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41 4.2 Hermanstadt ewige Erinnerung an die Revolutionshelden proklamiert. 20 Rechts vom Kreuz wurde eine marmorne Tafel angebracht, auf der die Namen der ruhmreichen Soldaten (wie auch eines zivilen Angestellten der Akademie) zu lesen sind, de- nen das Denkmal gewidmet ist. Bemerkenswert ist ein Detail dieser Inschrift. Sie enthält neben den Namen auch den militärischen Rang der Soldaten: alle wurden nach ihrem Tod zu Unteroffizieren ernannt. Dieses Denkmal ist typisch für eine bestimmte Kategorie von Monumenten der Revolution, denn es weist deren beide zentrale Motive auf: die Inschrift, die den Toten ewigen Ruhm und unvergängliche Ehre verheißt sowie das Kreuz, das auf das religiöse Verständnis ihres Sterbens im Sinne eines Opfers verweist. Unterstützend kommt bei diesem Monument die goldene Farbe der Inschrift hinzu, die den edlen und erhabenen Aspekt des Sterbens für die Frei- heit und für die Heimat unterstreicht. Dieselbe Wirkung erzeugen der weiße Marmor und die Stufen, die zum Denkmal hinführen. Dass den Helden der Revolution ewiger Ruhm zuteil werden soll, drückt der Bildhauer mit einem Symbol aus der Natur aus: goldene Eichenblätter, die auf den ersten Blick als bloße Zierleiste am Fuße des Denkmales gedeutet werden könnten. Die Eiche steht auf Grund ihrer langen Lebensdauer (bis zu 30 Generationen) für Ewig- keit und Unvergänglichkeit. 4.2.1 Gedenktafel Piaţa Mare Ganz anders wird im Zentrum Hermannstadts an die Revolution erinnert. Auf dem Hauptplatz der Stadt, dem Großen Ring (Piaţa Mare) sucht man lange, bis man auf eine unauffällige, ja beinahe unsichtbare Platte stößt, die den Toten der Revolution gewidmet ist. Ohne vorheriges Wissen um die Existenz dieser Gedenktafel ist es nur dem Zufall zu verdanken, sollte man über sie stolpern. Denn die relativ kleine Metalltafel ist in den Boden eingelassen und unter- scheidet sich auch farblich kaum von den sie umgebenden Pflastersteinen. Findet man sie doch, kann man darauf lesen: „Zum Gedenken derer, die im 20 Die Inschrift lautet: „Vesnica pomenire/ eroilor revolutiei/ decembrie 1989“.

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4.2 Hermanstadt

ewige Erinnerung an die Revolutionshelden proklamiert.20 Rechts vom Kreuz

wurde eine marmorne Tafel angebracht, auf der die Namen der ruhmreichen

Soldaten (wie auch eines zivilen Angestellten der Akademie) zu lesen sind, de-

nen das Denkmal gewidmet ist. Bemerkenswert ist ein Detail dieser Inschrift.

Sie enthält neben den Namen auch den militärischen Rang der Soldaten: alle

wurden nach ihrem Tod zu Unteroffizieren ernannt.

Dieses Denkmal ist typisch für eine bestimmte Kategorie von Monumenten

der Revolution, denn es weist deren beide zentrale Motive auf: die Inschrift,

die den Toten ewigen Ruhm und unvergängliche Ehre verheißt sowie das

Kreuz, das auf das religiöse Verständnis ihres Sterbens im Sinne eines Opfers

verweist. Unterstützend kommt bei diesem Monument die goldene Farbe der

Inschrift hinzu, die den edlen und erhabenen Aspekt des Sterbens für die Frei-

heit und für die Heimat unterstreicht. Dieselbe Wirkung erzeugen der weiße

Marmor und die Stufen, die zum Denkmal hinführen. Dass den Helden der

Revolution ewiger Ruhm zuteil werden soll, drückt der Bildhauer mit einem

Symbol aus der Natur aus: goldene Eichenblätter, die auf den ersten Blick als

bloße Zierleiste am Fuße des Denkmales gedeutet werden könnten. Die Eiche

steht auf Grund ihrer langen Lebensdauer (bis zu 30 Generationen) für Ewig-

keit und Unvergänglichkeit.

4.2.1 Gedenktafel Piaţa Mare

Ganz anders wird im Zentrum Hermannstadts an die Revolution erinnert. Auf

dem Hauptplatz der Stadt, dem Großen Ring (Piaţa Mare) sucht man lange, bis

man auf eine unauffällige, ja beinahe unsichtbare Platte stößt, die den Toten

der Revolution gewidmet ist. Ohne vorheriges Wissen um die Existenz dieser

Gedenktafel ist es nur dem Zufall zu verdanken, sollte man über sie stolpern.

