112. Älteste germanische Namen der Völkerwanderungszeit in lateinischen und griechischen Quellen

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Vendryes, J. (1937): Sur les hypocoristiques celti-ques précédés de ‚mo-’ ou de ‚to- (do-)’. In: Étudesceltiques 2, 254—268.Wade-Evans, A. W. (1944): Vitae Sanctorum Bri-tanniae et Genealogiae. Cardiff.Watson, W. J. (1926): The History of the CelticPlace-Names of Scotland. Edinburgh/London [Re-print: Shannon, Ireland 1973].Weisgerber, L. (1931): Die Sprache der Festland-kelten. In: 20. Bericht der Römisch-GermanischenKommission. Frankfurt a. M., 147—226.Weisgerber, L. (1931 a): Galatische Sprachreste. In:Natalicium Johannes Geffcken. Heidelberg, 151—175.Weisgerber, L. (1968): Die Namen der Ubier. Köln/Opladen.Weisgerber, L. (1969): Rhenania Germano-Celtica.Gesammelte Abhandlungen, hrsg. v. J. Knobloch

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manische bis heute umstritten ist, wobei auch,zumindest regional, eine gemischtsprachigeBevölkerung in Rechnung zu stellen ist (Weis-gerber 1968, 143—171 u. ö.; Neumann 1983).Ferner spielt der lateinisch/romanische Ein-fluß auf Lautform und Schreibung eine wich-tige Rolle. Schwierigkeiten ergeben sich wei-terhin aus dem beschränkten Zeicheninventardes griechischen und lateinischen Alphabets,wodurch für zahlreiche Phoneme der germa-nischen Sprachen keine genauen Entspre-chungen verfügbar sind (Schönfeld 1911,XVI ff.). Durch unterschiedliche Deutungs-möglichkeiten des überlieferten Schriftbildeskönnen sich Konkurrenzen in der etymolo-gischen Zuweisung der Namenglieder erge-ben, die eine klare sprachliche Bestimmungerschweren. Dennoch läßt sich bei zahlreichenNamen eine germanische Sprachgestalt er-weisen. Sie zeigen in Lautform und Morpho-logie Gemeinsamkeiten mit den sonst be-kannten germanischen Einzelsprachen undsind in Bestand und Verwendung der Namenuntereinander und mit den späteren Einzel-sprachen verbindbar (Nachweise u. a. beiSchönfeld 1911; Hoops 1911—19; 1973 ff.).Auch der Quellenkontext liefert vielfach Hin-weise auf die Zugehörigkeit der Person oderdes Ortes zur germanischsprachigen Welt.Solche Aussagen dürfen freilich nicht immerim Sinne einer modernen sprachwissenschaft-

1. Quellenlage2. Anthroponyme3. Ethnonyme4. Toponyme5. Literatur (in Auswahl)

1. QuellenlageGermanisches Namengut erscheint in derÜberlieferung, seitdem germanische Volks-gruppen am Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr.ins Blickfeld der lateinischen und griechischenWelt treten. Die in den Quellen bis etwa ins6. Jahrhundert (die zeitliche Obergrenze derSammlungen von Schönfeld (1911), Reichert(1987—90), danach im folgenden die Belege)verzeichneten Namen sind in aller Regel vonSchreibern eingetragen worden, die selbst garkeine Kenntnis germanischer Sprachen besa-ßen. Verschreibungen späterer Kopisten sindsolche nicht aus dem muttersprachlichen Wis-sen wiedererkennbare Formen besondersleicht ausgesetzt. Häufig wurden die Namenerst nach Vermittlung durch andere nieder-geschrieben. Daneben haben offenbar kel-tischsprachige Sprecher die Form der ger-manischen Namen beeinflußt (Birkhan 1970,87 f. u. ö.), so daß eine klare Zuweisung zahl-reicher Belege nach Lautform und etymolo-gischer Herkunft an das Keltische oder Ger-

