2012.10.16 Skript Vorlesung (4.FolienAC) (LL)

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Masse- und Volumenverhältnisse bei chemischen Reaktionen MOLBEGRIFF: Eine Objektmenge, die N A elementare Einheiten enthält, wird als MOL bezeichnet. (Atome, Moleküle, Ionen, Elektronen oder Formeleinheiten). Ein Mol ist die Stoffmenge einer (über die chemische Formel definierten) reinen Substanz, in der so viele Teilchen enthalten sind wie Atome in 12 g des Kohlenstoffisotops 12 C. N A = 6,02217 . 10 23 mol 1 (Teilchen/mol) Avogadro-Konstante Bsp.: 1 mol Wasserstoff (beachten: molekularer H 2 ) enthält N A Teilchen (vgl. auch N, O und Halogene); 1 mol Kohlenstoff enthält N A Teilchen (konkret Kohlenstoffatome, C); 1 mol Wasser enthält ebenfalls N A Teilchen (konkret Wassermoleküle, H 2 O). Stoffmenge eines Stoffes X: n(X) Molare Masse (M): M(X) Relative Atommasse: A r Stoffmengenkonzentration: c(X) veraltet: Molarität bzw. Schreibweisen wie 0,1 M bzw. 0,1 molare Lösung (im Chemikalienhandel noch üblich) Massenanteil: w(X) veraltet: Masseprozent (Gewichtsprozent) Äquivalent: Bruchteil 1/z eines Teilchens X (z = wirksame Wertigkeit, z.B. Bindung eines Protons) Äquivalentkonzentration = Stoffmengenkonzentration von Äquivalenten veraltet: Normalität bzw. Schreibweisen wie 0,1 N bzw. 0,1 normale Lösung (im Chemikalienhandel noch üblich)

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Masse- und Volumenverhältnisse bei chemischen Reaktionen

MOLBEGRIFF:

Eine Objektmenge, die NA elementare Einheiten enthält, wird als MOL bezeichnet. (Atome, Moleküle, Ionen, Elektronen oder Formeleinheiten). Ein Mol ist die Stoffmenge einer (über die chemische Formel definierten) reinen Substanz, in der so viele Teilchen enthalten sind wie Atome in 12 g des Kohlenstoffisotops 12C. NA = 6,02217 . 1023 mol−1 (Teilchen/mol) Avogadro-Konstante

Bsp.: 1 mol Wasserstoff (beachten: molekularer H2)

enthält NA Teilchen (vgl. auch N, O und Halogene);

1 mol Kohlenstoff enthält NA Teilchen

(konkret Kohlenstoffatome, C);

1 mol Wasser enthält ebenfalls NA Teilchen

(konkret Wassermoleküle, H2O).

Stoffmenge eines Stoffes X: n(X)

Molare Masse (M): M(X)

Relative Atommasse: Ar

Stoffmengenkonzentration: c(X)

veraltet: Molarität bzw. Schreibweisen wie 0,1 M bzw. 0,1 molare Lösung (im

Chemikalienhandel noch üblich)

Massenanteil: w(X)

veraltet: Masseprozent (Gewichtsprozent)

Äquivalent: Bruchteil 1/z eines Teilchens X

(z = wirksame Wertigkeit, z.B. Bindung eines Protons)

Äquivalentkonzentration = Stoffmengenkonzentration von Äquivalenten

veraltet: Normalität bzw. Schreibweisen wie 0,1 N bzw. 0,1 normale Lösung (im

Chemikalienhandel noch üblich)

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Stöchiometrische Berechnungen:

N Teilchenzahl eines Stoffes n = ____ __________________________ [mol] NA Avogadrozahl Molare Masse (M): [g/mol] m m M = ______ n = _______ n M

Molekültheorie

a.) diskrete Moleküle, z.B. H2, O2, H2S, HCl

b.) höher aggregierte Systeme

(Metalle, ionische Verbindungen, Polymere):

bestehen nicht aus diskreten molekularen Teilchen,

sondern Atome bilden makroskopische Netzwerke

für Berechnungen wird die stöchiometrische Baugruppe

angegeben, z.B. SiO2, Al2O3 (Formeleinheit)

Relative Atommasse

Standardatom (1961, IUPAC) Kohlenstoffisotop der Masse 12 als Bezugsbasis

(12C = 12.00052, natürliche Häufigkeit: 98.893%)

der 12.Teil der absoluten Masse eines 12C-Atoms ist die

atomare Masseneinheit: u = 1.66053 . 10-24 g.

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Mischungskreuz: Verdünnen/Mischen von Lösungen

Bsp. Stoffmengenkonzentration Aufgabe: Aus einer 1 m Essigsäure ist durch Verdünnen mit Wasser eine 0.1 m Essigsäure herzustellen. In welchem Verhältnis ist die Säure mit Wasser zu mischen? Lösung z.B. mit dem „Mischungskreuz“: a = Konzentration der höher konzentrierten Lösung b = Konzentration der schwächer konzentrierten Lösung, oder hier: Konzentration von Wasser in Bezug auf den Stoff Essigsäure, also hier = 0 c = Konzentration, die durch Mischen erreicht werden soll Mischungskreuz aufstellen: a (c − b) c b (a − c) Das Verhältnis (c − b) / (a − c) gibt schließlich das Mischungsverhältnis von stark konzentrierter zu schwach konzentrierter Lösung (bzw. Wasser) an. Hier im Beispiel: 1 m (0.1 − 0) (= 0.1 Teil der Säure) 0.1 m

0 m (1 − 0.1) (= 0.9 Teile reines Wasser) Also: 1 Teil 1 m Essigsäure sind mit 9 Teilen Wasser zu mischen, um eine 0.1 m Essigsäure zu erhalten. Für eine Endkonzentration von 0.01 m: Mischungsverhältnis 1 : 99; 0.001 m: 1 : 999 usw. Beachten Sie, dass Sie hier mit Volumenteilen operieren, im Gegensatz zu anderen Sachverhalten im Folgenden. Das Mischungskreuz ist „universell“ einsetzbar, d.h. es kann nicht nur bei „Molaritäten“, sondern auch bei „Normalitäten“ bzw. bei anderen Konzentrationsangaben angewendet werden. • Beispiel Masseprozent, cM% (identisch mit Massenanteil, nur mit 100 multipliziert, %) Aufgabe: Durch Mischen einer 40%-igen NaOH mit einer 20%-igen NaOH soll eine 30%-ige NaOH (w = 0.30) erhalten werden. Welche Masseteile (Beachten: Abwiegen, hier keine Volumina, s.o.) müssen gemischt werden?

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40 (30 − 20) (= 10 Masseteile der Lauge) 30

20 (40 − 30) (= 10 Masseteile der Lauge) also 1 : 1 Also: 1 Masseteil der 40%-igen Lösung wird mit 1 Masseteil der 20%-igen Lösung gemischt, um die 30%ige Lösung zu erhalten. (Warum wurden die Beispiele so einfach gewählt? Sie können das Ergebnis so leicht überprüfen! Wählen Sie x-beliebige andere Beispiele, es funktioniert immer!) • Beispiel: Volumenprozent, Vol% (i.d.R. eine Flüssigkeit mit Wasser im Gemisch) Aufgabe: Eine 50 Vol%-ige Ethanollösung (in Wasser) soll aus einer 96 Vol%igen Lösung durch Mischen mit einer 30 Vol%-igen Ethanollösung hergestellt werden. Welche Volumenteile (!) sind zu mischen? 96 (50 − 30) (= 20 Volumenteile) 50

30 (96 − 50) (= 46 Volumenteile) Durch Mischen von z.B. 20 mL einer 96 Vol%-igen Ethanollösung mit 46 mL einer 30 Vol%-igen Ethanollösung werden 66 mL einer 50 Vol%-igen Ethanollösung erhalten. Weitere Beispiele: • Wieviel Gramm reines NaCl sind in 200 g einer Lösung dieses Stoffes enthalten, wenn sie einen Massenanteil von w = 0.055 (also eine 5.5%-ige Lösung) aufweist? m (NaCl) = 0.055 x 200 [g] = 11 g. (Sie benötigen für die Rechnung also nicht die molare Masse des Stoffes!) • Wieviel Milliliter 35 Vol%-iges Methanol können aus 175 mL reinem Methanol (100%) durch Mischen mit reinem Wasser entstehen? cVol% = V(MeOH) / V(Gemisch) (multipliziert mit 100) Gleichung nach V(Gemisch) umstellen und ausrechnen ergibt 500 mL an 35 Vol%-igem Methanol als Ergebnis. Berechnung von Mischungsverhältnissen:

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Für das Mischungsverhältnis zweier Lösungen bekannter Konzentration (z.B. in cM%) zur Herstellung einer Lösung gemischter Konzentration gilt: m1 c1 + m2 c2 = (m1 + m2) cE (cE = gewünschte Endkonzentration) • Beispiel: 10 g einer Natronlauge (w = 0.40) werden mit 100 g reinem Wasser gemischt. Wie groß ist die Konzentration (Massenanteil) der dabei resultierenden Lösung? Umstellen der zuvor genannten Gleichung ergibt: cE = (m1 c1 + m2 c2) / (m1 + m2) = (10 g x 0.40 + 100 g x 0.00) / (10 g + 100 g) = 0.0364 Die resultierende Lösung weist einen Massenanteil von 0.0364 bezogen auf den Stoff NaOH auf, d.h. sie ist 3.64%ig. (Beachten Sie, dass auch hier die Konzentration des Wassers – bezogen auf den Stoff NaOH – gleich Null gesetzt wird.) Wichtige Anmerkung: Sie können aus diesen Angaben nicht berechnen, welche Molarität die Lösung aufweist, dazu muss Ihnen die Dichte der Lösung gegeben sein! Tabellen finden Sie dazu beispielsweise im Anhang des Praktikumsbuches „Jander-Blasius“ (vgl. Ausgabe 2005, S. 549 bis 554; Beachten Druckfehler in Tab. 4.3: Salzsäure, erste Zeile links: eine 0.36%ige Salzsäure weist eine Stoffmengenkonzentration von c = 0.09874 mol/L auf!)

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Molares Normvolumen (Vm):

bei (idealen) Gasen annähernd eine Konstante, Normbedingungen: 0 °C, 1 atm (273.15 K, 101.33 kPa) 1 atm = 1,013 bar Vm = 22.414 L/mol V Vm = _________ [L / mol] n

Molekültheorie

a.) diskrete Moleküle, z.B. H2, O2, H2S, HCl

b.) höher aggregierte Systeme

(Metalle, ionische Verbindungen, Polymere):

bestehen nicht aus diskreten molekularen Teilchen,

sondern Atome bilden makroskopische Netzwerke

für Berechnungen wird die stöchiometrische Baugruppe

angegeben, z.B. SiO2, Al2O3 (Formeleinheit)

Relative Atommasse

Standardatom (1961, IUPAC) Kohlenstoffisotop der Masse 12 als Bezugsbasis

(12C = 12.00052, natürliche Häufigkeit: 98.893%)

der 12.Teil der absoluten Masse eines 12C-Atoms ist die

atomare Masseneinheit: u = 1.66053 . 10-24 g

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Kurzer Exkurs in den Atombau und das PSE als Grundlage zur

Bestimmung von Valenzelektronen und Oxidationsstufen Bau und Größe der Atome

Aufbau: a.) ATOMKERN

Protonen, Neutronen

99.95 -99.98% der Masse des Atoms,

jedoch verschwindend kleines Volumen, “Punktmasse“

b.) ATOMHÜLLE

Elektronen

verschwindend kleines Gewicht; die Elektronenhülle

bestimmt jedoch das Gesamtvolumen des Atoms!

Durchmesser des Wasserstoffatoms:

∼ 10-10 m = 10-8 cm = 0.1 nm = 100 pm = 1 Å

(Atomradius, exakt 37 pm, 0.37 Å)

- Atomkerne sind immer aus den gleichen Bestandteilen

aufgebaut (Nukleonen: Protonen, Neutronen);

Beweis: durch Kernumwandlung

Entdeckung der Radioaktivität (Becquerel, 1896)

(P. und M. Curie: Entdeckung des Poloniums, Po)

Jedes chemische Element ist durch die Anzahl der

Protonen im Kern seiner Atome charakterisiert!

Protonenzahl = Kernladungszahl = Ordnungszahl

Atom: Protonenzahl = Elektronenzahl

(Elektroneutralitätsprinzip)

Normalfall: Protonenzahl = Neutronenzahl (Kern)

jedoch häufig Isotope

Isotope: Atome (eines Elements) mit gleicher Protonenzahl

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aber unterschiedlicher Neutronenzahl

⇒ unterschiedliche Massenzahlen

Massenzahl = Protonenzahl + Neutronenzahl

Reinelemente: nur ein natürlich vorkommendes Isotop ist bekannt (20 Reinelemente)

z.B.: 19F 23Na 31P

(auch Be, Al, As, Au, I, Co, Mn, Sc, Rh, V, Nb, Ta)

⇒ alle anderen Elemente sind Mischelemente, d.h. mehrere Isotope sind bekannt,

deren chemische Eigenschaften sich jedoch nicht unterscheiden!

Bsp.: 12C (98.9%) 13C (1.1%)

Bsp.: 16O (99.76%) 17O (0.04%) 18O (0.20%)

Die relative Atommasse eines Elements errechnet sich aus den Atommassen seiner Isotope

unter Berücksichtigung der natürlichen Isotopenhäufigkeit („mittlere relative Atommasse“).

- stabile / instabile Isotope

- stabile Isotope zerfallen nicht; schwerster stabiler Kern: 209Bi (Bismut, früher:

Wismut)

⇒ Instabile Isotope (Radionuklide):

sind radioaktiv, d.h. sie zerfallen unter Abgabe von Strahlung in andere Kerne

(α-, β-, γ- Strahlung, Photonen, Heliumkerne).

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Isotope des Wasserstoffs

1H (leichter Wasserstoff, Protium, 99.9855%) 2H (schwerer Wasserstoff, Deuterium, 0.0145%) 3H (überschwerer Wasserstoff, Tritium)

Tritium: radioaktiv, künstliches Isotop, β-Strahler, t1/2 = 12.346 a; natürlich in der

Hochatmosphäre vorkommend (≈ 2 kg), wird durch Einwirkung von Strahlung

kosmischer Kernprozesse auf Luftstickstoff ständig nachgebildet

⇒ künstliche Gewinnung: durch Beschuß von 6Li mit langsamen Neutronen

Die Elektronenhülle

Flammenfärbung: charakteristische Lichtausstrahlung;

Zerlegung durch Prisma (Gitter): jedes Element liefert ein charakteristisches

Linienspektrum (Bunsen, Kirchhoff; 1860)

⇒ charakteristische Spektrallinien entstehen, weil Atome Licht nur in diskreten

Quanten (Photonen) ausstrahlen, somit waren Schlußfolgerungen auf die Struktur der

Elektronenhülle möglich.

(Atommodelle s. Vorlesung AC1)

Das Periodensystem (PSE)

J. W. Döbereiner (1829): “Triadenregel“

relative Atommassenunterschiede annähernd gleich,

z.B. Cl, Br, I; S, Se, Te; Ca, Sr, Ba; Li, Na, K

1869: D. I. Mendelejew / Lothar Meyer (unabhängig voneinander): ordnendes Prinzip

war steigende relative Atommasse (zum damaligen Zeitpunkt noch einige Lücken)

Mendelejew traf Vorhersagen, z.B. für Ge (1871) als “Eka-Silicium“ / 1886 durch Cl.

Winkler / Freiberg entdeckt.

heute ordnendes Prinzip: Kernladungszahl = Ordnungszahl

Kurzperiodensystem / Langperiodensystem

Gruppennummerierung, IUPAC (neuerdings):

Gruppe 1 - 18 (0. Gruppe = 18. Gruppe)

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Elementsymbole: im allg. lateinisch bzw. griechisch

J. J. Berzelius eingeführt (1814),

ca. 109 Elemente bekannt

bei R.T.: 11 Elemente gasförmig (H, N, O, F, Cl, Edelgase)

2 Elemente flüssig (Br, Hg)

alle übrigen fest (ca. ¾ aller Elemente sind Metalle)

Valenzelektronen / Oxidationsstufen

Valenzelektronen = “Außenelektronen“, benötigt für

die Bindungsbildung (Bindungen ≡ Valenzen)

Periodizität der Eigenschaften

A.) Atom- und Ionenradien:

innerhalb der Gruppe (von oben nach unten) zunehmend

innerhalb der Periode (von links nach rechts) abnehmend

(Bei Ionen: bei konstanter Ionenladung betrachten!)

