40 Jahre KRL · 2017. 11. 22. · 5 40 Jahre Kommission für Reinhaltung der Luft – KRL 1962 –...

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40 Jahre KRL Kommission für Reinhaltung der Luft der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1962 – 2002

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  • 40 Jahre KRL Kommission für Reinhaltung der Luft

    der

    Österreichischen Akademie der Wissenschaften

    1962 – 2002

  • Dieses Projekt wurde von der Stadt Wien (MA 7) finanziell unterstützt.

    Zusammengestellt im Auftrag der Kommission für Reinhaltung der Luft: Christa Hammerl Redaktionskomitee: Albert Hackl, Manfred Haider, Gottfried Halbwachs, Helger Hauck und Othmar Preining Impressum: Österreichische Akademie der Wissenschaften Kommission für Reinhaltung der Luft Dr. Ignaz Seipel Platz 2 1010 Wien http://www.oeaw.ac.at/krl Druck: Facultas Verlags- & Buchhandels AG Berggasse 5 1090 Wien Wien, Dezember 2005

  • 1

    40 Jahre Kommission für Reinhaltung der Luft – KRL 1962 – 2002

    Vorwort ............................................................................................................................................5

    Einleitung .........................................................................................................................................6

    Vorgeschichte und Hintergründe zur Gründung der Kommission für Reinhaltung der Luft ..........9

    Gründung der Kommission für Reinhaltung der Luft – eine unabhängige interdisziplinäre

    Forschergemeinschaft.....................................................................................................................11

    Der Physiker Georg Stetter – erster Obmann der KRL..................................................................12

    Erste Forschungsarbeiten der KRL – Immissionsmessungen von Aerosolen, Kohlenstoff-

    oxiden und Kohlenwasserstoffen am Donauturm und am I. Physikalischen Institut.....................14

    Wissenschaftliche Veranstaltungen................................................................................................17

    Der Physiker Johann Schedling übernimmt die Geschäftsführung der KRL.................................19

    Einrichtung eines Wissenschaftlichen Beirates für Fragen der Umwelthygiene ...........................22

    Luftqualitätskriterien SO2 – Meilenstein der österreichischen Umweltpolitik ..............................25

    Vorläufige Richtlinie Nr. 1 – Kohlenmonoxid und experimentelle Untersuchungen der

    Einwirkung von CO auf den Menschen .........................................................................................33

    Luftqualitätskriterium Staub ..........................................................................................................35

    Erstellung von Gutachten ...............................................................................................................36

    Erstellung von Alarm- und Schwellenwerten luftverunreinigender Substanzen ............................37

    Der Chemiker Hanns Malissa wird Obmann der KRL ..................................................................39

    Ein weiteres Großprojekt der KRL – Stickstoffoxide in der Atmosphäre – Luftqualitäts-

    kriterien NO2 ..................................................................................................................................40

    Photooxidantien in der Atmosphäre – Luftqualitätskriterien Ozon ..............................................43

    Ausbau der Referenz- und Messstation am Sonnblick-Observatorium .........................................45

    Anthropogene Klimaänderungen ...................................................................................................47

    Der Physiker Othmar Preining wird Obmann der KRL – der Treibhauseffekt wird ein

    Arbeitsthema ..................................................................................................................................48

  • 2

    Nationaler Umweltplan (NUP).......................................................................................................53

    Luftqualitätskriterien Flüchtige Kohlenwasserstoffe .....................................................................56

    Wirkungen von Stickoxiden auf den Menschen – Neubearbeitung 1998 der Luftqualitäts-

    kriterien NO2 ..................................................................................................................................60

    Evaluation der KRL .......................................................................................................................62

    AUPHEP – Austrian Project on Health Effects of Particulates .....................................................65

    Ein neuer Band Observed Global Climate der Handbuchreihe Landolt-Börnstein .......................67

    Stellung der KRL in ÖAW und Öffentlichkeit - Die Verflechtung der KRL in der nationalen

    und internationalen Luftreinhaltungs-Wissenschaft und Politik....................................................71

    Ausblick – die Bedeutung der KRL in der Zukunft .......................................................................73

    Glossar............................................................................................................................................74

    Publikationen der KRL...................................................................................................................76

    Vorträge im Rahmen des Staub- und Aerosolkolloquiums............................................................77

    Tagungen........................................................................................................................................89

    Biographien der Gründungsmitglieder der Kommission für Reinhaltung der Luft .......................92

    Georg Stetter ........................................................................................................................................... 92

    Johann Schedling .................................................................................................................................... 93

    Josef Kisser ............................................................................................................................................. 96

    Ferdinand Steinhauser............................................................................................................................. 99

    Friedrich Wessely ................................................................................................................................. 102

    Heinrich Hayek ..................................................................................................................................... 104

    Georg Wagner ....................................................................................................................................... 105

    Heinz Reuter ......................................................................................................................................... 106

    Biographien der Mitglieder der Kommission für Reinhaltung der Luft zum Zeitpunkt der

    Berichtserstellung.........................................................................................................................108

    Markus Amann...................................................................................................................................... 108

    Siegfried Bauer ..................................................................................................................................... 109

    Axel Berner ........................................................................................................................................... 110

  • 3

    Josef Boxberger .................................................................................................................................... 111

    Manfred Grasserbauer........................................................................................................................... 113

    Giselher Guttmann ................................................................................................................................ 116

    Albert Hackl.......................................................................................................................................... 117

    Manfred Haider ..................................................................................................................................... 120

    Gottfried Halbwachs ............................................................................................................................. 122

    Michael Hantel...................................................................................................................................... 124

    Helger Hauck ........................................................................................................................................ 126

    Helmuth Horvath .................................................................................................................................. 128

    Anne Kasper-Giebl ............................................................................................................................... 129

    Helga Kromp-Kolb ............................................................................................................................... 130

    Hanns Malissa ....................................................................................................................................... 132

    Manfred Neuberger ............................................................................................................................... 135

    Rudolf Pischinger.................................................................................................................................. 137

    Marianne Popp ...................................................................................................................................... 138

    Othmar Preining.................................................................................................................................... 140

    Hans Puxbaum ...................................................................................................................................... 142

    Stefan Smidt.......................................................................................................................................... 144

    Peter Steinhauser................................................................................................................................... 145

    Friedrich Steininger............................................................................................................................... 147

    Projekte der KRL .........................................................................................................................152

    Personenregister ...........................................................................................................................153

    Quellen- und Abbildungsverzeichnis ...........................................................................................155

  • 5

    40 Jahre Kommission für Reinhaltung der Luft – KRL

    1962 – 2002

    Vorwort

    Das für Gesundheit und damit auch für die Umwelt in den 50-er und 60-er Jahren des 20.

    Jahrhunderts zuständige Bundesministerium für soziale Verwaltung informierte sich durch

    Kontakte mit einzelnen Mitgliedern der Österreichischen Akademie der Wissenschaften über die

    wissenschaftlichen Grundlagen anstehender Fragen. Dies führte zur Gründung einer

    entsprechenden Kommission der ÖAW, die den Arbeitstitel „Kommission für Reinhaltung der

    Luft“ – KRL – erhielt. Mitglieder dieser Kommission waren durch mehrere Jahrzehnte auch

    Angehörige des, beim jeweiligen zuständigen Bundesministerium, bis 1996 bestehenden

    Wissenschaftlichen Beirats für Umwelthygiene. Die KRL hat Probleme aufgezeigt und

    Lösungsvorschläge erarbeitet, die häufig auch substantiell in rechtliche Vorgaben aufgenommen

    wurden.

    Österreichs Beitritt zur Europäischen Union hat die Lage verändert; umweltpolitische

    Entscheidungen fallen heute meist in Brüssel. Dennoch benötigen die zuständigen Ministerien

    weiterhin wissenschaftliche Informationen über aktuelle Fragestellungen und zur Vorbereitung

    von Beschlüssen in Brüssel, die die KRL zu geben bemüht ist.

    Die KRL hat seit ihrer Gründung stets auch eigenständige Forschungen in enger Zusammenarbeit

    mit Universitäten angeregt und durchgeführt und damit die interdisziplinäre Behandlung der

    Fragestellungen gefördert. Ein wichtiges Beispiel ist das mit Ende 2004 abgeschlossene Projekt:

    Austrian Project on Health Effects of Particulates.

    Die vorliegende zusammenfassende Darstellung der Geschichte der KRL soll ihre Arbeit einem

    breiteren Interessentenkreis zugänglich machen.

    Die angeführten Literaturangaben sind beispielhaft, Internetzitate sind naturgemäß temporär zu

    sehen.

    Emer.O.Univ.Prof.Dr. Othmar Preining

    Obmann der KRL von 1990 bis 2002

  • 6

    Einleitung

    Die Qualität der Luft war immer, vor allem für Menschen die in Ballungsräumen leben, von

    immanentem Interesse. War die Güte der Luft vor der industriellen Revolution vorwiegend durch

    Staub- und Geruchsbelästigung beeinträchtigt, so stieg während der industriellen Revolution die

    Schwefeldioxidbelastung drastisch an. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts war dies

    Diskussionsthema, so hielt z.B. Clemens Winkler 1883 beim zweiten Deutschen Bergmannstag

    in Dresden einen Vortrag, wo er die Frage aufwarf: „Wirkt die in unserem Zeitalter stattfindende

    Massenverbrennung von Steinkohle verändernd auf die Beschaffenheit der Atmosphäre?“.

    Winkler meinte „… So predigen denn diese Betrachtungen, gleich allen ähnlichen, welche den

    Vergleich menschlichen Schaffens mit demjenigen der großen Natur zum Zwecke haben,

    Bescheidenheit. Des Menschen Hand ist zu schwach, um merkbar in das Geschehen der

    imposanten Weltmaschine eingreifen zu können, … Und wenn wir heute sämtliche Pyrite und

    Magnetkiese, welche bergmännische Tätigkeit überhaupt, auch unbekümmert um einen Gewinn,

    zu fördern vermöchte, der Abröstung und Verarbeitung auf Schwefelsäure unterwürfen und die

    Dolomiten und Kalksteinberge in dieser ertränkten, die ganze, nach menschlichen Begriffen

    ungeheure Masse Kohlensäure, die sich dann entwickelte, sie würde vom Winde verweht werden

    und spurlos im Luftmeer verschwinden…“.1 Dass dem nicht so ist, wusste man aber bereits

    damals, als man erkannte, dass Schwefeldioxid, auch negative Konsequenzen auf die Vegetation

    hat. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erkannte man, dass CO2 als Treibhausgas

    ansteigt und somit Effekte auf das Klima hat2.

    Charles Dickens nannte die „berühmten“ Londoner Nebel „eine besondere Attraktion“ für die

    Stadt. Doch die Verschmutzung der Luft in London hatte schon seit 1600 ständig zugenommen.

    Bereits 1843 schlug ein Komitee erstmals gesetzliche Maßnahmen zur Rauchminderung vor und

    erstellte für die britische Regierung den folgenlos gebliebenen so genannten Mackinnon Bericht.

    Während der Smogepisode im Großraum London im Dezember 1952 stieg die Zahl der Toten

    von 2 062 in der Woche vor der Smogepisode auf 4 703 Tote in der darauf folgenden Woche. Die

    1 Clemens Winklers Vorträge und Abhandlungen über Abgase und Rauchschäden. Sammlung von Abhandlungen

    über Abgase und Rauchschäden, Heft 8 (Berlin, Verlagsbuchhandlung Paul Parey 1913) S. 62-68. 2 Seit 1958 gibt es direkte Messungen des CO2-Gehaltes am Mauna Loa, Hawaii, die im Rahmen des Internationalen

    Geophysikalischen Jahres 1957/58 begonnen wurden. Ende der 60-er Jahre bemerkte man, dass der CO2-Gehalt ständig ansteigt.