Denn die relativ kleine Metalltafel ist in den Boden eingelassen und unter-

scheidet sich auch farblich kaum von den sie umgebenden Pflastersteinen.

Findet man sie doch, kann man darauf lesen: „Zum Gedenken derer, die im

20 Die Inschrift lautet: „Vesnica pomenire/ eroilor revolutiei/ decembrie 1989“.

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4.2 Hermanstadt

Dezember 1989 für Freiheit und Wahrheit gefallen sind“.21

Die Art, in der diese Gedenktafel in den Platz integriert ist, ohne sich auf den

ersten Blick aufzudrängen, erinnert an das Konzept der Stolpersteine. Diese

werden in Deutschland zum Andenken an die Opfer des Holocaust in den Bo-

den vor den Häusern der jeweiligen Personen eingelassen. Durch ihre leise,

unauffällige Form des Gedenkens entspricht die Gedenkplatte am ehesten der

rumänischen Mentalität. Sie fügt sich einerseits wie selbstverständlich in den

Alltag und den Lebensraum der Menschen ein, andererseits tritt sie dennoch

ins Bewusstsein, wenn man darüber stolpert.22

Die Konflikte und Unzufriedenheiten, die sich in Hermannstadt anlässlich

der jährlichen Gedenkfeiern zur Revolution ergeben,23 lassen sich auf ein

Grundproblem der Erinnerung an die Toten der Revolution zurückführen.

Dies hängt vor allem mit einem Element zusammen, das bei einem Großteil

der Monumente auftaucht: der namentlichen Aufzählung derjenigen Toten,

21IIm Original: „În amintirea celor căzuţi În decembrie 1989 pentru libertate si adevăr“.22 Für diesen Hinweis danke ich Lidia Suciu.23 So hatte sich z.B. einer der Revolutionärsverbände Hermannstadts beklagt, dass der Bürgermeister der Stadt nur die beiden Denkmäler auf der Straße der Revolution zur Kranzniederlegung aufgesucht hatte. Siehe dazu Asociaţia Răniţii Revoluţiei 22 Decembrie 1989 Sibiu 2008.

Abb. 11 Detail Gedenktafel Foto: Ulrike NehlsAbb. 10 Gedenktafel „Piaţa Mare“ Foto: Ulrike Nehls

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4.2 Hermannstadt | 4.3 Klausenburg

denen sie gewidmet sind. Mihaela Grancea weist in ihrem Aufsatz darauf hin,

dass die hierbei oft pauschal gebrauchten Bezeichnungen „erou“ bzw. „erou

martir“ eine nicht zulässige Unschärfe darstellen. Denn sie erlauben keine

Unterscheidung zwischen denjenigen, die als Demonstranten erschossen wur-

den und jenen, die Opfer „‚verirrter Kugeln’ wurden, als sie ‚zur Arbeit’ gingen

oder vom Fenster aus den Tumult der Demonstranten betrachteten“ (Grancea

2007: 52).24 Im Falle Hermannstadts erhält dieses Problem besondere Brisanz,

da hier explizit auch Angehöriger von Miliz, Armee und Securitate gedacht

wird, die ebenfalls als Märtyrer der Revolution bezeichnet werden.

4.3 Klausenburg

Klausenburg war eine derjenigen Städte, in denen in den letzten Tagen Jah-

res 1989 auf Demonstrierende geschossen wurde25, wenige Stunden nachdem

sie am 21. Dezember – dem Aufruf der Temesvárer folgend – auf die Straßen

gegangen waren. Infolge dieses Versuches, die Übertragung des Revolutions-

gedankens im Keim zu ersticken, starben 25 Menschen (Deletant 2006: 243).

Für die vorliegende Arbeit ist Cluj wegen des Denkmales auf der Piaţa Unirii

(dt.: Platz der Vereinigung) interessant, die sich von vielen anderen Denkmä-

lern der Revolution in anderen Städten Rumäniens unterscheidet.

4.3.1 Gedenktafeln

Den räumlichen Kontext, in dem sich die „Stâlpi împuşcaţi“ (dt.: erschossene

Pfeiler) befinden, bestimmen u.a. zwei andere Formen der Erinnerung an die

Revolution. Schräg gegenüber der „Stâlpi împuşcaţi“ ist an der Buchhandlung

der Universität eine Gedenktafel angebracht. Diese stammt vom 21. Dezem-

ber 1996 und ist 14 Menschen gewidmet, die am 21. Dezember 1989 auf der

24 Im Original: „[...] au fost atinşi de ‚gloanţe rătăcite‘ În timp ce mergeau ‚la muncă‘ sau priveau de la fereastră ‚rumoarea‘ manifestanţilor“.25 Dazu gehörten noch Temesvár, Bukarest, Hermannstadt, Kutschir (Cugir), Karansebesch (Caransebeş )und Neumarkt am Mieresch (Târgu Mureş).

