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98 5 Diskussion und Schlussfolgerungen 5.1 Limitationen der Studie Die wichtigsten Forderungen, die nach Bailer et al. (1996b) an aktuelle und zukünftige Verlaufsstudien gestellt werden sollten (siehe S. 19), werden von der vorliegenden Untersuchung erfüllt: prospektives Design, mehr als zwei Messzeitpunkte zur Abbildung des Verlaufs, Mehrebenenansatz mit simultaner Erfassung von Prädiktoren und Outcome-Kriterien auf mehreren Ebenen sowie die Verwendung reliabler und valider Untersuchungsinstrumente. Trotzdem weist die Untersuchung wichtige Limitationen auf, die bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden müssen. Stichprobenumfang Die Stichprobe ist mit einer ursprünglich eingeschlossenen Gruppe von je 42 Probanden mit akuten vorübergehenden Psychosen und positiver Schizophrenie nur von kleinem bis mittlerem Umfang. Dies stellt insbesondere für Subgruppenanalysen und komplexere statistische Verfahren eine wesentliche Limitation der Studie dar. Der begrenzende Faktor ist hierbei die geringe Inzidenz akuter vorübergehender Störungen, die für eine monozentrisch durchgeführte prospektive Studie in Europa eine wesentlich höhere Probandenzahl unerreichbar macht. Tatsächlich bewegt sich die Gruppengröße der vorliegenden Studie im Bereich vergleichbarer Untersuchungen. In der oben (S. 26ff) dargestellten Literatur betragen die Stichprobengrößen zwischen 7 Patienten (Susser et al. 1995a) und 58 Patienten (Sajith et al. 2002), in der Telefonkatamnese von Jäger et al. (2003) konnten 71 Patienten untersucht werden. Relativ große Stichproben stammen in der Tendenz häufiger aus Entwicklungs- oder Schwellenländern, für die eine bis zu 10-fach erhöhte Prävalenz akuter vorübergehender Psychosen im Vergleich zu Industrieländern beschrieben ist (Susser und Wanderling 1994). Repräsentativität der Stichprobe Die Stichprobe der HASBAP entstammt der Aufnahmepopulation einer psychiatrischen Universitätsklinik. Zudem war die Auswahl der einzuschließenden Probanden nicht auf Patienten mit einer Erstmanifestation der Erkrankung eingeengt. Beide genannten Bedingungen schränken die Repräsentativität der Stichprobe ein; dies ist bei Verallgemeinerungen zu berücksichtigen. Als Ideal im Hinblick auf die Repräsentativität kann die Untersuchung einer bevölkerungsrepräsentativen Inzidenzstichprobe angesehen werden, was für psychotische Erkrankungen aber nur annäherungsweise zu realisieren ist. Einer repräsentativen Inzidenzstichprobe nahe kommt die Rekrutierung einer klinischen Erstbehandlungs- bzw. Erstaufnahmestichprobe in einem definierten Einzugsgebiet und während eines definierten Rekrutierungszeitraums. Dies setzt einen erheblichen organisatorischen und finanziellen Aufwand und die enge Kooperation aller Behandlungszentren der Region voraus. In

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5 Diskussion und Schlussfolgerungen

5.1 Limitationen der Studie

Die wichtigsten Forderungen, die nach Bailer et al. (1996b) an aktuelle und zukünftige

Verlaufsstudien gestellt werden sollten (siehe S. 19), werden von der vorliegenden Untersuchung

erfüllt: prospektives Design, mehr als zwei Messzeitpunkte zur Abbildung des Verlaufs,

Mehrebenenansatz mit simultaner Erfassung von Prädiktoren und Outcome-Kriterien auf mehreren

Ebenen sowie die Verwendung reliabler und valider Untersuchungsinstrumente. Trotzdem weist die

Untersuchung wichtige Limitationen auf, die bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt

werden müssen.

Stichprobenumfang

Die Stichprobe ist mit einer ursprünglich eingeschlossenen Gruppe von je 42 Probanden mit akuten

vorübergehenden Psychosen und positiver Schizophrenie nur von kleinem bis mittlerem Umfang. Dies

stellt insbesondere für Subgruppenanalysen und komplexere statistische Verfahren eine wesentliche

Limitation der Studie dar. Der begrenzende Faktor ist hierbei die geringe Inzidenz akuter

vorübergehender Störungen, die für eine monozentrisch durchgeführte prospektive Studie in Europa

eine wesentlich höhere Probandenzahl unerreichbar macht. Tatsächlich bewegt sich die Gruppengröße

der vorliegenden Studie im Bereich vergleichbarer Untersuchungen. In der oben (S. 26ff) dargestellten

Literatur betragen die Stichprobengrößen zwischen 7 Patienten (Susser et al. 1995a) und 58 Patienten

(Sajith et al. 2002), in der Telefonkatamnese von Jäger et al. (2003) konnten 71 Patienten untersucht

werden. Relativ große Stichproben stammen in der Tendenz häufiger aus Entwicklungs- oder

Schwellenländern, für die eine bis zu 10-fach erhöhte Prävalenz akuter vorübergehender Psychosen im

Vergleich zu Industrieländern beschrieben ist (Susser und Wanderling 1994).

Repräsentativität der Stichprobe

Die Stichprobe der HASBAP entstammt der Aufnahmepopulation einer psychiatrischen

Universitätsklinik. Zudem war die Auswahl der einzuschließenden Probanden nicht auf Patienten mit

einer Erstmanifestation der Erkrankung eingeengt. Beide genannten Bedingungen schränken die

Repräsentativität der Stichprobe ein; dies ist bei Verallgemeinerungen zu berücksichtigen. Als Ideal

im Hinblick auf die Repräsentativität kann die Untersuchung einer bevölkerungsrepräsentativen

Inzidenzstichprobe angesehen werden, was für psychotische Erkrankungen aber nur annäherungsweise

zu realisieren ist. Einer repräsentativen Inzidenzstichprobe nahe kommt die Rekrutierung einer

klinischen Erstbehandlungs- bzw. Erstaufnahmestichprobe in einem definierten Einzugsgebiet und

während eines definierten Rekrutierungszeitraums. Dies setzt einen erheblichen organisatorischen und

finanziellen Aufwand und die enge Kooperation aller Behandlungszentren der Region voraus. In

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Deutschland wurde das beschriebene Design für die Schizophrenieforschung in der methodisch sehr

anspruchsvollen ABC- (age, beginning and course of schizophrenia) Studie des Mannheimer

Zentralinstituts für seelische Gesundheit verwirklicht (Häfner et al. 1998a). Für Störungsbilder mit

einer geringen Inzidenz, wie dies für akute vorübergehende Psychosen zutrifft, stößt auch die

Rekrutierung einer bevölkerungsrepräsentativen Erstaufnahmestichprobe auf organisatorische und

finanzielle Grenzen.

Der Kompromiss der HASBAP, alle Patienten zu rekrutieren, die in einem 5-Jahres-Zeitraum in der

Psychiatrischen Universitätsklinik in Halle mit einer akuten vorübergehenden Psychose stationär

behandelt wurden, führte allerdings durchaus zu einer Patientengruppe, die aus mehreren Gründen von

einer repräsentativen Stichprobe nicht allzu weit entfernt sein dürfte. Zum einen war die Klinik und

Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im

Rekrutierungszeitraum ohne Einschränkungen an der Vollversorgung der Stadt Halle und der

umliegenden Landkreise beteiligt. Akutaufnahmen erfolgten daher ohne Selektion für bestimmte

Krankheitsbilder. Zum anderen kann wegen der Akuität und Dramatik einer akuten vorübergehenden

Psychose davon ausgegangen werden, dass fast in allen Fällen eine stationäre psychiatrische

Aufnahme erfolgt. Schließlich sprechen auch indirekte Indizien für eine relative Repräsentativität des

Patientengutes der Psychiatrischen Universitätsklinik: Die Auswertung der numerischen Relationen

zwischen weiblichen und männlichen Patienten bei den nicht-organischen affektiven, schizoaffektiven

und schizophrenen Psychosen während des Rekrutierungszeitraums ergab Geschlechterquotienten, die

überraschend genau den Befunden großer epidemiologischer Studien entsprechen (Marneros et al.

2002a). Insgesamt spricht also vieles dafür, dass die Ergebnisse der HASBAP in wesentlichen Zügen

auf die Gesamtgruppe der akuten vorübergehenden Psychosen verallgemeinert werden können.

Methodik der Nachuntersuchung

Eine Stärke der vorliegenden Untersuchung ist die Verwendung standardisierter Instrumente von

gesicherter Reliabilität und Validität insbesondere für die Parameter des Ausgangs. Das Erreichen

einer zufriedenstellenden Interrater-Reliabilität wurde auch im Rahmen dieser Untersuchung überprüft

und gesichert. Als Limitation ist anzusehen, dass für die Erfassung der prämorbiden Anpassung kein

gesondertes Instrument zum Einsatz kam. Aus forschungsökonomischen Gründen und zur Erhaltung

der Compliance sollte in den Katamneseinterviews eine zeitaufwendige Doppelerfassung vermieden

werden. Entsprechend wurde zur Erfassung des prämorbiden Anpassungsniveaus nicht die häufig

benutzte, aber zeitaufwändige Premorbid Adjustment Scale (Cannon-Spoor et al. 1982) verwendet,

sondern ein analog gebildeter Score aus den korrespondierenden Items des hier verwendeten

soziobiographischen Interviews. Dieses soziobiographische Interview wurde bereits in mehreren

Projekten unserer Arbeitsgruppe erfolgreich eingesetzt (Marneros et al. 1991c, 2002b, Brieger et al.

2001).

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Eine weitere Limitation der vorliegenden Studie stellt das Fehlen einer Verblindung bei der

Nachuntersuchung dar. Grundsätzlich ist bei Katamneseuntersuchungen Blindheit der Untersucher

gegenüber der Vorgeschichte, der initialen Symptomatik und den bei früheren Nachuntersuchungen

erhobenen Daten von Vorteil. Nur so kann sicher ausgeschlossen werden, dass der Untersucher in

seinen Einschätzungen durch seine Erwartungshaltung beeinflusst ist. In der Praxis ist eine solche

Verblindung jedoch auch mit Nachteilen verbunden. So muss jede Nachuntersuchung durch einen

neuen, dem Patienten unbekannten Untersucher durchgeführt werden. Der Patient und seine

Angehörigen müssen instruiert werden, für die Gruppenzugehörigkeit relevante Details der

Vorgeschichte im Gespräch zu verschweigen; schließlich muss der Untersucher auf die Möglichkeit

verzichten, im Katamneseinterview aufgrund seiner Kenntnis der Vorgeschichte gezielte explorative

oder klärende Fragen zu stellen. Die Herstellung einer vertrauensvollen Beziehung zum Patienten wird

dadurch erschwert und die Gefahr erhöht, dass einzelne Informationen nicht erhoben oder falsch

eingeschätzt werden. In der vorliegenden Studie wurde wegen des longitudinalen Charakters der

Untersuchung, wegen Umfang und Art der erhobenen Daten und wegen der Notwendigkeit, eine

vertrauensvolle Beziehung zu den nachuntersuchten Patienten herzustellen, auf den Versuch einer

Verblindung der Untersucher verzichtet.

Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse

Die Patientenauswahl in der vorliegenden Studie erfolgte nach den Forschungskriterien der ICD-10.

Die Kriterien der ICD-10 sind jedoch nicht der einzige Versuch einer Operationalisierung

kurzdauernder akuter Psychosen. Im Diagnostischen und Statistischen Manual der American

Psychiatric Association DSM-IV (APA 1994) ist die Kurze Psychotische Störung definiert. Für diese

Diagnose ist eine nicht länger als vier Wochen andauernde psychotische Symptomatik gefordert (APA

1994). Fast alle Patienten mit Kurzer Psychotischer Störung erfüllen jedoch die Kriterien der akuten

vorübergehenden Psychosen nach ICD-10 (Marneros und Pillmann 2004). Wie wir an anderer Stelle

gezeigt haben, erfüllen 61,9% der vorliegenden Stichprobe von Patienten mit akuten vorübergehenden

Psychosen auch die DSM-IV-Kriterien der Kurzen Psychotischen Störung, während 31,0% nach

DSM-IV als schizophreniforme Störung, 2,4% als wahnhafte Störung und 4,8% als nicht näher

bezeichnete psychotische Störung klassifiziert wurden (Pillmann et al. 2002a). Die starke Überlappung

zwischen Kurzer Psychotischer Störung und akuten vorübergehenden Psychosen legt nahe, dass viele

der Ergebnisse der gegenwärtigen Untersuchung auch auf die Kurze Psychotische Störung des DSM-

IV übertragbar sind. Ausgeprägte Überschneidungen bestehen auch mit den zykloiden Psychosen in

der Operationalisierung durch Perris und Brockington (1981) und mit dem Bouffée délirante in der

Operationalisierung durch Pull et al. (1983) (Pillmann et al. 2001, 2003c).

Einige Autoren haben die ICD-10-Definition der akuten vorübergehenden Psychosen als zeitlich zu

eng gefasst kritisiert oder modifizierte Kriterien vorgeschlagen, die Rezidivfreiheit für einen

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bestimmten Zeitraum einschließen. Insbesondere die Arbeitsgruppe von Susser hat Hinweise dafür

vorgelegt, dass eine substantielle Anzahl von gut remittierenden Psychosen eine längere Dauer der

Indexepisode haben kann als die von der ICD-10 gestatteten 1-3 Monate (Susser et al. 1995b,

Mojtabai et al. 2000). Andererseits kann möglicherweise die prädiktive Validität der Diagnose

gesteigert werden, wenn das Kriterium einer Rezidivfreiheit für eine gewisse Zeitspanne eingeführt

wird (Susser et al. 1998). Die Akuität des Beginns scheint hingegen ein unentbehrlicher Bestandteil

der Diagnose zu sein (Susser et al. 1995b, Mojtabai et al. 2000). Als prospektive longitudinale

Fallkontrollstudie erfordert die gegenwärtige Untersuchung scharf definierte, operationalisierte

diagnostische Kategorien, die zum Zeitpunkt der Indexepisode eine eindeutige diagnostische

Zuordnung erlauben. Wir entschieden uns daher, den ICD-10-Kriterien ohne Modifikation zu folgen,

um Vergleich und Replikation der vorgelegten Befunde zu ermöglichen.

Zusammenfassend sprechen die Vergleiche mit der Kurzen Psychotischen Störung des DSM-IV, dem

Bouffée délirante und den zykloiden Psychosen (Pillmann et al. 2001, 2002a, 2003c) dafür, dass die

wesentlichen Befunde der AVP-Stichprobe auf verwandte Konzepte kurzdauernder akuter Psychosen

übertragen werden können. Inwieweit eine Verallgemeinerung auf Störungskonzepte möglich ist, die

eine wesentlich längere Episodendauer zulassen oder die ein Kriterium der Rezidivfreiheit

einschließen, bedarf weiterer Forschung.

Fazit: Die wichtigsten Limitierungen der vorliegenden Studie ergeben sich aus dem begrenzten

Stichprobenumfang, dem Rückgriff auf eine stationär behandelte Stichprobe, fehlender Verblindung

der Untersucher und einer aus zeitökonomischen Gründen notwendigen Begrenzung der eingesetzten

Instrumente.

5.2 Vergleich von akuten vorübergehenden Psychosen und Schizophrenie im Hinblick auf

den Ausgang

Hinsichtlich des Ausgangs, der Rezidivhäufigkeit und der diagnostischen Stabilität (Abschnitte 5.2-

5.4) zeigen die hier berichteten Ergebnisse eine starke Übereinstimmung mit den bereits publizierten

Ergebnissen aus früheren Stadien der HASBAP (Marneros und Pillmann 2004, Marneros et al. 2002a,

2003b, Pillmann et al. 2002b). Darin drückt sich die relativ große zeitliche Stabilität der Unterschiede

zwischen den diagnostischen Gruppen aus. Die Aussagekraft der Ergebnisse wird durch die nun

erweiterte Nachbeobachtungszeit (7 Jahre nach der Indexepisode bzw. 12,4 Jahre nach der

Erstmanifestation) weiter erhöht. Im Folgenden wird das Ausmaß der Gruppenunterschiede im

Kontext der Befunde anderer Autoren diskutiert.

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Es zeigten sich hinsichtlich des Ausgang auf mehreren Ebenen konsistente und breit gefächerte

Unterschiede zwischen akuten vorübergehenden und schizophrenen Psychosen. Diese Unterschiede

betreffen das allgemeine Funktionsniveau, die aktuelle Symptomatik und die soziale Behinderung, die

jeweils mit standardisierten Instrumenten erfasst wurden. Große Effektstärken fanden sich bei den

Unterschieden im allgemeinen Funktionsniveau (in dieses Maß gehen sowohl Symptomparameter wie

auch Aspekte der sozialen Funktionsfähigkeit ein) und in der sozialen Behinderung, eine mittlere

Effektstärke hinsichtlich der Negativsymptomatik und eine eher kleine Effektstärke hinsichtlich der

Positivsymptomatik.

Die HASBAP ist die erste Studie, die den Ausgang sorgfältig parallelisierter Gruppen von Patienten

mit akuten vorübergehenden und schizophrenen Psychosen in einem prospektiven und komparativen

Ansatz untersucht. In einigen Aspekten lassen sich die erhobenen Ergebnisse dennoch mit früheren

Untersuchungen vergleichen. Hinsichtlich des globalen Funktionsniveaus ist eine Vergleichs-

möglichkeit mit der retrospektiven Untersuchung von Jørgensen (1994b), der prospektiven

Untersuchung von Jørgensen et al. (1997) und der Studie von Sajith et al. (2002) gegeben. Bei der

Nachuntersuchung einer retrospektiv nach ICD-10-Kriterien diagnostizierten Patientengruppe durch

Jørgensen (1994b) hatten die AVP-Patienten einen relativ guten Ausgang gemäß GAF (mittlerer Wert

72, bei schizophrenen Patienten 35). In der prospektiven Verlaufsstudie zu akuten vorübergehenden

Psychosen der selben Arbeitsgruppe (Jørgensen et al. 1996, 1997) konnten 46 von ursprünglich 51

Patienten nach einem Jahr nachuntersucht werden. Es fand sich ein mittlerer GAF-Wert von 70 für

diejenige Gruppe von 24 Patienten, deren diagnostische Einschätzung sich bei der Katamnese nicht

verändert hatte. Eine Kontrollgruppe wurde nicht untersucht. Sajith et al. (2002) konnten für 45

Patienten mit einer akuten vorübergehenden Psychose, Subtyp akute polymorphe psychotische

Störung, eine Drei-Jahres-Katamnese durchführen. Zu diesem Zeitpunkt fand sich ein mittlerer GAF-

Wert von 68,8. Der mittlere GAF-Wert für diejenigen Patienten, die auch bei der Nachuntersuchung

ihre Indexdiagnose behalten hatten, war höher als bei denen mit Diagnosewechsel (71,5 versus 61,1).

Nach Abschluss der HASBAP wurde die Studie von Singh et al. (2004) publiziert, die bei 32 Patienten

mit der initialen Diagnose einer akuten vorübergehenden Psychose nach drei Jahren einen mittleren

GAF-Wert von 70 fanden, der sich von affektiven Kontrollen (mittlerer GAF 72,2) nicht signifikant

unterschied, aber signifikant höher ausfiel als der mittlere GAF schizophrener Kontrollen (55,2). Die

Stichprobe von 32 AVP-Patienten umfasste allerdings mehrere Patienten, bei denen die Indexdiagnose

später revidiert werden musste (Singh et al. 2004). Das globale Funktionsniveau am Ende der

Beobachtungszeit in der vorliegenden Untersuchung ist also generell vergleichbar mit den günstigen

Werten, die von den zitierten Autoren gefunden wurden, und liegt teilweise noch etwas höher.

Insgesamt imponieren Index- und Kontrollprobanden der vorliegenden Studie etwas „gesünder“. Diese

geringfügigen Stichprobenunterschiede könnten damit zusammenhängen, das zum Zeitpunkt der

Studiendurchführung im Einzugsbereich der HASBAP durch das dichte Netz stationärer Versorgung

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auch relativ leicht erkrankte Patienten eher eine stationäre Behandlung kamen und daher die

Rekrutierung über eine stationäre Behandlungseinrichtung nicht mit einer Selektion besonders schwer

erkrankter Probanden verbunden war.

Die Erfassung sozialer Behinderung mit dem „Disability Assessment Schedule“ der WHO hat in

zahlreichen Untersuchungen Verwendung gefunden, insbesondere in longitudinalen Studien mit

schizophrenen Patienten. So fanden Biehl et al. (1986) bei einer Kohorte von 67 an Schizophrenie

ersterkrankten Patienten nach 5 Jahren 35% mit einer mindestens befriedigenden sozialen Anpassung,

39% mit einer mäßigen sozialen Anpassung und 26% mit einer schlechten oder fehlenden sozialen

Anpassung. In der gegenwärtigen Untersuchung war unter den Kontrollen mit positiver Schizophrenie

sowohl die Gruppe mit einer schlechten/fehlenden sozialen Anpassung (55,3%), als auch die Gruppe

mit einer befriedigenden/guten sozialen Anpassung (42,2%) umfangreicher, während die Mittelgruppe

geringer besetzt war (18,4%). Die retrospektive Studie von Jørgensen (1994b) benutzte ebenfalls das

„Disability Assessment Schedule“. In dieser Studie betrug bei der Nachuntersuchung der Mittelwert

für akute vorübergehende Psychosen 0,7 und für Schizophrenie 2,5 (Jørgensen 1994b). Die Werte für

akute vorübergehende und schizophrene Psychosen entsprechen weitgehend den in der vorliegenden

Untersuchung erhobenen (0,74 bzw. 2,18, vgl. S. 62). In der Telefonkatamnese von Jäger et al. (2003)

wurden Daten mit einer modifizierten Kurzversion des WHO/DAS erhoben, die nur eingeschränkt mit

den Ergebnissen der HASBAP zu vergleichen sind. Qualitativ fanden Jäger et al. (2003) für Patienten

mit akuten vorübergehenden Psychosen nur geringe Einschränkungen im Bereich „Personal Care“ und

vorwiegend leichte Einschränkungen in den Bereichen Arbeit, Familie und soziale Interaktionen,

ähnlich wie die vorliegende Studie (vgl. S. 63). Schließlich fand auch die vergleichende Untersuchung

von Singh et al. (2004) einen signifikant besseren Ausgang bei akuten vorübergehenden im Vergleich

zu schizophrenen Psychosen hinsichtlich der sozialen Anpassung im beruflichen Bereich und im

Bereich sozialer Kontakte.

