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Informe de Progreso Pacto Mundial 2016

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3. Haben wir einen freien Willen?

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Worum geht’s?In der Willensfreiheitsdebatte geht es um zwei Fragen:

1. Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit eine Handlung oder Entscheidung als frei gelten kann.(Begriffliche Frage)

2. Sind diese Bedingungen in dieser Welt wenigsten manchmal erfüllt oder sind sie nie erfüllt?

Gibt es Freiheit? (Tatsachenfrage)

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Ein BeispielIch liege im Bett; der Wecker klingelt. Einerseits sollte ich aufstehen; denn in einer Stunde beginnt eine Sitzung der Fakultätskonferenz. Andererseits ist es gestern spät geworden, und es wäre schön, wenn ich noch etwas weiterschlafen könnte. Nehmen wir an, ich entscheide mich, noch etwas im Bett zu bleiben.

Unter welchen Bedingungen bin ich in dem, was ich tue, frei, und daher für mein Tun verantwortlich?

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Drei Bedingungen1. Die Person, die sich entscheidet, muss eine Wahl zwi-

schen Alternativen haben; sie muss so-oder-so ent-scheiden bzw. so-oder-so handeln können. (Bedingung des Anders-Handeln-Könnens)

2. Welche Wahl getroffen wird, muss entscheidend von der Person selbst abhängen. (Urheberschaftsbedingung)

3. Die Wahl selbst muss frei sein, sie darf keinerlei Zwang unterliegen. (Kontrollbedingung)

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Eine zentrale FrageKönnen diese Bedingungen auch dann erfüllt sein, wenn alle Ereignisse – also auch alle unsere Entscheidungen und alle unsere Handlungen – kausal determiniert sind?

Determinismusthese

Alle Ereignisse in der Welt – außer vielleicht dem Urknall – haben in anderen Ereignissen hinreichende Ursachen.

Zu jedem Zeitpunkt des Weltverlaufs ist durch den jewei-ligen Zustand der Welt und die Naturgesetze genau fest-gelegt, wie es weiter geht.

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Die wichtigsten PositionenInkompatibilismus

Freiheit ist mit dem Determinismus unvereinbar.

Kompatibilismus

Freiheit ist mit dem Determinismus vereinbar.

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Die wichtigsten PositionenInkompatibilismus

Freiheit ist mit dem Determinismus unvereinbar.

Libertarianismus

Es gibt freie Entscheidungen und Handlungen; also ist der Determinismus falsch.

Freiheitsskeptizismus (harter Determinismus)

Der Determinismus ist wahr; deshalb gibt es keine Freiheit.

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Die wichtigsten PositionenKompatibilismus

Freiheit ist mit dem Determinismus vereinbar.

Schwacher Determinismus

Es gibt freie Entscheidungen und Handlungen; und die Tatsache, dass der Determinismus wahr ist, än-dert daran nichts.

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Die wichtigsten Positionen

Weicher Determinismus

Kompatibilismus

Harter Determinismus

Libertarianismus(der Determinis-mus ist falsch)

Inkompatibilismus

Es gibt keine Willensfreiheit

Es gibt Willensfreiheit

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Gründe für den InkompatibilismusDer Determinismus impliziert, dass sich die Welt zu jedem Zeitpunkt nur auf genau eine Weise weiter entwickeln kann.

Freiheit scheint jedoch vorauszusetzen, dass die Zukunft insofern offen ist, als es zumindest manchmal von uns –und nicht von den gegebenen Umständen – abhängt, wie es weiter geht.

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Gründe für den InkompatibilismusFreiheit scheint also vorauszusetzen, dass es im Weltver-lauf Punkte gibt, an denen es so-oder-so weiter gehen kann, an denen der weitere Weltverlauf nicht durch vorangegan-gene Ereignisse determiniert ist, sondern davon abhängt, wie ich mich entscheide oder was ich tue.

Ich Ich

Ich

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Gründe für den InkompatibilismusAuf den ersten Blick kann es also keine Freiheit geben, wenn der gesamte Weltverlauf determiniert ist.

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Gründe für den Inkompatibilismus• Wenn der Determinismus wahr ist, dann kann ich mich

niemals anders entscheiden und niemals anders handeln, als ich es tue.

• Wenn der Determinismus wahr ist, dann gehen meine Entscheidungen und Handlungen nicht auf mich zurück, sondern auf die vorhergehenden Ereignisse, durch die sie determiniert sind.

• Und wenn der Determinismus wahr ist, dann können meine Entscheidungen und Handlungen nicht frei sein, weil ja von vorn herein feststeht, wie ich mich entscheide und wie ich handele.