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4.3 Klausenburg

Piaţa Unirii starben. Die schwarze Marmor-

platte, in die ein Metallkreuz eingearbeitet

ist, wurde – für den Passanten praktisch

unsichtbar – an einen Eckpfeiler des Gebäu-

des befestigt. Unterhalb der Inschrift „Hier

fielen am 21. Dezember 1989 die Märtyrer-

helden:“ sind Name und Alter der Getöteten

zu lesen.

Ebenso unauffällig ist eine weitere Ge-

denktafel, die von der nationalistischen

Uniunea Vatra Românească (dt.: Rumäni-

sche Heimstätte) gestiftet wurde und die

oberhalb der Augenhöhe an einem Eckhaus

des Platzes angebracht wurde. Ihre Inschrift

lautet: „Ewige Ehrung unserer Helden/ 22.

Dezember 1989/ Uniunea Vatra Românească“.

4.3.2 „Stâlpi împuşcaţi“

Obwohl die „Stâlpi împuşcaţi“ allein schon auf Grund ihrer Dimensionen für

den Passanten sichtbarer sind als die erwähnten Gedenktafeln, sind sie kein

auf den ersten Blick auffallendes Element des Platzes. Dies liegt einerseits

an ihrer Position – die Pfeiler wurden an einer Ecke des Platzes aufgestellt –,

andererseits am Material, das der Bildhauer Liviu Mocan für sein Denkmal

gewählt hat. Denn die sieben bronzenen Pfeiler heben sich farblich kaum von

ihrer Umgebung ab. Auch reichen ihre knapp 2,50 m nicht, um sie die umlie-

genden Gebäude überragen zu lassen.

Was an den Pfeilern, die die Helden der Revolution darstellen, dennoch

auffällt, ist ihre Oberfläche. Unebenheiten suggerieren Wunden und Narben,

größere Vertiefungen erinnern an Einschusslöcher. Liviu Mocan selbst nimmt

eine zweifache Deutung der Pfeiler vor: Zum einen sollen sie zum Ausdruck

bringen, dass die Toten der Revolution zu den Pfeilern einer neuen Gesell-

schaftsordnung wurden. Zum anderen stellt Mocan hier die Toten der Revo-

lution als Aufrechte dar, die – obwohl erschossen – nicht gefallen, sondern

Abb. 12 Gedenktafel „Piaţa Unirii“ Foto: Ulrike Nehls

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4.3 Klausenburg

aufrecht zwischen den Lebenden geblieben

sind, für sie immer noch präsent (Jurnalul

scrierii iubirii 2007).

Damit geht auch Liviu Mocan, ähnlich

wie die Autoren der Denkmäler in Te-

mesvár, mit dem rumänischen Geist des

Totengedenkens konform. Es gelingt ihm,

Trauer und Schmerz über den Tod so vie-

ler Menschen durch sein Denkmal sichtbar

zu machen und ihrem Sterben gleichzeitig

Würde und Sinn zu verleihen. Dies ge-

schieht wiederum durch die Verknüpfung

mit christlichem Gedankengut. Neben

den Pfeilern ist nämlich eine Platte in den

Boden eingelassen, auf der die Namen der

Erschossenen zu lesen sind. In den unte-

ren Teil der Platte hat Mo-

can einen Ausspruch Jesu

Christi eingraviert, der im

Johannesevangelium 15,13

nachzulesen ist: „Größere

Liebe hat niemand als die,

daß er sein Leben hingibt

für seine Freunde.“ Mittels

der so suggerierten Analogie

zwischen Jesus Christus und

den Toten der Revolution

wird deren Sterben als Opfer

gedeutet, das Vielen ein neues Leben ermöglicht hat.

Abb. 13 „Stâlpi împuşcaţi“ Foto: Anita Muntean

Abb. 14 Detail „Stâlpi împuşcaţi“ Foto: Anita Muntean

Abb. 15 Bodentafel „Stâlpi împuşcaţi“ Foto: Ulrike Nehls

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4.4 Bukarest

4.4 Bukarest

4.4.1 Der Platz der Revolution

Die Piaţa Revoluţiei (dt.: Platz der Revolution), ist zweifelsohne der für Rumä-nien wichtigste Ort der Erinnerung an die Geschehnisse des Dezembers 1989. Seinen heutigen Namen trägt er erst seit dem 12. Januar 1990, als er durch die FSN umbenannt wurde (Iliescu 2005); davor hieß er Piaţa Palatului (Platz des Palastes). Auf diesem Platz hatte Ceauşescu 1968 eine Rede gehalten, in der er die Invasion der Tschechoslowakei öffentlich verurteilte und somit nicht nur bei der eigenen Bevölkerung, sondern auch auf internationalem Parkett Ansehen gewann. In Anlehnung an diesen früheren Erfolg sollte auch am 21. Dezember hier – in einer als Huldigung für Ceauşescu inszenierten Großversammlung – die aufgebrachte Bevölkerung wieder „auf Kurs“ gebracht werden. Es wurde die letzte Rede des verhassten Diktators und gleichzeitig der Startpunkt der Revolution in Bukarest. Auf diesem geschichtsträchtigen Platz, der sich zwischen dem ehemaligen