B.) Elektronenaffinität:

Energie, die mit der Aufnahme eines Elektrons durch ein gasförmiges Atom (bzw.

Ion) verbunden ist

Gang der Absolutwerte, allgemein:

innerhalb der Gruppe (von oben nach unten) abnehmend

innerhalb der Periode (von links nach rechts) zunehmend

C.) Ionisierungspotenzial: (≡ Ionisierungsenergie)

Energie, die mit der Abgabe eines Elektrons durch ein gasförmiges Atom bzw. Ion

verbunden ist

Gang der Absolutwerte, allgemein:

innerhalb der Gruppe (von oben nach unten) abnehmend

innerhalb der Periode (von links nach rechts) zunehmend

(Beachten: „Knickpunkte“ und 1. Ionisierungspotential, 2. etc.)

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D.) Elektronegativität:

Maß für das Bestreben eines Atoms in einer kovalenten Einfachbindung Elektronen

anzuziehen (L. Pauling, relative Zahlenwerte; Fluor zugeordnet: 4.0)

E.) Metallcharakter:

innerhalb der Gruppe (von oben nach unten) zunehmend

innerhalb der Periode (von links nach rechts) abnehmend

“Halbmetalle“ (B, Si, Ge, As, Te)

Metalle: kleine Elektronegativität, niedriges Ionisierungspotenzial,

niedrige Elektronenaffinität;

⇒ Oxide bilden Basen (Baseanhydride)

Nichtmetalle: hohe Elektronegativität, relativ hohes Ionisierungspotenzial u.

Elektronenaffinität;

⇒ Oxide bilden Säuren (Säureanhydride)

Amphoterie: “Zwischenstellung“

z.B. amphoteres Verhalten von Al bzw. Al(OH)3

Redoxreaktionen Oxidationszahl

Basis: entscheidendes Kriterium ist die Elektronegativität (EN) der beteiligten

Bindungspartner einer Verbindung!

Oxidationszahlen werden generell (ganzzahlig) mit römischen Zahlen angegeben!

Regeln zum Aufstellen (formaler) Oxidationszahlen (Oz.)

1. Atome im elementaren Zustand erhalten +/−0.

2. Ionen: Oz. eines einatomigen Ions entspricht der Ladung. Sind mehrere Atome im Ion

gebunden, entspricht die Summe der Oz. der Ionenladung.

3. Moleküle: positive Oz. für Element mit der kleineren EN; negative Oz. für Element mit

größerer EN; für das neutrale Molekül ist die Summe der Oz. aller beteiligten Atome = 0.

4. Wasserstoff erhält in Verbindungen meist +I. Ist die EN des Bindungspartners kleiner

(z.B. viele Metalle), erhält der Wasserstoff die formale Oz. −I („Metallhydrid“).

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5. Sauerstoff erhält im Prinzip −II, aber (!) Ausnahmen:

Peroxide (stets −I), Fluoride des Sauerstoffs (positive Oz., weil F in Verbindungen stets −I

zugeordnet wird); auch „gebrochene“ Oz., z.B. im Dioxygenylkation, O2+, sind möglich.

Für organische Verbindungen gelten spezielle Regeln (s. z.B. „Organikum“).

Wir behandeln hier einige ausgewählte Beispiele für die jeweiligen formalen

Oxidationszahlen des Kohlenstoffs von −IV bis +IV (C-Atome sollten H tragen und C-

Atome werden in einer Kette jeweils einzeln betrachtet):

Methan / Ethan / Carben, Ethen / Ethin, Ethanol / Methanal, Dichlormethan / Ethanal /

Methansäure, Trichlormethan / Ethansäure. Für die formale Oz. +IV wären Kohlendioxid,

Phosgen und Tetrachlorkohlenstoff zu nennen, aber hier befinden sich keine H-Atome am

Kohlenstoff und es gelten die „normalen“ Regeln zur Bestimmung der formalen

Oxidationszahl.

In Bezug auf die Stellung der Elemente im PSE ergeben sich noch wichtige

Überlegungen:

● Die positive Oz. eines Elements kann nicht größer sein als die Gruppennummer − im

Haupt- und Nebengruppensystem betrachten (!) − dieses Elementes. (Ausnahmen: 1.

Nebengruppe, z.B. bei Gold ist AuIII die stabilere Oxidationsstufe.)

● Die maximale negative Oz. in den Hauptgruppen beträgt „Hauptgruppennummer − 8“.

● Ursache der Stabilität bestimmter Oxidationsstufen ist häufig in der jeweiligen

Elektronenkonfiguration zu suchen: halb- oder vollbesetzte Schalen (oder Unterschalen)

sind oft die treibende Kraft. Deshalb muss man eigentlich nicht unbedingt auswendig

lernen, warum z.B. MnII oder CrIII besonders stabil sind.

Oxidation: Elektronenabgabe (Oz. steigt), Reduktion: Elektronenaufnahme (Oz. fällt).

Beide Prozesse sind stets miteinander verbunden (Redoxprozess)!

Die Redoxchemie wird prinzipiell durch die Stellung in der elektrochemischen

Spannungsreihe bestimmt.

Ausführliche Betrachtungen dazu stellen wir später an!

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Aufstellen von Redoxgleichungen:

Ganz allgemein sollten Sie Vorkenntnisse über die Stabilität bestimmter Oxidationsstufen

haben (s.o., z.B. Schalenbesetzungen, maximale Wertigkeiten aus Gruppennummern

usw.): „Sonst wird es nichts.“

1. Notieren aller Ausgangs- und Endstoffe der Reaktionsgleichung

2. Ermitteln der Oz. und Zuordnung zu Oxidation bzw. Reduktion

3. Änderung der Oz. durch Elektronenwechsel ausgleichen

4. Ladungsvergleich vornehmen

5. Ladungsausgleich, wenn nötig unter Zuhilfenahme von H+ (H3O+) oder OH− bzw.

H2O.

6. Stöchiometrische Korrektur der Gleichungen und schließlich Addition von Ox.-

und Red.-Gleichung zur vollständigen Redoxgleichung (unter Weglassen der

Elektronen). Schließlich auf die kleinsten Stöchiometriefaktoren bringen, dabei

jedoch nach Möglichkeit nur ganzzahlige Faktoren verwenden.

Wir behandeln ausgewählte Beispiele, die für Sie in den ersten Tagen des

Grundpraktikums beim Experimentieren behilflich sein werden. Der Verlauf einer

Redoxreaktion wird oftmals durch den pH-Wert beeinflusst, auch diese Hintergründe

behandeln wir später ausführlich.

Stickstoffhaltige Säuren

Die Salpetersäure zählt zu den oxidierenden Säuren (im Gegensatz zur Salzsäure,

warum?).

Bsp.: Kupfer wird in Salpetersäure (hohe Säurekonzentration!) gelöst.

Beachten: es wird Stickstoffdioxid gebildet.

Bsp.: Kupfer wird in Salpetersäure (halbkonzentriert!) gelöst.

Beachten: es wird Stickstoffmonoxid gebildet. Das gebildet NO (farblos)

reagiert aber in der Folge rasch mit dem Luftsauerstoff zu NO2 (braun).

Ganz analog können wir Redoxgleichungen nach diesem Muster auch mit anderen

Elementen formulieren wie beispielsweise mit Zn, Ag, P, S oder C.

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Bsp.: Zinkpulver reagiert mit einem Alkalimetallnitrat in stark alkalischer Lösung.

Beachten: es bildet sich Ammoniak.

Im Praktikum führen Sie einen ähnlichen Versuch mit FeSO4 durch, üben Sie sich im

Aufstellen der entsprechenden Redoxgleichungen!

Im Überschuss an OH− bildet sich der Komplex [Zn(OH)4]2−, -tetrahydroxidozinkat(II)

(-zincat wäre exakter, Nomenklatur s. weiter unten).

Zink reagiert stets als starkes Reduktionsmittel (s. Potential in der Spannungsreihe)

sowohl in saurer als auch in basischer Lösung!

Schwefelhaltige Säuren

Auch die Schwefelsäure ist eine sogenannte oxidierende Säure. Diese Wirkung

entfaltet sich allerdings nur bei einer hohen Säurekonzentration (was ist dabei das

Produkt der Reduktion?). Aus verdünnten wässrigen Lösungen dieser Säure entwickelt

sich in Gegenwart eines Reduktionsmittels Wasserstoff.

Bsp.: Eisenpulver reagiert mit konzentrierter Schwefelsäure beim Erwärmen:

SO2-Bildung!

Bsp.: Zinkpulver wirkt hier stärker reduzierend:

Bildung von elementarem Schwefel oder gar Schwefelwasserstoff!

Bsp.: Zink und verdünnte Schwefelsäure ergibt Wasserstoff.

Schweflige Säure (oder besser SO2 in Wasser gelöst) reagiert überwiegend als

Reduktionsmittel (Darstellung SO2, s. Praktikumsskript).

Bsp.: Reduzierende Wirkung gegenüber elementarem Iod oder Brom

Bsp.: Reduktion von Iodsäure mit Hydrogensulfit (Experiment: „Landolt-Cola“).

Gelegentlich kann SO2 auch teilweise als Oxidationsmittel wirken („redoxamphoter“).

Wir besprechen diesen Fall an der Reaktion von SO2 mit H2S (u.a. im CLAUS-Prozess

von Bedeutung) und treffen hier auf einen speziellen Fall von Redoxreaktionen

(Komproportionierung). In diesem Zusammenhang wird auch der andere Spezialfall

besprochen, die Disproportionierung.

Bsp.: Reaktion von NO2 in Wasser bzw. Alkalilaugen.

Bsp.: Reaktion von Cl2 in Wasser bzw. Alkalilaugen.

Abschließend wird auf weitere wichtige Redoxreaktionen verwiesen.

Bsp.: Unterschiedliches Verhalten von Nitraten beim Erhitzen

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(Alkalimetallnitrate, Schwermetallnitrate, Ammoniumnitrat und –nitrit)

Bsp.: Thermische Zersetzung von Chloraten.

Ein wichtiger Redoxprozess spielt bei der sogenannten Oxidationsschmelze eine

Rolle. Wir besprechen den Aufschluss von in Wasser (und Säuren) schwerlöslichen

Oxiden wie Cr2O3 und Fe2O3, wobei für letzteres Oxid nur der so genannte saure

Aufschluss mit Kaliumhydrogensulfat (keine Redoxreaktion!) angewendet wird.

Außerdem wird die Chemie zum Soda-Pottasche-Aufschluss besprochen.

Chemisches Gleichgewicht und Massenwirkungsgesetz (MWG)

Chemische Reaktionen sind in geschlossenen Systemen meist umkehrbar (reversibel).

Systeme unter thermodynamischer Sicht:

abgeschlossen (isoliert): weder Energie- (Wärme, Arbeit) noch Masseaustausch mit

der Umgebung;

geschlossen: Energieaustausch mit der Umgebung ist möglich aber kein (!)

Masseaustausch;

offen: Energie- und Masseaustausch mit der Umgebung sind möglich.

Wir betrachten die allgemeine Reaktion der Stoffe A und B miteinander unter Bildung

der Produkte C und D. Als Vereinfachung soll angenommen werden, dass Hin- und

Rückreaktion in einem Schritt verlaufen sollen. Somit werden vereinfachte

Geschwindigkeitsgesetze formulierbar. Die Geschwindigkeit der Hinreaktion kann

wie folgt formuliert werden: vH = kH . c(A) .c(B).

Für die Rückreaktion gilt: vR = kR . c(C) .c(D).

(k = Geschwindigkeitskonstante einer Reaktion)

Hat das chemische Gleichgewicht (GG) sich eingestellt, so gilt vH = vR. Hierbei

handelt es sich um ein dynamisches GG, d.h., es stellt sich ständig neu ein, kein

Stillstand! (Den Eindruck des Stillstandes hat man nur nach außen hin.) Pro

Zeiteinheit wird nun stets soviel Produkt gebildet wie auch wieder zerfällt. Betrachtet

man die Gesamtreaktion, gilt: v(gesamt) = 0.

Aus diesen Überlegungen leitet sich das MWG ab:

v(gesamt) = vH − vR = kH . c(A) .c(B) − kR . c(C) .c(D)

kH . c(A) .c(B) = kR . c(C) .c(D)

kH / kR = c(C) .c(D) / c(A) .c(B) kH / kR = Kc

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(Kc = GG-Konstante bezogen auf die Konzentrationen).

Weiterhin kann bei Gasreaktionen die GG-Konstante bezogen auf den Partialdruck

verwendet werden (Kp). Wir besprechen am Beispiel der Ammoniaksynthese die

Formulierung Kp und beachten, dass die Stöchiometriefaktoren der Reaktionspartner

als Exponenten in die Formulierung des mathematischen Ausdrucks für das MWG

eingehen.

Ein Konzentrations-Zeit-Diagramm ist z.B. im Kapitel zum GG im „Mortimer“

einzusehen. Wir besprechen kurz das Phänomen der Katalyse (positiv,

negativ/Inhibitoren): ein Katalysator hat keinen Einfluss auf die Lage des GG, er kann

lediglich die Einstellzeit für das GG beeinflussen, indem er die Aktivierungsenergie

herabsetzt (positive K.) oder erhöht (negative K.).

Die GG-Lage kann durch drei Faktoren verschoben werden:

a) Veränderung der Konzentrationen: z.B. Produkte aus dem GG entfernen ⇒

Neueinstellung GG, Neubildung von Produkt, bzw. Zufuhr von Ausgangsstoffen.

b) Druckänderung bei Gasreaktionen: bei Volumenverminderung hoher Druck

günstig.

c) Änderung der Temperatur: Erhöhung von T begünstigt die endotherme Reaktion,

Erniedrigung von T begünstigt die exotherme Reaktion.

Komplexbildungsreaktionen Komplexverbindung: ein Zentralatom oder –ion (M) bindet einen bestimmten Satz von

Liganden (L). Die Anzahl der Liganden entspricht der Koordinationszahl (KZ).

Beschreibung der Komplexe als Säure/Base-Addukte im Sinne der Theorie von Lewis,

Lewis-Säure: Elektronenpaarakzeptor, Lewis-Base: Elektronenpaardonator.

Übergangsmetallionen verhalten sich oft wie Lewis-Säuren:

Bsp.: CrIII, Cr3+(aq), bedeutet hydratisierte Ionen,

besser als [Cr(H2O)n]3+ zu formulieren (n = 6 i.d.R.).

CrIII verfügt über unbesetzte d-Orbitale, bedeutet also „Elektronenpaar-Lücken“ und

kombiniert so z.B. mit der Lewis-Base NH3 unter Komplexbildung zu [Cr(NH3)6]3+.

Vergleichendes Beispiel aus der Hauptgruppenchemie: H3N→BF3 (koordinative

Bindung).

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Koordinationspolyeder und häufige Koordinationszahlen (KZ):

KZ 4 (Tetraeder) KZ 6 (Oktaeder).

Komplexstabilität

Labile Komplexe: unterliegen einem schnellen Ligandenaustausch.

Anderer Extremfall: Komplexe, die nicht oder nur sehr langsam an

Ligandenaustauschreaktionen teilnehmen; Fallunterscheidung in thermodynamische

und kinetische Stabilität.

Thermodynamische Stabilität:

Ein Maß dafür ist die Komplexzerfallskonstante (GG-konstante).

Bsp.: Ligandensubstitutionsreaktion in [Co(NH3)6]3+ mit 6 H2O

K ≈ 10−34, d.h., GG liegt stark auf der linken Seite, also Hexamminkomplex ist „sehr

stabil“. (Formulieren Sie den Ausdruck für K.)