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2.2. WortbildungDie Wortbildung folgt den bekannten Bil-dungsgesetzen (Bach 1952—56, I §§ 70 ff.).Die Rufnamen bestehen aus zweigliedrigenKomposita oder sind eingliedrig (z. T. mit Suf-fixerweiterung). Die zweigliedrigen Vollna-men meiden Stabbindung der Namenglieder.Vokalisch anlautende Namenwörter könnennur als Erstglieder erscheinen. Die rhythmi-sche Gestalt der Namen (Schramm 1957,16 ff.), die lautliche Formung und die seman-tische Struktur lassen Bezüge zur einheimi-schen Dichtungstradition erkennen. Die all-mählich einsetzende Umgestaltung der Laut-form, bedingt durch Ausfall von Fugenvo-kalen und Verkürzung bis Wegfall der Kasus-zeichen läßt sich klar am Quellenbefund auf-zeigen, ohne daß die rhythmische Strukturgrundsätzlich aufgegeben würde.

Kurzformen werden auf der Basis eines derbeiden Namenglieder eines Vollnamens gebil-det (Agilulfus qui et Ago, weitere Fälle Bruck-ner 1895, 193 ff.), bisweilen mit wechselndenSuffixen (Triwa/Triggwila). Zwei unterschied-liche Kurzformen sind für den OstgotenkönigTotila bezeugt (auch Baduila/Badva). Kurz-formen erscheinen schon in den frühestenQuellen. Sie sind durch vokalische oder ein-fache konsonantische Suffixe abgeleitet (TypArpus, Vangio; Agilo, Heldica). Kombinationmehrerer Kurzformensuffixe (Typ Buccele-nus) ist erst in jüngeren Zeugnissen häufiger.Schon früh gut vertreten sind die sogenanntenLallnamen (Typ Duda, Ebba, Ollo), derensprachliche Erschließung nicht durchgängiggelingt. Bezeugt sind auch Beinamen wiewestgot. Wamba (‚Bauch’, sonst Reccesvin-thus) oder Aruth (ein Heruler, zum Volksna-men der Haruden, Wagner 1981, 416 ff.).

2.3. SemantikNach Schramm (1957, 53 ff.) stellen die zwei-gliedrigen männlichen Rufnamen ursprüng-lich Mannbezeichnungen dar, die aus derSphäre der kriegerischen Dichtung und desFürstenpreises heraus verständlich werden.Die Zweitglieder lassen sich als Bezeichnun-gen für den Kämpfer (As-bados, Theoda-ha-thus, Chlotho-vechus), den Fürsten (Chario-valda, Chilpe-ricus), den Knecht der Götter(Odo-theus), das Tier (Ono-ulfus, Gunth-chramnus), das Ding (Waffen: Ario-gaisos,Ada-brandus) verstehen. Nicht alle der durchdie späteren Einzelsprachen als gemeinger-manisch bezeugten Glieder sind im anti-ken Quellenmaterial in gesicherten Parallelen

lichen Zuweisung interpretiert werden. Un-klar ist, wieweit die unterschiedlichen ger-manischsprachigen Ethnien der Völkerwan-derungszeit das Bewußtsein einer ‚germani-schen’ Gemeinsamkeit besessen haben (Wag-ner 1986). Die ethnische Zugehörigkeit ist,selbst in gesicherten Fällen, auch in der Völ-kerwanderungszeit nicht notwendig schondurch die sprachliche Zugehörigkeit des Na-mens bestimmbar, wie nachweisbare Fällegermanischer Personen mit nichtgermani-schen Namen (und umgekehrt) zeigen.

