser Erde. Dies gilt jedoch in erster Linie für Industrieländer. Entwicklungsländer können sehr oft trotz niedrigster Löhne kaum produktive Auslandsinvestitionen anziehen. Politische instabilitäten, mangelnde rechtssicherheit und eine unzureichende infrastruktur verhindern die Ansiedelung von Produktionsbetrieben. Diese Länder sind oft weitgehend von den Vor-teilen der Globalisierung ausgeschlossen, wodurch die Schere zwischen Arm und reich noch weiter auseinandergeht.

InternationaleArbeitsteilungundArbeitsmöglichkeiten

Grundsätzlich sind Arbeitsteilung und Spezialisierungen zu befürworten, da sie die Arbeitsproduk-tivität und damit die Verdienstmöglichkeiten erhöhen. Bestimmte Güter werden in einer globalen Welt folglich immer dort produziert, wo sie am kostengünstigsten erzeugt werden können. So werden im-mer mehr Produktionsstätten, aber auch Dienstleistungen (z. B. Call-Center, EDV-Leistungen) ins Aus-land (etwa nach Osteuropa oder Asien) ausgelagert.

innerhalb der EU wird angestrebt, die Mobilität und Flexibilität der Arbeitskräfte (durch Sprachför-derung, Austauschprogramme oder Auslandspraktika) zu erhöhen. Weltweit kann aber noch nicht von einer Öffnung der Arbeitsmärkte gesprochen werden.

BeschleunigungdestechnischenFortschritts

Durch die Globalisierung wird Forschung und Entwicklung (F&E) transparenter. Bessere Produkte setzen sich viel schneller durch, wodurch Konsument/inn/en einen immer besseren Lebenskomfort er-reichen. Zudem muss man auf offenen Märkten immer wieder neue ideen, Produkte und innovationen entwickeln, um sich von den vielen Konkurrent/inn/en abzuheben.

AUFGABE 31

AUFGABE 32

103

KulturaustauschundLernen

Durch die zunehmende Verflechtung und Verbindung lernen die Menschen schneller voneinander. Auch wenn zum Teil eine „regionalisierung“ und „nationalisierung“ stattfindet, entstehen durch die Öffnung der Grenzen auch viele neue Begegnungen und Freundschaften, die das Verständnis der na-tionen füreinander erhöhen. Die wechselseitigen Abhängigkeiten unterstützen kooperatives Verhalten. Kriegerische Auseinandersetzungen im vereinten Europa sind kaum mehr vorstellbar.

Die Wirtschaft wird angekurbelt

Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfragen 6055 und 7090

2006

1998

„Was denken Sie über Globalisierung?“

Personen ab 16 Jahren, die zumindest eine ungefähre Vorstel-lung davon haben, was mit Globalisierung gemeint ist

Frage: Woran denken Sie, wenn Sie das Wort „Globalisierung“ hören, was denken Sie über die Globalisierung?

69

78

48

61

43

54

57

53

32

49

70

48

52

45

44

44

27

37

31

37

42

28

Arbeitsplätze werden ins Ausland verlegt

Arbeitsplätze gehen verloren

Unser soziales Netz wird gefährdet

Mehr kultureller Austausch

Nur Leute mit viel Kapital haben einen Vorteil

Es wird leichter, sich weltweit zu verständigen

Die Chancen, sich beruflich weiterzuentwickeln, werden größer

Die Politik wird undurchsichtiger

Die Umweltzerstörung nimmt dadurch zu

Man verdient alles in allem weniger

104

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1.7.3.2 NachteilederGlobalisierung

AbhängigkeitvomAusland,vomWeltmarkt

Die Exporte spielen eine große rolle für die heimische Produktion und die heimische Beschäftigung. Gleichzeitig hat damit aber auch das Ausland einen indirekten Einfluss auf die heimische Beschäfti-gung. Kriegerische Auseinandersetzungen oder Unruhen im Ausland können zu schweren wirtschaft-lichen Problemen im inland führen.