Beachten: pH-Wertabhängigkeit, in saurer Lösung ist der Komplex thermodynamisch

instabil. Reagiert [Co(NH3)6]3+ mit 6 H3O+, so bildet sich sehr langsam (!) der

Hexaquakomplex unter Freisetzung von Ammoniumionen. Für diese Reaktion beträgt

K ≈ 1022, das GG liegt also im thermodynamischen Sinn stark auf der rechten Seite.

Trotzdem ist der Hexamminkomplex in saurer Lösung existent, er wandelt sich nicht

spontan um, sondern der Ligandenaustausch verläuft sehr langsam (kinetisch stabil,

inert).

Merke: viele oktaedrische Komplexe der Elemente der 3d-Reihe sind labil (also

kinetisch und thermodynamisch instabil, Ligandenaustausch-GG stellen sich sehr

rasch ein) mit Ausnahme von Cr(III)- und Co(III)-Komplexen!

Individuelle Komplexbildungskonstante

Wir betrachten den Fall einer Ligandsubstitution eines einzelnen Aqualiganden im

Komplex [Ni(H2O)6]2+ gegen NH3. Anwendung des MWG liefert uns K1 oder β1, die

individuelle Komplexbildungskonstante für diese Einzelreaktion. Im Überschuss des

Ammoniakliganden wird sich in Stufen schließlich der Hexammin- Komplex bilden.

Fassen wir diese Teilreaktionen in einer Reaktionsgleichung zusammen, so erhalten

wir die Bruttostabilitätskonstante (β6), allgemein βn. Letztere Konstante errechnet sich

als Produkt der Einzelbildungskonstanten: βn = K1 . K2 . …. . Kn.

Die Stabilitätskonstanten überstreichen einen Bereich von vielen Zehnerpotenzen,

deshalb wird zweckmäßigerweise der Wert als lgβ angegeben. Ein Blick auf diesen

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18

Wert für einen speziellen Komplex sagt uns schnell etwas über dessen Stabilität aus.

Beispiele:

Komplex lgβ

[CoCl4]2− − 6.6

[CuCl4]2− − 3.6

[Co(NH3)6]2+ 5.2

[Ag(NH3)2]+ 7.1

[Ni(NH3)6]2+ 8.7

[Co(NH3)6]3+ 35.1.

Kurze Einführung in die Benennung von Komplexverbindungen (Nomenklatur):

Grundregeln: Zuerst wird im Namen des Komplexes der Name des Liganden - bei

heteroleptischen Komplexen in alphabetischer Reihenfolge – genannt (homoleptisch

bedeutet nur eine Ligandsorte ist im Komplex vorhanden). Davor taucht im Namen ein

Zahlwort auf (di-, tri-, tetra-, penta-, hexa-), das allerdings die Aufzählung in

alphabetischer Reihenfolge nicht (!) beeinflusst. Anionische Liganden erhalten die

Endung „o“ am Ionennamen.

Bsp.: Cl− chlorido (halogenido); veraltet: chloro (halogeno)

OH− hydroxido (hydroxo)

CN− cyanido (cyano)

O2− oxido (oxo)

Neutralliganden:

H2O aqua (veraltet und vor allem falsch: aquo)

NH3 ammin (veraltet und falsch: ammino)

Kationische Komplexe:

[Anzahl L / L / Zentralatom (Name, in deutsch) / Oxidationszahl] -anion

Bsp.: [Ag(NH3)2]Cl Diamminsilber(I)-chlorid.

Anionische Komplexe:

Kation- [Anzahl L / L / Zentralatom (lateinischer Name, verkürzt) / Endung: –at /

Oxidationszahl (römisch, in runder Klammer)]

Bsp.: Na[Ag(CN)2] Natrium- dicyanidoargentat(I).

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Neutralkomplexe („Innerkomplexe):

Bsp.: [NiII(dmg)2] Bis(dimethylglyoximato)-nickel(II)

Bsp.: [Ni(CO)4] Tetracarbonyl-nickel(0).

Sie sollten sich angewöhnen, die Formeln von Komplexen grundsätzlich in eckige

Klammern zu schreiben, auch die Neutralkomplexe, dazu siehe später.

Besonderheiten von Aquakomplexen:

Metallionen liegen in wässriger Lösung grundsätzlich nicht „nackt“ vor, d.h., sie sind

von einer Hydrathülle umgeben. Bei Übergangsmetallen formulieren wir

Hexaaquakomplexe (Hexaqua ist auch zulässig) der allgemeinen Form [M(H2O)n]y+,

wobei i.d.R. n = 6 gilt. Auch für Ionen der Hauptgruppenelemente in wässriger

Lösung gilt diese Regel, d.h. Na+ kann als [Na(H2O)6]+ aufgefasst werden. Hierbei

fassen wir dieses Aggregat jedoch nicht als Komplexverbindung auf (hydratisierte

Ionen, vgl. auch Vorlesung AC1, Kapitel „Die Ionenbindung“, Dissoziation in

Wasser). Eine Ausnahme von der Regel (n = 6) stellt auf jeden Fall das Be(II)- Ion

dar. Aufgrund des kleinen Ionenradius (30 pm) liegen wahrscheinlich nur Gebilde der

Zusammensetzung [Be(H2O)4]2+ vor, vgl. dazu Na+: r = 98 pm. (Beim Heranziehen

von Ionenradien aus Tabellenbüchern sollten Sie jedoch beachten, dass die jeweilige

KZ für die angegebenen Werte, z.B. in Festkörperstrukturen, zu berücksichtigen ist!)

Hinweis: beim Formulieren von Redoxgleichungen, an denen Übergangsmetallionen

beteiligt sind, benutzen wir aus Gründen der Einfachheit nicht die Formeln der

kompletten Aquakomplexe, obwohl das wesentlich exakter wäre. Zwei Varianten

sollen gelten, z.B.

Fe3+ + e− → Fe2+

oder der Wirklichkeit näher kommt:

Fe3+(aq) + e− → Fe2+(aq).

Die Problematik [FeIII(H2O)6]3+ behandeln wir zu einem späteren Zeitpunkt.

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Anwendungen des Massenwirkungsgesetzes auf Gleichgewichte in

wässriger Lösung

Homogene Gleichgewichte: Säure-Base-Gleichgewichte

Säure-Base-Theorie nach Brønsted

● Säuren sind Protonen-Donatoren (HA):

Stoffe oder Teilchen, die H-atome aufweisen, und somit in Wasser Protonen abgeben

können, wobei ein korrespondierendes Anion (A−) gebildet wird.

Beispiel: Chlorwasserstoff (Hydrogenchlorid) wird in Wasser gelöst, dabei bilden sich

H3O+ -Ionen (Oxoniumionen oder auch Hydroniumionen genannt).

Beachten Sie dabei folgendes: das H3O+-ion ist als einzelnes Ion nur kurzzeitig

existent (Lebensdauer ca. 10−13 s). Es erfolgt ein rascher Übergang dieses Protons auf

andere Wassermoleküle und höhere Aggregate, wie z.B. H9O4+ (vier Wassermoleküle

bilden einen „Cluster“, von dem das Proton gebunden wird), sind nun langlebigere

Spezies in der Lösung.

Die Abgabe von Protonen ist nicht streng auf das Lösungsmittel Wasser begrenzt zu

sehen, auch in Ethanol kann HCl Protonen abgeben:

HCl + C2H5OH = C2H5OH2+ + Cl−

In unseren nachfolgenden Betrachtungen soll aber nur Wasser als Lösungsmittel eine

Rolle spielen.

● Basen sind Protonen-Akzeptoren (B):

Stoffe oder Teilchen, die H+-Ionen aufnehmen können, wobei das korrespondierende

Aggregat HB+ entsteht.

Reagiert HA mit B zu HB+ und A−, so sprechen wir von einem korrespondierenden

(konjugierten) Säure-Base-Paar (reversible Protonenübertragung).

Grundregel:

Je leichter eine Säure (Base) ein Proton abgibt (aufnimmt), um so stärker ist sie, und

um so schwächer ist ihre korrespondierende Base (Säure).

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Ampholyte:

Stoffe, die sich gegenüber einer starken Base wie eine Säure verhalten, oder sie

übernehmen von einer starken Säure ein Proton.

Protolyse-GG des Wassers: pH-Wert:

Wasser reagiert mit sich selbst unter Bildung von Oxonium- und Hydroxid-ionen

Das MWG angewendet auf dieses Protolyse-GG ergibt das Ionenprodukt des Wassers:

eine Konstante, nämlich 1 . 10−14 mol2 . L−2 (bei 25 °C).

Das GG ist stark temperaturabhängig, z.B. gilt bei 100 °C:

KW = 59.29 . 10−14 mol2 . L−2.

Definition des pH-Wertes: pH = − lg [H3O+]

wichtige Beziehung: pH + pOH = 14 = pKw

● Berechnung des pH-Wertes für starke und schwache Säuren bzw. Basen

starke Säure (vollständig dissoziiert/protolysiert):

pH = − lg [H3O+] /mol.L−1

starke Base (vollständig dissoziiert/protolysiert):

pH = 14 − pOH pOH = − lg [OH−] /mol.L−1

schwache Säure (unvollständige Protolyse):

pH = ½ (pKS − lg [HA]) [HA] = c0 (Ausgangskonzentration)

schwache Base (unvollständige Protolyse):

pH = 14 − ½ (pKB − lg [B]) [B] = c0 (Ausgangskonzentration)

● Ableitung der Säure- bzw. Basekonstante

Säurekonstante (KS):

Anwendung des MWG auf die Reaktion HA + H2O = H3O+ + A−

ergibt für verdünnte Lösungen ([H2O] = konstant)

KS = [H3O+] . [A−] / [HA].

Basekonstante (KB):

Anwendung des MWG auf die Reaktion B + H2O = HB+ + OH−

ergibt für verdünnte Lösungen ([H2O] = konstant)

KB= [HB+] . [OH−] / [B].

Es gelten die Beziehungen:

pKS = − lg KS und pKB = − lg KB.

Für ein konkretes Säure- und Base-Paar gilt: pKS + pKB = 14 (s. Tabelle).

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Auswahl wichtiger Säure- und Base-Konstanten:

Säure Base KS pKS pKB

starke Säure / äußerst schwache Base:

HClO4 ClO4- 109 - 9 ~ 23

HCl Cl- 106 - 6 ~ 20

H2SO4 HSO4- 103 - 3 ~ 17

H3O+ H2O 101,75 - 1,75 15,75

HNO3 NO3- 101,3 - 1,3 15,3

HClO3 ClO3- 100 0 14

mittelstarke Säure / sehr schwache Base:

HSO4- SO4

2- 10-1,92 1,92 12,08

H3PO4 H2PO4- 10-1,96 1,96 12,04

HF F- 10-3,14 3,14 10,86

HCOOH HCOO- 10-3,70 3,70 10,30

schwache Säure / mittelstarke bis schwache Base:

CH3COOH CH3COO- 10-4,75 4,75 9,25

„H2CO3“ HCO3- 10-6,50 6,50 7,50

H2S HS- 10-7,00 7,00 7,00

H2PO4- HPO4

2- 10-7,10 7,10 6,90

NH4+ NH3 10-9,20 9,20 4,80

HCN CN- 10-9,40 9,40 4,60

HCO3- CO3

2- 10-10,40 10,40 3,60

äußerst schwache Säure / starke bis sehr starke Base:

HPO42- PO4

3- 10-12,30 12,30 1,70

H2O OH- 10-15,75 15,75 -1,75

OH- O2- 10-24,00 24,00 -10,00

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● Mehrwertige (mehrbasige) Säuren am Beispiel der H3PO4

Hier liegt eine sogenannte dreibasige Säure vor (drei Hydroxogruppen in der

ausführlichen Molekülstrukturformel). Für die stufenweise Abspaltung von Protonen

lassen sich drei Protolysereaktionen formulieren. In der ersten Stufe wird

Dihydrogenphosphat (H2PO4−, ein sog. primäres Phosphat, 1°) gebildet. Dieses kann

in einer weiteren Stufe erneut ein Proton abgeben und ergibt das Hydrogenphosphat

(HPO42−, ein sog. sekundäres Phosphat, 2°). Schließlich wird in einer dritten Stufe das

letzte Proton unter Bildung des (Ortho)phosphats, PO43−, abgegeben.

Generelle Regel für mehrbasige Säuren: Die Abspaltung des ersten Protons erfolgt

meist leicht und vollständig. Die weiteren Protonen werden viel schwerer und nur

unvollständig abgespalten. Für die H3PO4 werden drei pKS-Werte gefunden (s.

Tabelle) und es gilt pKS1 < pKS2 < pKS3 (im Prinzip für alle mehrbasigen Säuren, vgl.

auch noch Tabelle für H2SO4).

● Schwache Elektrolyte: Protolysegrad und Ostwaldsches Verdünnungsgesetz

Ostwaldsches Verdünnungsgesetz am Beispiel Essigsäure (vgl. auch V 37)

Es liegt in diesem Fall ein schwacher Elektrolyt vor, d.h. die Säure unterliegt nur

schwach der Protolyse. Das Gleichgewicht der Reaktion

CH3COOH + H2O = H3O+ + CH3COO−

liegt sehr stark auf der linken Seite.

Protolysegrad (α):

Quotient aus der Konzentration der protolysierten HA-Moleküle und derKonzentration

der HA-Moleküle vor der Protolyse (= c0)

Im Fall einer starken Säure ist der Protolysegrad α ≈ 1, d.h. nahezu 100% der Säure

sind protolysiert. Es gilt:

α = c – [HA]/c0 = [H3O+]/c0 = [A−]/c0.

und 0 ≤ α ≤ 1.

Fallbeispiel: extrem schwache Protolyse:

aus c ≈ [HA] folgt α ≈ 0 („Gleichgewicht stark links“)

Fallbeispiel: vollständige Protolyse:

aus [HA] ≈ 0 folgt α ≈ 1 („Gleichgewicht stark rechts“)

Aus den Beziehungen KS = [H3O+] . [A−] / [HA] und

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[HA] = c0 − α .c0 = c0 (1−α) sowie [H3O+] = c0 . α = [A−] ergibt sich durch Umformen

das Ostwaldsche Verdünnungsgesetz:

KS = α2 . c02 / c0(1−α) = c0 [α2 / (1−α)].

Wenn der Protolysegrad sehr viel kleiner 1 ist, wird (1−α) ≈ 1, daraus folgt:

α = (KS / c0)1/2 und bedeutet somit α ~ 1/c0.

Der Protolysegrad einer schwachen Säure steigt mit abnehmender Konzentration, also

mit zunehmender Verdünnung.

● pH-Wert-Abhängigkeit von Säure-Base-GG

Pufferwirkung, Puffergleichung nach Hasselbalch/Henderson

Prinzip: Bei annähernd gleichen Konzentrationen eines Gemisches einer schwachen

Säure und seines korrespondierenden Salzes bleibt im verwendeten Puffersystem der

pH-Wert bei Zugabe von Säure (bzw. Base) nahezu konstant (Pufferbereich).

pH = pKS + lg [Salz]/[Säure] = pKS − lg [Säure]/[Salz]

● Neutralisationsreaktionen/Titrationskurven (s. Mortimer bzw. ausgegebene

Vorlagen in Vorlesung).

● Protolyse von Salzen in wässriger Lösung

Werden Salze in Wasser gelöst, so können Protolysereaktionen stattfinden. Abhängig

sind diese vom Umstand, aus welchen Bestandteilen sich das Salz zusammensetzt.

A) Beispiel: NaCl (Salz einer starken Säure und einer starken Base), in diesem Fall

wird eine neutrale Reaktion beobachtet (vgl. auch Titrationskurve, Äquivalenzpunkt

am Neutralpunkt).

B) Salze, deren Anionen infolge von Protolyse mit Wasser OH−-Ionen bilden

(ANION-BASEN), Bsp.: Na2CO3 reagiert in Wasser stark basisch (Salz einer

schwachen Säure und einer starken Base, vgl. auch Titrationskurve, Äquivalenzpunkt

im basischen Bereich).