Die Symptomwerte nach PANSS für die PS-Gruppe liegen etwa in dem Bereich, den andere

Katamnesestudien bei schizophrenen Probanden gefunden haben. So berichteten Bottlender et al.

(2003) aus ihrer 15-Jahres-Katamnese bei 58 Patienten mit der Erstmanifestation einer schizophrenen

Psychose über einen Mittelwert von 13,9 für die PANSS-Negativ-Skala, von 16,6 für die PANSS-

Positiv-Skala und von 28,7 für die PANSS-Allgemein-Skala. Exemplarisch fand sich in einer

multinationalen Therapiestudie zur Überprüfung der therapeutischen Wirksamkeit von Amisulprid bei

Patienten mit akuten schizophrenen Psychosen zu Beginn der Behandlung ein Wert von 26,0 auf der

positiven Subskala, der unter Behandlung auf 14,0 absank, auf der negativen Subskala ein Wert von

26,9, der unter Behandlung auf 17,3 absank (Puech et al. 1998). Die von uns gefundenen PANSS-

Werte bei den schizophrenen Kontrollen entsprechen damit den Größenordnungen, die in

Therapiestudien bei remittierten Patienten mit schizophrenen Psychosen gefunden wurden und sie

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bestätigen insgesamt die relativ günstige Prognose unserer schizophrenen Kontrollgruppe. PANSS-

Werte für akute vorübergehende Psychosen im Langzeitverlauf, mit denen die vorliegenden

Ergebnisse verglichen werden könnten, sind bisher in der Literatur nicht berichtet. Jedoch deutet der

quantitative Befund darauf hin, dass im Gruppenmittel die Symptomausprägung bei den akuten

vorübergehenden Psychosen zu allen drei Nachuntersuchungszeitpunkten sehr gering war.

Differenzierter als in der bisherigen Literatur konnten differentielle Effektstärken für die Unterschiede

im Langzeitausgang zwischen akuten vorübergehenden und schizophrenen Psychosen berichtet

werden. Die relativen Effektstärken, die sich bei den Gruppenvergleichen hinsichtlich

unterschiedlicher Parameter ergaben, folgten einem klaren Muster: die Unterschiede waren am größten

für Parameter der sozialen Anpassung, etwas geringer für die Negativsymptomatik und am geringsten

für die Positivsymptomatik. Diese Reihenfolge stellt einerseits ein Abbild des therapeutischen

Ansprechens der jeweiligen Domäne dar. Es ist verschiedentlich gezeigt worden, dass im Verlauf

psychotischer Störungen positive Symptomatik nach der akuten Episode die beste

Rückbildungstendenz aufweist und dass negative Symptomatik länger persistiert und schlechter auf

die Behandlung anspricht (Andreasen et al. 1990, Marneros et al. 1991a, Arndt et al. 1995, Möller

1995). Andererseits scheint gerade die soziale Anpassung ein sensibler Indikator für zeitstabile

Beeinträchtigung bei psychischen Erkrankungen zu sein (Cannon-Spoor et al. 1982, Häfner et al.

1999, Wiersma et al. 2000). Das spezifische Muster der Differenzen spricht daher auch für die

Repräsentativität unserer schizophrenen Kontrollgruppe und für die Validität der gefundenen

Differenzen.

Fazit: Die Ergebnisse hinsichtlich des Langzeitausgangs bestätigen und erweitern frühere Befunde

(einschließlich der HASBAP), nach denen akute vorübergehende Psychosen im Vergleich zu

schizophrenen Psychosen einen günstigeren Ausgang nehmen. Die Unterschiede sind am deutlichsten

für das allgemeine Funktionsniveau und die soziale Anpassung, etwas geringer für die

Negativsymptomatik und am geringsten für die Positivsymptomatik. Die Tatsache, dass diese Befunde

an nach Alter und Geschlecht parallelisierten Gruppen und nach einer langen Nachbeobachtungszeit

erhoben wurden, spricht für die Robustheit der Unterschiede.

5.3 Rezidive im Verlauf

Akute vorübergehende Psychosen erwiesen sich in der HASBAP als häufig rezidivierende

Erkrankungen. Innerhalb von zwei Jahren nach der Indexepisode hatte die Mehrzahl der

nachuntersuchten Patienten mindestens ein Rezidiv erlitten. Im Langzeitverlauf erreichte die so

definierte Rezidivquote etwa 80%. Die Rezidivquote war bei akuten vorübergehenden und

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schizophrenen Psychosen fast identisch. Im longitudinalen Verlauf kam es sowohl in der AVP-Gruppe

als auch in der PS-Gruppe zu einer Abnahme der Rezidivrate. Ein signifikanter Unterschied ergab sich

jedoch auch unter longitudinalem Gesichtspunkt zwischen den diagnostischen Gruppen nicht.

Bei der Bewertung der ermittelten Rezidivquoten muss bedacht werden, dass die meisten Patienten zu

den jeweiligen Nachuntersuchungszeitpunkten eine rezidivprophylaktische Medikation (überwiegend

Antipsychotika) erhielten (siehe S. 77). Unter diesem Gesichtspunkt erscheinen die Rezidivquoten

auch für die schizophrene Kontrollgruppe relativ hoch, insbesondere im Vergleich zu den Ergebnissen

kontrollierter Therapiestudien (z.B. Gaebel et al. 2002b). Die gefundene Rezidivrate ist jedoch

vergleichbar mit den Ergebnissen von Robinson et al. (1999), die nach Ablauf von 5 Jahren eine

kumulative Rezidivrate von 81,9% bei einer Stichprobe von ersterkrankten Patienten mit

Schizophrenie oder schizoaffektiver Störung fanden. Die Patienten dieser Stichprobe waren von einem

hochengagierten Team betreut und nach Richtlinien der American Psychiatric Association behandelt

worden (Robinson et al. 1999). Berücksichtigt werden muss auch, dass die strengen Einschluss-

kriterien fast aller Therapiestudien zu Ergebnissen führen, die sich bei der Übertragung auf „normale“

Patienten als zu optimistisch erweisen. Unter Abwägung dieser Befunde bewegen sich die von uns für

die Teilstichprobe mit positiver Schizophrenie gefundenen Rezidivquoten noch im Bereich der in der

Literatur mitgeteilten Werte.

Der Befund, dass akute vorübergehende Psychosen nicht seltener rezidivieren als schizophrene

Psychosen (auch nicht im Langzeitverlauf) steht im Widerspruch zu den Untersuchungen von Susser

et al. bei Patienten mit „nicht-affektiven akuten remittierenden Psychosen“ in Indien (Susser et al.

1998) und in den Vereinigten Staaten (Susser et al. 1995a). In der indischen Untersuchung

rezidivierten nur 18% (3/17) der Patienten während einer 12-jährigen Follow-up-Periode, in der US-

amerikanischen Studie hatte nur einer von 7 Patienten (14%) innerhalb von 2 Jahren ein Rezidiv. Auf

Basis jener Daten war argumentiert worden, dass akute vorübergehende Psychosen häufig singuläre

Ereignisse darstellen (Mojtabai et al. 2002). Die Diskrepanz zu den erwähnten Studien kann allerdings

– zumindest teilweise – durch Stichprobenunterschiede und Unterschiede in den verwendeten

diagnostischen Kriterien erklärt werden. So sind Unterschiede im Verlauf psychotischer Erkrankungen

zwischen Industrie- und Entwicklungsländern vielfach repliziert worden (Hopper und Wanderling

2000). Sie können zum günstigeren Verlauf in der indischen Stichprobe beitragen. Darüber hinaus

beinhalten die diagnostischen Kriterien der „nicht-affektiven akuten remittierenden Psychosen“

Rezidivfreiheit in den ersten 2 Jahren nach der Indexepisode (Susser et al. 1995a, 1998). Eine solche

Rezidivfreiheit ist aber nicht Bestandteil der Definition der akuten vorübergehenden Psychosen nach

WHO. Die modifizierten Kriterien von Susser et al. (1995a, 1998) führen daher zu einer Selektion von

Patienten mit geringer Rezidivneigung. Schließlich kann die relativ hohe Rezidivrate bei den akuten

vorübergehenden Psychosen in der vorliegenden Untersuchung auch dadurch beeinflusst sein, dass die

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Studie nicht auf ersterkrankte Patienten beschränkt ist (Mojtabai et al. 2002). Es wurden auch

Patienten mit früheren Episoden eingeschlossen, um eine Stichprobe zu erhalten, die alle Stadien der

Erkrankung repräsentiert. Dadurch könnte es zu einer Überrepräsentation von Patienten mit mehreren

Episoden gekommen sein, in Analogie zu der Fehlerquelle, die als Berkson’s bias bekannt ist (Berkson

1946). Wenn diese Fehlerquelle sich in den Teilstichproben in unterschiedlichem Ausmaß

manifestiert, könnten dadurch existierende Differenzen unterschätzt werden. In einer früheren Analyse

haben wir daher Patienten mit und ohne frühere Episoden verglichen und fanden weder in der AVP-

Gruppe noch in der PS-Gruppe einen Unterschied in der Häufigkeit von Rezidiven (Pillmann und

Marneros 2002). Es ist daher sehr unwahrscheinlich, dass die beschriebene Fehlerquelle sich auf die

vorliegenden Daten in relevantem Umfang ausgewirkt hat (Pillmann und Marneros 2002). Zusammen

mit der vergleichbaren Anzahl von Episoden vor Einschluss ist in diesen Befunden daher ein Hinweis

darauf zu sehen, dass sich akute vorübergehende Psychosen und schizophrene Psychosen in der

Rezidivhäufigkeit nicht gravierend unterscheiden.

Die Abnahme der Rezidivrate im longitudinalen Verlauf entspricht den Befunden von Eaton et al.

(1992a, 1992b), die in Registerstudien „Überlebenskurven” (für die Freiheit von Rehospitalisierung)

beschrieben, die etwa 2-3 Jahre nach der Indexepisode einen Knick aufwiesen und nach einem

Zeitraum von 20 Jahren praktisch flach verliefen (Eaton et al. 1992b). Stationäre Behandlungen

häuften sich also vor allem früh im Krankheitsverlauf, was ursprünglich als Hinweis auf eine

Verbesserung im Langzeitverlauf (amelioration) interpretiert wurde (zur Kritik dieser Interpretation

vgl. oben S. 24).

Fazit: Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass akute vorübergehende Psychosen sich von

der Schizophrenie im Auftreten und in der Rate von Rezidiven nicht wesentlich unterscheiden.

