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Abhängig von ihrem Alter haben Kinder ein sehr unter-schiedliches Verständnis von Freundschaft. Die ersten Freunde eines Kindes sind Kinder, mit denen es gerade gut spielt oder die es öfter sieht; auch jemand, der einem et-was schenkt, wird als Freund angesehen. Die Gestaltung der sozialen Kontakte ist eng mit der Entwicklung eines Kindes verknüpft. Der folgende Beitrag zeigt auf, warum das so ist und welche Voraussetzungen außerdem für ge-lingende Freundschaften notwendig sind.

Hedi Friedrich

Erste KontaktaufnahmenSchon Babys nehmen sich gegenseitig als Personen wahr und sind an einem Kontakt interessiert. Zunächst erkunden sie sich gegenseitig mit der gleichen Neugier, mit der sie auch ihre restliche Umgebung erforschen. Und wenn sie auch nur nebeneinander spielen, ohne sich aufeinander zu beziehen, fördert das gemeinsame Interesse an bestimmten Gegenständen den Kontakt zwischen ihnen. Sie reichen sich Dinge hin und her („Geben-Nehmen-Spiele“), berühren sich, lächeln sich an, ahmen einander nach oder „unterhal-ten“ sich mit Tönen (Rubin 1981). Eine solche Kontaktaufnah-me ähnelt dem, was sie aus der Beziehung mit den Erwach-senen kennen.

Besonders die Erfahrungen von Sicherheit und Geborgen-heit in der Beziehung zur Mutter und zu den wichtigsten Bezugspersonen schaffen gute Voraussetzungen, um sich auf das Abenteuer der Begegnung mit anderen Kindern einlassen zu können. Denn ein anderes Kind ist im Ver-gleich zu den einfühlsamen Eltern oder dem geliebten Ku-scheltier viel unberechenbarer in seinen Reaktionen.

Notwendige FähigkeitenDie Gestaltung von sozialen Kontakten bis hin zu Freund-schaften ist eng mit der sozialen, emotionalen, motori-schen, geistigen und sprachlichen Entwicklung eines Kindes verknüpft. Eine andere Person wahrzunehmen und sie zu verstehen, erfordert eine ganze Reihe von Fähigkeiten, die ein Kind erst allmählich erwirbt.

Die früheste Unterscheidung zwischen Personen, die ein Kind treffen kann, ist die zwischen vertrauten und nicht vertrauten Menschen. Als Nächstes lernt es, seine Bezugs-personen zu unterscheiden und sie zu benennen. Schließ-lich werden einzelne Merkmale anderer Personen immer feiner und genauer wahrgenommen. Dazu gehören im Ver-lauf der Entwicklung im Vorschulalter, Altersdifferenzen nach Gesichtszügen festzustellen sowie das Geschlecht nach Kleidung, Haaren und den primären Geschlechtsmerk-malen beurteilen zu lernen. Diese Unterscheidungen tref-fen zu können, ist logischerweise auch die Voraussetzung dafür, sich Spielpartner und Freunde des gleichen Ge-schlechts auszuwählen. Manche Kinder legen sich hier früher fest als andere.

Wir sind Freunde!

Über die Entwicklung von Freundschaften zwischen

Kindern

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Ab etwa dem dritten Lebensjahr verläuft die Denkentwick-lung vom anschaulichen, selbstzentrierten Denken hin zum abstrakten Denken und damit auch zum tieferen Verständ-nis von Begriffen wie „Freundschaft“ und „Liebe“.

Die Bedeutung sozialer Kontakte für die kindliche EntwicklungDer Umgang mit anderen Kindern bietet einem Kind eine Fülle ganz anderer Erfahrungen, als es die Beziehungen zu seinen erwachsenen Bezugspersonen tun. Kinder erleben im Umgang miteinander Freude und Enttäuschung, Zunei-gung und Ablehnung – und dies manchmal in schnellem Wechsel. Sie müssen sich im Kontakt mit anderen Kindern genauer mitteilen, denn diese sind nicht so verständnisvoll wie Eltern und Erzieherinnen. In der Beziehung mit gleich-altrigen, kleineren oder größeren Spielgefährten können sich die Kinder vergleichen, was für ihre Selbstbewertung und die Entwicklung ihres Selbstbildes wichtig ist.