  • 7

    Todesfälle durch Bronchitis und Lungenentzündung stiegen um das Siebenfache.3 Nach

    Inkrafttreten eines Gesetzes zur Reinhaltung der Luft im Jahre 1956 verbesserte sich die Situation

    in London und in anderen britischen Ballungsgebieten. Das Gesetz enthielt nur Maßnahmen

    gegen den sichtbaren Rauch, nicht aber gegen die schädlichen Schwefeldioxidemissionen, was

    das Problem nicht vollständig löste.

    Prägend für ein entstehendes Umweltbewusstsein war sicherlich die so genannte „Minamata-

    Krankheit“ in Japan.4 Die Minamata-Krankheit in den Jahren 1953-1960 war eine durch eine

    organische Quecksilberverbindung verursachte Vergiftung, die die Fischer in der Minamata-

    Bucht mit der Nahrung zu sich nahmen (voranschreitende Lähmung bis zur völligen

    Bewegungsunfähigkeit, bis zur Zerstörung des Gehirns). Die Quecksilberverbindung wurde

    durch die Firma Nippon Chisso (Japan Stickstoff) ungeklärt in das Meer eingeleitet. An dieser

    Krankheit starben bis zum Jahr 1997 1 246 Menschen. Die Umwelt-Prozesse, die in den

    sechziger und siebziger Jahren in Japan geführt wurden, gingen als Shidai kôgai soshô – die vier

    großen Prozesse wegen Umweltzerstörung – in die Geschichte ein.

    Die „Smog-Episoden“ in London, die „Minamata-Krankheit“ in Japan und das so genannte

    „Waldsterben“5 führte in den 70-er Jahren (Abb. 1 und 2) des vergangenen Jahrhunderts in

    weiten Teilen Europas zur allgemeinen Auffassung, dass – gestützt auf Erkenntnisse der

    Wissenschaft – Luftreinhaltepolitik ein wichtiges Thema ist.

    In Österreich führte dies zur Gründung der Kommission für Reinhaltung der Luft der

    Österreichischen Akademie der Wissenschaften mit der verantwortungsvollen Funktion der

    Beratung der Regierung in Umweltfragen. Zunehmender Einblick in die äußerst komplizierten

    Vorgänge innerhalb der Atmosphäre und die negativen Auswirkungen der Luftverunreinigung

    auf Mensch, Fauna und Flora führte in weiterer Folge zu den Luftqualitätskriterien. Das erste

    große Projekt der KRL, die „Luftqualitätskriterien SO2“, wurde 1970 begonnen.

    3 Lamb, H.H.: Klima und Kulturgeschichte. Der Einfluss des Wetters auf den Gang der Geschichte. (Reinbek bei

    Hamburg 1989) S. 385ff. 4 Siehe dazu: Gunnarson, B.: Japans ökologisches Harakiri (Reinbek bei Hamburg 1974). 5 Das so genannte Waldsterben bedeutete für den österreichischen Forst keinen totalen Waldverlust, sondern eine

    Beeinträchtigung des Wachstums.

  • 8

    Abb. 1. Das „Waldsterben“ wird thematisiert.

    Abb. 2. Fortschreitende Absterbesymptomatik („Wipfelsterben“) bei Strobe (Pinus strobus) durch Immissions-einfluss. Zwischen den beiden Fotos liegt ein Zeitraum von rund zwei Jahren.

  • 9

    Abb. 3. Felix Ehrenhaft, * 24. 4. 1879 Wien, † 4. 3. 1952.

    Vorgeschichte und Hintergründe zur Gründung der Kommission für Reinhaltung der Luft

    Die Vorgeschichte der Kommission für

    Reinhaltung der Luft (KRL) beginnt mit dem

    Physiker Felix Ehrenhaft (Abb. 3), der sich mit der

    Ladung sehr kleiner Teilchen beschäftigte.

    Ehrenhaft betrieb Grundlagenforschung, er

    beschäftigte sich mit der Ladungsmessung an

    submikronen Teilchen mit dem Ziel, die elektrische

    Elementarladung zu bestimmen. Seine Methode

    war ähnlich der von Millikan, aber er verwendete

    noch kleinere Teilchen von der Größenordnung der

    Lichtwellenlänge. Er untersuchte die Teilchen im

    Feld eines Plattenkondensators mit der Ultra-

    mikroskopmethode. Er fand, dass viele Teilchen die

    elektrische Elementarladung trugen, dass es aber

    Teilchen mit scheinbar kleineren Ladungen gab.

    Die Wechselwirkung zwischen den Teilchen und den Gasen waren die Ursache für diese

    Phänomene, sie wurden aber erst viel später gedeutet. Er erkannte die Photophorese und

    untersuchte sie ausführlich. Bekannt wurden auch seine Bahn brechenden Forschungen über das

    optische Verhalten der Metallkolloide.

    Ehrenhaft musste 1938 emigrieren und kam 1946 aus den USA nach Österreich zurück. Er wurde

    Vorstand des I. Physikalischen Institutes an der Universität Wien, seinen ehemaligen

    Dissertanten Johann Schedling bestellte er im Mai 1947 zum Assistenten.

    Ehrenhafts Arbeitsgebiete waren die Probleme der Photophorese. Dieser Arbeitsbereich war

    Thema der Habilitation Johann Schedlings im Jahr 1949. Schedling arbeitete von 1947 bis 1961

    als Assistent am I. Physikalischen Institut, zunächst bei Ehrenhaft bis zu dessen Tod 1952,

    danach unter dessen Nachfolger Georg Stetter. Sein Hauptarbeitsgebiet wurde die Staub- und

    Aerosolphysik. Er begann sich wegen seiner Erfahrungen mit der Physik kleiner Teilchen für

    gewerbehygienische Fragen, besonders für die Silikose, hervorgerufen durch Arbeiten im

    Straßenbau, Tunnelbau und Bergbau, zu interessieren.

    Unter dem damaligen Direktor der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik auf der

    Hohen Warte, Ferdinand Steinhauser, bekam das Problem der Luftverschmutzung bereits in den

    späten 50-er Jahren einen hohen Stellenwert. Dies führte schließlich zur Einrichtung einer

    eigenen Forschungsabteilung für Luftchemie. Das bereits seit 1956 an der Zentralanstalt

  • 10

    existierende chemische Laboratorium ermöglichte die Aufnahme regelmäßiger Bestimmungen

    des pH-Wertes der Niederschläge und der Schneedecke, sowie tägliche Messungen des CO2-

    Gehaltes der Luft, wozu Proben im Garten der Zentralanstalt gesammelt wurden. Um

    Aufschlüsse über den Schwefeldioxid- und Ozongehalt in der bodennahen Luftschicht zu

    bekommen, wurde ab September 1957 an der Zentralanstalt mit der Messung von

    Ozonkonzentrationen begonnen.6 Im Gemeindegebiet von Wien wurde vorerst ein Netz von 26

    Messstellen zur Bestimmung des SO2-Gehalts der Luft installiert.

    Neben Ferdinand Steinhauser war auch der Physiker Georg Stetter mit Fragen der

    Luftreinhaltung intensiv befasst. Stetter wurde 1939 Ordinarius und Vorstand des

    II. Physikalischen Instituts der Universität Wien, sowie in Personalunion Vorstand des Instituts

    für Neutronenforschung und 1940 korrespondierendes Mitglied der Akademie der

    Wissenschaften in Wien. 1945 wegen seiner Zugehörigkeit zur NSDAP entlassen, arbeitete

    Stetter nach dem Kriege ohne nennenswerte Hilfsmittel und ohne festes Einkommen in Zell am

    See an Staubmessgeräten. Stetter entwarf für den deutschen Steinkohlenbergbauverein ein

    optisches Staubmessgerät, das zu dieser Zeit eine Pionierleistung darstellte. 1953 wurde Stetter

    rehabilitiert, erlangte wieder die Lehrberechtigung und wurde an die Universität Wien als

    Ordinarius und Vorstand des I. Physikalischen Instituts berufen7. Von 1955 bis 1957 war er

    zugleich Leiter der 1949 von Hans Zechner8 in Leoben gegründeten Österreichischen Staub und

    Silikose Bekämpfungsstelle. 1962 ernannte die Akademie Georg Stetter zu ihrem wirklichen

    Mitglied.

    Im Zusammenhang mit der Analyse von Luftschadstoffen ist auch Georg Wagner zu nennen. Für

    den speziell an der Technischen Hochschule Wien fest verankerten Studienzweig Gas- und

    Feuerungstechnik, der später in „Chemisches Apparatewesen“ umbenannt wurde, und am Institut

    für Verfahrenstechnik und Technologie der Brennstoffe9 beheimatet war, war die Gasanalyse ab

    1937 ein verpflichtender Lehrgegenstand. 1940 habilitierte sich Georg Wagner mit der

    umfassenden Arbeit: „Eine gasanalytische Methode zur Bestimmung von Stickstoff, Wasserstoff,

    6 Siehe auch: Hammerl, Ch., Lenhardt, W., Steinacker, R. und P. Steinhauser (Hrsg.): Die Zentralanstalt für

    Meteorologie und Geodynamik. 150 Jahre Meteorologie und Geophysik in Österreich (Graz 2001) S.213 ff. 7 Reiter, Wolfgang L.: Die Vertreibung der jüdischen Intelligenz: Verdopplung eines Verlustes – 1938/1945. Int.

    Math. Nachrichten Nr. 187 (2001) S. 1 – 20. 8 Hans Zechner, * 24.12.1879 in Wien, † 8.9.1954 in Graz. Tit.Ao. Professor an der Lehrkanzel für Bergbaukunde

    in Leoben. Erster Leiter der von ihm gegründeten Österreichischen Staub und Silikose Bekämpfungsstelle (aktuelle Schreibweise: Österreichischen Staub-(Silikose-) Bekämpfungsstelle) in Leoben, einer Einrichtung der AUVA, Allgemeine Unfallversicherungsanstalt. Siehe auch: Fettweis, Günter B.L.: Zur Geschichte und Bedeutung von Bergbau und Bergbauwissenschaften. (Verlag der ÖAW, Wien 2004) S.377ff.

    9 Seit 2003 Teil des Großinstituts für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften.

  • 11

    Kohlenoxid, Kohlendioxid, Methan, Äthylen und Acetylen“ am damaligen Institut für

    Anorganische und Analytische Chemie (Vorstand A. Klemenc) der TH Wien. 1952 wurde die

    Honorardozentur für Gasanalyse geschaffen und mit Wagner besetzt. In diese Zeit fielen auch die

    Kontaktpflege mit Stetter und eine intensive Bearbeitung chemischer Vorgänge in der

    Atmosphäre.

    Gründung der Kommission für Reinhaltung der Luft – eine unabhängige interdisziplinäre

    Forschergemeinschaft

    Für selbständige wissenschaftliche Forschungsvorhaben von Mitgliedern oder für

    wissenschaftliche Vorhaben, die dauernd von Mitgliedern fachlich betreut werden sollen, kann

    die Österreichischen Akademie der Wissenschaften „ständige” oder „nicht ständige

    Kommissionen” einsetzen.

