60 Jahre Bundeswehr im Münsterland...

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1 VdRBw Kreisgruppe Münster 60 Jahre Bundeswehr im Münsterland 1955-2015 Autor: Jürgen Dreifke Kreisbeauftragter Sicherheitspolitik Reservistenverband Münster Manuskript auf der Grundlage eines Vortrages zum sicherheitspolitischen Seminar des Reservistenverbandes Kreisgruppe Münster in der Akademie Biggesee 7.-8.11.2015

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VdRBw Kreisgruppe Münster

60 Jahre Bundeswehr im Münsterland

1955-2015

Autor: Jürgen Dreifke Kreisbeauftragter Sicherheitspolitik Reservistenverband Münster

Manuskript auf der Grundlage eines Vortrages zum sicherheitspolitischen Seminar des Reservistenverbandes Kreisgruppe Münster in der Akademie Biggesee 7.-8.11.2015

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Einführung

In der Regel befassen wir uns in der sicherheitspolitischen Arbeit mit der Zukunftsentwicklung unserer Streitkräfte. Diesmal soll ein Beitrag zur Traditionspflege geleistet werden. Die Rolle der Streitkräfte bei der Bewahrung von Frieden durch Verteidigungsfähigkeit wird heute in der „Zivilgesellschaft“ wenig erinnert, Wer, wenn nicht die Reservisten, sollten zur Pflege dieser Tradition verpflichtet sein. Die Informationskompetenz von Reservisten ist gefragt. Oft werden in der Öffentlichkeit Fragen nach der „Bundeswehr damals“ gestellt. Die Wiederentdeckung der Landes- und Bündnisverteidigung lässt alte Strukturen in neuem Licht erscheinen und macht sie wieder interessant. Die Aufrechterhaltung von Frieden und äußerer Sicherheit gehört zu den elementaren Aufgaben einer staatlichen Ordnung und setzt umfangreiche Mittel und Maßnahmen voraus. Die Politik und Gesellschaft waren nicht ohne Kontroversen zu dem Thema, aber bei der Mehrheit herrschte immer Konsens, dass zur Friedenswahrung auch militärische Vorbereitungen gehören. Die Bundesrepublik lag für ca. vier Jahrzehnte an der Nahtstelle der Blöcke und beherbergte ca. 900.000 aktive Soldaten auf ihrem Territorium, deren Zahl sich in einem Spannungs- und Kriegsfall wohl mehr als verdoppelt hätte. Der Betrieb und die Ausbildung einer derartigen Streitmacht konnte und sollte vor den Augen der Öffentlichkeit nicht verborgen bleiben, was in der Gegenwart nicht mehr selbstverständlich ist. Im Friedensalltag und beim Übungsbetrieb waren ständig Soldaten auf öffentlichen Straßen und im Gelände unterwegs. Das Münsterland lag nicht an der vorderen Grenze des potentiellen Verteidigungsraums, bildete aber mit den benachbarten rheinischen Regionen eine wichtige Verbindungszone und beherbergte zahlreiche deutsche und alliierte Truppenteile und militärische Infrastruktur. So berichteten die Medien und öffentlichen Bekanntmachungen regelmäßig über militärische Übungsaktivitäten, die heute Geschichte sind und deshalb auch einmal Gegenstand lokalgeschichtlicher Betrachtungen sein sollten. Die vorliegende Betrachtung stützt sich auf eine Vielzahl von eigenen Beobachtungen und ausgewerteten Quellen in Monographien, Truppenchroniken, Zeitungen und Zeitschriften. Das Bild- und Kartenmaterial ist vorwiegend eigener Herkunft. Dabei wurde den eigenen Fotos, die oft als Schnappschüsse ohne Publikationsabsicht entstanden sind, der Vorzug vor professionelleren Aufnahmen aus fremden Quellen gegeben.

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Politischer und militärischer Hintergrund Im Jahre 1955 trat die Bundesrepublik Deutschland dem westlichen Verteidigungsbündnis der NATO bei und begann wieder mit der Aufstellung eigener Streitkräfte. In den unmittelbaren Jahren nach dem Ende von Krieg und Diktatur hätte wohl kaum jemand diese Entwicklung vorhergesehen. Im Rückblick erscheint dieser Weg aber folgerichtig gewesen zu sein. Die Koalition der Westmächte mit der Sowjetunion war angesichts unüberbrückbarer gesellschaftlicher und politischer Gegensätze schnell zerbrochen. Die Sicherheitslage der jungen Bundesrepublik war angesichts der konventionell weit überlegenen Kräfte des Warschauer Paktes sehr kritisch geworden und trotz aller Vorbehalte im In- und Ausland erschien ein deutscher Beitrag zur Verteidigung Westeuropas aus der Sicht der verantwortlichen Politiker unumgänglich. Der ursprüngliche Plan, deutsche Streitkräfte in eine gemeinsame europäische Armee einzubinden, scheiterte als das französische Parlament das Projekt einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) 1954 ablehnte. So bot sich als Alternative der Beitritt der Bundesrepublik als souveräner Staat in das seit 1949 bestehende NATO-Bündnis der westlichen Staaten an. Die Pläne sahen einen deutschen Verteidigungsbeitrag von maximal 500.000 Soldaten vor, der in wenigen Jahren aufgebaut werden sollte. Die damalige Regierung Adenauer wollte die neue Bundeswehr möglichst rasch auf diesen Zielumfang aufwachsen lassen, um das Konzept einer Integration der westlichen Staaten voranzutreiben und das politische Gewicht der jungen Republik in der westlichen Gemeinschaft zu erhöhen . Grundidee der militärischen Strategie und Sicherheitspolitik in der Ära der Ost-West-Konfrontation war es, einen Angriff des Warschauer Paktes und die Austragung eines Krieges auf dem Gebiet der Bündnisstaaten um jeden Preis zu verhindern. Dies wollte man durch eine glaubwürdige Abschreckung auf allen Ebenen sicherstellen und jeden Angreifer einem hohen Risiko für sich, seine Truppen und seine Länder aussetzen. Dazu gehörte eine breite Palette konventioneller und nuklearer Kräfte. Nuklearwaffen waren schon auf Divisionsebene eingebunden, um zu signalisieren, dass ihr Einsatz zu jeder Zeit und auf allen Stufen möglich sein konnte, die angreifenden Kräfte immer unter nuklearem Risiko standen und umgekehrt der Gegner vom Einsatz nuklearer Waffen gegen die eigenen NATO-Truppen durch die Möglichkeit einer angemessenen nuklearen Gegenreaktion abgehalten werden sollte. Kriegführung gegeneinander war somit für beide Seiten ein zu hohes Risiko, sofern die Kontrahenten rational handelten! Im Jahre 1967 wurden diese militärischen Instrumente etwas stärker differenziert als die NATO vom Prinzip der Massiven Vergeltung zur Flexiblen Reaktion überging und die konventionelle Verteidigungsfähigkeit stärker gewichtete. Dieser Hintergrund sollte bedacht werden, wenn auf den folgenden Seiten von militärischen Übungen im Münsterland und der nuklearen Infrastruktur die Rede ist. Es ging dabei grundsätzlich um Kriegsverhinderung durch flexible und glaubwürdige Abschreckung und nicht um „Kriegsspiele“ zur Vorbereitung einer großen Entscheidungsschlacht mit dem großen Gegner im Osten. Jede militärische Auseinandersetzung wäre mit hohen Opfern und Verwüstungen verbunden gewesen, war aber nur in einem Bündnisrahmen, nicht in nationalem Alleingang zu verhindern.

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Atomwaffenfreie Zonen wären keine realistische Alternative gewesen, da sie nicht dadurch entstehen, dass in einem Land keine Atomwaffen stationiert sind, sondern dass keine Atomwaffen in ein Land hineinwirken können. Davon war damals wie heute auf unserem Territorium nicht auszugehen. Höchste nationale Führungsebene bei den deutschen Landstreitkräften waren in der Phase 1956- 1992 die drei Korps, auf welche die zwölf Divisionen der Bundeswehr verteilt waren. Das I. Korps (Stab Münster) bildete in der norddeutschen Tiefebene mit den Divisionen 1, 3, 6 und 11 den stärksten Verband innerhalb der "Schichttorte" der von Norden nach Süden aufgereihten alliierten NATO-Korps. Für Schleswig-Holstein gab es eine Sonderregelung, da die dortige sechste Panzergrenadierdivision mit der dänischen Jütland-Division das gemeinsame NATO-Korps LANDJUT (Rendsburg) bildete, das heute im NATO-Korps Nordost (D/DK/PL) in Stettin einen Nachfolger gefunden hat. Im Mittelgebirge lag der Stationierungs- und Verteidigungsraum des III. Korps (Koblenz) mit den Divisionen 2, 5 und 7. Das II. Korps (Ulm) rundete mit den Divisionen 4, 10, 12, der Gebirgsdivision und der Fallschirmjägerdivision die Stationierung in Süddeutschland ab. 1970 wechselten die 7. und 12. Division zum I. bzw. III. Korps. Das Feldheer stellte mit zwölf Divisionen die Masse des westdeutschen Verteidigungsbeitrages für die NATO-Landstreitkräfte. Eine Division nach dem Planungsmodell von 1959 verfügte über ca. 15.000 – 20.000 Soldaten, deren Kampfverbände in je drei Brigaden als bewegliche Kampfgruppen organisiert waren. Die Masse der Panzer-, Infanterie- und Artillerieeinheiten verteilte sich auf die laut Plansoll vorgesehene Zahl von 36 Brigaden, von denen die letzten drei erst in den 70er Jahren aufgestellt werden konnten. Zusätzlich verfügte jedes Korps und jede Division über viele selbstständige Verbände zur Führung, Kampfunterstützung und Versorgung. Diese bezeichnete man als Korps- bzw. Divisionstruppen. Dazu gehörte in den Divisionen u.a. auch ein Artillerieregiment, um übergeordnete Ziele im gesamten Divisions-gefechtsstreifen zu bekämpfen und die Artilleriekräfte der Brigaden zu verstärken, gegebenenfalls auch zu führen Für die territorialen Verteidigungsaufgaben wurden in Anlehnung an die Ländergrenzen fünf Wehrbereichskommandos mit knapp 30 Verteidigungsbezirks- und ca. 80 Verteidigungskreiskommandos unter Führung eines zentralen TV-Kommando (Bad Godesberg) gebildet. 1969 fiel dies Kommando weg und das Territorialheer wurde in die Teilstreitkraft Heer eingegliedert. Das Territorialheer, das auch im Kriege unter nationalem Befehl bleiben sollte, behielt aber eine eigene Struktur, zu der jetzt noch in Anlehnung an die NATO-Heeresgruppen Nord, Mitte und für die Verteidigung der Ostseezugänge die Stäbe von drei Territorialkommandos (Nord, Süd, Schleswig-Holstein) traten. Im Vorfeld der Wiederbewaffnung ging man bei der Erarbeitung eines Verteidigungskonzepts für die Bundesrepublik von zwei Verteidigungsschwerpunkten im Norden und Süden aus, die weitgehend autark sein sollten. Dem entsprach die NATO-Gliederung von zwei Heeresgruppen, Northern Army Group (NORTHAG) und Central Army Group (CENTAG) und zwei taktischen Luftflotten (2. und 4. ATAF). Bei der

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Bundesluftwaffe entsprach man dieser Struktur durch Bildung von zwei weitgehend unabhängigen Luftwaffengruppen (Nord in Münster, Süd in Karlsruhe), die beide mit allem ausgestattet waren, „was so zu einer Luftwaffe gehörte“. Die Einsatzführung der Luftwaffe erfolgte aus unterirdischen multinational besetzten Führungsgefechtsständen der NATO (Aurich, Kalkar/Uedem, Birkenfeld, Meßstetten). Für die truppendienstliche Führung der Luftwaffenverbände gab es unter dem Dach der beiden Luftwaffengruppen Luftwaffendivisionsstäbe (Nr. 1,2,3,4,5,6,7). Um 1970 gab es auch in der Luftwaffe eine erste größere Umorganisation mit einer geringeren Zahl von Divisionen und neuer Gliederung der Unterstützungskräfte, der Ende der 80er Jahre eine weitere, dritte Struktur folgte. Die Marine mit ihrem bedeutenden Beitrag zu unserer Sicherheit kann bei unserer regional begrenzten Betrachtung ausgeklammert bleiben. Der rasche Aufbau der Bundeswehr in der beschriebenen Größenordnung war eine besondere Herausforderung. Die vorhandene militärische Infrastruktur aus den Jahren vor 1945 wurde stark von den Alliierten beansprucht oder bereits zivil genutzt. Die Rückführung in eine militärische Nutzung durch den Bund war in diesen kurzen Zeiträumen nicht immer zu gewährleisten. Aus diesem Grunde wurden zahlreiche Kasernenneubauten unumgänglich. Es entstand eine große Zahl von neuen Standorten in Klein- und Mittelstädten, die bisher keine Garnison besessen hatten. Motive für die Standortwahl waren u.a. günstige Bedingungen für den Grunderwerb, operative Überlegungen, aber auch die Einstellung der Kommunen gegenüber der Truppe. Die Masse der Neubauten wurde in den Jahren 1958 bis 1966 fertiggestellt. Danach verlangsamten sich die Fertigstellungen in Zeiten knapper Kassen und die letzte Neubaukaserne wurde erst 1986 im fränkischen Volkach bezogen; wenige Jahre bevor eine politische Wende in Europa einen großen Teil der militärischen Infrastruktur wieder entbehrlich machte. Viele Bundeswehrverbände, die in der Masse bis 1963 aufgestellt wurden, mussten provisorisch an Zwischenstandorten untergebracht werden, bevor sie ihre Endstandorte erreichten.

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Streitkräfte im Wandel Die hier beschriebenen Strukturen waren mit der politischen Wende in Europa ab 1990 überholt. Es folgte ein Umbauprozess raschen Wandels, der bis heute andauert. Mit der Wiedervereinigung 1990 war die geordnete Übernahme der NVA sicherzustellen, die Reduktion der Bundeswehr im Westen und Osten auf die Höchstgrenze von 370.000 Soldaten einzuleiten und zugleich die neue Bundeswehr im Osten aufzubauen. Angesichts der veränderten Bedrohungslage war von langfristig geringeren Finanzmitteln für den Einzelplan 14 im Bundeshaushalt auszugehen. Sehr schnell wurde aber auch deutlich, dass die veränderte Weltlage der Bundesrepublik auch weiterhin eine wichtige militärische Rolle in Europa zuweisen und man künftig von ihr auch ein stärkeres internationales militärisches Engagement erwarten würde. In dem Maße wie das unmittelbare Risiko eines Großkonflikts in Mitteleuropa geschwunden war, stieg die Wahrscheinlichkeit eines realen Bundeswehreinsatzes an anderen Orten. Hatte vorher die Vorsorge für den nicht auszuschließenden, aber irgendwie immer doch auch Fiktion bleibenden Abwehrkampf an der innerdeutschen Grenze alle Planungen bestimmt, so waren in den 90er Jahren ganz plötzlich sehr praktische Überlegungen für einen tatsächlichen Einsatz unterhalb der Schwelle eines Großkonfliktes außerhalb der eigenen Grenzen anzustellen. Der Einsatz in Somalia 1993 hatte hier einen Paradigmenwechsel eingeleitet, der dann nach einer Klärung durch das Bundesverfassungsgericht im Sinne der Tradition einer Parlamentsarmee Mandate für Auslandseinsätze zur Normalität werden ließ. Zu Beginn der 90iger Jahre stand die politische und militärische Führung unter dem Druck, sehr schnell über die Reduktion der Truppe entscheiden zu müssen. Dabei konnte man nicht nur nach militärischer Zweckmäßigkeit vorgehen, sondern hatte regionale Strukturpolitik ebenso zu berücksichtigen wie die durch die Wehrpflicht gebotene Notwendigkeit einer breiten Präsenz in den alten und neuen Ländern. So kam es, dass am Ende viele Einheiten, aber relativ wenige Standorte aufgelöst wurden. Die Auflösung eines Divisions- oder Brigadestabes bedeutete nicht das gleichzeitige Ende für alle seine Bataillone. In der neuen Struktur weiterhin vorgesehene Divisionen bzw. Brigaden mussten eigene Bataillone auflösen und Einheiten von aufgelösten Verbänden aufnehmen. In der Heeresstruktur V wurden in der ersten Hälfte der 90er Jahre die Stäbe der 2. 3. und 12. Division aufgelöst, die Stäbe der 4. und 11. Division blieben vorerst als Stäbe für Sonderaufgaben erhalten. Dafür wurden in den neuen Ländern die 13. und 14. Division mit 6 neuen Brigaden formiert. 16 Heeresbrigaden und die noch 5* aktiven und 6 nicht aktiven Heimatschutzbrigaden im Westen wurden aufgelöst. Nach 1996 wurden auch die Stäbe der 6. und 11. Division gestrichen und die 4. ging in einem Stab für die Luftlandetruppen auf. Korpstruppen wurden zum größten Teil auf die Divisionen verteilt bzw. aufgelöst. Die territorialen Wehrbereiche fusionierten mit den Divisionsstäben. Bei der Luftwaffe löste man die drei leichten Jagdbombergeschwader für Erdkampfunterstützung des Heeres mit dem Waffensystem ALPHA JET (Nr.41, 43,49),

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die beiden Aufklärungsgeschwader mit RF 4 Phantom (Nr. 51, 52) , ein Jagdbombergeschwader F 4 Phantom (Nr. 35) und drei Flugabwehrraketengruppen HAWK (Nr. 32, 35, 37) auf. Ein Marinefliegergeschwader wechselte zur Luftwaffe und übernahm die Aufklärungsrolle. Die BELL UH-1D des Hubschraubertransport-geschwaders 64 wurden auf die anderen Lufttransportgeschwader verteilt. Ein Jagdgeschwader (Nr. 73) wurde in den neuen Ländern aufgestellt. Die bisher noch in getrennten Kommandos im Norden und Süden geführten Unterstützungsverbände wurden unter dem Dach des Luftwaffenunterstützungskommandos zusammengefasst. Die operative Führung oblag im Rahmen einer Integration in zwei NATO-Hauptquartiere den Luftwaffenkommandos Nord (Kalkar) und Süd (Meßstetten). Die ihnen unterstellten vier Luftwaffendivisionen waren für truppendienstliche Führungsaufgaben zuständig. Im Luftwaffenamt blieben Zentralaufgaben zusammengefasst und auch das Lufttransportkommando behielt seine Rolle Im Laufe der 90er Jahre wurden wiederholt Modifikationen der Strukturentscheidungen "nachgelegt" und führten zu großer Verunsicherung in der Truppe. So war die teilweise noch auf die Planungen der 80er Jahre zurückgehende Heeresstruktur V nur von kurzer Dauer und mündete schließlich ab 1996 in das Konzept "Heer für neue Aufgaben", das aber mit neuen Entscheidungen zur Bundeswehrreform nach 2000 auch zur Makulatur wurde. Die Heeresstruktur 5 N ab 1996 sah noch 8 Divisionsstäbe (Nr. 1, 5, 7, 10, 13,14, Gb.,4/LL) mit 22 aktiven oder teilaktiven und vier nicht aktiven Brigaden vor. Dazu kamen 17 Brigadestäbe beim Heeresunterstützungs-kommando und bei den Divisionen, welche Kampfunterstützungs-, Führungs- und Logistiktruppen des Heeres führten (Pioniere, Logistik, Führungsunterstützung, Heeresflieger usw.). Unter dem Dach der fusionierten Heeresdivisionen und Wehrbereiche gab es noch 27 Verteidigungsbezirkskommandos als territoriale Stäbe, fast so viele wie in der alten Bundesrepublik.

Führungsstruktur im Heer für neue Aufgaben ab 1996 (Q.BMVg). Der aus der 4.Panzergrenadierdivision

und Luftlandedivision hervorgegangene Stab für die luftbeweglichen Kräfte ist nicht dargestellt.

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Die Bundeswehr hat sich im Vergleich zu anderen staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen als sehr flexibel und innovationsfreudig gezeigt! Diese Belastbarkeit musste im neuen Jahrtausend noch mehr unter Beweis gestellt werden, als die eigentliche große Runderneuerung der Bundeswehr mit dem Herunterfahren von 315.000 auf 285.000 aktive Soldaten folgte. Von der im Zwei-plus-vier-Vertrag vereinbarten Zielgröße von 370.000 aktiven Soldaten hatte man sich schon vorher in der praktischen Umsetzung verabschiedet. Mittlerweile ist die Sollstärke von 225.000 auf 185.000 gesunken. Die nach dem Regierungswechsel von 1998 vorbereitete Bundeswehrreform war wie alle Reformen der Vergangenheit ebenso eine Anpassung der Strukturen an die knappen Mittel wie an die sicherheitspolitische Lagebeurteilung. Aus den sicherheitspolitischen Vorgaben ergaben sich für das Heer folgende Aufgaben: Der Auftrag der Landesverteidigung blieb grundsätzlich erhalten. Dabei ging es aber kaum noch um einen nicht mehr vorstellbaren Großkonflikt in Mitteleuropa, sondern um einen angemessenen deutschen Beitrag zur Sicherung des ganzen Bündnisgebietes. Die eigentlichen Herausforderungen stellten sich in zunehmendem Maße durch die deutsche Beteiligung an internationale Friedenseinsätzen. Bündnisverteidigung und Friedensmissionen fanden in jedem Fall außerhalb des deutschen Territoriums statt. Auf deutschem Boden hatte das Heer einsatzbereite Kräfte bereitzuhalten, auszubilden, zu unterstützen und zu ergänzen, um entsprechende Kontingente zur Friedenssicherung und Bündnisverteidigung entsenden zu können. In der Struktur wuchsen zwei neue Organisationsbereiche auf, die teilstreitkräfteübergreifende Aufgaben wahrnehmen sollten: die Streitkräftebasis und der zentrale Sanitätsdienst. Das Gerüst von 8 Divisionsstäben und 42 aktiven, teilaktiven und nicht aktiven Kampf- und Unterstützungsbrigaden im Heer für Neue Aufgaben konnte so nicht mehr weiterbestehen. Es blieben 7 Divisionsstäbe (u.a. 1, 7, 10, 13,14) davon zwei mit Spezialaufgaben (DLO, DSO), 13 aktive Kampfbrigaden und sechs Unterstützungsbrigaden (Artillerie, Pioniere, Flugabwehr, ABC-Abwehr, Logistik). Teile des Heeres mit Unterstützungsaufgaben (Fernmelder, Logistik etc.) fanden sich jetzt in Regimentsformationen unter dem Dach der Streitkräftebasis und seiner vier Wehrbereiche wieder.

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Die Streitkräftebasis in der Planung von 2001 (eigene Grafik)

Dem Versuch, die Divisionstruppen im ganzen Heer ab 2002 unter dem Dach eines Heerestruppenkommandos zu zentralisieren und in waffengattungsspezifischen Brigaden zu erhalten, war kein dauerhafter Erfolg beschieden. Die Artilleriebrigade, Pionierbrigade, ABC-Abwehr-Brigade, Heeresflugabwehrbrigade und die beiden Logistikbrigaden wurden im Zuge der Umsetzung der verteidigungspolitischen Richtlinien des Verteidigungsministers Struck bis ca. 2007 wieder aufgelöst. Die bis 2006 einzunehmende Luftwaffenstruktur sah die Unterstellung von vier Luftwaffendivisionen und dem Lufttransportkommando unter das Luftwaffenführungskommando mit noch 12 fliegenden Geschwadern inclusive der Flugbereitschaft BMVg, vier Flugabwehrraketengeschwadern und zwei Radarführungsregimentern. Unterstützungskräfte gehörten weitgehend zum Bereich des Luftwaffenamtes. Neben dem Jagdgeschwader 72 (Rheine) sollte mit dem Jagdbombergeschwader 34 (Memmingen) ein weiterer traditioneller fliegender Verband der ersten Linie aus der Luftwaffe ausscheiden.

Die Luftwaffenstruktur laut Planung 2001 (eigene Grafik). Bei der FlaRak schon 2004 modifiziert.

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In den Jahren 2003/2004 zeichnete sich ab, dass die von Verteidigungsminister Scharping verantwortete Bundeswehrplanung aus dem Jahre 2001 noch nicht das Ende der Umstrukturierungen und Reduzierungen bedeuten würde und einzelne Truppenteile, z.B. bei der FlaRak, zusätzlich gestrichen wurden, Die ungünstigen ökonomischen Rahmenbedingungen und die zur Daueraufgabe gewordenen Auslandseinsätze, wesentlich beschleunigt durch die Ereignisse um den 11.9.2001 in New York, veranlassten Verteidigungsminister Struck zu einer Revision. In den verteidigungspolitischen Richtlinien vom Mai 2003 vollzog sich eine grundlegende Schwerpunktänderung der Vorgaben für den Auftrag der Bundeswehr. Die Einsatzfähigkeit im Rahmen internationaler Militäraktionen hatte künftig Priorität. Landes- und Bündnisverteidigung wurden im Augenblick vom Risiko her als sehr gering eingestuft. Der etwas vage Begriff „Schutz Deutschlands und seiner Bürger“ ersetzte künftig die klassische Option Landesverteidigung, die man bei einer Verschlechterung der Gesamtlage in Europa in einem Zeitraum von 10 Jahren durch „Rekonstitution“ sicherzustellen können glaubte. Landesverteidigung wurde primär als Fernhalten von Konflikten bzw. als Schutzauftrag für die Bürger in Deutschland und im Ausland gegenüber ungewissen Risiken verstanden und nicht als Abwehr eines massiven Angriffs auf deutsches Territorium. In den verteidigungspolitischen Richtlinien waren keine Verbände mehr für die ausschließliche Rolle der Landesverteidigung vorgesehen. Die noch vorhandenen Kräfte und Strukturen für einen Aufwuchs sollten künftig nicht mehr vorgehalten werden. Die in der Struktur von 1996 noch vorhandenen nicht aktiven 47 Heimatschutzbataillone und 35 Ersatzbataillone sollten jetzt endgültig wegfallen. Die Flugabwehrraketentruppe konzentrierte sich auf das Waffensystem PATRIOT. Von 15 Flugabwehrraketengruppen blieben nur noch sechs in drei Geschwadern, so dass eine bodengebundene Luftverteidigung nur noch für wenige ausgewählte Räume möglich war. Die drei Geschwader bereiteten sich auf Einsätze im gesamten Bündnisgebiet vor. Die Luftwaffenführung wurde weiter gestrafft und ein Divisionsstab (Nr.3) und ein Jagdbombergeschwader (Nr. 38) aufgelöst. Die Umsetzung der Umstrukturierungen in den gesamten Streitkräften sollte sich bald mit neuen Entscheidungen überschneiden.

Die gesamte Bundeswehr hatte vorrangig militärische Operationen im internationalen Rahmen zu gewährleisten, den Grundbetrieb der Streitkräfte in der Heimat zu organisieren und bei Bedarf auch Kräfte für den Schutz Deutschlands und seiner Bürger abzustellen. Damit waren in erster Linie wohl Gegenmaßnahmen im Spektrum der „neuen Bedrohungen“ gemeint, die aber inhaltlich wenig konkret formuliert waren. Der Schutz bzw. die Evakuierung von deutschen Staatsangehörigen im Ausland konnte im Extremfall auch dazu gehören. Humanitäre Hilfsaktionen und Katastropheneinsätze blieben als Nebenaufgaben natürlich unbestritten. Die Heeresstruktur in der Planung von 2004 differenzierte bei internationalen Einsätzen zwischen Eingreifkräften, die sich auf das gesamte Gefechtsspektrum einzustellen hatten, und Stabilisierungskräften, die sich auf länger dauernde Friedensoperationen einzustellen hatten, bei denen das intensive Gefecht von geringerer Wahrscheinlichkeit

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schien. Die 1.Panzerdivision (Hannover) führte die Eingreifkräfte mit zwei Kampf-brigaden (Nr.9, Nr. 21) und erhielt aus der Substanz des wieder weitgehend aufgelösten Heerestruppenkommandos eine breite Palette von Divisionstruppen zur Kampfunter-stützung mit je einem Pionier-, Artillerie und Heeresflugabwehrregiment und Bataillonen für Aufklärung, ABC-Abwehr und Logistik. Die 10. Panzerdivision und 13. Panzergrenadierdivision führten vier Brigaden für Stabilisierungsoperationen (Nr. 12, 23, 37, 41). Zwei Divisionsstäbe führten eine luftmobile Brigade (drei Heeresflieger-regimenter, ein luftbewegliches Infanterieregiment) Heerestruppen in Brigadeformation (ABC-Abwehr, Artillerie) und zwei Luftlandebrigaden und Spezialkräfte. Die Aussetzung der Wehrpflicht, die damit verbundene Herabsetzung der Aktivstärke auf maximal 185.000 Soldatinnen und Soldaten und die Notwendigkeit einer größeren Effizienz der Strukturen führten zu erneuten Strukturentscheidungen im Jahr 2011. Hier galt es vor allem, die Führungsstrukturen zu straffen und vorhandenen Fähigkeiten in zentralen Kommandos zu bündeln und nicht mehr über die Fläche verteilte regionale Führungsstäbe zu unterhalten. So entfielen die vier Wehrbereichsstäbe und die territorialen Aufgaben konzentrierten sich bei den schon in der Vorstruktur aufgestellten Landeskommandos und dem neuen Kommando territoriale Aufgaben in Berlin. Für die Führung der Truppen der Streitkräftebasis wurden zentrale Fähigkeitskommandos für Führungsunterstützung, Logistik, strategische Aufklärung, Feldjägerwesen und ABC-Abwehr gebildet. Die bisherige Doppelspitze der klassischen Teilstreitkräfte mit einem Führungsstab im Ministerium und einem Führungskommando wurden durch einheitliche Kommandos der Teilstreitkräfte unterhalb des BMVg an verschiedenen Standorten in räumlicher Nähe zu Berlin überwunden. Kern des Heeres sind acht verstärkte Brigaden, die hinreichend mit Führungsmitteln und eigener Logistik ausgestattet sind und ihre Führungsfähigkeit auch bei territorialen Katastropheneinsätzen zur Verfügung stellen können. Zwei Divisionsstäbe verbleiben noch für die Führung der Brigaden. Eine Division führt die verbliebenen drei Heeresflieger- und zwei Fallschirmjägerregimenter für luftmobile Einsätze und das Kommando für Spezialkräfte. Im Augenblick findet hier eine noch stärkere Verzahnung mit den niederländischen Streitkräften statt Bei der Luftwaffe wurden die noch vorhandenen drei Divisionsstäbe als Führungsleiste der Geschwader und Regimenter aufgelöst und ebenfalls zentrale Kommandostrukturen für die fliegenden Verbände, die bodengestützten Einheiten und die Unterstützungskräfte geschaffen. Es sollte noch acht fliegende Verbände inclusive der Flugbereitschaft BMVg und ein Flugabwehrraketengeschwader mit vier Gruppen geben. Die in den Jahren 1987 – 93 durchgeführte aufwändige Umgruppierung von Flugabwehrraketenkräften aus dem Norden und Westen nach Süddeutschland ist schon wieder Vergangenheit, da die damals in den Räumen Oberbayern, Oberschwaben und Mittelranken aufgestellten PATRIOT-Gruppen 22 und 23 wieder deaktiviert wurden. Dieser Teil der Luftwaffe ist mittlerweile an der Küste in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern konzentriert, was die Ausbildung in räumlichem Zusammenhang und eine Seeverlegung ins Ausland erleichtert..