„Kalter“WettbewerbaufKostenderMenschen

Die Öffnung der Märkte führt zu mehr Wettbewerb. Die Menschen in den Unternehmen und Konzer-nen müssen sich diesem Wettbewerb beugen und immer effizienter sowie produktiver werden, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Arbeitsmärkte werden liberalisiert und die erwor-benen rechte der Arbeiter/innen werden sukzessive abgebaut, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Viele Kritiker/innen vermuten, dass die zunehmende Liberalisierung auf Kosten der Arbeiter/innen und An-gestellten geht, die immer mehr Arbeit um einen geringeren Lohn leisten müssen (da die Preise der Produkte tendenziell sinken).

VerstärkungvonsozialenSpannungeninnerhalbvonLändernundzwischenLändern

Marktwirtschaft und Liberalisierung haben die Eigenschaft, dass die reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. D. h., marktwirtschaftliche Systeme führen in der regel zu einer unglei-chen Einkommens- und Vermögensverteilung. Dies gilt nicht nur auf der Ebene von Personen, sondern auch für unterschiedliche nationen. Erfolgreiche regionen ziehen neue Unternehmen an und können ihren Abstand zu ärmeren regionen noch weiter ausbauen.

GewinnesindwichtigeralsdieUmwelt

Dem marktwirtschaftlichen und eigennutzorientierten Gewinnstreben der Unternehmen und Konzerne wird oft angelastet, dass es keine Rücksicht auf die Umwelt nimmt. Die Konzerne sind in erster Linie den Aktionär/inn/en verbunden und versuchen Aktienkurse und renditen zu maximieren. Zudem wer-den die Rohstoffreserven dieser Erde ausgebeutet, um den Konsumhunger der industrieländer zu stillen.

Standort­undSteuerwettbewerb

Einzelne regionen (z. B. Bayern, Salzburg und Tirol) befinden sich im Wettbewerb um große Unter-nehmen und internationale Konzerne, die bei einer möglichen Betriebsansiedelung eine Vielzahl von Arbeitsplätzen schaffen. Folglich schenken einzelne regionen den „reichen“ Konzernen Grund-stücke und/oder Betriebsstätten und erlassen ihnen zum Teil bestimmte Steuern, damit sie einen An-reiz haben, sich in dieser region anzusiedeln. So senken zunehmend alle europäischen Staaten die Körperschaftsteuer (siehe Band ii, Kap. 3.3.7), um für Auslandsinvestitionen interessant zu sein. Hat jeder Staat die Steuersätze gesenkt, hat keiner mehr einen Wettbewerbsvorteil, aber die Großkon-zerne zahlen in jedem Fall geringere Steuern.

Sinkende Steuereinnahmen führen mittelfristig zu einer reduktion der öffentlichen Ausgaben. Kriti-ker/innen der Globalisierung befürchten, dass wieder bei den Armen und Schwachen gespart wird und es zu einem Abbau der Sozialleistungen kommt.

105

SiTUATiOn

KonzerneregierenüberParlamente

Auf Grund der oft großen Zahl an Arbeitsplätzen, die von internationalen Konzernen geschaffen wer-den, haben diese Macht und Einfluss auf Parlamente und regierungen. Erfüllen demokratische Gre-mien nicht ihre Forderungen, drohen sie, in naher Zukunft abzuwandern und damit Arbeitsplätze in dieser region oder in diesem Land abzubauen. Folglich werden eine reihe von Entscheidungen nicht mehr durch demokratisch gewählte Parlamente und regierungen getroffen, sondern in hohem Aus-maß durch internationale Konzerne mitentschieden.

1.7.4 EntwicklungsländerundEntwicklungshilfe

„hunger: Ban ki-moon warnt vor „kaskade von krisen“

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon appelliert an die Staaten-Gemeinschaft, die Nahrungsmittelkrise

in den Griff zu bekommen. Andernfalls seien Wirtschaft, sozialer Fortschritt und politische Sicherheit

bedroht.