Königspalast (heute Nationales Kunstmuseum) und dem Gebäude des Innen-

ministeriums (vormals Sitz des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei

Rumäniens) erstreckt, befinden sich gleich mehrere Denkmäler. Zwei davon

sind bedeutenden rumänischen Politikern gewidmet. Einer von ihnen ist Iuliu

Maniu, langjähriger Vorsitzender der Nationalen Bauernpartei und ehema-

liger Ministerpräsident. Er fiel der ersten Säuberungswelle der rumänischen

Kommunisten zum Opfer und starb 1951 in Gefangenschaft. Ebenso steht auf

diesem Platz die Büste Corneliu Coposus, einst Sekretär Iuliu Manius und nach

1989 Anführer der antikommunistischen Opposition.

In unmittelbarer Nähe zu diesen Denkmälern, die den Kampf gegen den Kom-

munismus thematisieren, finden sich drei Monumente zu Ehren der Revolution

von 1989. Das jüngste Denkmal überschattet inzwischen die anderen beiden

in Größe und Bekanntheitsgrad. Dennoch kommt diesen allein schon durch

den Aufstellungsort eine besondere Bedeutung zu. Daher wird skizzenhaft auf

die zwei kleineren Denkmäler eingegangen, bevor eine detaillierte Analyse des

zugleich neuesten und bedeutendsten Monuments der rumänischen Revolu-

tion erfolgt.

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4.4 Bukarest

4.4.2 Skulptur und „Pyramide“26

In westlicher Verlängerung des Platzes

befindet sich etwas versteckt die erste

Erinnerung an den Dezember 1989. In ei-

nem kleinen Park vor der Kirche Biserica

Creţulescu steht eine Plastik des Bildhau-

ers Ion Nicodim, „ die erste und politisch

neutralste aller Skulpturen“ auf diesem

Platz (Cârneci 2005).27

Den Hauptteil bildet ein kniender, gespal-

tener und kopfloser Körper, dessen Arme

sich in scheinbar trotzender Haltung mit

geballten Fäusten abstützten. Die Fäuste

finden allerdings keinen Halt, denn sie

greifen in die Luft. Die Schultern dieses

Körpers sind mit einem weiteren Armpaar

verschmolzen, dessen Fäuste in identischer Haltung nach unten weisen. An die

Schulterblätter des zweiten Armpaares setzen zwei Beine an, die sich gespreizt

in die Luft strecken. Es scheint, als seien zwei Körper ineinander verschmolzen,

so dass von dem einen nur noch Arme und Beine zu sehen sind. Der gespaltene,

gebrochene Körper und die Brüche im zweiten Beinpaar suggerieren allerdings

auch einen heftigen, zerstörenden Zusammenstoß. So als seien die beiden Kör-

per mit großer Wucht aufeinander geprallt. Auf den Kontext der Arbeit weist

lediglich die schlichte Inschrift auf dem Sockel hin: „Dezember 89“.

Diese Skulptur reiht sich in die Gruppe jener Monumente ein, die den Schmerz

über den Verlust zum Ausdruck bringen wollen und damit an die stark vom

orthodoxen Glauben geprägte rumänische Mentalität anknüpfen.

26 Trotz wiederholten Nachfragens bei den zuständigen Stellen in Bukarest waren bis zu diesem Zeit-punkt keine Informationen zu diesen Denkmäler zu bekommen. Die folgenden Betrachtungen basie-ren daher größtenteils auf eigenen Beobachtungen vor Ort.27 Im Original: „prima si cea mai neutra politic din toate [sculpturile].“

Abb. 16 Skulptur vor der Creţulescu-Kirche Foto: Ulrike Nehls

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Unmittelbar vor dem Sitz des Innenministeriums steht eine aus Marmorplat-

ten gestaltete, abgeflachte Pyramide. Die Oberfläche ist allerdings gebrochen,

denn von der Basis aus windet sich ein Spalt bis fast in die Spitze, in den Blu-

men gepflanzt wurden. Rechts davon wurde ein Kreuz eingraviert, unter dem

zu lesen ist: „Ruhm unseren Märtyrern Dezember 1989“ („Glorie Martirilor

Nostri Decembrie 1989).