Insbesondere in den ersten zwei Jahren ist das Rezidivrisiko hoch. Die Frage, welche Art von

Rezidiven im Nachbeobachtungszeitraum auftreten, betrifft allerdings den Aspekt der diagnostischen

Stabilität.

5.4 Diagnostische Stabilität

Diagnostische Stabilität im engeren Sinn, definiert als monosyndromaler Verlauf mit ausschließlichem

Auftreten von AVP-Episoden, konnte bei 48,7% der Probanden konstatiert werden. Dieser Wert liegt

oberhalb des Wertes von 37%, den Amin et al. (1999) in ihrer Studie zu ersterkrankten psychotischen

Patienten berichteten, die allerdings insofern atypisch ist, als die diagnostische Stabilität zwischen

Männern (14%) und Frauen (73%) extrem differierte (Singh et al. 2004) (vgl. S. 20). Der von uns

gefundene Wert korrespondiert gut mit den 48% diagnostischer Stabilität aus der Studie von Jørgensen

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et al. (1997). Die diagnostische Stabilität war in der vorliegenden Untersuchung niedriger als der Wert

von 75%, den Sajith et al. (2002) in ihrer Stichprobe fanden, die allerdings ausschließlich aus

Patienten mit dem Subtyp der akuten polymorphen psychotischen Störung (ICD-10 F23.0/F23.1)

bestand. Auch in der vorliegenden Studie war die diagnostische Stabilität in der Subgruppe der akuten

polymorphen Psychosen größer als die in der Subgruppe der akuten schizophreniformen Störung

(53,8% versus 27,3%).

Ein Wechsel hin zur Diagnose „Schizophrenie” kam auch nach längerem Verlauf noch vor, war

insgesamt mit 12,8% aber selten. Auch dieser Aspekt der diagnostischen Stabilität befindet sich im

Einklang mit den wenigen vorliegenden Studien zu akuten vorübergehenden Psychosen. So

berichteten Jørgensen et al. (1997) über 15% Diagnosewechsel hin zur Schizophrenie, Singh et al.

(2004) fanden bei weiblichen Patienten ihrer Stichprobe 18% Diagnosewechsel hin zur Schizophrenie,

bei den männlichen Patienten hingegen ungewöhnliche 43% (die Problematik der Stichprobe wurde

bereits mehrfach angesprochen, siehe S. 20). Bedeutsam ist, dass in der vorliegenden Studie das

Risiko einer schizophrenen Episode im Nachuntersuchungszeitraum bei Patienten mit einer akuten

polymorphen Psychose (F23.0/F23.1) mit 3,8% deutlich geringer war als bei Patienten vom Subtyp

einer akuten schizophreniformen Psychose (F23.2) mit 36,4%.

Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass im longitudinalen Verlauf der vorliegenden Studie 30,2%

der AVP-Gruppe eine affektive Episode durchmachten, meistens handelte es sich um depressive

Episoden. Erneut ist dieses Ergebnis im Einklang mit den Befunden von Jørgensen et al. (1997), die

28% affektive Störungen im Verlauf fanden. Die Bedeutung affektiver Symptomatik im

Langzeitverlauf akuter vorübergehender Psychosen wird weiter unterstrichen durch den hohen Anteil

von „Allgemeinsymptomatik“ der Positive and Negative Syndrome Scale für den Ausgang akuter

vorübergehender Psychosen (siehe S. 66). Hierbei handelt es sich überwiegend um affektive und

unspezifische somatoforme Symptome, die nicht dem Positiv- oder Negativsyndrom der

Schizophrenie zuzuordnen sind. Auch klinisch entstand bei den Nachuntersuchungen der Eindruck,

dass bei vielen Patienten auch nach guter Remission der akuten Episode die Rekonvaleszenz durch

eine nur langsam sich zurückbildende subdepressive und asthenische Symptomatik gekennzeichnet ist.

Völlig unklar ist, wie das spätere Auftreten affektiver Syndrome im Langzeitverlauf akuter

vorübergehender Psychosen klassifikatorisch zu bewerten ist. Die Internationale Klassifikation

Psychischer Störungen ICD-10 stellt für die Formulierung einer longitudinalen Diagnose keinen

Algorithmus bereit. Die Diagnose zweier komorbider Störungen ist unbefriedigend, ebenso aber die

einfache Änderung der Diagnose hin zu einer affektiven Störung. Die Änderung der Diagnose in

„schizoaffektive Störung, sequenzielle Form“ verwischt den Unterschied zu schizoaffektiven

Psychosen enger Definition, die das Vollbild einer schizophrenen Psychose beinhalten. Die

vorliegende Studie hat den Kompromiss gewählt, diagnostischen Wandel zu beschreiben, den

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108

Ausgang aber unabhängig von der diagnostischen Stabilität für die Gesamtgruppe mit der

Indexepisode einer akuten vorübergehenden Psychose darzustellen. Dieses Vorgehen wurde auch von

anderen Autoren bevorzugt (Singh et al. 2004). Durch die gefundenen Unterschiede zwischen

Indexgruppe und Kontrollen wird die Validität des gewählten Vorgehens bestätigt.

Fazit: In knapp der Hälfte der Fälle akuter vorübergehender Psychosen ist langfristig mit einem

monosyndromalen Verlauf zu rechnen, d.h. mit dem ausschließlichen Auftreten erneuter Episoden

einer akuten vorübergehenden Psychose. Für Erkrankungen vom Subtyp einer akuten polymorphen

Psychose liegt dieser Prozentsatz etwas höher. Nicht selten treten affektive und schizoaffektive

Episoden im Verlauf auf. Mit schizophrenen Episoden im Verlauf ist in 10-20% der Fälle zu rechnen,

insbesondere bei akuten schizophreniformen Psychosen (F23.2), nur selten dagegen bei akuten

vorübergehenden Psychosen vom polymorphen Subtyp (F23.0, F23.1).

5.5 Progression der Erkrankung im longitudinalen Verlauf

Der heterogene und wechselhafte Verlauf funktioneller Psychosen könnte Anlass zu der Erwartung

geben, dass Patienten mit akuten vorübergehenden bzw. schizophrenen Psychosen, die diesen Gruppen

lediglich auf Grund des Erscheinungsbildes einer Indexepisode zugeordnet wurden, sich hinsichtlich

des Ausgangs der Erkrankung im Langzeitverlauf einander annähern. Zu einer Annäherung beider

Gruppen im Verlauf kam es in der vorliegenden Untersuchung aber nicht. Das Gegenteil war der Fall.

Für die Gruppe der akuten vorübergehenden Psychosen war im Hinblick auf globales

Funktionsniveau, soziale Behinderung und Symptomatik im Gruppenmittel eine hohe Stabilität über

den gesamten Nachbeobachtungszeitraum hinweg zu beobachten. Hingegen kam es für die Gruppe der

schizophrenen Patienten zu einer geringfügigen, aber signifikanten Verschlechterung des globalen

Funktionsniveaus, der sozialen Behinderung und – weniger deutlich – auch der Symptomatik.

Die Verschlechterung der Symptomatik im longitudinalen Verlauf in der Gruppe der schizophrenen

Patienten steht im Widerspruch zu einigen Studien, die keine konsistenten Hinweise auf eine

Verschlechterung schizophrener Psychosen im Verlauf nach der Indexepisode zeigten (Eaton et al.

1992a, 1992b, 1995, Gupta et al. 1997, Edwards et al. 1999). Andere Studien fanden jedoch, im

Einklang mit den hier berichteten Befunden, zumindest in Teilaspekten eine progrediente

Verschlechterung bei schizophrenen Psychosen auch über längere Nachbeobachtungszeiträume. So

erfasste eine Studie von Breier et al. (1991) den Verlauf von 58 jungen, überwiegend chronisch

kranken stationären Patienten mit Schizophrenie oder schizoaffektiver Psychose, die zwischen 1976

und 1984 in einer Klinik des National Institute of Mental Health (NIMH) stationär waren.

Nachuntersuchungen erfolgten 2 bis 12 Jahre nach der Indexaufnahme. Von der Indexepisode zum

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109

Follow-up verschlechterte sich der Symptomscore (Brief Psychiatric Rating Scale) signifikant. Für die

Verschlechterung der Negativsymptome fand sich ein Zusammenhang von längerem Follow-up-

Zeitraum mit stärkerer Verschlechterung. Die Autoren schließen: „Unsere Daten legen nahe, dass die

Verschlechterung während der ersten 10 Jahre der Erkrankung, oder länger, andauern kann“ (Breier et

al. 1991, S. 245, Übersetzung vom Autor). Auch die Studien von Mason et al. (1996), an der Heiden et

al. (1995) und Pfohl und Winokur (1982) ergaben Hinweise auf eine Verschlechterung schizophrener

Psychosen im Verlauf. Zu nennen ist auch die Köln-Studie von Marneros et al. (1991c). Die Autoren

untersuchten das Auftreten persistierender Alterationen bei 148 Patienten mit schizophrenen

Psychosen, 101 Patienten mit schizoaffektiven Psychosen und 106 Patienten mit affektiven Psychosen.

Die kumulative Berechnung der Häufigkeit persistierender Alterationen zeigte zwar, dass die

Mehrzahl der Patienten mit schizophrenen Psychosen und eine Minderheit von Patienten mit

schizoaffektiven und affektiven Psychosen bereits im Jahr nach der Erstmanifestation persistierende

Alterationen zeigt; jedoch stieg der Anteil von Patienten mit persistierenden Alterationen im

nachfolgenden Verlauf bis zu 20 Jahren nach der Erstmanifestation noch langsam, aber kontinuierlich

an (Marneros et al. 1991c).

Bei der Bewertung der diskrepanten Befunde ist auch zu berücksichtigen, dass viele der existierenden

longitudinalen Studien eine weite Definition schizophrener Psychosen benutzen und damit in ihrer

Stichprobe eine Reihe von Patienten einschließen, die hier als akute vorübergehende Psychosen

klassifiziert werden. Die Gegenüberstellung des longitudinalen Verlaufs von ICD-10-Schizophrenien

und akuten vorübergehenden Psychosen, wie hier vorgenommen, mag deshalb für die Gruppe der

schizophrenen Patienten eine Verschlechterung deutlich machen, die in heterogeneren Stichproben mit

ihrer größeren Variabilität des Verlaufs keinen Niederschlag in den Mittelwerten findet.

Das Auftreten oder Nichtauftreten einer Verschlechterung nach Krankheitsbeginn kann schließlich

auch mit der Altersstruktur der Stichprobe zusammenhängen. Während früh psychotisch erkrankte

Patienten am ehesten eine Stagnation in ihrer sozialen Entwicklung erfahren, kann bei später

erkrankten ein sozialer Abstieg beobachtet werden (Häfner et al. 1999). Möglicherweise besteht auch

eine biologische Interaktion zwischen früh erworbenen Defiziten der neuronalen Organisation und

späteren involutiven Vorgängen, die für eine Verschlechterung auch der Symptomatik spät im Verlauf

verantwortlich sind (Waddington et al. 1997). Bedingt durch das Parallelgruppendesign wurden die

Patienten in der HASBAP zu einem deutlich späteren Zeitpunkt erfasst, als dies typischerweise in

Ersterkrankungsstichproben der Fall ist. Die beschriebenen Zusammenhänge zwischen Alter und

schizophrenem Verschlechterungsprozess können daher für die hier beobachteten Effekte bei den

schizophrenen Kontrollen mit verantwortlich sein.