WenndieStaatengemeinschaftdiederzeitigeNahrungsmittelkrisenichtindenGriffbekomme,werde

diese„eineKaskade“weitererKrisenauslösenundein„mehrdimensionalesProblem“werden,welches

wirtschaftlichesWachstum,sozialenFortschrittundpolitischeSicherheitweltweitbedrohe,sagteBan

amSonntagbeiderEröffnungdeszwölftenTreffensderUN­KonferenzfürHandelundEntwicklung

(UNCTAD)inderghanaischenHauptstadtAccra.

BeidemUNCTAD­TreffenberatenVertreteraus193LändernfünfTagelangüberdiewirtschaftlichen

AuswirkungenderGlobalisierungaufdieEntwicklungsländersowieüberdenKampfgegenArmutund

Hunger.“

Quelle:DiePresse.com,21.04.2008(gekürzt)

1.7.4.1 CharakteristikvonEntwicklungsländern

Die Volkswirtschaften der Welt lassen sich an Hand ihres jährlichen Pro-Kopf-Einkommens in drei Hauptkategorien einteilen:• Entwicklungsländer: Länder mit niedrigen Einkommen• Schwellenländer: Länder mit mittleren Einkommen• Industriestaaten: Länder mit hohen Einkommen

Auch wenn sich die heutigen Entwicklungsländer stark voneinander unterscheiden, weisen sie zu-mindest eines der folgenden Merkmale auf:

UmfangreichestaatlicheKontrolle

in vielen Entwicklungsländern herrscht eine Vormachtstellung des Staates. Große Unternehmen stehen im Besitz des Staates, der Staat kontrolliert den Finanzmarkt und der Außenhandel wird be-schränkt. Demokratische Wahlen sind kaum möglich und so regiert häufig eine Minderheit mit Hilfe der Armee oder anderen Machtmitteln (Diktatur) über einen großen Teil der Bevölkerung.

106

1 Volkswirtschaft | AußenhandelundWeltwirtschaft

HoheInflationsraten

Die regierungen dieser Länder drucken neue Banknoten (= Erhöhung der Geldmenge), um Gü-ter und Dienstleistungen (Beamte, Großprojekte, Militär) zu finanzieren. Ständige Ausdehnungen der Geldmenge führen zu hohen inflationsraten. Diese instabilität der Preise führt zu einer Destabilisie-rung der gesamten Wirtschaft, wodurch ein positives Wirtschaftswachstum verhindert wird.

InstabilerFinanzsektor

Die Banken dieser Länder vergeben oft Gelder, die sie selbst geliehen haben, für die Finanzierung schlecht geplanter oder sehr riskanter Projekte. Persönliche Beziehungen spielen bei der Vergabe eine größere rolle als die Aussicht auf renditen. Der Finanzmarkt erfüllt somit nicht die Aufgabe, die Ersparnisse der Bevölkerung in zielführende und wohlstandssteigernde investitionen umzuleiten (sie-he Südostasien, wo es 1997 bis 1998 zu einem Zusammenbruch des Finanzsektors kam).

Quelle: CIA – The World Factbook, Stand: 13.12.2007

Die 20 höchsten Inflationsraten der Welt (2006)S

imba

bwe:

1.0

33,5

0 %

Irak:

53,

20 %

Gui

nea:

30,

00 %

Sao

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e un

d P

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pe: 2

3,10

%

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en: 2

0,80

%

Bur

ma:

20,

00 %

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19,

80 %

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: 18,

20 %

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16,

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(200

5)

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: 15,

50 %

(200

5)

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ria: 1

5,00

% (2

003)

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5,00

%

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ia: 1

4,50

%

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14,0

0 %

Vene

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a: 1

3,70

%

Sri

Lank

a: 1

3,70

%

Äthi

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3,50

%

Vere

inig

te A

rabi

sche

Em

irate

: 13,

50 %

Ango

la: 1

3,30

%

Moz

ambi

que:

13,

20 %

Quelle: Weltbank, 2005

Entwicklungsländer: Schulden steigen weiterDaran haben auch spektakuläre Schuldenerlasse nichts geändert

langfristige Schulden kurzfristige Schulden

1990 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004

Mill

iard

en U

S-D

olla

r

0

500

1000

1500

2000

2500

107

Zudem sind häufig keine privaten Ersparnisse vorhanden, sodass sich diese Länder im Ausland verschulden müssen. Durch die Verschuldung im Ausland wächst die Abhängigkeit von ausländischen Kreditgeber/inne/n.