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Das Konsequenzargument

Peter van Inwagen

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Das KonsequenzargumentWenn der Determinismus wahr ist, ergibt sich jede meiner Handlungen mit Notwendigkeit aus früheren Tatsachen und den Naturgesetzen. Für diese früheren Tatsachen gilt ebenso, dass sie sich mit Notwendigkeit aus noch weiter zurück liegenden Tatsachen und den Naturgesetzen ergeben, usw. Also: Alle meine Handlungen ergeben sich mit Notwendig-keit aus Tatsachen, die vor meiner Geburt stattgefunden haben, und den Naturgesetzen. Ich habe aber weder Macht über Tatsachen, die vor meiner Geburt stattgefunden haben, noch über die Naturgesetze. Also habe ich auch keine Macht über meine Handlungen.

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Zwischenfazit 1Zumindest auf den ersten Blick spricht vieles für den Inkom-patibilismus.

Also scheint es nur zwei Möglichkeiten zu geben:

• Freiheitsskeptizismus: Der Determinismus ist wahr; also gibt es keine Freiheit.

• Libertarianismus: Es gibt Freiheit; also ist der Determinis-mus falsch.

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LibertarianismusKernthesen

Freiheit ist mit Determinismus unvereinbar.

Aber es gibt Freiheit.

Also ist der Determinismus falsch.

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LibertarianismusEin Problem für den Libertarier

Freiheit scheint nicht nur mit dem Determinismus, son-dern auch mit Indeterminiertheit unvereinbar.

Wenn es dafür, dass ich liegen bleibe und nicht aufstehe, um zur Fakultätskonferenz zu gehen, keinerlei Ursache gibt, scheint es reiner Zufall zu sein, dass ich im Bett bleibe –

etwas, wofür es keinen Grund gibt und wofür ich offenbar auch nicht verantwortlich gemacht werden kann.

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LibertarianismusAkteurskausalität (agent causality) als Ausweg

Roderick Chisholm1916-1999

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LibertarianismusAkteurskausalität als Ausweg

„Das metaphysische Problem der menschlichen Freiheit kann fol-gendermaßen zusammengefaßt werden: ‚Menschliche Wesen sind verantwortliche Handelnde; aber diese Tatsache scheint einer deterministischen Sicht des Handelns zu widerstreiten –der Sicht, daß jedes Ereignis, das zu einer Handlung gehört, durch ein anderes Ereignis verursacht ist. Und sie scheint auch der Sicht zu widerstreiten, daß einige der Ereignisse, die für die Handlung wesentlich sind, überhaupt nicht verursacht sind.‘ Ich glaube, um das Problem zu lösen, müssen wir einige weitrei-chende Annahmen über das Selbst oder den Handelnden ma-chen – über den Menschen, der die Handlung vollzieht.“ (Chis-holm „Die menschliche Freiheit und das Selbst“, 71)

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LibertarianismusAkteurskausalität als Ausweg

„Wenn, sagen wir, die Bewegung des Fingers durch das Beugen der Muskeln verursacht wurde, wenn das Beugen der Muskeln durch eine andere Veränderung im Gehirn des Menschen verur-sacht wurde und wenn die Veränderung im Gehirn überhaupt nicht verursacht wurde, wenn sie zufällig oder launenhaft war und sozusagen aus blauem Himmel geschah, dann war vermut-lich niemand für die Handlung verantwortlich.“ (ebd., 75)

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LibertarianismusAkteurskausalität als Ausweg

„Wir dürfen also nicht sagen, daß jedes Ereignis, das zu der Handlung gehört, durch ein anderes Ereignis verursacht ist. Und wir dürfen nicht sagen, daß einige der Ereignisse, die für die Handlung wesentlich sind, überhaupt nicht verursacht sind. Die Möglichkeit, die also bleibt, ist diese: Wir sollten sagen, daßmindestens eines der Ereignisse, die an der Handlung beteiligt sind, nicht durch irgendwelche anderen Ereignisse, sondern stattdessen durch etwas anderes verursacht ist. Und dies andere kann nur der Handelnde sein – der Mensch.“ (ebd., 76)

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LibertarianismusAkteurskausalität als Ausweg

1. Die Alternative „durch Ereignisse kausal determiniert“ –„zufällig“ ist keine erschöpfende Alternative.Es gibt etwas Drittes: Verursachtsein durch eine Person – einen Akteur.

2. Wenn eine Handlung durch einen Akteur verursacht ist, dann ist sie nicht in dem Sinne durch andere Ereignisse verursacht, der Freiheit ausschließt.