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Das zentrale operative Führungshauptquartier der Luftwaffe liegt in Kalkar / Uedem. Der Lufttransport wird mittlerweile von einem europäischen Kommando in Eindhoven (NL) koordiniert. In vielen Bereichen der Streitkräfte ersetzen zentralisierte Organisationskörper die in der Fläche verteilten Strukturen. Die in den vergangenen Strukturen zu beobachtende Verzettelung in immer neuen kurzlebigen Formationen soll ein Ende finden. Die höhere taktische und operative Führung kann durch die NATO-Korps in Münster, Straßburg oder Stettin oder durch das mobile Hauptquartier zur operativen Führung der Eingreifkräfte in Ulm erfolgen. Bei den Einsatztruppenteilen ist man mit den Reduzierungen mittlerweile an Untergrenzen gelangt. Es verbleiben im Heer noch je vier aktive Panzer- und Artilleriebataillone! Mit der Heeresflugabwehr ist eine ganze Waffengattung verschwunden. Allerdings werden auch neue Jägertruppenteile aufgestellt und die Panzergrenadiertruppe wird mit neun aktiven Bataillonen nicht weiter angetastet. Während die Führungsstrukturen gestrafft und ausgedünnt werden, erfahren die Bataillone eine Stärkung für selbstständigen Einsatz. Jedes der vier Artilleriebataillone verfügt über das komplette Spektrum artilleristischer Waffensysteme (Panzerhaubitze 2000, Mehrfachraketenwerfer, z.T. Mörser) und Aufklärungsmittel (Drohnen, Radar). Bei den Logistikbataillonen der Brigaden sind schon auf Kompanieebene Kräfte für Nachschub, Transport und Instandsetzung integriert. Jedes der beiden Fallschirmregimenter vereint Fallschirmjäger und alle luftbeweglichen Unterstützungswaffen. In einigen Punkten wurden und werden im Augenblick Entscheidungen der Vergangenheit neu überdacht. Die durch die ungünstige Entwicklung im Osten entstandene Lageveränderung wird zur geplanten Aufstockung der Untergrenze bei der Panzertruppe von 225 auf ca. 320 LEOPARD II und Aktivstellung eines fünften Bataillons führen. Nachdem die Masse der letzten nicht aktiven Truppenteile bis etwa 2006 aufgelöst worden war, begann man vor allem im Heer wieder damit, die Durchhaltefähigkeit seiner Einheiten durch Ergänzungstruppenteile in Bataillons- und Kompaniestärke mit Reservisten zu erhöhen. Die entstandene Lücke bei den Reserveeinheiten für Heimatschutzaufgaben sollte mit ca. 30 neuen Reservisteneinheiten in Kompaniestärke (RSU-Kräfte) wieder etwas kompensiert werden. Von den in der Bundeswehrplanung vorgesehenen ca. 60.000 Reservistenstellen sind längst nicht alle Posten besetzt. Strukturentscheidungen hängen auch von der Material- und Finanzlage einiger Rüstungsvorhaben ab. So mussten die Zahlen der Eurofighter und NH 90-Hubschrauber nach unten korrigiert werden. Die bodengebundene Luftverteidigung wird ihre PATRIOT auch nicht 1:1 durch ein neues System ersetzen. Von einer Vollausstattung hat man sich durch das umstrittene Prinzip des „dynamischen Verfügbarkeitsmanagements“ verabschiedet. Die Beeinträchtigung der Einsatzbereitschaft durch geringere Stückzahlen, fehlende Ersatzteile und geringe Klarstände bestimmt im Augenblick die

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Tagesordnung und es wird noch manche Schritte zur Nachsteuerung der bisherigen Entscheidungen zum Umbau geben.

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Stationierung und Tradition der Bundeswehr im Münsterland Das Münsterland wird hier verstanden als das Gebiet des ehemaligen Verteidigungsbezirkskommandos (VBK) 33, das identisch mit dem Regierungsbezirk Münster ist, aber ohne Verengung des Blicks. Die Nachbarregionen standen immer in enger Beziehung zu Truppen und Stäben an den hiesigen Standorten, z.B. die nuklearfähige Raketenartillerie in Wesel als Teil des Artilleriekommandos 1 oder der Logistikstandort Unna - Königsborn für die gesamte 7.Panzerdivision. Es bestanden enge Wechselbeziehungen der Luftwaffenhauptquartiere in Münster und Kalkar oder der Panzerbrigade 21 in Augustdorf mit der Panzergrenadierbrigade 19 und des VBK 35 in Detmold/Augustdorf mit dem Verteidigungsbezirk 33 Münster, vor allem während des Truppenumbaus ab 1991. Logistische Einheiten und Einrichtungen des Versorgungskommandos in Lingen und Korpsnachschubkommandos in Rheine in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen erstreckten sich über einen großen Stationierungs- und Einsatzraum. Deshalb werden auch immer wieder Standorte und Einheiten an der Peripherie des Münsterlandes zu nennen sein. Das Titelposter „60 Jahre Bundeswehr im Münsterland“ vermittelt einen Überblick über die hier stationierten Kommandos und Bataillone. Nicht alle Einheiten auf der Wappentafel existierten zeitgleich. Es finden sich hier aber nur Einheiten ab Bataillon aufwärts. Gezeigt wird auch nur der „operative“ Teil, ohne „Administration“ (Ämterbereich, Wehrverwaltung etc.). Die Farben können bei der Zuordnung etwas helfen: gelb> I. Korps, rot > 7.Panzerdivision, grün> Territorialheer, blau> Luftwaffe, grau> Streitkräftebasis (SKB) und zentraler Sanitätsdienst (ZSanDst), schwarz> Lehreinrichtungen Der regionale Ausschnitt aus der Karte über die Bundeswehr im Jahre 1968 dokumentiert die Stationierung zum Abschluss des Aufbaus der Streitkräfte. Wichtige Standorte in Altbaukasernen gab es in Münster (Generalkommando am Hindenburgplatz, Blücher~, von-Einem~, Luftwaffenkaserne Richthofenstraße, Truppenunterkunft „Am Pulverschuppen“), Coesfeld (Osterwicker Str.), Rheine (Damloup~) und Warendorf . Neubaukasernen entstanden in Ahlen (Westfalen~), Handorf (Lützow~), Dülmen (St.-Barbara~), Coesfeld - Flamschen (Freiherr-vom- Stein~), Borken (Hendrik-de-Wynen~), Rheine (Kaserne Gellendorf, Wever-~, Blank~ in Bentlage), Datteln (Haard~) und Ennigerloh-Westkirchen (Münsterland~) Es existierten ein Fliegerhorst (Hopsten-Dreierwalde) und ein Heeresfliegerflugplatz (Rheine - Bentlage) mit fliegenden Verbänden. Die Karte für 1968 gibt noch keine Informationen über die Depotstruktur, die sich seit den 60er Jahren entwickelte, die Flugabwehrraketenstellungen oder die Fernmeldeeinrichtungen der Luftwaffe. Die sich abzeichnenden Strukturveränderungen um 1970 beim Übergang zur Heeresstruktur III sind in der Karte auch schon in grauer Farbe abgebildet. Hinzuweisen wäre vor allem auf die Aufstellung des Heimatschutzkommandos 15 in Ahlen und Unna. In Einzelfällen erkennt man auch frühere 1968 bereits nicht mehr zutreffende Stationierungen wie die Nutzung des Stadtwaldlagers in Bocholt für die Aufstellung von Sanitätseinheiten des I. Korps

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Der regionale Kartenausschnitt zur „Bundeswehr 1981“ spiegelt die höchste Organisationsentwicklung der Bundeswehrgeschichte

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.Neben der Panzergrenadierbrigade 19 gab es nun auch die Panzerbrigade 20, die seit 1975 endlich voll aufgestellt war und 1980 zur Umbenennung der 7. Panzergrenadier- in 7. Panzerdivision führte. Von den Divisionstruppen lagen im Münsterland das Artillerieregiment 7 und das Panzerflakbataillon 7. Das Territorialheer bleibt in der Karte weitgehend „unsichtbar“, da an aktiven Teilen nur die Stabsstruktur mit dem VBK 33 und seinen VKK (Verteidigungskreiskommandos) erscheinen kann, dazu das Jägerbataillon 531 der Heimatschutzbrigade 53. Die zahlreichen Depots fehlen auch hier. Starke deutsche und alliierte Militärkonzentrationen gab es auch in den Nachbarregionen (Ostwestfalen, märkischer Raum, Niederrhein) Die Karte „Bundeswehr 2010“ dokumentiert die zunehmende Entwicklung zum „weißen Fleck“ in der Stationierungslandschaft, die sich seit den Strukturentscheidungen zum Truppenumbau und –abbau ab 2002 beschleunigte.

Die in dieser Karte abgebildete Struktur dokumentiert den Planungsstand der von Verteidigungsminister Scharping entschiedenen Transformation der Bundeswehr aus dem Jahr 2001 und deren Modifikation durch Minister Struck 2004 nach Formulierung der neuen verteidigungspolitischen Richtlinien 2004. Die Standorte Borken, Dülmen und Coesfeld sind in der Stationierungslandschaft nicht mehr vorhanden.

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Schaltzentralen der Führung von Heer und Luftwaffe Die Bundeswehr setzte ab 1956 im Standort Münster die lange Tradition eines zentralen Hauptquartierstandorts fort. Münster war ein zentraler Stabsstandort der Bundeswehr mit den Hauptquartieren des I. Korps und der Luftwaffengruppe Nord. Die Stäbe des Heeres und der Luftwaffe waren der NATO-Führungsstruktur unterstellt mit der Heeresgruppe Nord (Northern Army Goup NORTHAG) in Mönchengladbach und der zweiten taktischen alliierten Luftwaffengruppe (2nd Allied Tactical Airforce ATAF). 1956 wurde der Heeresstab Nord in I. Korps unbenannt, 1995 das Korps D/NL als dessen Nachfolger in Dienst gestellt. Der Stab nutzt das alte Gebäude des Generalkommandos am Hindenburgplatz (heute Schlossplatz), wo heute eine Vielzahl von Nationalflaggen vor dem Eingang seine internationale Rolle repräsentiert. Das I. Korps blieb lange Zeit das größte NATO-Korps mit der truppendienstlichen Unterstellung von fünf Divisionen: 1.Panzergrenadierdivision (später Panzerdivision) Hannover, 3.Panzerdivision Buxtehude, 6. Panzergrenadierdivision Neumünster, 7.Panzergrenadierdivision (später Panzerdivision) Unna und 11. Panzergrenadierdivision Oldenburg. Diese truppendienstliche Unterstellung war nicht automatisch identisch mit der Gefechtsgliederung in der Vorneverteidigung im General Defence Plan (GDP) der NATO, welcher den nationalen Kontingenten einen bestimmten Gefechtsstreifen entlang der innerdeutschen Grenze zuwies und als „Schichttorte“ treffend umschrieben wurde. Die 6. Panzergrenadierdivision spielte eine eigenständige Rolle nördlich der Elbe im NATO-Befehlsbereich AFNORTH („Eismeerdivision“) im deutsch-dänischen Korps LANDJUT mit zusätzlichen Verstärkungen durch das Territorialkommando Schleswig-Holstein. Die 3. Panzerdivision war durch ihre Stationierung südlich der Elbe im GDP-Sektor des niederländischen Korps, das mit Ausnahme der Panzerbrigade 41 (NL) in Seedorf und Bergen im Heimatland stationiert war, automatisch in der Rolle einer Deckungsstreitmacht für die Niederländer in diesem Sektor. Die 7. Panzergrenadier-division gehörte bis 1970 zum III. Korps (Koblenz), war im Einsatz aber immer als Reserve der NORTHAG geplant („Feuerwehrrolle“). Ein Einsatz zur Unterstützung des britischen und belgischen Korps schien nicht unwahrscheinlich. Im eigentlichen Gefechtstreifen des I. Korps im Großraum Celle-Hannover waren primär die 1. Panzergrenadier- bzw. Panzerdivision (Hannover) und die 11.Panzergrenadierdivision (Oldenburg) anzunehmen. In der Geschichte der Bundesluftwaffe war Münster schon sehr früh ein zentraler Führungsstandort. Das Hauptquartier der Luftwaffengruppe Nord lag seit 1957 in Münster, das südliche Pendant dazu in Karlsruhe. Schon ein Jahr zuvor war das „Kommando der Fliegerhorste Nord“ in die Luftwaffenkaserne in der Manfred-von-Richthofen-Straße eingezogen. Noch im gleichen Jahr wurde dieser Stab in „Kommando der Luftbodenorganisation Nord“ umbenannt. Es unterstand der Luftwaffengruppe Nord. Aus ihm sollte später unter verschiedenen Namen die zentrale Kommandostelle für die Luftwaffenunterstützung im Norden zurückgehen.

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In der alten Luftwaffenkaserne an der Manfred – von – Richthofen - Straße in Münster befand sich deshalb bis ca. 1970 mit dem Hauptquartier der Luftwaffengruppe Nord die Führungszentrale für die „halbe Luftwaffe“.

Traditionsreiche Luftwaffenkaserne in der Richthofen-Str. in Münster

Der Kommandeur (Drei Sterne-General) dieses Befehlsbereichs in der Nordhälfte der Bundesrepublik sollte auf Augenhöhe mit dem britischen Befehlshaber der 2.ATAF, stehen. Unterstellt waren die Luftwaffendivisionen 3 (Münster), 4(Aurich), 6 (Münster) und zeitweise 7 (Rendsburg, bis 1968) mit regional zugeordneten Einsatzverbänden verschiedener Rollen: Jagdgeschwader, Jagdbombergeschwader, Flugkörperregiment, Flugabwehrraketenregimenter, Transportgeschwader, Logistikregimenter, Fernmelderegimenter, Ausbildungsregimenter und einige Spezialformationen. Die 6. Luftwaffendivision war das Führungselement der Logistik, Ausbildung und Einsatzunterstützung, die nur temporär bestehende 7. Luftwaffendivision war ein gemischter Verband mit autarker Rolle in Schleswig-Holstein.

Die Luftwaffengruppe Nord in den 60er Jahren

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In den 60er Jahren ergab sich in der Luftwaffengruppe Nord und ihren Luftwaffendivisionen folgendes Bild: Zentrales Waffensystem in den 60er und 70er Jahren war die F 104 G STARFIGHTER bei dem Jagdgeschwader 71 Wittmund und den Jagdbombergeschwadern 31 Nörvenich, 33 Büchel (bei Cochem) und 36 Hopsten. Sie wurde bei den Jagdbombergeschwadern 41 Oldenburg und 43 Husum durch das leichte Kampfflugzeug FIAT G 91 für die Luftbodenunterstützung des Heeres ergänzt. Die PHANTOM F 4 löste die F 104 G Mitte der 70er Jahre bei den Geschwadern 71 und 36 ab. Die Geschwader 31 und 33 erhielten in den 80er Jahren den TORNADO, die Geschwader in Oldenburg und Husum den ALPHA JET als leichtes Erdkampfflugzeug. Die Jagdbombergeschwader mit STARFIGHTER und später TORNADO und das Flugkörpergeschwader 2 (PERSHING I) in Geilenkirchen waren ein wichtiges Element der nuklearen Abschreckung auf den unteren Stufen der Eskalationsleiter. Ebenfalls nuklear einsatzfähig waren die Flugabwehrraketensysteme NIKE HERCULES bei den Flugabwehrraketenbataillonen 21 (Erwitte / Möhnesee), 24 (Delmenhorst), 25 (Barnstorf) und 26 (Jever / Wangerland). Diese bezogen im Zeitraum 1962-73 insgesamt 16 feste Einsatzstellungen zwischen Nordsee und Ruhr und waren in ständiger Einsatzbereitschaft. Übergeordnete truppendienstliche Führungsstäbe waren die Flugabwehrraketenregimenter 13 (Soest) und 14 (Oldenburg). Zwischen dem Bergischen Land und dem Main lagen die Sektoren von zwei weiteren deutschen NIKE-Bataillonen (Nr.22, 23) des Flugabwehrraketenregiments 2 (Lich) mit acht Batterien. Diese gehörten aber schon zum Führungsbereich der Luftwaffengruppe Süd. Im Norden die führten die Flugabwehrraketenregimenter 3 (Heide) und 4 (Bremervoerde) die Flugabwehrraketenbataillone 31, 35, 36, 37, 38 und 39 an den bis Anfang der 70er Jahre bezogenen Endstandorten Westertimke, Delmenhorst, Bremervoerde, Cuxhaven, Heide und Eckernfoerde. Sie betrieben ihren Dauerbereitschaftsdienst in festen Friedenseinsatzstellungen das Flugabwehrraketensystem HAWK zur Tieffliegerbekämpfung und waren für einen mobilen Kampfeinsatz im Luftverteidigungsgefecht ausgelegt. Die Flugabwehrraketentruppe der Luftwaffe verwendete bis zur großen Umgliederung von 1987-93 für ihre Verbände noch die heeresüblichen Verbandsbezeichnungen Regiment, Bataillon und Batterie. Mit der durch Einführung der Waffensysteme PATRIOT und ROLAND bedingten neuen Struktur wurde dann auch dort die Luftwaffenbegriffe Geschwader, Gruppe und Staffel eingeführt. Die Lufttransportgeschwader 62 in Celle, dann Ahlhorn, und 63 Hohn bei Rendsburg waren in den 60er Jahren mit dem Kolbenmotortransportflugzeug NORATLAS ausgestattet, das mit seinem markanten Doppelrumpfleitwerk noch in vielen Fotos und Filmen von Fallschirmlandungen präsent ist. An ihre Stelle trat um 1970 die noch heute eingesetzte TRANSALL an den Standorten Hohn und Wunstorf.

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Die NORATLAS - Transportflugzeug der 60er Jahre im Luftwaffenmuseum Gatow

Das Fernmelderegiment 11 in Osnabrück war für die zahlreichen Luftwaffenfernmelde-einrichtungen und den Luftwaffenfernmeldebetrieb im Nordbereich verantwortlich. Die für Flugsicherung zuständige Komponente des Regiments (III./11) wurde später in ein eigenes bundesweit zuständiges Flugsicherungsregiment eingegliedert. Das Luftwaffenfernmelderegiment 71 in Osnabrück betrieb an mehreren norddeutschen , meist grenznahen Standorten Fernmeldeaufklärung. Die Radareinsatzstellungen und Führungsgefechtsstände in Brockzetel (Ostfriesland), Brekendorf (Schleswig), Uelzen / Visselhövede (Lüneburger Heide) Uedem (Niederrhein) und Auenhausen (Weserbergland) wurden von den Luftwaffenfernmelderegimentern 33 und 34 betrieben. Die Luftwaffenlogistikregimenter 2 (Diepholz), 6 (Oldenburg), 5 (Essen) und 7 (Husum) führten Werften, Depots, Umschlageinheiten und KFZ-Transportstaffeln für die Versorgung der Luftwaffe. Die Luftwaffenausbildungsregimenter 1 (Stab Pinneberg), 2 (Budel/NL) und 5 (Stab Goslar) führten die Bataillone der Grundausbildungsorganisation der Luftwaffe im Nordbereich. Ein Spezialverband der Luftwaffenpioniere lag in Diepholz. Diese Übersicht vermittelt einen Eindruck vom Verantwortungsbereich des Hauptquartiers in Münster für die Luftwaffe im Norden der alten Bundesrepublik und ihrer Struktur, wie sie im Laufe der 60er Jahre vervollständigt wurde. Sie erlebte natürlich eine Reihe von Veränderungen in den Folgejahren, blieb aber doch in Grundzügen bis zum Truppenumbau ab 1992 erhalten. Einen Einblick in das Innenleben der Truppe vermittelte die damals von der Luftwaffengruppe in Münster herausgegebene Truppenzeitschrift „Echo Nord“. Sie wurde in den 70er Jahren von der bundeswehrweiten Publikation „Luftwaffe“ abgelöst.

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Die Neugliederung der Luftwaffe ab 1970 führte zu einer Spezialisierung der 3. und 4. Luftwaffendivision auf Luftangriff bzw. Luftverteidigung. Die 6. Luftwaffendivision wurde aufgelöst und das neue Kommando der Luftwaffenunterstützungsgruppe Nord übernahm von Münster aus die Führung der Luftwaffenlogistik und Unterstützungskräfte im Norden. Die Verlegung der 3. Luftwaffendivision nach Kalkar war um 1970 abgeschlossen. Dort erfolgte in einem NATO-Bunker unter dem Paulsberg bei Uedem die Einsatzführung für die Jagdbomber- und Aufklärungsgeschwader im Norden und das Flugkörpergeschwader 2 mit Pershing I in Geilenkirchen. Am Standort Kalkar/Uedem befindet sich heute die einzige operative Führungszentrale der Luftwaffe. Für alle Transportverbände der Luftwaffe wurde in Münster in der Luftwaffenstruktur II das Lufttransportkommando aufgestellt. Der Standort Münster war auch für die gesamte Bundeswehrgeschichte von Bedeutung. Das Preußenstadion in Münster wurde zu einem Schauplatz für die Traditionsstiftung der Bundeswehr als der damalige Heeresinspekteur de Mazière die Truppenfahnen für 319 Heeresbataillone im Preußenstadion am 24.4.1965 übergab. Hohe Gäste waren zu begrüßen als Bundespräsident Gustav Heinemann 1970 in Handorf in Begleitung von Verteidigungsminister Helmut Schmidt einen Truppenbesuch unternahm. Heinemann war von seinem politischen Werdegang her ein Gegner der Wiederbewaffnung gewesen, stellte sich aber den protokollarischen Aufgaben des Staatsoberhauptes bei der Einbindung der Streitkräfte in den demokratischen Staat. Jahre später heftete der NRW-Ministerpräsident und spätere Bundespräsident Johannes Rau in Telgte das Fahnenband NRW an die Truppenfahne des Panzerbataillons 194 und setzte so ein Symbol der Verbindung von Gesellschaft und Streitkräften. 1995 wurde im Beisein der Verteidigungsminister der Bundesrepublik und der Niederlande ein gemeinsamer Korpsstab in Dienst gestellt, der für die übernationale Integration der Streitkräfte in Europa wegweisend werden sollte. 2015 erschien König Wilhelm der Niederlande zum Jubiläum und nahm während des Festaktes den protokollarischen Beitrag des Luftwaffenmusikkorps Münster vor dem historischen Rathaus ab. Das Münsterland wurde in späteren Jahren auch Standort für zentrale Lehreinrichtungen der Bundeswehr. Für die Sportschule der Bundeswehr erfolgte 1974 die Grundsteinlegung in der alten Kaserne von Warendorf, damit diese bisher in Sonthofen untergebrachte Einrichtung eine neue moderne Infrastruktur vorfinden konnte. Ab 1990 wurde in Handorf die Heeresunteroffizierschule I nach Auflösung des Panzergrenadierbataillons 193 und der Panzerjägerkompanie 190 aufgestellt Die NATO war in Senden mit einer Fernmeldezentrale für den Weitverkehr präsent, die Long Range Communication Organisation (LCO). Die Unterkunft des deutschen Anteils befand sich in der Haard-Kaserne, Datteln. Diese Einrichtung war mit einem besonders sensiblen Bereich der Bündnisstrukturen befasst und blieb weitgehend außerhalb öffentlicher Wahrnehmung.

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Führung für die Luftwaffe Die Präsenz der Luftwaffe im Münsterland in der Kaserne in der Richthofenstraße erforderte nicht nur Stabspersonal für die Luftwaffengruppe Nord und 3. Luftwaffen-division bzw. später für die Luftwaffenunterstützungsgruppe Nord und das Lufttransportkommando, sondern auch Führungsdienstpersonal der Luftwaffenfernmeldetruppe. Die Hauptquartiere benötigten Fernmeldezentralen und -verbindungen als Führungsmittel. Diese stellte das I. Bataillon des Luftwaffenfernmelderegiment 11 (Regimentsstab in Osnabrück) in Münster sicher.. Ende der 80er Jahre wurde dieser Bataillonsverband mit der Luftwaffenstruktur 3 in den Luftwaffenfernmeldesektor 112 umstrukturiert. Das Lufttransportkommdo führte den Einsatz aller Lufttransportgeschwadern und der Flugbereitschaft BMVg. Neben den drei Lufttransportgeschwadern 61, 62 und 63 (Landsberg, Wunstorf, Hohn bei Rendsburg) mit den Transportflugzeugmustern NORATLAS bis ca. 1970 und danach TRANSALL gehörten dazu auch das Hubschraubertransportgeschwader 64 in Ahlhorn (Bell UH-1D) und die Flugbereitschaft BMVg in Köln-Wahn mit einer gemischten Ausstattung von Verkehrsflugzeugen und Hubschraubern. Unter dem Dach des Lufttransportkommandos koordinierte das SAR-Kommando in Goch alle Rettungseinsätze über Land Im ganzen Münsterland befanden sich Teile des Führungsnetzes der Luftwaffe in zwei parallelen und durch Querverbindungen vernetzten Richtfunkstrecken. Es handelte sich um kleine, meist bemannte Fernmelderelais oder -schaltstationen in Reken, Seppenrade, Beckum, Bad Iburg, Wettringen, Ottenstein, Bocholt und in den Luftwaffenkasernen. Der Norden des Fernmeldenetzes der Luftwaffe gehörte bis zur Abgabe dieses Dienstes an die Streitkräftebasis zum Verantwortungsbereich des Luftwaffenfernmelderegiments 11 in Osnabrück, dessen Stab nach 1990 nach Visselhövede verlegte. In Kalkar lag das II. Bataillon und in Gütersloh befand sich eine Luftwaffenfernmeldeeinheit des Regiments für einen mobilen Einsatz. Nach Übergabe an die Streitkräftebasis war das Netz in seiner Endphase bis ca. 2008 dem Fernmeldebataillon 384(SKB) in Karlsruhe unterstellt. Der Betrieb sollte danach durch ein bundeswehrgemeinsames Fernmelde- und IT-Netz zum Teil in ziviler Regie abgelöst werden. Die weit dislozierten Fernmeldestationen wurden geräumt. Für das Lufttransportkommando gab es eigene Funkstellen in Milte und Albersloh. Seit 1956 waren die Luftwaffenfernmelder in der Kaserne „Am Pulverschuppen“ hinter dem Dortmund-Ems-Kanal untergebracht. Auf die größte Kontinuität der Luftwaffe am Standort Münster seit 1956 konnte das Luftwaffenmusikkorps 3 zurückblicken.

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Fernmeldeschalt- und Relaisstation Seppenrade 2008

Neben malerischen Gebäuden der alten Kaserne von Warendorf beherbergt der Standort für die

Sportschule der Bundeswehr eine moderne Sportinfrastruktur (Aufnahme 2014)

Die verlassene NATO-Einrichtung der LCO-Senden (Aufnahme ca. 2007)

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Panzergrenadierbrigade 19 in Ahlen und Handorf

Die Panzergrenadierbrigade 19 der 7. Panzerdivision war die „Hausbrigade des Münsterlandes“ und trug auch diesen Beinamen. Der Stab und die Stabskompanie befanden sich in Ahlen. Ein Foto von einem Gelöbnis in Handorf 1963 dokumentiert den seit 1959 bestehenden Standort in der Anfangszeit. Der Schützenpanzer HS 30 gehörte zum Panzergrenadierbataillon 193 und der Flugabwehrpanzer M 42, zum Panzerflugabwehrbataillon 7, das bis Anfang der 70er Jahre in der Lützow - Kaserne in Handorf zwischenstationiert war. Die folgenden Fotos erinnern an das Panzerbataillon 194 in Handorf, das als Panzerjägerbataillon 5 in Wetzlar 1956 aufgestellt worden war. Dieser Panzerverband der ersten Stunde verfügte in seiner Erstausstattung über 54 Kampfpanzer M 47, von dem ein aufgearbeitetes Exemplar noch am Eingang der Rommel-Kaserne in Augustdorf begutachtet werden kann. Während der Kubakrise1962 standen sie abmarschbereit im T-Bereich Handorf. Im gleichen Jahr begann die Umrüstung auf den M 48. Der M 47 hatte einen hohen Benzinverbrauch und geringen Fahrbereich, aber eine hohe Munitionsbeladung des Kalibers 90 mm. Anfangs gab es auch noch einen Funker als fünftes Besatzungsmitglied.