Fazit: Der wesentliche Befund der vorliegenden Untersuchung bleibt das Fehlen einer

Verschlechterung im Langzeitverlauf der akuten vorübergehenden Psychosen über alle drei

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110

Nachuntersuchungszeitpunkte hinweg. Lediglich eine geringfügige Verschlechterung der Werte für

Allgemeinsymptomatik (PANSS) war zwischen dem 2. und 3. Nachuntersuchungszeitpunkt zu

verzeichnen. Diese Feststellung ergänzt die Befunde zu Gruppenunterschieden zwischen akuten

vorübergehenden und schizophrenen Psychosen und zeigt, dass diese Unterschiede longitudinal

zumindest stabil bleiben, wenn nicht zunehmen. Der Befund einer Verschlechterung schizophrener

Psychosen (im Gruppenmittel) über die Zeit ergänzt damit auch bisherige Erkenntnisse zu

schizophrenen Psychosen. Insgesamt ist jedoch festzuhalten, dass die Veränderungen im

longitudinalen Verlauf gegenüber den bereits beim ersten Nachuntersuchungszeitpunkt bestehenden

Unterschieden zwischen den diagnostischen Gruppen geringfügig sind. In jedem Falle sprechen die

hier dargestellten Befunde gegen eine Annäherung akuter vorübergehender und schizophrener

Psychosen im Verlauf.

5.6 Soziale Anpassung im Verlauf

Der Längsschnittverlauf der sozialen Anpassung in quantitativer Erfassung mit der WHO/DAS wurde

bereits oben (S. 103) diskutiert. Spezifische Indikatoren der psychosozialen Anpassung haben jedoch

ihre jeweils eigene längsschnittliche Entwicklung. Dies betrifft in der vorliegenden Untersuchung

insbesondere den Partnerschaftsstatus, die berufliche Integration und die Autarkie.

Das Bestehen einer Dauerbeziehung ist ein sensitiver Indikator der sozialen Anpassung. In der

Mannheimer ABC-Studie konnten Häfner et al. (1999) zeigen, dass sich schizophren Erkrankte zu

dem Zeitpunkt, an dem erstmals ein Krankheitszeichen erkennbar wird (ca. 5 Jahre vor dem ersten

psychotischen Symptom) in der Häufigkeit einer festen Partnerschaft noch nicht von gesunden

Kontrollen unterschieden. Zum Zeitpunkt der ersten stationären Aufnahme war der Unterschied

zwischen Patienten und Kontrollen bereits beträchtlich (17% versus 60% bei den Männern, 33%

versus 78% bei den Frauen). Aus den Analysen der ABC-Studie lässt sich schließen, dass die sozialen

Defizite im partnerschaftlichen Bereich bei schizophrenen Patienten sich zu einem großen Teil bereits

vor dem Auftreten der psychotischen Symptomatik und überwiegend bereits vor der ersten stationären

Aufnahme entwickeln. Ähnliche Ergebnisse wurden von anderen Autoren berichtet (Thara und

Srinivasan 1997, Agerbo et al. 2004, Thornicroft et al. 2004). Die Ergebnisse der vorliegenden Studie

sind weitgehend konkordant mit diesen Befunden. Die Unterschiede im Anteil von Patienten mit

Dauerbeziehung sind ausgeprägt, bereits vor der Erstmanifestation nachweisbar und im Verlauf nach

der Indexepisode weder progredient noch rückläufig.

Die Integration der Patienten in das Erwerbsleben wird indiziert durch den Anteil der untersuchten

Personen, die einer bezahlten Erwerbstätigkeit nachgehen. Fehlende Integration spiegelt sich in

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111

Häufigkeit von Berentungen wegen Erwerbsunfähigkeit wider. Beide Parameter verhalten sich in der

vorliegenden Untersuchung abweichend von anderen Parametern der sozialen Anpassung.

Insbesondere die Häufigkeit von Frühberentungen ist einer der wenigen Parameter, bei denen es im

Verlauf des Nachbeobachtungszeitraums zu einer Annäherung der AVP-Patienten und der PS-

Patienten kam. Allerdings geschah dies in der Form, dass Patienten mit akuten vorübergehenden

Psychosen sich in der Häufigkeit von Frühberentungen über die Zeit an das von Anfang an extrem

hohe Niveau von Frühberentungen der schizophrenen Gruppe annähern.

Frühberentungen sind ein Indikator besonderer Art, der nur unvollkommen mit anderen Indikatoren

des Krankheitsausgangs korreliert und mehr noch als die Rehospitalisierungsrate ein „administratives“

Kriterium darstellt (Tohen et al. 2000). Wie kaum ein anderer Parameter des Ausgangs ist die

Frühberentung nicht nur vom Krankheitsverlauf, sondern von Besonderheiten des jeweiligen

Sozialsystems und der aktuellen gesamtwirtschaftlichen Lage abhängig. Für Frühberentungen, die vor

der Indexaufnahme erfolgten, ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass ein Teil dieser Berentungen noch

unter den Bedingungen der Sozialsysteme der damaligen DDR erfolgte und von den

Rahmenbedingungen her daher mit der Situation im prospektiven Untersuchungszeitraum nicht

vergleichbar ist. Für den prospektiven Untersuchungszeitraum sind diese Rahmenbedingungen durch

die Übernahme der Sozialgesetzgebung der alten Bundesrepublik, durch eine anhaltend bzw.

zunehmend angespannte gesamtwirtschaftliche Lage sowie durch eine regionale Strukturschwäche

gekennzeichnet. Diese Faktoren schlugen sich im Untersuchungszeitraum in einer anhaltend hohen

Arbeitslosigkeit nieder, die z.B. im Oktober 2000 bei 20,8% lag (Anonymus 2000). Eine Studie fand

in den neuen Bundesländern bei schizophrenen Patienten für die Zeit von 1989 bis 1998 einen Abfall

der Beschäftigungsrate von 50% auf 7% (Riedel et al. 1998). Die Häufigkeit von Frühberentungen

reflektiert somit auch die Schwierigkeiten, die einer erfolgreichen beruflichen Reintegration in der

herrschenden wirtschaftlichen Situation entgegenstehen. Zudem wird auch unter anderen

wirtschaftlichen Bedingungen ein von Symptomparametern unabhängiges Ansteigen der

Frühberentungsraten im longitudinalen Verlauf beobachtet (Agerbo et al. 2004).

Der Verlust der Autarkie schließlich erwies sich als seltenes Ereignis sowohl bei akuten

vorübergehenden als auch bei schizophrenen Psychosen. Die Unterschiede zwischen den

diagnostischen Gruppen waren von Beginn an vorhanden und zeigten im Langzeitverlauf keine

Veränderung.

Fazit: Das Vorhandensein einer Dauerbeziehung ist ein sensitiver Indikator für die soziale

Anpassung. Gruppenunterschiede sind hier früh sichtbar und zeigen im Langzeitverlauf wenig

Veränderung. Auch Unterschiede in der Häufigkeit eines Autarkieverlustes zwischen akuten

vorübergehenden Psychosen und Schizophrenie zeigen sich früh und sind nur wenig progredient. Im

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112

Gegensatz dazu hält das Risiko einer Frühberentung über den gesamten Krankheitsverlauf an und

führt zu einer steigenden Rate an Frühberentungen auch bei den akuten vorübergehenden Psychosen.

5.7 Akute vorübergehende Psychosen mit medikationsfreier Remission

Psychische Störungen sind in aller Regel chronische Erkrankungen. Speziell die Schizophrenie stellt

für die meisten Betroffenen eine lebenslange Erkrankung dar. Richtlinien zur Pharmakotherapie tragen

dieser Erkenntnis Rechnung. Für die betroffenen Patienten stellt die Akzeptanz der Tatsache, an einer

lebenslangen Erkrankung zu leiden, eine erhebliche Hürde für die Krankheitseinsicht dar. Auch bei

stabiler Remission unter Therapie liegt in der medikamentösen Rezidivprophylaxe eine tägliche

Erinnerung an die überwunden gehoffte Erkrankung mit entsprechenden Konsequenzen für die

Compliance. Aus klinisch-therapeutischer Sicht ist die Frage, ob bei einem Teil der Patienten im

longitudinalen Verlauf ein Zustand der Remission eintritt, der auch ohne eine rezidivprophylaktische

oder symptomsuppressive Pharmakotherapie stabil bleibt, von großer praktischer Bedeutung.

Wie oben (S. 79) dargelegt, sind für die Feststellung einer „stabilen medikationsfreien Remission“

sowohl Freiheit von Symptomatik relevanten Ausmaßes als auch längerfristige Freiheit von

Medikation, als auch längerfristige Rezidivfreiheit nötig. In der vorliegenden Untersuchung wurden

diese Forderungen operationalisiert als GAS-Wert über 70, Freiheit von psychotroper Medikation seit

mindestens 2 Jahren und Ausbleiben eines Rezidivs seit ebenfalls mindestens 2 Jahren. Damit

befanden sich am Ende der Nachbeobachtungszeit 30,8% der APV-Patienten in stabiler

medikationsfreier Remission, aber keiner der Patienten mit positiver Schizophrenie. Das in der

vorliegenden Studie benutzte 2-Jahres-Kriterium ohne Behandlung entspricht dem von Mason et al.

(1995) verwendeten, das auch von Harrison et al. (2001) benutzt wurde. Mason et al. (1995) fanden in

der Nottinghamer Stichprobe nach 13 Jahren 17% der Patienten, die dieses Kriterium erfüllten,

Harrison et al. (2001) in einer umfangreichen Folgeuntersuchung der großen WHO-Studien 16,3%.

Der höhere Prozentsatz bei den schizophrenen Patienten der genannten Studien gegenüber dem in der

schizophrenen Kontrollgruppe der HASBAP gefunden Wert (0%) kann einerseits mit Unterschieden

in der Nachbeobachtungszeit zusammenhängen; andererseits dürften in den Studien von Mason et al.

(1995) und Harrison et al. (2001) wegen der breiteren Definition schizophrener Psychosen (ICD-9)

auch einige AVP-Fälle einschlossen worden sein.

Jede Operationalisierung „medikationsfreier Remission“ schließt die Möglichkeit ein, dass zu einem

bestimmten Zeitpunkt so klassifizierte Patienten später doch noch ein Rezidiv erleiden. Alle

Schlussfolgerungen sind daher nur mit Vorsicht zu ziehen. Gleichwohl sprechen die Ergebnisse der

vorliegenden Untersuchung dafür, dass der Anteil von Patienten, die im Langzeitverlauf auch ohne

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113

Medikation in stabiler Remission verbleiben, in der Gruppe der akuten vorübergehenden Psychosen

höher liegt als bei schizophrenen Patienten.

Fazit: Der Anteil akuter vorübergehender Psychosen, die sich am Ende der Nachbeobachtungszeit

auch ohne Medikation in stabiler Remission befanden (30,8%), muss wegen methodischer

Limitationen mit Vorbehalt betrachtet werden. Er scheint jedoch höher zu liegen als bei schizophrenen

Psychosen.