2. Anthroponyme

2.1. Flexion und LautformDie germanische Flexionsform der Namen istin den Quellen meist durch lateinische odergriechische Entsprechungen ersetzt. Dochsind die ursprünglichen Verhältnisse oft nocherkennbar, etwa bei der n-Deklination derGegensatz von ostgerm. -a/ südwestgerm. -o,auch in Latinisierungen, etwa sweb. Vangio,Sido: westgot. Salla, ostgot. Seda, burgund.Fastila (Wackernagel 1874, 378). Die flexivi-sche Umsetzung der Namen erfolgt nicht im-mer in gleicher Weise, so daß -gastus neben-gastis, -gunda neben -gundis erscheinen kön-nen. Wieweit sich hierbei germanischspra-chige Unterschiede spiegeln, bedarf jeweilseigener Untersuchungen. Die unterschiedlicheLatinisierung der Frauennamen vor allem inwestfränkischen Quellen des Frühmittelalters(etwa -gardis : -berga) ist von Schramm (1957,122 ff.) als Beleg dafür angesehen worden,daß die Frauennamen der älteren Zeit durchMovierung von männlichen Rufnamen ge-wonnen wurden (hier Suffix -i-/-ijō- gegen-über -ō-). Die antiken Quellen überliefernauch genuin germanische Flexionsformen,etwa den Dativ der konsonantischen Dekli-nation im Namen der se(m)nonischen SibylleBaluburg (2. Jh.), den Dat. Pl. der -i-Dekli-nation im Matronennamen Aflims (neben lat.Afliabus, Gutenbrunner 1936, 161 ff.), denNom./Akk. Pl. der n-Deklination Suehans beiJordanes. Die wulfilanische Form des No-minativs Valaravans in der Amalergenealogiebei Jordanes ist wohl bewahrte archaischeForm, während im 6. Jahrhundert schon s-lose Nominative im Ostgot. in Geltung waren(etwa Amal, Achiulf; Wrede 1891, 176 ff.;Wagner 1984). Laut- und Formenunter-schiede der germanischen Einzelsprachen so-wie sprachhistorische Entwicklungen lassensich somit in Ansätzen auch am antiken Ma-terial erkennen (Wagner 1977).

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wie im Falle der Westgoten Theodericus/Theo-deridus II. und Alaricus II. Das Prinzip derNachbenennung wird ansonsten in der antikbezeugten Namenwahl germanischer Namen-träger kaum sichtbar.

3. EthnonymeDie Namen der germanischen Stammesver-bände (Bach 1952—56, I §§ 379 ff.; vgl. Rü-bekeil, Art. 203) haben im Laufe der Völ-kerwanderungszeit häufig gewechselt. AuchMehrnamigkeit ist bezeugt, z. T. für ein Über-gangsstadium, in dem ältere Gruppen inneuentstandene Verbände mit neuem Namenaufgegangen sind. Die überlieferten Namensind ihrer sprachlichen Form nach Simplizia(Suebi Goti), Suffixbildungen (Silingi) oderKomposita (Lango-bardi). Als Präfixbildungist Su-gambri erklärbar. Durch die nicht im-mer gleichförmige Latinisierung hindurch las-sen sich Suffigierungen mit -ja- (Ubii), -an-(Saxones), -jan- (Vangiones), vermutlich auch-u- (Bataui, Chamaui) erkennen. Das -ing-Suffix (vielleicht schon bei den Reudigni desTacitus) erscheint auch mit Ablaut (Greu-tungi). In einigen Fällen liegen Bildungsele-mente vor, die auf selbständigen Wörtern be-ruhen, so das schon bei Tacitus belegte -uarii(Ampsiuarii, Angriuarii, Foerste 1969; Wagner1993), das auch später produktiv bleibt. Tu-bantes, Bucinobantes beruhen auf geographi-schen Namen (zu anl. -bant ‚Gau’). Die Kom-posita zeigen bisweilen Erstglieder in differen-zierender Funktion (Austrogoti, Wisigoti; Ul-merugi). Die semantische Interpretation derNamenwörter wird durch oftmals fehlendeParallelen, Unsicherheiten über die originaleForm und die sprachliche Zugehörigkeit so-wie Fragen der Eigen- oder Fremdbenennungerschwert. Der Volksname Germani selbst istbis heute in seiner Sprachzugehörigkeit um-stritten (Much 1967, 70—74). Anhaltspunktefür die etymologische Deutung ergeben sichdadurch, daß bei der Benennung germani-scher Volksgruppen, vor allem bei Nach-barn oder sonstwie gemeinsam erscheinendenStämmen, offenbar mehrfach ein vergleich-bares Bildungsmuster zugrunde liegt, z. B. beiden gotischen Greutungi und Tervingi (‚Sand-bewohner’, ‚Waldbewohner’), den niederrhei-nischen Bataui und Chamaui (zu as. bat ‚bes-ser’ u. ahd. ham ‚lahm’), ungeklärt die wanda-lischen Silingi neben Hasdingi (zu *hazd- ‚lan-ges Haar’, Wrede 1886, 40—44). Semantischmotivierte Gruppen liegen u. a. in den folgen-den Namen vor: hervorragende Eigenschaften