M 47 - Kampfpanzer der Anfangsjahre (Aufnahme Augustdorf 2012)

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Die Schnappschüsse mit einer Pocketkamera vom Sommer 1979 sind zwar von geringer Fotoqualität, vermitteln aber authentische Eindrücke aus dem Standort Handorf: Verladung von Schützenpanzern MARDER des Panzergrenadierbataillons 193 an der Rampe beim Block Ems und abgestellte LEOPARD 1 im T-Bereich des Panzerbataillon 194.

1967 löste der LEOPARD 1 den M 48 ab. Manövereindrücke aus den folgenden Jahrzehnten vermitteln einen Eindruck dieses bewährten Waffensystems. In den frühen 70er Jahren erfolgte die Einführung des Schützenpanzers MARDER, der immer noch im Bestand ist. 1970 erfolgte im Rahmen der Umbaus zur Heeresstruktur II die Abgabe des nicht gepanzerten Panzergrenadierbataillons 192 (mot.) in Ahlen als Jägerbataillon 441 an das neu aufgestellte Heimatschutzkommando 15, in der Heeresstruktur IV in Jägerbataillon 531 umbenannt. Das alte Panzergrenadierbataillon 191 in Ahlen mit Schützenpanzern HS 30 wurde in das neue Panzergrenadierbataillon 192 umbenannt und erhielt um 1972 wie das Panzergrenadierbataillon 193 den Schützenpanzer MARDER.

PzBtl 194 am Ortsrand von Laer bei Firm Riposte 1985

Das spätere Panzerartilleriebataillon 195 aus Handorf führte beim Besuch des US-Präsidenten Kennedy 1963 noch den Salutauftrag als Feldartilleriebataillon 195 mit

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Feldhaubitzen 105 mm (L) aus, die im Bataillon um 1967 durch die Panzerhaubitze M 109 G abgelöst wurde.

Schützenpanzer MARDER des PzGrenBtl 192 beim Tag der offenenTür in Handorf 2005

Zur Brigade gehörte noch die Panzerjägerkompanie 190 mit Kanonenjagdpanzern 90 mm und Raketenjagdpanzern in Handorf, die Panzerpionierkompanie 190 in Ahlen und das Versorgungsbataillon 196, das 1972 in der Nachschubkompanie 190 Ahlen und Instandsetzungskompanie 190 Handorf aufging. Eine Panzeraufklärungskompanie 190 gab es in der Heerstruktur IV beim alten Panzeraufklärungsbataillon 7 in Augustdorf und die sehr wechselhafte Aufstellungsgeschichte einer ABC - Abwehrkomponente der Brigade, die am Ende in die ABC-Abwehrkompanie 7 in Ahlen und deren Verlegung nach Emden 1977 mündete, ist in wenigen Zeilen nicht darzustellen In der neuen Heeresstruktur IV erfolgte in den 80er Jahren die Aufstellung eines vierten gemischten Kampftruppenbataillons in Ahlen, das Panzer- und Panzergrenadierkompanien integrieren sollte, die in der Friedensgliederung bei den Bataillonen 192, 193 und 194 als aktive Einheiten bestanden. Das Bataillon sollte für den Einsatz und Übungen zusammentreten, ansonsten blieben seine Teile den anderen aktiven Bataillonen unterstellt. Hintergrund war eine Verkleinerung der Kampfkompanien, um deren Führbarkeit zu verbessern und die taktische Einsatzflexibilität durch eine größere Zahl von Manöverelementen zu erhöhen. Dieses Panzergrenadierbataillon 191 darf nicht mit dem früheren Bataillon gleicher Nummer am gleichen Standort verwechselt werden. In den 90er Jahren erfolgte eine Reduktion der Panzergrenadierbrigade 19 auf eine Aufwuchsbrigade mit nur 2 aktiven Kampfbataillonen: dem Panzergrenadierbataillon 192 (Ahlen), dem Panzerbataillon 203(Hemer) und dem Panzerartilleriebataillon 205 (Dülmen) plus zwei nicht aktiven Aufwuchsbataillonen (Panzergrenadierbataillon 202 Hemer, Panzerbataillon 204 Ahlen-> Hemer). Kurzfristig kam es Mitte der 90er Jahre zur Fusion der Brigade mit dem VBK 33 (ehemals Münster).

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Mit der „Scharpingreform“ ab 2001 wurde die Panzergrenadierbrigade 19 im folgenden Jahr außer Dienst gestellt. Die Bataillone 192 und 203 gingen an die Panzerbrigade 21, das Panzerartilleriebataillon 205 wurde aufgelöst. Das Panzergrenadierbataillon 192 wurde mit der „Struckreform“ 2006 aufgelöst. Das Panzerbataillon 203 besteht weiterhin als Teil der Panzerbrigade 21 am Standort Augustdorf. Das Wappen der Heeresunteroffizierschule I in Handorf mit der Elchschaufel erinnert noch an die Wurzeln der Schule im 1990 als aktiver Verband aufgelösten Panzergrenadierbataillons 193.

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Die „Siebte“ – Division zwischen Rhein und Weser Das Gliederungsbild zeigt den Schwerpunkt der 7. Panzerdivision in Ostwestfalen und im märkischen Raum bzw. der Hellwegzone (Augustdorf, Höxter, Hemer, Lippstadt, Hamm. Stab und Logistik in Unna), zeitweise gab es auch Teile im Rheinland (Geilenkirchen, Wuppertal, Hilden und Düsseldorf), u. a. als Folge der Verlegung des Stabes von Unna nach Düsseldorf in den 90er Jahren.

Im Münsterland lagen neben der Panzergrenadierbrigade 19 noch das Artillerieregiment 7 in Dülmen, das Panzerflugabwehrbataillon / regiment 7 in Borken und ab 1975 zwei Bataillone der erst zu dieser Zeit voll aufgestellten Panzerbrigade 20 (Panzerbataillon 204 Ahlen, Panzerartilleriebataillon 205 Dülmen, aus der Korpsartillerie abgezweigt). Im Münsterland lag der Schwerpunkt der Stationierung bei den Korpstruppen. Die Einsatzrolle der 7. Division innerhalb der NORTHAG und ihre zeitweilige Zuordnung zum III. Korps bis 1970 wurde schon erwähnt. Die Differenzierung zwischen der truppendienstliche Unterstellung und Einsatzplanung im General Defence Plan (GDP) war kein Einzelfall (6. Panzergrenadierdivision im Bereich AFNORTH, 12.Panzerdivision als Teil eines US. Korps im Bereich CENTAG, 3.Panzerdivision im Gefechtsstreifen der Niederländer). In dem für die „Siebte“ denkbaren Einsatzraum stellte die Weser ein Gewässerhindernis dar, so dass häufiger die Option des

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Tiefwatens mit Kampfpanzern geübt wurde. Die Kooperation mit den beiden Korps der Briten und Belgier war aus militärgeographischen Gründen naheliegend und führte zu Patenschaften mit der britischen 4. mechanisierten Brigade in Münster und der 4. belgischen Panzerinfanteriebrigade in Soest. Zuerst bestand der Großverband als 7. Panzergrenadierdivision, da die Aufstellung der dritten Brigade mit der Nr.20 als Panzerbrigade in der Struktur II nur in Teilen erfolgte und erst im Vorlauf zur Heeresstruktur IV verwirklicht werden konnte. Danach erfolgte 1980 die Umbenennung in 7. Panzerdivision. Die Brigade 20 hatte eine wechselhafte Geschichte. Nachdem in der Heeresstruktur II keine Vollaufstellung möglich war, erfolgte 1970 die Auflösung und Nutzung der vorhandenen Verbände zur Aufstellung des Heimatschutzkommandos 15 in Wuppertal bzw. Unna und zum kurzlebigen Panzerregiment 100 in Hemer. Damit erhielt das Wehrbereichskommando III Düsseldorf eine personalstarken brigadeähnlichen Großverband des Territorialheeres und das I. Korps eine gepanzerte Reserveformation, die sich aber nicht bewährte. Im Rahmen der Truppenversuche für die Heeresstruktur IV und Aufstockung der Bundeswehrhöchststärke gelang 1975 die Neuaufstellung der Panzerbrigade 20 (Stab in Iserlohn). Die Aufstellung des Panzerbataillons 204 in der Westfalen-Kaserne in Ahlen führte dort zu einer ziemlichen Überbelegung. Mangels Schleppdächern standen die LEOPARD II unter Planen. Das Panzerflugabwehrbataillon 7 wurde 1971 von Handorf nach Borken verlegt, nachdem die Korpsfernmelder der Fernmeldebataillone 110 und 130 in die neue Freiherr – vom –Stein - Kaserne nach Coesfeld - Flamschen umziehen konnten. Die Panzerflak war relativ lange mit „Oldtimern“ ausgestattet. Die Flugabwehrpanzer M 42 waren mit ihren optisch gerichteten 2 x 40mm /L60 - Kanonen nicht mehr zeitgemäß. Die Besatzung hatte keinen geschlossenen Turm als Schutz. Die vierte Batterie mit den 40 mm / L 70 Flugabwehrkanonen besaßen immerhin schon je ein Feuerleitradar mit Rechner für jeden Feuerzug. Diese Batterie gab man aber 1970 zur Aufstellung des Korpsflugabwehrbataillons 110 in Wuppertal ab. Ab 1978 erhielt der Verband in Borken den modernen Flugabwehrpanzer GEPARD und wurde zum Regiment mit zwei Panzerflugabwehrverbänden umgegliedert. In den letzten Jahren ab 2002 bis zur Auflösung 2007 erhielt der Verband noch den Flugabwehrraketenpanzer ROLAND und wurde der Heeresflugabwehrbrigade 100 im Heerestruppenkommando unterstellt.

FlaPz GEPARD des PzFlaRgt 7 aus Borken beim Aufmarsch im Raum Selm / Bork bei der Korpsübung „Starke Wehr“ im

September 1982 © A.Irmer

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Ein großer Auftritt gelang der 7. Panzergrenadierdivision beim Korpsmanöver des III. Korps „Großer Rösselsprung“ im östlichen Sauerland und Nordhessen im September 1969. Der seit wenigen Jahren eingeführte Kampfpanzer LEOPARD 1 bestand seine Bewährungsprobe im Gelände und auf langen Straßenmärschen. Man sah aber auch noch älteres Gerät wie Schützenpanzer HS 30, Spähpanzer HOTCHKISS, FlakPanzer M 42 und Feldhaubitzen 105 mm. Bei den Überlegungen zur Heeresstruktur 2000 in der zweiten Hälfte der 80er Jahre wurde erwogen, die Division zu einem hochmobilen Verband und unter Einschluss luftmechanisierter Kräfte mit Hubschraubern umzugliedern. Die hohe Zahl der Einsatzverbände in der Heeresstruktur IV war auf Dauer nicht zu halten und man musste an eine Reduzierung oder Kaderung auch von Einheiten der ersten Linie denken. Der Fortbestand der Divisionsartillerie war nicht mehr sicher. Das Feldartilleriebataillon 71 wurde ab 1990 zeitweise als artilleristischer Beitrag zur NATO-Eingreiftruppe für Nordnorwegen eingeplant. Die „Siebte“ überlebte das erste „Streichkonzert“ ab 1992, blieb als mechanisierter Verband erhalten, verlegte den Stab von Unna nach Düsseldorf und fusionierte dort mit dem Stab des WBK III. Die Panzerbrigade 20 wurde aufgelöst und verschmolz mit der ebenfalls stark reduzierten Panzergrenadierbrigade 19. Die Panzerbrigade 21 blieb bis heute erhalten, verlor aber im Laufe der Jahre ihre beiden eigenen Panzerbataillone 213 und 214, die später durch das Panzerbataillon 203 ersetzt wurden. Das Bataillon verlegte deshalb 2006 von Hemer nach Augustdorf. In der Phase der Fusion der Stäbe von 7. Panzerdivision und dem Wehrbereich III 1994- 2001 war die Division nicht nur ein operativer Verband, sondern hatte auch territoriale Aufgaben wahrzunehmen. Ihr unterstanden zu diesem Zweck die Verteidigungsbezirkskommandos 31 (Köln, später Hilden), 34 (Arnsberg) und 35 (Augustdorf). Aus dem Territorialheer waren zum Beispiel auch das nicht aktive Ersatzbataillon 802 (Düsseldorf) und Feldausbildungsregiment 89 (Aachen, Schule der Technischen Truppen) übernommen worden. Aus dem Territorialheer stammte auch das neue Fernmeldebataillon 820 in der Bergischen Kaserne in Hubbelrath östlich von Düsseldorf, das als Fernmeldeverbindungsbataillon dem Fernmeldekommando 800 im Territorialkommando Nord angehört hatte und jetzt das Fernmeldebataillon 7 in Lippstadt als Divisionsfernmeldeverband ersetzte. Die Neuausrichtung nach 2011 führte in Augustdorf nun auch zur Auflösung der Brigadeartillerie (Panzerartilleriebataillon 215). Zeitweise hatte die 7. Division noch die Panzerbrigade 14 in Hessen übernommen, wurde dann aber in der Ära des Verteidigungsministers Struck 2006 doch aufgelöst. Das immer zur Division gehörende Sanitätsbataillon/Sanitätsregiment 7 in Hamm wurde als Sanitätsregiment 22 in den zentralen Sanitätsdienst eingegliedert und verlegte 2007 nach Ahlen . Es wird bis 2016 aufgelöst und in einen anderen Verband in Rennerod und Koblenz integriert.

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Artillerie in Dülmen

Die Fotos zeigen Einsatzszenen mit den in den ersten beiden Jahrzehnten dominierenden Artilleriesystemen M 107 und M 110 bei den regelmäßigen Schießaufenthalten auf Truppenübungsplätzen, vor allem in Munster-Süd. Die M 107 mit einem langen Rohr vom Kaliber 175 mm verfügte über eine Schussweite von ca. 30 km und konnte ausgewählte Ziele hinter der Frontlinie eines Angreifers bekämpfen oder auf breiter Front das eigene Feuer der Panzerartillerie unterstützen. M 107 wurden von der zweiten und dritten Batterie des Feldartilleriebataillons 71 eingesetzt. Die vierte Batterie verfügte über sechs Haubitzen vom Kaliber 203 mm auf Selbstfahrlafetten M 110. Sie waren vor allem im Rahmen der Abschreckungsstrategie der „Flexible Response“ für den Einsatz atomarer Munition vorgesehen.

M 107 des FArtBtl 71 in Grafenwöhr 1969 © B.Schnieders

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Wehrpflichtige vor ihren M110 vom Feldartilleriebataillon 71 (1969) ©Björn Halberstadt

Die abgebildeten Soldaten vor den schweren Haubitzen tragen noch Anzüge aus Moleskin, die sich bei ihrer Einführung großer Beliebtheit erfreuten und das Aussehen der Truppe in den „Abschreckungsjahren“ prägten, bevor ab Mitte der 90er Jahre die Feldkleidung in Flecktarn das Bild der Bundeswehr bestimmte. Neben einer M 110 steht als Munitions- und Begleitfahrzeug ein LKW 7 t von „MAGIRUS“ (Klöckner-Humboldt-Deutz). Er wies mit seiner luftgekühlten lauten 178-PS-Maschine ein etwas günstigeres Leistungsgewicht auf als der bewährte Standard-„Fünftonner“ MAN 630 L.

M 110 und 7 t gl von MAGIRUS © B. Schnieders

Ende der 70er Jahre ersetzte die von Deutschland, Italien und Großbritannien entwickelte Feldhaubitze 155 mm die M 107, wie man auf zwei Fotos von einem Schießplatzaufenthalt in Munster-Süd im Herbst 1983 sehen kann. Die sog. Feldhaubitze 70 bot wie M 107 und M110 keinen Panzerschutz für die Besatzung und war keine Selbstfahrlafette, verfügte aber über einen Hilfsantrieb, der sie im Gelände zum Beziehen von Stellungen vom Zug- und Munitionsfahrzeug 7t gl unabhängig machte. Die Abkürzung „gl“ verweist auf die Geländegängigkeit, während die

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Tonnenzahl bei den Fahrzeugbezeichnungen der Bundeswehr immer die Nutzlast meint, nicht das Gesamtgewicht .

FH 155-1 und LKW 7tgl in Munster-Süd 1983

Die M 107 wurden nicht ausgemustert, sondern an die Korpsartillerie abgegeben. Dabei wurden sie wie auch die M 110 mit einem längeren Rohr des Kalibers 203 mm ausgestattet und zum Modell M 110 A 2 kampfwertgesteigert. Diese neuere Version mit dem längeren Rohr war, wie ein Foto vom 1.11.1983 belegt (s. S. 62), zu dem Zeitpunkt bereits im Bataillon vorhanden. Zum Schutz der aufgesessenen Besatzung vor der Witterung wurde später auch ein textiler Wetterschutz nachgerüstet. Mit der Artilleriestruktur 1985 verfügte das Feldartilleriebataillon 71 über zwei Batterien zu je 9 Feldhaubitzen 155-1 und zwei Batterien zu je 9 M 110 A2. Die zusätzlichen M 110 A 2 kamen aus dem Bestand der sechs gekaderten Rohrbataillone der Verstärkungsartillerie in den drei Korpsartilleriekommandos, die um 1980 die dort bisher verwendeten leichten Feldhaubitzen 105 mm (L) an das Territorialheer abgeben und gegen M 107 eintauschen konnten, welche durch die Einführung der FH 115-1 in den Artillerieregimentern frei geworden waren. Die Kampfwertsteigerung aller M 107 und M 110 auf den Standard M 110 A2 (u.a. verlängertes Rohr mit Mündungsbremse und Wetterschutzaufbau) reihte in den letzten Jahren ihres Bestehens die Korpsbataillone noch in die schwere Artillerie ein. An dem Nuklearauftrag des Rohrbataillons der Divisionsartillerie änderte sich nichts. Allerdings stellten die Amerikaner keine Nuklearmunition für die aus europäischer Produktion stammende FH 155-1 zur Verfügung. Ein Foto vom Schießplatzaufenthalt auf den Truppenübungsplätzen Munster-Süd und Bergen im Herbst 1983 zeigt die Verladung von leeren Munitionskartuschen auf einem der neuen LKW 10 gl der ab 1976 eingeführten II. KFZ-Generation, die Ende der 70er Jahre in 22 Exemplaren pro Bataillon die alten Munitionstransporter Faun 912 mit der Doppellenkachse abgelöst hatten. Das Deckblatt zur Artillerie in Dülmen zeigt oben links eine Grafik dieser Ungetüme aus der I. KFZ-Generation.

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Verladung von Munitionskartuschen auf 10t gl des FArtBtl 71 nach dem Schießen - TrpÜbPl Bergen 1983

Der Wagenpark der Bundeswehr auf den Straßen der Region wurde ab 1977 immer mehr durch die geländegängigen standardisierten 5-Tonner, 7-Tonner und 10-Tonner von MAN, 2-Tonner UNIMOG von Daimler Benz und in noch größerer Zahl von aus der Zivilproduktion abgeleiteten teilmilitarisierten LKW von Daimler Benz (2t L 508, 5t L 1017) , MAN (7 t und 10t) und IVECO (5 t M11 FL, Straßentankwagen 18.000l, 30.000 l) in den gleichen Gewichtsklassen geprägt. Bis in die späten 80er Jahre, bei Spezialfahrzeugen auch darüber hinaus, waren aber noch Exemplare der vertrauten Flotte von Altfahrzeugen wie der MAN 630 L „Fünftonner“ zu sehen. Er hat wie der LEOPARD und der STARFIGHTER das Bild der frühen Bundeswehr geprägt.

MAN 5t vom NschBtl 110 mit Marschkredit bereit zum Abmarsch - Stetiger Umschlag III 1984

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Zahlreiche geländegängige Fahrzeuge der Folgegeneration sind übrigens noch heute in Verwendung und werden das Einsatzalter ihrer Vorgänger weit übertreffen. Seit den 90 Jahren läuft in kleineren Stückzahlen die Beschaffung einer weiterentwickelten Serie dieser geländegängigen LKW aus dem Hause MAN, zu denen die Wechselpritschenfahrzeuge MULTI und eine Reihe von Trägerfahrzeugen für spezielle Systeme (z.B. Flugabwehr) gehören. Dagegen sind die meist noch aus den 70er Jahren stammenden teilmilitarisierten 2-Tonner, 5-Tonner, 7-Tonner und 10-Tonner von MAN und Daimler Mercedes mit der Bereitstellung moderner, auch wieder geländegängiger LKW (MERCEDES Axor, Unimog 3000, Zetros, MAN TGA , IVECO Eurocargo , Trakker, Straßentankwagen FSA) durch die Bundeswehrfuhrpark Service GmbH in den letzten Jahren ausgeschieden. Bei den leichten Geländefahrzeugen bestimmt der Mercedes WOLF heute den Wagenpark der „Jeeps“ in der Bundeswehr. Sein Vorgänger VW ILTIS, der noch aus dem DKW MUNGA der ersten Generation abgeleitet worden war, konnte sich nur anderthalb Jahrzehnte halten. Das Bild und die Wahrnehmung des Militärs in der Öffentlichkeit werden in hohem Maße durch ihre Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr bestimmt. Das ist sicher einer der Gründe weshalb die zahlreichen nicht geländegängigen im weißen Zivillack nach ökonomischen Gesichtspunkten eingeführten Fahrzeuge der Bundeswehrfuhrpark Service GmbH nicht so begrüßt werden. Ob moderne aufgedruckte Logos den besonderen Charakter des Militärischen in einer auf Äußerlichkeiten ausgerichteten Medien- und Konsumgesellschaften so vermitteln wie gelbolive Anstriche oder Flecktarnmuster mag man bezweifeln.

Präsentation der neuer Mercedes Axor und MAN TGA beim Tag der offenen Tür im Depot Ochtrup 2008

Nach diesem Exkurs zurück zum Artillerieregiment 7! Es war in Ahlen (Stab, Stabsbatterie), Lippstadt (Feldartilleriebataillon 71) und Handorf ( Raketen-artilleriebataillon 72 mit HONEST JOHN) aufgestellt worden und war von 1966 - 2002 in der neu errichteten St.-Barbara-Kaserne in Dülmen stationiert. Zur Erstausstattung gehörte die amerikanische Feldhaubitze M114 Kaliber 155, die beim Tag der offenen Tür in Augustdorf vor einigen Jahren vom Panzerartilleriebataillon 215 präsentiert wurde. Diese Feldhaubitzen wurden von Kettenzugmaschinen aus alten US-Beständen

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bewegt. Bei ihrer späteren Weiterverwendung in Kadereinheiten zog man LKW als Zugmittel vor.

M 114 Kaliber 155 präsentiert vom PzArtBtl 215 beim Soldatentag in Augustdorf

Ab 1964 erfolgte die Einführung von US-Geschützen auf Selbstfahrlafetten (M 107, M 110 , s.o.). Das 1965 - 66 in Handorf zwischenstationierte Raketenartilleriebataillon 72 verfügte über Raketenwerfer auf US-LKW für den ungelenkten nuklearen Flugkörper HONEST JOHN. Das Bataillon 72 sollte eine wechselhafte Geschichte erleben. 1970 wurde es in Dülmen zur Aufstellung des Feldartilleriebataillons 110 herangezogen und in Geilenkirchen als Lehrbataillon der Raketenschule des Heeres neu aufgestellt. In der Heeresstruktur IV verlegte es nach Wuppertal. Die Raketenwerfer HONEST JOHN wurden Ende der 70er Jahre ausgemustert. Dem Bataillon verblieben aber die in den 70er Jahren eingeführten Mehrfachraketenwerfer LARS auf LKW-Lafetten MAGIRUS, die eine große Ähnlichkeit mit den „Stalinorgeln“ der Roten Armee aufwiesen. Ein Element des Raketenartilleriebataillons war allerdings immer in Dülmen verblieben. Die 4. Batterie hatte einen Sicherungsauftrag für die Nuklearmunition der Division und war vom Einsatz her eng an das Sonderwaffenlager in Dülmen - Visbeck gebunden. Als selbstständige Begleitbatterie 7 unter dem Dach des Artillerieregiments 7 blieb die Einheit bis zum Abzug der US-Sprengköpfe 1992 in Dülmen erhalten.

Sonderwaffenlager Visbeck zwischen Dülmen und Seppenrade

1970 kam es in Dülmen zur Aufstellung eines aktiven konventionellen Feldartilleriebataillons der Korpsartillerie (s.o.), dem Feldartilleriebataillon 110 mit Feldhaubitzen 105 mm (L). Diese waren im Feldheer frei geworden, nachdem dort die

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Brigaden durch ein zweites Los von Panzerhaubitzen M 109 bis 1971 vollständig mit Panzerartillerie ausgestattet werden konnten. Das neuen Bataillon in Dülmen stellte den Kaderverband für zwei nicht aktive Rohrbataillone der Verstärkungsartillerie des Artilleriekommandos 1 dar (Nr. 110 aktiv Dülmen, 120 nicht aktiv Unna-Massen). Von 1975-86 blieb nach Aufstellung des Panzerartilleriebataillons 205 nur noch eine aktive Batterie (2./FArtBtl 110) als Kaderverband in Dülmen, die in den 80er Jahren mit Austausch der Feldhaubitzen 105 gegen M 107 bzw. M 110 A2 zu einer schweren Batterie wurde (s.o.). 1986 endete der Auftrag dieser Batterie mit Auflösung der konventionellen Korpsartillerie (Feldartilleriebataillone 110, 120). Durch Abgabe von überzähligen M 110 A2 an das Feldartilleriebataillon 71 wuchs dies auf 36 Rohre (18 FH 155-1, 18 M110 A2) an. Im Zusammenhang mit dem Auftrag für die NATO - Composite Force für Nordnorwegen (s.o.) von 1990 bis 1993 musste es dafür seine Feldhaubitzen 155-1 durch die leichteren, aber älteren Feldhaubitzen 105 (L) ergänzen und erhielt auch leichte Kettenfahrzeuge für den Schneeeinsatz. So kam es zu der ungewöhnlichen Mischung von leichten, mittleren und schweren Systemen der Kaliber 105 mm, 155mm und 203 mm. Die M 110 A2 wurden mit dem Ende des nuklearen Auftrages 1991 aber nicht mehr benötigt und verschwanden in den Depots. Die leichten Feldhaubitzen wurden in Norwegen eingelagert und der NATO-Auftrag wurde an das Gebirgsartilleriebataillon 225 in Füssen abgegeben. Im Heer für neue Aufgaben führte das Bataillon eine Mischung von Artillerieaufklärungssystemen in einer und 16 Panzerhaubitzen M 109 G in zwei Batterien. Als Beobachtungspanzer-artilleriebataillon 71 erhielt der Verband ab 1999 auch noch die neue Panzerhaubitze 2000.

Panzerhaubitze 2000 in den letzten Wochen des Beobachtungspanzerartilleriebataillons 71 bei einer

Vorführung am Abschiedstag in der Haard-Kaserne Datteln und im T-Bereich der Barbara-Kaserne neben ihrem Vorgänger M 109G A3 vom Panzerartilleriebataillon 205 (Frühjahr und Sommer 2002)

Zwei Einheiten der aufklärenden Artillerie mit Artillerieortungsmitteln zur Messung von Schall-, Licht- und Radarsignalen gegnerischer Artilleriekräfte waren in Dülmen seit den 60er Jahren in Batteriestärke stationiert und wurden in der Heeresstruktur IV der 80er Jahre zum Beobachtungsbataillon 73 ausgebaut. Über das weitere Schicksal der Artillerie in Dülmen berichtet das Kapitel Truppenumbau und –abbau.

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Korpstruppen – Unterstützung in Divisionsstärke Münster war durchweg Hauptquartier des I. Korps. Neben den unterstellten Divisionen stand dem Korps auch eine umfangreiche Zahl von Bataillonen in Divisionsstärke für Unterstützungsaufgaben zur Verfügung: Führungsunterstützung (Fernmelder), Heeresflieger, Artillerie, Pioniere, Flugabwehr, Sanität, Nachschub und Instandsetzung gegliedert in Korpskommandos, deren Stäbe fast alle in Münster beheimatet waren. In unmittelbarer Nähe zum Korpsstab in Münster waren die Führungstruppen stationiert: Stabskompanie I. Korps und Topographiebatterie 101 (Blücherkaserne), die Fernmeldebataillone 110 und 130, erst in Borken, ab 1970/1 in Coesfeld (Freiherr – vom -Stein - Kaserne). Das Fernmeldebataillon 110 war ein Betriebsbataillon für die Unterhaltung der Fernmeldezentralen und des Funkverkehrs, das Fernmeldebataillon 130 stellte die mobilen Richtfunkverbindungen sicher. Die Logistiktruppen des Korpsnachschubkommandos 1 lagen in Rheine - Gellendorf und in der Theodor-Blank-Kaserne mit einzelnen Kompanien in Dülmen und Wesel. Das Nachschubbataillon 110 versorgte die Korpstruppen mit Mengenverbrauchsgütern und Einzelverbrauchsgütern, das Transportbataillon 170 leistete Transportaufträge im Korpsgebiet und diente der Schwerpunktbildung, das Instandsetzungsbataillon 120 in Coesfeld und Dülmen diente der Materialerhaltung in den Korpstruppen. Das Instandsetzungsbataillon 110, das aus dem technischen Bataillon Sonderwaffen 160 in Delmenhorst entstanden war, betreute von Coesfeld und Wesel aus Spezialgerät (Elektronik, Lenkwaffen). Die ca. 20 Korpsdepots lagerten Mengenverbrauchsgüter im rückwärtigen Gebiet des vorgesehenen Korpsgefechtsstreifens in Niedersachsen, außerdem gab es noch nicht aktive Einheiten, wie das Transportbataillon 180

Die letzten FAUN 908 10t beim TrsptBtl 170 Bentlage 1978 ©Larken

Aufgrund der fehlenden großen Ströme lagen die Korpspioniere nicht im Münsterland, sondern in Minden (PiBtl 110 und 130) und Dörverden (PiBtl 120) an der Weser und im rheinischen Emmerich (PiBtl 140).