5.8 Prädiktoren des Verlaufs

Die Prädiktorforschung zielt auf die Klärung von Zusammenhängen zwischen Merkmalen, die vor

Beginn der Erkrankung oder früh in ihrem Verlauf erfasst werden, und Aspekten des Langzeitverlaufs

und des Ausgangs. Wie oben (S. 31ff) weiter ausgeführt, sind Prädiktoren, die zu Beginn der

Erkrankung erhoben werden, von Bedeutung für die individuelle Prognose, die Aufklärung und

Beratung des Patienten und die Therapieplanung. Die gleichen Prädiktoren, zusätzlich auch Merkmale

des Verlaufs wie z.B. die Häufigkeit von Rezidiven, die mit Parametern des Ausgangs in

Zusammenhang stehen, sind für Fragen der Nosologie und der Pathogenese von Bedeutung.

Unterschiedliche Dimensionen des Ausgang können dabei von verschiedenen Prädiktoren beeinflusst

werden (Hubschmid und Ciompi 1990, Bailer et al. 1996b). Die Ergebnisse der vorliegenden

Untersuchung sind für mehrere dieser Aspekte relevant.

Hinsichtlich des globalen Langzeitausgangs konnten sowohl für akute vorübergehende Psychosen

als auch bei Patienten mit positiver Schizophrenie eine Reihe von Prädiktoren bestätigt werden, die in

Untersuchungen sowohl an Stichproben von Patienten mit schizophrenen Psychosen als auch bei

psychotischen Erkrankungen weiter gefasster Definitionen gefunden wurden. Dies betrifft

insbesondere die prädiktive Bedeutung einer schlechten prämorbiden Anpassung und des männlichen

Geschlechts für einen ungünstigen Langzeitausgang (Cannon-Spoor et al. 1982, Kay und Lindenmayer

1987, Hubschmid und Ciompi 1990, Bailer et al. 1996a, Bromet et al. 1996, Menezes et al. 1997).

Obwohl Männer im Gruppenmittel eine schlechtere prämorbide Anpassung aufweisen, ist der Effekt

des Geschlechts auf den Langzeitausgang trotzdem nur teilweise durch diesen Faktor vermittelt. In der

Gruppe der schizophrenen Patienten taucht das Geschlecht als Prädiktor weniger konsistent auf als in

der Gruppe der akuten vorübergehenden Psychosen. Möglicherweise ist dies aber wieder auf die

Besonderheiten der Parallelgruppenbildung zurückzuführen, die in der schizophrenen Kontrollgruppe

einen atypisch hohen Anteil weiblicher Patienten zur Folge hat.

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114

Über das bisher Bekannte hinaus konnte gezeigt werden, dass für schizophrene Psychosen relevante

Prädiktoren auch Aspekte des Ausgangs von akuten vorübergehenden Psychosen voraussagen. Dies

gilt insbesondere für eine schlechte prämorbide Anpassung, die sowohl einen ungünstigeren Ausgang

insgesamt als auch eine Funktionseinbuße vom ersten zum letzten Nachuntersuchungszeitpunkt

vorhersagte. Eine Verallgemeinerbarkeit der von schizophrenen Psychosen und diagnostisch

weitgefassten Stichproben psychotischer Patienten her bekannten Prädiktoren auf Stichproben von

akuten vorübergehenden Psychosen war nicht von vornherein zu erwarten. Dies schon deshalb nicht,

weil durch die diagnostische Selektion eine geringere Streubreite der Parameter des Ausgangs zu

erwarten ist. Jørgensen et al. (1997) fanden in ihrer Follow-up-Studie zu akuten vorübergehenden

Psychosen keine signifikanten demographischen, sozialen oder klinischen Prädiktoren. In der

vorliegenden Studie war weiterhin eine Zugehörigkeit zur Untergruppe der akuten schizophreniformen

Störung (also ein Fehlen der typischen polymorphen Merkmale) mit einem weniger günstigen

Ausgang verknüpft. Die prognostische Wertigkeit polymorpher Symptomatik in der Indexepisode

passt zu Befunden, die in negativer Symptomatik zu Beginn psychotischer Störungen den stärksten

Prädiktor eines ungünstigen Ausgangs fanden (Kay und Lindenmayer 1987).

Anzahl und Art der Episoden während des Nachbeobachtungszeitraums sind keine Prädiktoren,

die für die Prognosestellung nützlich sind, da sie erst im weiteren Verlauf erkennbar werden.

Allerdings ist ein Zusammenhang zwischen im Langzeitverlauf auftretenden Rezidiven und dem

Ausgang der Erkrankung im Hinblick auf ein Verständnis der Pathogenese von Bedeutung. Hier fand

sich für akute vorübergehende Psychosen nur ein schwacher Zusammenhang zwischen der Anzahl

oder Häufigkeit von Rezidiven im Nachbeobachtungszeitraum und dem Langzeitausgang. Lediglich

das Vorkommen einer schizophrenen Episode beeinflusste das globale Funktionsniveau am Ende

ungünstig. Im Gegensatz dazu war bei Patienten aus der PS-Gruppe ein ungünstiger Ausgang sehr

wohl mit der Häufigkeit von Episoden insgesamt assoziiert, ebenso mit dem Auftreten mindestens

einer weiteren schizophrenen Episode. Dieses Ergebnis ist eine weitere Unterstützung der Hypothese,

dass die bei akuten vorübergehenden Psychosen im Langzeitverlauf auftretenden Rezidive in der

Regel nicht zu einer progredienten Verschlechterung führen, was bei schizophrenen Psychosen der

Fall zu sein scheint.

In der Prädiktion der Frühberentung waren von den prämorbiden Parametern Geschlecht und

prämorbide Anpassung ohne erkennbare Bedeutung. Eine spätere Frühberentung wurde lediglich

(statistisch nur im Sinne eines Trends) von einer positiven Familienanamnese für psychotische oder

affektive Erkrankungen vorhergesagt, im Falle der schizophrenen Psychosen auch vom

Nichtvorhandensein eines belastenden Lebensereignisses vor der Indexepisode. Eine positive

Familienanamnese hing bei den PS-Patienten auch mit einem ungünstigen Ausgang zusammen. Eine

spekulative Erklärung für den möglichen Zusammenhang zwischen positiver Familienanamnese und

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Frühberentung könnte auch in psychologischen oder sozialen Aspekten liegen, die die psychotische

Erkrankung eines nahen Angehörigen für den Patienten oder andere Beteiligte hat. So kann die

Tatsache einer schweren chronischen Erkrankung eines Familienangehörigen Ressourcen binden, eine

ungünstige Prognose suggerieren oder – im Falle von dessen Berentung – Modellcharakter haben.

Für akute vorübergehende Psychosen war insbesondere das Auftreten einer affektiven Episode im

Verlauf von Bedeutung, die in den übrigen Analysen jedoch keinen Einfluss auf Parameter der

Erkrankungsschwere hatte. Der Befund ist von Interesse vor dem Hintergrund der Häufigkeit

affektiver Episoden im Verlauf von akuten vorübergehenden Psychosen, die im Rahmen der

diagnostischen Stabilität diskutiert wurde. Der Befund einer prädiktiven Bedeutung depressiver

Episoden für die Frühberentung unterstreicht die große Bedeutung, die affektive Episoden im Verlauf

von akuten vorübergehenden Psychosen besitzen, auch wenn sie keine unmittelbare Wirkung auf die

Krankheitsprogression ausüben.

Berechnungen zur Prädiktion medikationsfreier Stabilität waren nur für die AVP-Gruppe

durchführbar, da keiner der Patienten mit PS am Ende des Nachbeobachtungszeitraums dieses

Kriterium erfüllte. Bemerkenswerterweise konnte kein einziger der bis zum Abschluss der

Indexepisode registrierten Parameter bei den akuten vorübergehenden Psychosen das Erreichen

medikationsfreier Stabilität am Ende des Nachbeobachtungszeitraums vorhersagen. Die Häufigkeit

erneuter Episoden während des Nachbeobachtungszeitraums hatte hingegen, wie zu erwarten, einen

ungünstigen Einfluss. Die kleine Gruppe von Patienten mit psychotischen Erkrankungen, die im

longitudinalen Verlauf auch ohne Medikation in stabiler Remission verbleiben, hat in einer Reihe von

Untersuchungen Beachtung gefunden (Mason et al. 1995, Harrison et al. 2001). Vergleichbare

Untersuchungen zur Prädiktion dieses Merkmals waren nicht aufzufinden, allerdings hat sich in

mehreren Untersuchungen die Prädiktion von Erkrankungsrezidiven als problematisch erwiesen.

Bailer et al. (1996a) konnten in ihrer sehr sorgfältig durchgeführten Mannheimer Verlaufs-

untersuchung an 163 ersterkrankten schizophrenen Patienten keine Prädiktoren für die

Rezidivhäufigkeit finden, obwohl insbesondere die prämorbide Anpassung ein stabiler Prädiktor von

Negativsymptomatik und sozialer Anpassung war. Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kamen auch

Gaebel und Pietzker (1987). Es ist jedoch ein gut bestätigter Befund, dass das Ausmaß der

Rezidivneigung ein relativ stabiles Merkmal psychotischer Erkrankungen ist. Auch die Befunde der

Arbeitsgruppe um Susser sind mit den hier vorgelegten Ergebnissen kompatibel. Susser et al. (1995a,

1998) hatten in mehreren Untersuchungen den Verlauf akuter Psychosen studiert, wobei zu den

Einschlusskriterien Rezidivfreiheit nach der Indexepisode von 6 Monaten bis 24 Monaten gehörte. Ein

hoher Prozentsatz dieser Patienten blieb im Langzeitverlauf ohne Rezidiv. Im Kontext dieser Befunde

lassen die hier erhobenen Ergebnisse folgende Schlussfolgerungen für die Prädiktion eines langfristig

medikationsfrei stabilen Verlaufs zu: Prämorbide Merkmale und Merkmale der Indexepisode sind

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wenig hilfreich bei der Vorhersage, welche Patienten schließlich medikationsfrei stabil sein werden.

Erst die Beobachtung des Verlaufs hilft, jene Untergruppe zu identifizieren, bei der im Langzeitverlauf

ein Absetzen der rezidivprophylaktischen Medikation ohne Verschlechterung möglich ist.

Fazit: Prädiktoren des Verlaufs bei akuten vorübergehenden Psychosen entsprechen überwiegend

bekannten und auch hier bestätigten Prädiktoren des Verlaufs schizophrener Psychosen. Weibliches

Geschlecht und gute prämorbide Anpassung waren die wichtigsten Prädiktoren eines günstigen

Ausgangs hinsichtlich des globalen Funktionsniveaus. Bei akuten vorübergehenden Störungen

prädiziert der Subtyp einer akuten schizophreniformen Störung (F23.2) einen ungünstigeren Ausgang,

allerdings nur in den bivariaten Analysen. Das Auftreten einer schizophrenen Episode im

Nachbeobachtungszeitraum ist bei akuten vorübergehenden Psychosen mit einem ungünstigen

Ausgang korreliert.