CO32− + H2O = HCO3

− + OH−, oder auch Natriumacetat

CH3COO− + H2O = CH3COOH + OH−

C) Salze, deren Anionen infolge von Protolyse mit Wasser H3O+-Ionen bilden

(ANION-SÄUREN), Bsp.: Dihydrogenphosphat

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H2PO4− + H2O = H3O+ + HPO4

2−, oder Hydrogensulfat

HSO4− + H2O = SO4

2− + H3O+

D) Salze, deren Kationen infolge von Protolyse mit Wasser H3O+-Ionen bilden

(KATION-SÄUREN), Bsp.: Ammoniumchlorid

NH4+ + H2O = H3O+ + NH3

Zu den Kation-Säuren gehören auch zahlreiche Hexaaquakomplexe der

Übergangsmetallionen (oder auch Hauptgruppenelementkationen wie z.B. Al3+)

[M(H2O)6]3+ + H2O = [M(H2O)5OH]2+ + H3O+ (z.B. M = Al, Cr, Fe)

Ursache: Das hochgeladene Zentralatom “stößt die Protonen ab”.)

Weitere Methoden der Endpunktbestimmung bei Säure-Base-Titrationen

● Endpunktbestimmung durch Leitfähigkeitsmessung: Konduktometrie

Wird die elektrische Leitfähigkeit von Ionen als Indikator für den Endpunkt einer

chemischen Reaktion benutzt, spricht man von konduktometrischer Maßanalyse.

Bei Reaktionen von Ionen können Änderungen der Leitfähigkeit hauptsächlich durch

folgende Faktoren verursacht werden:

a) Konzentrationsänderungen der Ionen

b) Änderung der Ionenart.

Bis auf die Ionen des Wassers (H3O+ und OH−) weisen praktisch alle anderen Ionen

ähnliche Ionenäquivalentleitfähigkeiten auf (stark verdünnte Lösungen!)

Werden bei Ionenreaktionen die Konzentrationen der Ionen nicht signifikant

verändert, so werden nur spürbare Leitfähigkeitsänderungen beobachtet, wenn

Oxonium- bzw. Hydroxidionen entstehen oder verbraucht werden!

Graphische Auswertung der Titration:

Auftragen der Leitfähigkeit (bzw. 1/R, elektrischer Leitwert) gegen das Volumen des

Titrationsmittels (Maßlösung) ergibt die konduktometrische Titrationskurve.

Eine Bestimmung von zwei unterschiedlichen Säuren kann nebeneinander

durchgeführt werden. Voraussetzung ist, dass die pKS-Werte der Säuren weit genug

auseinander liegen!

Praktikum: HCl/CH3COOH (HCl: pKS ≈ −6, CH3COOH: pKS = 4,75).

● Endpunktbestimmung mit pH-Meter: Potentiometrie

● Beziehungen zwischen Säure(Base)-stärke und Molekülstruktur

Basestärke:

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Trend Basestärke 1. Hauptgruppe: Basenstärke nimmt von oben nach unten hin zu

(Ursache: Ionenradien der Kationen werden größer, Radius des Hydroxidions bleibt

konstant, Folge Coulombanziehung zwischen den Ionen läßt nach, besseres

„Abdissoziieren des Hydroxidions möglich). In der Periode nehmen die Ionenradien

ab, somit nimmt die Basestärke ab.

Säurestärke von Nichtmetallwasserstoffverbindungen:

Vergleich der pKS-Werte (in Klammern):

CH4 (34) NH3 (23) H2O (15.75) HF (3.14)

PH3 (20) H2S (7.06) HCl (−6)

H2Se (3.77) HBr (−7)

H2Te (2.64) HI (−8)

Man würde eigentlich aufgrund der Elektronegativitäten erwarten, dass HF die stärkste

Säure in der 7. Hauptgruppe sein sollte. Das Problem dabei ist jedoch, dass durch die

größte Elektronegativitätsdifferenz im HF eine stark polare Bindung vorliegt, die

damit aber auch den Wasserstoff fester bindet. Für die Säurestärke ist auch die Atom-

bzw. Ionengröße entscheidend (s.o. Abstoßungskräfte), d.h., das Proton wird z.B. vom

großen Iodid wesentlich besser „abdissoziieren können, somit liegt in dieser Reihe die

stärkste Säure vor (vgl. auch andere HG).

Säurestärke von Nichtmetallsauerstoffverbindungen

In der Periode zunehmend, vgl.

„H4SiO4“ (9) H3PO4 (1.96) H2SO4 (−3) HClO4 (−9)

Regel: Je „basiger“ eine Säure ist, desto schwächer ist sie.

HClO4 (−9) HClO3 (0) HClO2 (2) HClO (7.25)

Erklärung: Die Abgabe eines Protons der Perchlorsäure in Wasser ergibt ein sehr

stabiles tetraedrisch gebautes Anion (Resonanzstabilisierung, symmetrische

Ladungsverteilung), somit ist hier die Tendenz zur Protonenabgabe sehr hoch. In den

nachfolgenden Verbindungen dieser Reihe resultieren in gewisser Weise Teilchen mit

einer geringeren Symmetrie bei Protonenabspaltung.

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Komplexometrische Titrationen (wird für die Kapitel 1 „Der Kalkkreislauf“ und

Kapitel 2 „Aminosäuren“ benötigt)

(vgl. auch Jander-Blasius S. 427-437, Ausgabe 2005)

Zahlreiche Metallionen lassen sich quantitativ mittels komplexometrischer Titrationen

bestimmen. Wir verwenden dazu als Maßlösung das Dinatriumsalz der

Ethylendiamintetraessigsäure (H4edta): Na2H2edta; Titriplex III, Komplexon III. Die

Verbindung kann als sechszähniger Chelatligand fungieren und hat den Vorteil, dass

mit den zu bestimmenden Metallkationen stets nur 1:1-Komplexe gebildet werden.

D.h., das molare Reaktionsverhältnis der Komplexbildung ist stets 1:1 unabhängig von

der Kationenladung.

Reaktionsprinzipen: Na2H2edta = 2 Na+ + H2edta2−

H2edta2− + M2+ = [M(edta)]2− + 2 H+

H2edta2− + M3+ = [M(edta)]− + 2 H+

H2edta2− + M4+ = [M(edta)] + 2 H+

Die gebildeten Komplexe sind sehr stabil, weisen hohe Beständigkeitskonstanten (β)

auf, und sind häufig auch im sauren Bereich beständig. Beispiele:

[Mg(edta)]2− lg β 8.69

[Ca(edta)]2− 10.70

[Zn(edta)]2− 16.50

[Al(edta)]− 16.70

[Pb(edta)]2− 18.04

[Cu(edta)]2− 18.80

[Hg(edta)]2− 21.80

[Fe(edta)]− 25.10

[Co(edta]− 41.50 (!)

Für die Bestimmung von Mg und Ca ist anzumerken, dass diese Komplexe nicht im

sauren Bereich stabil sind (s. einzuhaltende Bedingungen in den Vorschriften: pH-

Wert konstant halten durch Pufferung).

Endpunktbestimmung mit Schwarzenbachschen Metallindikatoren:

Als Indikatoren werden hierbei chelatbildende, organische Farbstoffe genutzt, die mit

den Metallionen Komplexe bilden, deren Farbe von der des freien Farbstoffes

verschieden ist. Zudem muss die Stabilität der Indikatorkomplexe geringer sein als die

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Stabilität der Komplexe zwischen den zu bestimmenden Metallionen und edta. Die

Metallindikatoren sind selbst schwache Säuren, die am Anfang der Titration zugesetzt

werden. Sie bilden mit dem Metallion einen Komplex, die Eigenfarbe des Indikators

schlägt dabei um. Am Endpunkt der Titration setzt sich die höhere Stabilität der

Komplexe mit edta durch, und in einer Konkurrenzreaktion wird das Metallion aus

dem Metallindikatorkomplex verdrängt und somit wird die Eigenfarbe des freien

Indikators sichtbar. Ein wichtiger Metallindikator ist Eriochromschwarz T (Erio T,

vgl. Jander/Blasius S. 432).

Auf einige Probleme bei den durchzuführenden Titrationen sei hingewiesen. Die

verwendeten Metallindikatoren schlagen oft nur sehr langsam um. Es empfiehlt sich,

eine bekannte Probe zu titrieren und die farbige Lösung daneben zu stellen, da der

Farbumschlag oft nicht eindeutig erkannt wird. Von größter Bedeutung ist die

Einhaltung des angegebenen pH-Wertes, der durch eine entsprechende Pufferung

(Verwendung von Indikatorpuffertabletten) streng eingehalten werden muss. Also

ständig während der Titration kontrollieren!

Neben der direkten Titration können weitere Methoden angewendet werden:

Substitutionstitration (Verdrängungstitration), Rücktitration und die sogenannte

Simultanbestimmung (Trennungen).

Substitutionstitration:

Grundlage: Mg(II)- und Zn(II)-Ionen bilden weniger stabile Komplexe mit edta als die

meisten anderen Metallionen (vgl. Auflistung der lg β-Werte, s.o.). Somit wird die

Verdrängung aus diesem edta-Komplex genutzt, Bsp.:

M2+ + [Mg(edta)]2− = [M(edta)]2− + Mg2+.

(M2+ soll bestimmt werden; Mg-edta-Komplex wird als Maßlösung eingesetzt.)

Anschließend wird die freigewordene Menge an Mg2+ (äquivalent zu M2+) schließlich

mit Titriplex III gegen z.B. Erio T direkt bestimmt.

Rücktitration:

Grundlage: Mg(II)- und Zn(II)-Ionen bilden weniger stabile Komplexe (s.o.).

Prinzip: Ein bekanntes Volumen an Na2H2edta-Maßlösung wird im Überschuss der

Probe zugesetzt und der nichtverbrauchte Rest wird mit Zinksulfat-Maßlösung (oder

MgSO4) zurücktitriert (z.B. bei Al, Co, Ni).

Al3+ + H2edta2− = [Al(edta)]− + 2 H+

(Überschuss)

“Rest”- H2edta2− + Zn2+ = [Zn(edta)]2− + 2 H+.

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Berechnung Al3+ für die Titration:

1 mL Na2H2edta (0.1 mol/L) = 2.698 mg Al3+.

Bsp.: 40 mL Titriplex III zugesetzt, die ZnSO4-Lösung wurde mit 20 mL verbraucht.

Verbrauch für Al3+: 40 − 20 = 20 [mL].

Simultanbestimmungen:

Es handelt sich um die Bestimmung von Kationen nebeneinander (zwei oder drei

möglich).

z.B. Ca/Al nebeneinander:

a) Für die Bestimmung des Al(III) wird zunächst nach dem Rücktitrationsprinzip

verfahren (s.o.). Dabei wird im sauren Bereich gearbeitet, wobei das Ca(II) zunächst

nicht mit erfaßt wird, da der Ca-edta-Komplex bei einem pH-Wert von 5 nicht stabil

ist.

b) Zur Bestimmung des Ca(II) müssen die Al(III)-Ionen „maskiert“ werden. Unter

Maskierung versteht man in der Komplexchemie die Verhinderung von

Reaktionsabläufen eben durch die Bildung noch stabilerer Komplexe, die somit einer

Reaktion mit der Titriplexmaßlösung entzogen werden. Verwendung finden hier

Liganden wie Cyanid, Fluorid oder wie im Versuch Triethanolamin. Somit wird bei

der direkten Titration nur noch die Ca(II)-Menge erfaßt.

z.B. Mg/Zn nebeneinander:

a) zunächst wird in einer Probe eine Gesamtbestimmung der beiden Ionen (Mg + Zn)

vorgenommen.

b) In einer neuen Probe (aliquoter Teil) wird Mg(II) mit Fluorid maskiert und es

erfolgt Komplexbildung zu NH4[MgF3]. Die Maßlösung verbraucht jetzt nur Zn(II).

Die Berechnung wird nun wie im Skript angegeben vorgenommen.

z.B. Ca/Mg/ nebeneinander:

a) Zunächst wird Ca(II) mit dem nur auf Ca(II) spezifisch ansprechenden Indikator

Calconcarbonsäure titriert.

b) In derselben Lösung kann nach vollständiger Zerstörung dieses Indikatorfarbstoffes

durch Behandlung mit Perhydrol (30% H2O2) in der Hitze das Mg(II) direkt bestimmt

werden.

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30

Die zuletzt genannte Bestimmung kann auch mit weniger Probelösung und mit

Titriplex III (0.01 mol/L) durchgeführt werden, z.B. für die Bestimmung der

Wasserhärte (s.u.).

Praktische Bedeutung der Ca/Mg-Bestimmung: Wasserhärte

● wird erzeugt durch den Gehalt an Ca2+- und Mg2+-Ionen im Grundwasser, sog.

Härtebildner

● Auflösen von Gesteinen (Carbonate, Oxide, Silicate):

z.B. CaCO3 + H2O + CO2 → Ca2+ + 2 HCO3−

Kalkstein („Kohlensäure“, oder auch Schweflige Säure: „saurer Regen“)

● Carbonathärte (CH, temporäre Härte)

wird beim Erhitzen stark reduziert (Kesselsteinbildung):

Ca(HCO3)2 → CaCO3 + H2O + CO2

● Nichtcarbonathärte (NCH, permanente Härte)

verschwindet nicht beim Erhitzen, d.h., Salze in Form von Sulfaten, Chloriden usw.

fallen beim Erhitzen nicht aus: „Sulfathärte“

● Gesamthärte = CH + NCH

Angabe in dH°, deutsche Härtegrade; Grad deutscher Härte, °dH

(vgl. 1 °dH = 0.798 °engl. H. = 0.560 °frz. H.)

1 °dH = 10 mg CaO/L = 7.14 mg Ca2+/L.

Titration mit Titriplex III:

1 mL 0.01 mol/L Titriplex III = 0.4008 mg Ca2+

bedeutet jetzt aber Gesamtgehalt an Mg2+ und Ca2+, d.h. Trennung vornehmen bei

exakter Einzelbestimmung der Ionen!

Einteilung des Wassers nach Härtegraden:

ca. 0 − 7 weich

ca. 7 − 14 mittelhart

ca. 14 − 21 hart

> 21 sehr hart (hoher Seifenverbrauch!)

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31

Moderne Verfahren der Wasserenthärtung

● Ionenaustauschverfahren

Kationenaustauscher (Kunstharze mit z.B. SO3− –Gruppen), Prinzip:

Ca2+ + 2H−□ → Ca−□ + 2 H+

(□− bedeutet Kunstharzmatrix, z.B. Polystyrol mit aktiven Gruppen; durch chemische

Reaktion eingebracht).

Anionenaustauscher (Kunstharz mit z.B. NR3+-Gruppen), Prinzip:

SO42− + 2Cl−□ → O4S−□ + 2 Cl−.

Löslichkeit von CaCO3 (bzw. MgCO3) in Wasser (bei 25 °C):

L(CaCO3) = 4.7 ⋅ 10−9

L(MgCO3) = 2.6 ⋅ 10−5

Wieviel CaCO3 (in mg) sind in 1 L Wasser löslich?

L(CaCO3) = [Ca2+] ⋅ [CO32−]

[Ca2+] = [CO32−]

[Ca2+] = √ L = √ 4.7 ⋅ 10−9

[Ca2+] = 6.856 ⋅ 10−5 (entspricht der molaren Löslichkeit in mol/L).

M(CaCO3) =100.00 g/mol m = n M

m = 6.856 ⋅ 10−5 mol/L ⋅ 100.00 g /mol = 6.856 ⋅ 10−3 g/L

also: 6.86 mg/L.

Welcher Wasserhärte (in °dH) entspricht das?

m = n M M(Ca) = 40.08 g/mol

m(Ca2+) = 6.856 ⋅ 10−5 mol/L ⋅ 40.08 g /mol = 2.748 ⋅ 10−3 g/L

also: 2.75 mg/L.

1 °dH entspricht 7.14 mg (Ca2+)/L

Dreisatz ergibt somit: 0.39 °dH.

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Säure-Base-Chemie von Aminosäuren

Aminosäuren – polyfunktionelle Moleküle

Nomenklatur: Aminosäuren (AS) = Aminocarbonsäuren

−NH2 = Aminogruppe; −COOH = Carboxylgruppe.