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Eine besondere Rolle spielte das Artilleriekommando 1 in Münster wegen seiner Planungsaufgabe im möglichen Nukleareinsatz. Es kooperierte mit den US-amerikanischen Einheiten, welche die Nukleargefechtsköpfe in Verwahrung hatten wie die 552nd US Artillery Group in Sögel. (s.u.) Als nukleare Trägersysteme der Korpsartillerie stellte das 1965 von Warendorf nach Hamminkeln bei Wesel verlegte Raketenartilleriebataillon 150 die Raketensysteme SERGEANT auf Radlafette und als Nachfolger ab 1976 das Lenkwaffensystem LANCE auf leichten Kettenfahrzeugen bereit. Daneben existierte eine gekaderte konventionelle Verstärkungsartillerie (s.o.). Ein besonders hohes Maß an Kaderung wiesen die korpseigenen Sanitätskräfte auf. Das aktive Sanitätsbataillon 110 war in Budel (NL) stationiert, eine aktive Krankentransportkompanie existierte als aktive Kompanie des Krankentransport-bataillons 130 in Leer. Mitte der 60er Jahre erfolgte die Aufstellung der nicht aktiven Sanitätsbataillone 120 und 130 in Bocholt. Ihre Mobilmachungsstützpunkte lagen später in Ochtrup und Vechta. Das Korps verfügte auch über eigene gekaderte Lazarette. Das Lazarett 112 in Osnabrück war sogar zeitweise aktiv. Keinen langen Bestand im Gefüge der Korpstruppen hatte das Flugabwehrbataillon 180 des Korpsflugabwehrkommandeurs 1, das am Standort Rheine mit der radargelenkten 75 mm – Flak SKYSWEEPER und FAUN Zugmaschinen ausgestattet war. Ebenso wie sein süddeutscher Schwesterverband in Ellwangen musste das Bataillon 1961 zur Luftwaffe wechseln, weil die dortige Zahl von Luftwaffenflugabwehrbataillonen (Flak 40/L 70) nicht ausreichte, um neun Flugabwehrraketenbataillone (HAWK) aufzustellen. Diese waren als deutscher Beitrag für den östlichen der beiden Luftverteidigungsriegel vorgesehen, die mit dem HAWK-Flugabwehrraketensystem angreifende Flugzeuge in niedrigen Höhen bekämpfen konnten. Aus dem Heeresflugabwehrbataillon 180 wurde das Flugabwehrraketenbataillon 31 in Westertimke mit vier Einsatzstellungen im Raum östlich von Bremen.

Flak 40mm L70 vor F 84 THUNDERSTREAK im Luftwaffenmuseum Gatow

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Das Korpsflugabwehrkommando 1 erhielt erst 1970 wieder mit dem in Wuppertal aufgestellten Flugabwehrbataillon 110 mit Flak 40 /L 70 einen eigenen aktiven Verband. Mit der Einführung des Flugabwehrraketenpanzers ROLAND ab 1981 wurde daraus das Flugabwehrregiment 100 in der Wuppertaler Diedenhofen-Kaserne. Nach seiner Auflösung als Flugabwehrregiment 1 übernahmen von 2002 bis 2007 noch die Flugabwehrsoldaten in Borken für wenige Jahre dessen ROLAND, die auf dem Fahrgestell des Schützenpanzers Marders mobil waren.

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Heeresflieger in Rheine Die Heeresflieger in Rheine lagen günstig zu den zu unterstützenden logistischen Einheiten. Als Korpstruppe lag das Heeresfliegerbataillon 100 in Bentlage. Es verfügte über den Transporthubschrauber SIKORSKI S 58, der 12 Soldaten transportieren konnte, und den leichten Verbindungshubschrauber AlOUETTE II. Der SIKORSKY S 58 war der erste Transporthubschrauber der Bundeswehr und wurde noch von einem Kolbenmotor angetrieben. Er zeichnete sich in Sturmfluteinsatz 1962 aus. Er wurde ab 1973 durch die CH 53 G und die BELL UH-1D ersetzt.

Sikorsky S 58 als Denkmal in Rheine-Bentlage

In der Heeresstruktur III der 70er Jahre erfolgte mit Zulauf des mittleren Transporthubschraubers CH 53 G und der BELL UH 1 D eine Umgliederung auf eine Regimentsstruktur im Heeresfliegerkommando 1 mit dem leichten Hubschraubertransportregiment 10 Celle (UH 1D) und dem mittleren Hubschraubertransportregiment 15 Rheine - Bentlage (CH 53G). Außerdem war in Bentlage die Heeresfliegerstaffel 7 der 7. Division mit Verbindungshubschraubern ALOUETTE II, später BO 105, stationiert, Die klobigen, aber agilen CH 53 G galten wegen ihrer relativ leisen Triebwerke als “ flüsternde Riesen“ und waren bis vor kurzer Zeit ein vertrautes Bild am Himmel des Münsterlandes. Beschafft worden war dies Hubschraubermuster vor allem um die drei Luftlandebrigaden des Heeres (Nr. 25, 26, 27) für luftmobile Einsatze in Schwerpunkten und Krisenlagen beweglich zu machen. Dazu kamen natürlich auch logistische Transportaufgaben und zahllose Hilfseinsätze. 1997 war das Regiment besonders beim Oderhochwasser und einer bewaffneten Evakuierungsaktion deutscher Staatsbürger in Albanien gefordert. Eine Spezialfähigkeit, der Transport von Löschwasserbehältern als schwebende Last unter dem Rumpf, wurde vor allem bei Wald- und Heidebränden im In- und Ausland abgerufen. Diese kamen auch bei derartigen Bränden in der lokalen Region bei Gronau oder auf dem Truppenübungsplatz Haltern zum Einsatz. Es gab auch spektakuläre Sondereinsätze wie der Transport von Waffeninspekteuren der UN im Wüstensand des Irak nach dem I. Golfkrieg von 1991. Gerade bei den Auslandseinsätzen waren die CH 53 G unverzichtbar. In Afghanistan erhielten sie eine Schutzausstattung und eine Bordbewaffnung mit Bordschützen („Doorgunner“) in Seitentüren und an der Heckrampe. Es gibt CH 53 G mit Spezialausstattung für

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medizinische Rettung (Medical Evacuation). Einige Exemplare erhielten eine Reichweitenverlängerung durch Zusatztanks. Eine CH 53 G ging in Afghanistan wegen eines Defekts im Rotorgetriebe verloren. An dieser Stelle seien einmal die gefährlichen Einsätze in Krisengebieten, welche die meisten in dieser Darstellung genannten Truppenteile zu leisten hatten, stellvertretend gewürdigt.

Probeflug CH 53 G in Bentlage 2007

Im Ausnahmefall transportierten CH 53 G auch schon mal im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit ausgewählte Besuchergruppen zur NATO oder EU nach Brüssel. Es wurden auch schon Rettungslandungen dieser großen Maschinen vor dem Uniklinikum in Münster nach einem größeren Verkehrsunfall beobachtet (ca. 1977). Das mittlere Hubschraubertransportregiment 15 war letzter Traditionsnamenträger „Münsterland“ und schied bereits 2013 aus dem Heer aus und wurde Teil des neuen Hubschraubertransportgeschwaders 64 der Luftwaffe in Holzdorf (Brandenburg)und Laupheim (bei Ulm). Gegenwärtig gibt es noch bis ca. 2017 Werkstattbetrieb in Bentlage durch das Systemzentrum 25 aus Diepholz, da die für den NATO-Hubschrauber 90 in Holzdorf neu errichteten Hallen nicht für CH 53 ausgelegt sind! Ca. 40 dieser mehrfach modernisierten Hubschrauber sollen noch bis gegen 2030 in der Luftwaffe im Einsatz gehalten werden. Die Stationierungsentscheidung gegen Rheine war sehr umstritten. War doch die Infrastruktur in Bentlage erst in den letzten Jahren erneuert und der Fliegerhorst in Holzdorf noch für die Aufnahme des NATO-Hubschraubers 90 ausgelegt worden. Da dieses Muster nur noch in reduzierter Zahl dem Heer zuläuft und nicht mehr zur Luftwaffe gelangt, entfiel seine Stationierung in Südbrandenburg und die Eingliederung der CH 53 in die Luftwaffe musste als Ersatz dienen. Ein Argument des BMVg für die Verlegung war die Erhaltung eines militärischen Flugplatzes im weiteren Umfeld Berlins. Der Standort Schönewalde – Holzdorf musste auch wegen der dortigen Infrastruktur für den Einsatzführungsdienst (Radardienst) erhalten bleiben. Dort befindet sich die einzige verbunkerte Einsatzzentrale für die militärische Kontrolle des deutschen Lufraums. Der Parallelverband in Erndtebrück nutzt eine nicht verbunkerte Anlage.

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Luftwaffenbasis für das Westfalengeschwader Die Basis des einzigen fliegenden Verbandes der Luftwaffe in Westfalen lag auf dem Areal eines ehemaligen Wehrmachtflugplatzes bei Hopsten - Dreierwalde. Aufgestellt wurde er als sechster und letzter „schwerer“ Luftangriffsverband unter der Bezeichnung Jagdbombergeschwader 36 Anfang der 60er Jahre. In den 90er Jahren erfolgte die Umbenennung in Jagdgeschwader 72 nach erneutem Rollenwechsel vom Tactical Fighter (Jäger und Jagdbomber) zum reinen Jagdverband. Zur Infrastruktur gehörte der Fliegerhorst in Hopsten – Dreierwalde mit einem aufgrund der NATO-Vorgaben räumlich abgesetzten Unterkunftsbereich in der Wever-Kaserne in Rheine und einem i.G. zu den anderen Fliegerhorsten abgesetzten Munitionslager in Uthuisen unter Einschluss eines Sonderwaffenlagerbereichs. Auf den Jagdbomberhorsten Nörvenich, Büchel und Memmingen lag das besonders gesicherte, im inneren Bereich unter US-Kontrolle stehende Atomwaffenlager auf dem Areal der Flugbasis. An beiden Enden der Startbahn lag je eine Staffel. Der Bau von Schutzbauten für die Flugzeuge (Shelter) erfolgte ab Ende der 60er Jahre. Technische Bereiche gab es an beiden Enden. Im Südbereich lag auch der ehemalige QRA-Bereich (s.u.) für die nukleare Einsatzrotte (QRA=Quick Reaction Alert). Die Einrichtung des QRA-Bereichs Mitte der 60er Jahre war in der lokalen Presse registriert worden und man berichtete von gelb markierten Sperrbereichen und Schießbefehlen für die amerikanischen Bewachungsmannschaften. Viel Improvisation gab es zu Beginn in der Ära der F 84 THUNDERSTREAK, die vom Jagdbombergeschwader 31 in Nörvenich nach dessen Umrüstung auf F 104 G übernommen wurden und im Freien in der „Flightline“ abgestellt werden mussten. Als letzter Verband flog das Jagdbombergeschwader 36 dieses Muster bis 1966..

F 84 THUNDERSTREAK vom JaboG 36 aus Rheine im Luftwaffenmuseum Gatow

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Es folgte die Umrüstung auf die F 104 G mit kurzer nuklearer Rolle bis 1972. Aufgrund einer Entscheidung von Verteidigungsminister Schmidt zur Reduzierung der nuklearen Komponente fiel der Nuklearauftrag relativ früh wieder weg. Der erhöhte Sicherungsaufwand für ein „Sonderwaffen“-Lager außerhalb des Fliegerhorstes im Depot Uthuisen mag dabei eine Rolle gespielt haben.

F 104 G beim Jabo G in Rheine 1966 - 1975 © Jens Schleck

Mit Zulauf der F 4 PHANTOM Mitte der 70er Jahre erfolgte eine Erweiterung der Rolle zum Tactical Fighter (Jagdbomber und Gefechtsfeldjäger). Die Kampfwertsteigerung in den 90er Jahren durch ein neues Radar und Luft-Luft-Flugkörper mittlerer Reichweite (AMRAAM) zur Luftzielbekämpfung auf Distanz kompensierte einige Defizite im Luftkampf („Luftverteidigungsdiesel“). In den 90er Jahren erfolgte nach Wegfall der Jabo-Rolle die Umbenennung in Jagdgeschwader 72

F 4 PHANTOM vom JG 71 aus Rheine im Luftwaffenmuseum Gatow

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Der Fortbestand des Geschwaders war damals lange offen. Investitionen wie der neue Tower von 1998 waren noch erfolgt und verhinderten möglicherweise eine frühere Schließung. 2001 fiel dann doch die Entscheidung zur Auflösung des Geschwaders mit einer befristeten Übergangsrolle als Fluglehrgruppe für die „Europäisierung“ im Rahmen der Ausbildung von F 4-Piloten bis 2006. Diese Aufgabe hatte das Geschwader immer schon wahrgenommen. 2006 erfolgte der „Flyout“ der letzten F 4 und Schließung der Basis ohne militärische Nachnutzung. Das Kampfflugzeug F 4 ging bei der Luftwaffe erst im Sommer 2013 in Wittmund endgültig a.D. Zeitweise war eine Nachnutzung der Basis in Dreierwalde durch das in Bentlage benachbarte Heeresfliegerregiment 15 erwogen worden.

Beim Flugtag 1986 war eine Rotte von lizardgrünen F 104 G des Jagdbombergeschwaders aus

Memmingen in ihrem letzten Einsatzjahr auf dem Fliegerhorst zu Gast. 1987 verabschiedet sich die „104“ endgültig aus den Einsatzgeschwadern von Luftwaffen und Marine.

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Flugabwehrraketenzone

In den 50er Jahren führte die NATO-Entscheidung für eine bodengebundene Luftverteidigung des westeuropäischen Raumes durch die amerikanischen Flugabwehrraketensysteme NIKE und HAWK ab 1959 zum Aufbau eines Stellungsystems in einem Doppelriegel. Die NIKE konnte gegen Ziele in größeren Höhen in der westlichen Hälfte der Bundesrepublik operieren. Das nördliche Münsterland lag in den Sektoren zweier hintereinander gestaffelter niederländischer NIKE-Bataillone, der 1. und 2. Groep Geleide Wapens (GGW), das südliche Münsterland befand sich schon im Sektor des Flugabwehrraketenbataillons 21 (Stab und Versorgungsteile in Möhnesee-Echtrop, bis 1970 Erwitte) Die Stellungen im Münsterland und seinem Umfeld lagen in Schöppingen (220 Squadron NL) Bentlage (223 Squadron NL) Nordhorn (222 Squadron NL), Handorf (119 Squadron NL), Erle (221 Squadron NL, ab 1977: 57 Squadron BE), Ennigerloh-Westkirchen (1./FlaRakBtl 21) und Datteln (4./FlaRakBtl 21) Jede Staffel umfasste einen Abschussbereich (launcher area), einen Feuerleitbereich (integrated fire control) und eine Unterkunft, wie die Münsterlandkaserne in Westkirchen oder Haardkaserne in Datteln. Der Abschussbereich der 4./21 lag am östlichen Rande des Waldgebietes Haard bei Datteln - Ahsen, jener der 1./21 westlich von Westkirchen. Die dazu gehörenden Feuerleitbereiche mit den weit sichtbaren Radarschutzhauben (Radom) befanden sich auf dem Stimberg bei Oer-Erkenschwick und dem Finkenberg bei Ennigerloh. Bei den Niederländern war nur der Standort des großen Radoms mit dem Hochleistungserfassungsradars HIPAR für den Bataillonsgefechtsstand auf dem Schöppinger Berg in unmittelbarer Nähe zur Raketenstellung als Landmarke zu erkennen. Die anderen niederländischen Staffeln verfügten nur über die kleineren Feuerleitradare für die eigenen Raketen, während bei den deutschen NIKE-Einheiten alle Batterien über das große Erfassungsradar verfügten.

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Natürlich verfügte jede Batterie auch über eigene Sicherungskräfte, die vor allem bei nuklearer Bestückung in besonderer Verantwortung standen. Eine deutsche NIKE-Batterie war sehr personalintensiv und konnte bis zu 300 Soldaten umfassen. Zum Teil nutzte man bei der Einrichtung des Flugabwehrraketenriegels militärische Areale wie in Handorf oder in Bentlage, meist benötigte man aber neue Liegenschaften (Schöppingen, Nordhorn, Datteln, Erle, Westkirchen). Die Ausbildung der deutschen NIKE-Besatzungen erfolgte 1959-62 im Stadtwaldlager Bocholt, wo das dann nach Hessen verlegte Flugabwehrraketenbataillon 23 aufgestellt wurde. 1975 führte eine Reduktion in der niederländischen Luftwaffe zur Fusion der 1. und 2.GGW zur 12. GGW (Bramsche) mit Stellungen in Vörden, Borgholzhausen, Bentlage und Schöppingen . Die Stellungen in Handorf, Nordhorn, Erle und Bad Essen wurden gestrichen. Es gab ein Zwischenspiel der belgischen Luftwaffe mit der 57.Staffel in Erle 1977-83. 1987 endete der NIKE-Betrieb der 12 .GGW (NL) in Schöppingen und einer kleinen Militärpolizei- und Pioniereinheit in Greven. Das Nachfolgesystem PATRIOT wurde von der niederländischen Luftwaffe im HAWK-Gürtel im Weserbergland stationiert, so dass die niederländische Flugabwehrraketentruppe im Münsterland nicht mehr vertreten war. Auf deutscher Seite erfolgten die Umrüstung und der Stellungsumbau von NIKE zu PATRIOT in Datteln und Westkirchen ab 1987. Die mit dem Standortkonzept von 1991 geplante Konzentration von sechs Staffeln in Möhnesee, Holzwickede und Lennestadt verzögerte sich und kam am Ende nie ganz zustande. Deshalb kam es erst 2002 zum Abzug der Flugabwehrraketengruppe 21 Richtung Arolsen, dann später nach Sanitz in Mecklenburg-Vorpommern, wo sie sich heute noch befindet.

FlaRak-Stellung am Rande der Haard bei Datteln-Ahsen nach der Umrüstung auf PATRIOT 1992

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Der Umbau der NIKE-Stellungen zu festen PATRIOT-Stellungen hatte trotz der veränderten neuen sicherheitspolitischen Lage nicht mehr rückgängig gemacht werden können, so dass man die seit der Umgliederung nach 1987 auf sechs Staffeln im Münsterland, Sauerland und Bergischen Land angewachsene Flugabwehrraketengruppe 21 mit den unrentablen Kleinstandorten Möhnesee, Westkirchen, Datteln, Holzwickede, Lennestadt und Waldbröl noch eine Weile nutzte .

Präsentation der PATRIOT und NIKE HERCULES beim Tag der offenen Tür zum Abschied der

4./FlaRakBtl 21 aus Datteln 2002

Die Objekte der NIKE- und umgebauten PATRIOT-Stellungen sind z. T .heute noch in Landschaft vorhanden und fanden Nachnutzungen für landwirtschaftliche Zwecke oder als Übungsareale für Polizei und Hilfsorganisationen. Die Objekte in Erle und Handorf wurden „geschliffen“. Auf dem Standortübungsplatz der Bundeswehr in Handorf erkennt man aber immer noch die Betonflächen der ehemaligen NIKE-Stellungen und die aufgetürmten Schutthügel der abgerissenen Abschussbunker und Betriebsgebäude. Auch die umwallten drei Abschuss-Sektionen mit den Montagebunkern auf dem Schöppinger Berg sind drei Jahrzehnte nach dem Abzug der Niederländer noch vorhanden und von intakten Zäunen und einer Grasfläche ohne Wildwuchs umgeben. Der Radarwall der alten Feuerleitstellung dient heute als ziviles Antennenprüfgelände.

Reste der 1975 geräumten Stellung von 119 Sqn (NL) auf dem Standortübungsplatz-Handorf-Ost

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Alliierte Partner Eine Aufnahme vom Herbst 1985 zeigt eine Kolonne mit britischen Kampfpanzern CHIEFTAIN auf der B 51-Umgehung in Münster. Sie hatten das Kaliber 120 mm und waren stärker gepanzert als der LEOPARD I, waren aber deutlich schlechter motorisiert. In den 90er Jahren erfolgte der Ersatz durch den Kampfpanzer CHALLENGER mit sehr hohem Schutzgrad, aber Defiziten bei Mobilität und Fahrbereich, wie man an den Tankaufsatzbehältern bei den in Dülmen im Oktober 2001 verladenen CHALLENGERN erkennen kann. Diese Ungetüme waren viele Jahre in wechselnden Regimentsverbänden in Münster - Loddenheide oder - Gremmendorf stationiert.

Britische Kampfpanzer Chieftain aus Münster rollen auf der B 51 in die Übung Trutzige Sachsen 1985

Britische Kampfpanzer CHALLENGER werden nach eine Übung in Dülmen verladen (Oktober 2001)

Das Münsterland gehörte 1945-49 zur britischen Besatzungszone. Münster war mit seinen Kasernen in Gievenbeck, Loddenheide, Gremmendorf, Coerde und an der Grevener Str. eine der größten Garnisonen der Rheinarmee. Die meisten in Abständen

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rotierenden Einheiten gehörten zur 4. mechanisierten Brigade. In der Portsmouthkaserne in Coerde lag das 8. Transportregiment für nukleare Transporte. Logistische Objekte der britischen Streitkräfte befanden sich in Dülmen (Material), Wulfen (Munition), Recklinghausen (Fahrzeuge) und Everswinkel (Betriebsstoff). Die Bedford 3t-LKW mit den abgerundeten Führerhäusern prägten seit den 50er Jahre den NATO-Militärverkehr auf den Straßen des Münsterlandes. Der Fahrzeugpark der Rheinarmee wies eine Reihe von eigentümlichen Fahrzeugen auf, wie die klobigen 10t-Schwerlast-LKW AEC MILITANT oder die massigen Panzertranporter ANTAR , die einen robusten Eindruck machten, angesichts geringer PS-Zahlen aber nur mäßig mit ihren schweren Lasten vorankamen. Es war ein beeindruckendes Bild als im Herbst 1970 bei der britischen Übung Fore Front im Westmünsterland eine Kolonne dieser Fahrzeuge, beladen mit langrohrigen M 107-Kanonen der britischen Artillerie, über die Bundesstraße 67 Richtung Borken rollte. Markant waren auch die kleinen Spähpanzer FERRET, die Radschützenpanzer SARACEN oder dreiachsigen schwimmfähigen Transportfahrzeuge STALWART. Dagegen können die heutigen LKW der noch verbliebenen britischen Truppen eines deutschen Herstellers ihre Verwandtschaft mit der II. KFZ-Generation der Bundeswehr nicht verleugnen,

Britische Militär-LKW von MAN vor dem Camp des Truppenübungsplatzes Haltern in Sythen (2011)

Britische Truppen gerieten mitunter wegen ihrer etwas rauhen militärischen Gangart bei Übungen in die Kritik. Das lag wohl weniger an der von deutscher Seite zuweilen unterstellten Besatzermentalität, sondern an den durch reale „scharfe“ Einsätze der britischen Freiwilligenarmee in Übersee und in Nordirland gewonnenen Erfahrungen, die ein an Einsatzerfordernisse und Kampfbereitschaft orientiertes soldatisches Selbstverständnis bewirkten, das sich bei der Bundeswehr dann mit den Auslandseinsätzen in späteren Jahre auch ausprägte. Britische Kommandeure hatten zum Beispiel kein Problem, wenn sie mit ihrer Artillerie auch in Wohngebieten in Stellung gingen.

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Beim Abschiedszeremoniell der britischen Garnison in Münster 2014 war Prinz Andrew zu Gast mit dem Pflichtprogramm einer Eintragung in das goldene Buch und einem Trunk aus dem goldenen Hahn im Rathaus. Mitglieder der königlichen Familie waren häufiger bei der Rheinarmee zu Gast, um die historisch tief verwurzelte Verbindung zwischen der britischen Krone und den Streitkräften zu unterstreichen. 1977 nahm Königin Elisabeth II, gemeinsam mit Bundespräsident Scheel anläßlich ihres 25-jährigen Kronjubiläums in Sennelager eine eindrucksvolle Parade britischer Truppen ab. Der seit Kriegsende genutzte Truppenübungsplatz Haltern mit zwei Arealen in Hullern und Lavesum wurde Ende Mai 2015 endgültig von den Briten geräumt. Er war auch lange Zeit von niederländischen und deutschen Truppen mit genutzt worden und verfügte über ein deutsches Verbindungskommando in Hullern. Die deutschen Truppen kamen häufiger von weit entfernten norddeutschen Standorten nach Haltern. Auf Initiativen der britischen Streitkräfte geht auch der Verkehrsflughafen Münster-Osnabrück bei Greven zurück, dessen Gelände noch von britischen Pionieren vorbereitet wurde. Weniger im Blick der Öffentlichkeit stand die Partnerschaft der Panzergrenadierbrigade 19 mit den belgischen Truppen der 4. Brigade in Soest. Diese Zusammenarbeit war auch im Hinblick auf mögliche Einsatzrollen der 7. Panzerdivision als Reserve im GDP sinnvoll. Die beiden belgischen Panzerflakbataillone mit GEPARD in der Wahner Heide waren der natürliche Kooperationspartner des Panzerflugabwehrregiments 7 in Borken. Die Bundeswehr und die belgische Armee nutzten viele gleiche Systeme (LEO 1, GEPARD, MAN-LKW, US-Artillerie, Kanonenjagdpanzer)

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Bis 1987 waren auch die Niederländer noch mit Flugabwehrraketenkräften in Schöppingen präsent. Ein Jahr später zogen sie auch aus dem niedersächsischen Bramsche ab. Kooperation mit US-Truppen gab es naturgemäß bei den nuklearfähigen Einheiten und später im Rahmen des War-Host-Nation-Support-Programms. Seit den 80er Jahren führte das WHNS-Abkommen zur Unterstützung der US-Verstärkungskräfte im NORTHAG - Bereich auch zur Aufstellung von Geräteeinheiten in unserem Raum. Das Abkommen erweiterte die seit 1969 laufenden REFORGER-Übungen der US-Verstärkungen für den Ernstfall. Grundgedanke dieses Abkommens war es, aktive Truppen der amerikanischen Streitkräfte aus den USA zur Verstärkung nach Europa zu transportieren, wo sie in speziellen Depots im deutsch-niederländischen Grenzraum oder in Rheinland-Pfalz links des Rheins mit Gerät ausgestattet werden sollten, um dann in ihre Einsatzräume zu verlegen. Auf die Zuführung umfangreicher Unterstützungskräfte aus den USA wollte man verzichten und stützte sich auf mit Reservisten mobilgemachte Logistikeinheiten und andere Unterstützungskräfte aus den „Gastländern“ ab. Die Verstärkung durch gut ausgebildete US-Kampftruppen aus langdienenden Freiwilligen wurde als effizienter bewertet als die Formation von Reservekampfverbänden aus wehrpflichtigen Reservisten, die man lieber auf Unterstützungsaufgaben beschränkte.

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Zuständig für den „War Host Nation Support“ des III. US-Korps aus Texas war das Unterstützungskommando 3 in Köln. Die Aufstellung wurde nicht mehr abgeschlossen und durch die politische Entwicklung überholt. 1995 kündigten die USA das WHNS-Abkommen und die Reste der Unterstützungsorganisation wurden aufgelöst.