5.9 Klinische Implikationen

Die dargestellten Langzeitergebnisse unterstützen eine günstige Prognosestellung bei Patienten, die

die ICD-10-Kriterien einer akuten vorübergehenden Psychose erfüllen. Dieses Ergebnis ist klinisch

bedeutsam. Es ermöglicht, Patienten zu informieren und zu entlasten, die durch das Erlebnis einer

akuten psychotischen Episode oft verstört und verunsichert sind. Allerdings können in Einzelfällen

auch akute vorübergehende Psychosen einen ungünstigen Verlauf nehmen, während ein beträchtlicher

Anteil schizophrener Psychosen einen günstigen Ausgang hat (Modestin et al. 2003). Darüber hinaus

darf das Herausstellen eines prognostischen Unterschieds zwischen akuten vorübergehenden und

schizophrenen Psychosen nicht dazu führen, die mit dem Begriff der Schizophrenie oft noch

verbundene Stigmatisierung zu verstärken (Gaebel et al. 2002a). Unter Berücksichtigung dieser

Limitationen ist die generell günstige Langzeitprognose akuter vorübergehender Psychosen eine für

Patienten wie Behandler wichtige Information.

Weiterhin haben sich männliches Geschlecht und insbesondere eine schlechte prämorbide soziale

Anpassung, die bereits als negative Prädiktoren für den Ausgang schizophrener Psychosen

beschrieben wurden, auch bei akuten vorübergehenden Psychosen als prädiktiv für einen ungünstigen

Langzeitausgang erwiesen. Zusätzlich ist der Subtyp der akuten schizophreniformen psychotischen

Störung (ICD-10 F23.2) mit einer verschlechterten Prognose assoziiert. Auch wenn es sich bei den

Zusammenhängen zwischen Prädiktoren und Ausgangsparametern nur um statistische Beziehungen

handelt, kann die Kenntnis dieser Prädiktoren die Therapieplanung im Einzelfall mit beeinflussen.

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Die hohe Rezidivneigung akuter vorübergehender Psychosen während der ersten zwei Jahre, die nicht

hinter der Rezidivneigung schizophrener Psychosen zurücksteht, hat Konsequenzen für die

pharmakologische und nicht-pharmakologische Nachbetreuung. Zu rechnen ist nicht nur mit erneuten

AVP-Episoden, sondern auch mit affektiven und schizoaffektiven Episoden, in 10-15% auch mit dem

Auftreten schizophrener Episoden. Auch nach einer zeitlich nur kurzen psychotischen Episode sollte

daher die pharmakologische, sozialpsychiatrische und psychotherapeutische Nachbetreuung in den

ersten zwei Jahren so intensiv sein, wie es den Leitlinien für schizophrene Psychosen entspricht.

Die vorliegende Studie ist hinsichtlich der Behandlung rein naturalistisch, d.h. es hat kein Einfluss auf

Art und Dauer einer medikamentösen Rezidivprophylaxe stattgefunden. Es ist daher nicht möglich,

aus den erhobenen Daten Schlussfolgerungen darüber abzuleiten, welche Substanzen in der

Rezidivprophylaxe akuter vorübergehender Psychosen wirksam sind. Die meisten Patienten wurden

mit Antipsychotika behandelt, Stimmungsstabilisatoren kamen nur selten zum Einsatz (Marneros und

Pillmann 2004). Ob die Gabe von Lithium, wie von Perris (1978) für die zykloiden Psychosen

vorgeschlagen, oder eines Antikonvulsivums zur Rezidivprophylaxe akuter vorübergehender

Psychosen geeignet ist, muss bis zum Vorliegen entsprechender Daten offen bleiben.

Mit gewissen Einschränkungen kann aus den Befunden zur medikationsfreien Remission (siehe oben

S. 79) abgeleitet werden, dass bei einer Subgruppe von Patienten mit akuten vorübergehenden

Psychosen im Langzeitverlauf eine befriedigende Remission erreicht werden kann, die auch ohne

medikamentöse Rezidivprophylaxe stabil bleibt. Die immer noch begrenzte Beobachtungszeit lässt es

offen, wie viele der Patienten, die am Ende der Beobachtungszeit nach den von uns benutzten

Kriterien in stabiler Remission sind, später doch noch wieder erkranken. Die Befunde deuten darauf

hin, dass der Anteil langfristig remittierter Patienten bei akuten vorübergehenden Psychosen größer ist

als bei der Schizophrenie. Erst kontrollierte Therapiestudien werden definitiv klären können, in

welchem Umfang und in welcher Weise die Rezidivprophylaxe bei akuten vorübergehenden

Psychosen durchgeführt werden sollte.

Fazit: Klinische Implikationen ergeben sich u.a. aus der im Ganzen günstigen Prognose akuter

vorübergehender Psychosen, aus dem hohen Rezidivrisiko in den ersten zwei Jahren und aus dem

Risiko für affektive und schizoaffektive Psychosen im Verlauf. Therapeutische Schlussfolgerungen,

insbesondere für die Langzeitbehandlung, sind wegen des naturalistischen Charakters der Studie nur

unter Vorbehalt möglich.

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5.10 Überlegungen zum psychotischen Kontinuum

Die Bedeutung von Kategorien und Kontinua in der Auffassung psychotischer und affektiver

Störungen wurde oben (S. 10) dargestellt. Hier ist nun zu diskutieren, welche Konsequenzen die

Befunde der vorliegenden Studie im Kontext relevanter anderer Untersuchungen für das Verständnis

akuter vorübergehender Psychosen unter speziell diesem Aspekt haben, d.h. inwiefern akute

vorübergehende Psychosen als nosologische Einheit oder als Teile eines Kontinuums konzipiert

werden sollten. Dabei ist zunächst festzustellen, dass akute vorübergehende Psychosen als Typus

psychotischer Erkrankungen als hinreichend gesichert gelten können. Die Kombination aus akutem

Beginn, oft polymorpher Symptomatik, begrenzter Dauer und fehlender Einbettung in einen

schleichenden Deteriorationsprozess, der vielfach postuliert wurde, konnte durch die vorliegende

Untersuchung bestätigt werden. Die Befunde zur medikationsfreien Stabilität im longitudinalen

Verlauf bestätigen auch die klinisch-pragmatische Bedeutsamkeit der Diagnose einer akuten

vorübergehenden Psychose.

Stellt man hingegen die Frage, ob die vorliegenden Daten über die Annahme eines Typus hinaus das

Vorliegen einer klaren nosologischen Einheit mit scharfen Grenzen zu anderen Psychosen, absoluter

longitudinaler Stabilität und spezifischen ätiologischen, genetischen und demographischen

Charakteristika nahe legen, kommt man zu einem negativen Ergebnis. Die longitudinale Stabilität der

Diagnose einer akuten vorübergehenden Psychose ist nicht absolut, vielmehr kommt in der Mehrzahl

der Fälle syndromaler Wechsel vor – ohne dass allein damit die prinzipiell günstige prognostische

Bedeutung der Diagnose „akute vorübergehende Psychose“ aufgehoben wird (vgl. auch Singh et al.

2004). Die Analyse der Prädiktoren zeigte, dass es kaum diagnosespezifische Prädiktoren für den

Verlauf von akuten vorübergehenden Psychosen und schizophrenen Psychosen gibt, sondern dass

Gemeinsamkeiten überwiegen.

Dies gilt auch für die ausgeprägten Geschlechterdifferenzen mit starkem Überwiegen des weiblichen

Geschlechts bei den akuten vorübergehenden Psychosen. Obwohl das ungewöhnliche

Geschlechterverhältnis ein validierendes Merkmal für die typologische Kategorie der akuten

vorübergehenden Psychosen ist, spiegelt sich darin offenbar auch eine generelle Eigenschaft des

Kontinuums psychotischer Erkrankungen wider, denn die prädiktive Bedeutung des Geschlechts ist

nicht diagnosespezifisch (Navarro et al. 1996, Leung und Chue 2000, Maric et al. 2003). In der

Gesamtheit psychotisch Erkrankter erhöht weibliches Geschlecht die Wahrscheinlichkeit, diagnostisch

zur Gruppe der akuten vorübergehenden Psychosen zu gehören und damit an einer statistisch

günstigeren Prognose teilzuhaben. Unabhängig davon ist sowohl innerhalb der akuten

vorübergehenden Psychosen als auch innerhalb der schizophrenen Psychosen weibliches Geschlecht

mit einer günstigeren Prognose assoziiert.

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Van Os et al. (1996) untersuchten Prädiktoren des Ausgangs bei 166 stationär behandelten Patienten

mit nicht-organischen psychotischen Störungen. Ohne kategoriale Diagnosen zu berücksichtigen,

identifizierten die Autoren mit faktorenanalytischen Methoden psychopathologische Syndrome, deren

Zusammenhang mit verschiedenen Dimensionen des Ausgangs sie dann untersuchten. Es fand sich

u.a. eine robuste Assoziation zwischen einem frühen und schleichenden Beginn, anfänglicher

affektiver Verflachung, männlichem Geschlecht, ledigem Partnerschaftsstatus und einem ungünstigen

Ausgang. Ein anderes Syndrom war durch Positivsymptomatik und einen weniger ungünstigen

Ausgang gekennzeichnet. Die so identifizierten dimensionalen Syndrome konnten den Ausgang besser

vorhersagen als diagnostische Kategorien nach ICD-10 oder DSM-IV.

Es liegt nahe, die diagnostischen Gruppen der vorliegenden Untersuchung mit den syndromalen

Dimensionen der Untersuchung von van Os et al. (1996) in Verbindung zu bringen. Dadurch bestätigt

sich die Feststellung, dass kategoriale und dimensionale Beschreibungen des gleichen

Phänomenbereichs äquivalent sein können. Ob es in absehbarer Zeit gelingen wird, dimensionale

Konzepte für die klinische Anwendung zu entwickeln, die die bisherige kategoriale Diagnostik

ergänzen oder gar ablösen können, ist jedoch unklar. Bis zum Vorliegen eines praktikablen

dimensionalen Diagnosesystems ist die kategoriale Unterscheidung akuter vorübergehender und

schizophrener Psychosen die beste verfügbare Option.

Fazit: Die Frage, ob diagnostische Kategorien oder der Begriff des Kontinuums (bzw. einer oder

mehrerer Spektren) die Realität psychotischer Erkrankungen zutreffender beschreiben, stellt eine

Scheinalternative auf. Die vorliegende Untersuchung bestätigt die auch von anderen Autoren

getroffene Feststellung, dass sowohl kategoriale als auch dimensionale Konzepte gültige und einander

äquivalente Beschreibungen desselben Phänomenbereichs darstellen können. Speziell für den Bereich

der akuten vorübergehenden Psychosen sind syndromale Instabilität im Verlauf, Willkürlichkeit der

diagnostischen Grenzen, genetische und klinische Beziehungen zu anderen Erkrankungsformen und

schließlich diagnoseübergreifende Prädiktoren unabweisbare Argumente, die gegen ein striktes

Modell der Krankheitseinheit und für eine Kontinuität mit anderen Erkrankungen der schizophrenen

und affektiven Spektren sprechen. Als Typus jedoch hat sich die diagnostische Kategorie der akuten

vorübergehenden Psychosen, so wie sie in der ICD-10 operationalisiert ist, in der vorliegenden

Untersuchung im Hinblick auf den Langzeitverlauf als valide erwiesen.