In der Natur kommen ca. 500 AS vor, wobei 20 α-AS am Aufbau der Proteine

beteiligt sind (Folie, Übersicht; kurzer Verweis auf β-AS).

AS sind prinzipiell Ampholyte, d.h. sie beinhalten mit der Amino- bzw. der Carboxyl-

Gruppe in wässriger Lösung Paare aus schwacher Säure und schwacher Base und

stehen damit in enger Beziehung zum Salz Ammoniumacetat.

Wiederholung: Wir betrachten noch einmal kurz die Kurven für die Titrationen von

Essigsäure mit NaOH bzw. Ammoniak mit Salzsäure und wiederholen, dass die Salze

NH4Cl (Kation-Säure) bzw. NaOAc (Anion-Base) in wässriger Lösung der Protolyse

unterliegen und eine saure bzw. basische Reaktion ergeben (s.o.).

Definition Ampholyt:

Eine Verbindung, die sich aus den Bestandteilen HB+ und A− zusammensetzt (egal ob

als Einzelbestandteile in Ionen, oder in einem Molekül gleichzeitig gebunden wie z.B.

in Aminosäuren), wird als Ampholyt definiert, wenn die pKS-Werte von HB+ und HA

im Bereich von −1,7 bis 15,7 liegen. Der Grenzfall wird beim Wasser gefunden (pKS =

15,75). Literatur: Vorlesungsskript AC1, Prof. Klüfers (pdf-Version, S. 98−106.)

Wir betrachten in Umkehrung zur Titrationskurve (s. Praktikumsskript S. 32−35) die

Titration von Glycin aus einer stark sauren Lösung heraus.

Ausgangspunkt: die AS stellt in vollständig protonierter Form eine zweiprotonige

Säure dar. Liegt Glycin in stark saurer Lösung vor, so ist auch die Aminogruppe (!)

vollständig protoniert. Wird mit Lauge titriert, so stellen sich folgende Gleichgewichte

ein:

−H+ −H+ H3N+−CH2−COOH → H3N+−CH2−COO− → H2N−CH2−COO−

pKS1 pKS2

am IP: vollständig als Zwitterion

H2A+ (Säure) HA A− (Base)

(HA = korrespondierende Base) (HA = korrespondierende Säure)

Page 33: 2012.10.16 Skript Vorlesung (4.FolienAC) (LL)

33

Der pKS1 (2.35) im Vergleich zum pKS2 (9.78) zeigt uns, dass die Carboxylfunktion

die stärkere Säure ist, also wird zuerst an diesem Ort eine Deprotonierung durch die

zugesetzte Base erfolgen.

Die Deprotonierung (bzw. Protonierung) der funktionellen Gruppen in Abhängigkeit

vom pH-Wert lassen sich mit der Puffer-Gleichung beschreiben. Dabei gilt für die

Carboxylfunktion:

pH = pKS1 + lg [HA]/[H2A+].

Für die Aminofunktion gilt:

pH = pKS2 + lg [A−]/[HA].

Isoelektrischer Punkt (IP): Anzahl der positiven Ladungen = Anzahl der negativen

Ladungen, d.h. nach außen neutral, keine Ionen-Beweglichkeit im elektrischen Feld.

Herleitung des pH-Wertes (für neutrale AS), für den der IP erreicht ist (pHIP) aus der

Puffergleichung: Umformen der beiden genannten Puffergleichungen ergibt

lg [H2A+] = − pH + pKS1 + lg [HA] bzw.

lg [A−] = pH − pKS2 + lg [HA].

Für den IP gilt: [H2A+] = [A−].

Gleichsetzen beider Gleichungen ergibt für den pHIP:

− pHIP + pKS1 + lg [HA] = pHIP − pKS2 + lg [HA]

somit schließlich:

pHIP = ½ (pKS1 + pKS2) (vgl. Gleichung im Praktikumsskript S. 34).

In analoger Weise lassen sich die Gleichungen für die AS mit basischer bzw. saurer

Seitenkette herleiten. (Üben Sie das doch einmal!)

Zum Verständnis der einzelnen pKS-Werte von AS sind die elektronischen

Verhältnisse im jeweiligen Molekül zu analysieren (s. Lehrbücher der organischen

Chemie, z.B. Organikum). Einige Grundregeln wollen wir besprechen.

a) Säurestärke von Carbonsäuren

Mit zunehmender Kettenlänge nimmt die Säurestärke ab, da der +I-Effekt

(zunehmender Elektronenschub der Alkylkette auf die Carboxylatfunktion) ansteigt:

HCOOH pKS = 3.75

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34

CH3COOH pKS = 4.75

C2H5COOH pKS = 4.87.

Einfluss elektronenziehender Substituenten (induktive Effekte!):

CH3COOH pKS = 4.75

ClCH2COOH pKS = 2.70 Chloressigsäure

Cl3CCOOH pKS = 0.66 Trichloressigsäure

F3CCOOH pKS = 0.23 Trifluoressigsäure.

b) Säurestärke von Hydroxylfunktionen

Weiterhin spielen mesomere Effekte eine Rolle, hauptsächlich, wenn aromatische

Ringsysteme auftreten, Bsp. Phenol im Vergleich zu Methanol bzw. Ethanol.

C6H5OH pKS = 10.00

H2O pKS = 15.75

CH3OH pKS = 16.00

C2H5OH pKS = 18.00.

Dünnschichtchromatographie von AS

Chromatographie (physikalisch-chemisches Trennverfahren): analytische (bzw.

präparative) Trennung eines Stoffgemisches zwischen zwei miteinander nicht

mischbaren Phasen. Hier speziell: Verteilungschromatographie (auch andere Arten

wie z.B. Adsorptions- oder Ionenaustauschchromatographie sind bekannt).

Prinzip: eine strömende (mobile) Phase läuft an einer stationären Phase vorbei, es

kommt zur Einstellung von Verteilungsgleichgewichten.

Anforderungen an die Trägermaterialien (stationäre Phase): einheitliche Korngröße (!)

und möglichst wenig aktive Oberfläche (Aluminiumoxid, SiO2 als Kieselgel;

Cellulose, Stärke).

Säule oder DC-Platte wie im Praktikumsversuch 2.1 (Zur Auswertung über den

Rententionsfaktor, Rf-Wert, s. dort).

DC-Platten (auf Glasplatte aufgetragen oder auf verstärkter Alufolie):

- Schichtdicke 250 bis 300 µm

- Trennzeiten zwischen 30 bis 60 min.

Die Retentionsfaktoren sind für bestimmte Systeme unter klar definierten

Bedingungen tabelliert nachzulesen.

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35

Wichtiger Hinweis: Stellen Sie Ihre Chromatographiekammer an einen ruhigen Ort ab

(erschütterungsfrei) und ziehen Sie die Platten rechtzeitig aus dem Laufmittelgemisch

heraus, bevor die Lösungsmittelfront am oberen Rand angekommen ist!

Die Entwicklung des Chromatogramms erfolgt mit einer Ninhydrin-Lösung, die

organische Chemie dazu ist im folgenden Schema gezeigt. Ein blau-violetter Farbfleck

zeigt Ihnen an, wie weit die entsprechende AS auf der Platte gelaufen ist.

Ninhydrin-Reaktion:

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36

Titration von Glycin aus saurer Lösung mit einer NaOH-Maßlösung:

(hier pHIP = 6.0; unterschiedliche Angaben in Literatur beachten!)

Titration von Aminosäure-Zwitterionen

Es soll hier die Titration einer (unbekannten) Aminosäure (HA) besprochen werden.

Gegeben: pKS1 = 2.19; pKS2 = 9.21; Berechnen Sie aus der gegebenen Titrationskurve,

welche AS vorliegt. Dazu werden 210.2 mg der Säure in 200 mL salzsaurer Lösung

vorgelegt. Die Säure liegt so als Hydrochlorid mit vollständig protonierter

Aminofunktion vor.

• Wie groß ist der Verbrauch an Maßlösung bis zum Punkt τ = 0.5 (entspricht dem 1.

Pufferpunkt)?

Page 37: 2012.10.16 Skript Vorlesung (4.FolienAC) (LL)

37

Aus der Kurve kann im unteren Teil abgelesen werden, dass der Punkt τ = 0.5 einem

Verbrauch von 2 mL Maßlösung entspricht, es gilt:

pH = pKS1 + lg [HA]/[H2A+] = 2.19.

• Wie groß ist der Verbrauch an Maßlösung bis zum Punkt τ = 1?

Aus der Kurve kann abgelesen werden, dass der Punkt τ = 1 einem Verbrauch von 4 mL

Maßlösung entspricht, es ist der IP erreicht, an dem nur das Zwitterion vorliegt.

• Wie groß ist der Verbrauch an Maßlösung bis zum Punkt τ = 1.5 (entspricht dem 2.

Pufferpunkt)?

Aus der Kurve kann im oberen Teil abgelesen werden, dass der Punkt τ = 1.5 einem

Verbrauch von 6 mL Maßlösung entspricht, es gilt:

pH = pKS2 + lg [A−]/[HA] = 9.21.

Entnehmen Sie niemals den pH-Wert für den IP aus der Kurve, sondern berechnen Sie ihn

nach: pHIP = ½(pKS1 + pKS2) = ½(2.19 + 9.21) = 5.70.

(Im steilsten Kurvenabschnitt entsteht der größte Fehler beim Ablesen auf der Achse für

den pH-Wert!)

Am Punkt τ = 1 kann aus dem Verbrauch der Maßlösung die molare Masse der

unbekannten Säure berechnet werden, da folgende Beziehungen gelten:

c1V1 = c2V2 mit c = n/V gilt auch: n1 = n2 bzw. m1/M1 = m2/M2

oder anders:

M (ges. AS) = Einwaage (mg) / mmol an zugesetztem OH−

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Hier im Beispiel: M (AS) = 210.2 mg / 2 mmol = 105.10. Diese molare Masse entspricht

der des Serins.

Exkurs Säurestärke:

Die Aminosäure Serin entspricht in seiner Zusammensetzung fast dem Cystein (s.

Praktikumsskript Tabelle S. 37) mit dem Unterschied, dass die SH-Gruppe der Seitenkette

des Cysteins durch eine OH-Gruppe im Serin ersetzt ist. Beachten Sie, dass Cystein einen

Wert pKS3 = 8.37 in der Seitenkette besitzt (SH-Funktion), beim Serin gibt es keinen Wert

pKS3 (OH-Funktion). Vergleichen Sie dazu auch folgende Werte: pKS (H2O) = 15.75, aber

pKS (H2S) = 7.00. Auch hier gilt die Regel, dass innerhalb einer Hauptgruppe die

Säurestärke homologer Verbindungen nach unten hin zunimmt

(Elektronegativitätsdifferenz, Atomradien).

Beeinflussung der Protolysegleichgewichte von AS durch Komplexbildung:

Die beiden funktionellen Gruppen (-NH2 und -COO−) befähigen die AS grundsätzlich als

Komplexbildner (Liganden) zu fungieren. Somit wird es in Gegenwart von Metallionen in

wässrigen Lösungen von AS zu Konkurrenzreaktionen zwischen H+ und Mn+ um den

Säurerest kommen.

Zu Versuch 2.3 (Praktikumsskript S. 38 oben):

Die Titrationskurve des Glycins aus saurer Lösung heraus mit NaOH-Maßlösung ohne

Zusatz von Cu2+-Ionen sollte so ähnlich aussehen wie oben abgebildet.

In Gegenwart von Cu2+-Ionen erfolgt eine Komplexbildung. Aus der Stöchiometrie der

Versuchsvorschrift ist zu vermuten, dass ein 1:2- Komplex entstehen sollte:

Cu2+ + 2 H2N-CH2-COOH + 2 H2O → [CuII(H2N-CH2-COO)2(H2O)2] + 2 H+

(verzerrt oktaedrische Koordination, vgl. [CuII(NH3)4(H2O)2]2+).

Hier liegt aber ein Neutralkomplex vor, da die AS als monoanionischer Ligand fungiert

(inneres Komplexsalz, Innerkomplex), s. Reaktionsgleichung.

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39

Titration einer Ammoniumacetat-Lösung:

Ammoniumacetat ist ein Ampholyt (s.o.) und steht somit in enger Beziehung zu den AS.

Die neutrale Reaktion von NH4OAc in Wasser ist Zufall, d.h., nicht alle Ammoniumsalze

von schwachen organischen Säuren reagieren neutral!

Beispiele (für H2O, 25 °C):

HCOOH pKS = 3.75 Ameisensäure

CH3COOH pKS = 4.75

C7H15COOH pKS = 4.90 (Octansäure). NH4

+ pKS = 9.25

Für NH4OAc: pH = ½ (pKS1 + pKS2) = ½ (4.75 + 9.25) = 7.00

Für NH4OOCH: pH = ½ (pKS1 + pKS2) = ½ (3.75 + 9.25) = 6.50 (sauer)

(Ammoniumformiat)

Für NH4OOC-C7H15: pH = ½ (pKS1 + pKS2) = ½ (4.90 + 9.25) = 7.08 (schwach basisch).

Zum Verständnis der Titrationskurve (vgl. Praktikumsskript S. 39):

Ammoniumacetat, das Salz einer schwachen Säure, HOAc, und einer schwachen Base,

NH3, reagiert im Prinzip beim Auflösen in Wasser neutral. Das ist jedoch Zufall, da sich

die pKs-Werte von NH4+ (9.25) und von HOAc (4.75) genau zu 14 ergänzen.

• Beginn der Titration: Einstellen auf einen pH-Wert von ca. 11.5:

NH4+ + OH− → NH3 + H2O,

d.h. alles NH4+ wird unter diesen Bedingungen vollständig in NH3 umgewandelt.

• Zugabe von Maßlösung (0.1 m Salzsäure): NH3 + H+ → NH4+

(An OAc− passiert nichts, da bei diesen pH-Werten vollständig deprotoniert!)

Der pKB von NH3 (4.75) im Vergleich zum pKB vom OAc− (9.25) zeigt uns, dass NH3 die

stärkere Base ist, also wird zuerst an diesem Ort eine Protonierung erfolgen (vgl.

Titrationskurve der AS und Text im Skript auf S. 31).

• pH-Wert fällt nun sukzessive ab, bei pH = 9.25 wird der Pufferpunkt des Systems

NH4+/NH3 erreicht, es gilt [NH4

+] = [NH3], d.h. genau die Hälfte des aus dem

Ammoniumsalz erzeugten Ammoniaks ist „wegtitriert“ (in der Kurve HP2).

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40

• Beim pH-Wert von 7.00 (EP2) gilt: [NH4+] = [OAc−], d.h. alles NH3 ist quantitativ in

NH4+ überführt, weitere Säurezugabe bewirkt jetzt nur noch Reaktion am Acetation.

• weitere Zugabe von H+ führt nun zur Bildung von Essigsäure:

OAc− + H+ → HOAc

(Am NH4+ passiert nichts mehr, da bei diesen pH-Werten vollständig protoniert!)

• Bei pH = 4.75 (HP3) ist der Pufferpunkt der Essigsäure erreicht, es gilt:

[OAc−] = [HOAc].

• Am Ende der Titration liegt alles Acetat als Essigsäure vor (EP3). Die weitere

Säurezugabe im großen Überschuss läuft schließlich zur Annäherung an pH = 1.

Zur Berechnung: Graphische Ermittlung der einzelnen Punkte aus der Titrationskurve

vornehmen. (Besser noch: exakten Verbrauch für EP am Titrando ablesen). Zur

eigentlichen Berechnung wird der Verbrauch (mL an 0,1 m HCl) am EP2 und am EP3

ermittelt und die Differenz gebildet. Am EP2 liegt quantitativ NH4OAc vor, am EP3 sind

alle Acetationen protoniert. Somit gilt für die Berechnung:

OAc− + H+ → HOAc.

Berechnung: 1 mL einer 0,1 m HCl entspricht 0,1 mmol NH4OAc (C2H7NO2 = 77.08 g),

also 7,708 mg NH4OAc.

Komplexometrische Fe-Bestimmung (s.o.)