KontrolledesWechselkurses

Als Folge von instabilen Märkten und Preisen versuchen regierungen die Wechselkurse stabil zu halten, um sich vor Abwertungen zu schützen. Devisenkontrollen sind üblich und die Zuteilung von Fremdwährungen erfolgt durch den Staat.

ExportabhängigkeitbeinatürlichenRohstoffen

Entwicklungsländer haben oft nur ein Exportgut (z. B. Zuckerrohr, Kaffee oder reis), mit dem sie auf dem Weltmarkt auftreten. Fällt der Preis dieses Gutes, sinkt der Wohlstand des ganzen Landes. Be-troffen von Preissenkungen sind die Ärmsten der Armen, weil durch den gesunkenen Weltmarktpreis die Löhne der einfachen Feldarbeiter noch weiter sinken. in Kap. 1.1 Produktionsfaktoren wurde im Abschnitt „Produktivität und Lohnhöhe“ bereits festgestellt, dass der Lohn unmittelbar vom Preis der produzierten Ware abhängt.

KorruptionundSchattenwirtschaft

Staatliche Kontrollen sowie eine Vielzahl von Vorschriften führen dazu, dass man versucht, diese zu umgehen. Korruption, Bestechungen und Erpressungen sind daher in Entwicklungsländern viel häufiger als in industrieländern. insgesamt kann gezeigt werden, dass Korruption und Armut Hand in Hand gehen. Der jährlich veröffentlichte Korruptionsindex (Corruption Perceptions index) listet die ein-zelnen Staaten in einer Skala von 0 bis 10 auf. Je höher die Korruption, desto ärmer ist ein Land.

1.7.4.2 Entwicklungshilfe:StrategienundMaßnahmen

Der Ansatz zum Abbau der Armut in den Entwicklungsländern hat sich in den vergangenen 50 Jahren entscheidend weiterentwickelt. Früher wurden vielfach massive investitionen in Maschinen und In-frastruktur als die wichtigsten Maßnahmen zur Entwicklungshilfe angesehen. in den 1970er-Jahren erkannte man, dass auch investitionen in die Bildung und das Gesundheitswesen entscheidend sind, um den Wohlstand einer Volkswirtschaft zu erhöhen. Auf Grund der Schuldenkrise vieler Entwick-lungsländer in den 1980er-Jahren verlagerte sich der Schwerpunkt darauf, das wirtschaftliche Ma-nagement und die freien Marktkräfte zu entwickeln.

Der Weltentwicklungsbericht aus dem Jahre 2005 zur „Bekämpfung der Armut“ baut auf den früheren Strategien auf und lässt die gesammelten Erfahrungen sowie die globalen Zusammenhänge einfließen. Folgende Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut werden in den Mittelpunkt gerückt:

Möglichkeitenfördern

Effektive private investitionen fördern•in internationale Märkte expandieren•Eigenmittel der Armen aufstocken•Ungleiche Verteilung von Vermögenswerten, nach Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, rassen-•zugehörigkeit und sozialer Stellung angeheninfrastruktur und Wissen in arme regionen bringen – auf dem Land und in der Stadt•

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1 Volkswirtschaft | AußenhandelundWeltwirtschaft

→ Empowermentfördern

Politische und rechtliche Grundlagen für eine umfassende Entwicklung schaffen•Öffentliche Verwaltung zur Förderung von Wachstum und Gleichheit schaffen•Dezentralisierung und Gemeinschaftsentwicklung mit Einbeziehung der Bürger/innen fördern•Geschlechtergleichheit fördern•Soziale Hemmnisse beseitigen•Sozialkapital der Armen unterstützen•