Standorte der nicht aktiven Einheiten des U-Kdo (WHNS) 3 Köln (Q:Chronik des Kdos)

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Verbindungslinien in der rückwärtigen Kampfzone Das Münsterland lag in der „Rear Combat Zone“ der alliierten Korps hinter den Gefechtsstreifen der NORTHAG - Korps. Das Straßen- und Schienennetz war auch unter militärischen Gesichtspunkten zu betrachten. Die NATO finanzierte relativ breite Straßen, die nicht immer durch zivile Verkehrsströme zu begründen waren, wie z.B. die Verbindungen Hamminkeln – Brünen - Borken oder Ahaus - Schöppingen, abweichend von Trasse der B 70 ohne größere Ortsdurchfahrten Bei Manövern erprobt wurden die Ersatzübergangsstellen am Rhein, z.B. Bislich-Xanten (1966 „Eisheilige“, 1970 “Regenbogen“,1983 “Atlantic Lion“, 1989 ““Römersprung“) In mehreren Fällen blieben im Bahnnetz Schienen auch nach Einstellung des Personen- und Güterverkehrs liegen z.B. Coesfeld – Rheine - Quakenbrück als Ersatzstrecke für die „Rollbahn“ Ruhrgebiet - Häfen. Das Schienennetz gewann besondere Bedeutung durch die Erfordernis, Kettenfahrzeuge für die Verstärkungskräfte aus den USA und Großbritannien über die Verbindungszone in Belgien und den Niederlanden in die Einsatzräume an der innerdeutschen Grenze zu verlegen. Auch die Niederländer, die einen großen Teil ihrer Landstreitkräfte in den Räumen um Arnheim und Eindhoven stationiert hatten, benötigten den Schienenweg, um ihren Sektor im nördlichen Niedersachsen mit schwerem Gerät schnell erreichen zu können. Zu den nationalen territorialen Aufgaben gehörte die Aufrechterhaltung der Operationsfreiheit für die NATO - Truppen. Dazu gehörten neben der Sicherung von Objekten und Räumen auch die Sicherstellung dieser Verbindungslinien durch Feldjägerkräfte (aktiv und nicht aktiv) zur Verkehrsleitung und zum Schutz gegen feindliche Störaktionen durch mobilzumachende Heimatschutztruppen (Heeresstruktur II/III : Jägerbataillon(VBK) 733¸ Heeresstruktur IV: drei Jägerbataillone im Heimatschutzregiment 73)

Verkehrslenkung und Schutz durch Feldjäger und Heimatschutzbataillone

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Die militärische Infrastruktur wäre im Kriege in hohem Maße durch mobilgemachte rückwärtige Einheiten gesichert worden, die nach dem Abzug des Feldheeres in die leeren Kasernen einrücken sollten. Durch Heimatschutzverbände, Wehrleitersatzbataillone, Feldausbildungsbataillone, Versorgungs- und Pioniereinheiten des Territorialheeres, die Reservelazarettorganisation etc. wäre im Hinterland kein militärisches Vakuum entstanden. Diese Einheiten konnten sich dabei auf ein weiträumiges Netz von Kasernen und zahlreichen Depotanlagen zur Unterbringung und militärischen Präsenz in der Fläche abstützen

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Manövergebiet Es gab regelmäßige Feldübungen lokaler Einheiten auf und außerhalb der Standortübungsplätze. Der Truppenübungsplatz der Briten in Haltern wurde auch von Deutschen und Niederländern genutzt. Frühe Manöverbilder gibt es schon aus dem Jahre 1965 bei einer Übung mit US-Truppen im westlichen Münsterland. Groß angelegt war die Übersetzübung „Eisheilige“ im Mai 1966 am Niederrhein mit Bereitstellungsräumen und Durchmarschstraßen im Raum Borken und Bocholt. Im Dreijahresabstand fanden seit 1965 groß angelegte Korpsgefechtsübungen statt: „Hermelin II“ 11/1965 (Besuch Bundespräsident Lübke) und 6 -1 0.9.76 „Großer Bär“. Bei „Harte Faust“ (17 - 21.9.1979) entwickelte sich die 1. Panzerdivision aus dem Raum Münsterland als blaue Partei gegen die 3. Panzerdivision, die in Ostfriesland angelandet und aufmarschiert war. 60.000 Soldaten nahmen an der Übung zwischen Münsterland und Ostfriesland teil. Vom 10.-17.9.1982 folgte „Starke Wehr“: Die 7. Panzerdivision wurde im Südmünsterland versammelt und dann Richtung Norden entfaltet. Das Korpsmanöver „Trutzige Sachsen“ 12.-20.9.1985 mit britischer Beteiligung der 4. mechanisierten Brigade aus Münster begann ebenfalls mit einem Aufmarsch aus dem nördlichen Münsterland Richtung Niedersachsen.1988 fand die Korpsübung „Sachsentross“ mit starker logistischer Komponente in Niedersachsen statt. Hier war naturgemäß das Nachschubkommando 1 in Rheine in besonderem Maße eingebunden. Aus politischen Gründen und zur Vermeidung einseitiger Belastungen der Bevölkerung fanden die Übungen nicht immer in den geplanten Gefechtsstreifen, sondern weiter im Westen statt, oft in Nord-Süd - Anlage. Das Münsterland war dabei oft Aufmarschzone der ersten Phase. 13.-18.9.89 wurde die letzte Korpsgefechtsübung „Offenes Visier“ in Niedersachsen abgehalten. Die Planübung „Sachsensprung“ am 19.9.94 in Dülmen war die letzte nationale Korpsübung. Auch das niederländische Heer nutzte gern den münsterländischen Raum, obwohl der ihm zugewiesene Gefechtsstreifen viel weiter im Norden an der Elbe lag. Die Stationierungsräume der niederländischen Landstreitkräfte um Arnheim und Eindhoven lagen aber näher am Münsterland als am GDP-Sektor an der Elbe. Sicher waren auch Planungsszenarien denkbar, bei denen die Niederländer ihren Gefechtsstreifen in voller Stärke nicht mehr erreicht hätten und sich an der Verteidigung der Rheinlinie hätten beteiligen müssen. Einige Fotos zeigen Szenen aus der niederländischen Divisionsübung „Firm Riposte“ im Raum Coesfeld-Steinfurt 1985.

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Niederländische Leopard 1 bei „Firm Riposte“ 1985 rollen zur Verladung nach Coesfeld

Die NATO organisierte große koordinierte Manöverserien um Verteidigungsbereitschaft und -fähigkeit zu demonstrieren, auch unter Einbindung amerikanischer Verstärkungskräfte (REFORGER = Return of Forces to Germany) . Bei „Atlantic Lion“ im September 1983 wurde das Personal der 1. Panzerdivision (US) aus Texas eingeflogen und mit Gerät aus den Depots am Niederrhein und in den Niederlanden ausgestattet. Es folgten eine Rheinüberquerung und ein Vorstoß ins nördliche Münsterland. Als Manövertruppe „Rot“ traten Teile der 3. Panzerdivision (GE) auf. Ein Foto zeigt den Landrover einer niederländischen Artillerieeinheit hinter einem US-Kampfpanzer M 60 in der Nähe des beschaulichen Landbahnhofs Lutum.

Manöverszene „Atlantic Lion“ 1983 in Lutum bei Coesfeld

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Im September 1987 wurden beim REFORGER - Manöver „Certain Strike“ im nördlichen und südöstlichen Münsterland Teile des aus den USA über See und Luft via Belgien und die Niederlande herangeführten und im niederrheinisch - niederländischen Grenzgebiet in Depots ausgerüsteten III. US-Korps aus Eisenbahnzügen entladen. Von dort erreichten die US-Truppen mit immerhin 32.000 Soldaten, 7000 Rad- und 1400 Kettenfahrzeuge und die Truppen ihrer Partner auf sechs Marschstraßen das eigentliche Manövergebiet in der Lüneburger Heide. Lange amerikanische LKW-Kolonnen rollten schon seit Ende August über Autobahnen, Hauptstraßen, aber auch Nebenwege des Münsterlandes. In der Dülmener St. - Barbara - Kaserne sorgte das Nachschubbataillon 7 aus Unna - Königsborn für die Betankung der US-Konvois. Für Soldaten aus Texas waren enge Ortsdurchfahrten, wie etwa in Ochtrup, mit ihren großen Sattelzügen eine besondere Herausforderung. Über die Eisenbahnrampen in Greven, Ahlen, Dörenthe, Lengerich oder Neubeckum rollten auch einige der neuen M 1 Kampfpanzer ins Manövergeschehen. Der Flughafen Münster-Osnabrück wurde vereinzelt auch von den riesigen Galaxy-Transportflugzeugen mit Gerät und Personal angeflogen. Das Hauptquartier der US-Truppen war in Bad Rothenfelde eingerichtet worden. Während der NATO - Übung „Certain Shield“ im September 1991 wurden die neu aufgestellten Reservetruppenteile des Unterstützungskommandos 3 (WHNS) mit 1500 Soldaten mobilisiert. Unter dem Übungsnamen „Blauer Akkord“ bezogen die Transportbataillone 431 und 433 und das Krankentransportbataillon 431 nach einer Ausbildungs- und Vorbereitungsphase in Ahlen und Osnabrück ihren Einsatzraum im Kreis Coesfeld, wo im Raum Lette eine Umschlagübung stattfand. In Dülmen lag bei dieser Übung der Stab des amerikanischen Korpsunterstützungkommando 13 COSCOM (US). Die US-Konvois für „Certaim Strike“ leitete man teilweise über landwirtschaftliche Erschließungswege durch den Letter Bruch. Die US-Truppen hatten dabei ihr schweres Gerät in den Depots gelassen und simulierten den Einsatz nur mit Stabs- und Versorgungsteilen des III. US-Korps und seiner Bataillone. Angesichts der politischen Lageveränderung war der Umfang der Übung deutlich heruntergefahren worden. Anstelle von Panzern versammelte sich westlich und südlich von Münster die neu formierte luftbewegliche multinationale Division der NATO mit der deutschen Luftlandebrigade 27, der britischen Luftlandebrigade 24 und ein belgisches Fallschirmjägerregiment. Das eigentliche Manöver fand dann im Raum Paderborn mit einer Luftlandung bei Warburg statt. Das Münsterland war regelmäßig Übungsareal für kleinere logistische Übungen und Fernmeldeübungen der deutschen, britischen und niederländischen Streitkräfte. Diese Kräfte wären auch in einem Kriege in diesem Raum zum Einsatz gelangt. Neben den gewohnten Manöverkolonnen mit LKW oder Tankkesselwagen konnte man bei logistischen Übungen auch schon mal den Marsch von Feldarbeitsgeräten (FAG) beobachten, einem der Hauptsysteme der logistischen Einheiten für den feldmäßigen Güterumschlag. Im Gegensatz zu ihrem späten Nachfolgesystem konnten diese geländegängigen Radlader mit mäßiger Geschwindigkeit in längeren Straßenmärschen ohne Tiefladeanhänger ihre Einsatzräume erreichen, auch wenn sie dabei ein wenig zum Aufschaukeln mit ihrer Staplergabel neigten. Im April 1970 bauten Pipelinepioniere aus Wuppertal im Rahmen der territorialen Pionierübung „Regenbogen“ eine feldmäßige

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Ersatzrohrleitung mit Feldtankanlagen vom Rhein in den Kreis Borken, um eine Unterbrechung der NATO-Pipeline von Goch ins ostwestfälische Hessisch - Oldendorf als Vorbereitung für einen Ernstfall zu simulieren. Im Rahmen der Luftwaffenausbildung war Nordhorn Range einer der wenigen Bodenübungsplätze der NATO-Luftwaffen und ist es bis heute geblieben. Er lag bis 2001 in britischer Verantwortung. Hier übten die NATO – Luftwaffen den gezielten Abwurf von Bomben und Einsatz von Borwaffen gegen Bodenziele. Dieses Übungsgelände war häufig Gegenstand öffentlicher Diskussion. Im Umfeld befinden sich das AKW Lingen und bis 1975 eine niederländische NIKE-Stellung. Bei der Übung „Schneller Pfeil“ am 30.9.1968 demonstrierte die Luftwaffe in Anwesenheit des Bundespräsidenten Lübke ihre Feuerkraft in konventioneller Rolle nach dem Strategiewechsel zur Flexible Response 1967. Er wird weiter in deutscher Regie als Truppenübungsplatz des Kommandos Territoriale Aufgaben für die Luftwaffenausbildung betrieben, weil ein größerer Bodenabwurfplatz im brandenburgischen Wittstock nach Protesten und Gerichtsentscheidungen gescheitert ist und Bürgerinitiativen und Umlandgemeinden juristisch und politisch bisher keinen Erfolg hatten. Er ist das einzige Übungsareal dieser Art in Deutschland.

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Rückwärtiger Logistikraum Die Logistik ist auf drei Ebenen zu betrachten. Es gab die logistischen Kräfte der 7. Panzerdivision mit dem Nachschubbataillon 7 und Instandsetzungsbataillon 7 in Unna - Königsborn sowie den Brigadenachschub- und - instandsetzungskompanien. Davon wären in unserem engeren Raum die Instandsetzungskompanie 190 in Handorf und die Nachschubkompanie 190 in Ahlen zu nennen, die zu Beginn der 70er Jahre aus dem Brigadeversorgungsbataillon 196 entstanden waren. Auf gleicher Führungsebene lagen die Kräfte für die Eigenversorgung des Territorialheeres. Die beiden aktiven Kompanien für Instandsetzung und Nachschub im Wehrbereich III mit der Nummer 730 lagen in Hilden, im Münsterland gab es nur nicht aktive Einheiten wie das Transportbataillon 730 in Greven, die Versorgungskompanie 730 des Heimatschutzregiments 73 und die beiden Nachschub- bzw. Instandsetzungskompanien mit der Nummer 733 des VBK 33. In diese Ebene gehören natürlich auch die lokalen Standortmunitionsniederlagen der Bataillone in der Nähe ihre Standorten u.a. Dülmen - Visbeck, Rheine - Gellendorf, Schirlheide bei Ostbevern, Ahlen - Oestrich und Velen -Ramsdorf

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Im Verantwortungsbereich des Korps befanden sich auf der nächsten Ebene die Einheiten des Nachschubkommandos 1 in Rheine - Gellendorf und Instandsetzungskommandos 1 in Bielefeld mit dem Nachschubbataillon 110 In Rheine und Wesel, Transportbataillon 170 in Rheine, dem nicht aktivem Transportbataillon 180 (ursprünglich 190) in Steinfurt, später Bad Rothenfelde, bzw. dem Instandsetzungsbataillon 110 in Coesfeld und Wesel und dem Instandsetzungsbataillon 120 anfangs in Warendorf, dann in Rheine und Wesel. Dazu kam ein nicht aktives Instandsetzungsbataillon 130 (Bad Rothenfelde). Diese Einheiten dienten vorwiegend den Korpstruppen, waren aber auch verantwortlich für die Korpsdepots im vorgeplanten Gefechtsstreifen in Niedersachsen, die Mengenverbrauchsgüter für alle Verbände des I. Korps in den potentiellen Einsatzräumen zwischen Emsland und der Südheide lagerten. Von zentraler Bedeutung für die nationale logistische Unterstützung waren als oberste Ebene die drei Versorgungskommandos des Territorialheeres, wo im Bereich der NORTHAG zwischen Elbe und Mittelgebirge das Versorgungskommando 800 in Lingen zuständig war. Das Kommando unterstand dem Territorialkommando Nord in Mönchengladbach und unterhielt mit Schwerpunkt im westlichen Niedersachsen, Westmünsterland und am Niederrhein zahlreiche Munitions- und Gerätedepots, die nicht mit den weiter östlich liegenden Korpsdepots (Forward Storage Sites) verwechselt werden dürfen. Einrichtungen des Versorgungskommandos 800 waren in unserem Raum die Munitionshauptdepots in Ochtrup, Lünten, Olfen, und Saerbeck und ein Munitionsteildepot in der Hohen Mark bei Hülsten (Reken) . Die Munition befand sich dort in verbunkerten Munitionslagerhäusern, die mit Erdwällen bedeckt waren. Das als letzte Einrichtung fertiggestellte Munitionsdepot in Saerbeck war auch für die US-Verstärkungskräfte vorgesehen.

Blick in das ehemalige Teildepot Munition Hülsten in der Hohen Mark bei Reken

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Es gab auch eine aktive Einheit für die Materialerhaltung von elektronischem Gerät, die Instandsetzungskompanie 800 in Borken. Je eine aktive Kompanie der gekaderten Nachschubbataillone 804 (Lingen) und 805 (Köln) betrieben an ihren Standorten Umschlagpunkte, das aktive Kölner Transportbataillon 801 war für Versorgungsfahrten im gesamten Nordbereich verfügbar und konnte im Kriege durch das nicht aktive Transportbataillon 802 (Dortmund-Sölde) ergänzt werden. Weitere Geräteeinheiten konnten für den Umschlag von Material und Mengenverbrauchsgütern mobilisiert werden.

Nach Auflösung von Einheiten im Materialdepot Ochtrup abgestellte LKW der II. KFZ-Generation

Materialhauptdepots befanden sich in Ochtrup und Bork (Leitdepot der 1.Panzerdivision) mit großen Gerätelagern in Hallen oder im Freien. Kleinere Objekte waren das Materialteildepot Lette und Materialdepot Rheine. Hauptdepots hatten auch Kapazitäten zur Materialerhaltung. Unabhängig vom normalen Nachschubstrom lagerten medizinische Güter im Hinblick auf das Kriegsvölkerrecht in einer separaten Einrichtung im Sanitätshauptdepot Epe und in den Sanitätsmateriallagern in Dülmen - Dernekamp und Münster - Wolbeck. Einzelne Depot hatten auch einen Bahnanschluss wie die Materialdepots Ochtrup, Bork und Rheine und das viel später übernommene Munitionsdepot Wulfen. Die Depotlandschaft des Münsterlandes setzte sich im Rheinland und Niedersachsen fort (Goch, Straelen, Twisteden, Haldern, Hünxe, Itterbeck, Elbergen, Klausheide). Im Gegensatz zur heutigen Zentralisierung auf wenige zentrale logistische Einrichtungen konnte die damalige Depotstruktur nicht nur nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben optimiert werden. Es galt angesichts der Bedrohungslage den zu erwartenden Ausfällen durch eine weiträumige Dislozierung und hohe Redundanz der Versorgungs-einrichtungen zu begegnen. Alles musste mehrfach vorhanden sein. Im Augenblick werden im Münsterland nur noch die Objekte in Ochtrup, Epe und Rheine betrieben. Hinzugekommen ist als eine der wenigen zentralen

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Munitionsversorgungseinrichtungen der Bundeswehr die 1999 von den britischen Streitkräften übernommene Anlage („Muna“) in Wulfen im Kreis Recklinghausen. Von der Pipelineorganisation für die NATO - Pipeline Goch - Hessisch Oldendorf war schon die Rede. Sie wurde in ziviler Regie von der Fernleitungsbetriebsgesellschaft betrieben. Für den Krieg war die Aufstellung eines Pipelinepionierbataillons aus dem aktiven Kader des Pipelinepionierbataillons 840/800 in Wuppertal vorgesehen mit dem Materiallager Nr. 933 im Depot Ochtrup. Zur Infrastruktur gehörten auch die NATO - Tanklager Bocholt und Münster, die in Wirklichkeit in Brünen und Everswinkel lagen. Zusätzlich gab es Notentnahmeschächte wie in Rinkerode und Pumpstationen wie in Rorup. Zwei weitere Pipeline im NORTHAG - Bereich verliefen in Niedersachsen (Bramsche - Walsrode) und im Süden von NRW (Würselen - Olpe) mit je einem eigenen nicht aktiven Pipelinepionierbataillon und Pipelinemateriallagern. Der Vollständigkeit halber sollte man auch die britischen logistischen Einrichtungen in Dülmen, Wulfen (s.o.), Recklinghausen, Everswinkel und Hiltrup nicht vergessen

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Übungsraum der NATO-Luftwaffen Diese lästige und lautstarke Präsenz von Militär ist sicher vielen Bewohnern noch in Erinnerung, auch wenn das Bild einer extrem tief fliegenden Phantom aus Raesfeld entgegen der Beteuerung des Bildautors kaum echt sein dürfte. Pferdegespann und F4 (ab Ende der 60er Jahre im Luftraum in der Region präsent) passen zeitlich nicht zusammen. Flugbasen mit Jagdflugzeugen, Jagdbombern oder Hubschraubern im hiesigen Raum und an seiner weiten Peripherie befanden sich in: Hopsten (D), Wittmund (D), Jever (D) Oldenburg (D) Ahlhorn (D) Bentlage(D) Gütersloh (UK) Weeze-Laarbruch (UK), Brüggen (UK) Wildenrath (UK) Geilenkirchen (UK – 68, dann D und NATO) Enschede-Twenthe (NL), Volkel (NL) Gilze-Rijn (NL) Eindhoven (NL), Soesterberg (NL/US) Leeuwarden (NL) Nörvenich (D), Büchel (D), Kleine-Brogel (BE), Bierset (BE) und Florennes (BE). Dazu kamen noch kleinere Plätze der britischen und belgischen Heeresflieger (Detmold, Soest, Werl). Die Karten weisen das Münsterland als Übungszone für Tiefflug bis 75 m aus. Die Bildtafeln vermitteln manche sicher noch bekannte Umrisse des Flugzeugparks der NATO, die sich über mehrere Jahrzehnte an unserem Himmel blicken ließen. In den 60er Jahren überwogen Jagdbomber F 84 THUNDERSTREAK (D, NL, BE), die oft mit asymmetrischem Profil mit nur einem Außentank flogen. Sehr häufig sah man damals die zweistrahligen Bomber CANBERRA von den niederrheinischen Basen der Royal Airforce (RAF) und Jagdbomber HUNTER der RAF aus Gütersloh. Zunehmend bestimmten jaulende F 104 STARFIGHTER (D, NL, BE) die Geräuschkulisse. Bei den Hubschraubern sah man SIKORSKI S 58, selten die „Banane“ VERTOL H 21 aus Mendig. Die ALOUETTE II zeigte als Verbindungshubschrauber eine Dauerpräsenz am Himmel. Die britische WESSEX war eine Turbinenversion der S 58. Hin und wieder erblickte man auch die Doppelrümpfe der NORATLAS-Transporter bei Tiefflugübungen der Lufttransportgeschwader. Die zeitweise bis ca. 1977 in Gütersloh stationierten Abfangjäger LIGHTNING der RAF sah man dagegen kaum, da der Tiefflug nicht zu ihrem Einsatzprofil gehörte.

CANBERRA im Luftwaffenmuseum Gatow – Die deutsche Luftwaffe besaß einige wenige Exemplare für

technische Erprobungen bei der E-Stelle in Manching

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Den Luftraum der 70er Jahre bestimmten weiterhin F 104, neu dazu kam seit 1969 die F 4 PHANTOM der RAF, ab 1974 auch bei der Luftwaffe, die JAGUAR( RAF Brüggen), die behäbigen BUCCANEER (RAF Laarbruch) und Senkrechtstarter HARRIER (RAF Gütersloh) . Die F 5 FREEDOM FIGHTER (NL) und MIRAGE III (BE) hatten mittlerweile bei den kleinen Luftwaffen die F 84 ersetzt. Neue Hubschraubermodelle waren die BELL UH 1 D („Teppichklopfer“) ab 1968 von Luftwaffe und Heer (Ahlhorn, Celle, SAR-Stationen) sowie CH 53 G in Rheine und Mendig ab 1973. Die BELL waren durch ihre Rettungseinsätze im Rahmen des SAR-Dienstes bekannt. Heute werden letzte Exemplare diesen Musters nur noch für den militärischen Luftrettungsdienst auf dem Fliegerhorst Nörvenich in Bereitschaft gehalten. Als „Rettungsflieger“ sind sie in einer Fernsehserie auf den Bildschirmen aber noch als Helfer präsent, während die zivile Luftrettung mittlerweile in ziviler Trägerschaft (z.B. ADAC) liegt. Einer dieser gelben zivilen Rettungshubschrauber ziert als Denkmal das Kamener Autobahnkreuz. Seit den 80er Jahren ersetzte die BO 105 die ALOUETTE als Verbindungshubschrauber. Die CH 47 CHINOOK mit zwei Rotoren flogen bei der RAF und später bei der niederländische Luftwaffe. Die US-Streitkräfte nutzten sie für die nuklearen Transporte zu den Sonderwaffenlagern und NIKE-Stellungen. Die PUMA ergänzten die britische Hubschrauberflotte. In den 80er Jahren flogen noch bis Mitte des Jahrzehnts die F 104 und F 5. Als neue Standardflugzeuge der NATO folgten die F 16 (US, NL, BE) und TORNADO (D, UK). Dazu kam mit dem zunehmenden Engagement der US-Luftwaffe im Norden der für Panzerabwehr und Erdkampf optimierte US-Jagdbomber A 10 mit ungewöhnlichem Design. Die leichten Jagdbomber der deutschen Luftwaffe für Erdkampfunterstützung FIAT G 91 und später ALPHA JET sah man seltener, da sie weiter im Norden (Oldenburg, Husum) und Süden (Leipheim, Sobernheim, Fürstenfeldbruck) stationiert waren. Die Briten setzten ihre Senkrechtstarter HARRIER auch bei Feldeinsatzübungen in den Borkenbergen, der Dingdener Heide und Raesfeld ein Ein besonderes Kapitel sind die Notlandeplätze (NLP) auf Autobahnabschnitten der A 1 bei Greven und Ladbergen und der A 43 bei Dülmen - Karthaus. Noch heute sind sie an den beiden als Parkplätze genutzten Abstellflächen an den entgegengesetzten Enden der vorgesehenen Bahnstreifen mit versteckten gesperrten breiten Zufahrten zu erkennen. Die demontierbaren Mittelplanken sind dagegen weitgehend verschwunden und begrünt worden. 1968 wurde der NLP in Ladbergen vor Fertigstellung der Hansalinie durch FIAT G 91 und NORATLAS der Luftwaffe erprobt. Nicht alle als Mobilmachungsaufstellung vorgesehenen Flugbetriebsstaffeln konnten für die NLP realisiert werden.

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Ehemaliger Notlandeplatz auf der A 43 bei Dülmen - Karthaus

Der Bodenschießplatz Nordhorn-Range auf niedersächsischer Seite zog natürlich auch militärischen Flugverkehr an. Spektakuläre Flugunfälle mit sehr vielen Opfern sind nicht durch die Medien gegangen, aber diverse Abstürze, wie die einer F 84 bei Raesfeld 1968, einer CANBERRA in der Dingdener Heide 1969, einer F 16 bei Heek (80er Jahre) und eines HARRIER bei Albachten sind noch in Erinnerung. Das Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“ deckte den fatalen Abschuss(!) eines britischen JAGUAR durch eine ebenfalls britische F4 im Jahre 1983 bei Wesel auf. Im Januar 1971 gab es westlich von Bocholt eine Kollision eines belgischen Düsentrainers T 33 mit einem Motorsegelflugzeug, dessen beide Insassen ums Leben kamen.

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Nukleare Rollen Bis 1992 war die NATO - Strategie der Abschreckung ohne Atomwaffen nicht denkbar. Der Strategiewechsel ab 1967 von der Massive Vergeltung zur Flexiblen Antwort änderte an der nuklearfähigen Bewaffnung grundsätzlich nichts. Im Rahmen der nuklearen Teilhabe waren Luftwaffen und Heereskräfte der Allianzarmeen mit einer breiten Palette nuklearfähiger Trägersysteme für die unteren taktischen Stufen der Eskalationsleiter ausgestattet. Die nuklearen Gefechtsköpfe hätten die USA nach Entscheidung des US-Präsidenten bereitgestellt und für die NATO freigegeben. Die Luftwaffe mit ihren Jagdbombergeschwadern und zwei Flugkörpergeschwadern PERSHING I war von vornherein Hauptträger nuklearer Waffen und hatte deshalb von Anfang an großes Gewicht in der Bundeswehr. Das Jagdbombergeschwader 36 war mit einer Staffel F 104 von 1967 - 72 nukleareinsatzfähig. Die QRA-Rotte lag im südlichen Bereich des Fliegerhorstes Dreierwalde und wurde damals auch von den Medien registriert. Auf Weisung von Verteidigungsminister Schmidt wurde der Verband schon in den 70er Jahren wieder denuklearisiert. Das hatte nicht nur politische Gründe, sondern geschah auch im Hinblick auf die wenig glückliche ausgelagerte Unterbringung von nuklearer Abwurfmunition in Uthuisen (s.o.). Die Jets der RAF über dem Münsterland waren wahrscheinlich auch oft mit nationalen nuklearen britischen Gefechtsköpfen unterwegs. Alles unterlag der Geheimhaltung und Publizität war nicht erwünscht, da die Bundesrepublik sicherheitspolitisch auf die NATO-Partner angewiesen blieb. Erst im Rahmen der Nachrüstungsentscheidung von 1979 gelangten diese Themen erneut auf die Tagesordnung öffentlicher Debatte und Proteste. Bei den Landstreitkräften waren in den frühen 60er Jahren zuerst die Raketeneinheiten mit ungelenkten Flugkörpern HONEST JOHN nuklear einsatzfähig. Sie waren ursprünglich bei der Korpsartillerie aufgestellt worden, wurden aber in den 60er Jahren in die Divisionsartillerie eingegliedert. Im hiesigen Raum handelte es sich dabei um das Raketenartilleriebataillon 72, erst in Handorf, dann bis 1971 in Dülmen.

Eine Flugkörper HONEST JOHN erinnerte im Eingangsbereich der Dülmener Kaserne bis zu ihrer

Schließung an das alte Raketenartilleriebataillon 72 und den Nuklearauftrag des Artillerieregiments 7.

Die HONEST JOHN hatte nur eine Reichweite von 40 km, auf Korpsebene führte die Bundeswehr mit der SERGEANT eine nuklearfähige Rakete bis 150 km Reichweite ein.

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Sie gehörte zur Ausrüstung des Raketenartilleriebataillon 150, das in Warendorf aufgestellt und 1965 in die neue Schill - Kaserne nach Hamminkeln bei Wesel verlegt wurde. 1978 löste die LANCE die SERGEANT als taktisches nukleares Landsystem mit über 100 km Reichweite ab. Die Weseler Einheit übte oft im westlichen Münsterland, fuhr aber ohne Flugkörper mit ihren Lafetten über die Straßen. An dieser Stelle sei auch ein Hinweis auf das in Emmerich 1970 aufgestellte ABC-Abwehrbataillon 120 (später 110) erlaubt, das eine Weile zum Korpsartilleriekommando 1 gehörte und häufiger im Münsterland für das nahezu undenkbare schlimmste Ernstfallszenario übte. Das Bataillon verlegte ca. 1976 nach Emden. Die gesamte Rohrartillerie mit US-Geschütztypen war im Prinzip nuklearfähig. Von Anfang an hatte die 203-mm Batterie des Feldartilleriebataillons 71 der Division in Dülmen einen Nuklearauftrag (4./Feldartilleriebataillon 71). Später waren auch die zahlreicheren M 109 G der Brigadeartillerie (Panzerartilleriebataillone 195, 205, 215) nuklearfähig, wenn auch nicht alle Einheiten dafür eingeplant und ausgebildet waren.

M 110 A 2 der 4./FArtBtl 71 auf dem Truppenübungsplatz Bergen 1.11.1983. Während des Besuchs einer

Gästegruppe der GfW-Sektion aus Wuppertal wurden auch Schießverfahren im Nukleareinsatz geübt.

Die Verfügungsgewalt über die Sprengköpfe lag beim amerikanischen Präsidenten. US-amerikanische Field Artillery Detachments ( u. a. Nr. 81 in Dülmen) sorgten für die sichere Verwahrung und Kommunikation. Die rotweißen Fernmeldetürme und US-Flaggen vor den Kasernen wurden so zu Landmarken der nuklearen Topographie. In vielen Artilleriebataillonen des Heeres entstanden Artilleriespezialzüge, die 1986 im Artillerieregiment 7 zu je zwei Einheiten in Dülmen konzentriert wurden und bei Bedarf ausgewählte Haubitzen der Kaliber 155 oder 203 mm nuklear einsatzfähig machen konnten. Die Artillerie übte bei den Schießen regelmäßig die Schussverfahren für den Einsatz von Atomgranaten. Dagegen erhielten die deutsch – britisch - italienischen Feldhaubitzen 155-1 von Rheinmetall keine amerikanische Zulassung für den Einsatz von US-Atomgranaten.