3. Wenn eine Handlung durch einen Akteur verursacht ist, ist sie auch nicht in dem Sinne zufällig, der Verantwor-tung ausschließt.

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Zwei Arten von KausalitätEreigniskausalität

Normalerweise sprechen wir von Kausalität, wenn ein Ereignis ein anderes notwendigerweise nach sich zieht:

• Die Scheibe zerbrach, weil sie von einem Stein ge-troffen wurde.Dass die Scheibe von einem Stein getroffen wurde, war die Ursache dafür, dass sie zerbrach.

• Das Haus geriet in Brand, weil es im Keller einen Kurzschluss gab.Der Kurzschluss im Keller war die Ursache für den Brand des Hauses.

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Zwei Arten von KausalitätAkteurskausalität

Akteurskausalität liegt dann vor, wenn ein Ereignis nicht durch ein anderes Ereignis, sondern durch ein Ding, ein Tier oder eine Person – einen Akteur – verursacht oder hervorgebracht wurde.

• Die Bombe verursachte den Einsturz der Brücke.• Die Katze verursachte das Zerbrechen der Vase.• Brutus verursachte Cäsars Tod.

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Probleme der AkteurskausalitätIn den allermeisten Fällen sind Aussagen über Akteurskau-salität verkappte Aussagen über Ereigniskausalität.

• Die Bombe verursachte den Einsturz der Brücke.Die Explosion der Bombe verursachte den Einsturz der Brücke.

• Die Katze verursachte das Zerbrechen der Vase.Das Herumtollen der Katze verursachte das Zerbrechen der Vase.

• Brutus verursachte Cäsars Tod.Brutus’ Zustechen mit dem Dolch verursachte CäsarsTod.

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Probleme der AkteurskausalitätFrage

Gibt es genuine Fälle von Akteurskausalität, die nicht auf Ereigniskausalität zurück geführt werden können?

Genuine Fälle von Akteurskausalität sind Fälle, in denen ein Akteur ein Ereignis B hervorbringt, ohne etwas an-deres zu tun, wodurch er B hervorbringt.Die scheinbar klarsten Fälle genuiner Akteurskausalität sind die Fälle, in denen wir einfach unsere Hände, Arme und Beine bewegen.

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Probleme der AkteurskausalitätEinwand 1

Genuine Akteurskausalität würde mit einer Verletzung der geltenden Naturgesetze einhergehen.Dafür gibt es keinerlei empirische Belege.

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Probleme der AkteurskausalitätEinwand 2

Hat der Begriff des Akteurskausalität überhaupt einen klaren Sinn?

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Probleme der AkteurskausalitätFrage 1

Was unterscheidet den Fall, dass das Ereignis B einfach nur zeitlich auf das Ereignis A folgt, von dem Fall, dass A B verursacht?

AntwortWenn A B verursacht gilt:

• Auf Ereignisse vom Typ A folgen immer Ereignisse vom Typ B.

• Wenn A nicht stattgefunden hätte, hätte auch B nicht stattgefunden.

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Probleme der AkteurskausalitätFrage 2

Was unterscheidet den Fall, dass das Ereignis B einfach in Anwesenheit des Akteurs H erfolgt, von dem Fall, dass H B verursacht?

Antwort???

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Probleme der AkteurskausalitätEinwand 3

Löst Akteurskausalität überhaupt das Problem, das gelöst werden soll, – die Zufälligkeit und Unerklärbarkeit nicht ereignisverursachter Handlungen zu vermeiden? Wenn der Akteur H das Ereignis B verursacht, dann erklärt das das Auftreten von B.Aber was erklärt die weitere Tatsache, dass H B verur-sacht?Chisholms AntwortDiese Tatsache muss ebenfalls von H verursacht sein. Usw.

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Probleme der AkteurskausalitätEinwand 4

Wenn das Ereignis A das Ereignis B verursacht, dann erklärt der Zeitpunkt, zu dem A stattfindet, den Zeit-punkt, zu dem B stattfindet.

Dass es um 17.00 Uhr im Keller einen Kurzschluss gab, erklärt, dass eine halbe Stunde später das ganze Haus in Flammen stand.

Wenn der Akteur H das Ereignis B verursacht, was erklärt dann den Zeitpunkt, zu dem B stattfindet? Oder den Zeitpunkt, zu dem H B verursacht????

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Zwischenfazit 2Das Konzept der Akteurskausalität ist mit so vielen Proble-men behaftet, dass es inzwischen von den meisten Philoso-phinnen und Philosophen angelehnt wird.