    Ferdinand Steinhauser stellte am 22. November 1962 den formellen Antrag zur Gründung einer

    Kommission für Reinhaltung der Luft bei der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der

    Akademie. Als zentrale Anliegen wurden Probleme, die aus der Luftverunreinigung resultieren,

    formuliert. Besonders betonte man die praktische Bedeutung dieses Forschungsgebietes für die

    Planung von Industrieanlagen, für die Städteplanung, für heilklimatische Kurorte und für die

    Volksgesundheit. Die Kommission für Reinhaltung der Luft sollte die zukünftige Anlaufstelle für

    alle jene sein, die sich mit diesen Thematiken befassen.

    In der Sitzung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der ÖAW vom 13. Dezember

    1962 beantragte Ferdinand Steinhauser, in seiner Funktion als w.M. der ÖAW, … die Schaffung

    einer „Kommission für Reinhaltung der Luft“ und beantragte in die Kommission aufzunehmen:

    die Mitglieder Hayek, Steinhauser, Stetter, Wessely, sowie die Herren Prof.Dr. Johann Schedling

    und Prof.Dr. Georg Wagner. Diesem Antrag wurde zugestimmt.10

    Diese ständige Kommission legte den Grundstein für die interdisziplinäre Forschung auf dem

    Gebiet der Luftreinhaltung in Österreich, ihre Mitglieder waren Mediziner, Chemiker,

    Meteorologen, Physiker, Gas- und Feuerungstechniker. Dem damaligen Verständnis von

    Institutsvorständen und deren Mitarbeitern an der Universität entsprechend, konnten auch die

    Forschungsarbeiten an den Instituten in die Arbeit der KRL einfließen. Daher ist es im Rahmen

    10 Protokoll der Sitzung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der ÖAW vom 13. Dezember 1962,

    vertrauliche Sitzung. 1721/62.

  • 12

    dieses Berichtes nicht immer leicht, zwischen den Aktivitäten der Kommission und solchen

    einzelner Institute zu unterscheiden.

    Seit ihrer Gründung berät die KRL als eine fachlich kompetente unabhängige Institution die

    österreichische Bundesregierung bei Umweltproblemen und Luftqualitätsgrenzwerten. Die KRL

    organisiert Fächer übergreifende Projekte und koordiniert die Beiträge der einzelnen Institute.

    Neben den Akademiemitgliedern bezog man auch Experten von außerhalb der Akademie in diese

    Kommission mit ein. Ein weiteres Motiv für die Gründung der KRL war, dass das damalige

    Sozialministerium mit seiner Gesundheitssektion, die mit eigenem Budget ausgestattet war11,

    ständig unabhängige Beratung in gewerbehygienischen Fragen und in Fragen der

    Schwefeldioxid-Emission anstrebte.

    Die Arbeit in der Kommission für Reinhaltung der Luft war und ist durch die interdisziplinäre

    Zusammensetzung der Kommission geprägt. Eine erfolgreiche Zusammenarbeit konnte nur

    dadurch erreicht werden, dass die in unterschiedlichen Disziplinen spezialisierten Wissenschafter

    für ihre verschiedenen Sichtweisen und Terminologien eine gemeinsame Basis schufen. Erst

    dadurch wurde eine wissenschaftliche Kommunikation möglich. Die Ergebnisse dieser guten

    Zusammenarbeit resultierten in den Publikationen der verschiedenen Luftqualitätskriterien12.

    Diese Berichte stellten einen entscheidenden Beitrag der KRL für die Entwicklung der

    Umweltgesetzgebung dar.

    Die KRL konnte erfolgreich dazu beitragen, dass bereits Mitte der 70-er Jahre politisch und

    technisch entscheidende Schritte zur Lösung des Problemkreises Luftreinhaltung gesetzt wurden.

    Erwähnt seien in diesem Zusammenhang z.B. die Reduktion des SO2-Gehalts der Luft seit 1980

    um mehr als 90%, die Ausstattung aller kalorischen Kraftwerke und der OMV-Raffinerie

    Schwechat mit Rauchgasentschwefelungsanlagen, sowie die stufenweise Absenkung des

    Schwefelgehaltes in Heizölen und Treibstoffen.

    Der Physiker Georg Stetter – erster Obmann der KRL

    Zu den ersten Mitgliedern der Kommission zählten der Mediziner Heinrich Hayek (Anatomisches

    Institut der Universität Wien), die Physiker Georg Stetter (I. Physikalisches Institut der

    Universität Wien) und Johann Schedling (I. Physikalisches Institut, ab 1961 Vorstand des

    11 Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts existierte die Idee, ein Gesundheitsministerium einzurichten. Aus Gründen

    der Sparsamkeit während des 1. Weltkrieges kam es aber nicht zur Gründung dieses Ministeriums, man richtete dafür die getrennt budgetierende Gesundheitssektion ein. Erst viel später, 1972, kam es zur Bildung eines Gesundheitsministeriums.

    12 Siehe z.B. Luftqualitätskriterien SO2.

  • 13

    Instituts für medizinische Physik der Universität Wien), die Chemiker Georg Wagner (Institut für

    Analytische Chemie der TH Wien) und Friedrich Wessely (Institut für Medizinische Chemie der

    Universität Wien) und der Meteorologe Ferdinand Steinhauser (Institut für Meteorologie und

    Geophysik der Universität Wien). Die unterschiedlichen Fachgebiete der einzelnen Mitglieder

    betonten von Anfang an den angestrebten interdisziplinären Charakter der Kommission.

    In der konstituierenden Sitzung vom 7. März 1963 wurde

    unter dem Vorsitz von Fritz Knoll, dem damaligen

    Generalsekretär der Österreichischen Akademie der

    Wissenschaften, Georg Stetter (Abb. 4) zum Obmann

    gewählt. Noch im selben Jahr, am 27. Juni, kooptierte die

    Kommission den Meteorologen Heinz Reuter (Institut für

    Meteorologie und Geophysik der Universität Wien).

    Anlässlich eines Schreibens des Europarates über die

    Verseuchung der Atmosphäre wurde seitens der KRL

    beschlossen, den Aufgabenbereich der Kommission

    gegenüber dem Arbeitsbereich der Kommission für

    Strahlenforschung und Strahlenschutz abzugrenzen,

    sodass die Behandlung der Probleme, welche die

    radioaktive Verunreinigung der Luft betreffen, dieser

    Kommission vorbehalten blieb13. Die strenge Trennung

    wurde allerdings nicht durchgehend befolgt.

    In der zweiten Hälfte der sechziger Jahre widmete sich Johann Schedling den nicht radioaktiven

    Luftverunreinigungen. Unter seiner Leitung wurden in Österreich die ersten Immissions-

    messungen durchgeführt. Schedling prägte so die Pionierzeit des Umweltschutzes in Österreich.

    Auf Grund der guten Kontakte von Johann Schedling zur Österreichischen Staub und Silikose

    Bekämpfungsstelle (ÖSBS) in Leoben und zum Sozialministerium, das zum damaligen Zeitpunkt

    die Gesundheits- und Umweltfragen wahrnahm, kam es Ende der 60-er Jahre auch zum Einstieg

    in umweltpolitische Fragestellungen.

    13 Protokoll der Sitzung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der ÖAW vom 7. März 1963. 183/63.

    Abb. 4. Georg Stetter in seiner Vorlesungbei der Vorführung der Thermodiffusion,die von großer Bedeutung für dasVerhalten ultrafeiner Aerosolteilchen ist.

  • 14

    Erste Forschungsarbeiten der KRL – Immissionsmessungen von Aerosolen,

    Kohlenstoffoxiden und Kohlenwasserstoffen am Donauturm und am I. Physikalischen

    Institut

    Anlässlich der Wiener Interna-

    tionalen Gartenschau 1964

    (WIG´64) wurde im Donaupark, 22.

    Wiener Gemeindebezirk, der 250 m

    hohe Donauturm mit einer in 150 m

    Höhe befindlichen Aussichts-

    terrasse eröffnet (Abb. 5 und 6).

    Dieser Standort eignete sich ideal

    für die Aerosolmessungen der KRL,

    da im Park keine anthropogenen

    Aerosolquellen, die die Messungen

    verfälscht hätten, vorhanden waren

    und somit eine integrale Messung

    über ein größeres Gebiet Wiens

    möglich war. Hier führte man

    Kohlenstoffdioxid-Messungen durch. Am westlichen Rand der Besucherplattform wurde ein

    Goetz-Aerosolspektrometer (ein Gerät zur Untersuchung ultrafeiner Aerosolteilchen) installiert.

    Als Träger benutzte man Chromfolien, die nach mehrstündiger Sammelzeit sofort und erneut

    nach mehrstündiger Lagerung fotografiert wurden, um die instabilen Komponenten zu erfassen.

    Helmuth Horvath, heute Professor am Institut für Experimentalphysik der Universität Wien und

    Kommissionsmitglied, führte ab Juni 1964 regelmäßig Messungen durch und wertete die

    Ergebnisse im Rahmen seiner Dissertation aus14.

    Eine der ersten Anschaffungen der noch jungen KRL, ein UltraRotAbsorptionsSchreiber15

    (URAS) zur Registrierung von gasförmigen Luftverunreinigungen, wurde 1964 möglich.

    14 Horvath, Helmuth: Untersuchungen an natürlichen und anthropogenen Aerosolen. Diss. Univ.Wien (1966). 15 Bereits 1963 wurde in der Sitzung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der ÖAW vom 9. Mai 1963

    ein Subventionsantrag über 40 000,--ATS (entspricht 2 906,91€) zur Anschaffung eines Gerätes zur automatischen Registrierung des Gehaltes verschiedener Gase in der Luft (URAS- Gerät) vom w.M. G. Stetter vorgelegt. Aus: Protokoll der Sitzung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der ÖAW vom 9. Mai 1963. 799/63.

    Abb. 5. Bericht über Aerosolmessungen am Donauturm.

  • 15

    Die Messdaten der Regi-

    strierung des Kohlen-

    stoffdioxid-Gehalts der

    Luft am Donauturm und

    am I. Physikalischen

    Institut der Universität

    Wien wurden mit Hilfe

    der elektronischen Re-

    chenanlage IBM 1620

    bzw. ab 1967 IBM 1130

    an der Zentralanstalt für

    Meteorologie und Geo-

    dynamik an der Hohen

    Warte in Wien Döbling

    ausgewertet. Erste Resultate wiesen auf eine Verknüpfung der Kohlenstoffdioxid-Konzentration

    mit den Turner'schen Stabilitätsklassen hin. Bei den Klassen 4 und 5 ergab sich ein Minimum,

    wobei es zu jahreszeitlichen Verschiebungen kam. Diese Abhängigkeit zeigte sich im Inneren der

    Stadt deutlicher als am Donauturm. Weiters war auch eine Abhängigkeit von der Windrichtung

    (Maximum bei Südost) festzustellen.

    Die kontinuierlich durchgeführten Kohlenstoffdioxid-Messungen zeigten, dass die Turner'schen

    Stabilitätsklassen allein zur Beschreibung der Ausbreitungsbedingungen nicht ausreichten, daher

    wurde die Höhenverteilung der Lufttemperatur als weiterer Parameter eingeführt, wodurch auch

    Inversionen berücksichtigt werden konnten.