nachzuweisen, z. T. wohl als Folge der Über-lieferung, z. T. wohl auch ein Beleg für jüngereEntwicklungstendenzen bei den Rufnamen.So fehlt im antiken Material das später häu-fige grīm- (einmal Grimarit). Namengliederaus Volksnamen sind nur vereinzelt bezeugt.Eine Anzahl der als Zweitglied seltenen Na-menwörter findet sich dagegen als Erstgliedoder als Basis von Kurzformen. Auch anderesemantische Bereiche erscheinen (zunächstnur hier): geographische Begriffe, Wörter fürVolk, edle Abkunft, Volksversammlung/Ge-richt, für verständigen Rat, auch für Zauberund übernatürliche Mächte (aber keine Ein-zelgottheiten). Die Namenglieder werden ingleicher Weise auch bei den weiblichen Ruf-namen verwendet, so daß oft nur durch dieArt der Latinisierung (Thorismodus : Thures-muda) oder den Kontext Aufschluß über dasGeschlecht der Namenträger zu gewinnen ist.Hier setzen Auffassungen an, die die weibli-chen Rufnamen der Frühzeit als Movierun-gen von Männernamen ansehen (Schramm1957, 120—143, 157—173). Das im Bereichder Frauennamen spärliche Material der an-tiken Überlieferung bietet freilich gerade imBereich der besonders geläufigen Zweitglieder-gundis/-gunda, -hildis/hilda fast ausschließ-lich weibliche Namen, während die postulier-ten maskulinen Ausgangsformen fast völligfehlen und dort, wo sie auftreten, unter demGesichtspunkt romanischer Weiterbildung zuprüfen sind.

2.4. NamengebungsprinzipienSie lassen sich in den durch die Quellenbezeu-gung und durch die soziale Zugehörigkeit derNamenträger (ausschließlich Angehörige derFührungsschicht) gezogenen Grenzen imPrinzip der Stabreimbindung der Namen vonVerwandten und der Variation der Namen-glieder gut erkennen. Beispiele schon des 1.Jahrhunderts bieten der Suebenkönig Vanniusund sein Schwesternsohn Vangio, umfangrei-che spätere etwa die Amalergenealogie oderdie Königsreihe der burgundischen Gesetze(Gibica, Gundomaris/Godomaris, Gislaharius,Gundaharius). Hier begegnet auch das Prinzipder Variation (im Zweitglied: Segimerus/Se-gimundus, im Erstglied: Gaisericus/Gunderi-cus, Söhne Hunirix, Theodoricus, Enkel Hil-dirix, u. a.). Der Sohn des ThüringerkönigsHerminafridus heißt Amalafridas, wobei dasErstglied dem Namen der Mutter Amalaberga(eine Nichte Theoderichs d. Gr.) folgt. Solchedynastisch bestimmte Namengebung kannzur vollständigen Namenübernahme führen,

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gie. In Caesia silva könnte eine -ja-Ableitungzu der in mhd. heis-ter ‚Niederwaldbaum’ be-legten Basis bezeugt sein. Ein Baumwort wirdim Namen der silva Bacenis (as. bōka ‚Buche’,mit Suffixablaut der -n-Stämme?) vermutet,bei dem ā statt ō als keltische Substitutiondurch Caesars Gewährsleute erklärt wordenist. Auf Komposita beruhen Teutoburgiensissaltus und Asciburgion oros, deren Letztgliedzu ahd. burg ‚(befestigte) Siedlung’ gehört.Wegen der etymologischen Verwandtschaftvon burg und berg ist eine Bergbezeichnung(‚Eschengebirge’) erwogen worden, was wohlnicht zwingend erforderlich ist. Askiburgiumerscheint auch als Siedlungsname, ähnlichweitere -j-Suffigierungen (Lakiburgion, Qua-driburgium, mit offenbar lateinischem Erst-glied). Die Schreibung Teuto- kann auf kelti-scher Vermittlung beruhen. Ein keltischesGrundwort mit germanischem Vordergliedstellt Batavodurum dar, der Hauptort der Ba-taver. Aus Furtbezeichnungen hervorgegan-gen sind Lupfurdon und Tulifurdon (die Fle-xionsendungen nach dem Akk. der Itinerare).Germanische Siedlungsnamen, denen Rufna-men zugrunde liegen, scheinen in den älterenQuellen zu fehlen und dem Namengebungsstileiner jüngeren Zeit anzugehören. Lateinisch-griechischen Vorbildern folgen die wandali-schen und westgotischen Neubenennungen(H)unuricopoli(s) (Monumenta GermaniaeHistorica. AA III, 1, 68 Nr. 107) und Recco-polis (Piel, Kremer 1976, 226). Einen Flur-namen der Frühzeit überliefert Tacitus im Na-men des campus Idistaviso (wohl Idisiaviso zuahd. wisa ‚Wiese’ und ahd. itis ‚Frau’, viel-leicht für eine Gottheit). Weitere Stellen- undSiedlungsbezeichnungen bilden offenbar dieBasis von Matronennamen (Neumann 1987,109 ff.).