4.4.3 Memorialul Renaşterii

„Primär auf visuelle Wahrnehmung orientiert, verschlüsseln Denkmäler ihre

Botschaft in symbolischer Weise. Sie arbeiten mit Elementen und Zeichen, die

gelesen und verstanden werden müssen“ (Speitkamp 2000: 161).28 Im Falle

des Memorialul Renaşterii – Glorie Eternă Eroilor şi Revoluţiei Române din

Decembrie 1989 (dt.: Denkmal der Wiedergeburt – Ewiger Ruhm den Helden

und der rumänischen Revolution des Dezember 1989“) in Bukarest liefen die

Vorstellungen des Designers Alexandru Ghilduş und die der rumänischen Be-

völkerung scheinbar auseinander. Anders sind die vielen, meist spöttischen

Umbenennungen des Denkmals auf dem Platz der Revolution kaum zu erklä-

28 Zur „Sprachfähigkeit“ von Denkmälern siehe auch Reusse 1995: 295. Reusse geht hier auf die Schwierigkeiten ein, die für den Betrachter bei der Interpretation eines ungegenständlichen, also nicht figürlichen Denkmals auftreten können, vor allem mit zunehmendem Abstand vom Kontext seiner Errichtung.

Abb. 17 Denkmal vor dem Gebäude des Innenministeriums Foto: Ulrike Nehls

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ren. Die harmlosesten bezeichnen es als „Olive auf Zahnstocher“, „Gehirn am

Stiel“ oder „aufgespießte Kartoffel“ (Manega 2005).

Ghilduş selbst sagt zu dem von ihm entworfenen Denkmal:

„Ich glaube sehr an meine Arbeit. Sie wird zu einem Symbol wer-den. Ich habe einen Ort der Meditation geschaffen, an den die Eltern oder Verwandten der Märtyrer kommen können um sich an sie zu erinnern oder um Blumen niederzulegen“ (zitiert nach

Manega 2005).29

Das Denkmal besteht aus vier Elementen: der Siegespyramide (Piramida Iz-

bânzii), der Mauer der Erinnerung (Zidul Amintirii), dem Weg des Sieges (Ca-

lea Biruinţei) und dem Platz der Sammlung (Piaţa Reculegerii). Aus Richtung

des Denkmals für Iuliu Maniu kommend, läuft man über den aus Holzstücken

gelegten Weg des Sieges auf die Siegespyramide zu. Der Weg ist auf beiden

Seiten von Bänken gesäumt, die den Besucher zum Verweilen einladen. Der

Weg als Element des Denkmales besteht aus insgesamt vier solchen Pfaden,

29 Im Original: „cred foarte mult in lucrarea mea. Va deveni un simbol. Sau un reper turistic. Eu am creat un spatiu de meditatie, unde vor putea veni parintii sau rudele martirilor pentru a-i evoca sau pentru a depune flori.”

Abb. 18 Piaţa Revoluţiei – „Memorialul Renaşterii“ Foto: Ulrike Nehls

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die aus den vier Himmelsrichtungen auf die Sie-

gespyramide zulaufen. Auf einem für Besucher ge-

stalteten Faltblatt werden sie interpretiert als die

sich kreuzenden Wege, die von den Revolutionären

zurückgelegt wurden (Cristea o.J.).30

Geht man weiter, kommt man an die Mauer der

Erinnerung (Abb. 20), die aus zwei gewölbten, 1,70

Meter hohen Elementen besteht, in die Messing-

platten eingelassen sind. Darauf sind die Namen

der „1058 Helden der Revolution” eingraviert.

Steht man zwischen den beiden Mauerteilen, fällt

der Blick auf das Hauptelement des Denkmalkom-

plexes, die Siegespyramide. Diese ragt 25 Meter in die

Höhe und wird von zwei weiteren Elementen bestimmt: der Krone im oberen

Teil und einer Statuengruppe am Fuße. Hierzu liest der interessierte Besucher

im Faltblatt:

„Am Fuße der Siegespyramide, der senkrechten Säule, um die he-rum der Denkmalverband kreist, befindet sich eine Statuengrup-pe, die Kraft durch Solidarität darstellt, den Mut zur Veränderung sowie den Wunsch nach Freiheit. Im oberen Bereich wird die Pyra-mide von der Krone ergänzt, die dem Opfer huldigt und den Geist jener sammelt, die gestorben sind und deren Erinnerung uns nie-

mals verlassen darf.”31

Die Statuengruppe stellt in stilisierter, abstrakter Form die an der Revolution

Beteiligten dar, wenig oberhalb ist ein weiteres Element angebracht: ein über-

dimensionaler Fingerabdruck. Auch dieser symbolisiert den einzelnen Revolu-

30 „[…] sugerează drumurile încrucişate, pornite din cele patru puncte cardinale, parcurse de revoluţionari.” Cristea o.J. Die im Folgenden verwendeten Zitate aus dem Faltblatt zum Denkmal wurden dem o.g. Artikel entnommen.31 Im Original: „Piramida Izbânzii, coloana verticală în jurul căreia gravitează ansamblul, are la bază un grup statuar care semnifică puterea prin solidaritate, curajul schimbării şi dorinţa de libertate. La nivel superior, Piramida este însoţită de Coroana care omagiază jertfa şi adună spiritul celor care au murit şi a căror amintire nu trebuie să ne părăsească niciodată.“