Rollenspiele sind z. B. ein gutes Übungsfeld für die Gestal-tung von Kontakten und Beziehungen. Rollen werden näm-lich abgesprochen und diskutiert; die Kinder sprechen sich ab über die Situation, aber sie müssen in der Situation ko-

operieren und – was von großer Bedeutung ist – sie müssen sich in andere Mitspieler hineinversetzen und also lernen, die Umwelt aus der Perspektive eines anderen Menschen heraus zu betrachten. Kinder erfahren auf diese Weise, dass ihre Mitspieler andere Gefühle und Gedanken haben als sie selbst. Diese Fähigkeit ist sehr wichtig, um andere Men-schen in ihrem Denken und Handeln zu verstehen und sich auf sie einstellen zu können. Sich in die Spielpartner eindenken und einfühlen zu kön-nen, trägt sehr viel zu der Entstehung von Nähe und Freundschaften bei. So üben Kinder im Miteinander, sich auf die (Spiel-)Wünsche anderer einzustellen; sie üben aber auch, sich zu behaupten, sich durchzusetzen und sich zu wehren.

Freundschaften im VorschulalterGemeinsames Spielen im Vorschulalter bietet zahllose Mög-lichkeiten zur Kontaktaufnahme und Kommunikation. Kin-der tauschen Gegenstände oder streiten sich um den Besitz von etwas, das man nur alleine handhaben kann. Ein Freund ist jemand, „der mit mir spielt“. Schon nach zehn Minuten kann es anders aussehen: „Der ist nicht mehr mein Freund, der ist gemein, der hat mir den Teller genommen!“ Wenn es also Streit gibt oder ein Kind das Interesse am ge-meinsamen Tun verliert, können diese Freundschaften sehr schnell aufgekündigt werden.

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Wichtig ist in diesem Alter für eine Freundschaft, dass bei-de Kinder das Gleiche tun wollen. Und jemand, der sein Rädchen verleiht, seinen Keks teilt oder tröstet, wird eher als „Freund“ bezeichnet als jemand, der zuschlägt oder ei-nem das Spielzeug aus der Hand reißt und damit wegrennt. Freunde werden während des Vorschulalters immer wichti-ger. „Freund sein“ heißt jetzt, einander gut zu kennen und sich gegenseitig zu akzeptieren – mit allen Ängsten, Stär-ken und Schwächen.

Freundschaften zwischen älteren und jüngeren KindernInteressant sind für Kinder nicht nur Gleichaltrige, sondern durchaus auch jüngere oder ältere Kinder. Von älteren Kin-dern lässt sich leichter etwas annehmen als von Erwachse-nen. Ältere Kinder sind außerdem näher an den Erfahrun-gen der jüngeren dran und können deswegen manches besser verstehen. Und sie können oft schwierige Zusam-menhänge einfacher und einleuchtender erklären. Die jün-geren Kinder ahmen gerne ältere nach und können bei ih-nen sehen, wie ihre eigene Entwicklung verlaufen wird. Ältere können sich überlegen fühlen, wenn sie den Jünge-ren helfen. Auf diese Weise lernen sie auch, Verantwortung zu übernehmen, ihre Hilfsbereitschaft und Fürsorglichkeit wird bestärkt.

„Wie sich ein Kind selbst sieht, beeinflusst die Entwicklung seiner sozialen Fertigkeiten.“

Es gibt immer wieder Freundschaften zwischen älteren und jüngeren Kindern, die über einen längeren Zeitraum hin-weg bestehen und von beiden Seiten gewünscht und ge-pflegt werden. Diese Kinder nehmen gegenseitig Anteil an der Entwicklung und an den Erfahrungen des anderen, trösten sich und tauschen sich aus. In einer solchen Bezie-hung kann das ältere Kind manchmal für einige Momente wieder jünger sein und etwas genießen, was es sich im Zu-sammensein mit Gleichaltrigen niemals mehr erlauben wür-de. Und das jüngere Kind darf in Begleitung des älteren Freundes etwas erleben, was nur die Größeren dürfen.