    Eine neue Versuchsreihe mit Parallelmessungen sollte den Gehalt an Kohlenstoffdioxid in der

    Luft gemeinsam mit der Bestimmung von Kohlenstoffmonoxid+Kohlenwasserstoffen

    (ausgenommen Methan) untersuchen. Eine Differenzierung zwischen Kohlenstoffmonoxid und

    Kohlenwasserstoffen war nicht möglich. Man ging von der Überlegung aus, dass der

    Kohlenstoffdioxid-Gehalt als Luftgütekriterium heranzuziehen ist, da er als Indikator für durch

    Verbrennungsprozesse entstandene Gase dienen kann. An 15 Tagen im Jänner 1969 wurden

    gemeinsam mit dem I. Physikalischen Institut von Schedling Messungen in der Währinger Straße

    13 im 9. Wiener Gemeindebezirk vorgenommen. Die Ergebnisse zeigten einen Maximalwert von

    20 ppm für Kohlenstoffmonoxid+Kohlenwasserstoffe, mit einem Korrelationskoeffizienten von

    0,81 zwischen Kohlenstoffmonoxid+Kohlenwasserstoffen und Kohlenstoffdioxid, wodurch sich

    die getroffene Annahme bestätigte.

    Abb. 6. Aerosolmessungen am Donauturm 1964.

  • 16

    Im Februar 1969 wurde die Anlage zur Kohlenstoffmonoxid+Kohlenwasserstoffe-Messung auf

    dem Donauturm installiert. Der Maximalwert betrug hier 8 ppm Kohlenstoffmon-

    oxid+Kohlenwasserstoffe. Weiters wurde eine Versuchsreihe gestartet, in der Luftproben vom

    Gehsteig der Währinger Straße gesammelt wurden. Eine erste Auswertung ergab

    Kohlenstoffmonoxid+ Kohlenwasserstoff- Werte von 50 ppm.

    Die Messungen zum Kohlenstoffdioxid-, Kohlenstoffmonoxid+Kohlenwasserstoff- Gehalt der

    Luft an den Messstellen im I. Physikalischen Institut und am Donauturm wurden vollständig

    ausgewertet. Der Messbericht brachte 1970 interessante Erkenntnisse:

    Die Ergebnisse für die Messstelle „Institut“ zeigten Konzentrationsmittelwerte für

    Kohlenstoffdioxid von 346,9±0,8 ppm, für Kohlenstoffmonoxid+Kohlenwasserstoffe von

    1,6±0,08 ppm, sowie einen Maximalwert für Kohlenstoffmonoxid+Kohlenwasserstoffe von

    17,3 ppm. Der Korrelationskoeffizient zwischen Kohlenstoffdioxid und Kohlenstoff-

    monoxid+Kohlenwasserstoff- Gehalt betrug 0,82, wodurch der Kohlenstoffdioxid-Gehalt der

    Luft als Kriterium für die Luftverunreinigung durch Kohlenstoffmonoxid+Kohlenwasserstoffe

    geeignet erschien. Der Zusammenhang zwischen Kohlenstoffmonoxid+Kohlenwasserstoff-

    Gehalt und Verkehrsdichte war eng (Korrelationskoeffizient 0,9), woraus geschlossen werden

    konnte, dass der Verkehr die Hauptquelle des Kohlenstoffmonoxids war. Als wichtige

    Einflussgröße zeigte sich die Windrichtung. Bei Südostwind konnte die 4-fache

    Kohlenstoffmonoxid+Kohlenwasserstoff-Konzentration festgestellt werden wie bei

    Nordwestwind. Die vertikale Temperaturschichtung der Atmosphäre (Inversion) war ebenfalls

    eine wichtige Einflussgröße. Die Untersuchungen beschränkten sich auf eine Höhe zwischen

    44 m und 121 m. Die Konzentration der Verunreinigungen stieg umso mehr an, je schlechter die

    Austauschverhältnisse waren. Die Relation zwischen Kohlenstoffmonoxid+Kohlenwasserstoffen

    und Kohlenstoffdioxid wurde bei guten Austauschverhältnissen insofern verändert, als der

    Kohlenstoffdioxid-Gehalt kleiner wurde.

    An der Messstelle Donauturm lagen 91% der Messwerte unter 0,5 ppm

    Kohlenstoffmonoxid+Kohlenwasserstoffe. Der Mittelwert für Kohlenstoffdioxid in reiner Luft

    betrug 330,5+0,7 ppm (der Hintergrundwert im Jahre 1970 gemessen am Mauna Loa Obser-

    vatorium auf Hawaii betrug um 325 ppm), jener für Kohlenstoffmonoxid+Kohlenwasserstoffe

    0,21+0,04 ppm. Der Maximalwert für Kohlenstoffmonoxid+Kohlenwasserstoffe lag bei 6,6 ppm.

    Der Korrelationskoeffizient zwischen Kohlenstoffdioxid und Kohlenstoffmonoxid+Kohlen-

    wasserstoffen wurde mit 0,86 bestimmt. Der Einfluss der Temperaturschichtung äußerte sich in

    einer Absperrung der verunreinigten Luftschichten durch tiefer liegende Inversionen. Sobald

    diese Inversionen aber abgebaut wurden, stiegen die Konzentrationen merklich an.

  • 17

    Wissenschaftliche Veranstaltungen

    Bereits im zweiten Jahr ihres Bestehens, und diese Tradition hält sich bis heute, begann die KRL

    Experten aus dem In- und Ausland zu fachspezifischen Vorträgen einzuladen. Diese

    Vortragsreihe sollte einerseits den interdisziplinären Gedankenaustausch auf internationaler

    Ebene gewährleisten, aber auch neueste Erkenntnisse auf den Arbeitsgebieten der KRL bekannt

    machen. Erster Gast war Gustav Kubie vom Institut für physikalische Chemie der

    Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften (siehe Vorträge). Zuvor hatte die KRL in

    ihrer Sitzung vom 7. März 1963 beschlossen, die ÖAW zu ersuchen Kubie für vier Wochen nach

    Wien zur Durchführung von Untersuchungen auf dem Gebiet der Aerosolspektrometrie

    einzuladen.16

    Auf Anregung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung, anlässlich einer von diesem im

    Frühjahr 1967 veranstalteten Enquete, begann die KRL gesamtösterreichische und internationale

    Kolloquien zu Fragen der Luftreinhaltung zu organisieren, um über die Entwicklung der

    Umweltfragen informiert zu bleiben. Die erste dieser Tagungen fand am 24. November 1967 in

    den Räumen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften statt und beschäftigte sich mit

    dem speziellen Problem der Messung von Schwefeldioxid in der Atmosphäre. Dabei wurden mit

    verschiedenen automatisierten Messgeräten gewonnene Erfahrungen ausgetauscht.

    Vom 18. bis 24. September 1969 wurde beginnend in Prag (Abb. 7) und dann in Wien das

    gemeinsam mit der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften und dem I.

    Physikalischen Institut der Universität Wien veranstaltete Symposium „7th International

    Conference on condensation and ice nuclei“ abgehalten. Diese Tagung hatte auch politischen

    Symbolcharakter, sie zeigte, dass Wissenschaft keine Grenzen kennt: es war dies die erste

    gemeinsame Veranstaltung einer westlichen und östlichen Akademie in der Zeit des „Kalten

    Krieges“, ein Jahr nach dem „Prager Frühling“, jeweils eröffnet vom Präsidenten der

    Tschechoslowakischen und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Insgesamt

    nahmen 130 Wissenschafter aus 30 Ländern teil. Im Organisationskomitee waren Josef

    Podzimek, Květoslav R. Spurný und Othmar Preining, letzterer seit 1969 Mitglied der KRL,

    vertreten. Es wurden 60 Vorträge gehalten, die in Academia, Prague 1969 veröffentlicht

    wurden.17

    16 Protokoll der Sitzung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der ÖAW vom 21. März 1963. 397/63. 17 Podzimek, J. (Ed.): Proceedings of the 7th International conference on condensation and ice nuclei. Academia

    (Prague 1969).

  • 18

    In den folgenden Jahren und bis heute hat die KRL jährlich durchschnittlich zwei

    Fachveranstaltungen von Kolloquien bis hin zu Kongressen allein oder in Zusammenarbeit mit

    österreichischen oder ausländischen Fachorganisationen durchgeführt. So wurde beispielsweise

    in der ÖAW 1996 die „7th Global Warming International Conference” gemeinsam mit dem

    Global Warming International Center, Woodridge, IL, USA veranstaltet. 1999 organisierte die

    KRL weltweit zum ersten Male ein „Symposium on the History of Aerosol Science“ in den

    Räumen der Akademie. Achtzig Wissenschafter aus Europa, Asien und Übersee nahmen an dem

    Symposium teil. Drei Themenkreise – Aerosole in der Geschichte der Menschheit, Biografien

    von Aerosolforschern und die Entwicklung der nationalen Gesellschaften in einzelnen

    geografischen Regionen bzw. Staaten – wurden in 39 Vorträgen behandelt und publiziert18.

    Eine vollständige Liste der von der KRL organisierten wissenschaftlichen Veranstaltungen findet

    sich unter „Tagungen“. Aktuelle Informationen sind unter www.oeaw.ac.at/krl zu finden.

    18 Die ausgearbeiteten und redigierten Beiträge sind als „History of Aerosol Science, Proceedings of the Symposium

    on the History of Aerosol Science“ im Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften im Jahr 2000 erschienen.

    Abb. 7. Am 18. September 1969 wurde in Prag das gemeinsam mit der Tschechoslowakischen Akademie derWissenschaften und dem I. Physikalischen Institut in Wien veranstaltete Symposium „7th International Conferenceof condensation and ice nuclei“ eröffnet. Am Vortragspult Prof.Dr. Rudolf Brdicka, als Vertreter des Präsidentender Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften.

  • 19

    Der Physiker Johann Schedling übernimmt die Geschäftsführung der KRL

    Als Felix Ehrenhaft 1946 als Gastprofessor an die

    Universität Wien zurückberufen wurde, gewann er

    Schedling (Abb. 8) als Assistenten. Wie bereits

    erwähnt umfasste das damalige Arbeitsgebiet

    Probleme der Photophorese, und mit Arbeiten aus

    diesem Bereich habilitierte sich Schedling 1949.

    Schon als Dozent verstand er es, die Exaktheit und

    Objektivität der wissenschaftlichen Arbeit an der

    Universität in den unmittelbaren Dienst der

    Allgemeinheit zu stellen. Der Schwerpunkt seiner

    Arbeit lag dabei auf der Messung von Luft

    getragenem Staub (Abb. 9). Zunächst wurden

    Geräte zur Messung am Arbeitsplatz entwickelt.

    Um 1950 begann die Zusammenarbeit mit der

    Österreichischen Staub und Silikose

    Bekämpfungsstelle, um diese mit käuflich nicht

    erhältlichen Staub sammelnden Messgeräten zu versorgen; Teilchenzählgeräte (Konimeter)

    wurden nachgebaut und wesentlich verbessert. International begann damals die Zusammenarbeit

    mit dem Staubforschungsinstitut in Bonn. Mitte der fünfziger Jahre startete die Entwicklung einer

    Apparatur zur Routineanalyse von Quarz (Differenzialthermoanalyse), der wegen der

    Silikosebekämpfung eine große Bedeutung zukam. Anfang der sechziger Jahre begann die

    Entwicklung von Instrumenten zur Erfassung der Massenkonzentration von Stäuben.