5. Literatur (in Auswahl)Bach, Adolf (1952—1956): Deutsche Namenkunde.Bd. 1—3. Heidelberg.Beck, Heinrich (1986). Hrsg.: Germanenproblemein heutiger Sicht. Berlin/New York.Birkhan, Helmut (1970): Germanen und Kelten biszum Ausgang der Römerzeit. Wien.Bruckner, Wilhelm (1895): Die Sprache der Lango-barden. Straßburg.Foerste, William (1969): Die germanischen Stam-mesnamen auf -varii. In: Frühmittelalterliche Stu-dien 3, 60—70.Gutenbrunner, Siegfried (1936): Die germanischenGötternamen der antiken Inschriften. Halle (Saale).

(Sciri, Bataui), Wohnsitz und Herkunft (Mar-comanni, Ostrogoti, Chasuarii zum Flußna-men der Hase), Kleidung (Armalausi), Haar-tracht (Hasdingi, Langobardi), Bewaffnung(Saxones), Zugehörigkeit zur Stammesge-meinschaft (Iuthungi, zu an jóð ‚Nachkom-men’; Alamanni). Als Spottname ist der Nameder Gepiden bezeugt, Truloi als solcher derGoten bei den Wandalen (Wagner 1967,82 ff.).

4. ToponymeDer Ortsnamenbestand der antiken Überlie-ferung (Bach 1952—56, II §§ 454 ff.) ist we-sentlich kleiner als der der Personennamen.Auch sind Überlieferungslage, Etymologieund Lokalisierung (etwa bei den zahlreichendurch Ptolemaios tradierten Namen) oft be-sonders problematisch. Namen von Ländernoder Regionen werden gewöhnlich auf demWege über die dort lebenden Bewohner aus-gedrückt (in Hermunduris). Ähnlich erscheintim gotischen Kalender ana Gutþiudai ‚beimGotenvolk’ entsprechend in Gothia, das demauch sonst häufigen Ableitungsmuster derklassischen Sprachen folgt (Alamannia). Eingermanisches Bildungsmuster zeigt Boi(o)-haemum (regio bei Velleius), nach Tacitus dieursprüngliche Heimat der gallischen Boii, dasein germanisches Grundwort aufweist (ähn-lich der abgeleitete Volksname Teuriochai-mai). Bei den Gewässernamen ist die sog.alteuropäische Schicht indogermanischer Ge-wässerwörter mit den typischen Ableitungs-suffixen gut erkennbar. Schreibungen mit ger-manischer Lautverschiebung wie Flevo/Fle-vum ‚Vlie’, Vahalis ‚Waal’ weisen auf germa-nische Vermittlung des Namens (vgl. W. P.Schmid, Art. 110). Gewässernamen mit siche-ren germanischen Etyma scheinen erst derjüngeren Überlieferung anzugehören. Ger-manisch sind die Namen einiger Inseln undKüstenregionen, so die Komposita Auster-avia, Scadin-avia (Plinius, germ. *awjō ‚Insel’,hierher auch Geped-oios ‚Gepiden-Auen’ beiJordanes). Einen Volksnamen im Bestim-mungswort zeigt Gothi-scandza, wie nach demZeugnis des Jordanes nun die Insel Scandzaheißt (Wagner 1967, 209 f.). Ableitung voneiner Pflanzenbezeichnung ist Burcana ‚Bor-kum’ (an. burkn „Farnkraut’, nach Plinius beiden Römern Fabaria zu faba ‚Bohne’). Derrömische Name paßt semantisch zu demebenfalls von Plinius genannten Baunonia (an.baun ‚Bohne’) im Bereich der Nordseeküste.Bei den Namen für Wälder finden sich gleich-falls solche mit wohl germanischer Etymolo-