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Nuklearfähig waren auch einzelne Flugabwehrraketenbatterien NIKE-HERCULES. Die USA stellten aber hohe Anforderungen an die Infrastruktur, die z.B. die Stellung in Erle irgendwann nicht mehr erfüllte. Bereits im Frieden waren ausgewählte und besonders gesicherte Abschusssektoren der NIKE-Stellungen in Schöppingen, Bentlage, Westkirchen und Datteln nuklear bestückt, d.h. die nuklearen Gefechtsköpfe befanden sich bereits im Frieden auf ausgewählten Raketen in den Stellungen. Es gab ein zentrales Depot für nukleare NIKE-Munition in Büren bei Paderborn, das von Belgiern und Niederländern bewacht wurde. Die Fernmeldetürme in Schöppingen, Rheine-Bentlage und beim Bataillonsstab des Flugabwehrraketenbataillons 21 in Möhnesee – Buecke signalisierten die nukleare Rolle der NIKE. Die 570th und 552nd US Artillery-Groups in Handorf und Sögel und Detachments in Dülmen und Wesel unterstützten die nukleare Artillerie. Detachments in Schöppingen (508 USFAD) und Möhnesee (66 USFAD) mit Teams in Rheine, Westkirchen und Datteln sollten die Nuklearfähigkeit der NIKE-Batterien im niedersächsischen Vörden, Schöppingen, Rheine, Westkirchen und Datteln sicherstellen. Die nukleare Rolle der NIKE, die auch als Boden-Boden-Systeme genutzt werden konnten, wurde bereits seit den 70er Jahren wieder reduziert. Die nukleare Munition in unserem Raum lagerte in Dülmen - Visbeck für die Artillerie der 7. Division, im Diersfordter Wald westlich von Hamminkeln für das Raketenartilleriebataillon 150 des I. Korps und in Telgte - Schirlheide für die Briten und Belgier. Für das I. Korps gab es im Emsland ein zentrales Depot für den „nuklearen Nachschub“ in der Lahner Heide in Werlte (Hümmling), wo auch das Nachschubbataillon Sonderwaffen 120 lag. Im Kriege wären die Lager durch das Bataillon geräumt worden. Aus diesem Grunde war diese Einheit auch stärker als andere logistische Verbände bei der Umrüstung von der I. auf die II. KFZ-Generation ab 1976 bei der Ausstattung mit voll geländegängigen Fahrzeugen berücksichtigt worden,

Im Camp der ehemaligen 570th US Arty Group an der B 51 zwischen Münster und Telgte wird der Fernmeldeturm noch für die moderne Kommunikationsgesellschaft genutzt. Die Liegenschaft ist heute Heimat für Island-Ponies.

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da sie ihre brisante Ladung im Kriege beweglich im Gelände verborgen hätten bereithalten müssen.

Ehemaliges Sonderwaffenlager in Schirlheide bei Ostbevern

Über die Verschleierung nuklearer Waffen mit Begriffen wie Sonderwaffen oder Sondermunition kann man streiten, nutzte man doch auch in der NS-Zeit diesen Terminus („Sonderführer“) Das US Detachment 3/50th TFW Hopsten bewachte und unterstützte 1967-72 die QRA -Rotte in Dreierwalde und das Lager Uthuisen. Für die Sicherung der Nuklearmunition und ihrer Einsatzsysteme in Dülmen in Kooperation mit Amerikanern waren die Begleitbatterie 7, in Wesel die 5./Raketenartilleriebataillon 150 und in Werlte das Nachschubbataillon 120 SW zuständig. Zusätzlich gab es einen Bereitschaftsstatus von anderen Kampftruppen zur Verstärkung der Sicherung in Gefahrenlagen z.B. durch Handorfer Panzergrenadiere oder britische Infanteristen aus Münster. Die Panzergrenadiere in Handorf konnten z.B. mit Kräften für den Nuklearstandort Wesel alarmiert werden. Das britische 8. Transportregiment in der Portsmouth-Kaserne in Münster - Coerde hatte lange eine ähnliche Rolle wie das Sonderwaffenbataillon in Werlte Die Dotierung des Artilleriekommandos 1 in Münster mit einem Brigadegeneral spiegelte dessen Bedeutung für die nukleare Planung. Ihm unterstanden neben dem Raketenartilleriebataillon 150 in Wesel auch das Sonderwaffentransportbataillon in Werlte und das nicht aktive Sicherungsbataillon 100 in Ahaus - Ottenstein . Bis Ende der 70er Jahre waren die Sicherheitsstandards der Infrastruktur nicht immer auf der Höhe der Zeit (Holztürme der NIKE-Stellung in Datteln). Als dann mit der Bewegung gegen die Nachrüstung die nuklearen Einrichtungen zu bevorzugten Zielen des Protests wurden, setzte man die nuklearen Sicherheitsstandards herauf und „härtete“ die Infrastruktur der Sonderwaffendepots und noch nuklear bestückten NIKE-Batterien, obwohl das Ende der NIKE-Systeme absehbar war und die Flugabwehr neben den Atomminen der Pionierspezialzüge (u.a. beim PiBtl 110 Minden) als Folge des Beschlusses von Montebello 1983 beschleunigt denuklearisiert werden sollten. Diese zusätzlich gehärteten Objekte kann man an den Betontürmen erkennen. Ein solcher markiert z.B. die Flugabwehrstellung in Westkirchen und blieb auch in der

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umgebauten PATRIOT-Stellung erhalten, obwohl dieses Nachfolgesystem der NIKE nicht nuklear war.

2002 geräumte Flugabwehrraketenstellung in Datteln-Ahsen mit Wachtürmen aus der NIKE-Ära. Die

Batterie war schon einige Jahre vor der Umrüstung auf PATRIOT „denuklearisiert“ worden.

Am 1.4.1992 endete endgültig der Nuklearauftrag des Heeres. CHINOOK-Hubschrauber der US-Streitkräfte transportierten die Gefechtsköpfe in aller Stille zu US-Standorten und zur Verschiffung in die USA ab.

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Territoriale Verteidigung Die Territoriale Verteidigung blieb in nationaler Verantwortung und hatte innerhalb des Heeres eine eigene Führungsstruktur, die sich an die föderale und kommunale Gliederung anlehnte: WBK -> Land / Länder, VBK - > Regierungsbezirke, VKK -> Landkreise. Darüber gab es noch die Führungsebene der Territorialkommandos Nord, Süd und Schleswig-Holstein in Anlehnung an NATO-Heeresgruppen, um deren Operationen mit nationalen Unterstützungsleistungen abzustimmen und die nationalen Aufgaben und Interessen in dem Bereich wahrzunehmen: Gewässerübergänge durch Pioniere, Instandhaltung des Pipelinesystems, Fernmeldewesen, Logistik für die eigenen Truppenkontingente in der NATO

Im Münsterland war das Territorialkommandos Nord mit dem Pionierkommando 800 Hilden für die Sicherstellung des Betriebes der Pipeline Goch - Hess. Oldendorf mit dem nicht aktiven Pipelinepionierbataillon 802 Uedem und dem Pipelinegerätelager 933 im Depot Ochtrup in der Verantwortung. Das Pionierkommando 800 war auch für die Kriegsbrückenübergänge am Rhein mit zwei nicht aktiven Schwimmbrückenbataillonen (810,811) in Kranenburg bei Kleve zuständig. Diese Einheiten konnten Pontonbrücken über den Strom schlagen oder die Hohlplattenpontons mit Booten im Fährbetrieb einsetzen. Ergänzt wurden sie durch die aktive Flusspionierkompanie 801 mit militärischen Flussfähren (Typ Mannheim oder Bodan) in Krefeld-Uerdingen. Im Borkener Mobilmachungsstützpunkt lag noch das nicht aktive Fernmeldebataillon 830 zur Verstärkung der Fernmeldekräfte des in Mönchengladbach beheimateten Territorialkommandos Nord.

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Besondere Präsenz im Münsterland zeigte das Territorialkommando Nord mit den zahlreichen Depots des Versorgungskommandos 800 in Lingen (s.o.) Eine zentrale Führungsrolle der extrem mobilmachungsabhängigen Sanitätskräfte lag beim Sanitätskommando 800 Mönchengladbach des Territorialkommandos Nord. Es verfügte über Kapazitäten zur Schwerpunktbildung bei der Sanitätsversorgung und dem Krankentransport, von denen das Material der Krankentransportzüge (Schiene) 801-807 in Steinfurt und Sendenhorst eingelagert war. Die fünf nicht aktiven Sanitätsbataillone des Sanitätskommandos 800 waren an anderen Standorten im Nordbereich gelagert. Eine umfangreiche Reservelazarettorganisation gab es auf der Ebene des WBK III im Sanitätsregiment 73 mit 17 Reservelazarettgruppen, u.a. 7319 und 7320 Ahlen, 7321 Steinfurt, 7322 und 7322 Greven, die in Kasernen oder Hilfskrankenhäusern mobilgemacht werden sollten. Seit den 80er Jahren gab es engere Kooperationen mit zivilen Krankenhäusern, an deren Standorten sie zum Betrieb von Hilfskrankenhäusern vorgesehen waren. Für die Lazarettorganisation konnte man aufgrund der Leistungsgesetze für die Notstandsverfassung medizinisches Personal beider Geschlechter einziehen. Eine territoriale Dienstleistung war auch der Fernmeldebetrieb mit einem stationären Grundnetz von Postleitungen. Dazu gehörte die verbunkerte unterirdische Fernmeldezentrale der Grundnetzschalt- und vermittlungsstelle (GSV) 32 in Nordkirchen. Die Fernmeldebereichsführer sind ebenfalls zu nennen. Das Wehrbereichskommando III in der Reitzenstein - Kaserne in Düsseldorf hatte koordinierende territoriale Aufgaben für ganz NRW im Bereich Raumschutz, Fernmeldewesen, Sanität, Feldjägerdienst, Pionieraufgaben, Zivilmilitärische Zusammenarbeit (ZMZ) und Unterstützung der NATO-Truppen. Seit Mitte der 60er Jahre stellte das Territorialheer infanteristisch bewaffnete Heimatschutztruppen zur Sicherung von Räumen und Objekten bei den VBK und VKK als Geräteinheiten auf. Beim Wechsel von der Heeresstruktur II zur Heeresstruktur III ab 1969/70 wurden unter dem Dach der WBK aktive Kampftruppen des Territorialheeres für den Einsatz gegen feindliche Aktionen im rückwärtigen Raum formiert: pro WBK ein Heimatschutzkommando mit zwei teilaktiven Jägerregimentern, vier Mörserkompanien (aktiv / nicht aktiv) und vier Panzerjägerkompanien mit Kampfpanzern M 48 oder Kanonenjagdpanzern (aktiv / nicht aktiv). Als aktive Kader bestanden meist zwei Jägerbataillone, die in der Regel aus den motorisierten, nicht gepanzerten Panzergrenadierbataillonen (mot.) der Panzergrenadierbrigaden entstanden waren. Viele Panzergrenadierbataillone der Panzergrenadierbrigaden hatten in den 60er Jahren keine Schützenpanzer oder Mannschaftstransportwagen M 113 erhalten und blieben weiter mit LKW 1,5 t UNIMOG ohne Panzerschutz motorisiert. In jeder Panzergrenadierbrigade war bis dahin mindestens eines der drei Panzergrenadierbataillone ein Bataillon (mot.). Nach der Abgabe ihrer motorisierten Bataillone an das Territorialheer verfügten die Panzergrenadierbrigaden nur noch über zwei infanteristische, allerdings gepanzerte Kampfbataillone, das heißt die Gesamtzahl

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der aktiven Infanteriebataillone hatte sich eigentlich wenig verändert. Zum Teil hatte man für die Aufstellung der Heimatschutzkommandos auch auf andere Formationen zurückgegriffen (Ausbildungsbataillone, Versorgungsbataillone, Transportbataillone) Im Wehrbereich III wurde für das neue Heimatschutzkommando 15 das alte Panzergrenadierbataillon 192 (mot.) Ahlen zum Jägerbataillon 441 und aus dem Ausbildungsbataillon 203 in der Hellweg-Kaserne Unna entstand das Jägerbataillon 451, das später ins Rheinland verlegte. Die Nummerierung der fünf Heimatschutzkommandos erfolgte von Norden nach Süden und signalisierte mit den Nummern 13 bis18, dass man diese Verbände als künftige Kader für Reservedivisionen verstand, welche die aktiven Heeresdivisionen Nummer 1 bis 12 verstärken sollten. In der Heeresstruktur IV ab 1981 wurden die Heimatschutzkommandos zu Heimatschutzbrigaden mit Kampfpanzern M 48 (105mm) und Feldartillerie (Feldhaubitzen 105 mm) aufgewertet. Zu jeder aktiven Heimatschutzbrigade gab es als Ergänzung noch eine ähnlich ausgestattete nicht aktive Brigade. Im Wehrbereich III bestanden so die aktive Heimatschutzbrigade 53 und nicht aktive Heimatsschutzbrigade 63. Im und nahe beim Münsterland waren das aktive Jägerbataillon 531 in Ahlen, das nicht aktive Panzerbataillon 633 (Ahlen) und nicht aktive Feldartilleriebataillon 635 (Unna-Massen) stationiert. Die meisten aktiven Kräfte der Brigade 53 lagen in Düren und Euskirchen. In die Heimatschutzbrigaden eingebunden waren Ausbildungszentren, die Mobilmachungsübungen unterstützten und durch ihre Ausbildung auch für Auffrischung oder Neuerwerb der Jäger-ATN sorgten, z.B. Jägerausbildungszentrum 53/1 Borken. Herzstück der territorialen Verteidigung in der Region waren aber bis in die 90er Jahre das Verteidigungsbezirkskommando (VBK) 33 Münster und die unterstellten Verteidigungskreiskommandos (VKK) 331 Münster, 333 Rheine, 334 Borken und 335 Recklinghausen, die alle Maßnahmen der zivilmilitärischen Zusammenarbeit (ZMZ) koordinierten und die Operationsfreiheit und militärische Objekte zu sichern hatten und den Personalersatz mit der Wehrleitersatzorganisation regelten. Die Nr. 332 wurde von einem früheren VKK in Ahlen belegt, das aber in den 70er Jahren (?) in das VKK 331 integriert wurde. Im Verteidigungsfall stellten die VKK Wehrleitersatzbataillone zur Aufnahme und Ausbildung ehemaliger Reservisten aus der Personalreserve für den „Personalnachschub“ aus. Das Thema nahm in der Militärpublizistik wenig Raum ein, da es letztlich sensible Fragen von Tod und Verwundung im Kriege berührte. Weiterhin gab es kleine Teileinheiten in Trupp- oder Gruppenstärke für die Koordination des Pionier-, ABC - Abwehr und Fernmeldewesens. Das VKK 331 in Münster hatte von 11/1965 bis 12/94 bestanden und war aus der Standortkommandantur Münster ab 1956 entstanden. Sein Standort und der des VBK 33 waren im Dienstgebäude gegenüber dem Korpskommando am Hindenburgplatz.

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Die VKK organisierten auch in Kooperation mit dem Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr die freiwillige Reservistenarbeit. Die Reservistenfeldwebel hatten dabei eine Schlüsselfunktion. Reservisten mit oder ohne Mobilmachungsbeorderung konnten dort freiwillig in Dienstlichen Veranstaltungen ihre militärischen Grundfertigkeiten in meist eintägigen Übungen erhalten.

Ein Beispiel der freiwilligen Reservistenarbeit im Münsterland aus jüngerer Zeit – Reservisten und zivile Helfer von Hilfsorganisationen an Übungsstationen zum Heimat- und Katastrophenschutz am Dortmund-

Ems-Kanal bei Hiddingsel

Die Wallmeisterorganisation zur Betreuung vorbereiteter Sperren spielte im Westen der Bundesrepublik eine etwas geringere Rolle als in den Gefechtsstreifen an der innerdeutschen Grenze. Es gab aber die Wallmeistertrupps 331/1 Münster und 333/1 Rheine. Mit ihren grauen VW-Bussen mit gelbem Blinklicht kontrollierten sie die vorbereiteten Sperren an der Verkehrsinfrastruktur und sollten nicht sofort als Militärfahrzeuge erkannt werden. Auch nachdem diese Sperren in den Strukturen nach 1990 deaktiviert wurden, wurden die Wallmeister noch eine Weile benötigt, um die Beseitigung der Anlagen zu betreuen.

Wallmeisterfahrzeug beim Münsterlandmarsch in Dülmen

VBK 33 und die VKK verfügten über eigene nicht aktive Führungsteile wie die Stabskompanien des VBK und der VKK, Fernmeldekompanie (VBK) 733, Nachschubkompanie(VBK) 733 und Instandsetzungskompanie(VBK) 733. Diese Einheiten sollten im Mobilmachungsfall in Kasernen oder Munitionsniederlagen

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stationäre Versorgungspunkte einrichten. Sie konnten z.B. auch Tankstellen und Instandsetzungshallen weiter nutzen. Für die Instandsetzungskompanie 733 hätten die Hallen der Instandsetzungsausbildungskompanie 10/I in Dülmen zur Verfügung gestanden. In Münster befand sich auch die Verkehrskommandantur 732, die den militärischen Straßen- und Schienenverkehr in dem betrachteten Raum zu steuern hatte. Dort wurden zum Beispiel die Marschkredite ausgestellt, welche den Militärkolonnen die entsprechenden Zeiten und Wege zuordneten. Diese wurden mit einer Codierung in Kreide auf die Fahrzeugen geschrieben.

Das Verbandsabzeichen der ehemaligen Verkehrskommandantur 732 dokumentiert Standort und

Funktion

Die VKK in Münster, Rheine, Borken und Recklinghausen verfügten über nicht aktive Sicherungskompanien, Sicherungszüge und Wehrleitersatzbataillone. Das VKK 331 Münster hielt in der von - Einem-Kaserne Gerät für die Heimatschutzkompanien 3311, 3312 und 3313(?)bereit. Es gab den Sicherungszug 7331 und einen Sicherungszug für das Tanklager Everswinkel. In Münster bzw. Ahlen lagen die Wehrleitersatzbataillone 831 und 832, in Rheine (Damloup - Kaserne) das Wehrleitersatzbataillon 829 und in Borken das Wehrleitersatzbataillon 828 In Borken gab es neben den Heimatschutzkompanien 3341 und 3351 den Sicherungszug 7334, in Rheine die Heimatschutzkompanien 7331 und 7331, dazu den Sicherungszug 7333. Für die VBK gab es ab ca. 1966 nicht aktive Jägerbataillone (s.o.), die in der Heeresstruktur IV zusammengefasst und zu nicht aktiven Heimatschutzregimentern erweitert wurden. In Westfalen bestand in der Struktur IV das Heimatschutzregiment 73 „Münsterland“ (im Rheinland die Heimatschutzregimenter 83 und 93) mit drei Heimatschutzbataillonen, einer Mörserkompanie, einer Versorgungskompanie und einer Stabskompanie inclusive eines Panzerjägerzuges mit fünf Kanonenjagdpanzern ! . Die Heimatschutzbataillone des Regiments trugen die Nummer 731, 732 und 733 und die selbstständigen Kompanien des Regiments die Nummer 730. Einige Heimatschutzbataillone, wie auch andere nicht aktive Einheiten überlebten z.T. noch in wechselnder Unterstellung bis Mitte der 2000er Jahre. Dazu gehörte das Heimatschutzbataillon 731 (Greven, dann Borken), dessen Wappen in der o.g. Wappentafel stellvertretend für viele andere Geräteeinheiten vermerkt ist.

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Die Sanitätskräfte des Territorialkommandos Nord wurden schon erwähnt, Die Unterstützung der aktiven Streitkräfte war natürlich auch eng mit der zivilen Wehrverwaltung verbunden, d.h. Standortverwaltungen, Kreiswehrersatzämter und das Wehrbereichsverpflegungsamt Borken. Die territoriale Struktur änderte sich ab 1994 mit der Auflösung des VBK 33 und VKK 331, 333, 334, 335 und kurzlebigen Fusion Panzergrenadierbrigade 19/VBK 33 . In Landkreisen ohne größere Bundeswehrstandorte gab es eine nur kurzfristige Kompensation für den Wegfall der VKK durch kleine Kreisverbindungskommandos, (z.B. in Recklinghausen, Hauptmann Samson). Ab 1996 erfolgte wieder die „Defusionierung“ der Brigade 19 und des VBK 33. Das VBK 35 Augustdorf war nun zuständig für die ehemaligen Verteidigungsbezirke Münster und Detmold (Oberst Lenuweit, Oberst Richter). Mit der Auflösung der letzten VBK ab 2006 verblieb nur das neu formierte Landeskommando NW in Düsseldorf als einziger aktiver territorialer Führungsstab. Die Besetzung von Bezirks- und Kreisverbindungskommandos für die zivilmilitärische Zusammenarbeit analog zu den kommunalen Strukturen erfolgte nun mit ortsansässigen Reserveoffizieren und Reserveunteroffizieren. Sie bilden eine Verbindungsorganisation zwischen Bundeswehr und zivilen Behörden für den Katastrophenfall, stellen aber keine militärische Führungsorganisation mit eigenen Kräften dar. Über den Einsatz von Bundeswehrkräften entscheidet am Ende das zentrale Kommando für Territoriale Aufgaben der Streitkräftebasis in Berlin mit weit reichenden Kompetenzen im Katastrophenfall. Regional ist das jeweilige Landeskommando für die lokalen Einsatzentscheidungen zuständig. Die territoriale Spitzenorganisation in NRW war mehrfachen Wechseln unterworfen. Der Fusion 7. Panzerdivision /Wehrbereichkommando III im Rahmen des Heeres folgte 2002 wieder die „Defusion“. Ähnliche Fusionsprojekte von Feldheer und territorialen Stäben waren schon bei früheren Strukturplanungen der 70er Jahre noch im Planungsstadium gescheitert. Ab 2002 wurden die territorialen Strukturen aus dem Heer ausgegliedert und gingen in der neuen Streitkräftebasis auf. Die Streitkräftebasis realisierte nun das in der Bundeswehr schon in den 70er Jahren erwogene Projekt einer zentralen Basisorganisation für Querschnittsaufgaben, die sich bisher auf die Teilstreitkräfte verteilten. Nun kam es unter dem Dach der neu aufgestellten Streitkräftebasis nach 2001 zur Zusammenlegung des WBK III Düsseldorf mit dem WBK IV Mainz zum Wehrbereich II am Standort Mainz und zur Aufstellung des Landeskommando NW in Düsseldorf. Daneben gab es Sonderstrukturen für Spezialaufgaben, wie Infrastrukturstäbe (Nord in MS) und für die Pipelineorganisation (Emmerich). Zum Teil übernahmen auch Standortälteste lokale territoriale Aufgaben. Die logistischen Aufgaben des aufgelösten Territorialheeres wurde Mitte der 90er Jahre vom Heer übernommen. Bis 1994 waren die drei Versorgungskommandos des Territorialheeres aufgelöst worden und stattdessen vier neue Logistikbrigaden erst

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unter Kommando der Korps, dann unter die des neuen Heeresunterstützungskommandos gestellt worden. Die Logistikbrigade 1 (Lingen) des I.Korps trat an die Stelle des Versorgungskommandos 800 Gleichzeitig stärkte man die Logistik der Divisionen durch Logistikregimenter (Logistikregiment 7 Unna - Königsborn). Eine erste Neugliederung in Divisionsinstandsetzungs- und nachschubregimenter, die schon früher erwogen worden war, währte nur kurz. Mit der Transformation ab 2001 übernahmen die Logistikregimenter der Streitkräftebasis (16,17, 46, 47) einen großen Teil der Versorgung für alle Teilstreitkräfte. Beim Heer blieben unter dem Dach des Heerestruppenkommandos zwei Heereslogistikbrigaden. Zur kurzlebigen Logistikbrigade 100 Unna - Königsborn (2002-2007) gehörten u.a. im hiesigen Raum das Instandsetzungsbataillon 7 (Unna - Königsborn) und das Transportbataillon 801 Lippstadt. Das Nachschubbataillon 7 und das ebenfalls kurzlebige, zeitweilig mit Teilen auch in Dülmen und Coesfeld stationierte Instandsetzungsbataillon 71 wurden bis 2004 aufgelöst. Das Logistikregiment 11 in Rheine mit dem Nachschubbataillon 110 (Rheine), den Transportbataillonen 120 (Werlte) und 170 (teilaktiv, Rheine) wurden ebenfalls 2003 außer Dienst gestellt. Auch hier gab es zum Teil noch ein kurzfristiges Weiterleben als nicht aktive Logistikeinheiten mit anderer Unterstellung unter Beibehaltung der Einheitsnummern (110, 170). In der Streitkräftebasis übernahmen die Wehrbereiche zeitweise die Führung für regional zugeordnete aktive Truppen der Streitkräftebasis (meist Logistik und Fernmelder). Die unterstellten Truppenteile waren aber nicht mehr auf den eigenen territorialen Verantwortungsbereich beschränkt. Die dem WB II unterstellten Fernmeldeverbände verteilten sich über ganz Deutschland. Im Münsterland gab es keine größeren Verbände der SKB. Im niedersächsischen Lingen bestand nur wenige Jahre das Versorgungs- und Ausbildungszentrum 163 als Ausbildungskader und als Führungsstab für die Depots unter dem Dach des Logistikregiments 16 (SKB)in Delmenhorst. Die freiwillige Reservistenarbeit war ursprünglich Aufgabe der VKK. Die Auflösung der VKK wurde von den Reservisten deshalb sehr bedauert. Es gab oft keine Nähe zu lokalen Standorten. Zuständig waren nun die in ihrer Zahl reduzierten und in ihrem Befehlsbereich vergrößerten Verteidigungsbezirkskommandos. Die Wege zum VBK 35 im ostwestfälischen Augustdorf waren deutlich länger als in der alten Struktur. Mit der vom Inspekteur der SKB seit 2004 betriebenen beschleunigten Auflösung der Geräteeinheiten fiel ein großes Reservepotential für die Landesverteidigung weg. Es kam zu einer Verschiebung der territorialer Aufgaben von der Sicherstellung der Operationsfreiheit zur zivilmilitärischen Zusammenarbeit (ZMZ) für den Katastrophenschutz. Ein Ernstfall war die Schneekatastrophe im Dezember 2005 im nördlichen Münsterland mit Störung des Stromnetzes. Weitere subsidiäre Hilfeleistungen gab es bei der Fußball-WM 2006. Dort stand die Bundeswehr meist unsichtbar abseits des großen Sportereignisses in den Kasernen mit Hilfskräften im Wartestand.

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Die Feldjägertruppe war ursprünglich auf Territorialheer und Feldheer verteilt: Das WBK III führte das Feldjägerbataillon 730 und die 7. Division die Feldjägerkompanie 7, kurzfristig bestand in den 70er Jahren auch ein Feldjägerbataillon 190 des I. Korps in Handorf. Seit der Heeresstruktur IV war einheitlich ein Feldjägerbataillon pro WBK vorgesehen plus mehrere nicht aktive Bataillone. Das Feldjägerbataillon 730 Hilden war mit seinen acht Kompanien in ganz NRW in Feldjägerdienstkommandos präsent, u.a. 5./730 Handorf. Das nicht aktive Feldjägerbataillon 733 in Münster (Mobilmachungsstützpunkt Steinfurter Str,) war vor allem für Verkehrsleitaufgaben vorgesehen und sollte im Kriege dem Korps unterstellt werden. Mit Gründung der Streitkräftebasis wurde aus dem aktiven Feldjägerbataillon 730 das Feldjägerbataillon 252. Die Handorfer Kompanie wurde zur 5./Feldjägerbataillon 252.

Feldjäger aus Handorf beim“ Tag des Blaulichts“ in Dülmen 2011

Eine Sonderformation aus der zweiten Hälfte der 80er Jahre wurde schon erwähnt: die WHNS-Organisation, die aus nicht aktiven deutschen Einheiten mit amerikanischem Gerät aufgestellt wurde, die US-Verstärkungen aus den USA vor allem logistisch unterstützen sollten. Der Aufbau wurde wegen der neuen politischen Entwicklung nicht mehr ganz abgeschlossen. Im Münsterland befanden sich mehrere Geräteeinheiten des Unterstützungskommandos 3 in Köln, welche das III. US-Korps als Verstärkung für die NATO-Heeresgruppe Nord unterstützen sollten. Das Gerät für mehrere logistische Bataillone lag in Mobilmachungsstützpunkten in Ochtrup, Bork, Dülmen und Handorf. In Borken war das Ausbildungszentrum 3/1 aufgestellt worden, um deutsche Reservisten mit amerikanischem Gerät und Einsatzgrundsätzen vertraut zu machen. Ein neuer Mobilmachungsstützpunkt war in Reken geplant, wurde aber wie ein ähnliches Objekt in Bentlage auf dem Areal der geräumten niederländischen NIKE-Stellung nicht mehr realisiert. Die Standortangaben weichen in den wenigen Quellen oft voneinander ab. Die Karte des Kommandos 3 stammt aus einer Chronik von 1986, stellt aber vielleicht auch nur eine Planung dar, die so nicht 1 : 1 umgesetzt werden konnte. So gibt es bei den Transportbataillonen 431 und 432 sowohl die Standortnennungen Handorf als auch Ahlen bzw. Borken. Borken als Standort des WHNS-Ausbildungszentrums wurde möglicherweise in der Berichterstattung über Übungsvorhaben einer Mob-Einheit auch als Stationierungsort missverstanden.