    Als die damalige Sowjetunion und die USA mit den oberirdischen Atomwaffenversuchen

    begannen, befasste sich Schedling verstärkt mit der Problematik der Probenahme von Staub und

    versuchte mit damals einfachsten messtechnischen Methoden die Radioaktivität qualitativ und

    quantitativ zu erfassen. Dadurch konnten Art und Menge des auf Österreich niederfallenden

    radioaktiven Fallouts erfasst werden. Dies führte dazu, dass Beamte des Bundesministeriums für

    soziale Verwaltung 1959 mit Schedling Kontakt aufnahmen. 1960 wurden ihm die ersten

    Mitarbeiter seitens des Ministeriums für die Messungen zur Verfügung gestellt. Damit war die

    Abteilung für Radiologie und Lufthygiene gegründet, mit deren wissenschaftlicher Leitung

    (unentgeltlich) Schedling im März 1962 durch Bundesminister Proksch betraut wurde (Abb. 10

    Abb. 8. Johann Schedling – Vorstand desInstituts für Medizinische Physik der UniversitätWien.

  • 20

    Abb. 9. Johann Schedling thematisiert die Luftverschmutzung.

  • 21

    Abb. 10. Messwagen der BBSUA zur Untersuchung der Luftqualität.

    und 11). In diese Zeit fällt auch die Berufung Schedlings an die Medizinische Fakultät. Im

    Oktober 1961 wurde er Vorstand des Instituts für Medizinische Physik, 1965 erfolgte die

    Ernennung zum ordentlichen Professor.19

    Durch seine unkonventionelle Art

    baute Schedling viele Kontakte zu

    interessierten Fachleuten in den

    Bundesländern auf und schuf damit

    die Grundlage einer konstruktiven

    Zusammenarbeit. So wurden zum

    Beispiel seit 1968 mit den

    Länderkollegen Richtlinien für eine

    einheitliche Probennahme, Analyse

    und Aus- und Bewertung von

    Immissionsmessungen erstellt, an

    die sich freiwillig alle hielten. Diese

    Richtlinien wurden später vom Bun-

    19 Weinzierl, Peter: Nachruf Johann Schedling. Almanach der ÖAW. 1986, 136. Jg. (Wien 1987) S. 323-326.

    Abb. 11. Luftuntersuchungen am Stephansplatz.

  • 22

    desministerium für Gesundheit und Umweltschutz in der so genannten Blau-Weißen Reihe

    veröffentlicht. Aus den vorerwähnten Kontakten entwickelten sich Mitte der 70-er Jahre

    informelle Treffen. Diese als „Bundesländerarbeitskreis“ bezeichnete Gruppierung tagte zwei

    Mal jährlich, zunächst am Institut für Medizinische Physik und später bis heute abwechselnd in

    der ÖAW bzw. in einem der Bundesländer.

    Johann Schedling hatte auch maßgeblichen Anteil an der Erarbeitung des 1969 beschlossenen

    Strahlenschutzgesetzes (BGBl. 227, 1969).

    Neue Impulse erhielt die Arbeit der KRL sicherlich auch durch die Schaffung eines eigenen

    Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz im Jahre 197220 und durch die

    Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftlichen Beirat für Umwelthygiene. Mit letzterem kam es

    sinnvoller Weise vielfach zu einer Personalunion mit der KRL. In dieser Zeit ging die

    Geschäftsführung der KRL praktisch auf Johann Schedling über, da Stetter sich weit gehend von

    der organisatorischen Arbeit zurückgezogen hatte. Schedling hatte auch großen Einfluss darauf,

    dass ein wissenschaftlicher Beirat für Umwelthygiene beim Bundesministerium für soziale

    Verwaltung (später beim Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz) eingerichtet

    wurde. Er selbst war lange Zeit Mitglied dieses Beirates und leistete dadurch auch maßgebliche

    Arbeit bei der Erstellung des ersten Entwurfs für ein Luftreinhaltegesetz.

    Einrichtung eines Wissenschaftlichen Beirates für Fragen der Umwelthygiene

    In der Regierungserklärung der SPÖ-Minderheitsregierung unter Bundeskanzler Bruno Kreisky

    vom 27. April 1970 waren als Zielsetzung unter anderem „Maßnahmen zum Schutze vor

    gesundheitsschädigenden Umwelteinflüssen“ vorgesehen.

    Ein Bericht des Bundesministers für soziale Verwaltung, Rudolf Häuser, vom 23. Juli 1970 über

    die Fragen der Umwelthygiene sorgte für eine Sensibilisierung des Ministerrats zu diesem

    20 Der Name des jeweiligen Ministeriums änderte sich ständig im Laufe der Zeit. Gesundheitsministerium, erstmals

    1972 als BM f. Gesundheit und Umweltschutz eingerichtet (Minister: Ingrid Leodolter, Hertha Firnberg*, Herbert Salcher, Kurt Steyrer und Franz Kreuzer), 1987-90 wurden die Gesundheitsagenden von einem eigenen Minister im Bundeskanzleramt wahrgenommen (Minister: Marilies Flemming*, Franz Löschnak und Harald Ettl), 1991-96 BM f. Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz (Minister Harald Ettl, Michael Ausserwinkler und Christa Krammer), 1996-97 BM f. Gesundheit und Konsumentenschutz (Minister Christa Krammer); 1997 wurde das Gesundheitsministerium aufgelöst, seine bisherigen Angelegenheiten übernahm größtenteils das Sozialministerium. Ab 1987 wurden die Umweltagenden im BM f. Umwelt, Jugend und Familie wahrgenommen (Minister: Marilies Flemming, Ruth Feldgrill-Zankel und Maria Rauch-Kallat), von 1995-96 im BM für Umwelt (Minister Martin Bartenstein), 1996-2000 wieder im BM Umwelt, Jugend und Familie (Minister Martin Bartenstein), seit 2000 werden die Umweltagenden vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (Lebensministerium, Minister Wilhelm Molterer) wahrgenommen. (*mit der Leitung betraut)

  • 23

    Thema. Dies hatte zur Folge, dass die Einsetzung eines Interministeriellen Komitees beschlossen

    wurde. Die Aufgabe dieses Komitees war es, die Lage der einzelnen Teilgebiete der

    Umwelthygiene festzustellen, Maßnahmen zur Verbesserung vorzuschlagen und die

    diesbezügliche Arbeit der einzelnen Ressorts zu koordinieren.

    Die konstituierende Sitzung fand am 1. Oktober 1970 unter dem Vorsitz des Bundesministers für

    soziale Verwaltung statt. Zu dessen Ressort gehörten damals auch Volksgesundheit und

    Umwelthygiene. Dem Komitee gehörten weiters Vertreter des Bundeskanzleramtes, der

    Bundesministerien für soziale Verwaltung, für Handel, Gewerbe und Industrie, für Bauten und

    Technik, für Land- und Forstwirtschaft, für Wissenschaft und Forschung, für Inneres, für

    Verkehr, für Auswärtige Angelegenheiten und für Finanzen an. Zu den Sitzungen wurden

    ebenfalls Vertreter der Verbindungsstelle der Bundesländer sowie des Städte- und

    Gemeindebundes zugezogen. Vom Komitee wurde beschlossen, eine Bestandsaufnahme der

    Umweltsituation durchzuführen. Hierzu sollten die einzelnen Ressorts über die für

    Umweltverschmutzung maßgebenden Faktoren jeweils für ihren Bereich berichten. Dieser

    Umweltbericht stellte die erste gemeinsame Arbeit von Bund, Ländern und Gemeinden auf

    diesem Gebiet dar. Im Bericht war ein Kapitel von Johann Schedling enthalten, in dem er die

    Einsetzung eines Wissenschaftlichen Beirates für Fragen der Reinhaltung der Luft forderte.

    Diesen Vorschlag brachte er nochmals gesondert beim Interministeriellen Komitee ein. In einem

    Vortrag vor dem Komitee betonte Schedling erneut die Wichtigkeit raschen Handelns anhand

    alarmierender Messwerte und Prognosen. Auch von Seiten des Bundesministeriums für

    Wissenschaft und Forschung wurde die Einsetzung eines „Projektteams” aus Wissenschaftern

    befürwortet.

    Als Folge dieser Überlegungen wurde ein Wissenschaftlicher Beirat für Fragen der

    Umwelthygiene beim Bundesministerium für soziale Verwaltung konstituiert. Die Aufgabe des

    Beirates war die fachliche Unterstützung des Ressorts und des Interministeriellen Komitees in

    Fragen der Umwelthygiene.

    Die Arbeit im Wissenschaftlichen Beirat für Umwelthygiene am 1972 neu eingerichteten

    Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz (BMfGuU) wies in den Anfangsjahren, als

    der Beirat noch aus einer verhältnismäßig kleinen Gruppe von Fachleuten bestand, eine ähnliche

    Form und Qualität wie die Arbeit in der Kommission für Reinhaltung der Luft auf, da viele

    Kommissionsmitglieder auch Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirates waren. Jene Experten,

    die in den Kommissionssitzungen schon eine gemeinsame wissenschaftliche Basis gefunden

    hatten, nutzten diese auch im Beirat, was das gegenseitige Verständnis förderte. Beide

    Institutionen widmeten sich den jeweils aktuellen Problemen der Luftreinhaltung. War jedoch der

  • 24

    Beirat als weisungsfreies Organ des Umweltministeriums hauptsächlich mit Beratungen über und

    Empfehlungen für Lösungen umweltpolitischer Fragestellungen befasst, so war die Arbeit der

    Kommission, auch auf Grund von Beiratsempfehlungen, die wissenschaftliche Bearbeitung der

    Fragestellungen und die daraus sich ergebenden medizinischen, technischen und physiologischen

    Schlussfolgerungen. In dieser Zeit wurden die wesentlichen Erfolge zur Verbesserung der

    Umweltqualität erzielt. Besonders zu erwähnen sind hier die Arbeiten zur Festlegung

    wirkungsbezogener Immissions-Grenzwerte (WIK) für SO2.

    Im Zuge der Gründung des Ministeriums für Umwelt, Jugend und Familie unter Ministerin

    Flemming wurden eine Anzahl neuer Mitglieder in den Arbeitskreis berufen. Durch diese

    Ausweitung des Gremiums wurde es schwieriger, eine gemeinsame Gesprächsbasis aufrecht zu

    erhalten. Auf Grund der stark gestiegenen Bedeutung des Abfallproblems entschloss sich das

    BMUJF 1991 wegen der Eigenständigkeit dieser Problematik einen Wissenschaftlichen Rat für

    Abfallwirtschaft und Altlastensanierung zu gründen. In dieses Gremium wurden drei Mitglieder

    des Umweltbeirates, die gleichzeitig aber auch Mitglieder der KRL waren, berufen: es waren dies

    Albert Hackl, Manfred Haider und Gottfried Halbwachs. Ersterer wurde zum

    Gründungsvorsitzenden gewählt.

    Galt der Beirat für Umwelthygiene ursprünglich als das Beratungsorgan für die Beamten in

    Sachen Umwelt, der u.a. auch selbständig Probleme aufzeigte, so verlagerte sich die fachliche

    Beratungstätigkeit seit Mitte der 80-er Jahre allmählich auf das 1985 neu gegründete

    Umweltbundesamt (UBA). Obwohl das UBA als Organ des Ministeriums nicht weisungsfrei war,

    war es nicht mehr unbedingt erforderlich, jede fachliche Beratung im Beirat zu suchen. Der

    Beitritt Österreichs zur EU veränderte seinen Stellenwert. 1996 wurde der Beirat für

    Umwelthygiene unter dem damaligen Bundesminister für Umwelt Martin Bartenstein „ruhend

    gestellt“.