Vergleich des Fe-Wertes mit dem ermittelten durch Gravimetrie (s.u.).

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41

Gravimetrie (Literatur: Jander/Blasius, 2005, S. 355−380)

● Einführungen zum Löslichkeitsprodukt (L), Gravimetrische Maßanalyse

Gravimetrie (Masseanalyse):

Bestimmungsverfahren, bei dem der zu erfassende Stoff in Form eines schwerlöslichen

Niederschlags definierter Zusammensetzung(!) aus der Lösung ausgefällt und abgetrennt

wird (Filtration). Nach entsprechender Weiterbehandlung (Überführung in die Wägeform)

wird aus der gefundenen Masse der Wägeform auf den Gehalt des zu bestimmenden

Bestandteils in der Probe geschlossen. Die Berechnung erfolgt durch Multiplikation der

Auswaage der Wägeform mit dem gravimetrischen Faktor [λ].

● Niederschlag muss möglichst quantitativ gefällt werden

(hierbei günstig: sehr kleines Löslichkeitsprodukt)

● Fällungsform, Wägeform

● Bestimmungen mit sehr kleinem Faktor sind genauer!

Fällungs- und Wägeform können nach dem Trocknungsprozess identisch sein, z.B.:

Bestimmung von Fällungsform Wägeform

BaII BaSO4 BaSO4

PbII PbSO4 PbSO4

CuI CuSCN CuSCN

Für die Fällung der Hydroxide (z.B. M = Fe, Al, Cr) mit anschließender Veraschung

gilt dies nicht (vgl. V 2.7, Analyse 5b, Gravimetrische Fe-Bestimmung). Die zunächst

gefällten Hydroxide M(OH)3 ⋅ H2O werden beim Glühvorgang (Fe, 750 °C) in die

definierten Oxide M2O3 überführt und so zur Auswaage gebracht.

Für Fe: Fe(OH)3 → Fe2O3 + 3 H2O ↑

• Berechnung des gravimetrischen Faktors, z.B. Fe3+:

[λ] = Stöchiometriefaktor . M des gesuchten Elements / M der Wägeform

Für Fe2O3: [λ] = 2 . M (Fe) / M (Fe2O3) = 111.68 / 159.68 = 0.6994.

Mit anderen Worten besteht Eisen(III)-oxid zu 69.94% aus Eisen.

Die Menge an zu bestimmenden Element berechnet sich wie folgt:

m[mg] = A . [λ] (A = Auswaage).

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Beispiele für Bestimmungen mit günstigem Faktor:

● Kalium als „Kalignost“, Fällung mit Natriumtetraphenylborat:

K+ + BPh4− → K[BPh4] (Ph = C6H5, Phenyl)

weißer Nd. [λ] = 0.1091.

● Phosphor (Phosphat) nach „Woy“:

12 MoO42− + 24 H+ + PO4

3− + 3 NH4+ → (NH4)3[P(Mo12O40)] + 12 H2O

gelber Nd. [λ] = 0.0165.

Das gesuchte Element befindet sich hier nur zu 1.65% in der Wägeform!

Bei gravimetrischen Bestimmungen muss unter Umständen auf die Erhöhung der

Löslichkeit z.B. durch Komplexbildung geachtet werden (z.B. bei

Chloridbestimmung).

AgCl kann sich beispielsweise in salzsaurer Lösung mit einem Überschuss an Chlorid

unter Komplexbildung wieder lösen:

AgCl + Cl− → [AgCl2]−.

Bei gravimetrischen Methoden ist ein Fällungsgrad von 99.9% anzustreben. Dabei

sind die Volumina bei den analytischen Arbeiten möglichst gering zu halten, da sich

mit zunehmender Verdünnung die Löslichkeit erhöht; somit wird die Methode

ungenauer.

• Vergleich zwischen direkter und homogener Fällung:

Bisher haben wir nur die so genannte direkte Fällung betrachtet, d.h., das

Fällungsreagenz wurde dabei als „vorgebildete“ Substanz zugegeben.

Nachteile dabei: an der Eintropfstelle kann es zu starken Übersättigung in der Lösung

kommen, in der Folge resultiert eine Bildung vieler Kristallkeime, die wiederum

schwer filtrierbare Niederschläge mit eventuellen Fremdionen-Einschlüssen ergeben.

Würde man jetzt unmittelbar nach der Fällung filtrieren, wäre die Analyse sehr

fehlerhaft. Diese Probleme können durch die homogene Fällung umgangen werden.

Dabei erfolgt eine langsame und kontinuierliche Freisetzung des Fällungsreagenzes in

der Analysenlösung durch eine chemische Reaktion. Somit wird die lokale

Übersättigung und die damit verbundene hohe Kristallkeimbildung mit eventuellen

Fremdionen-Einschlüssen vermieden (vgl. Urotropinfällung in V 2.7, Analyse 5b,

Gravimetrische Fe-Bestimmung). Urotropin (Hexamethylentetramin): es setzt bei der

Hydrolyse allmählich Ammoniak frei: C6H12N4 + 6 H2O → 4 NH3 + 6 HCHO.

In Wasser bilden sich dann die für die Fällung erforderlichen Hydroxid-Ionen:

NH3 + H2O → NH4+ + OH− .

Page 43: 2012.10.16 Skript Vorlesung (4.FolienAC) (LL)

43

Redoxchemie: starke Oxidationsmittel

Der nachfolgend abgehandelte Stoff dient zum Verständnis des Kapitels 3 („Bleiche,

Desinfektion…“) im Liebiglaboratorium. Die dortige Einführung (unter 3.1) zur

Biochemie wird später Gegenstand von Vorlesungen in höheren Semestern sein und

wird nicht den Klausurstoff im ersten Semester berühren. Nutzen Sie zur Vorbereitung

auf die Praktikumsversuche den Text des Praktikumsskriptes auf den Seiten 45 bis 48

und in diesem Skript die Ausführungen zu Redoxreaktionen, s.o. (S. 11 bis 15).

Das wichtigste Handwerkszeug zum Verständnis der Redoxchemie in wässriger

Lösung stellt die elektrochemische Spannungsreihe dar. Im engen Zusammenhang

damit steht die Normalwasserstoffelektrode (NWE) und die Nernstsche Gleichung zur

Berechnung von Potentialwerten und zum Verständnis der pH-Wert-Abhängigkeit von

Redoxreaktionen.

Elektrochemische Spannungsreihe

Eine Redoxreaktion setzt sich aus zwei Halbzellenreaktionen zusammen, wobei ein

Oxidationsmittel mit einem Reduktionsmittel reagiert. Das Oxidationsmittel wird

dabei reduziert, das Reduktionsmittel wird oxidiert. Die Potentiale von

Halbzellenreaktionen können unter Standardbedingungen (Normalbedingungen)

bestimmt werden, indem eine konkrete Halbzellenreaktion gegen die NWE geschaltet

wird. Die NWE besitzt selbst ein Potential, sie wird allerdings als Bezugselektrode

definitionsgemäß gleich 0 V gesetzt. Beim Benutzen von Auflistungen von

Standardpotentialen (Spannungsreihen) z.B. aus Lehrbüchern sollten Sie folgendes

beachten:

Zweckmäßigerweise sollten die Potentiale (E0) von negativen Werten zu positiven

Werten aufgelistet sein; die oxidierte Form sollte links, die reduzierte Form der

Halbzellenreaktion rechts aufgeführt sein (IUPAC-Empfehlung). Für das Verständnis

der Praktikumsversuche finden Sie eine Auflistung einiger Potentialwerte auf S. 62

des Praktikumsskriptes. Beachten Sie, dass solch eine Auflistung stets immer nur

einen Ausschnitt darstellt, sie kann niemals vollständig sein. Außerdem sollte

unbedingt angegeben sein, bei welchem pH-Wert die Potentialwerte (E0) bestimmt

wurden. Die allgemein bekannte Redoxchemie spielt sich übrigens in einem Bereich

von ca. −3.00 V (starke Reduktionsmittel) bis ca. +3.00 V (starke Oxidationsmittel)

ab.

Page 44: 2012.10.16 Skript Vorlesung (4.FolienAC) (LL)

44

Elektrode (erster Art)

Wird beispielsweise ein Metall in eine seiner Metallsalzlösungen eingetaucht, z.B. ein

Stab aus reinem Kupfer taucht in eine Kupfer(II)-sulfatlösung ein, so sprechen wir von

einer Elektrode (erster Art): Cu2+ + 2 e− → Cu

Das elektrochemische Potential dieser Elektrode kann durch Schaltung zur NWE unter

Normalbedingungen bestimmt werden; es ergibt sich für pH = 0 ein Potentialwert von

E0 = +0.34 V.

Die NWE besteht aus einer Platinelektrode, die in eine schwefelsaure Lösung vom pH

= 0 eintaucht. Am unteren Ende der Platinelektrode befindet sich ein platiniertes

Platinblech, das kontinuierlich von einem Wasserstoff-Gasstrom umspült wird (25 °C,

1 atm Gasdruck bzw. 1.013 bar).

Elektrodenvorgang: 2 H+ + 2 e− → H2.

Halbzellenreaktionen, deren Normalpotential mit positiven Werten über der NWE

steht, sind eher als Oxidationsmittel anzusehen. Halbzellreaktionen, deren

Normalpotential mit negativen Werten unterhalb der NWE steht, sind eher als

Reduktionsmittel anzusehen. Beachten Sie aber dabei die folgende generelle Regel:

Die oxidierte Form einer Halbzellenreaktion mit höherem Potentialwert E0 reagiert

freiwillig mit der reduzierten Form einer Halbzelle mit kleinerem Potentialwert E0.

Beispiel:

Cl2 + 2 e− → 2 Cl− E0 = +1.36 V

MnO4− + 8 H+ + 5 e− → Mn2+ + 4 H2O E0 = +1.51 V

Im Vorpraktikum (vgl. Praktikumsskript S.14) haben Sie einen Versuch durchgeführt,

in dem Sie Kaliumpermanganat mit konzentrierter Salzsäure versetzt haben. Dabei

entwickelte sich spontan ein gelbgrünes Gas, nämlich elementares Chlor. Nach der

genannten Regel verstehen wir jetzt dieses Prinzip besser und brauchen eigentlich

nicht auswendig zu lernen, warum die Reaktion so verläuft: der Blick in die

Page 45: 2012.10.16 Skript Vorlesung (4.FolienAC) (LL)

45

Spannungsreihe sagt uns den zu erwartenden Reaktionsverlauf voraus. Beachten Sie

aber, dass es sich hier um eine prinzipielle Regel handelt. Es gibt Ausnahmen von der

Regel, über die wir noch an geeigneter Stelle sprechen werden.

Nernstsche Gleichung:

Mit Hilfe dieser Beziehung kann das Potential einer Elektrode (bzw. einer

Halbzellenreaktion) konkret berechnet werden. Es gilt unter Normalbedingungen:

E = E0 + RT / nF . ln ( [Ox.] / [Red.] ) [V]

[Ox.] bedeutet Produkt aller Konzentrationen der Halbzelle, die auf der Seite der

oxidierten Form auftreten (mit jedem Stöchiometriefaktor als Exponent);

[Red.] bedeutet Produkt aller Konzentrationen der Halbzelle, die auf der Seite der

reduzierten Form auftreten (mit jedem Stöchiometriefaktor als Exponent).

Da häufig für Standardbedingungen (25 °C) berechnet wird, kann die Gleichung

vereinfacht werden (Übergang zum dekadischen Logarithmus sowie die Konstanten R,

T und F zusammengefasst):

E = E0 + 0.059/ n . lg ( [Ox.] / [Red.] ) [V]

Nutzen Sie nach Möglichkeit eine Spannungsreihe, in der die oxidierte Form der

Halbreaktion links und die reduzierte Form rechts aufgeführt sind. So können Sie die

Bestandteile direkt in die Beziehung einsetzen. (Prinzipiell können Sie im

logarithmischen Teil Zähler und Nenner auch vertauschen, sollten dann aber beachten,

dass sich das Vorzeichen ändert.)

Für die o.g. Kupferhalbzelle würde gelten:

E = 0.34 + 0.059/ 2 . lg ( [Cu2+] / [Cu] ) [V]

Da für eine feste Phase die Aktivität = 1 gesetzt werden kann, gilt für diese Elektrode

vereinfacht: E = 0.34 + 0.059/ 2 . lg [Cu2+] [V].

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46

Peroxide, Peroxoverbindungen:

Wasserstoffperoxid, H2O2

Wenn in einem Molekül eine Gruppierung −O−O− auftritt, handelt es sich um die

Peroxido-Gruppe, jedem Sauerstoff wird dabei die Oxidationsstufe −I zugeordnet.

Peroxomonoschwefelsäure (Carosche Säure): (HO)(O)2S−O−O−H,

(Formel H2SO5 weniger hilfreich)

Peroxodischwefelsäure (Marshallsche Säure): (HO)(O)2S−O−O−S(O)2(OH),

(Formel H2S2O8 weniger hilfreich).

Perborat: [B2(OH)4(µ-O2)2]2−

Nachweisreaktionen von Peroxiden

(a) als Chromperoxid (“CrO5” tiefblaue Farbe):

Die Benutzung der Summenformel CrO5 ist nicht zu empfehlen, da hier leicht das

Problem besteht, dass der „Anfänger“ dem Chrom die Oxidationsstufe +X zuordnet.

Die Schreibweise [Cr(O)(O2)2] ist zu bevorzugen, so dass schnell die beiden Peroxido-

Liganden erkannt werden; somit ergibt sich für das Chrom die Oxidationsstufe +VI.

Es gibt eine Kristallstrukturuntersuchung des Pyridinadduktes (1964), wobei sich zwei

Betrachtungsweisen für die Struktur ergeben: (i) pentagonal pyramidal, wenn alle 4

Peroxido-Sauerstoffatome jeweils als einzelne Koordinationsstellen betrachtet werden,

mit dem Pyridin-N-Atom in der pentagonalen Ebene und dem Oxidoliganden in

axialer Position, oder (ii) eine zweite Betrachtungsweise ist die, dass die beiden

Peroxido-Liganden jeweils nur eine Koordinationsstelle besetzen (Mittelpunkt der O-

O-Bindung des Peroxids), weiterhin der Oxidoligand die dritte und das Pyridin-N-

Atom die vierte Koordinationsstelle. Somit kann die Geometrie als Tetraeder

angesehen werden.

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47

Bei der Bildung des Chromperoxids handelt sich um keine Redoxreaktion, da weder

am Peroxid noch am Chrom ein Wechsel der Oxidationsstufen erfolgt, die Reaktion ist

als Ligandenaustauschreaktion anzusehen:

[Cr2O7]2− + 2 H+ + 4 H2O2 → 2 [Cr(O)(O2)2] + 5 H2O.

Bei diesem Nachweis ist die wässrige Phase mit Ether zu überschichten, um überhaupt

den Komplex in der organischen Phase stabilisieren zu können. In wässriger Lösung

allein erfolgt sehr rasch Zersetzung nach:

4 [Cr(O)(O2)2] + 12 H+ → 4 Cr3+ +6 H2O + 7 O2↑.

Hierbei handelt es sich jetzt um einen Redoxprozess.

(b) Peroxid-Nachweis mit Titanylsulfat, [TiO]SO4:

Das Kation [TiO]2+ liegt nicht als diskretes Kation in dieser Form vor! In festem

Titanylsulfat liegen polymere Ketten (TiO)n2n+ (Isopolykationen) vor, in wässriger

Lösung formuliert man besser als [TiO]2+ . aq. Solche Lösungen (angesäuert) zeigen

eine charakteristische Nachweisreaktion für Peroxide (intensiv gelborange

Farbreaktion).

[TiO]2+ . aq + H2O2 → [Ti(O2) aq]2+ + H2O

Formulierung der Komplexe, z.B. als [Ti(O2)(H2O)n]2+ (n = 4, 5).

(c) Peroxid-Nachweis mit essigsaurer KI-Lösung (bedingt, z.B. Prüfen auf Peroxid in

organischen Lösungsmitteln):

2 I− + H2O2 + 2 H+ → I2 + 2 H2O. (Gelbfärbung, bzw. bei Stärkezusatz blau)

Warum sollte hier mit Essigsäure angesäuert werden? Was passiert, wenn mit H2SO4

oder mit HNO3 angesäuert würde?