Allerdings kann es auch eine Reihe von Problemen in Bezie-hungen zwischen Kindern unterschiedlichen Alters geben: Ältere hänseln und ärgern Jüngere manchmal und kehren ihre Überlegenheit heraus. Ältere können jüngere Kinder

auch zu Handlungen anstiften, die die Jüngeren noch nicht in ihren Konsequenzen überschauen können; oder sie be-einflussen die Jüngeren sozial in eine Richtung, die bei den Erwachsenen Sorgen hervorrufen.

Selbstbild und Freundschaft Wie sich ein Kind selbst sieht, beeinflusst auch die Entwick-lung seiner sozialen Fertigkeiten. Ein Kind, welches seine ei-genen Bedürfnisse wahrnehmen und ausdrücken kann, be-gegnet anderen Kindern mit einer ganz anderen Einstellung als ein unsicheres Kind. Untersuchungen haben festgestellt, dass selbstbewusste Kinder beliebter sind und häufiger als Spielpartner und Freunde ausgewählt werden. Selbstsichere Kinder interpretieren Kontaktversuche ande-rer positiv und reagieren so, dass ein gemeinsames Spiel zu-stande kommt; sie entwickeln gute Ideen und sind selbst-ständiger und kreativer im Lösen von Konflikten. Selbstsichere Kinder können bitten, helfen, trösten, auf die Wünsche anderer eingehen, sich verteidigen und auch Zu-rückweisungen verkraften – was selbstunsicheren Kindern eher schwerfällt.

Unsichere Kinder empfinden viel schneller ein Wort, einen Blick oder eine Geste als Angriff und fühlen sich schnell in ihrer gesamten Person betroffen. Sie reagieren dann eher abwehrend, hilflos, mit Rückzug oder aggressiv, sie lachen andere aus, zerstören deren Spiel oder wollen bestimmen. Ihre bisherigen sozialen Beziehungserfahrungen haben die-se Kinder verunsichert, und das erschwert es ihnen, Kon-takte aufzunehmen. Ihnen fehlt die Geschicklichkeit im Umgang mit anderen Kindern. Selbst wenn ihr Repertoire an Verhaltensweisen, die bei anderen Kindern „gut ankom-men“ nicht unbedingt geringer ist als bei selbstbewussten Kindern, gelingt es ihnen schwerer, sie der Situation gemäß anzuwenden.

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So der Junge, der interessiert auf andere Kinder zugeht und sie freundlich anspricht, aber nicht merkt, dass er sie mitten im Spiel unterbricht. Ihre daraufhin unwillige Reak-tion erlebt er als Ausschluss und Zurückweisung. Sein Selbstvertrauen leidet unter dieser Erfahrung.

Unsichere Kinder brauchen die Unterstützung der Erziehe-rinnen, um Selbstvertrauen zu entwickeln – indem sie not-wendige Fähigkeiten für eine gelingende Kontaktaufnah-me erlernen. Das kann z. B. mithilfe von Hinweisen funktionieren: „Ich habe eine Idee, wie du das anstellen könntest … Magst du mal hören? Du kannst …“ Auf diese Weise können Kinder z. B. lernen, eine Situation einzu-schätzen, bevor sie handeln. Mit einer liebevollen Hilfestel-lung geraten manche Kinder seltener in einen Teufelskreis von negativen Erfahrungen, die ihnen ihr unzulängliches Selbstbild bestätigen und ihre Lernmöglichkeiten ein-schränken. Erleben diese Kinder in der Beziehung zu den Erzieherinnen Schutz, Verlässlichkeit, Verständnis, Wert-schätzung und Anleitung, dann kann das die Entwicklung ihrer sozialen Fähigkeiten anregen und fördern.