  • 25

    Luftqualitätskriterien SO2 – Meilenstein der österreichischen Umweltpolitik

    Das erste große Projekt der KRL – die KRL

    beschloss dies bereits im Dezember 1970 –

    war neben der Erforschung von

    Kohlenstoffdioxid, Kohlenstoffmonoxid

    und Schwefeldioxid in der Atmosphäre die

    Erarbeitung von Qualitätskriterien für die

    Reinhaltung der Luft für Schwefeldioxid.

    Diese Aufgabe erforderte die Erweiterung

    der Kommission um folgende Mitglieder:

    Heinz Flamm (1969), Josef Kisser (1971)

    und Manfred Haider (1971).

    Der damalige Obmann der KRL, Georg

    Stetter, unterstrich in seiner Einleitung zu

    den „Luftqualitätskriterien SO2"21 die

    Bedeutung ihrer Festlegung: „Unter den

    zivilisatorisch bedingten Luftverun-

    reinigungen stehen das vorwiegend bei der

    Verbrennung fossiler Brennstoffe im Zuge

    der Energiegewinnung entstehende

    Schwefeldioxid und seine Folgeprodukte an

    markanter Stelle. Nahezu weltweit zeigen Immissionsmessresultate, dass in Industrie- und

    Wohnballungsgebieten bei austauscharmen Wettersituationen deren Anreicherung in der

    Atmosphäre stattfindet und dass dabei, eventuell im Zusammenwirken mit anderen luftfremden

    Stoffen und Luftfeuchtigkeit, erhebliche Schäden für Mensch, Tier und Pflanze sowie (leblose)

    Materialien auftreten können. Zur Beurteilung des Ausmaßes der Gefährdung sind Grenzwerte

    für die noch zulässige Schwefeldioxidkonzentration erforderlich. Solche wirkungsbezogenen

    Grenzwerte können nur auf Grund der Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen festgelegt

    werden; sie haben stets vorläufigen Charakter, da sie dem jeweiligen Stand der

    wissenschaftlichen Erkenntnisse angepasst werden müssen. Die wirkungsbezogenen Immissions-

    Grenzkonzentrationen (WIK) bilden die Grundlage für die Erstellung maximaler

    21 Akademie der Wissenschaften: Schwefeloxide in der Atmosphäre – Luftqualitätskriterien SO2. Richtlinie 1,

    BMfGuU (Hrsg.) (Wien 1975).

    Abb. 12. Titelblatt der Publikation Schwefeloxide in derAtmosphäre, Luftqualitätskriterien SO2.

  • 26

    Immissionskonzentrationen (MIK). Bei deren normativer Festlegung werden neben der Wirkung

    weitere Momente, wie sozioökonomische, politische u. a. m. zu beachten sein.“

    Auf Anregung von Johann Schedling wurde 1970 die Arbeitsgruppe „Luftqualitätskriterien SO2"

    gebildet, die aus den Mitgliedern Manfred Haider, Josef Kisser, Othmar Preining, Johann

    Schedling, Ferdinand Steinhauser und Georg Wagner bestand, Gottfried Halbwachs wurde

    kooptiert. Zusätzlich konnten jeweils für die einzelnen Abschnitte weitere Fachleute zur

    Mitarbeit gewonnen werden: Ruth Baumann, Helger Hauck, Manfred Neuberger und Johanna

    Waniek. Im weiteren Verlaufe wurden die Mitglieder der Arbeitsgruppe „Luft” des

    Wissenschaftlichen Beirates für Umwelthygiene im Bundesministerium für Gesundheit und

    Umweltschutz (Johann Benger22, Vorstand der Lehrkanzel für Hygiene der Universität

    Innsbruck, Senatsrat J. Frenzel, Leiter der Stadtklimastelle Linz des Magistrates Linz und

    Landeshygieniker der Steiermark Josef Möse, Vorstand des Hygiene-Instituts der Universität

    Graz) in die Beratungen zur Erarbeitung der Luftqualitätskriterien SO2 eingebunden, um die

    Erfahrungen und Daten aus ihren Arbeitsbereichen einzubringen.

    Die Arbeitsgruppe mit Fachleuten auch außerhalb der Kommission konnte in der Zwischenzeit

    die Entwürfe der einzelnen Teilgebiete fertig stellen und im Mai 1973 präsentieren. Interdiszipli-

    närer Dialog und Einstimmigkeit, sowie die gemeinschaftlichen Lesungen bestimmten und

    bestimmen bis heute die Arbeitsweise der KRL. Ein knappes Jahr später, am 28. Februar 1974,

    lag das Sammelwerk „Schwefeloxide in der Atmosphäre, Luftqualitätskriterien SO2” (Abb. 12)

    vor und wurde noch im März dem Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz

    übergeben, das auch die Drucklegung übernahm.

    Nachstehend werden die Schlussfolgerungen und Empfehlungen daraus gekürzt zitiert:

    22 Mitglied der KRL seit 1977.

  • 27

    „Für die wirkungsbezogenen Immissions-Grenzkonzentrationswerte ergeben sich die in der nachfolgenden Tabelle zusammengestellten Werte.

    Empfehlungen: Unter den derzeit gegebenen Verhältnissen wurde von der KRL empfohlen, das Bundesgebiet je nach Nutzung der Landstriche in drei, nicht unbedingt zusammenhängende Zonen einzuteilen. Die Zone I soll besonders zu schützende Gebiete, z. B. Naturschutzgebiete, Kur- und Erholungsräume umfassen. Die unter B in der Tabelle genannten Werte sollen für diese Zone als normative Immissions-Grenzkonzentrationen gelten. Für die Funktion als Kur- und Erholungsraum ist zusätzlich auch die Höhe der Staubkonzentration, neben anderen luftfremden Stoffen, von ausschlaggebender Bedeutung. Für die Staubkonzentration wird der von der WHO als Langzeitziel angegebene Tagesmittelwert von 0,12 mg Staub/m3 empfohlen, der nicht öfter als an 7 nicht aufeinanderfolgenden Tagen eines Jahres überschritten werden darf. Die Zone II soll das übrige Bundesgebiet, ausgenommen die in der Zone III zusammenzufassenden Belastungsgebiete, enthalten. Für diese Zone sollen die unter A in der Tabelle genannten Werte als normative Immissions-Grenzkonzentration gelten. In dieser Zone II wird in Abhängigkeit von orographischen und meteorologischen Verhältnissen mit schädigenden Beeinflussungen der Vegetation, insbesondere der SO2-empfindlichen Nadelgehölze zu rechnen sein. Zieht man hinsichtlich der für die Zone II vorgesehenen Grenzkonzentrationen die für diese Zwecke zusammengestellten Überschreitungshäufigkeiten … zu Rate, so zeigt sich, dass in Österreich derzeit in Zentren von Wohnballungsgebieten der Tagesmittelwert von 0,20 mg SO2/m3 in 20 bis 70% der in den Winter fallenden Messtage überschritten wird. Hier nicht angeführte Resultate aus der Umgebung von Industrieanlagen deuten ähnliche Verhältnisse an. Auf Grund der gegebenen Situation wird empfohlen, vorübergehend eine Zone III einzuführen. In ihr wird unter Einsatz aller Mittel erreicht werden müssen, dass ein Tagesmittelwert von 0,30 mg SO2/m3 und ein Tagesmittelwert von 0,30 mg Staub/m3 nicht überschritten wird. In dieser Zone III ist ein gewisses vermehrtes gesundheitliches Risiko für bereits kranke bzw. besonders empfindliche Personen gegeben. Die Auswahl der Pflanzen für diese Gebiete sollte sich an den zahlreich vorliegenden Resistenzuntersuchungen … orientieren. Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Zone III als Übergangslösung verstanden werden soll und alle Anstrengungen zu unternehmen sind, in ihr in angemessener Frist von etwa 5 bis 10 Jahren die Luftqualität der Zone II zu erreichen. Die für die Zonen II und III angegebenen SO2-Tagesmittelwerte sind als arithmetisches Mittel der 48 Halbstundenmittelwerte zu berechnen, wobei nur 3 Halbstundenmittelwerte im Laufe eines Tages die zugehörigen Grenzen von 0,20 bzw. 0,30 mg SO2/m3 überschreiten dürfen. Diese Begrenzung ist notwendig, da durch die Angabe eines Tagesmittelwertes allein kurzzeitige und relativ hohe Konzentrationsspitzen zulässig wären, die zum Anlass starker Belästigungen und gesteigerter Vegetationsschädigungen werden können. Ohne einem zukünftigen Luftqualitätskriterium für feste und flüssige Luftverunreinigungen vorgreifen zu wollen sei darauf hingewiesen, dass Staubkonzentrationen … sich im Wesentlichen auf Fraktionen unter 10 µm Stokes-Äquivalentdurchmesser … beziehen.“23

    23 Siehe auch: http://www.oeaw.ac.at/krl/publikation/index.htm

  • 28

    In der Publikation „Luftqualitätskriterien SO2“ – „Blau-Weiße Reihe“ – aus dem Jahr 1975

    mussten zwei Jahre später auf Grund der schwierigen praktischen Anwendbarkeit die gegebenen

    Empfehlungen geändert werden. Die Änderungen umfassten die Zone II, in der der

    Halbstundenmittelwert von 0,2 mg SO2/m3 nun dreimal pro Tag und höchstens bis 0,5 mg

    SO2/m3, sowie die Zone III in der der Halbstundenmittelwert von 0,3 mg SO2/m3 nun dreimal pro

    Tag und höchstens bis 0,8 mg SO2/m3 überschritten werden durfte.

    Trotz mancher „Kinderkrankheiten“ des Berichtes handelte es sich bei den „Luftqualitätskriterien

    SO2“ um einen Meilenstein in der österreichischen Umweltpolitik, da hier die Aussage einer

    unabhängigen wissenschaftlichen Kommission präsentiert und allgemein anerkannt wurde. Das

    war besonders unter dem Gesichtspunkt der damaligen österreichischen Rechtslage, nämlich dass

    die meisten Umweltkompetenzen bei den Ländern lagen, von Bedeutung.

    Am 4. Februar 1977 fand das dritte Schwefeldioxid-Kolloquium im Österreichischen

    Normungsinstitut statt. Teilnehmer waren Schedling, Haider, Halbwachs, Benger, Eder (Vertreter

    von Möse), Mitglieder des Fachnormenausschusses 139 – Luftreinhaltung unter dem Vorsitz von

  • 29

    Frenzel, Rosicky und Höfler vom Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz und

    Brand von der Verbindungsstelle der Bundesländer.

    Anlass für das SO2-Kolloquium war die Oberösterreichische Luftreinhalteverordnung – LGBl.

    Nr. 78/1976, die als erste Immissionsgrenzwerte für SO2 verbindlich festsetzte. Diese

    Verordnung löste starke Bedenken seitens der Wirtschaft aus, da sie anfänglich realitätsfremd

    schien. Die laufenden Messungen ergaben, dass die festgesetzten Grenzwerte in Ballungsräumen

    häufig um das Drei- bis Vierfache überschritten wurden. Da als Grenzwerte die

    wirkungsbezogenen Grenzkonzentrationen (WIK´s) aus den „Luftqualitätskriterien

    Schwefeldioxid“ der KRL übernommen worden waren, löste dies starke Kritik an dieser

    Publikation aus. Kritik wurde auch aus der Steiermark laut, wo ebenfalls eine

    Luftreinhalteverordnung geplant war. Die Vertreter von Industrie und Gewerbe beanstandeten die

    Zoneneinteilung, die – falsch interpretiert – größtenteils Zone I-Gebiete schaffen würde. Auf

    diese Weise, meinte man, werde die Entwicklung der Industrie behindert. Weiters war man der

    Überzeugung, dass die Übernahme der empfohlenen Immissionsgrenzwerte ohne

    Übergangsbestimmungen nicht praktikabel sei. Die Vertreter der Wissenschaft wiesen darauf hin,

    dass die veröffentlichten Werte Zielvorstellungen24 seien und nicht direkt in Verordnungen

    übernommen werden könnten.