Sicherheitverbessern

Ansatz zur Unterstützung der Armen bei der risikobewältigung entwickeln•nationale Programme zur Verhinderung von, Vorbereitung und reaktion auf schwere Erschütte-•rungen des Finanzsektors und naturkatastrophennationale Systeme der sozialen risikobewältigung schaffen, die gleichzeitig das Wachstum fördern•Problem von Unruhen lösen•HiV/AiDS bekämpfen•

MaßnahmenaufinternationalerEbene

Öffnung der heimischen Märkte für importe aus armen Ländern•Hilfszahlungen nur an Länder mit solidem politischen Umfeld, das den Armutsabbau unterstützt•Mitspracherecht armer Länder auf der internationalen Bühne•Transparenz von Finanzorganisationen und anderen Organisationen bezüglich ihrer Strategien und •ihres HandelnsAnnahme von freiwilligen arbeitsrechtlichen Vorschriften von multinationalen Konzernen•internationale Maßnahmen zum Schutz der Umwelt•Verhinderung kriegerischer Auseinandersetzungen•

Die Umsetzung wird von verschiedenen internationalen Einrichtungen unterstützt und getragen. inter-nationale Organisationen wie die Vereinten nationen (UnO), der internationale Währungsfonds (iWF) oder die Caritas bemühen sich, in verschiedenen Ländern die obigen Maßnahmen umzusetzen. Die Praxis zeigt aber, dass in vielen Bereichen noch Erfahrungen gesammelt werden müssen und dass Veränderungen nur sehr langsam passieren.

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Zusammenfassung

• DieTheorie der absoluten und komparativen Kostenvorteile bringt zum Ausdruck, dass es durch internationalen Handel zu einer Erhöhung des Wohlstands aller Länder kommen kann.

• InderZahlungsbilanz werden die Transaktionen zwischen Ländern erfasst. in der Leistungsbi-lanz werden die Importe und Exporte erfasst.

• DieAusgabenvonTourist/inn/en in Österreich werden in der Dienstleistungsbilanz erfasst und als Export gezählt.

• InderKapitalbilanz werden u. a. die Direktinvestitionen von Unternehmen erfasst. Die Direktin-vestitionen verdeutlichen, inwieweit sich österreichische Unternehmen im Ausland engagieren.

• DiezunehmendeÖffnungderWaren-undFinanzmärkteführtzur(ökonomischen)Globalisierung.

• MitderGlobalisierungsindeineReihevonökonomischenVorteilen verbunden: Vielfalt an Gütern und Waren, Preissenkungen, weltweite Arbeitsmöglichkeiten, internationaler Kultur- und Bildungs-austausch.

• Kritiker/innen befürchten jedoch auch eine Vielzahl von nachteilen: Menschen und die Umwelt kommen in einer marktwirtschaftlichen Welt zu kurz, Konzerne übernehmen die Herrschaft und verdrängen demokratische Gremien.

• DiemeistenMenschendieserWeltlebeninEntwicklungsländern.

• DieUrsachen für die Entwicklungsprobleme sind vielfältig. Oft sind es ungünstige rahmenbedin-gungen, die in der regel durch politische Unruhen oder durch den Staat ausgelöst werden.

• EsgibteineVielzahlvonIdeenundAnsätzen,mitdenenversuchtwird,dasLeidindenEntwick-lungsländern zu reduzieren. Die Maßnahmen zielen darauf ab, die Möglichkeiten der heimischen Bevölkerung zu erweitern und ihr mehr Sicherheit zu geben. Spezielle Maßnahmen auf internati-onaler Ebene können den Erfolg dieser Bemühungen erhöhen.

Lernkontrolle

01 Was versteht man unter komparativen Kostenvorteilen?

02 Aus welchen Teilbilanzen besteht die Zahlungsbilanz?

03 Wer ist der wichtigste Handelspartner Österreichs?

04 Was ist ein Leistungsbilanzdefizit?

05 Was versteht man unter dem Begriff der Globalisierung?

06 Was sind die wichtigsten Vorteile der Globalisierung?

07 Was sind die nachteile der Globalisierung?

08 Welche Maßnahmen sind denkbar, um den Entwicklungsländern zu helfen?