„Die Dauer einer Freundschaft ist nicht immer ein Indiz für die darin vorkommende

Nähe und Intensität.“

Viele zusätzliche äußere Umstände können die Entstehung von Freundschaften begünstigen oder behindern: So kön-nen z. B. ausreichende Möglichkeiten, andere Kinder ken-nenzulernen und sie häufiger über einen längeren Zeit-raum hinweg zu sehen, die Entstehung von Freundschaften unterstützen. Ebenso das elterliche Vorbild – wie diese z. B. Freundschaften pflegen. Auch Faktoren wie Geschwisterer-fahrungen, das soziale und kulturelle Umfeld sowie Medien – Bücher oder Filme – beeinflussen soziale Kontaktfertig-keiten und die Vorstellungen, die ein Kind von Freund-schaft entwickelt. Das alles sind Lern- und Orientierungs-möglichkeiten für die Kinder.

Freundschaft und Gruppen Gruppen bieten eine Fülle von Lernerfahrungen, positive wie negative. Die Rollen und Positionen in einer Gruppe sind bereits im Kindergartenalltag wichtig. Das Gefühl da-zuzugehören, spielt eine große Rolle für die Identitätsent-wicklung eines Kindes – umso intensiver, je älter das Kind ist. Erzieherinnen, die Kinder darin unterstützen wollen, dazuzugehören, müssen deshalb nicht nur genau beobach-

ten, wie ein Kind Kontaktversuche gestaltet, sondern es auch dabei unterstützen, eine positive Rolle in der Gemein-schaft zu finden. Dies heißt manchmal auch, die eigene Ein-stellung und das eigene Verhalten zu überdenken, denn Kinder werden auch mitunter durch wertende Äußerungen von Erwachsenen auf bestimmte Rollen festgelegt – mit weitreichenden Konsequenzen. Ergibt sich im Austausch zwischen den Bezugspersonen, dass ein Kind Unterstützung braucht, um Freunde zu finden und sich in einer Gemeinschaft zurechtzufinden, helfen Fra-gen weiter wie:

ßß Welche Unterstützung und welche Ermunterung fehlen dem Kind?ßß Welche Strategien hat ein Kind entwickelt, um negative Aufmerksamkeit zu erreichen?ßß Wie ist meine eigene Einstellung gegenüber dem Kind?

Wie viele Freunde ein Kind braucht, lässt sich nicht in eine Norm fassen. Wenn ein Kind jedoch ständig wechselnde „Freundschaften“ hat oder gar keine Freunde, dann kann es notwendig sein, genauer hinzuschauen, ob es ein Prob-lem gibt bzw. welche Hilfen das Kind braucht. Je älter die Kinder sind, desto eher ist es möglich, dies mit ihnen selbst zu besprechen. Aber auch jüngere Kinder sind oft schon sehr gut in der Lage, sich dazu zu äußern, wenn ihnen je-mand mit Interesse zuhört und sie Vertrauen zu dem Er-wachsenen haben.

Auch wenn in der Vorschulzeit Freundschaften noch häufig ohne Dramatik wechseln, beginnen manche Freundschaf-ten schon sehr früh und dauern lange, warum weiß man nicht genau. Bisher hat man lediglich einige Bedingungen herausgefunden, die stabile Freundschaften begünstigen: Wenn die Kinder besonders bindungsfähig sind und sich gut auf andere einstellen können, sich gegenseitig bei der Gegenwartsbewältigung unterstützen und sich ganz ein-fach mögen. Die Dauer einer Freundschaft ist aber nicht im-mer ein Indiz für die darin vorkommende Nähe und Intensi-tät. Manche Freundschaften können sehr eng sein, auch wenn sie nicht lange dauern, andere halten ein Leben lang.

Hedi Friedrich, Psychologische Psychotherapeutin, Kinder- und Ju-

gendlichenpsychotherapeutin, Frankfurt

Literatur

Friedrich, H.: Beziehungen zu Kindern gestalten. Cornelsen Verlag

2008 (Neuauflage erscheint im Frühjahr 2014)

Rubin, Z.: Kinderfreundschaften. Klett Verlag 1981

Wagner, J.: Kinderfreundschaften. Springer Verlag 1994

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