1. Was ist GG? Ziel - Altenpflege | Beschäftigung · Osteoarthritis u.a. Martin...
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Evidenzbasiertes Gleichgewichtstrainingmit neurologischen Patienten in der Geriatrie
Martin Huber PT, MSc
Wehrfritz Fachtag für Therapie & Altenpflege 2017
Martin Huber_Wehrfritztagung 2017
Martin Huber
- seit 1994 PT
- 1995-2010 Kliniken Schmieder Allensbach/Bodensee (Fachklinik für Neurorehabilitation)
- seit 2010 freiberuflich tätig in der häuslichen Versorgung neurologischer Patienten
- seit 2001 Lehrer an der Physiotherapieschule Konstanz
- seit 2008 Dozent für PT-Neurologie im Bachelorstudiengang Physiotherapie an der ZHAW, CH-Winterthur
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1. Was ist GG? Ziel
[…] den Körperschwerpunkt über der Unterstützungsfläche
zu halten […]
Horak, FB, et al. (1997) Postural perturbations: new insights for treatment of balance disorders. Phys Ther. 77:517-533 Carr, J., Shepherd, R. (2002) Stroke Rehabilitation Guidelines for Exercise and Training to Optimize Motor Skill
Butterworth Heinemann
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KSP
UFL
Das sieht einfach aus, ist aber bei näherer Betrachtung ein äußerst komplexer Vorgang.
Bei Gesunden läuft die Kontrolle des Körperschwerpunktes nahezu automatisch ab.
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Komplexität
Um die Kontrolle des Gleichgewichtes zu verstehen reicht es, sich 6 Begriffe zu merken.
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1. Was ist GG? Komplexität
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Shumway-Cook A, Woolacott M. (2016) Motor Control. Lippincott Williams & Wilkins
Motorik
� Beweglichkeit
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Motorik
� Beweglichkeit
� Kraft
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Motorik
� Beweglichkeit
� Kraft
� Gleichgewichtssynergien
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Sprunggelenkssynergie - gehen
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Sensorik
� Somatosensorischer Input (OFS+TS)
� Vestibulärer Input
� Visueller Input
� „Redundanz“ der sensorischen Infos
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�Position und Bewegung in Bezug zur Unterstützungsfläche�Stellung der Körpersegmente zueinander
� Position und Bewegung des Kopfes� Kopf-/Körperposition in Bezug zur Schwerkraft
�Umwelt�Vertikalität�Position und Bewegung des Kopfes�Unterscheidung Objekt- oder Selbstbewegung�Blickfolge, Blickstablisation
Blickstabilisation, -folge
� Blickstabilisation: vestibulo-okulärer Reflex (VOR)
� Blickfolge
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Kognition
� Dual/Multiple Task Fähigkeit
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Kognition
� Dual/Multiple Task Fähigkeit
� Selbstwirksamkeit
� „…Vertrauen von Menschen […] Kontrolle über ihr eigenes Wirken
(Handlungen) […] , ausüben zu können.“
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Alvin Law
Selbstwirksamkeit
� Gegenteil: Vermeidungsverhalten, Angst
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Aufgabe
� Stehen, gehen, drehen
� Größe USFL
� Armbewegungen, Drehungen, usw.
� Geschwindigkeit der Bewegung
� u.a.
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Umwelt
� Bodenbeschaffenheit: stabil vs labil, eben vs schräg
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Sasagawa (2009) Balance control under different passive contributions of the ankle Extensors. Exp Brain Res 196:537–544
Umwelt
� Bodenbeschaffenheit: stabil vs labil, eben vs schräg
� Hilfsmittel (Bänke, Stock, etc.)
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Umwelt
� Bodenbeschaffenheit: stabil vs labil, eben vs schräg
� Hilfsmittel (Bänke, Stock, etc.)
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Umwelt
� Bodenbeschaffenheit: stabil vs labil, eben vs schräg
� Hilfsmittel (Bänke, Stock, etc.)
� Lichtverhältnisse
� Schuhwerk
� usw.
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Wieviel „Gehirn“ ist nötig?
“Gangkontrolle (posturale Kontrolle) benötigt die Aktivierung des gesamten Nervensystems […] “.
„Zielgerichtetes Verhalten benötigt […]
volitionale (willentliche), emotionale und automatische
Prozesse.“
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Takakusaki (2013) Neurophysiology of Gait: From the Spinal Cord to the Frontal Lobe. Movement Disorders, 28(11)
Wieviel „Gehirn“ ist nötig?