5.11 Interpretation der Ergebnisse im Rahmen pathogenetischer Konzepte

Am Ende dieser Arbeit soll auf die in der Einleitung aufgeworfene Frage zurückgekommen werden,

ob akute vorübergehende Psychosen Hinweise auf eine pathogenetische Heterogenität psychotischer

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Erkrankungen geben. Die vorgelegten Daten können hierzu nur indirekte Hinweise geben, da

biologische Parameter im Rahmen der HASBAP nicht systematisch untersucht wurden. Eine

Interpretation ist nur im Kontext anderer Untersuchungen sinnvoll, um Überinterpretationen klinischer

Daten zu vermeiden. Unter Berücksichtigung dieses Caveats lässt sich gleichwohl feststellen, dass die

Differenzen in prämorbidem Status, im longitudinalen Verlauf und im Ausgang, die, wie in der

vorliegenden Studie gezeigt wurde, zwischen akuten vorübergehenden und schizophrenen Psychosen

bestehen, auch als Hinweis auf Unterschiede in den hauptsächlich wirksamen pathogenetischen

Mechanismen gewertet werden können.

Der klinische Verlauf bei den Kontrollen mit positiver Schizophrenie spiegelt das Bild wider, das sich

aus zahlreichen Verlaufsuntersuchungen schizophrener Psychosen ergibt, und das derzeit am besten

durch ein modifiziertes Modell der neuronalen Entwicklungsstörung (neurodevelopmental disorder)

erklärt werden kann: (1) eine früh in der Ontogenese gelegte Basis der Störung, die sich unter anderem

in einem reduzierten prämorbiden Anpassungsniveau ausdrückt, (2) eine allmähliche Entwicklung

kognitiver, psychopathologischer und sozialer Beeinträchtigungen meist Jahre vor der syndromalen

Erstmanifestation, so dass ein großer Teil der später als „persistierende Alterationen“ fassbaren

Defizite schon im Rahmen der Ersterkrankung nachweisbar ist, (3) ein nur noch begrenztes

Fortschreiten der Erkrankung im weiteren Verlauf, das durch interindividuelle Schwankungen des

Verlaufs und initial auch oft durch einen länger gehenden Erholungsprozess im Anschluss an die

Erstmanifestation überlagert wird (Bullmore et al. 1997, Woods 1998, McGrath et al. 2003). In den

Daten der vorliegenden Studie wird eine solche Interpretation gestützt u.a. durch die reduzierte

prämorbide Anpassung der schizophrenen Patienten und die bereits früh im Verlauf sehr deutlichen,

dann nur noch in geringerem Umfang progredienten Funktionsbeeinträchtigungen. Nach diesem

Kenntnisstand zum Verlauf schizophrener Psychosen im Längsschnitt ist es nicht mehr möglich,

persistierende psychopathologische und kognitive Beeinträchtigungen bei schizophrenen Psychosen

als bloße Folge einer abgelaufenen akuten produktiv-psychotischen Episode zu sehen. Vielmehr

erscheinen sowohl negative als auch positive Symptomatik der Schizophrenie als Folge eines

zugrunde liegenden pathologischen neuronalen Prozesses, der derzeit nur in grober Annäherung als

aberrante Konnektivität neuronaler Netzwerke beschrieben werden kann (Bullmore et al. 1997,

Andreasen et al. 1999). Unklar ist derzeit, ob die produktive Symptomatik selbst (wie von der

„Toxizitäts-Hypothese“ postuliert) den Prozess der irreversiblen Schädigung neuronaler Netzwerke

vorantreiben kann, oder ob sie ein bloßes Epiphänomen dieses Prozesses ist (Weinberger und McClure

2002). Weitgehend konsistent zeigt jedoch die Forschung zum Frühverlauf schizophrener Psychosen,

dass im typischen Fall uncharakteristische Krankheitssymptome Jahre vor der klinischen

Erstmanifestation vorhanden sind und auch produktiv-psychotische Symptomatik sich in der Regel

über Monate entwickelt (Häfner et al. 1999).

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Im Vergleich zu den schizophrenen Kontrollen war die prämorbide Anpassung der Patienten mit

akuten vorübergehenden Psychosen besser und es war nicht nur eine weitgehende Wiederherstellung

des Funktionsniveaus nach der akuten Episode zu verzeichnen, sondern auch im Langzeitverlauf eine

überwiegende Stabilität des erreichten Niveaus ohne Hinweise auf eine Progredienz.

Definitionsgemäß war der Beginn der produktiv-psychotischen Symptomatik akut, d.h. er erfolgte

innerhalb von längstens zwei Wochen, nicht selten sogar innerhalb von 48 Stunden. In der Episode ist

die Symptomatik häufig auf charakteristische Weise „polymorph“, d.h. durch rasch wechselnde

Symptomatik und rasch wechselnde Wahninhalte geprägt. Ein Fehlen dieses polymorphen

Erscheinungsbildes ist in longitudinaler Sicht ein Prädiktor eines weniger günstigen Verlaufs. Die

genannten Merkmale begründen Zweifel daran, dass akute vorübergehende Psychosen in gleicher

Weise mit einer neuronalen Entwicklungsstörung in Verbindung stehen wie es für schizophrene

Psychosen postuliert wird. Sie sprechen vielmehr für eine Heterogenität psychotischer Erkrankungen,

die auch andersartige Mechanismen für die Entstehung produktiv-psychotischer Symptomatik möglich

erscheinen lässt (Murray et al. 1992, MacCabe et al. 2002). Ein Hinweis auf die Natur dieser

Mechanismen kann in der Nähe zu affektiven Erkrankungen liegen, die akute vorübergehende

Psychosen nach Genetik, Klinik und Verlauf aufweisen (Marneros et al. 2002a). Weibliches

Geschlecht scheint einen Schutzfaktor im Hinblick auf die irreversible Schädigung neuronaler

Netzwerke darzustellen, wobei dieser Effekt nach Häfner et al. zum Teil über Östrogene vermittelt

wird (Häfner et al. 1993). Konsistent mit dieser Auffassung ist die Tatsache, dass männliche Kinder

und Jugendliche eine erhöhte Vulnerabilität für eine Reihe von Störungsbildern aufweisen, die

wiederum als neuronale Entwicklungsstörungen aufgefasst werden (Volkmar et al. 1993).

Der teilweise spekulative Charakter der vorstehenden Überlegungen ist Ausdruck unserer gegenwärtig

noch sehr unzureichenden Kenntnisse der pathogenetischen Grundlagen psychotischer Erkrankungen.

Gerade dieser Bereich ist jedoch von einer Flut neuer Befunde und Erkenntnisse geprägt. Zweifellos

werden zukünftig neuropsychologische, bildgebende, physiologische und genetische Untersuchungen

helfen, die pathogenetischen Modelle weiter zu modifizieren und zu differenzieren. Viele dieser

Untersuchungen sind derzeit noch Querschnittsuntersuchungen an klinisch unzureichend

charakterisierten Stichproben schizophrener Patienten einer meist weiten Krankheitsdefinition. Die

Aussagekraft dieser Untersuchungen wird sich erhöhen, wenn sie klinische und psychopathologische

Zustands- und Verlaufsparameter integrieren, den longitudinalen Aspekt berücksichtigen und der

klinischen Heterogenität psychotischer Erkrankungen Rechnung tragen. Akute vorübergehende

Psychosen sind unter diesem Gesichtspunkt ein Modellfall.

Fazit: Die Ergebnisse des Studiums akuter vorübergehender Psychosen sprechen für eine

Heterogenität pathogenetischer Mechanismen im Bereich der psychotischen Erkrankungen. Die

Existenz psychotischer Erkrankungen, die trotz dramatischer produktiver Symptomatik in der akuten

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Episode und trotz eines rezidivierenden Verlaufs in vielfacher Hinsicht Unterschiede zu der Mehrzahl

streng definierter schizophrener Psychosen aufweisen, legt die Schlussfolgerung nahe, dass es auch

unterschiedliche pathogenetische Mechanismen sind, die innerhalb und außerhalb der akuten

Episoden den Krankheitsprozess bei akuten vorübergehenden Psychosen und Schizophrenie

bestimmen. Die weitere Erforschung dieser Mechanismen erfordert die Kombination klinischer,

neuropsychologischer, morphologischer, physiologischer und genetischer Untersuchungsmethoden im

Rahmen longitudinaler Untersuchungen. Die Befunde zu akuten vorübergehenden Psychosen zeigen,

dass solche Untersuchungen mehr als bisher die klinische Heterogenität psychotischer Erkrankungen

berücksichtigen sollten.

5.12 Weiterer Forschungsbedarf

Die vorliegende Studie bestätigt die Bedeutung, die der longitudinale Aspekt für das Verständnis

psychotischer und affektiver Störungen hat. Phänomene wie syndromale Instabilität oder langsam

verlaufende Ameliorations- bzw. Deteriorationsprozesse zeigen die Grenzen reiner Querschnitts-

untersuchungen und kurzfristig konzipierter Verlaufsuntersuchungen auf. Gefordert sind also

Langzeitstudien mit multiplen Follow-up-Punkten. Anders als es in der vorliegenden Untersuchung

möglich war, sollten diese Studien auch biologische Parameter erfassen, die u.a. mit den Methoden der

Neuropsychologie, der Bildgebung und der Genetik erhoben werden. Auch eine Erfassung früh im

Verlauf, idealerweise sogar Jahre vor der syndromalen Erstmanifestation, ist wünschenswert.

Verlaufsuntersuchungen mit multiplen Messzeitpunkten und multiplen Messebenen können auch

Hinweise auf kausale Wirkrichtungen geben, wo der bloße Nachweis korrelativer Zusammenhänge die

Frage der Kausalität offen lässt und wo ein experimentelles Design nicht möglich ist.

Der methodische, organisatorische, personelle, finanzielle und eben zeitliche Aufwand zur

Durchführung langfristig angelegter prospektiver Untersuchungen ist beträchtlich. Dennoch sind in

den letzten Jahren eine Reihe von Untersuchungen in diesem Sinne begonnen worden, teils im

Rahmen von Kohorten ersterkrankter Patienten, teils im Rahmen von Früherkennungsstudien (z.B.

Gupta et al. 1997). Die Ergebnisse der vorliegenden Studie (und mehr noch ihre Limitationen)

unterstützen die Notwendigkeit, solche Studien tatsächlich langfristig aufrechtzuerhalten. Darüber

hinaus ergibt sich für die Konzeption und die Auswertung solcher Studien die Forderung, die

Heterogenität psychotischer Störungen zu berücksichtigen. Das Konzept der akuten vorübergehenden

Störungen kann dabei ein wichtiger Baustein sein. Zukünftige longitudinale Forschung wird weiteren

Aufschluss darüber geben, inwieweit die diagnostischen Grenzen dieses Konzepts der Modifikation

bedürfen.