Abb. 19 „Memorialul Renaşterii“ Foto: Ulrike Nehls

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4.4 Bukarest

tionär und den von ihm hinterlasse-

nen „Abdruck”.32 Rund um den Platz der Sammlung,

der den Raum um die Siegespyrami-

de ausmacht, stehen den Besuchern

mehrere Bänke zur Verfügung, von

denen aus sie den gesamten Komplex

überblicken und auf sich wirken las-

sen können.

Die Pyramide, an der sich hauptsächlich die Kritik entzündete, wurde von

Ghilduş selbst als Obelisk bezeichnet. Damit nimmt er die Bedeutung, die

sowohl Pyramide als auch Obelisk in der Formensprache des Denkmals zu-

kommt, für sein Werk in Anspruch. Denn diese beiden geometrischen Primär-

formen werden seit jeher eingesetzt, um Unvergänglichkeit und Zeitlosigkeit

zu suggerieren (Reusse 1995: 45ff). Diesen Eindruck vermittelt der gesamte

Denkmalkomplex auf mehrfache Weise. Marmor – das überwiegende Material

– wird häufig zur Gestaltung von Grab-

mälern, aber auch von Monumenten

und anderen Kunstwerken verwendet

und gilt allgemein als edles, repräsen-

tatives Gestein. Hinzu kommt das

Element der Krone, das auf zweifa-

che Weise als Symbol für Ehre und

Unendlichkeit gedeutet werden kann

(Cristea o.J.): Zum einen liegt ihr die

christliche Bildsprache zu Grunde, in

der die Krone jedem Gläubigen am Ende seines Lebens als Belohnung auf den

32 Hier findet sich bereits ein Beispiel für die o.g. Hinweise Felix Reusses auf Interpretationsschwierig-keiten angesichts eines ungegenständlichen Denkmales. Denn ohne Erklärung des Autors wäre dieser Fingerabdruck nicht als solcher erkennbar und wurde auch von Kommentatoren und Kritikern oft nicht richtig interpretiert.

Abb 20. Mauer der Erinnerung Foto: Ulrike Nehls

Abb. 21 Statuengruppe Foto: Ulrike Nehls

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Kopf gestzt wird.33 Zum anderen ist auch eine Interpretation im Sinne der gän-

gigen Metaphorik des Kreises möglich, der Unendlichkeit symbolisiert.

Durch seine Ausmaße, vor allem aber durch die Formensprache und Höhe

der Siegespyramide, wird der Anspruch des Monumentes unterstrichen, un-

ermessliche Dankbarkeit und ewigen Ruhm für die Helden der Revolution

auszudrücken.

Entstehungsgeschichte

Der Grundstein für die heftigen Diskussionen, die dieses Denkmal ausgelöst

hat, wurde bereits in seinen Anfängen gelegt. Im Laufe der Zeit ist Ghilduş Werk

zum „Monument der nationalen Zwietracht“34 geworden. Manche gehen weiter

und bezeichnen es als „Beleidigung“ (Bercea 2005).35 Begonnen hatte die Geschichte des Denkmals im Dezember 2003 mit einer