Takakusaki (2013) Neurophysiology of Gait: From the Spinal Cord to the Frontal Lobe. Movement Disorders, 28(11)
Wieviel „Gehirn“ ist nötig?
kognitive AspekteHandlungsplanung
Problemlösung
willentliche motorische
Aspektesensorische
Aspekte
visuelle Aspekteautomatische
Aspekte
koordinative Aspekte
emotionale Aspekte
“Gangkontrolle (posturale Kontrolle) benötigt die Aktivierung des gesamten Nervensystems […] “.
� regelmäßige Aktivität (z.B. im Stehen, gehen) ist eine der besten Möglichkeiten das Nervensystem zu pflegen!!!
(Neuroprotektion)
�bessere Durchblutung des Gehirns!!
�Nervenwachstumsfaktoren!!
� Inaktivität ist Gift!!
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Unterschiede? Gemeinsamkeiten!
neurologische Patienten
geriatrische Patienten
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Neurologie
� Muskelschwächen, -lähmungen
� Sensibilitätsprobleme
� kognitive Einschränkungen
� Dekonditionierung
� Multimorbidität
� u.a.
Geriatrie
� „Frailty“
� Gewichtsverlust
� Anstrengungsgefühl
� Muskelschwäche � Sarkopenie
� verringerte physische Aktivität
� Verlangsamung
� Sensibilitätsprobleme
� kognitive Einschränkungen
� Multimorbidität
� Dekonditionierung
� Osteoarthritis
� u.a.Martin Huber_Wehrfritztagung 2017
Ursachen für Probleme mit dem GG?
Sturzhäufigkeit bei neurologischen Erkrankungen
Martin Huber_Wehrfritztagung 2017Stolze (2004) Falls in frequent neurological diseases Prevalence, risk factors and aetiology
%-Satz der Patienten, die stürzen je Diagnose
Sturzhäufigkeit bei älteren Menschen
� 30% > 65 Jährigen
� höher bei > 75 Jährigen
� zwischen 20% - 30% erleiden Verletungen, die die Mobilitätund die Unabhängigkeit reduzieren.
� höher bei Menschen, die in einer Institution leben.
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Sturzsituationen Neurologie/Geriatrie
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Robinovitch SN. (2013) Video capture of the circumstances of falls in elderly people residing in long term care: an observationalstudy. Lancet 381(9860): 47–54.Batchelor (2012) Falls after stroke. International Journal of Stroke.
Cheng F-Y, (2014) Factors Influencing Turning and Its Relationship with Falls in Individuals with Parkinson’s Disease. PLoS ONE 9(4): e93572
Situation
ungeeignete Gewichtsverlagerung* 41%
stolpern/straucheln** 21%
stoßen/drücken*** 21%
Verlust der Unterstützung an einem Objekt 11%
*Sitz-Stand u.u., drehen im gehen/stehen, vorwärts gehen
** gehen***stehen
Drehen
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Glaister (2008) Ground reaction forces and impulses during a transient turning maneuver. Journal of Biomechanics 41:3090–3093Ventura (2015) Individual muscle contributions to circular turning mechanics . Journal of Biomechanics 48:1067–1074
Für drehen besonders wichtige Muskeln:
Standbein außen
� HüftgelenksABD� Wadenmuskulatur
4. Evidenzbasierte Behandlung
� Was bedeutet evidenzbasiert?
� Warum evidenzbasiert?
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Evidenzbasierte Medizin_Bedeutung
� Nachweis-basierte Medizin
„Integration individueller klinischer Expertise mit der bestmöglichen externen Evidenz aus systematischer Forschung“
und
den Erfahrungen und Wünschen des Patienten“
ptskn_PT33_ M. Huber 32
D.L.Sackett et al. Was ist Evidenz-basierte Medizin und was nicht? MMW 1997(44):644-645R. Herbert et al. Practical Evidence-Based Physiotherapy. Elsevier 2005
Evidenzbasierte Medizin
33
hochwertige klinische Studien
praktischeErfahrung
+ Wissen
Präferenzendes
Patienten
PraktischeAnwendung der EBM
Evidenzbasierte Medizin_Warum?
� Ziel: bestmögliche Versorgung.
� Schulung der Beurteilungsfähigkeit von Studien.
� Kontinuierliche Überprüfung und Verbesserung der eigenen
Methoden und Prozesse.
� Verbesserung der Qualität von wissenschaftlicher Arbeit
(Offenlegung methodischer Schwächen von Studien).
� vermehrte Patientenorientierung, Teilhabe der Patienten an der Entscheidungsfindung.
aber:
� Studien/Leitlinien können die klinische Expertise nicht ersetzen!