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Das unsichtbare Heer Aus dem bisher Gesagten kann man ahnen, wie viele Einheiten in einem Kriegsfall auf allen Ebenen aus Reservisten aufzustellen waren. Grob umfasste die Bundeswehr der 80er Jahre knapp 500.000 aktive Soldaten plus 800.000-900.000 Reservisten Die Zahl und Vielfalt nur für das Münsterland ergibt sich aus der Grafik „Die unsichtbare Truppe.“

Zum Mobilmachungsumfang gehörten zuerst natürlich jene Reservisten, welche die aktiven Einsatzverbände auf volle Stärke bringen sollten. Diese Alarmreservisten wurden vor allem benötigt, um die Einsatzausbildungskompanien E/A, die es vor allem bei den Kampfunterstützungs- und logistischen Bataillonen gab, einsatzfähig zu machen. Durch die Verfügungsbereitschaft der gerade entlassenen Wehrpflichtigen hatte man ein schnell verfügbares Reservepersonal, das keiner Ausbildung bedurfte. Mit der Struktur IV war die Zahl der E/A-Kompanien gewachsen, das heißt die Kompanien waren zwar mit Stammpersonal und Gerät ausgestattet, bestanden aber in der Masse aus auszubildenden Rekruten.

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Waffendrill während einer MobÜbung beim Heimatschutzbataillon 731

Eine große Zahl von Einheiten in Feldheer, Luftwaffe und vor allem im Territorialheer wäre aber erst bei einer Mobilmachung binnen weniger Tage aus dem Nichts aufgewachsen. Der Terminus für diese Einheiten änderte sich mehrfach: Geräteeinheiten, nicht aktive Einheiten, zurzeit gilt die Bezeichnung Ergänzungstruppenteile. Die Maßnahmen zur Mobilmachung und deren zeitlichen Abläufe waren in „Kalendern“ durch aktive Einheiten und Dienststellen detailliert vorgeplant. Auf allen Führungsebenen des Feldheeres und Territorialheeres bestanden Feldersatzbataillone, um ausgefallenes Personal im Einsatzgebiet sofort ersetzen zu können, z.B. Nr. 72 und 73 in Ahlen , 110 in Greven. Wehrleitersatzbataillone mit über 1000 einberufenen Reservisten bei den VKK sollten für die in der Zielplanung vorgesehenen drei bis fünf „Personalauffüllungen“ sorgen, z.B. Nr. 829 Rheine, 828 Borken, 831 Münster und 832 Ahlen. Ihre Aufgabe war die Auffrischung der Ausbildung für die Reservisten der Personalreserve und Weiterleitung an die Ersatztruppenteile. Für die Aufnahme noch nicht fertig ausgebildeter Wehrpflichtiger im Kriegsfall gab es Feldausbildungsbataillone mit wechselnder Unterstellung wie Nr.842 Rheine oder 844 Münster. Diese waren in der Regel nicht aktiven Feldausbildungsregimentern unterstellt waren, deren Führungs- und Funktionspersonal vor allem aus dem Schul- und Ämterbereich kam. Die Feldausbildungsbataillone 842 und 844 gehörten zu keinem Regiment und unterstanden im Frieden dem Artillerie- bzw. Nachschubkommando 1, da sich keine Truppenschule im näheren Umkreis befand. Einige dieser Truppenteile wurden in den 90er Jahren noch Verteidigungsbezirkskommandos unterstellt und bestanden dort bis 2006. Zu den Korpstruppen gehörten die Feldartilleriebataillone 110 (teilaktiv in Dülmen) und 120 nicht aktiv im Mobilmachungsstützpunkt Unna-Massen, erst mit Feldhaubitzen 105 mm (L), dann mit M110 A2 ausgestattet waren. Ebenfalls zum Artilleriekommando1 in Münster gehörte das nicht aktive Sicherungsbataillon 100 im Mobilmachungsstützpunkt Ahaus - Ottenstein zur Verstärkung des Schutzes der nuklearen Komponente.

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Zu den gekaderten Korpstruppen gehörten die nicht aktiven Flugabwehrkanonenbataillone 130 und 140 des Korpsflugabwehrkommandos 1 im Mobilmachungsstützpunkt Greven. Sie verfügten über 40mm - Flugabwehrkanonen 40/L70, die in den Aufstellungsjahren die Flugabwehrkanonenbataillone der Luftwaffe (Nr. 41 - 48) bewaffneten, dann ab ca. 1964 auf die Panzerflugabwehrbataillone der Divisionen verteilt wurden und seit 1969 bei den aktiven Korpsflugabwehrbataillonen (110-310) konzentriert wurden. Sie beendeten ihre lange Einsatzdauer bei der Korpsflugabwehr. Zu den gekaderten Korpstruppen gehörte das gemischte nicht aktive Transportbataillon 180, anfangs im Stützpunkt Steinfurt, später im besonders großen Mobilmachungsstützpunkt Bad Rothenfelde. Dort lagerte ebenfalls die Ausrüstung für das nicht aktive Instandsetzungsbataillon 130. Zu den gekaderten Korpstruppen gehörte das nicht aktive Sanitätsbataillon 120 in Ochtrup und weitere Einheiten in Niedersachsen. Truppenteile des Korps in Mobilmachungsstützpunkten außerhalb des Münsterlandes bleiben hier ungenannt. Die umfangreichen Mobilmachungstruppenteile des Territorialheeres sind schon wiederholt erwähnt worden; Jägerbataillone (VBK), Heimatschutzbataillone, Heimatschutzkompanien, Sicherungszüge des WBK, VBK, VKK und einiger stationärer Einrichtungen, dazu die drei Kampfbataillone und das Feldartilleriebataillon der nicht aktiven Heimatschutzbrigade 63 (Panzerbataillon 633 nicht aktiv Ahlen, Feldartilleriebataillon 635 nicht aktiv Unna-Massen). Zur WHNS-Organisation gehörten nicht aktive Transportbataillone und Munitions- bzw. Betriebsstoffnachschubbataillone in Mobilmachungsstützpunkten des Münsterlandes, die schon beschrieben worden sind. Ohne Reserveeinheiten wären die Logistik und das Sanitätswesen nicht zu betreiben gewesen. So gab es für die Eigenversorgung des Territorialheeres im Wehrbereich III das nicht aktive Transportbataillon 730 Greven mit Transport- und Umschlagkompanien. Das Versorgungskommando 800 verfügte neben dem aktiven Transportbataillon 801 in Köln noch über das nicht aktive Transportbataillon 802 (Dortmund-Sölde) und zwei teilaktive Nachschubbataillone 804 Lingen, und 805 Köln. Die Nachschub- und Instandsetzungskompanien 733 des VBK wurden schon genannt. Alle Depots hatten neben 1-2 nicht aktiven Wach- und Sicherungszügen auch einen nicht aktiven Depotumschlagzug, da sie im Kriege nur von Kombattanten betrieben werden konnten. Zivilbeschäftigte der Depots wären bevorzugt in diese Züge einberufen worden. Auch die Grundnetzschalt- und Vermittlungsstelle (GSV) 32 in Nordkirchen hatte einen eigenen Sicherungszug ( Nr. 7032), der sich u.a. aus der Reservistenkameradschaft Dülmen rekrutierte. Das Jagdbombergeschwader 36 in Rheine hatte auch eigene Geräteeinheiten (nicht aktive Sicherungsstaffel und Startbahninstandsetzungsstaffel), weitere nicht aktive

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Sicherungsstaffeln unterhielt das Luftwaffenfernmelderegiment 11 (Osnabrück) für seine stationären Fernmeldestationen. Auch für den Betrieb der Notlandeplätze waren Flugbetriebsstaffeln als Geräteeinheiten vorgesehen, die aber nicht alle aufgestellt werden konnten. Das Heeresfliegerregiment 15 in Rheine konnte zwei nicht aktive Sicherungsstaffeln mobilisieren, um seine einsatzwichtigen Systeme im Felde schützen zu können. Dieses potentielle Heer von 800.-900.000 Soldaten wurde kaum wahrgenommen und manifestierte sich in Einberufungsbescheiden für den Alarmfall und gelegentlichen Mobilmachungsübungen, zu denen die beorderten Reservisten in gewissen Übungsabständen zusammentraten. Dort wurden die allgemeinen und speziellen militärischen Fertigkeiten aufgefrischt und meist auch im Rahmen einer Übung erprobt. Oft wurde nur das Führungs- und Funktionspersonal zu Wehrübungen einberufen. Das war vor allem bei Personalersatzeinheiten der Fall, die keinen taktischen Auftrag hatten. Es gab auch Einzelwehrübungen, bei denen Reservepersonal in einer aktiven Einheit seinen Leistungsstand einbringen und aktualisieren konnte. Wehrübungen dienten nicht nur der Ausbildung, sondern auch zur Erprobung der Mobilmachungsverfahren und dem Zusammenhalt der Einheiten. Ein Teil der Ausrüstung lagerte in Mobilmachungsstützpunkten, oft ehemalige Fabrikhallen (Greven, Steinfurter Str. in Münster), aber auch eigens eingerichtete militärische Neubauhallen in Kasernen (Borken, Handorf, Ahlen). In Bad Rothenfelde war ein ehemaliges Waldkrankenhaus zu einem großen Lager für Geräteeinheiten umfunktioniert worden. Weitere Mobilmachungsstützpunkte außerhalb von Kasernen bestanden in Greven, Ottenstein, Steinfurt und Münster (Steinfurter Str.). Fahrzeuge wurden im Rahmen der zivilen Mobilmachungsergänzung durch Bereitstellungsbescheide „eingezogen“, was hin und wieder geübt wurde. Meist übten die mobilisierten Reservetruppenteile aber mit Gerät, das man sich von aktiven Einheiten „auslieh“. Einen gewissen eigenen Fahrzeugpark für den täglichen Dienstbetrieb hatte auch das Territorialheer, meist teilmilitarisierte Fahrzeuge wie den Mercedes LKW 2t L 508 („Düsseldorf“-Transporter, „Limo-Laster“). Der teilmilitarisierte Zweitonner von Mercedes war u.a. das Einsatzfahrzeug für die Jägerbataillone der Heimatschutztruppe, die für ihren Raumschutzauftrag beweglich sein mussten. Dagegen genügte für die zahlreichen stationären Sicherungszüge der VKK und Depots ein LKW 2t und ein Meldekrad aus der zivilen Mobilmachungsergänzung.

Der teilmilitarisierte Fahrzeugpark des Territorialheeres bei der Reservistenarbeit auf dem

Truppenübungsplatz Haltern-Lavesum (©Klaus d. Löhnert)

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Die schweren Waffensysteme lagerten ohnehin in Depots, wo sich oft auch Mobilmachungsstützpunkte befanden („Gut Marienheide“ in Ochtrup). Zum Gerätebestand gehörten Kampfpanzer M 48, z.T. auch LEOPARD I und Feldhaubitzen 105 mm (L) der Heimatschutzbrigaden, Kanonenjagdpanzer, Mörser und Leichtgeschütze der Heimatschutzregimenter. Für die Schwimmbrückenpioniere mussten Hohlplattengerät (Pontons), Kräne, Boote und Arbeitsgeräte eingelagert werden (Kranenburg bei Kleve, zeitweise auch in Lette). Für Pipelinegerät gab es spezielle Lager wie etwa in Ochtrup. Immerhin mussten Rohre für den Bau von kilometerlangen Ersatz- und Umleitungspipeline für den Ernstfall sofort verfügbar sein. Für die beiden gekaderten Feldartilleriebataillone (110,120) des Korpsartilleriekommandos 1 mussten bis ca. 1986 in Unna-Massen sogar Geschütze auf Selbstfahrlafetten mit dem Kaliber 203 mm zur Verfügung stehen. Die beiden gekaderten Korpsflugabwehrbataillone 130 und 140 benötigten die Ausrüstung und Fahrzeuge für ihre eingelagerten Flugabwehrkanonen 40 L70, die sich für das Korpsflugabwehrkommando 1 in Greven befand. In den zahlreichen Mobilmachungsstützpunkten außerhalb von Kasernen lagerte vor allem die persönliche Ausrüstung der Reservisten, Ausstattung für den Dienstbetrieb und Spezialgerät, das nicht in der Zivilwirtschaft rekrutiert werden konnte. Der Mobilmachungsstützpunkt einer Einheit war nicht automatisch auch ihr Mobilmachungsort, sondern oft nur Materiallager der Ausrüstung. Nicht immer lag der Stützpunkt in unmittelbarer Nähe zum Einsatzort der Einheit. So befand sich das Gerät für die Heimatschutzkompanie 3351 des VKK 335 Recklinghausen in Borken. Die Belegung der Stützpunkte änderte sich auch häufiger und führt oft zur Verwirrung bei der Nennung von nicht aktiven Truppenteilen und ihren Standorten. So wurden in den letzten Jahren vor der Auflösung des VBK 35 seine Heimatschutzbataillone 78 und 731 und das Ersatzbataillon 814 aus anderen Standorten noch nach Borken verlegt, wo sich in der Kaserne hinter der Standortschießanlage relativ neue Lagerhallen befanden. Sanitätsgerät musste gesondert gelagert und teilweise auch regelmäßig erneuert werden. Mit der endgültigen Auflösung der Reservelazarettorganisation in der Phase der Transformation 2002-2010 ging auch ein Potential gesamtstaatlicher medizinischer Katastrophenvorsorge verloren. Übrigens waren auch die Grundbeladungen von Mengenverbrauchsgütern (Betriebsstoff, Munition) für die Geräteeinheiten schon in Depots und Standortmunitionsniederlagen gelagert. In den militärischen Szenarien vor 1990 musste die Bundeswehr mit ihren aktiven Soldaten und Reservisten in sehr kurzen Zeiträumen auf ca. 1,2 bis 1,3 Millionen Soldaten aufwachsen können. Für militärische Nachbeschaffungen von Gerät und Vorräten für den Erstbedarf hätte die Zeit nicht gereicht. Der vorhandene Bestand der Truppe und die durch amtliche Bescheide den Eignern bekannte kurzfristige Einberufungsmöglichkeit von zivilen Fahrzeugen und Gerät musste genügen. Die Ausstattung der heutigen Ergänzungstruppenteile und RSU-Kompanien ist häufiger Gegenstand kritischer Diskussionen, vor allem in Reservistenkreisen, da diese nicht

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mehr im vergleichbaren Umfang über eine sofort abrufbare eigene Ausstattung verfügen. Fragen nach der Motorisierung von RSU-Kompanien wurden schon mal mit Hinweis auf die Bundeswehrfuhrpark GmbH beantwortet. In dem unsichtbaren Millionenheer beorderter Reservisten der Mobilmachungstruppen und nichtbeorderter Reservisten in der Personalreserve manifestierte sich das Gesicht einer demokratischen Bürgerarmee. Mit der hastigen Aussetzung der Wehrpflicht unter dem Druck der Auslandseinsätze und Finanzplanung ist dies sicherheitspolitische Kapital verloren gegangen. Nach Auflösung der nicht aktiven Truppen und Wehrersatzorganisation wird man dies nicht mehr so schnell „rekonstituieren“ können, wenn eine veränderte internationale Lage plötzlich neuen Bedarf schaffen sollte. In der Gegenwart gibt es außerhalb der aktiven Truppe keine flächendeckende Ersatzorganisation mehr, in der ausgebildetes Reservepersonal in großem Umfang militärisch erfasst werden könnte. Stattdessen gibt es an wenigen Standorten in kleinerer Zahl ausgewählte waffengattungsspezifische Ergänzungstruppenteile, die beim Heer den Divisionen, Brigaden unterstehen oder in Kompaniestärke in Bataillone eingegliedert sind, um die Durchhaltefähigkeit zu erhöhen. Im Heer sind das neun Bataillonsverbände und 18 Kompanien. Zwei Panzerbataillone und ein Pionierbataillon verfügen auch über einzelne aktive Einsatzkompanien und sind den Kaderbataillonen früherer Strukturen vergleichbar, während die anderen Einheiten wohl weitgehend nur aus beorderten Reservisten ohne eigenes Gerät bestehen dürften. Hier werden die angekündigten Maßnahmen zur Nachsteuerung des bisherigen Truppenabbaus ansetzen und für eine Ausstattung der Ergänzungstruppenteile sorgen müssen

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Öffentlichkeitsarbeit Die Bundeswehr stellte sich regelmäßig in Tagen der offenen Tür der Öffentlichkeit vor. Zu erwähnen wären u.a. die Familientage im Depot Ochtrup. Die Luftwaffe in Rheine veranstalte 1986, 1996 und 2006 große Flugtage. 2008 erinnerte man mit einer Ausstellung auf dem Domplatz in Münster an das 40 - jährige Bestehen des Lufttransportkommandos.

Das Artillerieregiment 7 lud regelmäßig Gäste zur Beobachtung der Regimentsschießen ein. Eine gute Tradition war und ist die Pflege von Patenschaften zwischen militärischen Dienststellen und Kommunen, wie die Verbindung zwischen den Heeresfliegern in Rheine und dem Kreis Recklinghausen oder dem ehemaligen Nachschubkommando 1 und der Gemeinde Metelen. Nicht mehr vorhanden sind die Wanderausstellungen „Unser Heer“, „Unsere Luftwaffe“ und „Unsere Marine“, die regelmäßig auch im Münsterland zu Gast waren (z.B. 1976 in Bocholt, 1989 Haltern, 1990 in Warendorf, 2000 auf dem damaligen Hindenburgplatz in Münster und in der Halle Münsterland) Heute kaum noch vorstellbar wären aber wohl Unternehmungen wie der Besuch eines Stadtfestes in Lütgendortmund durch in Kompaniestärke im Landmarsch anrückende Kampfpanzer M 48 des Panzerbataillons aus Handorf in den frühen 60er Jahren. Im Münsterland konnte die Truppe beim großen Zapfenstreich und bei öffentlichen Gelöbnissen ohne Bedenken außerhalb der Kasernen auftreten. In Münster waren lange Zeit zwei Musikkorps stationiert: das Heeresmusikkorps 100 und das Luftwaffenmusikkorps 3. Für Konzerte konnte man auch so dekorative Kulissen wie die Schlösser in Münster oder Nordkirchen nutzen. Nicht vergessen sollte man auch auf britischer Seite die langjährige Tradition der Militärmusikschau in der Halle Münsterland zur Adventszeit. Der Militärmusikdienst wird nun von der Streitkräftebasis im

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Streitkräfteamt geführt und das ehemalige Musikkorps der Luftwaffe mit seinem Standortnamen Münster weiterbestehen. Weniger positive Schlagzeilen machte die Bundeswehr im Münsterland als falsch verstandene Härte und unprofessionelle „Einlagen“ mit simulierter Folter durch einige Ausbilder des Instandsetzungsbataillons 7 in Coesfeld aus dem Jahre 2004 an die Öffentlichkeit kamen. Natürlich gingen auch die Kontroversen um die nukleare Bewaffnung im Umfeld des „heißen Herbstes“ 1983 nicht ganz an der Truppe vorbei. Die nuklearen Objekte wurden von Demonstranten auf „Spaziergängen“ besucht und belagert, nachdem1980 eine Karte in der Zeitschrift „Stern“ zu diesem Thema erschienen war, die auch viele Fehler und Missverständnisse enthielt. Insider kannten ohnehin die Merkmale der nuklearen Infrastruktur, auch wenn Angaben zur tatsächlichen nuklearen Bestückung immer geheim bleiben sollten.

Informationsstand beim Bürgerfest in Dülmen LEO II als Kulisse für den Familientag im Depot Ochtrup

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Panzergrenadiere aus Ahlen demonstrieren beim Tag der offenen Tür in Handorf 2005 die Einsatzrolle

„Riot Control“ bei der Friedensstabiliiserung

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Truppenumbau und Truppenabbau Viele Veränderungen aus der Zeit nach 1990 sind schon in den Einzelkapiteln erwähnt worden, sollen hier aber noch mal zusammengestellt werden. Dieser Prozess wird hier nur insoweit beschrieben, wie er unsere Region betraf. Strukturveränderungen, die sich hier nicht auswirkten, vor allem in Luftwaffe und Marine, sind hier nicht dokumentiert. Strukturveränderungen haben immer die Geschichte der Bundeswehr bestimmt. Der Übergang zur Heeresstruktur V und Luftwaffenstruktur III war in den 80er Jahren in der Amtszeit der Verteidigungsminister Wörner und Scholz schon geplant und um 1989 angelaufen und hatte noch keinen Zusammenhang mit der überraschenden politischen Wende im Herbst 1989, vielmehr bestimmten demografische Zwänge die geplanten Reduzierungen, Rationalisierungsmaßnahmen und Kaderungen. Erstmals war eine Reduzierung des Friedensumfangs vorgesehen, auf ca. 450.000. Die Wehrpflicht wurde wieder von W 15 auf W 18 erhöht und das Prinzip Kaderung und rascher Aufwuchs erprobt. Die Deaktivierung des Panzergrenadierbataillon 193 und der Panzerjägerkompanie 190 stand im Zusammenhang mit der Aufstellung der Heeresunteroffizierschule I in Handorf. Als Geräteeinheit blieb das Bataillon noch kurze Zeit erhalten, weil das Konzept der Heeresstruktur 2000 erstmals auch nicht aktive Kampfeinheiten der ersten Linie vorsah. Eine neue Lage stellte sich nach dem politischen Umbruch 1989 - 91 dar. Die Veränderungen seien hier kurz aufgelistet: Aufbau Armee der Einheit, 2-plus-4 -Vertrag mit einer Obergrenze von 370.000 Soldaten, Wegfall der Vorneverteidigung und sofortigen Einsatzbereitschaft, Forderung nach der „Friedensdividende“ und Denuklearisierung durch Beschränkung der taktischen Atomwaffen auf wenige Bomben. Die Landesverteidigung/Bündnisverteidigung blieb vorerst noch Hauptauftrag. „Russland ist immer noch unsere Messlatte!“ meinte Generalinspekteur Naumann bei einem Vortrag vor der Gesellschaft für Wehrkunde in Münster um 1993. Anstelle der alten „Schichttorte“ an der Grenze sollte das Prinzip der „strategischen Gegenkonzentration“ von eigenen Kräften in einem weiten Raum gegenüber einem potentiellen Angreifer treten. Dementsprechend stand auch die Wehrpflicht vorerst noch nicht in Frage, auch wenn man ihre Dauer schrittweise reduzierte. Phase „Armee der Einheit“ ab 1991 und „Heer für neue Aufgaben“ ab 1996: Es bestand großer Zwang zu Truppenauflösungen. Im I. Korps blieben in der ersten Phase der Reduzierung ab 1992 nur 88 von 169 Bataillonen erhalten. Das Personal sank von 108.000 auf 64.000 Soldaten . Die Zahl der Brigaden sank im Korps von 19 auf 7. Aufgelöst wurden in dieser Phase: Stab Luftwaffenunterstützungsgruppe Nord Münster, Panzerbataillon 194 Handorf, Panzerbataillon 204 als aktive Einheit Ahlen, Panzerartilleriebataillon 195 Handorf, Beobachtungsbataillon 73 Dülmen,

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Begleitbatterie 7 Dülmen, Jägerbataillon 531 Ahlen. Fernmeldebataillon 130 Coesfeld, Instandsetzungsbataillon 120 Rheine, Instandsetzungskompanie 800 Borken sowie eine Reihe von selbstständigen Kompanien in den Brigaden (Panzerpionierkompanie 190 Ahlen, Instandsetzungskompanie 190 Handorf, Instandsetzungskompanie 200 Unna-Königsborn). Die Nachschubkompanien 190 Ahlen und 200 Unna-Königsborn wurden in das Nachschubbataillon 7 integriert. Der Stab der 7.Panzerdivision blieb erhalten, verlegte aber von Unna nach Düsseldorf und fusionierte mit dem WBK III, d.h. er übernahm auch territoriale Aufgaben. Die Hellweg - Kaserne in Unna wurde damit überflüssig. Die Aufgabe von Standorten stand unter großer politischer Einflussnahme. Die erste große Reduzierungsentscheidung 1991 wurde noch von Verteidigungsminister Stoltenberg, getroffen, die Realisierung oblag aber seinem Nachfolger Rühe. Unübersehbar war die Neigung zur Erhaltung von Einheiten und Standorten auf Kosten der Wirtschaftlichkeit und Substanz. So machte man das im strukturschwachen Hümmling (Emsland) liegende Nachschubbataillon SW 120 Werlte zum Transportbataillon der neuen Logistikbrigade 1 und reduzierte das in dieser Rolle seit Jahrzehnten bewährte und günstiger stationierte Transportbataillon 170 in Rheine auf einen Mobilmachungsausbildungsverband, der aber noch eine aktive Schwerlasttransportkompanie behielt, um als Bataillon noch eine Existenzberechtigung zu haben. Es kam zu einer Internationalisierung der Korpsstäbe, die in immer geringerer Zahl eigene Truppen kommandierten. Das 1995 als Nachfolger des I. deutschen und I. niederländischen Korps ins Leben gerufene Korps D/NL war hier beispielgebend. Die Fernmeldetruppe in Coesfeld wurde in den folgenden 10 Jahren schrittweise durch einen gemischten Führungsunterstützungsverband D/NL in Eibergen (NL) und Münster ersetzt. Die zahlenmäßig starken und im Münsterland zahlreichen Korpstruppen wurden schrittweise aufgelöst oder auf die Divisionen verteilt. Nachdem der Nuklearauftrag mit dem System LANCE entfallen war, wechselte das Raketenartilleriebataillon 150 in Wesel zum Artillerieregiment 7 und übernahm anstelle des aufgelösten Raketenartilleriebataillons 72 in Wuppertal das neue Mehrfachraketensystem MARS. Die Pioniere in Holzminden und Emmerich wechselten zur neu aufgestellten Pionierbrigade 30 der 7. Panzerdivision. Die Neuaufstellung von Kommandos und Regimentsstäben, die meist nach wenigen Jahren wieder aufgelöst wurden, sollte zu einem Merkmal des Umbaus der nächsten 15 Jahre werden. Dies nährte den meist nicht offen ausgesprochenen Verdacht, dass es hier vor allem um die Erhaltung von Planstellen für Stabsoffiziere ging. Der Vorwurf von „zu vielen Häuptlingen und zu wenigen Indianern“ machte die Runde. Mit den zahlreichen Unterstellungswechseln verlor das sehr durchdachte Nummernsystem aus dem Jahre 1959 seine Systematik, die aus der Truppennummer die Zugehörigkeit zu einem übergeordneten Verband erkennbar machte. So gehörten nun das Panzerbataillon 203 und das Panzerartilleriebataillon 205 zur

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Panzergrenadierbrigade 19. Die Ziffer 19 kam in deren Nummer nicht vor. Aus Gründen der Traditionspflege unterließ man in den meisten Fällen Umbenennungen. Es kam zur Fusion von Truppenteilen, z.B. der Brigaden 19 und 20 und des Feldartilleriebataillons 71 mit dem Beobachtungsbataillon 73. Die Panzerjägertruppe (Panzerjägerkompanien 200 und 210 in Hemer und Augustdorf) wurde erst in die Panzergrenadierbataillone integriert und verschwand mit der Außerdienststellung ihrer Waffensysteme später ganz aus dem Heer.

Auflösungen und Fusionen am Beispiel des Artillerieregiments 7 und der Panzergrenadierbrigade 19

Das Territorialheer ging im Feldheer auf. Dies führte zu einer Reduzierung der territorialen Führungsstrukturen (Wegfall der VKK 331, 333, 334, 335 und der Heimatschutzbrigaden 53 und 63 na). Die Fusion von einigen Brigaden mit VBK, z.B. Panzergrenadierbrigade 19/VBK 33 in Ahlen war aber nicht von Dauer. Mit der Auflösung vieler Geräteeinheiten des Feld- und Territorialheeres mit seinen VBK VKK und Heimatschutzbrigaden wurden viele Reservisten nicht mehr benötigt. Immerhin blieben einzelne Jäger-/Heimatschutzbataillone und Ersatzbataillone unter dem Kommando der verbliebenen VBK bis ca. 2006 noch erhalten. Die WHNS-Organisation wurde erst reduziert und dann aufgelöst, wobei einzelne logistische Bataillone noch in der Mobilmachungsorganisation der Heereslogistik eine befristete Verwendung fanden. Die Reorganisation der Logistik machte in den 90er Jahren die verbliebenen Divisionen zur „Drehscheibe der Logistik“. Das Logistikregiment 7 in der Glückauf - Kaserne in Unna - Königsborn konzentrierte die noch vorhandenen Kapazitäten aus dem Nachschubbataillon 7, Instandsetzungsbataillon 7 und den aufgelöstem sechs logistischen Brigadeeinheiten. Zusätzlich wurde das Kölner Transportbataillon 801 des ehemaligen Versorgungskommandos 800 unterstellt und in Lippstadt stationiert. Parallel zu den beiden vorhandenen Bataillonen für Nachschub und Instandsetzung kam es zur kurzlebigen Neuformation des teilaktiven Nachschubbataillons 71 und Instandsetzungsbataillons 71. Die fünf logistischen Bataillone des Logistikregiments 7

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verteilten sich mit ihren Kompanien auf die Standorte Unna, Lippstadt, Ahlen, Augustdorf, Coesfeld, Dülmen, Wesel und Borken. Dazu kam für die Kriegsversorgung der territorialen Einheiten des Befehlsbereichs der 7.Panzerdivision/WBK III das nicht aktive Nachschubbataillon 73 in Dortmund-Sölde (andere Quellen nennen Kranenburg), das im Prinzip die Rolle des ehemaligen nicht aktiven Transportbataillons 730 in Greven einnahm. Die Fusion des Nachschubkommando 1 des Korps in Rheine mit dem territorialen Versorgungskommando 800 in Lingen führte zur Logistikbrigade 1 Lingen mit den teilaktiven Nachschubbataillonen 110 und 804, dem Transportbataillon 120, teilaktiven Transportbataillon 170, nicht aktiven Transportbataillon 802, den Depots des ehemaligen Versorgungskommando und z.T. auch noch Korpsdepots. Die Logistikbrigade 1 wurde vorerst noch dem I. Korps unterstellt. Viele logistische Einheiten des Feldheeres und alten Territorialheeres wurden weiterhin für eine Mobilmachungsaufstellung benötigt, da die Verschiebung des Auftrags Landesverteidigung zur Bündnisverteidigung an den NATO-Grenzen eine Verlängerung der logistischen Wege bedeutete. In der Sanitätstruppe gab es eine analoge Verschiebung der Verantwortlichkeit auf Division/WBK mit dem Sanitätsregiment 7 Hamm und der Sanitätsbrigade 1 Leer. Bei der Luftwaffe gab es eine Zentralisierung der Logistik beim Luftwaffen-unterstützungskommando, d.h. die Luftwaffenunterstützungsgruppe Nord in Münster fiel weg. Die 24 - h - Einsatzbereitschaft der bodengebundenen Luftverteidigung wurde überflüssig. Seit 1987 lief die Umrüstung von NIKE auf PATRIOT. Der Umbau der NIKE-Stellungen auf feste PATRIOT-Einsatzstellungen der sechs Staffeln der Flugabwehrraketengruppe 21 als „Altentscheidung“ war nicht mehr zu revidieren und die Kleinstandorte blieben vorerst erhalten. Die Konzentration von je zwei Staffeln auf Möhnesee, Holzwickede und Lennestadt - Oedingen wurde nie voll umgesetzt. Die Standorte Datteln und Westkirchen wurde erst 2002 verlassen im Rahmen einer grundlegend veränderten Neuorganisation und Reduzierung. Die 1987 geplante Struktur wurde allerdings erheblich „abgespeckt“. Die Staffeln wurden personell reduziert und die anfangs zu Geschwadern aufgewerteten Flugabwehrraketenbataillone wurden unter der Bezeichnung Gruppe wieder auf den alten Bataillonsstatus reduziert. Ähnlich verzögerte Umsetzung von Altentscheidungen gab es auch bei Depots, die oft wegen des Materialrückflusses aus den aufgelösten Einheiten noch länger benötigt und erst nach 2000 beschleunigt außer Dienst gestellt wurden. Ab 1996 wurde die erste Reorganisation schon wieder modifiziert. Der Kostendruck erzwang weitere Auflösungen und ein Absinken der Truppenstärke auf 340.000, die sich im Münsterland allerdings nicht wesentlich auswirkten. Allerdings wurde die Fusion von Brigaden und VBK wieder zurückgenommen und das VBK 35 in Augustdorf übernahm auch die Verantwortung für die territorialen Aufgaben im ehemaligen Verteidigungsbezirk Münster. Der langjährige Kommandeur Oberst Lenuweit ist noch ein Begriff, unter seinem Nachfolger Richter wurde das Kommando dann 2006 auch aufgelöst.