Ausschreibung des Kultusministeriums, die allem Anschein nach nicht ausrei-

chend in der Öffentlichkeit bekannt gemacht wurde. Als einziges Dokument

wird eine kurze Anzeige im Curierul Naţional (dt.: Nationalkurier) vom 9. Janu-

ar 2004 angeführt, das neben der Presseerklärung des Ministeriums den künf-

tigen Standort sowie den Stichtag zur Einreichung von Entwürfen nannte. Über

die bis dahin eingereichten 15 Vorschläge sollte eine Jury entscheiden, die vom

damaligen Kultusminister Răzvan Theodorescu ernannt wurde und in der zwei

Bildhauer, ein Architekt, ein Vertreter des Staatssekretariater für die Belange

der Revolutionäre sowie ein Repräsentant des Kultusministeriums vertreten

waren. Allerdings scheint diese nur pro forma aufgestellt worden zu sein, denn

eine Mitarbeiterin des Kultusministeriums berichtete später, der Präsident Ion

Iliescu selbst habe eines Abends die Entwürfe besichtigt und denjenigen ausge-

wählt, der ihm am besten gefiel. Angeblich habe er geäußert: „Dieses Denkmal

gehört mir und ich bin derjenige, der es aussucht!“ (Manega 2005)36 Der Jury

33 Der Hinweis darauf findet sich an mehreren Stellen im Neuen Testament, am deutlichsten vielleicht in 2. Timotheus 4, 8: „[…] fortan liegt mir bereit der Siegeskranz der Gerechtigkeit, den der Herr, der gerechte Richter, mir <als Belohnung> geben wird an jenem Tag […]“.34 So der Titel des o.g. Artikels von Julia M. Cristea in der Zeitschrift eines deutsch-rumänischen Vereins.35 So Maria Bercea in ihrem Artikel in der Zeitschrift „22“. Die folgenden Informationen zur Geschich-te des Denkmals sind, wenn nicht anders angegeben, der Ausgabe 806 vom 16. – 22. August 2005 entnommen, die mehrere Artikeln und Interwievs dem Bukarester Denkmal widmete.36 Im Original: „Acest monument este al meu si eu sunt cel care-l alege!“.

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4.4 Bukarest

sei lediglich die Aufgabe zugefallen, die Entscheidung Iliescus im Nachhinein

zu bestätigen. Anscheinend trifft dies auch für die Wahl des Ortes zu, denn

Theodorescu erklärte später, er sei auf Grund des „Gedränges“ auf der Piaţa

Revoluţiei gegen diesen Platz gewesen (Manega 2005).37

Im März 2004 wurde der Sieger des Wettbewerbes bekannt gegeben. Da-

raufhin setzte das Kultusministerium die für das Projekt bereitzustellende

Summe fest (56 Milliarden Lei, was ca. 1,6 Millionen Euro entspricht) und

nahm den Designer Ghilduş unter Vertrag, der das Denkmal bis Ende des Jah-

res fertig stellen sollte. Nach Wunsch Theodorescus sollte es von demjenigen

eingeweiht werden, „der eine wichtige Rolle während der Revolution gespielt

hat, dem Präsidenten Iliescu“ (Manega 2005).38 Dazu kam es indes nicht,

denn der damalige Oberbürgermeister Bukarests war nicht bereit, den Bau

freizugeben. Es folgte ein Schlagabtausch, in dem Bauherren und Designer die

Bürgermeisterämter der Stadt der Sabotage bezichtigten und die zuständigen

Stellen die Verantwortung zwischen sich hin und her schoben, bis schließlich

doch die Erlaubnis zum Baubeginn erteilt wurde. So wurde am 15. Dezember,

dem eigentlichen Termin für die Fertigstellung des Denkmales, lediglich der

zukünftige Ort des Monuments eingeweiht. Anwesend waren unter anderem

Ion Iliescu, der damalige Oberbürgermeister Traian Băsescu und ein hoher Ver-

treter der Orthodoxen Kirche.

Im März 2005 begannen schließlich die Arbeiten am Denkmal, das am

5. September desselben Jahres offiziell eingeweiht werden konnte. (Zuvor, am

1. August, wurde es der Presse in Anwesenheit des Designers Ghilduş vorge-

stellt.) In seiner zu diesem Anlass gehaltenen Rede am „wichtigsten Denkmal,

das zu Ehren der Rumänischen Revolution errichtet wurde” (Manega 2005)39, bezeichnete Iliescu das Monument als lang gehegten Wunsch der Teilnehmer

der Revolution. Erneut nahm er die Gelegenheit wahr, den volksrevolutionä-

ren Charakter der Wende in Rumänien zu betonen und hob dabei die heraus-

ragende Bedeutung der Arbeiterschaft hervor, die sowohl in Temesvár, als

37 Allerdings bestätigt er in einem am 13.07.2005 in der Zeitung Adevarul erschienen Artikel den Aufstellungsort als einzig möglichen, weil symbolischen Ort der Revolution.38 Im Original: „[...] cel care a avut un rol important in Revolutie, presedintele Iliescu”.39 Im Original: „[...[ principalul monument edificat în onoarea Revoluţiei Române”.

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4.4 Bukarest

auch in Bukarest in großer Zahl auf die Straßen gegangen war. Gleichzeitig

betonte Iliescu aber auch die Leistungen seiner Front der Nationalen Rettung,

deren Kommuniqué vom 22. Dezember er als „programmatisches Dokument

der Rumänischen Revolution“ (Iliescu 2005) stilisierte.

Rezeption

Der Verlauf eines Pressetermins am

Denkmal ließ bereits vor der offiziel-

len Einweihung erahnen, wie Ghilduş’

Werk von der Bevölkerung rezipiert

werden sollte. Einige Bukarester

demonstrierten vor dem Denkmal;

sie hielten Plakate hoch, auf denen

anklagend zu lesen war: „15 Jahre

Pfahlspitzen, kein Schuldiger“ (Ber-

cea 2005). Es handelt sich hierbei

um ein nur schwer wiederzugeben-

des Wortspiel. „ţeapă“ bezeichnet

im Rumänischen einen Pfahl, eine

Pfahlspitze. Damit bezogen sich die

Demonstranten auf die Gestalt des Denkmals, dessen Hauptelement ein nach

oben hin spitz zulaufender Pfahl ist. Gleichzeitig gibt es im Rumänischen aber

auch die umgangssprachliche Redewendung „a lua ţeapa“, was soviel bedeutet

wie reingelegt werden. Die Demonstranten spielten also eigentlich auf eine

Grundfrustration der rumänischen Bevölkerung hin, die sich daraus ergibt,

dass die Schuldigen für die Schießereien der Revolution noch immer nicht be-

langt wurden.