Reaktionen mit Hyperoxid (Superoxid)

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Rasche Zersetzung in wässriger Lösung:

2 O2⋅− + 2 H+ → O2↑ + H2O2

Im Hyperoxid liegt jedes Sauerstoffatom in der formalen Oxidationsstufe −1/2 vor, es

neigt extrem zur Disproportionierung. In einem gekoppelten Redoxprozess geht dabei

ein Element aus einer mittleren Oxidationsstufe in zwei Verbindungen mit jeweils

größerer bzw. kleinerer Oz. über.

Oxidation: O2⋅− → O2 ↑ + e−

Reduktion: O2⋅− + 2 H+ + e− → H2O2

Die Addition beider Teilgleichungen (unter Weglassen der Elektronen) ergibt die oben

genannte Reaktionsgleichung für die spontane Zersetzung von z.B. KO2 bei Zugabe

von Wasser.

Redoxchemie des Wasserstoffperoxids

(a) Katalytische Zersetzung:

2 H2O2 → 2 H2O + O2↑.

Das Enzym Katalase kann hier beispielsweise als Katalysator wirken. Ein Katalysator

(positive Katalyse) setzt prinzipiell die Aktivierungsenergie der Reaktion herab,

verkürzt somit die Einstellzeit bis zum chemischen Gleichgewicht. Der Katalysator hat

aber keinen Einfluss auf die thermodynamische Gleichgewichtslage der Reaktion.

Im Fall der eben genannten Reaktion liegt ebenfalls eine Disproportionierung vor:

Oxidation: H2O2 → O2 + 2 H+ + 2 e−

Reduktion: H2O2 + 2 H+ + 2 e− → 2 H2O

Die Addition beider Gleichungen unter Weglassen der Elektronen ergibt die o.g.

Gesamtgleichung.

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Allgemein können wir feststellen, dass im H2O2 eine mittlere Oxidationsstufe am

Sauerstoff vorliegt (verglichen zu den beiden „stabileren“ Oz. von −II im H2O bzw.

+/−0 im O2). Somit sollte es leicht zur Disproportionierung neigen.

Erklärung anhand der Potentialwerte (pH = 0):

H2O2 + 2 H+ + 2 e− → 2 H2O E0 = +1.78 V

O2 + 4 H+ + 4 e− → 2 H2O E0 = +1.23 V

O2 + 2 H+ + 2 e− → H2O2 E0 = +0.68 V.

Das Standardpotential von E0 = +1.78 V der ersten Halbzellenreaktion zeigt, dass

H2O2 in saurer Lösung ein starkes Oxidationsmittel ist. Die untere Reaktion mit dem

recht kleinen Potentialwert zeigt den eher (schwächer) reduzierenden Charakter von

H2O2 in saurer Lösung. Die dazwischen aufgeführte Reaktion liegt so ziemlich genau

in der Mitte der beiden Potentialwerte.

Allgemein kann zum Redoxverhalten des H2O2 folgendes gesagt werden:

• Im sauren Bereich wirkt H2O2 als Reduktionsmittel, es wird dabei zu Sauerstoff

oxidiert.

Bsp.: Cr2O72− + 3 H2O2 + 8 H+ → 3 O2↑ + 2 Cr3+ + 7 H2O

orange grün

• Im basischen Bereich wirkt H2O2 als Oxidationsmittel, es wird dabei zu Wasser

(Oxid) reduziert.

Bsp.: 2 Cr3+ + 3 H2O2 + 10 OH− → 2 CrO42− + 8 H2O.

grün gelb

Zur pH-Wert-Abhängigkeit des Redoxpotentials im System CrIII/CrVI:

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50

Allgemein kann gesagt werden: Kann eine Redoxgleichung nur unter Zuhilfenahme

von OH− bzw. H+ formuliert werden, liegt eine pH-Wertabhängigkeit vor.

Cr2O72− + 14 H+ + 6 e− → 2 Cr3+ + 7 H2O bzw.

CrO42− + 3 e− + 4 H2O → Cr(OH)3 + 5 OH−

Die Folgereaktion im stark basischen Bereich ist hier noch mit einer Komplexbildung

verbunden: Cr(OH)3 + 3 OH− → [Cr(OH)6]3−.

Reduzierende Wirkung: Zersetzung von H2O2 mit KMnO4 in saurer Lösung

2 MnO4− + 5 H2O2 + 6 H+ → 2 Mn2+ + 5 O2↑ + 8 H2O

Die Gesamtgleichung kann wie folgt hergeleitet werden:

Reduktion: MnO4− + 8 H+ + 5 e− → Mn2+ + 4 H2O │ x 2

Oxidation: H2O2 → O2 + 2 H+ + 2 e− │ x 5

(Reduktion: E0 = + 1.51 V; Oxidation: E0 = + 0.70 V).

Oxidierende Wirkung: Zersetzung von H2O2 mit KI in saurer Lösung

2 I− + H2O2 + 2 H+ → I2 + 2 H2O

Oxidation: 2 I− → I2 + 2 e− E0 = + 0.54 V

Reduktion: H2O2 + 2 H+ + 2 e− → 2 H2O E0 = + 1.78 V

Nachweisreaktion: Blaufärbung durch Bildung des Iod-Stärke-Komplexes. Die

Einschlussreaktion des Stärkebestandteils Amylose und Iod ist eine exotherme

Reaktion, d.h. es wird Wärme frei. Wird dem System Wärme zugeführt, läuft die

Rückreaktion ab, es setzt also wieder Entfärbung ein (Prinzip von Le Chatelier).

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Elektrolytische Darstellung von Kaliumperoxodisulfat, K2S2O8

Die Elektrolyse von konzentrierter Schwefelsäure bzw. von Hydrogensulfat dient zur

Darstellung von Peroxodisulfat.

Anodische Oxidation (Pluspol): 2 HSO4− → S2O8

2− + 2 e− + 2 H+

Kathodische Reduktion (Minuspol): 2 H+ + 2 e− → H2↑.

Da die Halbzellenreaktion S2O82− + 2 e− → 2SO4

2− ein sehr hohes

Standardpotential aufweist (E0 = +2.01 V), damit selbst eines der stärksten

Oxidationsmittel darstellt, kommt im Prinzip nur die elektrochemische Präparation in

Betracht.

Die Elektrolyse von verdünnter Schwefelsäure (ohne KHSO4) zersetzt nur die saure

wässrige Lösung. Dabei entsteht an der Kathode Wasserstoff, an der Anode

Sauerstoff.

Anodische Oxidation (Pluspol): 2 H2O → O2↑ + 4 H+ + 4 e−

Kathodische Reduktion (Minuspol): 4 H+ + 4 e− → 2 H2↑.

Die Elektrolyse einer neutralen wässrigen Lösung bei pH = 7 würde sehr langsam

ablaufen. Soll diese Reaktion zur Darstellung von Wasserstoff bzw. Sauerstoff genutzt

werden, ist es notwendig, die Leitfähigkeit der Lösung zu erhöhen. Zu diesem Zweck

wird der Lösung etwas Schwefelsäure zugesetzt. Oxoniumionen weisen von allen

bekannten Ionensorten die weitaus höchste Äquivalentleitfähigkeit auf (vgl. dazu auch

PC-Teil im Praktikum, Kapitel 6).

Ein älteres technisches Verfahren zur Gewinnung von H2O2 beruhte auf dem eben

genannten elektrolytischen Verfahren. Während das Peroxodisulfation in Salzen in

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wässriger Lösung beständig ist, neigt die Säure H2S2O8 rasch zur Hydrolyse in zwei

Schritten:

(a) (HO)(O)2S-O-O-S(O)2(OH) + H2O → (HO)(O)2S-O-OH + H2SO4

Peroxodischwefelsäure H2SO5 (Peroxomonoschwefelsäure, Carosche Säure)

(b) weitere Hydrolyse:

(HO)(O)2S-O-OH + H2O → H2O2 + H2SO4

Hierbei ändern sich die Oxidationszahlen nicht, daher liegt kein Redoxprozess vor.

Wissenswertes zur Redoxchemie des Mangans

Die Redoxchemie des Mangans in wässriger Lösung kann alle Oxidationsstufen von

+II bis +VII durchlaufen, wobei die Stufen +II, +IV und +VII recht beständig sind.

Bei der Reduktion einer sauren Permanganatlösung mit geeigneten Reduktionsmitteln

wie z.B. SO2 (Reaktionsgleichungen üben!) oder geeigneten Peroxiden können

folgende Farben beobachtet werden:

MnO4− (VII, violett)

MnO42− (VI, dunkelgrün, nur im Basischen beständig)

MnO43− (V, blau, sehr unbeständig)

MnO2 (IV, braun, Ausfällung)

[Mn(H2O)6]3+ (III, granatrot, sehr unbeständig)

[Mn(H2O)6]2+ (II, rosa bzw. fast farblos, beständig).

Permanganate sind starke Oxidationsmittel, daher nach unserer Regel innerhalb der

Spannungsreihe im Prinzip weniger stabil. Daher werden Permanganate auch nicht in

natürlichen Vorkommen gefunden, sie werden technisch mit Hilfe von sehr starken

Oxidationsmitteln dargestellt, z.B. Oxidation des Mn2+ mit PbO2 / HNO3:

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Mn2+ + 4 H2O → MnO4− + 8 H+ + 5 e− │ x 2

PbO2 + 4 H+ + 2 e− → Pb2+ + 2 H2O │ x 5

2 Mn2+ + 5 PbO2 + 4 H+ → 2 MnO4− + 5 Pb2+ + 2 H2O.

Permanganat sollte eigentlich gemäß seiner Potentiallage Wasser unter Freisetzung

von Sauerstoff (besonders in saurer Lösung) zersetzen:

4 MnO4− + 4 H+ → 3 O2 ↑ + 2 H2O + 4 MnO2 ↓

Für das Erkennen dieses Prinzips werden folgende Gleichungen mit den dazu

gehörigen Potentialen benötigt:

MnO4− + 8 H+ + 5 e− → Mn2+ + 4 H2O E0 = + 1.51 V

O2 + 4 H+ + 4 e− → 2 H2O E0 = + 1.23 V.

Dieser Prozess ist allerdings kinetisch gehemmt, läuft also nur sehr langsam ab. Dass

er wirklich abläuft, wird daran bemerkt, dass Maßlösungen von Kaliumpermanganat

über längere Zeit nicht titerbeständig sind. Die Zersetzung solcher Lösungen kann

zusätzlich noch durch Verunreinigungen (wie z.B. Staub) oder durch Lichteinwirkung

beschleunigt werden. Kaliumpermanganat gehört somit zu den so genannten

metastabilen Verbindungen. Metastabilität im thermodynamischen Sinne bedeutet,

dass die Umwandlung eines instabilen Zustands in einen stabileren Zustand durch

innere oder äußere Einflüsse gehemmt ist. Nach Gleichgewichtslage sollten

metastabile Verbindungen eigentlich zerfallen, der Zerfall ist aber kinetisch gehemmt

(Reaktionsgeschwindigkeit unmessbar klein). Ein weiteres Beispiel dafür ist u.a. auch

das NO-Molekül, das unter Normalbedingungen eigentlich in die Elemente zerfallen

sollte.

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Permanganometrie

Aufgrund der erwähnten Titerunbeständigkeit von Permanganat-Maßlösungen ist es

erforderlich, den Titer regelmäßig zu überprüfen. Die Titerstellung dazu wird mit

Oxalsäure bzw. Natriumoxalat als Urtitersubstanz nach folgender Reaktion

vorgenommen:

2 MnO4− + 5 C2O4

2− + 16 H+ → 2 Mn2+ + 10 CO2 ↑ + 8 H2O.

Bewahren Sie diese Maßlösungen in braunen Flaschen an einem dunklen Ort auf.

• Die Gehaltsbestimmung peroxidhaltiger Lösungen kann mittels einer Permanganat-

Maßlösung entsprechend dem nachfolgenden Reaktionsprinzip vorgenommen werden.

2 MnO4− + 5 H2O2 + 6 H+ → 2 Mn2+ + 5 O2 ↑ + 8 H2O

(1 mL 0.02 mol/L KMnO4 = 0.05 mmol H2O2 = 1.707 mg H2O2).

• Auch Perborat (Gehalt an [B2(OH)4(µ-O2)2]2−) kann so bestimmt werden:

M([B2(OH)4(µ-O2)2]2−) = B2H4O8 = 153.65 [g/mol].

Da zwei Äquivalente Peroxid in der Formel stecken, gilt gemäß der obigen

Reaktionsgleichung: 1 mL 0.02 mol/L KMnO4 = 0.025 mmol B2H4O8 = 3.8413 mg

Perborat.

• Ebenso kann der Gehalt einer wässrigen Nitrit-Lösung mit Permanganat bestimmt

werden:

2 MnO4− + 5 NO2

− + 6 H+ → 2 Mn2+ + 5 NO3− + 3 H2O

(1 mL 0.02 mol/L KMnO4 = 0.05 mmol NO2− = 2.3005 mg Nitrit).

M(NO2−) = 46.01 g/mol.

Diese Bestimmungsmethode ist allerdings nur durchführbar, indem eine umgekehrte

Titration ausgeführt wird. Warum? Die Nitritprobe kann nicht (wie sonst üblich) als

Titrand in einer angesäuerten Lösung vorgelegt werden, da sofort eine Zersetzung des

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Nitrits durch die saure Lösung erfolgen würde. Es würde sich so spontan HNO2

bilden, die sich allerdings sofort rasch weiter zersetzt:

NO2− + H+ → „HNO2“

3 HNO2 → HNO3 + 2 NO ↑ + H2O

weitere Folge davon: 2 NO + O2 → 2 NO2 usw.

Unkontrollierte Reaktionen so genannter Nitroser Gase würden ablaufen.

• Bestimmung von FeIII nach Reinhardt-Zimmermann

(s. auch: Jander/Blasius 2005, S. 411/412)

MnO4− + 5 Fe2+ + 8 H+ → Mn2+ + 5 Fe3+ + 4 H2O

(1 mL 0.02 mol/L KMnO4 = 0.1 mmol Fe2+ = 5.5847 mg Fe).

Bei der Fe-Bestimmung nach Reinhardt-Zimmermann muss vorbereitend

gewährleistet werden, dass die zu bestimmende Menge an Fe quantitativ in Fe2+

übergeführt wurde:

(a) vollständige Reduktion des Fe3+ zu Fe2+ mit Sn2+ als Reduktionsmittel im

Überschuss:

2 Fe3+ + Sn2+ → 2 Fe2+ + Sn4+

(b) der Überschuss an Sn2+ wird anschließend durch Oxidation mit Hg2+ entfernt:

2 Hg2+ + Sn2+ + 2 Cl− → Sn4+ + Hg2Cl2 ↓.

Beachten Sie in diesem Zusammenhang folgendes: Die stark sauren Probelösungen

enthalten auch Chloridionen. Wie wir weiter oben gesehen hatten, bzw. wie ein Blick

in die Spannungsreihe zeigt, sollte dies eigentlich hinderlich sein:

Cl2 + 2 e− → 2 Cl− E0 = +1.36 V

MnO4− + 8 H+ + 5 e− → Mn2+ + 4 H2O E0 = +1.51 V.

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Gemäß dieser Potentiallage sollte die Fe-Bestimmung in chloridhaltiger Lösung

komplett gestört werden, es sollte sich Chlor entwickeln, was u.a. zu einem

Mehrverbrauch an Maßlösung führen würde. Dies wird verhindert, indem mit

Reinhardt-Zimmermann-Lösung gearbeitet wird, sie enthält größere Mengen an

MnSO4. Überlegen Sie, wie sich dadurch die Potentiallage verändert (Nernstsche

Gleichung), und somit Fe problemlos bestimmt werden kann.