    In den vorangegangenen Kolloquien wurde der Inhalt der „Luftqualitätskriterien SO2“ eingehend

    erörtert und die KRL stellte klar, dass die „Empfehlungen für normative Immissions-

    Grenzkonzentrationen” Zielvorstellungen darstellten, deren Erreichung erst in 5 bis 10 Jahren

    angestrebt würde. Diese Grenzwerte könnten aber für neu zu errichtende Wohn- und

    Gewerbegebiete bereits angewendet werden, um eine Verschlechterung der Situation zu

    vermeiden.

    Zur Oberösterreichischen Luftreinhalteverordnung wurde darüber hinaus bemerkt, dass viele

    Mängel darin enthalten waren. So wurde zum Beispiel die Immissionszone III nur indirekt

    berücksichtigt, was zu Problemen beim Vollzug führte. Die Verordnung bezog sich nur auf

    Hausheizungen mit festen Brennstoffen. Bei der Überschreitung der Grenzwerte wurden

    Maßnahmen durch die Bürgermeister angeordnet, wobei die Art der Maßnahmen nicht erwähnt

    wurde. Auch zielte man auf unterschiedliche Behandlung je nach Art des Emittenten ab, was zu

    Überschneidung zwischen Bundes- und Landeskompetenzen führte.

    24 Erst auf Grund dieser Diskussion wurde in der Folge ausdrücklich zwischen Grenzwerten und wirkungsbezogenen

    Grenzkonzentrationen unterschieden.

  • 30

    Fachliche Kritikpunkte an den „Luftqualitätskriterien SO2“ beinhalteten unter anderem auch die

    Forderung, dass Tages- und Halbstundenmittelwert um einen Faktor 3 unterschiedlich sein

    sollten. Gleiches wurde auch für den maximalen HMW und den 95%-Wert der

    Summenhäufigkeit der Halbstundenmittelwerte gefordert. Außerdem wurde kritisiert, dass die

    empfohlenen Grenzwerte für gleichzeitiges Auftreten von Staub und Schwefeldioxid galten.

    Werte für Schwefeldioxid allein fehlten.

    Im Laufe der Diskussion einigte man sich, dass ein Zusatzbericht zu den „Luftqualitätskriterien

    SO2“ mit einer Empfehlung zur Durchführung von Immissionsmessungen und Interpretation der

    Messwerte hinsichtlich der empfohlenen Immissionsgrenzwerte erstellt werden müsse. Diese

    Empfehlungen waren aber nicht als zeitliche Übergangsregelungen anzusehen. Für künftige

    Luftreinhalteverordnungen sollten die Vorschläge zwischen dem Bundesministerium für

    Gesundheit und Umweltschutz und der Verbindungsstelle der Bundesländer abgesprochen

    werden.

    Am 24. Februar 1977 fand als Folge des SO2-Kolloquiums eine Besprechung am Institut für

    Medizinische Physik statt, an der Haider, Schedling, Halbwachs, Preining und Frenzel

    teilnahmen. Nach einer Unterredung mit Herbert Pindur, Sektionschef im Umweltressort, wurden

    mehrere Maßnahmen in die Wege geleitet. Man beschloss die Arbeitsgruppe in zwei

    Untergruppen zu teilen: Die Untergruppe A widmete sich der weiteren Erstellung von

    Luftqualitätskriterien. Sie wurde von Johann Schedling geleitet und arbeitete als Teil der KRL.

    Ihre Mitglieder und deren Vertreter waren Haider (Neuberger), Möse (Eder), Benger (Kofler),

    Halbwachs, Kisser, Frenzel, Steinhauser, Reuter (Kolb), Preining (Berner), Horvath und

    Willinger. Für die Luftchemie wurde Radunsky (BBSUA25, Abt. Lufthygiene) zugezogen.

    Die Untergruppe B, geleitet von Frenzel, arbeitete als Untergruppe der Arbeitsgruppe Luft des

    Wissenschaftlichen Beirates und sollte sich in der Folge mit der Abfassung einer Anleitung zur

    praktischen Anwendung der Luftqualitätskriterien beschäftigen, um dann zu messtechnischen

    Fragen, Auswertungsproblemen, Zonendefinitionen Stellung zu nehmen. Eine zeitliche

    Übergangsregelung strebte man dabei nicht an.

    Die Luftqualitätskriterien SO2 waren als lufthygienische Zielvorgabe formuliert, ohne jedoch

    Empfehlungen für Wege zu ihrer Erreichbarkeit aufzuzeigen. Um eine schrittweise Annäherung

    an die Kriterienwerte zu erreichen, mussten die SO2-Emissionen reduziert werden. Sektionschef

    Pindur beauftragte daher Albert Hackl eine Studie über den Stand der Technik der Rauch-

    25 BBSUA=Bundesstaatliche bakteriologisch-serologische Untersuchungsanstalt.

  • 31

    gasentschwefelung und deren Einsatzmöglichkeit in Österreich zu erarbeiten. Die Studie26 zeigte,

    dass die Rauchgasentschwefelung ein vollziehbarer Stand der Technik ist. Eine Reduktion gelang

    dadurch, dass die kohlegefeuerten Kraftwerke mit Rauchgasentschwefelungsanlagen ausgerüstet

    wurden (Abb. 14) und dass der Schwefelgehalt in Heizölen, später auch in Treibstoffen

    systematisch verringert wurde. Ein zusätzlicher Schritt war der zunehmende Einsatz von

    schwefelfreiem Erdgas an Stelle von Öl und Kohle. Die Summe dieser und weiterer Maßnahmen

    hat die SO2-Emission seit 1975 um rund 80% reduziert, siehe Tab. 1 und Abb. 13.

    26 Hackl, Albert E.: Rauchgasentschwefelung. Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz:

    Forschungsbericht Bd. 79/2 (Wien 1979).

    Jahr t %

    1975 191 660 100,00

    1980 343 540 179,24

    1985 182 840 95,40

    1990 78 880 41,16

    1995 52 010 27,14

    2000 38 050 19,85

    2002 35 960 t 18,76

    Tab. 1. SO2 Emission (in t) seit 1975 in Österreich.

    191660

    343540

    182840

    78880

    52010

    38050

    35960

    0

    50000

    100000

    150000

    200000

    250000

    300000

    350000

    400000

    1975 1980 1985 1990 1995 2000 2002

    Jahr

    Abb. 13. SO2 Emission (in t) seit 1975 in Österreich.

  • 32

    Abb. 14. Steinkohlen- und Erdgasbefeuertes Kraftwerk Dürnrohr mit Entschwefelungs- und Entstickungs-anlagen für das Rauchgas.

    Abb. 15. Braunkohle-Kraftwerk Voitsberg III mit weltweit erster katalytischer Entstickungsanlage fürBraunkohle. Im Bild die Eindüsungsvorrichtung für das Reduktionsmittel.

  • 33

    Vorläufige Richtlinie Nr. 1 – Kohlenmonoxid und experimentelle Untersuchungen der

    Einwirkung von CO auf den Menschen

    In Zusammenarbeit mit dem Institut für Medizinische Physik wurde im Amtshaus in Wien-

    Floridsdorf (Am Spitz) 1971 eine Kohlenstoffmonoxid-Messstelle eingerichtet. Eine Auswertung

    der Kohlenstoffmonoxid-Verläufe im Vergleich mit jenen von SO2 wurde in Zusammenarbeit mit

    der Bundesstaatlichen Bakteriologisch-Serologischen Untersuchungsanstalt in Angriff genom-

    men. Die Messungen des Kohlenstoffmonoxid- und SO2-Gehalts der Luft im Amtshaus

    Floridsdorf erbrachten 1973 erste Ergebnisse. Die Ergebnisse zeigten niedrigere Konzentrationen

    als in der Innenstadt. Auch bei lang andauernden Inversionen betrug der Kohlenstoffmonoxid-

    Gehalt maximal 20 ppm, im Mittel zwischen 0 und 10 ppm. Es fiel auf, dass die Tagesgänge der

    Immissionskonzentration und ihre Höhenabhängigkeit für die beiden Komponenten starke

    Unterschiede aufwiesen. Ebenso war die Quellhöhe unterschiedlich, was auf die verschiedenen

    Emittenten zurückzuführen war. Für Kohlenstoffmonoxid galt der Verkehr als Hauptquelle,

    Schwefeldioxid wurde vorwiegend durch die Heizungen verursacht.

    Die Arbeit an den geplanten „Luftqualitätskriterien CO“ verzögerte sich 1976 etwas, da die für

    diese Arbeit zuständigen Kommissionsmitglieder durch ihre zeitaufwändige Mitarbeit an den

    Vorbereitungen eines diesbezüglichen Gesetzes im Wissenschaftlichen Beirat für Umwelthygiene

    verhindert waren. Schedling verfasste in diesem Zusammenhang die „Vorläufige Richtlinie Nr. 1

    – Kohlenmonoxid“.

    In der Folge leiteten Schedling und Haider, letzterer seit 1970 O.Univ.Prof. für Umwelthygiene

    und Vorstand des Institutes für Umwelthygiene der Universität Wien, mit finanzieller

    Unterstützung durch die KRL eine Untersuchungsserie in die Wege, die sich mit der Einwirkung

    von CO auf den Menschen befasste. Zunächst wurde in diesem Zusammenhang eine

    Bestimmungsmethode für COHb (Carboxihämoglobin) im Blut entwickelt.27 Bei dieser Methode

    wird das Hämoglobin durch Kaliumhexacyanoferrat zerstört und das freigesetzte

    Kohlenstoffmonoxid bestimmt.

    27 Hauck, H., Neuberger, M. und W. Resch: Rasche Carboxihämoglobinbestimmung mittels nichtdispersiver

    Ultrarot-Gasanlyse. Arch. Toxicol. 37 (1976) S. 67-73. Resch, W.: Entwicklung eines raschen und genauen Verfahrens zur Bestimmung von Carboxihämoglobin im umwelthygienisch relevanten Konzentrationsbereich. Mitteilungen der österreichischen Sanitätsverwaltung 80 (1979) S. 3-15.

  • 34

    Abb. 16. Untersuchung der COHb-Konzentration imBlut.

    Um den Verlauf der Carboxihämoglobinkonzentration in Abhängigkeit von der äußeren

    Kohlenstoffmonoxid-Konzentration und physiologischen Parametern zu klären, setzte man

    Versuchspersonen einer definierten Menge an Kohlenstoffmonoxid in der Atemluft aus und

    analysierte das Blut auf Carboxihämoglobin. Unter Einsatz eines spiroergometrischen

    Messplatzes (Abb. 16) wurden freiwilligen Probanden bei verschiedenen physischen Belastungs-

    mustern und CO-Konzentrationen in der Atemluft alle 5 Minuten Blutproben abgenommen und

    später auf COHb analysiert. Damit konnten konkrete Umweltsituationen z.B. im Konzentrations-

    bereich von Immissionsgrenzwerten nachgestellt werden. Ein in der Literatur vorhandenes

    theoretisches Modell der CO-Aufnahmekinetik wurde weiter entwickelt und experimentell

    getestet, wobei sich eine ausgezeichnete

    Übereinstimmung von Modellaussagen und

    experimentellen Werten ergab. Weiters konnte

    bewiesen werden, dass bei Einhaltung der vom

    Wissenschaftlichen Beirat für Umwelthygiene

    vorgeschlagenen Richtlinie für Kohlen-

    stoffmonoxid eine Überschreitung des

    kritischen Carboxihämoglobingehalts von

    2,5% auszuschließen war.28

    1980/81 führte man die Untersuchungen über

    die Kohlenstoffmonoxid-Aufnahmekinetik des

    menschlichen Organismus weiter, wobei man

    die Untersuchungen auf Kinder, da sie eine

    spezielle Risikogruppe darstellen, ausweitete.