Frage

Ist libertarische Freiheit auch ohne Akteurskausalität mög-lich?

Wenn nicht, heißt das, dass es keine Freiheit geben kann?

Oder ist vielleicht doch eine kompatibilistische Freiheits-konzeption akzeptabel?

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FreiheitsskepsisKönnten wir wirklich mit der Annahme leben, dass es keine Freiheit und daher auch keine Verantwortlichkeit gibt?

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Freiheit und Übelnehmen

Peter F. Strawson1919-

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Freiheit und ÜbelnehmenWenn wir annehmen, dass wir nie frei und daher auch nie verantwortlich sind, dann bedeutet das nicht nur, dass wir die gesamte Praxis juristischer Verurteilung und Bestrafung neu überdenken müssen, dann gerät auch das alltägliche Verständnis unserer zwischenmenschlichen Beziehungen ins Wanken.

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Freiheit und ÜbelnehmenUnser normales Miteinander-Umgehen ist nämlich geprägt von dem, was Strawson ‚reaktive Einstellungen‘ nennt:

• Wir sind dankbar dafür, wenn uns jemand etwas Gutes tut;

• wir nehmen es übel, wenn er uns schadet oder nicht den nötigen Respekt entgegenbringt;

• wir können unsere Mitmenschen lieben und hassen;

• und wir können mit ihnen argumentieren; wir können ver-suchen, sie zu überzeugen.

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Freiheit und ÜbelnehmenWenn wir jemandem etwas übel nehmen, setzt das aber voraus, dass wir ihn dafür verantwortlich machen können.

Ich kann jemandem nicht übel nehmen, dass er mir auf die Hand getreten ist, wenn ich feststelle, dass er gestoßen wur-de und deshalb nichts dafür konnte.

Und ich kann jemandem seine Taten nicht übel nehmen, wenn ich merke, dass er unter einer schweren psychischen Störung leidet, die es ihm grundsätzlich unmöglich macht, sein Verhalten zu kontrollieren.

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Freiheit und ÜbelnehmenEine Erkenntnis der zweiten Art führt nicht nur im Einzelfall zu einer anderen Beurteilung des Verhaltens der betreffen-den Person.Sie führt dazu, dass ich meine Einstellung dieser Person gegenüber grundsätzlich ändere,

dass ich beginne, sie nicht mehr als eine verantwortliche Person, sondern als einen Menschen zu betrachten, der der Behandlung bedarf und demgegenüber normale reaktive Einstellungen grundsätzlich unangemessen sind.

Mit anderen Worten, ich beginne dieser Person gegenüber eine objektive Einstellung einzunehmen.

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Freiheit und ÜbelnehmenErste Frage

Welche Gründe können mich im Einzelfall dazu bewegen, etwas nicht mehr übel zu nehmen?

Strawsons Antwort

Im Einzelfall höre ich auf, jemandem etwas übel zu neh-men, wenn ich merke, dass er es nicht absichtlich getan hat oder nicht wusste, was er tat.

Wenn mich dagegen jemand wissentlich und willentlich verletzt, nur um mir zu schaden, habe ich allen Grund, ihm das übel zu nehmen.

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Freiheit und ÜbelnehmenErste Frage

Welche Gründe können mich im Einzelfall dazu bewegen, etwas nicht mehr übel zu nehmen?

Strawsons Antwort

Ob er determiniert ist, zu tun, was er tut, spielt dabei gar keine Rolle.

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Freiheit und ÜbelnehmenZweite Frage

Gibt es irgendwelche Gründe – z.B. die Wahrheit des De-terminismus – die uns dazu bringen könnten, allen Men-schen gegenüber immer nur noch die objektive Einstel-lung einzunehmen?

Nie mehr irgend jemandem etwas übel zu nehmen,

nie mehr dankbar zu sein,

mit allen nur wie mit psychisch Kranken umzugehen, die zwar der Behandlung bedürfen, aber nicht wirklich als personales Gegenüber gelten können?

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Freiheit und ÜbelnehmenStrawsons Antwort

1. Die personalen reaktiven Einstellungen gänzlich auf-zugeben, ist uns schlechterdings unmöglich.

2. Außerdem wäre es irrational, die personalen reaktiven Einstellungen gänzlich aufzugeben, da wir dabei mehr verlieren als gewinnen würden.

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Texte für die nächste Woche

Peter F. Strawson, „Freiheit und Übelnehmen“(Auszug)

George Edward Moore, „Freier Wille“ (Auszug)