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Eine entscheidende Veränderung ergab sich in dieser Phase des Umbaus unter Minister Rühe durch die wachsenden Anforderungen der Auslandeinsätze aufgrund der Erfahrungen in Somalia 1993 und vor allem auf dem Balkan. Die Truppe benötigte voll einsatzbereite Kräfte, andererseits wollte man sich wegen des weiterhin gültigen Auftrages zur Landesverteidigung nicht von der Option eines Aufwuchses einer größeren Zahl von Truppen aus einem kleineren aktiven Kader trennen. Das ab 1996 verfolgte Konzept erhielt den Namen „Heer für neue Aufgaben“. So teilte man die Streitkräfte in voll präsente Krisenreaktions (KRK)- und weniger präsente Hauptverteidigungskräfte(HVK).

Heer und Luftwaffe in der Region 1996-2002 (eigene Grafiken)

Die Panzergrenadierbrigade 19 wurde zu einer teilaktiven Aufwuchsbrigade mit dem Panzerbataillon 203 Hemer, dem Panzergrenadierbataillon 192 Ahlen und dem Panzerartilleriebataillon 205 Dülmen. Durch Mobilisierung des nicht aktiven Panzerbataillons 204 und Panzergrenadierbataillons 202 wurde die Brigade zu einem voll einsatzfähigen Verband für die Landes und Bündnisverteidigung. Die Panzerbrigade 21 erhielt den Status eines KRK-Verbandes. Allerdings wurden nach dem Prinzip der Vermaschung KRK-Bataillone/Kompanien und HVK- Bataillone/Kompanien in einigen Verbänden auch gemischt. Die HVK-Brigade 19 und die KRK Brigade 21 unterstanden beide neben der Pionierbrigade 30 (Pionierbataillone 1, 140 und ABC-Abwehrbataillon 7) und den VBK 31 (Hilden),34(Arnsberg) und 35 dem Stab 7.Panzerdivision/WB III. Den KRK-Status hatten das Artillerieregiment 7 mit dem Beobachtungspanzer-artilleriebataillon 71, das Panzerflugabwehrbataillon 7, das Instandsetzungsbataillon 110, das Nachschubbataillon 110, das Heeresfliegerregiment 15 und das Sanitätsregiment 7. Die Logistikbrigaden und die Sanitätsbrigade, die bisher noch den Korps unterstellt waren, kamen im Konzept „Heer für neue Aufgaben“ unter das Dach des Heeresunterstützungskommandos. Dabei umfasste die Logistikbrigade 1 in Lingen mit dem Logistikregiment 11 Rheine in der Friedensgliederung folgende Bataillone: Nachschubbataillon 110, Nachschubbataillon 804 teilaktiv (Rheine, Delmenhorst), Transportbataillon 120, Transportbataillon 170 teilaktiv, Transportbataillon 720 nicht

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aktiv, Transportbataillon 493 nicht aktiv(Kranenburg), Instandsetzungsbataillon 110, Instandsetzungsbataillon 141 teilaktiv (Luttmersen) sowie die Depots. Im Kriege hätte das nicht aktive Logistikregiment 12 einen Teil der Bataillone übernommen. Das mittlere Heeresfliegertransportregiment 15 in Rheine kam unter das Kommando der Heeresfliegerbrigade 3 (Mendig). Der Prozess der Zentralisierung beschleunigte sich im Heer und wurde ab 2002 mit der Streitkräftebasis und dem zentralen Sanitätsdienst fortgesetzt. II.Phase „Transformation ab 2001– verteidigungspolitische Richtlinien ab 2004 – Neuausrichtung ab 2011: Den meisten Beteiligten war klar, dass die Strukturreformen der 90er Jahre nicht von Dauer sein würden. Die finanzielle und personelle Decke war für die noch sehr zahlreichen aktiven und nicht aktiven Formationen der Bundeswehr zu kurz geworden. Die Personalstärke sank kontinuierlich und begann, sich der Marke 300.000 zu nähern. Gleichzeitig bereitete die Bereitstellung von Einheiten für die internationalen Einsätze, die der Verteidigungsminister Rühe auf den Weg gebracht hatte, Probleme. Die Aufteilung in Krisenreaktions- und Hauptverteidigungskräfte blieb umstritten. Die Planer und Verteidigungspolitiker diskutierten über eine neue Bundeswehr in einer Größenordnung irgendwo zwischen 200.000 und 300.000. Mit dem Regierungswechsel von 1998 übernahm Verteidigungsminister Scharping die Verantwortung für die Umgestaltung. Es kam 2001 zu durchgreifenden Strukturentscheidungen, die eine Phase neuer massiver Reduktionen und Umorganisationen einleitete, welche die Gestalt der Bundeswehr wesentlich veränderten. Dieser Prozess kam auch unter seinen Nachfolgern Struck, Guttenberg und de Maiziére nicht mehr zum Stillstand, auch wenn die Schlagworte des Truppenabbaus und - umbaus wechselten: Transformation“ ab 2001 (BMVg Scharping) ,„verteidigungspolitische Richtlinien“2004 (BMVg Struck) „Neuausrichtung 2011 (BMVg Guttenberg, de Maiziere). Die verschiedenen Etappen werden hier zusammenfassend betrachtet, auch wenn sich jede Reform in der offiziellen Lesart als dauerhafter Entwurf verstand. Die Aufgabe von Standorten bedingte großen Bedarf an Konversion für die aufgegeben militärischen Objekte in Hopsten-Dreierwalde, Rheine (Wewer-Kaserne Kaserne Gellendorf), Dülmen, Coesfeld - Flamschen, Borken, demnächst Bentlage, Zeitgleich beschleunigte sich auch der Truppenabzug der Briten (Loddenheide, Gremmendorf, Coerde, Dülmen, Wulfen etc.), der bis 2020 abgeschlossen sein soll. Die belgischen Streitkräfte in der benachbarten Hellwegzone waren schon vor 2000 abgezogen worden. Das Münsterland wird zunehmend zum „weißen Fleck“ der Militärpräsenz Markantes Merkmal der „Transformation“ in der „Scharpingreform“ von 2001 war die Aufstellung von zwei neuen Organisationsbereiche zur Zentralisierung von Unterstützungsaufgaben. Neben die traditionellen Teilstreitkräfte Heer, Marine und Luftwaffe traten die Streitkräftebasis und der zentrale Sanitätsdienst .Die

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Streitkräftebasis war nun auch für territoriale Aufgaben zuständig, die bisher dem Heer zugeordnet waren.. Die Streitkräftebasis übernahm neben der territorialen Rolle und die vielen Zentralaufgaben im Streitkräfteamt auch große Teile der Führungsunterstützung (Fernmelder), elektronischen Aufklärung und Kampfführung, Logistik und das Feldjägerwesen von Heer und Luftwaffe Oft kritisiert wurde die Auslagerung militärischer Aufgaben an zivil strukturierte Behörden oder Unternehmensgesellschaften: Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, Bundeswehrfuhrpark, Bekleidungsmanagement, Fernmeldewesen. Die 7.Panzerdivision und das Wehrbereichskommando III wurden wieder getrennt und das WBK III mit dem WBK IV zum Wehrbereich II Mainz zusammengeführt. Die Wehrbereiche erhielten neue Aufgaben bei der Führung von Truppen der Streitkräftebasis ohne regionale Bindung. Der Wehrbereich II führte ab 2002 Führungsunterstützungseinheiten in ganz Deutschland. Die Auflösung der verbliebenen Verteidigungsbezirkskommandos wurde bis 2007 abgeschlossenen. Mit ihnen verschwanden auch die unterstellten Heimatschutz- und Ersatzbataillone und die meisten Mobilmachungsstützpunkte. Es kam zu einer Zentralisierung der territorialen Aufgaben bei den in jedem Bundesland aufgestellten Landeskommandos und den vier Wehrbereichen I bis IV Die Strukturreformen von 2001 und 2004 führten zur Auflösung der Panzergrenadierbrigade 19 (2002) und der 7.Panzerdivision (2006). Die Panzerbrigade 21 kam zur 1.Panzerdivision Hannover. Die Heeresunteroffizierschule I in Handorf wurde in Lehrgruppe B der zentralen Unteroffizierschule des Heeres in Delitzsch umgewandelt. Entschieden wurde das Auslaufen des Jagdgeschwaders 72 und der Luftwaffenbasis bei Rheine als Fluglehrgruppe F 4 bis 2006. Das Sanitätsregiment 7 des Heeres in Hamm wurde zum Sanitätsregiment 22 des zentralen Sanitätsdienstes und 2007 nach Ahlen verlegt, Das Artillerieregiment 7 und das Panzerartilleriebataillon 205 wurden aufgelöst und der Standort Dülmen bis 2004 aufgegeben. Das Beobachtungspanzer-artilleriebataillon 71 verlor seine Rohrartillerie und verlegte als Beobachtungs-artilleriebataillon 71 der kurzlebigen Artilleriebrigade 100 im neuen Heerestruppenkommando nach Coesfeld , wurde dann aber mit der „Struckreform“ bis 2008 aufgelöst. Das Panzergrenadierbataillon 192 Ahlen und Panzerbataillon 203 Hemer gingen nach Auflösung der Panzergrenadierbrigade 19 im Jahre 2002 an die Panzerbrigade 21 Augustdorf, bis auch die Ahlener Panzergrenadiere 2006 aufgelöst wurden.

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Abzug der Panzerhaubitzen M 109 G des aufgelösten Panzerartilleriebataillons 205 aus Dülmen 2002

Mit der 2003 erfolgten Auflösung des Logistikregiments 11 und seinen Einheiten in Rheine, Werlte und Coesfeld (Stab Logistikregiment 11, Nachschubbataillone 110, 804 Transportbataillone 120,170 Instandsetzungsbataillon 110) wegen Verlagerung der Versorgung in die Streitkräftebasis und die neuen Heereslogistikbrigaden 100 und 200 des Heerestruppenkommandos wurde in Rheine eine lange logistische Tradition beendet. Die nur kurzlebige Logistikbrigade 100 Unna (2002-2007) führte in der betrachteten Region u.a. das Instandsetzungsbataillon 7. Das Nachschubbataillon 7 war auch aufgelöst worden. Bis 2010 erfolgte die Schließung von zahlreichen Depots (MunDp Ochtrup, Saerbeck, Lünten, Olfen, Hülsten) und der Tanklager in Brünen und Everswinkel. Die Stationen des Führungs- und Fernmeldenetzes der Luftwaffe liefen in der Regie der Streitkräftebasis (FmBtl 384 Karlsruhe) aus. Es erfolgte eine Auslagerung an zivile Betreiber und Konzentration in wenigen Luftwaffenführungsdiensteinheiten

Ein weiterer Motor von Veränderung war die fortschreitende Internationalisierung und multinationale Integration, die vor allem Münster und Coesfeld betraf. Das Fernmeldebataillon 110 des Korps D/NL in Coesfeld- Flamschen wurde 2002 außer Dienst gestellt, weil seine Aufgaben immer mehr vom gemeinsamen deutsch-niederländischen Führungsunterstützungsverband (Staff Support Battaillon) des Korps in Eibergen(NL) und Münster übernommen wurde. Das Lufttransportkommando wurde 2010 aufgelöst, weil nun das europäische Lufttransportkommando in Eindhoven diese Aufgabe für mehrere Teilnehmerstaaten übernommen hatte. Allerdings blieb noch die SAR-Leitstelle (Land) zur Koordinierung des militärischen Such- und Rettungsdienstes in Münster. Die war nach dem Ende des Standortes Goch nach Münster verlegt worden. Diese Einrichtung gehört mittlerweile zur Division schnelle Kräfte des Heeres, da nur noch diese mit dem NH 90 über einen geeigneten Hubschraubertyp verfügen wird. Der Geo-Informationsdienst des Zentrums für Luftoperationen (Uedem) ist nur noch übergangsweise in der Richthofen-Straße untergebracht.

Die internationale Integration „rettete“ den rheinischen Standort Wesel. Nach der 2002 erfolgten Auflösung des Raketenartilleriebataillons 150 zog in die Schill-Kaserne das

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aus der Gustav – Heinemann- Kaserne in Essen - Kray kommende Fernmeldebataillon 284 ein. Dieser Verband hatte unter mehreren Bezeichnungen schon eine lange Geschichte als Fernmeldeverband der Bundeswehr für die NATO hinter sich (1960: Fernmeldebataillon 71,1970: Fernmeldebataillon 840, 1994: Fernmelderegiment 990, 2002: Fernmeldebataillon 284). Diese mittlerweile international gemischte NATO-Einheit in Wesel führt heute für den deutschen Anteil die komplizierte Bezeichnung Dienstältester Deutscher Offizier / Deutscher Anteil 1st NATO Signal Battalion.

Nicht vergessen darf man auch den Umbau der zivilen Wehrverwaltung und die neuen Servicegesellschaften für ausgelagerte Dienstleistungen. Aus der klassischen Standortverwaltung entstand das Bundeswehrdienstleistungszentrum in Coerde, Die Kreiswehrersatzämter wurde zu Karrierezentren und viele Soldaten mussten sich daran gewöhnen, dass sie oft keine eigenen Fahrzeuge ihrer Einheit oder Dienststelle nutzen konnten, sondern sich bei der BwFuhrpark-Gesellschaft bedienen mussten, die ihre meist weißen PKW, Busse, Pritschenwagen im T-Bereich von Handorf abstellte, wo früher mal die LEOPARD-Panzer gestanden hatten.

Die mit der Neuausrichtung von 2011 verbundenen Veränderungen im Münsterland sind wegen des bereits vorher erfolgten Truppenabbaus überschaubar und werden im letzten Kapitel zusammengefasst. Der Wechsel und die Verlegung der Heeresflieger aus Rheine zur Luftwaffe setzt einen Endpunkt unter die Garnisonsgeschichte eines der größten Standorte der Bundeswehr. Der Standort Ahlen ist dagegen durch das neue Aufklärungsbataillon 7 gesichert. Nach dem Abzug der letzten Luftwaffenstäbe verbleibt in Münster neben dem Korps D/NL noch das Luftwaffenmusikkorps als Repräsentant seiner Teilstreitkraft, da es mit seiner Unterstellung unter das Streitkräfteamt und Wechsel zur Streitkräftebasis seine blaue Uniform nicht verliert.

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Das Münsterland im Umfeld der Neuausrichtung der Bundeswehr 2011 - 2017 Das Korps D/NL in Münster am Schlossplatz mit dem Stabsunterstützungsbataillon (D/NL) in der Lützow-Kaserne von Handorf steht aufgrund seiner gewachsenen Bedeutung in der NATO-Planung nach dem Gipfel von Wales 2014 nicht in Frage. Die Blücher – Kaserne in der Einsteinstr. als langjähriger Standort der Stabskompanie und früheren Topographiebatterie 101/800 wird nicht mehr lange benötigt und dürfte mit seiner zentralen Lage im neuen Universitätsgelände ein „Filetstück“ der Vermarktung für die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) werden. Die „Prinz-Claus-Kaserne“ für niederländische Teile des Korps auf dem Areal der ehemaligen britischen Lincoln-Kaserne an der Grevener Str. ist in Teilen schon in ein Wohnviertel konvertiert worden. Ihr verstorbener Namensgeber hatte als Ehemann der früheren Königin Beatrix sehr zum deutsch-niederländischen Zusammenhalt beigetragen. Das Korps konnte 2015 bereits auf eine 20-jährige Geschichte als integrierter multi-nationaler Verband zurückblicken, Als mobiles internationales Hauptquartier für die Führung von nach Bedarf unterstellten Truppenverbänden ist es im Bündnisgebiet und darüber hinaus vielseitig einsetzbar und hat das auch schon oft unter Beweis gestellt.

Fahrzeuge vom StUstgBtl des Korps D-NL in Handorf 2005.

Korps sind heute keine Truppenkörper mit großen Truppenmassen mehr. Gerne werden falsche Eindrücke bei Verwendung des Begriffs Korps vermittelt. Es ist ein klassisches Beispiel für „Häuptlinge ohne Indianer“. Maßeinheit für militärische Einsätze ist in den reduzierten Bündnisarmeen die Verbandsform der Brigade geworden, die man bei Bedarf unter der Führung einer kleinen Zahl von noch vorhandenen Divisionsstäben zusammenfassen kann.

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Kampftruppenteile gibt es im Münsterland seit der Auflösung des Panzergrenadierbataillons 192 in Ahlen im Jahre 2006 nicht mehr. Die lippische Panzerbrigade 21 in der Rommelkaserne Augustdorf am Nordrand der Senne mit dem Panzerbataillon 203 und Panzergrenadierbataillon 212 bleibt als einziger taktisch-operativer Heeresverband in Nordrhein-Westfalen erhalten, musste aber ihr Panzerartilleriebataillon 215 auflösen. In Ahlen erfolgt die Neuaufstellung des gemischten Aufklärungsbataillons 7 für die Panzerbrigade 21. Sie ist kein taktisches Manöverelement der Brigade, sondern Formation verschiedener technischer und klassischer Aufklärungsmittel (Drohnen, Aufklärungspanzer Fennek mit vielen technischen Sensoren, Frontnachrichtenzug).

Das seit 2007 in Ahlen stationierte, aus dem Sanitätsbataillon/regiment 7 in Hamm hervorgegangene Sanitätsregiment 22 wird bis 2016 aufgelöst bzw. in das Sanitätsregiment 2 (Rennerod, Koblenz) integriert. Aufgestellt wird in Ahlen noch die Rekrutenkompanie 3 der Panzerbrigade 21 für die Ausbildung des Freiwilligennachwuchses. Der Standort Ahlen genießt den Vorzug eines größeren Standortübungsplatzes in der Gemarkung Oestrich westlich der Eisenbahnhauptstrecke nach Hannover. In den beiden ehemals wichtigsten Kampftruppenstandorten des Münsterlandes, Ahlen und Handorf werden demnach die letzten beiden bataillonsstarken Truppenteile in der Region stationiert sein, das Stabsunterstützungsbataillon und das Aufklärungsbataillon 7! In der Glückauf - Kaserne Unna - Könisborn liegt das Versorgungsbataillons 7 für die Logistik der Brigade mit zwei abgesetzten Kompanien in Augustdorf und Stadtallendorf. Das Bataillon besitzt mit seiner 5. Kompanie den einzigen Ergänzungstruppenteil im Umfeld unserer Region.

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Zur Panzerbrigade 21 gehören ferner das Panzerpionierbataillon 1 in Holzminden an der Weser, sowie das Jägerbataillon 1 und nicht aktive Jägerbataillon 921 im hessischen Schwarzenborn. Das Pionierbataillon 130 in Minden, das bisher mit amphibischen Brückenfahrzeugen ausgestattet war, wird ebenfalls zu einem Panzerpionierbataillon und der Panzerlehrbrigade 9 unterstellt. Die Panzerbrigade 21 in Augustdorf bildet zusammen mit der Panzerlehrbrigade 9 in Munster und der Panzergrenadierbrigade 41 in Neubrandenburg die 1. Panzerdivision Hannover, künftig Oldenburg. In der Südhälfte Deutschlands führt die 10. Panzerdivision Veitshöchheim die Panzerbrigade 12 Cham, Panzergrenadierbrigade 37 Frankenberg und Gebirgsbrigade 23 Bad Reichenhall. Dazu treten als Sonderformation noch die Luftlandebrigade 1 Saarlouis mit den Fallschirmjägerregimentern 31 und 26 in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz und der deutsche Anteil der deutsch-französischen Brigade in Baden-Württemberg und Ostfrankreich. Dies bleibt von einst 42 aktiven Brigadeverbänden im Feldheer und Territorialheer vor 1992.

Leopard II des Panzerbataillons 203 bei einer Vorführung während des Soldatentages der Panzerbrigade

21 in Augustdorf 2007.

Die britischen Streitkräfte in Deutschland werden sich bis zu ihrem endgültigen Abzug 2020 auf die ostwestfälische Region um Bielefeld, Paderborn und Gütersloh konzentrieren, nachdem sie die Standorte in Niedersachsen und dem Rheinland bereits verlassen haben. Das Depot in Dülmen wird bis dahin noch einen Auslaufbetrieb führen.

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Die Bundeswehrdepots im Münsterland sind betroffen durch die Neuorganisation der verbleibenden „ ortsfesten logistischen Einrichtungen“ (OLE) unter dem Dach des Logistikkommandos der Streitkräftebasis in Erfurt. Geführt vom Logistikzentrum der Bundeswehr in Wilhelmshaven bleibt das Munitionsversorgungszentrum West in Wulfen. Die Materiallager Rheine und Ochtrup gehören künftig zum Bundeswehrdepot Nord Wilhelmshaven. Das Sanitätshauptdepot Epe untersteht dem Bundeswehrdepot West Mechernich. Die Luftwaffe wird im Münsterland mit dem geplanten Abzug der letzten CH 53 G des HTG 64 (Lw) aus Rheine ab 2017 nicht mehr vertreten sein, sieht man einmal vom Luftwaffenmusikkorps Münster im Rahmen der SKB und die Fernmeldeanlagen für die Lufttransportkräfte in Albersloh und Milte ab. Luftwaffenstandorte in größerem Umkreis bleiben das Zentrum für Luftoperationen in Kalkar bzw. Uedem und kleinere Objekte wie die abgesetzten Luftraumüberwachungsradaranlagen in Marienbaum bei Xanten und Auenhausen bei Höxter. Fliegende Verbände findet man erst wieder auf dem Fliegerhorst Nörvenich westlich von Köln (Taktisches Luftwaffengeschwader 31 mit Eurofightern) und Wunstorf bei Hannover (Lufttransportgeschwader 62 mit A 400 M). Weiter entfernt ist auch das Taktische Luftwaffengeschwader Geschwader 71 im ostfriesischen Wittmund, dessen Herabstufung zu einer Gruppe des Nörvenicher Verbandes revidiert wird. Hubschrauber der Heeresfliegertruppe werden bei Katastropheneinsätzen in unserer Region künftig aus dem internationalen Hubschrauberausbildungszentrum in Bückeburg kommen müssen. Die Bündelung der Führungsstrukturen in Fähigkeitskommandos der SKB hat Auswirkungen auf die Feldjägertruppe in Handorf, die ihren langjährigen Standort aufgeben muss. Das zuletzt durch die 5./Feldjägerbataillon 252 betriebene Feldjägerdienstkommando wird es im Rahmen des zum Kommando Territoriale Aufgaben (Berlin) gehörende Feldjägerkommando in Hannover mit seinen drei Feldjägerregimentern (u.a. Nr.2 in Hilden) nicht mehr geben. Natürlich ist der zentrale Sanitätsdienst der Bundeswehr auch weiterhin mit Standortsanitätszentren in Ahlen und Münster vertreten. Die Lehrgruppe B der Unteroffizierschule des Heeres soll bis 2016 von Handorf nach Delitzsch verlegt werden, wo sich dann alle Lehrgruppen der Unteroffizierschule des Heeres befinden werden. Der Bestand der Sportschule der Bundeswehr in Warendorf, die im September 2014 noch mit einem großen Tag der offenen Tür die Bundeswehr präsentierte, ist gesichert. Das seit 1957 in Münster untergebrachte Truppendienstgericht Nord und das Dienstleistungszentrum der zivilen Wehrverwaltung sind in der Stationierungsentscheidung von 2011 nicht mehr vorgesehen. Für den Heimatschutz wurden nach der Auflösung der letzten Heimatschutzbataillone, wie dem Heimatschutzbataillon 731 Münsterland, im letzten Jahrzehnt regionale Sicherungs- und Unterstützungskräfte aus Reservisten für Wach- und Sicherungsaufgaben und subsidiären Hilfeleistungen und Öffentlichkeitsarbeit

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aufgestellt. Die in Nordrhein-Westfalen durch das Landeskommando NW in Düsseldorf aufgestellten regionalen RSU-Kompanien „Rheinland“, „Ruhrgebiet“ und „Westfalen“ zu je 100 Mann fanden viel Aufmerksamkeit, stehen aber zahlenmäßig in keinem Verhältnis zur Nutzung des Reservistenpotentials für den Heimatschutz in früheren Strukturen. Allein im Wehrbereich III gab es in NRW in der Heeresstruktur IV sechs Heimatschutzbataillone in drei Heimatschutzregimentern, vier Jägerbataillone ( 2 aktiv, 2 nicht aktiv ) in zwei Heimatschutzbrigaden, ca. 35 Heimatschutzkompanien der 21 VKK im Wehrbereich III und 1 - 2 Sicherungszüge in allen Depots, GSV und Tanklagern, ohne die Wehrleitersatzbataillone /Feldausbildungsbataillone mit begrenzter Verwendbarkeit für Sicherungsaufgaben. Die etwa 30 RSU-Kompanien in ganz Deutschland können die fehlende Präsenz der Streitkräfte in den „weißen Flecken“ auf der Stationierungskarte sicher nicht kompensieren. Ein aktive Bürgergesellschaft und für Fragen äußerer Sicherheit aufgeschlossene und kompetente Politiker sind immer wieder gefordert, die Rolle einer verkleinerten Bundeswehr in einer europäischen und globalen Friedensordnung zu diskutieren und in der Gesellschaft zu vermitteln. Freundliches Desinteresse in diesen Fragen können wir uns in dieser Welt, so wie sie ist, sicher nicht leisten.

Jürgen Dreifke

Stand Januar 2016

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Impressum:

Jürgen Dreifke, 48249 Dülmen Beauftragter Sicherheitspolitik VdRBw Kreisgruppe Münster

[email protected] www.bw-duelmen.de

Dort findet man dieses Manuskipt als Datei unter : http://bw-duelmen.de/data/documents/60-Jahre-Bw-Msld-Bild-u-Text-10.1.pdf

Bei der Zusammenstellung der Ausarbeitung waren die Fotos, Materialien und Informationen einer Reihe von Personen sehr hilfreich: ●O.E. Dragoner mit seinen als eBooks veröffentlichten, umfangreichen und sehr sorgfältig zusammengestellten Stationierungslisten der NATO-Streitkräfte und vor allem der Bundeswehr in den Strukturen um 1989, zugänglich unter http://www.relikte.com/literatur.htm Manfred Tegge, der Webmaster dieser Website, mit umfangreichen Ausarbeitungen und Bildmaterial über die Bundeswehr im Norden ( www.relikte.com ). ●Jens Schleck mit einer Website über die Luftwaffe in Rheine ( www.etnp.de ), ●Walter Elkins (www.usarmygermany.com ) ●Peter Rottmann als Webmaster www.traditionsverband-logistik-rheine.de ) und Werner Peine als Betreuer der umfangreichen Sammlung des Traditionsverbandes Logistik Rheine ●Viele Informationen bieten auch die Beiträge und Diskussionen im Forum www.cold-war.de ● Für die Erstellungen der Grafiken war die Grafikbörse von Georg Breuer sehr hilfreich www.breucom.de Breuer Computerpublishing Lutzerath ●Persönliche Informationen und Fotos lieferten: Alexander Irmer, Bernhard Schnieders, Alexander Marx, Jörn Halberstadt, Rolf D. Goerigk ( www.nikesystem.de ), Otto Welz, D. Döbrich, W. Stöhr, Klaus D. Löhnert ●Basisinformation über die alten Strukturen findet man im Taschenbuch der Landstreitkräfte, herausgegeben von Friedrich Wiener in den Auflagen von 1977 und 1984. ●Der Entwicklungsprozess in der Bundeswehr seit 1991 wird sehr gut dokumentiert durch die verschiedenen Auflagen des Taschenbuchs Deutsche Bundeswehr von „communication presse marketing“, Sankt Augustin, zuletzt Folge 5, Jg. 2015 (Redakteur W. Flume)