Peroxodisulfat-Bestimmung:

Aufgrund der Potentiallage (s. Spannungsreihe) ist es nicht möglich, H2S2O8 direkt mit

Kaliumpermanganat zu bestimmen, es ist aber durch indirekte Titration möglich. Dazu

wird das Peroxodisulfat mit einem „milden“ Reduktionsmittel zu Sulfat reduziert,

wobei FeII verwendet wird (stabile Form als Mohrsches Salz, (NH4)2Fe(SO4)2 ⋅ 6H2O).

Reduktion: S2O82− + 2 e− → 2 SO4

2−

Oxidation: 2 Fe2+ → 2 Fe3+ + 2 e−

Eine störende Gelbfärbung des gebildeten Fe3+ wird durch einen Zusatz von

Phosphorsäure beseitigt: Bildung farbloser Komplexe (s.o. „Maskierung“).

Titration 1:

MnO4− + 5 Fe2+ + 8 H+ → Mn2+ + 5 Fe3+ + 4 H2O

grünlich orangegelb

Indem z.B. 25 mL der Fe(II)-Lösung titriert werden, wird sozusagen der Gehalt dieser

Lösung bestimmt.

Titration 2:

S2O82− + 2 Fe2+ → 2 SO4

2− + 2 Fe3+

Beim Vermischen von 25 mL der Fe(II)-haltigen Lösung mit 25 mL der S2O82−-

haltigen Lösung wird alles Peroxodisulfat in Sulfat übergeführt. Dazu muss die Fe(II)-

Lösung selbstverständlich im Überschuss vorliegen. Anschließend erfolgt eine

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Rücktitration des nicht verbrauchten Teils der Fe(II)-Lösung (nach der Gleichung

unter Titration 1).

Berechnung:

Verbrauch an Kaliumpermangant-Maßlösung für S2O82− = [Verbrauch 1−Verbrauch 2]

Der Vergleich der beiden Reaktionen ergibt:

S2O82− + 2 e− → 2 SO4

2− │ x 5

MnO4− + 8 H+ + 5 e− → Mn2+ + 4 H2O │ x 2

Somit ergibt sich ein Umsatz von: 5 S2O82− + 2 MnO4

Daraus folgt: 1 mL 0.02 mol/L KMnO4 = 0.05 mmol S2O82− = 9.607 mg S2O8

2−

M(S2O82−) = 192.12 g/mol.

Für die Berechnung zur Aufgabe benutzen Sie nun die vollständige Formel K2S2O8!

Elektrochemie

Der nachfolgend abgehandelte Stoff dient u.a. zum Verständnis der Versuche zum

Kapitel 6 im Liebig-Laboratorium. Wichtige Grundlagen dazu wurden im vorherigen

Kapitel zur Redoxchemie schon besprochen (Spannungsreihe, Nernstsche Gleichung).

Leitfähigkeit

Die Leitfähigkeit einer verdünnten Elektrolytlösung wird im Wesentlichen durch

folgende Größen beeinflusst:

(a) Anzahl (Konzentration) der Ladungsträger,

(b) Anzahl der Elementarladungen, die jedes Ion transportiert,

(c) Wanderungsgeschwindigkeit (Beweglichkeit) der Ionen: diese hängt von der Art

der Ionen, der angelegten Feldstärke und der temperaturabhängigen Viskosität des

Lösungsmittels ab.

Für Titrationen mit konduktometrischer Endpunktbestimmung ist die so genannte

Äquivalentleitfähigkeit der beteiligten Ionen von großer Bedeutung. Beispielsweise ist

die Ionenäquivalentleitfähigkeit von H3O+ und OH− -Ionen wesentlich größer als die

anderer Kationen bzw. Anionen. Die nachfolgende Auflistung verdeutlicht dies.

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Ionenäquivalentleitfähigkeiten (18 °C, in cm3 Ω−1 mol−1):

H3O+ 315

OH− 174

K+ 65

Na+ 44 Cl− 36

Die herausragend hohe Ionenäquivalentleitfähigkeit der Oxoniumionen wird durch

einen besonderen Wanderungsmechanismus der positiven Ladung in der Lösung

(Grotthus-Mechanismus) verursacht. Gleiches gilt auch für die Hydroxidionen.

Bezüglich der Leitfähigkeit anderen Ionen ist auf die Größe der Solvathülle zu achten:

Ionen mit großer Hydrathülle bewegen sich langsamer („schwerfälliger“) in der

Lösung als z.B. Ionen mit einer kleineren Hydrathülle. Generell bilden kleine Ionen

größere Hydrathüllen als größere Ionen aus. Deshalb ist beispielsweise die

Leitfähigkeit von Kalium-Ionen größer als die von Natriumionen (vgl. Auflistung).

Konduktometrische Titration einer Salzsäure mit einer Natronlauge-Maßlösung

Bei Zugabe der Maßlösung treten die H3O+- Ionen der Salzsäure mit den OH−- Ionen

der Lauge zu praktisch undissoziiertem Wasser zusammen:

H3O+ + OH− + Na+ + Cl− → 2 H2O + Na+ + Cl−

Da die Oxoniumionen den höchsten Beitrag zur Leitfähigkeit leisten, fällt bei Zugabe

der Lauge die Leitfähigkeit in der Lösung kontinuierlich stark ab. Am

Äquivalenzpunkt ist dieser Vorgang jedoch beendet. Jetzt verursachen die weiterhin

zugesetzten Hydroxidionen wieder einen starken Anstieg der Leitfähigkeit. Allerdings

ist der Anstieg der Kurve nun weniger steil als im Vergleich zum Abfall vor dem

Äquivalenzpunkt, da die Leitfähigkeit der Oxoniumionen fast doppelt so groß ist wie

die der Hydroxidionen. Der Äquivalenzpunkt bei konduktometrischen Bestimmungen

kann graphisch ermittelt werden, indem die Leitfähigkeit gegen das Volumen der

zugesetzten Maßlösung aufgetragen wird und der Verbrauch am Äquivalenzpunkt

durch Extrapolation aus der Kurve ermittelt wird.

Galvanische Zellen

Wird ein Metall (M) in eine wässrige Lösung eines seiner Salze getaucht, so bildet

sich an der Phasengrenze ein elektrochemisches Potential aus. Metallatome aus der

festen Phase werden oxidiert und als Metallionen in die Lösung gehen. Andererseits

werden sich Ionen aus der Lösung auf dem festen Metall abscheiden. Es bildet sich

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somit ein Gleichgewicht aus (dynamische GG zwischen Oxidation und Reduktion,

Halbzellenreaktion, s.o.):

Mn+ + n e− = M.

Die Potentialdifferenz (Spannung) zwischen Metallen zweier solcher Halbzellen lässt

sich messen, wenn die Lösungen durch eine Elektrolytbrücke miteinander verbunden

werden. Es entsteht eine galvanische Zelle. Handelt es sich bei beiden Halbzellen um

dasselbe Metall (aber mit unterschiedlich konzentrierten Lösungen), dann spricht man

von einer „Konzentrationskette“ oder einem „Konzentrationselement“.

Will man nur die relative Spannung zweier verschiedener Halbzellen (z.B. Metalle) in

der Spannungsreihe messen, so sollten die beiden Metalle in gleich konzentrierte

Lösungen eintauchen. Die gemessene Spannung entspricht dann der Differenz der

Normalpotentiale in der Spannungsreihe.

• Wir wollen nun das elektrochemische Potential folgender Halbzellen berechnen:

a) Ag+/Ag (c = 0.001 mol/L) Geg.: E0 = +0.80 V

b) Ag+/Ag (c = 0.1 mol/L)

E = E0 + 0.059/n . lg [Ox] / [Red]

Ag+ + e− → Ag

E = E0 + 0.059/n . lg [Ag+] / [Ag]

Auf Aktivitäten bezogen, a = f . c (f = Aktivitätskoeffizient) ist a = 1 (für feste Phasen

benutzen wir stets diese Vereinfachung). Es gilt in diesem Fall:

E = E0 + 0.059/n . lg [Ag+] (n = 1)

(a) [Ag+] = 10−3 mol/L

E = 0.80 + 0.059 . lg (10−3) = +0.62 V.

(b) [Ag+] = 10−1 mol/L; E = +0.74 V.

Wir sehen, dass die stärker konzentrierte Lösung eine höhere Spannung ergibt.

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• Nun sehen wir uns ein bekanntes galvanisches Element an, das Daniell-Element:

Berechnen wir die Zellenspannung für dieses Element mit folgenden Konzentrationen

der jeweiligen Lösungen (beachten Sie die übliche Schreibweise der Zellanordnung!):

Zn/Zn2+ (c = 2 mol/L) // Cu2+ (c = 0.5 mol/L)/Cu

Geg.: E0(Zn2+/Zn) = −0.76 V

E0(Cu2+/Cu) = +0.35 V.

Zur Lösung sollten zunächst die Potentiale der Halbzellen für die angegebenen

Konzentrationen berechnet werden (vgl. Rechenweg in der Aufgabe zuvor).

E1 (Zn2+/Zn; c = 1 mol/L) = −0.76 V

E2 (Cu2+/Cu; c = 0.5 mol/L) = +0.34 V.

Die gesuchte Zellenspannung entspricht der so genannten elektromotorischen Kraft

(EMK), die sich als Differenz der Einzelpotentiale errechnet:

EMK = ΔE = E2 − E1 = +1.10 V.

• Welcher Redoxvorgang läuft an der Normalwasserstoffelektrode (NWE) ab? Wie

kann für diesen Fall gezeigt werden, dass eine pH-Wertabhängigkeit des Potentials

vorliegt?

Redoxvorgang an der Normal-Wasserstoffelektrode (NWE):

2 H3O+ + 2 e− → H2 + 2 H2O

(oxdierte Form) (reduzierte Form)

NWE: E0 = 0 V (Definition); p(H2) = 1 atm

Einsetzen in die Nernstsche Gleichung (für H2 Partialdruck verwenden) ergibt:

E = E0 + 0,059/2 . lg([H3O+]2 / p(H2)) (Beachten: lg ax = x . lg a)

E = E0 + 0,059 . lg [H3O+] (Beachten: pH = −lg [H3O+])

Also gilt:

E = (0) − 0,059 pH

Daraus können wir ersehen, dass das Potential pH-Wert abhängig ist.

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Konzentrationskette

• Aufgabe: In zwei unterschiedlich konzentrierte FeSO4-Lösungen (0.1 mol/L bzw.

0.01 mol/L) tauchen jeweils Eisenstäbe. Wie groß ist die Spannung zwischen den

beiden Elektroden, wenn beide Halbzellen zu einem galvanischen Element verbunden

werden?

Konzentrationsketten sind galvanische Elemente, wobei die Halbzellen auf denselben

Stoffsystemen (Elektroden) basieren, die jedoch in unterschiedlichen Konzentrationen

vorliegen. Daraus resultiert schließlich eine Potentialdifferenz (ΔE).

z.B.: Fe2+ + 2 e− → Fe

für jede Halbzelle gilt: E = E0 + 0.059/2 . lg [Fe2+]

[Fe2+]1 = 10−1; [Fe2+]2 = 10−2

ΔE0 = 0.00 V, da auf beiden Seiten das gleiche Elektrodensystem vorliegt.

ΔE = ΔE0 + 0.059/2 . lg ([Fe2+]1 / lg [Fe2+]2)

ΔE = 0.00 + 0.0295 . lg(10/1) = + 0.03 V.

Weiterhin könnten Sie auch rechnen (Vorzeichen beachten):

ΔE = 0.00 − 0.0295 . lg (10−2/10−1) = + 0.03 V.

Zellenreaktionen:

● Oxidation von Eisen auf der Seite der geringeren Konzentration (Anode),

Auflösung;

● freiwerdende Elektronen fließen zur Kathode, also zur Lösung mit höherer Fe2+-

Konzentration → dort Reduktion zu Fe (Abscheidung).

Folge davon: im Anodenbereich nimmt die Konzentration [Fe2+] zu, im

Kathodenbereich nimmt sie ab. Beide Reaktionen kommen zum Stillstand, wenn die

Konzentrationen in beiden Halbzellen gleich sind, d.h., ΔE = 0.00 V.

Bleiakkumulator

Akkumulatoren sind spezielle Typen von galvanischen Elementen. Dabei können beim

Ladevorgang die chemischen Reaktionen, die sich bei der Stromentnahme (Entladung)

abspielen, wieder rückgängig gemacht werden. Galvanische Elemente und

Akkumulatoren haben im Vergleich zu anderen Energiequellen den großen Vorteil,

eine wertvolle Energieart bei gleichzeitig hohem Wirkungsgrad zu erzeugen. Der

Bleiakku weist eine Blei- und eine Blei(IV)-oxid-Elektrode auf; als Elektrolytlösung

dient eine 20%ige H2SO4-Lösung. Bei der Stromabnahme wird an der Pb-Elektrode

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schwerlösliches Bleisulfat gebildet (Oxidation; negativer Pol des Akkus). Am

positiven Pol wird PbO2 zu PbSO4 reduziert.

Bleiplatte (Anode): Pb + SO42− → PbSO4 + 2 e−

Bleidioxidplatte (Kathode): PbO2 + 2 H+ + H2SO4 + 2 e− → PbSO4 + 2 H2O

Gesamtvorgang:

Pb + PbO2 + 2 H2SO4 → 2 PbSO4 + 2 H2O + Energie

Läuft die Reaktion nach rechts ab, haben wir es mit dem Vorgang des Entladens zu

tun. Die umgekehrte Reaktion spielt sich beim Ladevorgang ab. Wir erkennen, dass

beim Entladevorgang die Säurekonzentration im Akku abnimmt.

Aufladen des Akkus: Beim Laden wird dem Akku elektrische Energie zugeführt, die

wieder in chemischer Energie gespeichert wird. Dabei wird an die mit PbSO4

bedeckten Platten eine äußere Spannung von über 2 Volt angelegt. Dabei wird die

ursprünglich positive Platte (PbO2) mit dem positiven Pol, die ursprünglich negative

Pb-Platte mit dem negativen Pol einer Stromquelle verbunden. Jetzt laufen die

Teilreaktionen wieder in die andere Richtung ab: PbO2- und Pb-Platte bilden sich

zurück, die Säurekonzentration steigt wieder. Somit ist hier durch Überprüfen der

Dichte des Elektrolyten eine Aussage für den Lade- bzw. Entladezustand des Akkus

möglich.

Ist der Ladeprozess beendet, so wird bei weiter angelegter Spannung die

Schwefelsäure elektrolytisch zersetzt, so dass sich an der Anode (Oxidation)

Sauerstoff, an der Kathode (Reduktion) Wasserstoff bildet (s.o. Elektrolyse von

verdünnter Schwefelsäure). Man bezeichnet das als „Gasen“ des Akkumulators, der

Abschluss des Ladevorgangs ist somit gut zu erkennen.

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Bestimmung der Polung einer Gleichstromquelle

In einem Experiment benetzen Sie ein Filterpapier mit einer Kochsalzlösung und

bringen die beiden Pole einer 4.5-Volt-Batterie damit in Kontakt.

Im Prinzip wird hier die Kochsalzlösung elektrolysiert und es könnte erwartet werden,

dass als Anodische Oxidation eine Bildung von elementarem Chlor erfolgt. An der

Kathode sollte eine Reduktion von Protonen zu Wasserstoff ablaufen.

(Beachten: Die Anode einer galvanischen Zelle wird zur Kathode, wenn sie als

Elektrolysezelle betrieben wird.)

Letztere Reaktion wird beobachtet:

Kathodische Reduktion 2 H2O + 2 e− → H2 + 2 OH−

(galvanisch: Pluspol, jedoch Minuspol der Batterie)

Ist Phenolphthalein als Indikatorfarbstoff anwesend, färbt sich an dieser Stelle die

Lösung rot, da Hydroxidionen gebildet werden. Damit ist der Minuspol der Batterie

zugeordnet.

Bezüglich der Anodischen Oxidation ist folgende Reaktion in Betracht zu ziehen:

2 H2O → O2↑ + 4 e− + 4 H+ E0 = +1.23 V

Warum bildet sich kein Chlor?

Cl2 + 2 e− → 2 Cl− E0 = +1.36 V

Regel: Die Anode oxidiert zunächst die reduzierte Form mit dem kleineren Potential.