Seitdem es aufgestellt wurde, reißen die handgreiflichen oder rhetorischen

Angriffe gegen das Denkmal nicht ab. Nachdem es mehrere Male mit Graffiti

besprüht wurde, ist rund um die Uhr eine Überwachungskamera auf das Mo-

nument gerichtet. Doch auch diese Maßnahme konnte den Kritikern keinen

Einhalt gebieten, denn sie verlegten ihre teilweise sehr spöttischen Graffitis auf

Abb. 22 Grafitti in Nähe des Denkmales Foto: Martin Jung

Page 15: 4.2 Hermanstadt file41 4.2 Hermanstadt ewige Erinnerung an die Revolutionshelden proklamiert.20 Rechts vom Kreuz wurde eine marmorne Tafel angebracht, auf der die Namen der ruhmreichen

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4.4 Bukarest

umliegende Gebäude und Laternenmasten (siehe Abb. 22).40 Dabei richtet sich

der Unmut der Sprayer nicht nur gegen das Denkmal an sich, sondern auch

gegen dessen Initiator Ion Iliescu. Dies lässt darauf schließen, dass das Monu-

ment von vielen mit dem ehemaligen Präsidenten in Verbindung gebracht wird.

Dabei stört anscheinend am meisten die Tatsache, dass er noch immer ver-

sucht, seine eigene Sicht der Revolution zu festigen und als allgemein gültig zu

deklarieren.41 Gleichzeitig dient das Denkmal noch immer seiner Legitimation,

beinhaltet seine Lesart der Wende doch seine eigene Rolle als Retter der Nation

und Überbringer der Demokratie. Dazu schrieb der Journalist N.C. Munteanu:

„Der Pfahl auf dem Platz der Revolution scheint jedoch auch eine andere Bedeutung zu haben, die wichtiger als alle anderen erscheint. Es ist der Schlusspfahl, mit dem Ion Iliescu seine Präsidentenbiogra-phie beendet hat. Beim Ansehen des drohenden Pfahles sollen wir uns, seinem Wunsch nach, nicht nur an die Revolution erinnern, sondern auch an ihn“ (Munteanu 2005).42

Am deutlichsten artikulierte sich die Ablehnung der Öffentlichkeit in den Presse-

artikeln, die die Einweihung des Denkmals begleiteten. Glaubt man Julia Maria

Cristea, konnte man in jenen Tagen ein bis dahin nicht vorgekommenes Phänomen

beobachten. „[…] die ganze rumänische Presse war in einer gemeinsamen Front

vereint […], aber nicht zum Guten, sondern nur um anzugreifen, zu verspotten, zu

vernichten, zu zerstören, zu schmähen, mit Steinen zu werfen…“ (Cristea o.J.).43 Selbst seriöse Zeitschriften wie Revista 22 oder Dilema veche (dt.: Das alte

Dilemma) ließen nicht viel Gutes am Werk des Bukarester Designers Ghilduş.

40 Der Schriftzug auf diesem Laternenmast enthält ein Wortspiel, denn aus „monumentul eroilor“ (dt.: Denkmal der Helden) wird durch Einfügen eines Buchstaben „monumentul erorilor“ (dt.: Denkmal der Irrtümer). 41 Iliescu hat seit 1989 eine Reihe von Büchern veröffentlicht, in denen er seine Interpretation der ru-mänischen Wende darstellt, u.a. Revoluţie şi reformă (1993), Bucureşti: Editura redacţiei publicaţiilor pentru străinătate; Revoluţia trăită (1995), Bucureşti: Editura redacţiei publicaţiilor pentru străinătate und Revoluţia Română (2001).42 Im Original: „Insa teapa din Piata Revolutiei pare a avea si o alta semnificatie, parca mai importanta ca toate. Este teapa finala cu care Ion Iliescu si-a incheiat biografia de presedinte. Privind teapa amen-intatoare, a vrut sa ne amintim nu doar de Revolutie, ci si de el.”.43 Im Original: „[…] întreaga presă română a fost unită într-un front unitar (lucru absolut nemaiîntâl-nit), dar nu la bine ci doar ca să conteste, să batjocorească, să desfinţeze, să distrugă, să blameze, să arunce cu pietre...”.