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Mühlhauser (2016) Evidenzbasierte Medizin: Klarstellung und Perspektiven. Dtsch Arztebl 113(11)
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Evidenzbasiertes Gleichgewichtstraining „Programme“
� OTAGO (prefit)
� WEBB (Weight-Bearing Exercise for Better Balance)
� HIFE (High-Intensity Functional Weight-Bearing ExerciseProgram)
� FAME (Fitness And Mobility Exercise Program)
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Ge
riatrie
� Schlaganfall
Evidenz GleichgewichtsprogrammeOTAGO WEBB HIFE FAME
mehrere randomisiert kontrollierte Studien (RCT)
Studien sind aktuell in Bearbeitung
mehrere randomisiert kontrollierte Studien (RCT)
eine prospektive Kohortenstudieein RCT
1016 TN65-97 jährig
43% der TN: Sturz im letzten Jahr
nach Abschluss: 35 % weniger Stürzeverbesserte Balance verbesserte Kraft
Die Inhalte von WEBB ist aus einer Systematischen Übersichtsarbeit von (Sherrington 2008) abgeleitet.
nach Abschluss:verbesserte Beinkraftverbesserte Balance verbesserte Gehfähigkeitverbesserte ADL´sgeringere Sturzhäufigkeit
nach Abschluss:verbesserte Balanceverbesserte Ausdauerverbesserte Ganggeschwindigkeitverbesserte Muskelkraft
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OTAGO WEBB HIFE FAME
30 min, 3x/WoEinzel, Gruppe
30 min, 2-3x/Wo 60 min 2x/Woche 10 WochenEinzel, Gruppe
60 min, 3x/Wo8-10 WochenGruppe
ältere Menschen selbstständig lebend
ältere Menschen ältere Menschen(eingeteilt in: -freie Fußgänger A,B-gehfähig mit Supervision A,B,C-gehfähig mit physischer Unterstützung C,D,E)
Schlaganfallpat., die mit Festhalten stehen können
-5 Übungen Beinkräftigung-12 Balanceübungen-Gehen (30 min)
KoordinationKräftigung
A statische und dynamische Balance in Kombination mit KräftigungB dynamische Balance im GehenC statische und dynamische Balance im StehenD Kräftigung mit Balance UnterstützungE Gehen mit Unterstützung
-Warm-up-Dehnungen -funktionelle Kräftigung (6 Übungen)-Balance (5 Übungen)-Geschicklichkeit (5 Übungen)
individuelle Anpassung und Steigerung (Schweregrade der Übungen und Wiederholungszahlen)Level 1-4
individuelle Auswahl der Übungen Steigerung:Schweregrade der Übungen(Schwerpunktbewegung, Größe der Unterstützungsfläche, Armeinsatz) und Wiederholungszahlen
high intensity:8-12 WdhStabilitätsgrenzen
individuelleProgression (mit/ohne festhalten, u.a.)
Level 1-3
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Was fehlt in den Programmen??
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Shumway-Cook A, Woolacott M. (2016) Motor Control. Lippincott Williams & Wilkins
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Wie vom Boden aufstehen?
Training und Selbstwirksamkeit
Erhöhte Selbstwirk-
samkeitdurch
Training
eigene Grenzen
erweitern
Selbstwert
Beziehungen
BWG = menschl. Grund-
bedürfnis
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angelehnt an: Fromholt Olsen (2015) Increased self-efficacy: the experience of high-intensity exercise of nursing home residents with dementia – a qualitative study. BMC Health Services Research 15:379
Wirkungen strukturiertes Training
strukturiertes Üben
Positiver Effekt auf die Balance
Positiver Effekt auf die Sturzhäufigkeit
Negativer Effekt auf die Balance
Erhöhte Sturzhäufigkeit
unstrukturiertes Üben
(physische Aktivität)
Martin Huber_Wehrfritztagung 2017angelehnt an: Skelton (2001). Effects of physical activity on postural stability. Age and Ageing 30-S4: 33–39
Wirkungen strukturiertes Training
strukturiertes Üben
Positiver Effekt auf die Balance
Positiver Effekt auf die Sturzhäufigkeit
Negativer Effekt auf die Balance
Erhöhte Sturzhäufigkeit
unstrukturiertes Üben
(physische Aktivität)
Martin Huber_Wehrfritztagung 2017angelehnt an: Skelton (2001). Effects of physical activity on postural stability. Age and Ageing 30-S4: 33–39
Fazit
� Gleichgewichtstraining ist wichtig!!
� Gleichgewichtstraining ist effektiv
� strukturiert ist besser als unstrukturiert
� mehr ist besser
� Gruppe besser als allein
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Martin Huber_Wehrfritztagung 2017