    Untersuchungen der COHb-Konzentration z.B.

    bei Neugeborenen, deren Mütter rauchten,

    zeigten erhöhte Werte29.

    28 Hauck, H.: Computergestützte Messanlage zur Untersuchung der Kohlenmonoxid-Aufnahme durch die Atmung.

    Biomed. Techn. 24 (1979) S. 82-88. Hauck, H.: Kohlenmonoxid in der Atemluft und resultierendes Carboxihämoglobin - Untersuchung eines CO-Immissionsgrenzwertes. Anz. der math.-naturw. Klasse der ÖAW 116 (1979) S.49-64. Hauck, H. and M. Neuberger: Carbonmonoxide Uptake and the Resulting Carboxyhemoglobin. Man, Eur. J. Appl. Physiol. 53 (1984) p. 186-190.

    29 Neuberger, M., Endler, M. und W. Resch: Die Kohlenmonoxidbelastung von Mutter und Kind durch Tabakrauchen während der Schwangerschaft. Zbl. Bakt. Hyg. I. Abt. Orig. 176 (1982) S. 349-353.

  • 35

    Eine praktische Konsequenz der Untersuchungen war die Sperre der Herrengasse30, als

    wesentlicher Bestandteil des Innenrings, für den Durchzugsverkehr. Weitere wichtige Ergebnisse

    sind in die „Air Quality Guidelines for Europe“ der WHO eingegangen31.

    Aus den bis dahin gewonnenen Daten wurde auch ein Vorschlag für zulässige

    Kohlenstoffmonoxid-Grenzwerte in Großgaragen erarbeitet32. Dabei achtete man auf einen

    hinreichenden Schutz für den Menschen bei möglichst energiesparenden Lüftungssystemen.

    Luftqualitätskriterium Staub

    1977 begann die KRL mit der Erstellung eines Berichtes über ein „Luftqualitätskriterium Staub“.

    Die Arbeitsgruppe bestehend aus den Kommissionsmitgliedern, verstärkt durch Johann Benger

    als neues Mitglied der KRL, und Mitgliedern aus der Arbeitsgruppe Luft des Wissenschaftlichen

    Beirates für Umwelthygiene hielt zwei Sitzungen ab, in denen das Konzept formuliert und die

    ersten Kapitelentwürfe diskutiert wurden.

    In diesem Zusammenhang wurden 1978/1979 die Arbeiten zur Erhebung der Staub- und

    Aerosolkonzentrationen sowie der Massengrößenverteilungen über den Wiener Verkehrsflächen

    intensiviert. Zur Ermittelung der Massengrößenverteilungen verwendete man einen von A.

    Berner33 neu entwickelten Niederdruck-Kaskadenimpaktor mit einem Messbereich von 0,06 µm

    bis 16 µm. Die Aerosolproben wurden unter anderem am Institut für Experimentalphysik (Univ.

    Wien) in der Boltzmanngasse, am Institut für Medizinische Physik (Univ. Wien) in der

    Währinger Straße und am Exelberg gesammelt. Diese Messungen belegen die modale Struktur

    des Aerosols.

    Zur Erfassung der Staubkonzentration über dem Stadtgebiet diente ein Telephotometer34. Aus

    diesen Messungen ging hervor, dass das Stadtzentrum die höchste Massenkonzentration an

    Aerosolen aufwies. Je nach Wetterlage stieg die Konzentration von den südlichen

    30 Baumann, R., Irlweck, K. und J. Schedling: Fußgängerzonenexperiment Wien 1971. Umweltschutz 9 (1972) S.

    127-130. 31 WHO Regional Office for Europe, Air Quality Guidelines for Europe, WHO Regional Publications, European

    Series No. 91 (Copenhagen 1987). 32 Neuberger, M. und H. Hauck: Kohlenmonoxidgrenzwerte für den Betrieb von Garagen. Mitteilungen der Österr.

    Sanitätsverw. 82 (1981) S. 118-123. 33 Berner, A., Reischl, G. und H. Puxbaum: Size distributions of traffic derived aerosols. The Science of the Total

    Environment 36 (1984) p. 299-303. 34 Horvath, H., Preining, O. and R. Pirich: Measurements of the Spatial Distribution of Particulate Pollution with a

    Telephotometer Atm. Environment Vol. 16, No. 6 (1982) p. 1457 – 1461. Horvath, H. and G. Presle: The Relation between Mass Concentration and Extinction Coefficient in Vienna. J. Aerosol Science, Vol. 10 (1979) p. 215 – 216.

  • 36

    Industriegebieten zum Nordwesten hin an. Es wurden zeitliche Schwankungen mit einem

    Maximum in der Tagesmitte festgestellt. Eine Abnahme der Aerosolkonzentration tagsüber war

    oft mit einer Feuchtigkeitsabnahme und einer Erhöhung der Inversionsschicht verbunden. Die

    Arbeiten an einem Luftqualitätskriterium Staub wurden jedoch in Anbetracht anderer Projekte

    und der Komplexität der Fragestellung nicht weitergeführt.

    Erstellung von Gutachten

    Als neue Mitglieder kamen 1980 Hanns Malissa (Institut für Analytische Chemie der TU Wien),

    Albert Hackl (Institut für Verfahrenstechnik und Technologie der Brennstoffe der TU Wien) und

    Gottfried Halbwachs (Botanisches Institut der Universität für Bodenkultur) zur KRL. Mit Hackl

    kam nach dem Tode von Georg Wagner (1977) wieder ein Vertreter der Gas- und

    Feuerungstechnik in die Kommission.

    Neben Projekten, finanziert von Ministerien und der ÖAW, erstellte und erstellt die KRL

    unabhängige Gutachten.

    So wurde 1980/1981 die KRL z.B. von der Gemeinde Wien beauftragt, ein Gutachten zur

    Abschätzung und umwelthygienischen Beurteilung der durch die Emissionen des geplanten

    Kraftwerkes Moosbierbaum zu erwartenden Immissionen im Gemeindegebiet von Wien

    abzugeben. Der Bericht beinhaltete, dass die zu erwartenden Schadstoffkonzentrationen zwar

    gering und die Häufigkeit der Betroffenheit Wiens klein seien, auf Grund einer in Wien bereits

    hohen Grundbelastung konnte aber eine Gesundheitsgefährdung durch zusätzliche Immissionen

    insbesondere von SO2/Sulfaten nicht ausgeschlossen werden. Auch eventuelle Kombinations-

    wirkungen von NOx und Staub hätten zu Atemwegserkrankungen führen können. Es wurden

    daher Maßnahmen zur Herabsetzung der Immissionen sowohl beim geplanten Kohlekraftwerk als

    auch im Stadtgebiet von Wien gefordert.

    Die Dampfkraftwerke Korneuburg GesmbH plante die Errichtung eines Braunkohlekraftwerkes

    in Oberbildein/Burgenland. Die Burgenländische Landesregierung beauftragte daher die ÖAW

    1982/83 mit einem Gutachten über mögliche negative Auswirkungen des Kraftwerks auf die

    Umwelt. Am 6. Juli 1983 erfolgte bereits die Übergabe des 500 Seiten umfassenden Gutachtens

    anlässlich einer Landtagssitzung. Die KRL kam zu folgenden Ergebnissen: Als Aus-

    breitungsbereich wurde ein Kreis mit 30 km Radius um den geplanten Standort festgelegt. Die

    Immissionsvorbelastung war als gering zu bezeichnen, wobei die aus Ungarn einströmende Luft

    eine deutlich erhöhte SO2-Belastung aufwies. Die vom Kraftwerk verursachte

  • 37

    Immissionssituation ergab keine akute Gesundheitsgefährdung für Menschen, weder durch

    inhalierte noch durch über die Nahrung aufgenommene Schadstoffe. Jedoch bestand eine

    Risikoerhöhung für gefährdete Personengruppen, insbesondere durch kurzfristige

    Grenzwertüberschreitungen bei SO2 und NOx. Im Nahbereich des Kraftwerks würde eine

    Gefährdung der Wälder durch die SO2-Emissionen auftreten. Auch weiter entfernte Nadelwälder

    wurden als Gebiete mit erhöhtem Risiko eingestuft. Bei landwirtschaftlichen Kulturen im

    Nahbereich (5 km) wäre ein Qualitäts- und Ertragsverlust zu erwarten. Durch

    Schadstoffanreicherung in Futterpflanzen wäre auch eine Leistungsminderung bei Nutztieren

    nicht auszuschließen. Die KRL empfahl emissionsmindernde Maßnahmen für SO2, NOx und

    Staub in Form einer Abgasreinigungsanlage, sowie die kontinuierliche Überwachung der

    Emissionen und Immissionen.

    Das Kraftwerk war zuerst auf österreichischem, später auf ungarischem Boden geplant. Die

    Qualität der oberflächennahen ungarischen Braunkohlen war äußerst schlecht. Durch deren im

    Tagbau geplanten Abbau sollte es möglich werden, das darunter liegende Uranvorkommen

    leichter zu erschließen.

    Das Gutachten trug dazu bei, dass das Kraftwerk nicht gebaut wurde.

    Erstellung von Alarm- und Schwellenwerten luftverunreinigender Substanzen

    Es erwies sich, dass für kurzfristige Episoden erhöhter Schadstoffkonzentrationen neben den aus

    den Luftqualitätskriterien abgeleiteten Grenzwerten weitere Richtwerte zum Schutze des

    Menschen erforderlich waren. Das betraf zunächst SO2; später, mit Rückgang der SO2-

    Emissionen, verlagerte sich der Schwerpunkt auf Stickstoffoxide und Ozon.

    Ab Oktober 1983 beschäftigte sich die KRL mit der Erstellung von Alarmwerten. Am 20. Jänner

    1984 wurde vom Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz ein Auftrag zur

    Erstellung von „Alarm- und Schwellenwerten luftverunreinigender Substanzen“ erteilt. Es sollte

    eine wissenschaftliche Stellungnahme zu den bisher von Bund und Ländern vorgeschlagenen

    Alarm- und Schwellenwerten für SO2 und Staub verfasst und durch internationale Literatur

    ergänzt werden. Alle Ausarbeitungen sollten sich nur auf die Gefährdung der menschlichen

    Gesundheit durch SO2 und Staub beziehen. „Saurer Regen“ wurde nicht berücksichtigt. Als

    Basiswert wurde der im SO2-Kriterium festgesetzte Halbstundenmittelwert von 0,2 mg SO2/m3

    angenommen. Messungen müssten kontinuierlich erfolgen. Als Basiswert für Staub könnte ein

    Dreistundenmittelwert genügen. Die Alarmwerte wurden aus dem Basiswert gebildet, wobei

    vorläufig als Vorwarnstufe der doppelte, als Warnstufe der dreifache und als Alarmstufe der

    vierfac