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778 VIII. Historische Entwicklung der Namen

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Heinrich Tiefenbach, Regensburg(Deutschland)

Hoops, Johannes (1911—1919; 1973 ff.). Hrsg.:Reallexikon der Germanischen Altertumskunde.Bd. 1—4. Straßburg. 2. Aufl. hg. v. Beck, Heinrichu. a. Bd. 1 ff. Berlin/New York.Much, Rudolf (1967): Die Germania des Tacitus.3. Aufl. v. Jankuhn, Herbert, Lange, Wolfgang.Heidelberg.Neumann, Günter (1983): Die Sprachverhältnissein den germanischen Provinzen des römischen Rei-ches. In: Temporini, Hildegard, Haase, Wolfgang(Hrsg.): Aufstieg und Niedergang der römischenWelt. II. Bd. 29/2. Berlin/New York, 1061—1088.Neumann, Günter (1987): Die germanischen Ma-tronen-Beinamen. In: Matronen und verwandteGottheiten. Bonn, 103—132.Piel, Joseph M., Kremer, Dieter (1976): Hispano-gotisches Namenbuch. Der Niederschlag des West-gotischen in den alten und heutigen Personen- undOrtsnamen der Iberischen Halbinsel. Heidelberg.Reichert, Hermann (1987—1990): Lexikon der alt-germanischen Namen. Bd. 1: Text. Bd. 2: Register.Wien.Schönfeld, Moriz (1911): Wörterbuch der altger-manischen Personen- und Völkernamen. Heidel-berg. (Nachdruck 1965).Schramm, Gottfried (1957): Namenschatz undDichtersprache. Studien zu den zweigliedrigen Per-sonennamen der Germanen. Göttingen.Wackernagel, Wilhelm (1874): Sprache und Sprach-denkmäler der Burgunden. In: Kleinere Schriften.Bd. 3. Leipzig, 334—416.

113.  Niederländische Namen

Substratsprache sind in Namen enthalten ge-blieben. P-anlaut zeigt sich in Ortsnamen wiePeer < a. 1107 [Kop. Mitte 13. Jh.] Pire undPeize < a. 1176 [Kop. Anf. 15. Jh.] Pezie.Das Suffix -st- ist u. a. in den Namen Zeist< a. 838 [Kop. Ende 11. Jh.] Seist und Best< 1. Viertel 13. Jahrhundert Bast nachzu-weisen. Aus dieser Substratsprache stammtvielleicht auch das Grundwort -apa-, das beider Bildung von Gewässernamen benutztworden ist, wie z. B. Vennep < a. 885—948[Kop. Ende 11. Jh.] Fennepa und Weesp < a.1131 Wesepa.

2. Ortsnamen nach derGermanisierung

Nach der Germanisierung ist die Bildungs-weise der Ortsnamen zum Teil unverändertgeblieben. Bis in die frühhistorische Zeitkonnten Siedlungsnamen entweder durch Hin-

1. Älteste Ortsnamen2. Ortsnamen nach der Germanisierung3. Ortsnamen der Völkerwanderungszeit und die

Entstehung der germanisch-romanischenSprachgrenze

4. Mittelalterliche Ortsnamen5. Siedlungsnamen aus Gewässernamen und bei

Gewässerübergängen6. Namen in Zusammenhang mit Besonderhei-

ten des Reliefs7. Literatur (in Auswahl)

1. Älteste OrtsnamenDie ältesten Ortsnamen in den Niederlandenund Flandern gehören zu einer indoeuropäi-schen Sprache, die zwischen dem Germani-schen und dem Keltischen stand. Im 3.—2.Jahrhundert v. Chr. ist dieses Gebiet intensivgermanisiert worden, aber Spuren der älteren